Französische Republik.
(Die Nationalversammlung vom 8. März werden wir in der zweiten Ausgabe mittheilen.)
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] Bourges, 7. März.
(Prozeß der Angeklagten des 15. Mai.) Der Audienzsaal ist mit Erinnerungen an die Juli-Revolution von 1830 geschmückt; von den Februarereignissen keine Spur.
Starke Detachements des 14. Linien-Regiments, desselben Regiments, welches im Februar vor dem Hotel Guizot zuerst Feuer auf das Volk gab, wehren draußen den Andrang des Publikums ab.
Um 10 1/4 nimmt der Gerichtshof Platz. Die Mitglieder tragen rothe Roben; der Präsident Bérenger (de la Drôme) einen Hermelin und das Commandeur-Kreuz der Ehrenlegion. Der
General-Procurator Baroche wird von dem General-Advokaten Royer und Levesque, Substitut des General-Procurators assistirt.
Auf der Bank der Angeklagten sollen außer den 12 Verhafteten (Courtais, Sobrier, Blanqui, Thomas, Flotte, Albert, Barbés, Depré, Raspail, Larger, Borme und Quentin) auch noch Villain
und Chancel erschienen, welche sich am Morgen freiwillig gestellt haben. Die Vertheidiger sind Bethmont (Courtais), Baude (Sobrier), Maublanc (Blanqui), Decoux Lapeyrière (Thomas und Raspail),
Levis und Adelon, der letztere amtlich (Flotte), Bonvillers Sohn, amtlich (Albert und Barbés), Picard (Depré), Rivière (Villain), Hamet (Borme).
General-Procurator Baroche verlies't das Dekret v. 22. Jan. und der Präsident erklärt den Gerichtshof für constituirt. Dann werden die Geschworenen aufgerufen.
Während der General-Advokat Royer mit unverständlicher Stimme die Entschuldigungen der abwesenden Geschworenen prüft, ruft an der Thüre der Volksrepräsentant Martin Bernard, der als Beistand von
Barbés erschienen ist, daß die Gensdarmen ihm den Eintritt verweigern.
Der Präsident. Ich bemerke den Herren Rechtsbeiständen, daß ihre Anwesenheit in diesem Augenblick nicht nöthig ist.
Martin Bernard. Wir sollen also vor der Thüre stehen?
Der Präsident giebt den Gensdarmen Befehl, die Beistände zuzulassen?
Bürger Royer fährt in der Prüfung der Geschwornen-Entschuldigungen mit so leiser Stimme fort, daß ein Zuhörer schreit: „Lauter! Man versteht ja nichts!“ Dies Individuum wird auf
Befehl des Präsidenten Bérenger sofort vor die Thür gebracht.
Der Bürger Cupillard, Departementsrath von Doubs, verlies't einen langen Discours, worin er erklärt, vor weniger als drei Monaten Geschworener in seinem Departement gewesen zu sein, und
deshalb nach dem Gesetz über die gewöhnliche Jury ablehnen zu müssen. Diese Entschuldigung wird von dem Gerichtshof verworfen. Die Geschworenen ziehen sich zur Verloosung in ihren Saal zurück.
Um 12 1/2 Uhr werden die Angeklagten, jeder von 2 Gensd'armen geführt, in den Saal gebracht. Ihre Haltung ist durchgängig stolz und voll Ruhe; das Publikum, in welchem man u. A. auch Madame
Carles, die Schwester von Barbès bemerkt, empfängt sie mit stürmischer Begeisterung. Die Bänke sind so eng, daß die Angeklagten nur mit der größten Mühe sich niedersetzen können.
Die erste Bank wird von Raspail, Barbès, Sobrier, Albert und Blanqui eingenommen; die zweite von Larger, Degré, Quentin und Flotte; die dritte von Thomas, Courtais, Villain und Borme.
Chancel ist noch nicht erschienen. Barbès hat außer dem (offiziell ernannten) Vertheidiger Bouvillers den Repräsentanten Martin Bernard und Quignot zu Rechtsbeiständen.
Um 1 1/2 Uhr wird die Sitzung von dem Präsidenten wieder eröffnet.
Blanqui. Ich muß vor Beginn der Verhandlungen erklären, daß ich die Absicht habe, gegen die ganze Jurisdiktion der Haute-Cour zu protestiren; dasselbe ist bei mehreren meiner Mitangeklagten
der Fall. Der Bürger Raspail wird es übernehmen, in dieser Beziehung formelle Erklärungen zu geben. Was mich betrifft, so protestire ich aus politischen, einzig aus politischen Gründen; ich protestire
mit aller Kraft gegen die Vorführung vor ein exceptionelles Tribunal, wie das gegenwärtige.
Präsident Berenger. Wir können keine Erklärungen annehmen, bevor nicht der Anklageakt verlesen ist.
Blanqui. Ich werde meinen Namen und Vornamen angeben; aber ich darf vor den Verhandlungen meine Protestation anzeigen. Ich bin Louis-Auguste Blanqui, 42 Jhr alt, Schriftsteller, geboren zu Nizza
(Sardinien), wohnhaft zu Paris, Rue Boucher, 1.
Präsident. Es genügt, Ihre Protestation anzuzeigen; Sie werden sie nach der Verlesung des Anklageakts entwickeln. Angeklagter Albert, Ihre Namen und Vornamen?
Albert. Ich werde auf keine eurer Fragen antworten.
Präsident. Angeklagter Barbès, Ihre Namen?
Barbès. Ich wiederhole, was ich im Geschwornen-Saal bereits gesagt habe; ich erkenne die Autorität der Haute-Cour nicht an, und werde an keinem seiner Akte Theil nehmen. Ich habe an der
Bildung der Jury ebenfalls keinen Theil genommen.
Präsident. Angeklagter Sobrier, Ihre Namen?
Sobrier erklärt, daß er sich nicht vertheidigen werde, indeß Namen und Identitätsfragen beantworten wolle.
Raspail antwortet auf die Fragen.
Präsident. Angeklagter Flotte, ihre Namen?
Flotte erhebt sich, sieht starr in's Publikum und antwortet nicht.
Die übrigen Angeklagten antworten auf die Fragen.
Bei dem Aufruf der Advokaten erhebt sich Barbès und protestirt gegen jede Theilnahme des ihm amtlich zuertheilten Anwaltes. Der Advokat wird nach Verlesung des Anklageakts seinen Rückzug
antreten.
Courtais erklärt noch, daß er jetzt zum erstenmal erst den Angeklagten Degrè sehe, und daß seine früheren Aussagen betreff dieses Namens sich nicht auf die hier anwesende Person
beziehen.
Der Präsident hält darauf als Einleitung einen belletristischen Vortrag über die schönen Bestimmungen der Haute-Cour und der honetten Republik, welche mit jenen Hand in Hand gehe.
(Fortsetzung folgt.)