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[Fortsetzung] das Clubgesetz zur Sprache. So wird wenigstens das Prinzip des Vereinsrechts gerettet.
‒ Am 25 März steht uns eine Katastrophe bevor! An diesem Tage gehen die sechs Millionen Franken zu Ende, welche die Nationalversammlung für die Hausarmen des Seinedepartements votirt und die
das Ministerium zu erneuern wenig Lust zeigt. Was soll aus uns werden, wenn sich die 400,000 Hungerleider gegen uns erheben? Hierin liegt die Nothwendigkeit eines Changarnier und seiner 50,000
Bajonnette ‥‥ sagen die reichen Leute.
Und doch (ruft der Constitutionnel) steigt die Rente. Die 3% stieg um volle 2 Franken aus Spekulationsbedürfniß ‒ setzt er hinzu.
‒ Keine politischen Gerüchte. Die Behauptung der „Allg. Augsb. Zeitg.“ daß Rußland dem Pabst Geld und Mannschaften zu seiner Wiedereinsetzung angeboten, machte keinen Eindruck
auf unserem Geldmarkt.
‒ Präsident Bonaparte nahm heute beim schönsten Wetter wieder eine große Revue auf dem Marsfelde ab. Dieses schöne Wetter ist Veranlassung, daß im Tuilleriengarten bereits die Bäume
ausschlagen. Dasselbe Wetter brachte uns ein neues Journal „Le President“
‒ Heute taucht Louis Philippe wieder im Moniteur auf, aber nicht als König, sondern als Kläger. Er verklagt vor dem Zuchtpolizeigerichte 2 arme Teufel, die ihm in dem Walde von Bondy eine
Last Holz gestohlen hatten. Die zwei Verbrecher wurden zu 4 Fr. Strafgeld und 2 Fr. Schadenersatz verurtheilt. Sie werden Herrn Louis Philippe das Geld nach London schicken.
‒ Der Brief Louis Blanc's lautet:
„Als ich am 26. August Paris verließ, schrieb ich, daß ich mich am Tage der Debatte vor der Jury stellen würde, und nichts in der Welt hätte mich verhindern können, dies Versprechen zu
halten. Aber ich habe mich im August unmöglich verpflichten können, vor einem erst im November eingesetzten Gerichtshofe zu erscheinen. Ich habe mich im Monat August nicht verpflichtet, vor einem
Ausnahmsgericht zu erscheinen, welches 3 Monate nachher durch dieselben Leute geschaffen worden ist, die mich proscribirt hatten, und zwar um meine Verurtheilung herbeizuführen, mit offner Verletzung
eines der ersten Rechtsprinzipien, wonach kein Gesetz rückwirkende Kraft hat. Die Entscheidung, wodurch die Nationalversammlung mich preisgegeben hat, im Widerspruch mit ihrem eigenen frühern Urtheil,
und der Anklageakt, der keine einzige ernsthafte Belastung enthält, sprechen es deutlich aus, daß die Evidenz nichts ist, wo die politischen Leidenschaften alles sind. Mehr als je ist Paris der
Herrschaft der Gewalt anheimgefallen; man erschöpft hier den Skandal willkührlicher Verhaftungen; die Contrerevolution ist hier gebietend und wuthschäumend. ‒ Ich habe den Anklageakt gelesen
und mein Herz hat vor Unwillen gebebt.
Es enthält unter Anderm Folgendes: „es sei mir am 15. geglückt, aus dem Hotel de Ville zu entschlüpfen, so sei das Gerücht gelaufen! Den 15. Mai habe ich, weit entfernt, die Menge
aufzufordern, sich zu zerstreuen, ihr wegen des wiedereroberten Petitionsrechts gratulirt. Einige Zeilen später ist der Anklageakt gezwungen zuzugeben, daß ich das Volk aufforderte, die Versammlung
frei berathschlagen zu lassen. Den 15. Mai soll ich, ich weiß nicht was für aufrührerische Reden im Luxemburg gehalten haben; und denselben 15. Mai, der Moniteur ist da, um es zu beweisen, war ich
nicht mehr im Luxemburg, das damals schon als Wohnung der Executivkommission eingeräumt war. So wird die Justiz in diesem Augenblicke in Frankreich vollstreckt. Ich füge kein Wort weiter hinzu. London
3. März.“
Caussidiere erklärt:
„Ich muß den Tag der Gerechtigkeit und Wahrheit in sicherm Schlupfwinkel vor royalistischen Angriffen abwarten. Er ist noch nicht gekommen. Wenn ich vor den Angriffen der Royalisten nicht
gesichert war durch die 147,000 Stimmen, die ich gegen sie von der Pariser Bevölkerung erhielt, einen Monat nach den Ereignissen, in die man mich verwickeln wollte; wenn die Versammlung, der ich
angehörte, einen fertigen Anklage-Akt gegen mich auf ihr Bureau niederlegen ließ, ehe ich noch auf die Tribüne gestiegen war, um die verlangten Erklärungen zu geben; wenn die Berichte der
verworfensten Spione gegen die Thaten, gegen die Erklärungen eines Bürgers geltend gemacht werden, der vom 24. Februar bis zum 24. März, d. h. mitten unter den schwierigsten Verhältnissen und der
größten Aufregung die Ruhe von Paris aufrecht erhalten hatte ‒ soll ich die Zahl der Opfer der Feinde der socialen Harmonie vermehren gehen! Die Gefängnisse, die Pontons, die Bagnos sind sie
nicht hinreichend angefüllt?
‒ National-Versammlung. Sitzung vom 6. März. Anfang 1 1/2 Uhr. Präsident Marrast. An der Tagesordnung ist die dritte Berathung des Wahlgesetzes, zu dem mehrere wichtige Anträge
gestellt worden.
Artikel 1, von der Listenformation handelnd, giebt zu keiner Debatte Veranlassung.
Artikel 2 hat zwar manigfache aber unwichtige Textänderungen erlitten, stößt ebenfalls auf wenig Widerspruch.
Marrast will abstimmen lassen, da ruft Jemand links: „Wir sind noch nicht beschlußfähig!“
Auf diese Bemerkung hin wird eine Zettelabstimmung veranlaßt und die Deputirten, die das schöne Wetter in den Garten gelockt hatte, eilen herein.
Der Artikel wird mit 609 gegen 5 Stimmen angenommen.
Nachdem diese Abstimmung schon erfolgt, stellen die rheinischen Deputirten Brückner, König, Kestner und Komp. den Antrag:
„Diejenigen Einwohner, welche, obgleich von ausländischen Eltern, aber in Frankreich geboren, die Niederlassungsrechte erwerben etc., stimmen zu lassen.“
Brückner entwickelt den Antrag in schrecklich fader Weise. Der Gegenstand wäre eines besseren Vertheidigers würdig gewesen, denn er interessirt viele Tausende.
Freslon bekämpft den Antrag als dem Civilcodex widersprechend und sagt, daß Jemand, der gesetzlich nicht zu den Fahnen zugelassen wäre, nimmermehr votiren dürfe.
Der Antrag fällt glänzend durch.
König und Henri Didier stellen ähnliche Anhängsel, von denen das eine dasselbe Schicksal theilt, das andere an den Ausschuß zur Begutachtung gewiesen wird.
Der siebente Satz des Artikels 2 giebt zu einer wichtigen Debatte Stoff. Er handelt von den Fallirten, deren Zahl in den französischen Handelsstädten enorm wächst.
Emil Leroux und Boutoey (aus Bayonne) tragen darauf an:
„Nur diejenigen Fallirten vom Wahlrecht auszuschließen, welche kein Konkordat zu Stande brachten oder nach dem s. g. Unionsvertrage oder simplen Bankerott nicht rehabilitirt
wurden.“
Die Ansicht des Ausschusses ist gespalten.
Vesin, im Namen der Mehrheit, bekämpft den Antrag als zu sanft für die commerciellen Garantien.
Billault, im Namen der Minderheit, unterstützt dagegen die Aenderung.
Nach langem Hin- und Herstreiten wird der siebente Satz durch geheime Abstimmung mit 501 gegen 212 Stimmen angenommen.
Der achte Absatz erregt nicht minder Interesse. Er handelt von den politischen Verbrechern.
Der Ausschuß schlägt vor:
„Obiger Ausschluß vom Wahlrecht darf jedoch diejenigen Verurtheilten nicht treffen, deren Verurtheilung auf politischen Gründen beruht, auf Schlägereien oder Blessuren etc. Es wäre denn, daß
der Verlust des Stimmrechts im Urtel ausdrücklich bemerkt sei.“
Ein Theil des Ausschusses (Ah! Ah!) beantragt:
„Diese Verurtheilungen dürfen jedoch nicht länger als von 5 Jahren her datiren.“
Parenteau ist der Urheber dieses Bleigewichts, das heftig besprochen wird.
Joly (Vater) findet diesen Zeitraum noch zu engherzig. Für politisches Handeln dürfe gar keine Retroaktivität eintreten.
Die Versammlung theilt die liberale Ansicht der Antragsteller nicht und verwirft die Joly'schen Zusätze.
Artikel 3 wird hierauf angenommen.
Artikel 4 desgleichen mit geringer Aenderung.
Ebenso Artikel 5 und 6.
Artikel 7 soll an Artikel 13 geschlossen werden.
Artikel 8 und 9 geben zu keiner erheblichen Einwendung Veranlassung.
Artikel 10 wird an den Ausschuß zu nochmaliger Begutachtung gewiesen.
Artikel 11 und 12 ohne Weiteres erledigt.
Artikel 13 wird mit Artikel 7 zusammengeschmolzen und somit die Reihenfolge geändert.
Artikel 15 und 16 (vom Schlußtermin der Wahllisten handelnd) ruft Charamaule auf die Bühne.
Das ehrenwerthe Glied der hohen Rechten fürchtet, daß die Zeitpunkte zu vag angegeben seien für etwaige Beschwerden.
Billault bekämpft diese Bedenken durch die Versicherung, daß binnen sechs Tagen die entferntesten Departements, selbst Korsika, ihre Listen und resp. Beschwerden erledigen könnten u. s.
w.
Die Debatte über Artikel 15 und 16 muß indessen der vorgerückten Stunde halber abgebrochen und auf morgen verschoben werden.
Die Versammlung geht um 6 1/4 Uhr auseinander.