Französische Republik.
@xml:id | #ar245b_002 |
@type | jArticle |
@facs | 1365 |
[
068
] Paris, 11 März.
Der s. g. General en chef Changarnier hat so eben ein Schreiben oder vielmehr einen Befehl an die Pariser Divisionscommandeure erlassen. Der Inhalt ist
folgender: „Verschiedene Unteroffiziere eines hiesigen Regiments haben, wie es scheint, schriftlich gegen das s. g. sozialistische Unteroffizier-Banquett protestiren wollen. Changarnier, der
über diesen Protest sehr frohist, ist aber in dieser Beziehung durchaus mit Marschall Soult einverstanden und mißbilligt die Fassung. Wenn Changarnier Recht hat, so darf kein Soldat für eine Zeitung
schreiben, bei Strafe der Ausstoßung aus der Armee. „Einen Streit in solchen Dingen beginnen oder fortführen, heißt, sich selbst der Verachtung aussetzen.“ Man sieht, daß Changarnier
sich sehr um die Presse bekümmert; hierüber beklagen wir uns keineswegs. Die Ansicht des Oberkommandeurs ist in dieser Beziehung frei, und zwar eben so frei, wie wir über dergleichen Aeußerungen
gleichgültig sind.
Wir wollen blos eine Aeußerung Changarniers wiederholen. „Uebersehen sie nicht, sagte er, indem er auf die untersten Stufen der Hierarchie zurückging, die wesentlich schützende Aufgabe des
Heeres, nämlich daß das Heer nicht in Politik sondern nur in Ordnung macht.“ —
Wir bitten den Hrn. Oberkommandeur um Verzeihung, aber derselbe glaubt, es sei noch der Januar des vorigen Jahres unter der Orleans'schen Monarchie, oder der Juni 1830 unter den Bourbons.
Wir sind nicht mehr, oder wir sind noch nicht auf diesem Standpunkte. Seit dem Februar hat sich das Heer emanzipirt und seine Thätigkeit Epoche gemacht hat im politischen Leben des Volkes, verzichten
unsre Söhne und Brüder nicht mehr auf die Rechte eines Bürgers und begeben sich nicht mehr des Rechts zu denken und der Gedankenfreiheit selbst unter der Fahne.
Wenn übrigens Changarnier das Gewicht seiner Worte kennte, so würde er wissen, daß „in Ordnung machen“ so viel heißt wie „in Politik machen“, wenigstens ebenso oft als
die Aufgabe des Heeres sich in den Augen des Oberkommandeurs darauf beschränkt, die Ordnung in der Art der Stadtsergeanten zu hüten. Wenn er dieses voraussetzt, so wird das Heer ohne Zweifel stolz
sein auf den Beruf, den er ihm anweist und auf den er dasselbe beschränken will.
Der gesunde Sinn und die Vernunft legen gegen die Changarnier'schen Anmaßungen Verwahrung ein; aber solche Autoritäten genügen vielleicht Herrn Changarnier nicht. Wir berufen uns auf eine
andere Autorität, vor der man sich wohl wird beugen müssen: die Verfassung, wir wiederholen es, die Verfassung, kraft derer das Heer Theil hat an der wichtigsten Handlung im Staatsleben, nämlich an
den Wahlen. Das Wahlgesetz, welches die Nationalversammlung in diesem Augenblicke zum dritten Male prüft, verfügt wörtlich: „Das Heer hat im Inlande eben so gut das Recht, Abgeordnete zu
wählen, wie jeder Bürger.“ Fassen wir das Gesagte zusammen: bis dahin, daß eine weiße oder blaue Restauration die Volkssouveränetät vernichtet und aufs Neue die Herrschaft der Vorrechte und
Exemtionen einführt, so muß man die nothwendigen Folgesatze unserer Einrichtungen anerkennen.
Heutiges Tages haben alle Bürger, ohne Unterschied ob sie Soldaten sind oder nicht, auf Grund desselben Rechtes Theil am Staatsleben. Sie sind nicht allein berechtigt, sondern, wir legen Gewicht
darauf, verpflichtet, sich aufzuklären, zu unterrichten durch Rede und Schrift und durch Alles, was nur immerhin geschickt und tauglich machen kann zum Genusse ihrer Gerechtsame.
Changarnier würde geduldige und stumme Werkzeuge lieber haben; wir begreifen ihn durchaus. Aber möge er denken, thun und vor allen Dingen schreiben, was er will, so wird sich das Heer doch nicht
mehr als einen besonderen Theil des Volks betrachten, welcher, dem Befehle der Offiziere blosgestellt, so zu sagen zu einer steten Feindschaft mit seinen Mitbürgern verdammt ist. Das Heer ist
republikanisch! Der Obergeneral Changarnier muß sich danach richten.
— Unsere beiden Freihandelsschüler F. Bastiat und L. Faucher gerathen im „Courrier“ hart an einander, weil Ersterer bei der Nationalversammlung darauf angetragen:
„Kein Mitglied der National-Versammlung darf ein besoldetes Staatsamt, selbst nicht das eines Ministers, bekleiden.“
Auch das Journal des Debats zeigt sich über eine solche Neuerung höchlichst entrüstet. Wir unterlassen nicht, auf dieses Geheul der heutigen Journale aufmerksam zu machen.
— Im Peuple und im Bureau der Propogande socialiste liegen seit gestern mehrere hundert Zeitungsnummern aus, welche dem Militär gratis verabreicht werden.
Diese Maßregel versetzt den Pascha Changarnier in den Tuilerien in eine wahre Berserkerwuth. Es steht für morgen ein neuer geharnischter Tagesbefehl an alle seine Vessire des Seine-Departements in
Aussicht.
— Die Sitzung der Haute-Cour in Bourges vom 10 März macht das größte Aufsehen. Erstens denuncirte Blanqui den Hrn. Carlier, die Seele unsrer Polizeiwehr, der geflissentlichen Uebertreibung
in seinen Berichten ans Ministerium und entlarvte ihn vollständig. Zweitens deponirte der Zeuge Saniewski, 47 Jahr alt, polnischer Flüchtling:
„… Am 11. Mai stand ich als Neugierger auf dem Place de Bourgogne, um die Eingänge der Nationalversammlung zu beschauen. Unter der Menge, die mich umgab, sah ich mehrere Männer in
Blousen, die unter ihrer Verkleidung leicht als Nichtproletarier zu erkennen. Zwei derselben erkannte ich sogar als diejenigen wieder, welche in die Nationalwerkstätten der Batignolles kamen, um die
Arbeiter aufzuwiegeln. Der Eine trug eine alte Blouse und sagte zu mir: „Indem Sie mich so angekleidet sehen, glauben Sie vielleicht, daß ich Arbeiter bin? Nein, mein Freund, ich lebe von
meinen Zinsen (j'ai des rentes).“ Ich antwortete ihm nichts. Schon früher, entsann ich mich, hatte ich diesen Menschen mit den Arbeitern trinken und lustig leben sehen. Ich war Zeuge,
daß er eines Tags 50 Frk. für Essen und Trinken bezahlte; selbst Champagner wurde getrunken … Denselben Mann sah ich bald darauf im Hause der russischen Gesandtschaft.“
@xml:id | #ar245b_003 |
@type | jArticle |
@facs | 1365 |
[
068
] Bourges, 8. März.
(Gerichtsverhandlung vom 8. — Schluß.)
Präsident. Was hat sich in dem Club der Volksfreunde vor dem 15. Mai zugetragen?
Raspail erklärt, daß es kein Club, sondern eine belehrende Zusammenkunft gewesen sei, die er jeden Samstag abgehalten habe; es habe kein Bureau existirt und er, Raspail, die Versammlung allein und
nach Gutdünken dirigirt. Zu der polnischen Petition sei er durch persönliche Sympathieen veranlaßt worden. Am Tage nach Abfassung und Verlesung der Petition im Club habe er vernommen, daß man eine
große, friedliche Manifestation vorbereite, für welche er aus Vorliebe für Polen, aber unter der Bedingung am Ende des Zuges zu bleiben, seine und seiner Freunde Theilnahme zugesagt habe. Es geschah
wie verlangt. Nachdem sich der Zug einige Zeit bereits in Marsch gesetzt, seien die Führer zu ihm gekommen, um ihn zu ersuchen, mit an die Spitze zu treten, weil die Colonne keine Petition habe; er
habe dies angenommen und sei nach einer halben Stunde an der Spitze des Zugs angelangt, welcher bereits an der Madeleine war.
Präsident. Was haben Sie gethan, um in den Versammlungssaal einzutreten?
Raspail. Ueber den Revolutionsplatz, wo man sich sehr drängte, gelangte ich an das Gitter der Nationalversammlung. Hier herrschte der furchtbarste Tumult. Eine Menge agents provocateurs, die ich
vollständig erkannt habe, trieben sich umher und suchten Verwirrung und Unordnung anzurichten. Vergebens bemühte ich mich sie zur Ruhe zu ermahnen, und wendete mich an mehrere anwesende
Mobil-Offiziere; das Volk wurde durch die systematischen Aufreizungen fortgerissen.
Als ich in den seit einer Stunde bereits gestürmten Saal kam, wurde ich von Hrn. Buchez aufgefordert, die Petition zu lesen. Ich habe sie gelesen, und glaube, dadurch eine Pflicht erfüllt zu
haben.
Präsident. Was haben Sie nach Ihrer Entfernung aus der Versammlung gethan?
Raspail. Ich kam zu der, dem Revolutionsplatz entgegengesetzten Seite aus der Versammlung. Man sagte mir, daß ich Mitglied einer neuen provisorischen Regierung sei, und ich wurde mit dem Ruf: Es
lebe Raspail! umringt. Ich glaube, ich hatte das Recht, stolz darauf zu sein, diesen Ruf von den Lippen der Leidenden und Gedrückten zu vernehmen.
Ich erreichte einen Wagen, und wollte mich nach Hause begeben. Aber Männer aus dem Volk stiegen auf den Wagen und schrieen: „Nach dem Hotel-de-Ville!“ Ich antwortete, daß ich die
Republik liebe, daß ich mein ganzes Leben lang für sie gekämpft habe, daß ich aber nichts für mich von ihr profitiren wolle. Es gelang mir, das Hotel-de-Ville zu vermeiden, und wenn ich wie die
Anklage sagt, ein Verbrechen begangen habe, so ist es, weil ich mich statt zu mir, zu meinem Sohne begab, den man schurkischer Weise mit mir verhaftete. Diese Infamie gehört der Geschichte an.
Generalprokurator Baroche. Kann der Angeklagte Raspail den Namen der Repräsentanten sagen, die ihn einluden, in den Saal zu treten?
Raspail. Wenn Hr. Baroche an meinem Platze wäre, würde er sagen, er kenne sie nicht.
Blanqui. Ich kenne sie.
Ein Geschworner. Der Angeklagte Raspail möge uns sagen, ob es wahr ist, daß der General Courtais eingeladen, in das Gitter zu treten.
Raspail. Der General Courtais hat mich nach Mittheilung des Zwecks eintreten lassen, er wußte, daß ich Raspail sei.
Blanqui. Der Repräsentant, welcher die Delegirten der Clubs zum Eintritt in den Sitzungssaal einlud, ist der Bürger Xavier Durrieu, (Ex-Redakteur des legitimistischen Courrier français.)
Präsident. Hr. Durrieu ist Zeuge. Man wird ihn hören. Angeklagter Flotte, erheben Sie sich.
Flotte bleibt sitzen und antwortet nicht.
Der Präsident fordert den Angeklagten Quentin auf.
Quentin. Am 15. Mai war ich auf dem Boulevard, und sah die Manifestation mit an. Da sie mir vollkommen gesetzlich vorkam und ich den Ruf: „Es lebe Polen!“ vernahm, mischte ich mich
als Neugieriger in die Prozession. Die Menge drang in den Saal und ich folgte ihr. An der Thür des Sitzungssaales sah ich Hrn. François Arago, einen der Haupt-Belastungszeugen, Leute von
gewaltthätigem Aussehen in die Versammlung führen. Als ich mich vor ihm präsentirte, sagte er mir: „Mit welchem Recht wollen Sie hier eintreten?“ Ich antwortete: „Mit demselben
Recht, welches Sie diesen Menschen zugestehen.“
Präsident. Wie und warum sind sie in's Luxemburg gegangen?
Quentin. Ich bin hingegangen, weil es mir so convenirte; ich wollte mich der Exekutiv-Kommission zur Verfügung stellen für den Fall, daß sie bedroht wäre. Als ich eben eintrat, begegnete mir der
Bürger Arago und rief: „Ah, da ist einer der Aufrührer; verhaftet ihn!“ Die Gardiens stürzten sich auf mich, — verhafteten mich und nahmen mir meine Pistolen ab, die ich seit 1830
trage.
General-Prokurator Baroche. Der General Courtais hat erklärt, daß sie gerufen haben: A bas cette Assemblée des canailles!
Quentin. Ich habe diese Worte nicht gerufen. Der General Courtais hat übrigens vorgestern in der ersten Sitzung erklärt, daß ich nicht der Mann sei, den man ihm unter meinem Namen bezeichnet.
Baroche. Haben sie nicht den Präsidenten insultirt?
Quentin. Ich habe ihn beschützt und die Erstürmung des Bureaux verhindert.
Baroche. Sie sollen dem Präsidenten zugerufen haben: „Sie sind ein Verräther. Louis Blanc auf den Präsidentenstuhl!“
Quentin. Ich habe nicht daran gedacht.
Der Präsident ruft den Angeklagten Degré auf.
Degré gibt zu, daß er Präsident eines Clubs zu Montargis gewesen sei, der aber nur zum Zweck der Wahlen gebildet worden. Am 15. Mai habe er sich nach dem Faubourg St. Antoine begeben, um ein
Portrait zu malen. Unterwegs habe er den Zug gesehen, der eine Petition in die Versammlung bringen sollte; er sei aus Neugierde gefolgt, dann nach Hause gegangen und in Uniform zurückgekehrt. Die
Frage, ob er nicht mehrere Repräsentanten im Sitzungssaal beleidigt, verneint der Angeklagte. Ein Mann an der Tribüne habe ihn aufgefordert, den Säbel zu ziehen, und er habe diesem Befehl sofort
gehorcht.
Baroche. Haben Sie nicht beim Eintritt in die Versammlung, gerufen: „Man soll diese Revolution nicht eskamotiren wie die Februar-Revolution!“
Degré. Ich dachte nicht daran. Uebrigens hat man denselben Vorwurf schon Quentin gemacht, ohne bessere Beweise dafür zu haben.
Der Präsident ruft den Angeklagten Larger, Bataillonschef der Mobilgarde von Passy, auf. Derselbe erklärt, aus Neugierde dem Zuge gefolgt zu sein. Er habe in Passy am Abend die Bildung einer neuen
provisorischen Regierung verkündigt, weil er die Proklamation in dem Versammlungssaal mit angehört.
Der Angeklagte Borme erklärt auf die Fragen des Präsidenten, daß er Marinesoldat gewesen, wegen Tragens eines Kreuzes der Ehrenlegion verurtheilt worden, und mit dem berüchtigten Vidocq bekannt
sei. Als er darüber Aufschluß geben soll, ob er vor dem 15. Mai oft ins Hotel de Ville gekommen sei, ruft Raspail, daß man nichts verstehe. Der Generalprokurator nimmt den Angeklagten Borme in Schutz
und bemerkt, daß Barbés mit seinem Beistand, dem Repräsentanten Bernard plaudere. Raspail antwortet, daß nicht Barbés ihn am Hören verhindere, und Barbés erklärt dem
Generalprokurator, daß er kein Geräusch machen werde, wenn man ihn in seiner Zelle ließe. Borme wird unter die Angeklagtenbank, vor die Richter gestellt.
Raspail. Ich frage den Angeklagten Borme, ob er nicht Sekretär von Marrast gewesen, mit Hrn. Flottard gearbeitet?
Borme stellt Beides in Abrede.
Präsident. Wer hat Ihre Reisen nach Marseille bezahlt?
Borme. Im Anfang die Regierung.
Raspail Hat Borme nicht seine Mitangeklagten in einem Brief denunzirt, den er in der Conciergerie, als er mit uns zusammengesperrt war, an die Polizei schrieb?
Borme: Ich habe einige Mal Maßregeln gegen meine Mitangeklagten genommen; ich habe selbst von der Juni-Insurrektion Kenntniß gegeben, von der sich in dem Gefängniß Spuren zeigten, und Lacambre als
Haupt-Chef bezeichnete. (Lärm im Auditorium und unter den Gefangenen) Ich habe das gethan, weil ich Feind der rothen Republik bin. Am 20. Juni habe ich Lacambre denunzirt und auch seinen Plan von den
Hauptbarrikaden mitgetheilt. Am 22. schrieb ich von Neuem und verlangte zum Polizei-Chef ernannt zu werden; am 25., als ich die Füssillade hörte, schrieb ich zum drittenmal. Erst am 2. Juli wurde ich
vor Hrn. Trouvé-Chauvel geführt, der mir sagte: „Wenn ich mich nicht früher mit Ihnen beschäftigt habe, so war es, weil General Cavaignac seinen Plan hatte, und Sie von Hr.
Lamartine als ein gefährlicher Mensch bezeichnet waren. (Langer und stürmischer Aufruhr im Publikum. Borme wird in der weiteren Verhandlung immer befangener und stottert.)
Raspail: Hat nicht Borme einen Brief an seine Mitgefangenen geschrieben, worin er seine Denunziationen gegen sie zurücknahm und erklärte, vom Instruktionsrichter verführt zu sein?
Borme: Niemals.
Flotte (heftig): Dieser Brief existirt.
Raspail: Und man wird ihn wiederfinden. Sie sehen, Herr Präsident, dieser Mensch ist zu honett, um neben uns Räubern sitzen zu dürfen — die Justiz sollte roth werden.
Blanqui: Hr. Präsident, wollen Sie Borme fragen, warum er in dem Zeitraum vom 25. Februar bis 15. Mai in meinen Club gekommen?
Borme. Vidocq schickte mich hin, indem er sagte, daß man diese rothen Republikaner überwachen müsse. Ich fand indeß wenig Interesse dabei. Nur daß sie gegen L. Bonaparte konspirirten, interessirte
mich, für dessen Unterstützung eine Legion von 4000 Freiwillige sich bildete.
Raispail. Hat nicht Vidocq das Geld dazu gegeben, und sich zum General ernennen lassen.
[1366]
Borme. Vidocq war nicht unser General. Ich selbst habe 1200 Fr. für die Legion bezahlt.
Präsident. Was haben Sie in der Assemblee gemacht?
Borme. Ich ging aus Neugierde hin.
Präsident. Waren Sie im Hotel de Ville?
Borme. Ich wußte, daß Barbes dort sei, den ich überwachen wollte.
Blanqui. Sagen Sie: ermorden.
Präsident. Woher wußten Sie, daß Barbes dort sei?
Borme. Vidocq sagte es mir, und Vidocq wußte Alles, was passirte. Als ich an das Hotel de Ville kam, sagte mir der Kommandant Beaumont, daß der Generalsekretär Flottard Furcht gehabt und sein
Kabinet verlassen habe, daß Hr. Marrast aber Auftrag gegeben, mich zu installiren.
Präsident. Haben Sie hier nicht Briefe an Volksdelegirte geschrieben, unter dem Titel des General-Sekretärs?
Borme. Ja wohl, Hr. Präsident.
Raspail. Die Briefe waren im Namen der „Regentschaft“ geschrieben.
Borme. Durchaus nicht.
Blanqui. Ich frage, ob Borme nicht einen Brief an Flotte geschrieben, worin er seine Denunziationen zurücknimmt?
Borme. Ich habe an Flotte geschrieben, aber nicht in dieser Art.
Courtais. Der Brief wird in 15 Minuten produzirt werden.
Das Publikum ist in der größten Aufregung. Die Sitzung wird auf eine halbe Stunde ausgesetzt.
Nach Wiederaufnahme der Verhandlungen legen die Angeklagten den Brief Borme's an Flotte vor, worin derselbe seine Reue über gemachte falsche Polizeiberichte ausspricht.
Borme seinerseits lies't einen Brief vor, den er an Marrast geschrieben, und in welchem er aus dem Gefängniß von einem neuen Plan zur Vernichtung der Assemblée berichtet. Er behauptet
zu diesem Schreiben dadurch veranlaßt worden zu sein, daß die Gefangenen in der Conciergerie eine Art Revolutionstribunal gebildet hätten, welches ihn zum Tode verurtheilt habe.
Präsident. Angeklagter Thomas, wollen Sie auf Ihre Vernehmung antworten?
Thomas. Nein, Herr Präsident.
Der Präsident ruft den Angeklagten Courtais auf.
Courtais erklärt, daß er am 14. Mai von der Manifestation Kenntniß erhalten, und zu diesem Zweck 1000 Mann per Legion commandirt habe; allein Marrast habe ihn unter dem Vorwand des
ermüdenden Dienstes der Nationalgarde bewogen, nur 500 Mann zu nehmen. (Aufregung.) Bei der Ankunft des Volkes habe er die Bajonette abnehmen lassen, um einen blutigen Zusammenstoß zu vermeiden.
Der Angeklagte Villain weigert sich, vor der Zeugenvernehmung zu antworten.
Die Sitzung wird um 5 1/2 Uhr aufgehoben.
(Fortsetzung folgt.)
— A. Huber hat dem Präsidenten der Haute-Cour folgenden Brief zukommen lassen.
Herr Präsident!
Unter dem 19. Januar habe ich dem General-Procurator des Pariser Appel-Hofes einen Brief geschrieben, worin ich ein ordentliches und legales Tribunal forderte, um dort in Person auf alle mir zur
Last gelegten Thatsachen zu antworten.
Vier Tage später verwies uns ein Dekret der National-Versammlung vor die Haute-Cour, ein Tribunal, welches zur Zeit der Mai-Ereignisse nicht existirte und daher diese Ereignisse nicht vor seine
Schranken ziehen kann, ein Tribunal, welches nach allen Rechts- und Vernunft-Principien nur über solche politische Verbrechen und Vergehen richten darf, die nach seiner Einsetzung begangen worden
sind.
In unsern Augen, in den Augen aller nicht durch Parteihaß geblendeten Bürger ist dies Ausnahm-Gericht gebildet, nicht Angeklagte zu richten, sondern um politische Feinde zu vernichten. Die
Mitglieder dieses Tribunals sind und können keine moralisch competenten Richter sein. Das Decret der National-Versammlung ändert nichts an dem Werth dieser Erklärung; es giebt ein Princip, welches
höher steht, als das Decret, das Princip der Nicht-Rückwirkbarkeit, welches die National-Versammlung schnöde verletzt hat.
Im Namen dieses Princips protestire ich gegen die Zusammensetzung der Haute-Cour und erwarte, um nicht nutzlos die Zahl der Opfer zu mehren, meine Contumacirung.
Ich will jedoch nicht, daß durch meine Abwesenheit meine Mitangeklagten für Thatsachen verantwortlich gemacht werden sollen, die mich allein angehen, und ich werde Ihnen daher täglich über diese
oder jene Details eine genaue Aufklärung zukommen lassen, welche leicht durch die namhaften Zeugen bestätigt werden kann. Im Fall, daß diese Anzeigen nicht genügen und einer der Vertheidiger meine
Anwesenheit im Interesse seines Clienten nothwendig hält, werde ich mich selbst der Haute-Cour zur Verfügung stellen.
Aus diesen Gründen wiederhole ich Ihnen, was ich schon der Untersuchungs-Kommission und dem General-Procurator der Republik erklärt habe, daß ich allein für die Manifestation des 15. Mai
verantwortlich gemacht werden kann; daß diese Manifestation nach dem Sinne der Urheber legal und friedlich sein sollte, und daß, wenn im Laufe des Tages der eigentliche Zweck, die Herstellung Polens,
seinen Charakter verlor, dies durch Zusammentreffen von Umständen geschah, die nicht in unserem Willen und deren Vermeidung nicht in unserer Macht lag.
Ich füge hinzu, daß von einem Complot nicht die Rede sein kann Morgen die Beweise.
Ich erwarte, Herr Präsident, daß Sie diesen Brief in der ersten öffentlichen Sitzung verlesen lassen.
Den 6. März 1849. A. Huber.