[1367]
2. Beilage zu Nr. 245 der Neuen Rheinischen Zeitung.
Organ der Demokratie.
Mittwoch 14. März 1849.
Deutschland.
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[ 216 ] Berlin, 12. März.
Die 2. Kammer hat einstimmig beschlossen, daß der Antrag von Waldeck und Genossen, die Aufhebung des über die hiesige Stadt verhängten Belagerungszustandes betreffend, in weitere Erwägung gezogen werden dürfe. Manteuffel erklärte hierauf, die Regierung würde sich der fernern Erwägung nicht widersetzen. Welch eine hohe Gnade, welch eine große Freiheit das Brandenburg-Manteuffel'sche Ministerium den Volksvertretern einräumt. Manteuffel verschob auch diesmal seine Rechtfertigung auf eine spätere Zeit. Er bemerkte nur, um die Nützlichkeit des Belagerungszustandes darzulegen, daß in der ganzen Zeit „kein einziger Exzeß vorgekommen“ sei. Die Vermeidung der Exzesse würde noch mehr gesichert sein, wenn man alle Menschen an die Kette legte. Er bedauerte endlich, daß Waldeck nicht der Nachtssitzung vom 11. auf den 12. Nov. gedacht habe. v. Unruh wies diese „Verdächtigung,“ die er auf die Nationalversammlung bezog, sehr ernsthaft mit dem Zusatze zurück, daß er und seine Freunde sich alle erdenkliche Mühe gegeben hätten, die Ruhe (leider) zu erhalten. Der Minister hat aber ohne Zweifel nicht die Nationalversammlung, sondern die bekannte „Majorssitzung“ gemeint. Als Waldeck unter Anderm anführte, durch die Menge nicht zu rechtfertigender Ausweisungen seien viele Gewerbtreibende in großen Schaden gekommen, indem die Ausgewiesenen, plötzlich des Verdienstes beraubt, außer Stande gewesen, ihren Verpflichtungen nachzukommen, brach die Rechte in ein lautschallendes Gelächter aus. Es ist dringend nöthig, daß das souveräne Volk ein Lebenszeichen von sich giebt, seinen Verräthern zeigt, was dem Verrath gebührt und den Räubern der Volksfreiheit das wohlverdiente Loos zugewürfelt.
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[ 216 ] Berlin, 12. März
Wrangel befand sich heute auf einer Tribüne der zweiten Kammer und hatte das Vergnügen, von Waldeck eine Menge seiner Willkürhandlungen, wodurch dem Buchhandel, den Inhabern von Tageblättern etc. etc. etc. in der unverzeihlichsten Weise großer Schaden verursacht wurde, aufzählen zu hören. — Obgleich Grabow versprochen, die Minister zu erinnern, daß es nicht statthaft sei, bewaffnet in der Kammer zu erscheinen, so hatten Brandenburg und Strotha doch heute die Schlachtmesser wieder an der Seite hängen. Man muß darin den Fingerzeig erblicken, daß es nothwendig ist, sich zu bewaffnen.
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[ * ] Berlin, 12. März.
In der ersten Kammer war Adreßdebatte und speziell über die Verfassungsfrage. Die Rechtsgültigkeit der Verfassung wurde auf ein Amendement von Jordan und Genossen mit großer Majorität anerkannt, ein Amendement von Sperling und Genossen, welches die Revision voranstellen wollte, mit 114 gegen 29 Stimmen verworfen.
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[ * ]
Auf der Börse ging's heute flau. Ob den Börsenmännern trotz oder wegen der überall vom Himmel herabschneienden Oktroyirungen unheimlich zu Muthe wird, läßt sich vorläufig noch nicht angeben. Die Kurse der meisten Aktien und Fonds gingen bedeutend herunter.
Es gingen folgende Gerüchte: 1) Die Friedensunterhandlungen in der deutsch-dänischen Frage in London seien definitiv abgebrochen; 2) am 15. werde die dänische Flotte in die Ostsee laufen und am 22. Morgens alle Häfen blokiren; 3) Oestreich habe seine Abgeordneten aus Frankfurt abberufen; 4) Dresden sei in Belagerungszustand erklärt, um den dort vereinten revolutionären Elementen ein Gegengewicht zu halten.
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[ 087 ] Frankfurt, 12. März.
Die Kabinetswirthschaft war, weiß Gott, kein Räthsel für den, der zwei Augen mitbringt, um sie zu besehen. Mit leidlicher Konsequenz und Schlauheit wurden bisher immer einerlei Grundsätze beobachtet und dieselben Staatsstreiche abgeleiert, und dennoch fällt jedesmal unsern neuen Diplomaten des deutschen Reichs, den Bundestagsfressern der letzten 30 Jahre eine Binde von den Augen, sobald irgendwo Etwas geschieht. Die östreichische Exekution konnte und durfte keinen überraschen, der sich anmaßen will, politischen Verstand zu besitzen; aber unser großdeutscher Enthusiast, Welker, ein Mensch, der mehr Bände über die deutsche Reaktion geschrieben hat, als er Haare auf dem Kopfe trägt, fällt heute direkt aus dem Monde, weil Oestreich so sonderbar ist, die den heimischen Verhältnissen angemessene Reaktion, seiner schwarzrothgoldenen vorzuziehen. Er phantasirt auf einmal von einem formellen überraschenden Bündniß der Großmächte, das bereits ein halbes Jahrhundert ein Faktum ist. Er erklärt das „Vaterland in Gefahr“, weil der Welker'sche todtgeborne Bundesstaat in Gefahr ist; denn die Gefahr des frei sein wollenden Volkes, die wir schon von den Großeltern erbten, rührt ihn ja nicht. Ganz erhitzt stürzt dieses Schulpferd heute in das Gotteshaus: „Erbkaiser!“ „Erbkaiser!“ „Preußen muß uns retten!“ Wir sind verrathen!“ „Das Direktorium ist eine Unmöglichkeit.“ Großdeutschland scheitert mit seinen liebenswürdigen sieben Stimmführern, mit seinem Fürstenbund an der dummen Grille eines von praktischen Soldaten umgebenen angehenden Despoten, der sich den Teufel um das germanische Gesichterschneiden der Professoren kümmert. Er streckt sich mit seiner Herrschaft nach der eigenen Decke, er wartet nicht auf die Dupliken und Quadrupliken der vereinbarenden Centralgewalt, er schneidet seinen rebellischen Nationen eine eigene Zwangsjacke zu, die er mit den „angemessenen“ Grundrechten garnirt, das Alles gefällt unserm systematischen Volksverräther nicht, er verzichtet auf seine hoffnungslose Leibesfrucht, das Direktorium, und trägt naiv darauf an, den übrigen noch nicht octroyirten Bettel des deutschen Vaterlandes einem preußischen Erbkaiser à tout prix an den Hals zu schmeißen, damit dieser (hört, hört, den besorglichen Patrioten!) uns von den hereinbrechenden Russen, den Bundesgenossen Oestreichs, befreie. (!!!) Nicht wahr, Ihr über alles Maß schamlosen Intriguanten, das deutsche Volk soll ewig bereit stehen, um als werth u. willenlose Waare von Euch den Waagschalen der Kabinette zugetheilt zu werden, die Eure zaudernde, unschlüssige Feigheit benutzen und, wenn Ihr gedient habt, Euch sammt Euren lebensunfähigen Projekten über Bord werfen? Ewig überrascht, ewig blind, ewig muthlos, glaubt Ihr nichts zu riskiren; denn das Volk wird Euch nicht verantwortlich machen. Wie aber, wenn es doch geschieht? Die Paulskirche war ob der großen Sinnesänderung ihres Herrn Welker dermaßen bestürzt, daß sie sich vertagte, um nächstens über das vorgeschlagene „preußische Erbkaiserthum um jeden Preis“ zu entscheiden. Bereitet Euch vor, Ihr glücklichen Landesleute, auf den Festempfang des brandenburger Kaiserkandidaten. Vor der russischen Knute, meinen sie, soll er Euch retten. Nun, ich meine, es wird sie Euch bringen — Frankfurter! Euer Maß ist voll!!
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@facs1367
[ !!! ] Frankfurt, 12. März.
In die heutige National-Versammlung schleuderte nach einigen unbedeutenden Vorgängen Welker (aus Baden), dies politische Chamäleon, eine Bombe, aus der 8 Anträge herausplatzten, welche im Allgemeinen große Sensation, bei den Preußen ein ungeheures Vergnügen und bei den Professoren und Reichsministern ein göttliches Entzücken hervorriefen. — Ich gebe Ihnen diese Anträge in ihrer ganzen Breite und Lebensgröße.
Nachdem sie verlesen, entstand im Froschteich ein Tumult und eine wahre Revolution von 1/2 Stunde. — Die Oestreicher, denen der Apostat Welker durch diese Anträge den Todesstoß versetzte, diskutirten lebhaft mit der Linken. Die spezifischen Preußen mit Anhang fielen über Welker her und quetschten ihn mit Händedrücken. Bassermann strahlte, Gagern's Brust dehnte sich. — Nach mühseliger Herstellung der Ruhe frug Präsident Simson die Versammlung, ob sie Welker zur Begründung der Dringlichkeit das Wort geben wolle?
Die ganze Versammlung erhob sich.
Welker erklärte das Vaterland in Gefahr. — Es liege keine Möglichkeit vor, Oestreich jetzt in Deutschland aufzunehmen. Sie (die Preußen und Professoren) können stolz sein, dies schon vor 4 Wochen gewußt zu haben, ich aber kann auch stolz sein im Hinblick auf das östreichische Volk, so lange als möglich gezögert zu haben. Jetzt aber droht unsere Versammlung auseinanderzubrechen, lassen Sie uns nun selbst unsere Verfassung machen und das Vaterland retten u. s. w.
Welker beantragt den Druck seiner 8 Anträge, die Vertheilung an alle Mitglieder und demnächstige Stellung auf die Tagesordnung.
Die Anträge lauten:
„Die deutsche Verfassunggebende National-Versammlung in Erwägung der dringlichen Lage der vaterländischen Verhältnisse beschließt:
1) Angesichts der wiederholten öffentlichen Nachrichten von fremder Einsprache gegen die von der deutschen Nation zu beschließende Verfassung ihre Entrustung gegen solche Eingriffe in das heiligste Urrecht freier Völker gegen jeden Deutschen aber, sei er Fürst oder Bürger, welcher landesverrätherisch solche Eingriffe hervorrufen möchte, den tiefsten Abscheu und zugleich die feste Erwartung auszusprechen, daß die deutsche Nation wie ein Mann ihre Ehre vertheidigen und deren Verletzung zurückweisen werde
2) Die gesammte deutsche Reichsverfassung, so wie sie jetzt nach der ersten Lesung von dem Verfassungs-Ausschuß mit Berücksichtigung der Wünsche der Regierungen redigirt vorliegt, wird durch einen einzigen Gesammtbeschluß der National-Versammlung angenommen und jede etwa heilsame Verbesserung den nächsten verfassungsmäßigen Reichstagen vorbehalten.
3) Die in der Verfassung festgestellte erbliche Kaiserwürde wird dem König von Preußen übertragen.
4) Die sämmtlichen deutschen Fürsten werden eingeladen, großherzig und patriotisch mit diesem Beschluß übereinzustimmen und seine Verwirklichung nach Kräften zu fördern.
5) Es wird eine große Deput[a]tion der National-Versammlung abgesandt, um dem König von Preußen die Wahl zum deutschen Erbkaiser anzuzeigen
6) Sowohl der Kaiser von Oestreich, als Fürst der deutsch-östreichischen Lande, als die sämmtlichen Brüderstämme in diesen Landen, einzeln und vereint, sind zum Eintritt in den deutschen Bundesstaat und seine Verfassung jetzt und zu aller Zeit eingeladen und aufgefordert.
7) Die deutsche National-Versammlung legt gegen ein etwa beanspruchtes Recht der Regierung der deutsch-östreichischen Lande, oder dieser Lande selbst, von dem deutschen Vaterlande und aus der von seinem Gesammtwillen beschlossenen Verfassung auszuscheiden, für alle Zeiten feierlichen Widerspruch ein.
8) Sie ist aber bereit, so lange einer definitiven Verwirklichung des völligen Eintritts der deutsch-östreichischen Lande in die deutsche Reichsverfassung noch Schwierigkeiten im Wege stehen sollten, die bestehenden nationalen brüderlichen Verhältnisse jedoch unbeschadet der Selbstständigkeit der deutschen Reichsverfassung zu erhalten.
Die Tagesordnung führt darauf zur zweiten Lesung des „Reichsgerichts.“ Da aber die Aufregung und Theilnahmlosigkeit zu groß waren, vertagte man sich nach Annahme eines Paragraphen schon vor 11 Uhr bis morgen um 9 Uhr.
Löhner und Schuselka, vom fortgejagten kremsierer Reichstag, befinden sich nebst noch mehreren andern östreichischen Abgeordneten hier
Gagern leugnete im Eingang der Sitzung die Existenz einer russischen Note, wegen deren ihn Schüler aus Jena interpellirte, und von deren Wirklichkeit jedes Kind überzeugt ist. Man erwartet sogar einen russischen Bevollmächtigten hier bei der Centralgewalt.
Gevekoth interpellirte auch den Finanzminister im Hinblick auf den Krieg mit Dänemark wegen der rückständigen Matrikularbeiträge zu den 6 Millionen, die für die deutsche Flotte von der National-Versammlung bewilligt sind.
Bekkerath will morgen antworten.
Zugleich frug Gevekoth das Ministerium, ob es wahr, daß Oestreich dänische Flottenoffiziere für seine Schiffe engagirt.
Werden wir morgen auch hören oder nicht hören.
Mohl (Justizminister) antwortet auf eine frühere Interpellation von Jucho wegen Nichtbeachtung der allgemeinen deutschen Wechselordnung. Das Reichsministerium habe durch ein Rundschreiben alle Regierungen der Einzelstaaten noch einmal ernstlich aufgefordert, ja keine Privatabänderungen vorzunehmen. (Wird viel helfen!)
Ungarn.
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@facs1367
Edition: [Friedrich Engels: Vom Kriegsschauplatz, vorgesehen für: MEGA2, I/9. ]
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@facs1367
Edition: [Friedrich Engels: Vom Kriegsschauplatz, vorgesehen für: MEGA2, I/9. ]
[ 068 ]
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Italien.
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@facs1367
Rom, 3. März.
Die heutigen Blätter enthalten den Text eines Rundschreibens des Ministers des Auswärtigen an sämmtliche Glieder des diplomatischen Korps, worin er die Auslieferung der von Haynau aus Ferrara entführten 6 Geißeln zu unterstützen bittet.
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@facs1367
Florenz, 5. März.
Gestern Nachmittag traf hier die amtliche Nachricht ein, daß sich die östreichischen Truppen von Castel Nuovo dei Monti wieder nach Modena zurückgezogen haben.
Französische Republik.
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@facs1367
[ 12 ] Paris, 11. März.
Rache an der Februar-Revolution, vergreifen an den Revolutionären, so lange man die Revolution nicht angreifen kann; Das ist der Prozeß in Bourges, das ist der ganze Inhalt des Anklageaktes. Dabei verräth der Anklageakt einen so gänzlichen Mangel an Gewandtheit, an Talent, daß das Inquisitorium gegen einen einzigen Beschuldigten genügend ist, um die Anklagepunkte gegen die übrigen auf der Stelle herauszufinden. Der fünfte Angeklagte ist Barbes. Und womit beginnt die Anklage? Barbes war ein politisch Verurtheilter, Präsident des Klubs der Revolution, Mitglied des Centralausschusses vor der Gesellschaft der Menschen-Rechte: lauter Eigenschaften, die ihn zum Agitator der Bewegung vom 15. Mai hinstellen sollen.
Barbes war, wie gesagt, eines der thätigsten Mitglieder der Gesellschaft der Menschenrechte und hatte als solches das famose Manifest vom April unterschrieben, worin er der reaktionären Partei mit seinen bewaffneten Sektionen der Gesellschaft der Menschenrechte droht, wenn sie fernerhin den revolutionären Fortschritt durch die Macht des Kapitals lähmen wollte. Das ist das Hauptverbrechen von Barbes, und der 15. Mai war nur der Vorwand. Und gerade am 15. Mai war es, wo Barbes durch den erwähnten Antrag der Milliarde der Kammer das Leben gerettet. Barbes steht vor dem Gerichte in Bourges: aber sein Antrag, der damals schon einen solchen ungeheuren Eindruck ausgeübt, hat sich eine Bahn gebrochen durch ganz Frankreich, bei allen Bauern, welche die Rückbezahlung der Milliarde mit derselben Eigensinnigkeit verlangen, wie sie früher den kleinen Korporal, den Kaiser Napoleon, den sie noch am Leben glaubten, zum Präsidenten haben wollten.
Der Anklageakt geht sodann zu Sobrier über: Delegirter an der Polizeipräfektur, Gründer des Klubs aller Klubs, Redakteur der Commune von Paris — das sind Präzedentien, auf welche sich das Aktenstück beruft. In den Vorbereitungen zum 15. Mai war es Sobrier gerade, der darauf antrug, daß die Manifestation unbewaffnet statt finden sollte. Dagegen wird Sobrier's Haus als die Waffenstätte bezeichnet, als die Festung, wo man im Falle einer Collision die Waffen zu suchen hatte. Dann habe Sobrier ferner am Knopfloche ein rothes Bändchen getragen, welches als Verbindungsabzeichen gedient haben soll, während es offenbar ist, daß nach dem 24. Februar die Bugeauds und die Barrots und die Thiers die Ersten waren, welche aus Furcht das rothe Bändchen am sichtbarsten trugen. Das Schlimmste, welches die Anklage dem Hrn. Sobrier als Verbrechen vorwirft, ist, daß er, als er aus seinem Hause ging, um an der Manifestation Theil zu nehmen, zu seinem Portier gesagt haben soll: Ich komme heute nicht nach Hause: wir schlafen im Ministerium des Innern. Die sogenannten propos de portière sind sprichwörtlich geworden in Paris, nur auf solche Propos stützt sich der Anklageakt:
7) Seigneuret, der siebente Angeklagte ist abwesend. Er war Advokat in Rouen und soll sich an dem damaligen Auftritte in dieser Stadt stark betheiligt haben. Nachher kam er nach Paris, wohnte bei Sobrier und betheiligte sich an der Redaktion der Cummune de Paris.
Der achte Angeklagte Houneau ist ebenfalls abwesend; er war früher als Lehrer am Lyceum Monge angestellt und später Redakteur am Journal Sobriers, la Commune de Paris. Sein größtes Verbrechen ist seine Theilnahme an der Manifestation. Es lag so wenig gegen ihn vor, daß er bereits unmittelbar nach seiner Arrestation in Freiheit gesetzt wurde. Erst später, als man seiner abermals habhaft werden wollte, war er verschwunden.
Wir kommen endlich zu Huber. Der Anklageakt stellt ihn als einen der gefährlichsten Männer dar Im Jahre 1838 war er zur Deportation verurtheilt worden, und hat erst seine Freiheit durch die Februarrevolution wieder erlangt, und wurde dann zum [1368] Gouverneur des königlichen Schlosses von Rainey ernannt. Er hat, wie man sich aus einem Briefe an die Reforme erinnern wird, die ganze Verantwortlichkeit der Vorfälle des 15. Mai über sich genommen, und versprochen, sich am Tage der Verhandlungen zu stellen. Die Einsetzung des exceptionellen Gerichtshofes giebt ihm gegründetes Recht, dieses sein Versprechen nicht zu erfüllen.
Raspail, der 10. in der Liste, war Präsident des Klubs, genannt: die Freunde des Volkes. Am 13. Mai hat er die Mitglieder seines Klubs zu der Manifestation eingeladen, die am 15. stattfinden sollte.
Er hat ferner dazu eingeladen, in seinem Journal „l'Ami du Peuple“, aber beständig hinzugesetzt, daß der Zug vor dem Gitter stille halten sollte, während eine Deputation sich in die Kammer begeben würde, um die Petition zu Gunsten Polen's zu überbringen. Raspail und Blanqui sollen sich, dem Anklageakte zufolge, an der Spitze des Zuges befunden haben, und zuerst in die Kammer gedrungen sein. Als Raspail die Tribüne bestiegen, verlas er die Petition, worin er im Namen von 300,000 Bürgern, die alle an der Thüre warteten, die Intervention zu Gunsten Polen's verlangte. Der Anklageakt giebt aber zugleich zu, daß Raspail mit Barbés vergebens versucht habe, die Volksmasse zu bewegen, den Saal zu räumen. Im Uebrigen sucht dieses Aktenstück die Anklage darauf zu begründen, daß Raspail am oder im Hotel de Ville gesehen worden sei.
Der 11. Angeklagte Laviron ist abwesend; er war Artilleriekapitän der Nationalgarde und Mitglied der Gesellschaft der Menschenrechte. Laviron soll versucht haben, dem Präsidenten der Kammer das geschriebene Billet zu entreißen, worin er befahl, den Appell schlagen zu lassen.
Quentin hatte 1830 und 1832 die bedeutende Stelle eines General-Empfängers der Finanzen begleitet. Er war nach der Februarrevolution eines der thätigsten Mitglieder des Klubs Blanqui, „welcher so viele Keime der Anarchie und der Gewaltthätigkeit in sich schloß.“ Im Uebrigen wird ihm vorgeworfen, gewaltsames Eindringen in die Kammer und Drohungen gegen die Volksrepräsentanten.
Degré, der bekannte Pompier, ist Maler seines Standes. Er giebt zu, daß er an der Manifestation Theil genommen, und was das Eindringen in die Kammer beträfe, so sei er vielmehr von der wogenden Menge dahin getragen worden.
Chancel, früher Regierungskommissär, ist abwesend. Er soll persönlich den Repräsentanten Frossard, der seine Absetzung bewirkt, beleidigt haben in der Kammer, so wie überhaupt seinem Eindringen in die Kammer bloß eine Privatrache zu Grunde lag.
Larger, Maschinenbauer, war der Werkführer eines der bedeutendsten Ateliers in Passy und Major der Nationalgarde. Es liegt offenbar gegen Larger weiter nichts vor, als daß er, einfacher Maschinenbauer, ein ganzes Bataillon Nationalgarde kommandirte. Er war's, welcher den Frossard vertheidigte gegen den Angriff Chancel's, und welcher um 4 Uhr noch, als die Kammer aufgelös't war, sich an die Spitze seines Bataillons stellte, um nach dem Stadthause zu [unleserlicher Text]ehen.
Be[unleserlicher Text] und Thomas sind angeklagt, in die Kammer und das Hotel de Ville gedrungen zu sein. Ersterer ist offenbar ein Spion, und dem Anklageakt selbst gelingt es nicht, dieses zu bemänteln. Was Thomas anbetrifft, so war er Präsident im Jakobinerklub und Delegirter des Volkes nach der Februarrevolution. Unter den Angeklagten ist er nebst Blanqui einer der Einsichtsvollsten. Im Jakobinerklub war er ungemein thätig, und das ist wohl auch seine größte Schuld.
Der General Courtais ist's, der dem Parquet am meisten zu schaffen gemacht. Kommandant en chef der Nationalgarde vom Seinedepartement, hatte er am 15. Mai fast dieselbe Macht in Händen, wie jetzt Changarnier. Wenn dieser Mann, der doch damals der Partei des Nationals angehörte, schon damals der reaktionären Partei als verdächtig erschien, und wenn die Partei des Nationals und zumal ein Marrast ihn fallen lassen konnten, so begreift man erst die ganze Bourgeois-Bornirtheit dieser Partei und ihren Sturz. Courtais hatte am 14. Mai von der exekutiven Kommission das Kommando über die Truppen erhalten, welche zur Beschützung der Nationalversammlung in Erwartung der großen Manifestation um die Kammer am andern Tage aufgestellt werden sollten. Buchez, der damalige Präsident der Kammer, hatte ihm, dem Anklageakte zufolge, noch besonders geschrieben, um seine ganze Thätigkeit für den morgenden Tag in Anspruch zu nehmen:
Marrast, der damals noch Maire von Paris war, hatte in Besorgniß für seine Stelle, noch eigens einen Besuch dem General abgestattet und ihm anempfohlen, die Manifestation 500 Schritt weit entfernt von der Kammer zu halten. Dem General Courtais wird vorgeworfen, daß die Vorsichtsmaßregeln, die er getroffen, unzureichend gewesen seien für die Größe der Gefahr, auf die er von allen Seiten aufmerksam gemacht worden. Es wird ihm ferner vorgeworfen, daß er beim Anrücken der Kolonne ihr entgegengeritten sei, und mit ihr geschrieen habe: Es lebe Polen! Um einen Konflikt zu vermeiden, hat Courtais bei Lamartine und Buchez um die Autorisation nachgesucht, die Delegirten in den Saal einzulassen. Auch dieses Nachsuchen wird ihm zum Verbrechen ausgelegt. Nachdem er vorher einige Anstalten getroffen, sich dem Weitervordringen des Zuges zu widersetzen, soll er nachher wieder die Truppen haben zurückziehen lassen mit dem Rufe: Laßt das Volk passiren. So soll er ferner, durch das Volk veranlaßt, der Nationalgarde befohlen haben, die Bajonette abzunehmen. Später jedoch hat er, durch den Quästor veranlaßt, schriftlich diesen Befehl widerrufen. Aber die stürmende Volksmenge dringt immer weiter vor; das Gitter ward bald überstiegen und der General verordnet abermals, die Bajonette abzunehmen. Der Anklageakt besagt sogar, daß er den Eindringenden die Hand gereicht und sogar über den Haufen gerannt worden sei. Der kriminelle Charakter des Beistandes wird daraus abgeleitet, daß das Volk allgemein geschrieen hat: Es lebe der brave Courtais; es lebe der brave Mann! Zum Schlusse wirft der Anklageakt dem General Courtais vor, daß er sich dem „abgedrungenen Befehle“ des Präsidenten beigesellt und den Appell nicht habe schlagen lassen.
Caussidière, wie man weiß, ist abwesend. Der Anklageakt führt keine andern Details gegen ihn, als diejenigen, die schon in der damaligen Kammerverhandlung gegen ihn vorgebracht worden. Caussidière habe diesem Akte zufolge den mäßigen Theil der Regierung deshalb stürzen wollen, weil er sich nicht selbst mit Sobrier in der provisorischen Regierung befunden. Er habe die Polizeipräfektur in eine förmliche Festung umgewandelt, mit Munition, Waffen und den ihm blindlings ergebenen Montagnards versehn. Er soll ferner die Absicht der Manifestation gekannt und keine Anstalten getroffen haben, um die Folgen derselben zu vermeiden. Sein größtes Verbrechen aber ist, die Verhaftungsbefehle gegen Blanqui, Flotte und Lacambre nicht ausgeführt zu haben. Als später Laviron in die Präfektur kam, um dem Caussidière anzuzeigen, daß die Nationalkammer aufgelöst sei, habe er nicht die geringste Ueberraschung bei dieser Nachricht bekundet, wie ein Mann, der darauf vorbereitet gewesen.
Der Hauptpunkt, der gegen Villain vorgebracht wird, ist, daß er Präsident der Gesellschaft der Menschenrechte gewesen. Der Anklageakt formulirt die Statuten der Gesellschaft, die um so gefährlicher gewesen, als sie ihre bewaffneten Sektionen gehabt. Der Anklageakt endet mit „sogenannten“ Dokumenten, bestehend aus „Dekreten des Wohlfahrtsausschusses,“ welche in der Wohnung Sobrier's sich vorgefunden haben sollen. Diese Dekrete haben alle kein Datum, und das ist gerade, was sie charakterisirt. Am 20. Februar vorigen Jahres geschrieben, hätten sie am 21. Februar den Verfasser sogleich zur Deportation verurtheilen helfen können. Vorgefunden am 24. Februar, hätten sie Sobrier in die provisorische Regierung verhelfen können. Vom 24. Februar bis zum 15. Mai wimmelte Paris von derlei Dekreten, die alle im Zustande eines Entwurfes vorgebracht wurden. Nach dem 15. Mai sind diese Dekrete Ueberzeugungsstücke geworden, um Männer verurtheilen zu helfen, welche die Februarrevolution gemacht haben.
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@facs1368
[ 068 ] Bourges, 10. März.
(Gerichtsverhandlung.)
Die Sitzung wird um 10 [3]/4 Uhr geöffnet.
Blanqui. Hr. Präsident, Sie haben Befehl gegeben, daß die Gefangenen frei unter einander und mit ihren Vertheidigern verkehren sollen. Ich habe die Ehre, Ihnen anzuzeigen, daß Ihre Autorität an den Gefängnißthüren aufhört, denn als wir heute zusammenkommen wollten, machten die Wärter dies von der Genehmigung des Direktors abhängig, der nicht anwesend ist.
Präsident. Die Reklamation soll untersucht werden. Wir schreiten zum Zeugenverhör.
Zeuge Daigneaux, Restaurateur, 60 Jahre alt. Am 12. Mai begab ich mich an die Barriere de l'Etoile, um dem Bankett von 2500 Couverts der Nationalgarde beizuwohnen. Da es noch zu früh war, und ich in den Journalen von einer Zusammenberufung der Clubs zu Dourlans gelesen hatte, ging ich aus Neugierde dahin. Es waren ungefähr drei oder vierhundert Personen in der Rotonde am Ende des Gartens; an der Thür standen zwei Montagnards mit ihren rothen Schärpen, die mich zurückwiesen. Ich kam indeß mit Hülfe eines Garçons, der mich kannte, durch eine andere Thür hinein, die nicht bewacht war.
Als ich eintrat, diskutirte man über den Tag der Manifestation für Polen; er wurde nach langen Debatten auf den 15. fixirt. Dann diskutirte man über den Tag, an welchem man angreifen sollte, ohne zu sagen, was man angreifen wolle; einige wollten den Sonnabend, weil für diesen Tag ein Zug für die Februarverwundeten angekündigt war; andere verlangten Vertagung auf Montag, weil am Sonntag das Fest auf dem Marsfelde stattfand, und man Zeit zur Beschaffung von Waffen und Pulver und Benachrichtigung der Klubs haben müsse. Es wurde abgestimmt und der Montag angenommen. Das Rendezvous ward auf dem Bastillenplatz, 10 Uhr, bestimmt. Von den Anwesenden habe ich Niemanden erkannt, ich fürchtete selbst erkannt zu werden, und wagte nicht, mich umzusehen. Drei oder vier Männer präsidirten, darunter einer mit einem rothen Bart, von dem ich zu hören glaubte, daß er Huber sei, den ich nicht kenne.
Raspail. Der Zeuge sagt, daß dies am 12. geschehen sei, vor dem Instruktionsrichter hat er den 11. angegeben. Ich läugne, daß an einem dieser Tage solche Debatten bei Dourlans stattgefunden haben.
Thomas. Hat der Zeuge Antheil an der Abstimmung in dieser Versammlung genommen.
Zeuge. Jawohl, mein Herr, ich fürchtete für einen Mouchard zu gelten.
Präsident. Hut der Angeklagte Sobrier nicht die Affiche unterzeichnet, welche diese Versammlung ausschrieb?
Sobrier. Man hat sich meines Namens bedient. Uebrigens war ich nicht dort.
(Der Repräsentant Martin Bernard durchschreitet in diesem Augenblick den Saal und drückt Barbès die Hand.)
Präsident. Ich glaube, Herr Martin Bernard würde besser thun, neben dem Bürger Barbès zu bleiben, dessen Beistand er ist.
Bernard. Ich bin es nicht mehr.
Generalprokurator Baroche. Dann stören sie auch die Sitzung nicht.
Bernard. Sie sind ungezogen, Herr Baroche.
Barbès. Man hat meinen Freund Martin Bernard im Gefängniß nicht zu mir gelassen, und kann sich nicht beschweren, wenn er mich hier besucht.
Präsident. Zeigen sie dem Angeklagten Sobrier das Concept der Affiche.
Sobrier. Es ist nicht meine Handschrift, noch eine, die ich kenne.
Blanqui. Es ist seltsam, daß der Zeuge bis zum 15. Mai wartete, um seine Neugierde über die Clubs zu befriedigen, die doch seit dem Februar bestanden. Man darf sich daher mit Recht verwundern, daß er gerade zu so unglücklicher Gelegenheit kömmt, und wieder dieselben perfiden Darstellungen bringt, mit denen er unter Louis Philippe in den Prozessen gegen die Republikaner debutirte.
Zeuge Bousquet, 45 Jahr alt, Direktor der „Gesetz-Sammlungen“. Dayneaux ging zu Dourlans und erzählte mir am Abend, was er gehört hatte. Die Diskussion, sagte er, habe den Tag auf den 15. fixirt.
Raspail. In seiner ersten Deposition sagte der Zeuge, Dagneaux habe erzählt, man habe alle Leute über 30 Jahr erschießen wollen.
Zeuge. Ich erinnere mich nicht. Wenn ich es aber gesagt habe, bleibe ich dabei.
Raspail. Es ist wirklich wunderbar, daß man keinen dieser Leute, welche so schlechte Reden hielten, gefaßt hat; es wundert mich um so mehr, da Hr. Daigneaux doch mit der Polizei in Rapport steht.
Generalprokurator Baroche. Verdächtigen sie die Moralität der Zeugen nicht.
Blanqui. Herr Daigneaux hat unter der vorigen Regierung unter allen Republikanern des Faubourg St. Germain als Polizeispion gegolten. Die Volksrepräsentanten Mathé und Madet können es bezeugen.
Zeuge Daigneaux. Es ist wahr, daß ich wegen der Affaire von 1831 in den elysäischen Feldern seither mit den Studenten des Quartier Latin in Streit lag und mich einigemal sogar mit ihnen prügelte.
Blanqui. Ich hatte also Recht, von Ihrem alten Haß gegen die Republikaner zu sprechen.
Villain. Und es ist wunderbar, daß der Garçon, der ihn einließ, ihm keinen jener wilden Redner mit Namen nennen konnte.
Dritter Zeuge, Carlier, 54 Jahre alt, Direktor der Polizei im Ministerium des Innern. Ich kannte vor dem 15. Mai Raspail, Sobrier, Blanqui, Villain und Courtais. Am 15. Mai hörte ich, von der Manifestation an der Assemblée, und daß die letztere nicht vertheidigt sei. Als ich daselbst ankam, stürmte man das Gitter. Ich trat in die Versammlung und sah Blanqui. Ich begab mich sogleich zurück, um die Nationalgarde zusammenrufen zu lassen. Ich ging nach dem Luxembourg, um die Exekutivkommission zu benachrichtigen. Bei meiner Rückkehr fand ich das Kabinet des Hrn. Recurt von einem Dutzend Leute besetzt, unter denen ich Sobrier erkannte. Ich wollte die Truppen zu ihrer Verhaftung requiriren; als ich aber zurückkam waren sie fort.
Präsident. Was hörten Sie Blanqui in der Versammlung sagen?
Zeuge Carlier. Ich hörte ihn nur die Worte sagen: „das Volk habe der Versammlung drei Monat auf Kredit gegeben.“
Präsident. Wissen Sie, wer die Manifestation des 15. Mai organisirt hat?
Zeuge Carlier. Ah, ich weiß nichts davon, man hatte sie unter dem Vorwand Polens verdeckt.
Präsident. Geben Sie uns Details über das Haus Sobriers, in der Rue Rivoli.
Zeuge Carlier. Es befand sich eine Garde daselbst, die man die Montagnards-Garde nannte und welche die Nationalgarde bekämpfen sollte.
Baroche. Wir haben nichts zu sagen. (Gelächter.)
Blanqui. Ich bemerke, daß Hr. Carlier heute viel sanfter ist, als unter dem ersten Eindruck der Ereignisse. Zuerst habe ich zu fragen, wie Hr. Carlier mich kannte?
Zeuge Carlier. Ich kannte Hrn. Blanqui von der Polizeipräfektur von 1831.
Blanqui. Die heutige Deposition des Hrn. Carlier ist eine Zurücknahme seiner ersten Aussagen, was mich außerordentlich beruhigt. Seine ersten Zeugnisse signalisirten uns wörtlich als Räuber und Mörder! Die Herren Geschworenen mögen bemerken, daß sie viele Verleumdungen, aber wenig Thatsachen vernommen haben.
Präsident. Wir bemerken dies keineswegs.
Blanqui. Aber ich, ich bemerke es, meine Herren. Hr. Carlier hat vor der Untersuchungskommission gesagt, mein Projekt sei gewesen, die Mitglieder der provisorischen Regierung zu morden. (Aufregung.)
Villain. Und darauf hin hat man uns vor diesen Hof verwiesen.
Courtais. Ich frage, wie mich Hr. Carlier gekannt haben will?
Zeuge Carlier. Ich kannte Sie als General der Nationalgarde.
Courtais. Es ist nicht möglich, daß Hr. Carlier die Erstürmung des Gitters gesehen haben konnte.
Zeuge Carlier. Ich habe nicht von „Erstürmung“ gesprochen.
Courtais. Die Deposition Carlier's lautet: „Ich sah das Gitter stürmen.“
Ein Geschworener. Ich frage Hrn. Carlier, was sich vor dem 15. Mai zugetragen.
Zeuge Carlier. Es herrschte große Aufregung in den Klubs.
Raspail. Gehört mein Klub in diese Kategorie?
Zeuge Carlier. Nein.
Larger. Und der meinige?
Zeuge Carlier. Ebensowenig. (Gelächter im Publikum.)
Die Sitzung dauert fort.
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[ 068 ] Bourges, 11. März, 7 Uhr Abends.
Das Nationalgericht hielt auch, trotz des Sonntags, eine Sitzung, die vorzüglich den Verhören der Zeugen Lahure, Lagrange, Advokat von der Rue de la Chaussée d'Antin (nicht der Volksvertreter), Yon, des Polizeikommissarius, und Buchez's, Expräsidenten der Nationalversammlung, gewidmet war.
Spanien.
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[ 068 ] Madrid, 3. März.
Vorgestern kam während der Debatte über die Dotationsbill der Geistlichkeit in der Deputirtenkammer eine skandalöse Scene vor. Der Deputirte Rios Rosas erklärte in Erwiderung auf eine Bemerkung des Finanzministers: er (Rios Rosas) habe dem Ministerium wegen des Mißbrauchs des Dekrets behufs Suspendirung der persönlichen Garantieen und wegen Schließung der Cortes am 22. März vor. J: seine Unterstützung entzogen. Die Minister schienen über diese Anklage sehr erbittert. Der Premierminister (Narvaez) und der Minister des Innern erhoben sich voll Wuth, die sich in ihren Mienen abspiegelte. Während einer Viertelstunde herrschte in der Deputirtenkammer ein unbeschreiblicher Tumult. Narvaez warf als Wink hin: er werde die Cortes, wenn sie die bisherige Verfahrungsweise fortsetzten, auflösen und trat hierauf an Rios Rosas heran, dem er einige Worte zuflüsterte und dann den Saal verließ. Rosas folgte ihm. Narvaez beauftragte den General Cordova mit einer Sendung an Rosas, die in kaum wiederzugebenden Ausdrücken abgefaßt war.
Was den Ministerpräsidenten so sehr in Zorn versetzte, war die Rückerinnerung an die Vorgänge im verflossenen Jahre, die Rios Rosas ihres Schleiers entkleidete. Es erhielt nämlich das spanische Kabinet im Februar 1848 in einer telegraphischen Depesche Nachricht von der französ. Revolution. Dieses wichtige Ereigniß wurde aber geheim gehalten und der Handelsminister, Bravo Murillo, beauftragte einen seiner Brüder, sich der eben erhaltenen Nachrichten zu einigen erklecklichen Speculationen auf der Börse zu bedienen. Indeß mißlang die Speculation, denn die dreiprocentigen Papiere, in denen der Herr Bruder machte, fielen so bedeutend, daß er sich mit den gekauften Effekten von Madrid wegbegab und aus dem Staube machte. Dieses skandalöse Verfahren gab Anlaß zu einem Antrage in den Cortes wegen Regulirung der Börsen-Operationen und die frühere Gesetzgebung über diesen Gegenstand wurde durch ein Dekret zu Gunsten derer, welche auf des Ministers Rechnung speculirt hatten, abgeändert. In Folge der dabei gemachten und noch mehr wegen der weiter befürchteten Enthüllungen wurden, um diesen vorzubeugen, die Cortes von der Regierung suspendirt. Diese Angelegenheit brachte nun eben Rios Rosas wieder zur Sprache. Daher die Wuth auf der Ministerbank. Der Finanzminister Bravo Murillo, den die Sache zu allernächst anging, verhielt sich stumm, wie ein Fisch. Doch merkte man seine innere Erregung. Er wechselte wiederholt die Farbe vom Roth bis zum völligen Aschgrau. Auf die oben erwähnte feindliche Botschaft des Generals Narvaez antwortete Rios Rosas mit der Erklärung, daß eine derartige Botschaft ein Duell auf Pistolen und fünf Schritt Distanz in sich schließe. Die Kriegsfurie, die nahe daran war entfesselt zu werden zwischen Christinen's Liebling und Herrn Rios Rosas, wurde jedoch durch die beiderseitigen Sekundanten und namentlich durch Vermittlung des Cortes-Präsidenten wieder festgebunden — und das wüthige Duell unterblieb. Die ganze Angelegenheit, die so reichen Klatschstoff für alle möglichen Zirkel der Hauptstadt abwarf, endigte in der nächsten Cortes-Sitzung mit der Erklärung, die Rios Rosas gab, daß er durch seine Worte Niemanden habe beleidigen wollen und daß Narvaez seinerseits sich mit dieser Erklärung für befriedigt erklärte.
[Redakteur en chef Karl Marx. ]
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Der Gerant Korff.
Druck J. W. Dietz, unter Hutmacher 17.