Deutschland.
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Köln, 12. März.
Die in unserem heute Morgen ausgegebenen Extrablatte besprochenen Hohenzollern'schen Reformpläne lauten en détail wie folgt:
Wir Friedrich Wilhelm, von Gottes Gnaden, König von Preußen etc. etc.
ertheilen Unserem Minister des Innern hierdurch den Auftrag, den Kammern in Unserem Namen die beiliegenden drei Gesetzentwürfe, betreffend
a) die Verhütung eines die gesetzliche Freiheit und Ordnung gefährdenden Mißbrauchs des Versammlungs- und Vereinigungsrechtes,
b) das Anheften von Anschlagezetteln und Plakaten in Städten und Ortschaften, so wie den Verkauf und das Vertheilen von Druckschriften oder bildlichen Darstellungen in öffentlichen Straßen,
c) das Recht, durch Wort, Schrift, Druck und bildliche Darstellung seine Gedanken frei zu äußern,
zur verfassungsmäßigen Beschlußnahme vorzulegen.
Gegeben Charlottenburg, den 2. März 1849.
(gez.) Friedrich Wilhelm.
(gegengezeichnet) v. Manteuffel.
Allerhöchste Ermächtigung.
Gesetz-Entwurf, betreffend die Verhütung eines, die gesetzliche Freiheit und Ordnung gefährdenden Mißbrauches des Versammlungs- und Vereinigungsrechts.
§. 1 Vereine und Versammlungen, welche strafbare Zwecke verfolgen oder zur Erreichung erlaubter Zwecke sich verbrecherischer Mittel bedienen, sind verboten und unterliegen der gesetzlichen
Ahndung.
§. 2. Versammlungen zur Berathung öffentlicher Angelegenheiten. Von allen Versammlungen, in welchen öffentliche Angelegenheiten erörtert oder berathen werden sollen, hat der Vorsteher,
Unternehmer, Ordner, Leiter oder der Inhaber des Versammlungs-Lokals, mindestens 24 Stunden vor dem Beginne der Versammlung, unter Angabe des Orts und der Zeit derselben, Anzeige bei der
Ortspolizeibehörde zu machen, welche darüber sofort eine Bescheinigung ertheilt.
Die Berufung einer solchen Versammlung darf weder unter einem falschen, noch unter einem Gesammt-Namen geschehen.
§. 3. Bei dergleichen Versammlungen muß Jedermann der Zutritt gestattet werden, die Ortspolizeibehörde ist jedoch ermächtigt, auf den Antrag der Vorsteher, Unternehmer, Ordner oder Leiter
zu gestatten, daß diese Oeffentlichkeit ausgeschlossen oder beschränkt werde. Versammeln sich die Mitglieder solcher Vereine, welche ihre Statuten der Ortspolizeibehörde einzureichen haben (§. 10),
so haben sie den vierten Theil der Plätze für diejenigen frei zu lassen, welche dem Vereine fremd sind.
§. 4. Polizeibeamte dürfen solchen Versammlungen nur in der Dienstkleidung oder unter ausdrücklicher Kundgebung ihrer dienstlichen Eigenschaft beiwohnen; dies gilt auch von Militärpersonen,
insofern ihnen die Theilnahme nach den Disziplinarvorschriften gestattet ist (Art. 32 der Verfassungsurkunde).
§. 5. Die Ortspolizeibehörde ist befugt, in jede solche Versammlung zwei Polizeibeamte oder zwei durch besondere Abzeichen erkennbare Abgeordnete zu senden, denen ein angemessener Platz nach
ihrer Wahl einzuräumen ist, und welche ermächtigt sind, über alle Wahrnehmungen eine Verhandlung aufzunehmen.
§. 6. Die Vorsteher, Unternehmer, Ordner, Leiter der Versammlung und die Inhaber des Versammlungslokals sind verpflichtet, den Abgeordneten der Obrigkeit auf Verlangen den eigenen, so wie Namen,
Stand und Wohnung der Redner, welche in der Versammlung auftreten, anzugeben.
Die Dauer der Versammlung darf die zur Schließung öffentlicher Orte festgesetzte Zeit nicht überschreiten.
§. 7. Die Vorsteher, Unternehmer, Ordner oder Leiter der Versammlung dürfen nicht gestatten, daß in derselben Anträge oder Vorschläge erörtert werden, welche eine Aufreizung oder Aufforderung zu
einer strafbaren Handlung enthalten.
§. 8. Versammlungen, deren Verhandlungen wider die Vorschriften des §. 7 verstoßen, oder ein Verbrechen in sich schließen, sind die Abgeordneten der Polizeibehörde sofort aufzulösen
befugt; sie können den Uebertreter des Gesetzes verhaften, und Jeder in der Versammlung ist verpflichtet, ihnen bei Ausübung ihres Amtes auf Erfordern Beistand zu leisten.
§. 9. Sobald der Abgeordnete der Polizeibehörde die Versammlung für aufgelöst erklärt hat, sind alle Anwesenden verpflichtet, sich sofort zu entfernen.
Diese Aufforderung ist nöthigenfalls durch die bewaffnete Macht zur Ausführung zu bringen.
§. 10. Vereine zur Beförderung öffentlicher Angelegenheiten. Die Vorsteher solcher Vereine, welche eine Einwirkung auf öffentliche Angelegenheiten bezwecken, sind verpflichtet, die
Statuten und Urkunden über Bildung, Verfassung und Wirksamkeit des Vereins, so wie alle Abänderungen binnen 24 Stunden, nachdem sie zu Stande gekommen, der Ortspolizeibehörde zur Kenntnißnahme
einzureichen, derselben auch auf Erfordern jede darauf bezügliche Auskunft zu ertheilen.
§. 11. Bestimmungen: a) bei Versammlungen überhaupt. Niemand darf, ohne daß ihn sein Amts- oder Dienstverhältniß dazu berechtigt, bewaffnet in einer Versammlung erscheinen.
§. 12. b) Bei Versammlungen unter freiem Himmel oder bei Aufzügen. Die Bestimmungen der §§. 2 bis 9 dieses Gesetzes finden bei Versammlungen unter freiem Himmel auch dann Anwendung,
wenn darin andere, als öffentliche Angelegeiten erörtert oder berathen werden.
§. 13. Die Ortspolizeibehörde ist befugt, dergleichen Versammlungen zu verbieten, wenn sie dieselben für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gefährlich erachtet.
§. 14. Während der ganzen Dauer der Sitzungsperiode beider Kammern der Volksvertretung dürfen innerhalb der Entfernung von fünf Meilen von dem Orte des Sitzes derselben Versammlungen unter freiem
Himmel nicht stattfinden.
§. 15. Versammlungen bedürfen der vorgängigen Genehmigung der Ortspolizeibehörde, wenn sie auf öffentlichen Plätzen in Städten und Ortschaften, oder auf Straßen stattfinden sollen.
§. 16. Diesen Versammlungen werden öffentliche Aufzüge gleichgestellt; bei Erstattung der Anzeige oder Einholung der Genehmigung ist der beabsichtigte Weg anzugeben. Gewöhnliche
Leichenbegängnisse werden jedoch nicht hierher gerechnet. Auch bei kirchlichen Prozessionen bedarf es der vorherigen Genehmigung nicht, wenn sie in der hergebrachten Art stattfinden.
§. 17. Strafbestimmungen. Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften der §§. 2, 3, 5, 6, 8, 10 dieses Gesetzes ziehen eine polizeiliche Strafe bis zu 50 Thlr. nach sich.
§. 18. Wer den in den §§. 7 und 9 gegebenen Bestimmungen zuwiderhandelt, hat Geldbuße bis zu 200 Thlr. oder Gefängniß bis zu sechs Monaten verwirkt.
§. 19. Ist die Versammlung unter freiem Himmel von der Ortspolizeibehörde untersagt, oder den Vorschriften der §§. 14 und 15 zuwider unternommen, so hat Jeder, welcher dazu auffordert oder
auffordern läßt, oder darin als Ordner, Leiter oder Redner thätig ist, eine Geldstrafe bis zu 200 Thlr., oder Gefängniß bis zu sechs Monaten, und Jeder, welcher an der Versammlung Theil nimmt, eine
Geldbuße bis zu 5 Thlr. verwirkt.
§. 20. Wer auffordert, in einer Versammlung mit Waffen zu erscheinen, oder die Aufforderung hierzu verbreiten läßt, ist mit Gefängniß von sechs Wochen bis zu einem Jahre zu bestrafen.
§. 21. Wer, gegen das Verbot des §. 11, an Versammlungen bewaffnet Theil nimmt, wird. mit Gefängniß bis zu sechs Monaten bestraft.
§. 22. Wer an öffentlichen Orten oder bei öffentlichen Zusammenkünften Erkennungs- oder Versammlungszeichen, oder sonstige äußere Abzeichen, welche zur Aufrechthaltung der öffentlichen
Ruhe und Sicherheit durch Gesetz oder Verordnungen der Ortspolizeibehörde verboten worden sind, rägt, ausstellt, verkauft, oder auf sonstige Weise verbreitet, wird mit Gefängniß bis zu einem
Jahre bestraft.
§. 23. Auf die durch das Gesetz angeordneten Versammlungen finden die vorstehenden Bestimmungen keine Anwendung.
Beglaubigt.
Der Minister des Innern, v. Manteuffel.
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Gesetz-Entwurf, betreffend: das Anheften von Anschlagezetteln und Plakaten in Städten und Ortschaften, so wie den Verkauf und das Vertheilen von Druckschriften oder bildlichen Darstellungen
in öffentlichen Straßen.
§. 1. Mit Ausnahme der Bekanntmachungen öffentlicher Behörden, dürfen Anschlagezettel und Plakate nur Anzeigen über öffentliche Vergnügen, Verkäufe, Auktionen, gestohlene, verlorene oder
gefundene Sachen, oder ähnliche Nachrichten für den gewerblichen Verkehr, oder Einladungen zu erlaubten, gesetzlich angezeigten oder genehmigten Versammlungen enthalten, und in Städten und Ortschaften
nur an denjenigen Stellen, welche die Ortspolizeibehörde zu diesem Zwecke gestattet, angeheftet, angeschlagen oder in sonstiger Weise öffentlich ausgestellt werden. Die zur Ausführung dieser
Vorschrift erforderlichen Bestimmungen werden von den [O]rtspolizeibehörden getroffen.
§. 2, Wer auf öffentlichen Straßen zur Verbreitung im Publikum bestimmte Druckschriften oder bildliche Darstellungen verkaufen, oder vertheilen, oder das Anheften derselben gewerbmäßig betreiben
will, bedarf dazu einer Erlaubniß der Ortspolizeibehörde, und muß den Erlaubnißschein, in welchem sein Name ausgedrückt ist, bei sich führen. Die Erlaubniß kann jederzeit zurückgezogen werden.
§. 3. Zuwiderhandlungen wider die vorstehenden Vorschriften (§§. 1. und 2.) ziehen polizeiliche Ahndung bis zu 50 Thlr. Geldbuße oder sechs Monate Gefängniß nach sich.
Beglaubigt.
Der Minister des Innern v. Manteuffel.
Motive zu dem Entwurfe eines Gesetzes, betreffend das Anheften von Anschlagezetteln und Plakaten in Städten und Ortschaften, so wie den Verkauf und das Vertheilen von Druckschriften und
bildlichen Darstellungen auf öffentlichen Straßen.
Eine gleichförmige Erfahrung hat gezeigt, daß durch die unbeschränkte Gestattung des Anheftens von Anschlagezetteln und Plakaten in Städten und Ortschaften die öffentliche Ordnung gefährdet und die
Freiheit und Sicherheit des Verkehrs gehemmt wird, indem dadurch augenblickliche und heftige Aufregungen erzeugt, auf öffentlichen Straßen und Plätzen Stockungen der freien Circulation herbeigeführt
und Zusammenläufe veranlaßt und verlängert zu werden pflegen.
Außerdem hat sich der fernere Uebelstand herausgestellt, daß durch das Anheften von Plakaten, insbesondere öffentliche Gebäude, Denkmäler oder andere Gegenstände, die zum öffentlichen Nutzen oder
zur öffentlichen Verschönerung bestimmt sind, betroffen, entstellt und beschädigt werden; nicht selten sind überdies solche Anschlagezettel, welche gewerbliche Anzeigen enthielten, durch Plakate
anderen Inhalts bedeckt oder verdrängt worden.
Die Beseitung dieser Inkonvenienzen kann nur erreicht werden, wenn im Interesse der öffentlichen Ordnung und eines für Alle ungehemmten Verkehrs, auf öffentlichen Straßen und Plätzen die Anheftung
von Anschlagezetteln und Plakaten der Regel nach nicht gestattet wird; solche Veröffentlichung jedoch, welche lediglich Anzeigen über Vergnügungen, Verkäufe, Auktionen oder einfache Einladungen zu
erlaubten,gesetzlich angezeigten, oder genehmigten Versammlungen enthalten, sollen ferner an den von der Ortspolizeibehörde nicht ausgeschlossenen Stellen angeheftet oder angeschlagen werden dürfen;
ingleichem sind solche Bekanntmachungen auszunehmen, welche von öffentlichen Behörden selbst ausgehen.
Der beigefügte Gesetz-Entwurf enthält in Verfolg des entwickelten Gesichtspunktes eine fernere Vorschrift in Betreff derjenigen Personen, welche auf öffentlichen Straßen zur Verbreitung im Publikum
bestimmte Druckschriften oder bildliche Darstellungen verkaufen, oder vertheilen, oder das Anheften derselben gewerbmäßig betreiben wollen; sie tragen nicht minder zur Beeinträchtigung des freien
Verkehrs und der ungehinderten Cirkulation bei, wenn sie in großer Zahl die Straßen durchziehen, die belebtesten Punkte besetzen und durch ungestümes Andrängen die Vorübergehenden belästigen. Im
Anschlusse an den §. 48 der Allgemeinen Gewerbe-Ordnung vom 17. Januar 1845 ist daher diese Beschäftigung von der vorgängigen und dem Widerrufe unterworfenen Erlaubniß der Ortspolizeibehörde
abhängig zu machen, damit ein übermäßiger Andrang abgewehrt, und die Ermächtigung nur solchen Personen ertheilt werde, welche nach ihrem Alter und ihrer Unbescholtenheit voraussetzen lassen, daß sie
weder zur Belästigung des Publikums gereichen, noch zur Gefährdung der Ruhe und Ordnung auf öffentlichen Plätzen und Straßen beitragen werde.
Der Beruf und die Berechtigung der öffentlichen Sicherheitsbehörden auf öffentlichen Plätzen und Straßen für die allgemeine Ordnung und Sicherheit zu sorgen und daher alles fern zu halten, was
dieselbe beeinträchtigt und gefährdet, unterliegt keinem Zweifel.
Die in diesem Sinne vorgeschlagenen Maßregeln haben jedoch gleichzeitig die Bedürfnisse des Handels, der Industrie und des gewerblichen Verkehrs nicht außer Acht gelassen.
Gesetz-Entwurf, betreffend: das Recht durch Wort, Schrift, Druck und bildliche Darstellung seine Gedanken frei zu äußern.
§. 1. Auf jeder Druckschrift muß der Name und Wohnort des Druckers enthalten sein.
Außerdem muß auf Druckschriften, welche für den Buchhandel oder zu weiterer Verbreitung im Publikum bestimmt sind, auch der Name und Wohnort des Verlegers oder Kommissionairs, oder endlich des
Verfassers oder Herausgebers, welcher ein Werk im Selbstverlage erscheinen läßt, genannt sein.
§. 2. Was in diesem Gesetze von Druckschriften gesagt ist, gilt von allen auf mechanischem Wege irgend einer Art vorgenommenen Vervielfältigungen von Schriften, bildlichen Darstellungen, mit oder
ohne Schrift, und von Musi[k]alien mit Text oder sonstigen Erläuterungen.
§. 3. Wer eine Zeitung oder periodisch erscheinende Zeitschrift in monatlichen oder kürzeren Fristen herausgeben will, ist verpflichtet, der Ortspolizeibehörde vor der Herausgabe, in einem ihr
einzureichenden Plane, die Zeitabschnitte, in denen sie erscheinen soll, den Titel, sowie den Verleger und den Herausgeber, wenn dieser von dem Verleger verschieden ist, und jede hierin vorzunehmende
Aenderung vor deren Eintritte anzuzeigen.
Jedes Blatt, Heft oder Stück einer Zeitung oder Zeitschrift muß den Namen und Wohnort des Verlegers, sowie des Herausgebers, wenn dieser von dem Verleger verschieden ist, und des Druckers
enthalten.
§. 4. Druckschriften, welche den vorstehenden Vorschriften (§§. 1. und 3.) nicht entsprechen, dürfen von Niemanden verbreitet werden.
§. 5. Der Verleger einer nicht periodischen Druckschrift, sowie Derjenige, in dessen Kommission eine nicht periodische Druckschrift erscheint, ingleichem Derjenige, welcher eine solche Schrift,
ohne sie in Kommission zu geben, im Selbstverlage erscheinen läßt, ist verpflichtet, zugleich mit der Herausgabe des Werks eine schriftliche Anzeige, welche den Titel des Werks enthalten muß, bei der
Ortspolizeibehörde einzureichen, auch derselben auf Verlangen ein Exemplar der Druckschrift vorzulegen. Dasselbe muß, insofern eine gerichtliche Verfolgung nicht eintritt, binnen sechs Wochen
zurückgegeben werden.
In Betreff der Verpflichtung zur Abgabe der Verlagsartikel an die Landes-Bibliothek und die Universitäts-Bibliotheken verbleibt es bei den bestehenden Bestimmungen.
§. 6. Der Herausgeber einer Zeitung oder einer in monatlichen oder kürzeren Fristen erscheinenden Zeitschrift, welche Anzeigen aufnimmt, ist verpflichtet, jede ihm von öffentlichen Behörden zu
diesem Zwecke mitgetheilte amtliche Bekanntmachung in das nächste Stück aufzunehmen.
Ebenso ist der Herausgeber einer Zeitung oder einer in monatlichen oder kürzeren Fristen erscheinenden Zeitschrift verpflichtet, Entgegnungen, zu welchen sich die betheiligte Staatsbehörde
veranlaßt findet, in das nächste Stück des Blattes kostenfrei aufzunehmen und solchen Entgegnungen gleichen Platz anzuweisen, an welchem sich der angreifende Artikel befunden hat.
Dasselbe gilt von den Entgegnungen solcher Privatpersonen, welche in der Zeitschrift Angriffe erlitten haben. Uebersteigt der Umfang der Entgegnung den Umfang des Artikels, auf welchen die
Entgegnung sich bezieht, so sind für die überschießenden Zeilen Einrückungsgebühren zu zahlen.
§ 7. Die Verletzung der in den §§. 1, 3, 4, 5 und 6 ertheilten Vorschriften hat, ohne Rücksicht auf den Inhalt einer Schrift, eine Geldbuße bis zu 100 Thlrn. zur Folge.
Die Strafe ist Gefängniß bis zu zwei Monaten und Geldbuße bis zu 100 Thlrn., wenn eine der durch die §§. 1 und 3 erfolgte Angaben falsch ist; sie trifft den Verbreiter jedoch nur dann, wenn er
von der Unrichtigkeit der Angabe Kenntniß hat.
§. 8. Für den Inhalt einer Druckschrift ist zunächst der Verfasser verantwortlich, wenn er bekannt ist und sich zugleich im Bereiche der richterlichen Gewalt des Staates befindet.
Fehlt es an einer dieser Voraussetzungen, oder wird erwiesen, daß die Veröffentlichuung wider Wissen und Willen des Verfassers erfolgt ist, so trifft die Verantwortlichkeit, ohne daß es eines
weiteren Nachweises der Komplizität (Mitschuld) bedarf, den Herausgeber; sie geht weiter auf den Verleger oder Kommissionär, auf den Drucker und auf den Verbreiter, und zwar in dieser Reihenfolge
über, insofern der vorher Verantwortliche nicht bekannt oder nicht im Bereiche der richterlichen Gewalt des Staates ist.
Zugleich ist nach den allgemeinen strafrechtlichen Grundsätzen über die Theilnahme an Vergehen jeder verantwortlich, welcher wissentlich bei Herstellung oder Verbreitung einer gesetzwidrigen
Druckschrift mitgewirkt hat; insbesondere ist jeder Herausgeber einer Zeitung oder Zeitschrift als Theilnehmer dann verantwortlich, wenn der strafbare Inhalt eines Artikels ihm nicht entgehen
konnte.
Mehrere Herausgeber einer Zeitung oder Zeitschrift sind solidarisch verantwortlich.
§. 9. Wer an öffentlichen Orten oder in öffentlichen Zusammenkünften, oder durch Druckschriften, bildliche oder andere Darstellungen, welche verkauft, ausgetheilt oder sonst verbreitet,
öffentlich ausgestellt und angeschlagen werden, zur Begehung eines Verbrechens oder Vergehens auffordert, wird, wenn das Verbrechen oder Vergehen demnächst wirklich begangen wird, nach den Grundsätzen
über die Anstiftung und Theilnahme bei Vergehen, wenn aber die Aufforderung ohne irgend einen Erfolg gewesen, mit Geldbuße bis zu Fünfhundert Thalern oder mit Gefängniß bis zu drei Jahren
bestraft.
Die Strafe ist jedoch Zuchthausstrafe von drei bis zehn Jahre, wenn eine solche Aufforderung, welche ohne Erfolg geblieben, auf eins der durch § 92. Thl. II. Tit. 20. des Allgemeinen
Landrechts oder Art. 86 und 87 des Rheinischen Strafgesetzbuchs vorgesehenen Vergehen gerichtet war.
§. 10. Wer auf eine der im §. 9 angeführten Weisen die in dem Eigenthume und in der Familie beruhenden Grundlagen der bürgerlichen Gesellschaft angreift, oder die Bürger zum Hasse oder zur
Verachtung gegen einander anreizt, hat Gefängniß bis zu zwei Jahren verwirkt.
§. 11. Wer auf eine der im §. 9 angeführten Weisen:
1) thatsächliche Unwahrheiten, sei es mittelst Erdichtung von Thatsachen, sei es mittelst Entstellung wahrer Thatsachen, anführt oder verbreitet, welche in der Voraussetzung ihrer Wahrheit
geeignet wären, Haß oder Verachtung gegen die Einrichtung des Staates oder die Staatsregierung zu begründen;
2) über eine gesetzlich bestehende Religionsgesellschaft oder ihre Lehren, Einrichtungen oder Gebräuche in einer Weise sich ausläßt, welche Haß oder Verachtung gegen dieselbe zu verbreiten geeignet
wäre,
wird mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft.
§. 12. Wer durch Wort, Schrift, Druck, Zeichen, bildliche oder andere Darstellung die Ehrfurcht gegen den König verletzt, wird mit Gefängniß von zwei Monaten bis zu fünf Jahren
bestraft. Gleiche Strafe trifft denjenigen, welcher in der oben angegebenen Weise die Königin beleidigt. Wer auf dieselbe Weise den Thronfolger, ein anderes Mitglied des
Königlichen Hauses oder das Oberhaupt eines deutschen Staates beleidigt, wird mit Gefängniß von einem Monat bis zu drei Jahren bestraft.
§. 13. Wer in Beziehung auf einen Andern unwahre Thatsachen behauptet oder verbreitet, welche denselben in der öffentlichen Meinung dem Hasse oder der Verachtung auszusetzen geeignet sind, macht
sich der Verläumdung schuldig.
§. 14. Der Beweis der Wahrheit der behaupteten oder verbreiteten Thatsachen kann durch alle gesetzlich zulässigen Beweismittel geführt werden. Ist jedoch die dem Anderen beigemessene Handlung mit
Strafe bedroht, so ist der Beweis der Wahrheit nicht zulässig, wenn eine Freisprechung durch ein rechtkräftiges Erkenntniß erfolgt ist.
§. 15. Die Behauptung oder Verbreitung erweislich wahrer Thatsachen, ist als Beleidigung zu bestrafen, wenn sie in einer solchen Form oder unter solchen Umständen statt gefunden hat, daß daraus
die Absicht einer Beleidigung hervorgeht.
§. 16. Sind die behaupteten oder verbreiteten Thatsachen strafbare Handlungen und ist wegen derselben bei der zuständigen Behörde Anzeige gemacht, so muß bis zu dem Beschlusse, daß die Eröffnung
einer Untersuchung nicht statt finde, oder bis zur Beendigung der eingeleiteten Untersuchung mit dem Verfahren und der Entscheidung über die Verläumdung inne gehalten werden.
§. 17. Die Verläumdung wird mit Gefängniß bis zu einem Jahre bestraft.
Wenn die Verläumdung an öffentlichen Orten oder bei öffentlichen Zusammenkünften, oder durch Schriften, bildliche oder andere Darstellungen begangen worden ist, welche verkauft, ausgetheilt oder
sonst verbreitet, oder öffentlich ausgestellt oder angeschlagen worden sind, so ist die Strafe Gefängniß bis zu 18 Monaten. Sind mildernde Umstände vorhanden, so kann die Strafe auf Geldbuße
bis zu Fünfhundert Thalern bestimmt werden.
§. 18. In Betreff der Beleidigungen, welche die Merkmale der Verleumdung nicht enthalten, verbleibt es bei den bestehenden Gesetzen.
§. 19. Wer
1) eine der beiden Kammern,
2) ein Mitglied der beiden Kammern während der Dauer ihrer Sitzungen oder einen Geschwornen,
3) eine sonstige politische Körperschaft, eine öffentliche Behörde, ein Mitglied derselben, einen öffentlichen Beamten, einen Religionsdiener, oder ein Mitglied der bewaffneten Macht, in Beziehung auf
ihren Beruf, oder während sie in der Ausübung der Verrichtungen ihres Berufs begriffen sind, durch Wort, Schrift, Druck, Zeichen, bildliche oder andere Darstellung beleidigt: wird mit Gefängniß bis zu
neun Monaten bestraft.
Hat die Beleidigung den Charakter der Verleumdung, so ist die Strafe Gefängniß bis zu achtzehn Monaten.
Ist die Verleumdung an öffentlichen Orten oder bei öffentlichen Zusammenkünften, oder durch Schriften, bildliche oder andere Darstellungen begangen, welche verkauft, ausgetheilt oder öffentlich
verbreitet worden sind, so ist die Strafe Gefängniß bis zu zwei Jahren.
In allen Fällen kann, wenn mildernde Umstände vorhanden sind, auf Geldbuße bis zu Fünfhundert Thalern erkannt werden.
Die Verfolgung der unter 2. bezeichneten Beleidigungen findet nur auf den Antrag des Beleidigten statt.
§. 20. Wenn eine Verurtheilung wegen einer Beleidigung ausgesprochen wird, welche an öffentlichen Orten oder bei öffentlichen Zusammenkünften, oder durch Schrift, bildliche oder andere
Darstellungen verübt worden ist, die verkauft, vertheilt oder sonst verbreitet, oder öffentlich ausgestellt oder angeschlagen worden sind, so kann die öffentliche Bekanntmachung des Urtheils auf die
in demselben zu bestimmende Art und Weise auf Kosten des Verurtheilten angeordnet werden.
§. 21. Wer Druckschriften (§. 2) verkauft, vertheilt, oder sonst verbreitet, oder öffentlich ausstellt, oder anschlägt, welche die guten Sitten verletzen, wird mit Geldbuße bis zu
Einhundert Thalern, oder Gefängniß bis zu einem Jahre bestraft.
§. 22. Die Polizeibehörden sind berechtigt, jede zur Verbreitung bestimmte Druckschrift, auch wenn mit deren Ausgabe bereits begonnen worden, wo sie solche vorfinden, mit Beschlag zu
belegen, insofern dieselbe den Vorschriften der §§. 1 und 3 nicht entspricht, oder deren Inhalt ein Verbrechen oder Vergehen begründet, welches von Amtswegen verfolgt werden kann; sie müssen
alsdann jedoch innerhalb 24 Stunden nach der Beschlagnahme die gerichtliche Verfolgung beantragen. Das Gericht hat über die Fortdauer oder Aufhebung der verhängten vorläufigen Beschlagnahme
schleunigst zu befinden.
§. 23. Wird durch Urtheil eine Druckschrift als strafbar erklärt (§§. 20, 21, 22), so ist zugleich die Beschlagnahme und die Vernichtung aller vorfindlichen Exemplare und der dazu bestimmten
Platten und Formen auszusprechen.
§. 24. Die in den §§. 9, 10, 11 und 12 dieses Gesetzes aufgeführten Vergehen gehören zur Competenz der Schwurgerichte, und in denjenigen Landestheilen, in welchen solche noch nicht bestehen,
bis zu deren Einführung vor die ordentlichen Gerichte unter der am Schlusse des §. 184 der Verordnung vom 3. Januar d. J., enthaltenen näheren Bestimmung.
In Betreff der in diesem Gesetze in den §§. 13-19 erwähnten Beleidigungen und durch §. 7 vorgesehenen Vergehen gegen die Polizei der Presse verbleibt es bei dem §. 3 der Verordnung vom 15.
April 1848 über das Verfahren bei politischen und Preßvergehen in der Rheinprovinz und der Schlußbestimmungen des §. 61 der Verordnung vom 3. Januar v. J. über die Einführung des öffentlichen und
mündlichen Verfahrens mit Geschworenen in Untersuchungssachen.
§. 25. Alle den Vorschriften dieses Gesetzes entgegenstehende Bestimmungen, namentlich das Preßgesetz vom 17. März 1848, die §§. 151-155, 620, 621. Th. II. Tit. 20. Allgemeinen Landrechts,
Art. 201, 204 des Rheinischen Strafgesetzbuchs sind aufgehoben.
Beglaubigt.
Der Minister des Innern.
v. Manteuffel.
Motive zu dem Entwurfe eines Gesetzes, betreffend das Recht durch Wort, Schrift, Druck und bildliche Darstellung seine Gedanken frei zu äußern.
Durch den Artikel 25 der Verfassungs-Urkunde ist die Verkündigung eines besonderen vorläufigen Gesetzes vorbehalten worden, durch welches schon vor der Revision des Strafrechts die Ahndung solcher
Vergehen, welche durch Wort, Schrift, Druck oder bildliche Darstellung begangen werden, umfaßt werden soll. Zugleich wird es erforderlich, die Bestimmungen des Gesetzes über die Presse vom 17. März
1848 (Gesetzsammlung 1848) welche bereits durch die Verordnung vom 6. April 1848 (Gesetz-Sammlung S. 87) modifizirt worden sind, mit Rücksicht auf die Art. 24 und 26 der Verfassungsurkunde, einer
Revision zu unterwerfen und endlich die näheren Regeln der Verantwortlichkeit für diejenigen Personen, welche wegen eines durch die Presse begangenen Vergehens in Anspruch genommen werden können,
festzustellen.
Der zu diesem Zwecke vorgelegte Entwurf enthält zuvörderst im Ausschlusse an den letzten Satz des Art. 26 der Verfassungsurkunde und an die bisher nicht aufgehobenen oder modificirten Vorschriften
des Gesetzes vom 17. März 1848 die Bestimmungen über die Vergehen gegen die Polizei der Presse, deren Beibehaltung angemessen erschienen.
Unter der Bezeichnung: „Druckschriften“ sind nach §. 2 alle Preßerzeugnisse zu verstehen, welche auf mechanischem Wege in irgend einer Art vervielfältigt werden. Die Vorschrift, daß
alle Druckschriften die Angabe des Verlegers und des Druckers enthalten müssen, erstreckt sich, nach der Natur der Sache, auch auf Zeitungen und periodisch erscheinende Zeitschriften; diese Bestimmung
(§. 7) war indessen besonders zu wiederholen und außer Zweifel zu setzen, daß die Personen, welche im Falle einer strafrechtlichen Verfolgung bekannt sein müssen, auf jedem Blatte, Hefte oder Stücke
angegeben werden sollen. Von der Herausgabe von Zeitungen und Zeitschriften ist zugleich der Ortspolizeibehörde Kenntniß zu geben, damit sie in den Stand gesetzt wird, die Erscheinungen im Gebiete der
Presse zu übersehen, auf welche sie ihre Aufmerksamkeit zu richten hat.
Eine ähnliche Bestimmung enthält der §. 5 in Ansehung nicht periodischer Druckschriften. Es erschien hierbei angemessen, eine Frist zu bestimmen, binnen welcher solche Druckschriften (§. 5),
deren Vorlegung erlangt worden, zurückgegeben werden müssen, in sofern eine gerichtliche Verfolgung nicht eingeleitet wird. Neben der Verpflichtung, der Ortspolizeibehörde unter dieser Maßgabe auf
Verlangen ein Exemplar jeder nicht periodischen Druckschrift vorzulegen, wird im Interesse der wissenschaftlichen Institute des Staats, die in der Verordnung vom 28. Dezember 1824 Nr. 5
(Gesetzsammlung 1825 S. 2) wiederholte Bestimmung beizubehalten sein, wonach jeder Verleger schuldig ist, von jedem seiner Verlagsartikel 2 Exemplare, und zwar eins an die Landesbibliothek, das andere
an die Universitätsbibliothek der Provinz, in welcher er wohnt, unentgeldlich einzusenden. Diese herkömmliche Anordnung, deren Aufhebung den Verlegern keinen besonderen Nutzen, den literarischen
Instituten aber großen Nachtheil bringen würde, kann
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nach ihrem Zwecke und ihrem Umfang als eine, die Freiheit der Presse beschränkende Staatsauflage nicht angesehen werden.
Der Inhalt des §. 6 schließt sich theils dem bestehenden Zustande, theils dem im §. 4 Nr. 6 des Gesetzes vom 17. März v. J. an; die Aufnahme der amtlichen Bekanntmachungen öffentlicher
Behörden, erfolgt in der Regel schon im eigenen Interesse der Zeitungen und Zeitschriften selbst; es erscheint jedoch wesentlich nach dem Vorgange anderer Preßgesetze (vergl. z. B. §. 12 des
Sächsischen Preßgesetzes vom 18. November 1848) in Ansehung amtlicher Bekanntmachungen, welche zu diesem Zwecke von öffentlichen Behörden mitgetheilt werden, die Verpflichtung zur Aufnahme in das
nächste Stück auszusprechen, damit die Veröffentlichung der Erlasse der Organe der Staatsregierung sicher gestellt werde. Die Frage, ob die Aufnahme unentgeltlich geschehen müsse, ist unberührt
geblieben, weil sie den in dieser Beziehung fast überall bestehenden Verabredungen überlassen bleiben kann; sie hängt überdies mit der Aufhebung des Intelligenzblattzwanges zusammen, in welcher
Beziehung besondere Anordnungen vorbereitet werden.
Die §§. 1 bis 6 umfassen die für Druckschriften ohne Rücksicht auf deren Inhalt zu ertheilenden polizeilichen Anordnungen.
In dem §. 8 folgen sodann die Regeln über die Verantwortlichkeit für den Inhalt einer Druckschrift, welche ihre Grundlage im Artikel 26 der Verfassungsurkunde finden. Wegen eines durch eine
Druckschrift begangenen Vergehens ist zunächst der Verfasser als Urheber verantwortlich; jeder, welcher außerdem wissentlich bei der Herstellung oder Verbreitung einer strafbaren Druckschrift
mitgewirkt hat, ist nach den allgemeinen strafrechtlichen Grundsätzen über die Theilnahme an Vergehen zu beurtheilen; dieser Satz findet daher auf Verleger, Drucker und Vertheiler Anwendung, wenn die
Voraussetzung einer solchen Betheiligung vorhanden ist. Ist es richtig, daß sie in der Regel aus der bloßen gewerblichen Thätigkeit jener Personen nicht gefolgert werden mag, so muß im Interesse der
Handhabung der Strafgewalt dieser Standpunkt wenigstens dann verlassen werden, wenn der Verfasser nicht bekannt oder nicht im Bereich der richterlichen Gewalt des Staates ist, oder wenn er den Beweis
liefert, daß die Herausgabe wider sein Wissen und seinen Willen erfolgt ist; die Verantwortlichkeit geht dann auf den Herausgeber, den Verleger, den Drucker und den Vertheiler über, ohne daß es eines
sonstigen Beweises der Complicität bedarf. Dem im Artikel 26. der Verfassungsurkunde enthaltenen Grundsatze entspricht es zugleich, daß die genannten Personen nur in der aufgestellten Reihefolge in
Anspruch genommen werden, insofern die Verfolgung des zunächst Verantwortlichen sich als unmöglich oder erfolglos darstellt, weil er nicht bekannt oder nicht im Bereiche der richterlichen Gewalt des
Staats ist.
Die §§. 9. bis 23. enthalten die im Art. 25. der Verfassungs-Urkunde vorbehaltenen Strafbestimmungen. Es ist davon ausgegangen worden, daß die Vergehen, welche durch Wort, Schrift, Druck oder
bildliche Darstellung unternommen oder begangen werden, an und für sich nach den Grundsätzen über die Anstiftung und Theilnahme bei strafbaren Handlungen zu beurtheilen sind; zur Herstellung eines
möglichst gleichförmigen Rechtszustandes bei Bestrafung von Aufforderungen zu Vergehen, welche ohne irgend einen Erfolg geblieben, jedoch entweder im Wege der Presse oder auf eine sonstige Weise
öffentlich geschehen sind, wird es indessen erforderlich, für solche Provokationen eine besondere Strafe anzudrohen und dieselbe in ihrem Umfange so zu bestimmen, daß sie dem richterlichen Ermessen
mit Rücksicht auf die Beschaffenheit der strafbaren Handlung, zu welcher aufgefordert worden, einen angemessenen Spielraum gewährt. Wenn die Aufforderung gar keine Wirkung gehabt hat, und auf
dieselbe weder ein Vergehen ausgeführt, noch eine fernere mit dessen Ausführung in Verbindung stehende Handlung gefolgt ist, so beschränkt sich die Verschuldung auf die Veröffentlichung der
Aufforderung, welche sich als ein besonderes, dem Gebiete des Preßgesetzes angehöriges Vergehen betrachten läßt.
Als ein besonderes Vergehen sind ferner öffentliche Angriffe auf die in dem Eigenthum und der Familie beruhenden Grundlagen der bürgerlichen Gesellschaft und öffentliche Anreizungen, welche die
Bürger gegeneinander zum Hasse und zur Verachtung vermögen sollen, bezeichnet worden, weil dadurch die Grundlagen des Staatslebens und der gemeinsamen Wohlfahrt und Sicherheit gefährdet werden.
Die Bestimmungen des §. 11. Nr. 1. sollen dazu dienen, um an die Stelle der §§. 151-155. Theil II. Titel 20. Allgemeines Landrecht und Artikel 201. und 204. des Rheinischen Strafgesetzbuchs
zu treten.
Der §. 12. umfaßt die Majestäts-Beleidigung, insofern sie durch Wort, Schrift, bildliche oder andere Darstellung begangen wird; diese Vorschriften konnten um so weniger fehlen, als die
Unverletzlichkeit des Königs einen verfassungsmäßigen Grundsatz (Art. 41.) bildet und in dem größten Theile der Rheinprovinz die auf die Majestäts-Beleidigung bezüglichen Strafgesetze in Folge der
Verordnung vom 15. April 1848 außer Anwendung gesetzt, diese Lücke aber seitdem nicht ausgefüllt worden ist.
Die folgenden Vorschriften über die Bestrafung von Beleidigungen, welche durch Wort, Schrift u. s. w. begangen worden, sind vorzüglich bestimmt, um den Begriff der Verläumdung festzustellen,
und die Bestrafung dieser besonders schweren Art der Injurien gleichförmig zu reguliren. In Betreff der Beleidigungen, welche diesen erschwerenden Charakter nicht haben, mußte auf die bestehenden
Gesetze verwiesen werden, weil deren Abänderung nicht füglich ohne Umgestaltung des Verfahrens und der Competenz-Vorschriften ausführbar ist und daher sehr weit eingreifen würde.
Die strengere Ahndung der gegen die Kammern, gegen ein Mitglied derselben, oder gegen einen Geschwornen verübten Injurien (§. 19.) bedarf keiner weiteren Begründung; die besonderen
Pflichten öffentlicher Behörden und Beamten u. s. w., die Nothwendigkeit, ihr Ansehen zu schützen, rechtfertigen die strengere Bestrafung solcher Beleidigungen, welche in Beziehung auf den Beruf des
Beleidigten, oder während er in der Ausübung der Verrichtungen seines Berufs begriffen war, begangen worden.
Die im §. 24. enthaltenen Competenz-Bestimmungen schließen sich endlich den bereits bestehenden Gesetzen an.
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] Berlin, 10. März.
Vor dem Kriminalgericht wurde heute der Prozeß gegen den Lehrer Erdtmann verhandelt. Derselbe wurde am 11. October Abends 11 Uhr auf Veranlassung
mehrerer Demokraten verhaftet, weil sie in ihm einen, im Dienste der Reaktion stehenden Agenten vermutheten. Er hatte das Volk gegen die Bürgerwehr aufgereizt und zum Angriff auf dieselbe
aufgefordert, da bekanntlich ein Maschinenbauer von der Bürgerwehr, durch ein Mißverständniß, erstochen worden. Die anwesenden Berliner Demokraten, denen Alles an Erhaltung des guten Einverständnisses
mit der Bürgerwehr gelegen war, mußten demnach den Erdtmann, der ihnen auch unbekannt war und gebrochen Deutsch sprach, für einen reaktionären Agenten halten. In der heutigen Verhandlung stellte sich
nun so viel heraus, daß der Angeklagte einige Tage vorher von Wien hier angekommen war, daß er einen Hang zu Abenteuern habe und daß er auf eigene Hand „ein bischen ufwiegeln“ wollte.
Der Gerichtshof erkennt, daß der Erdtmann des versuchten Aufruhrs schuldig und verurtheilt ihn zu einem Jahre Festungsstrafe.
Das Drama der Steuerverweigerung ist noch nicht zu Ende. Das Ministerium Manteuffel will sich die Katastrophe des fünften Aktes nicht nehmen lassen. Fast alle Mitglieder der Linken, welche bei dem
bekannten Steuerverweigerungsbeschlusse betheiligt waren, haben schon Vorladungen vom hiesigen Kammergericht bekommen und man sieht in der nächsten Zukunft dem Antrage dieses Gerichts bei der Kammer
entgegen, die Untersuchung gegen die Betreffenden eröffnen zu können. Wir werden also vielleicht das Vergnügen haben, die geehrten Herren in Moabit die Stelle der polnischen Gefangenen von 1846
einnehmen zu sehen. Wenn vom Zuchthause zur Kammer nur ein Schritt ist, so ist doch auch der Rückschritt unter diesem Ministerium nur eben so kurz.
In der Rechten gewinnt eine Partei im Gegensatz zu Vincke mehr und mehr Einfluß, welche dem gesinnungsvollen Centrum am nächsten stehen wird. Geführt wird dies Centrum von den Herren Immermann und
Osterrath, vertrockneten Büreaukraten, die ekelhafter sind, wie die Männer der entschiedenen Rechten.
Man sucht die Debatte über die Adresse und den Belagerungszustand mit Gewalt über den 18. März hinauszuziehen. Man fürchtet die Gewalt der Erinnerungen am Ministertische trotz der 30,000 Mann noch
zu sehr, als daß man sich der geheuchelten Sicherheit überlassen könnte.
In dem Adreßentwurf der rechten Seite der zweiten Kammer ist das Wort die Verfassung als „rechtsgültig“ anzuerkennen, in „geltend“ verändert worden.
Von dem vorzulegenden Preßgesetz verlautet, daß der §. des Französischen auch in ihm sich wieder findet, wonach zu der Kategorie des Aufregens zu Mißvergnügen auch das Aufhetzen der verschiedenen
sozialen Klassen gegen einander gehört. Ein neues Vergehen ist uns in diesem Gesetz octroyirt worden, das der Calumnie. Dieselbe wird schwer bestraft, wenn der Beweis der Wahrheit sich nicht
beibringen läßt.
Der Gutsbesitzer Messelhof aus der Gegend von Küstrin, einer der rothesten Reaktionäre, der zu Pfingsten v. J. zu einem Kreuzzuge gegen das Sodoma und Gemorra von Berlin à la Ahlemann
aufforderte, sitzt auf der Rechten der zweiten Kammer. Derselbe war früher in der Clinik der hiesigen Charité für Geisteskranke. Er wurde aus derselben entlassen, obwohl er noch nicht
vollständig geheilt war. Aus dem Attest des Arztes ergiebt sich, daß er noch an temporärem Wahnsinn leidet. Von einem großen Theil der Wahlmänner und Urwähler seines Bezirks ist nun ein Protest gegen
ihn bei der Kammer eingegangen, in der sie besonders darauf aufmerksam machen, daß es doch höchst unangenehm wäre, wenn der geehrte Abgeordnete plötzlich auf der Tribüne einen Anfall seines temporären
Wahnsinns bekäme und statt für die Rechte zu sprechen und zu stimmen, sich der verruchten Linken zuwendete.
Die Regierung hat aus Paris Briefe bekommen, welche sie benachrichtigen, daß in Besançon 400 falsche Pässe an die deutschen Flüchtlinge ausgestellt seien, die alle nach Berlin lauteten.
Briefe und Pässe aber sind höchst wahrscheinlich von dem großen Handlungshause Manteuffel und Komp. bestellt worden, um ein neues Motiv für die Verlängerung des Belagerungszustandes zu geben.
Unter den hiesigen Postsekretären wurden sieben von der demokratischen Partei als Wahlmänner aufgestellt und gewählt. So konnte denn Hr. v. Schaper und der bekannte Schmückert die
Namen der Unglücklichen endlich erfahren, welche es gewagt hatten, anderer politischer Ansicht zu sein, als ihre Oberen. Die sieben demokratischen Postsekretäre erhielten in diesen Tagen eine
Anweisung vom General-Post-Amt, nach deren Empfang sie sich augenblicklich an andere Bestimmungsorte zu begeben hätten. Natürlich sind diese Bestimmungsorte an den äußersten Enden der Preußischen
Monarchie belegen, wo sie entweder demokratische Propaganda machen können, oder auch zu Konservativen verwandelt werden.
Sitzung der zweiten Kammer.
Ein Centrum! Ein Königreich für ein Centrum! Der Abg. Rhoden, der nach einem solchen wie Brüggemann in der Kölnischen Zeitung schreiet, bittet ums Wort in einer allgemeinen Angelegenheit. Er
weist darauf hin, daß das Haus physisch in zwei große Seiten getheilt ist und verwahrt sich dagegen, daß alle Mitglieder der einen oder andern Seite die Ansichten der Redner theilten, welche
gewöhnlich in diesem Sinne für eine ganze Partei zu sprechen schienen.
Es wurden alsdann die Mitglieder der Adreß-Kommission durch den Präsidenten bekannt gemacht: Grabow als Vorsitzender und die Abg. Bodelschwingh, Rodbertus, Vinke, Renard, Dahne, Berg, Seckendorf,
Groddeck, Arnim, Lipski, Urlichs, Immermann, Riedel, Lisiecki, Camphausen, Harkort u. A. Die Rechte ist in der Kommission überwiegend.
Es folgt die Fortsetzung der Wahlprüfungen. Die Wahl des Bauergutsbesitzers Mätzschke aus Krummen-Wohlau in Schlesien, wird eines Protestes mehrerer Wahlmänner wegen beanstandet. Bei der Zählung
der Stimmen ergaben sich 166 gegen 164 für die Beanstandung, da mehrere vom rechten Centrum mit der Linken stimmten. Die Despoten der Rechten, v. Vinke und Graf Schwerin, beauftragten sogleich den
Friedensrichter Pelzer auf namentliche Abstimmung anzutragen, während welcher Beide die unglücklichen Männer des Centrums zu bearbeiten suchten. Leider wurden ihre Bemühungen nicht durch Erfolg
gekrönt. Die namentliche Abstimmung ergab dasselbe Resultat. Herr Pelzer ist übrigens derselbe, der bei den namentlichen Abstimmungen in der National-Versammlung jedesmal die Uhr aus der Tasche zog,
um, wie er sagte, nachzurechnen, wie viel Geld eine solche Abstimmung das arme Land koste.
Der Antrag des Abg. Phillip's, daß jedem Abg. 50 Exemp. der stenogr. Berichte zur Vertheilung an seine Committenten übergeben würden, kommt zur Berathung. Phillip's selbst vertheidigt
ihn und zwar mit einem Aufwand von Poesie und Pathos, den wir bei dem ehrenwerthen Oberbürgermeister nicht gesucht hätten. Einstimmig wird der Antrag zur Erwägung in die Abtheilungen geschickt.
Der Abg. Renard motivirt alsdann seinen Antrag, neben der Verfassung auch die Reorganisation der Agrarverhältnisse in die Hand zu nehmen. Er selbst hält eine Motivirung für unnöthig.
Manteuffel verspricht Vorlagen.
v. Berg gegen den Antrag, weil er gar keinen Inhalt habe und dem Volke nur Worte gäbe.
Graf Ziethen preist mit lächerlichem Pathos sein Vaterland Schlesien, es seien dort Gutsbesitzer, die viele Opfer bringen wollten (!!) und Schlesien glühe für die Freiheit und gesetzliche
Ordnung. —
Nachdem Renard noch einige unpassende Worte gesprochen, wird der Antrag fast einstimmig in Erwägung zu ziehen, beschlossen.
Von Pflücker und Konsorten wird ein Antrag verlesen, sofort eine Kommission zu bilden, die sich mit den Gewerbeverhältnissen beschäftige.
Abg. Heinze motivirt ihn, und alsdann spricht Herr Möcke gegen denselben. Er schleudert einige stumpfe Pfeile gegen seine Breslauer Kollegen, denen er vorwirft, daß sie sich früher
nicht so zärtlich mit dem Wohl des Handwerkerstandes befaßt hätten.
Nachdem sich v. d. Heydt für eine solche Kommission ausgesprochen und der Antragsteller Pflücker uns erzählt hat, daß er ein Jurist und kein Handwerker ist, wird der Antrag zur Erwägung in
die Abtheilungen geschickt.
v. Berg motivirt seinen Antrag, eine Kommission von 21 Mitgliedern wählen zu lassen, welche dem Plenum Anträge über die zu revidirenden Artikel der Verfassung vorlege. Er wendet sich
besonders gegen den Grafen Schwerin, der der linken Seite Furcht vorgeworfen habe und wünscht, daß sein Antrag ohne Discussion angenommen werde, was auch geschieht.
Eine langweilige Debatte über den Antrag des Abg. Grebel, es möchten die Eingangszölle auf ausländische Weine nicht vermindert werden, bringt die Abg. Osterrath, Bleibtreu und Riedel auf die
Tribüne. Die Erwägung wird beschlossen.
Der Adg. Olawski reitet das dankbare Thema des Volksschullehrerwesens aufs Neue.
Ladenberg entgegnet und es zeigt sich, daß im Ministerium selber zwischen ihm und dem Finanzminister eine lebhafte Differenz stattfindet. Er weint übrigens einige gefühlvolle Thränen über
den Hunger der Volksschullehrer und verspricht ihre Thränen so viel als möglich trocknen zu wollen(!!!). Leider hat er nur 25,000 Thlr. für diesen lobenswerthen Zweck in seinem Ressort.
Olawski zieht den Antrag zurück, Parrisius nimmt ihn wieder auf. Der Kultusminister widerspricht den Anklagen des Letztern und zum Schluß wird der Antrag verworfen.
Schluß der Sitzung.
Heinrich Simon ist eingetreten.
Der Abg. Dierschke hat in der heutigen Sitzung seinen alten Ruhm behauptet. Bei den Wahlprüfungen sprach er: „Ringen Sie nach keinen künstlichen Majoritäten. Das befestigt Ihren Sieg
doch nicht. Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer, aber ein großes Concert von Schwalben, Nachtigallen, Vinken, das ist etwas anderes. Ich bin zwar kein großer Kenner der Naturgeschichte, aber die
Fledermäuse liebe ich doch nicht. (Allgemeine Heiterkeit.)
Sitzung der ersten Kammer.
Der Abg. Walter referirt über den Adreßentwurf, welchen Prinzipien man bei seiner Ausarbeitung gefolgt sei u. s. w. Er weist alsdann auf das Beispiel Englands hin, wo man die Adreßdebatte in
kurzer Zeit vollende und auf das Frankreichs, wo das Entgegengesetzte stattgefunden.
Haffter wünscht, daß man schnell über die allgemeine Debatte hingehe.
Stahl: Die Adresse ist von zu großer Farblosigkeit und ich hätte an vielen Stellen stärkere Ausdrücke gewünscht. Die Stärkung des moralischen Ansehens und der Heiligkeit der Regierung ist
uns nöthig und ich möchte daher eine stärkere Anerkennung der That haben, welche die Anarchie gebrochen und welche vom größten Theil des Volkes schon ausgesprochen ist. (??) Ich vermisse auch die
Anerkennung der Verhängung des Belagerungszustandes und einen bestimmten Ausdruck über die deutsche Einheit, welcher den Rechtsboden wahrt. Die Nationalerhebung und die revolutionäre haben sich in
Deutschland leider zu oft vermischt. Ich wünsche also eine entschiedene Manifestation zu Gunsten der faktischen Gewalt und zu Gunsten des monarchischen Prinzips. (Aha!)
Ein Amendement von Maurach und Gräff wird nach längerer Debatte, in der Hansemann sagt, er habe immer Ehrfurcht vor dem absoluten König gehabt, aber noch mehr vor dem
konstitutionellen, verworfen.
Es werden alsdann noch eine Masse Amendements verlesen, deren erstes von Sperling und Cons. gestellt, die Rechtsbeständigkeit der Verfassung nicht anerkennt. Sperling spricht für sein
Amendement und erklärt sich besonders gegen das freudige Anerkennen in der Adresse.
Baumstark hält eine lange und langweilige Rede gegen das Amendement.
Fischer aus Breslau steht auf dem Rechtsboden und sagt zuletzt: Sie dürfen revidiren, aber nicht anerkennen. Dies können nur die Vertreter des ganzen Volkes, die zweite Kammer.
Milde, Bonin, Helldorf, gegen Sperling.
Helldorf faselt von der Zurückführung der Anarchie, des Terrorismus und des Kommunismus aller Art.
Milde gesteht zu, daß die Verfassung octroyirt werden mußte.
Zänker und
Gräff für das Amendement Als der Letztere davon spricht, daß die erste Kammer zwischen Krone und Volksvertretung geschoben sei,
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erhebt sich ein pöbelhafter Sturm auf der Rechten und es wird der Ordnungsruf verlangt.
Hansemann und Milde verwahren sich.
Bergmann für den Majoritätsentwurf unter lautem Bravo der Rechten.
Die Debatte wird auf Montag vertagt.