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Die Langeweile, der Spleen und die Seekrankheit.
(Fortsetzung von Nro. 238)
[Fortsetzung]
Und wir aßen und tranken.
Nachdem aber das damastene Tischtuch mit allem was darauf stand, entfernt war und die geschäftigen Kellner neue Krystall Dekanter und neue Gläser auf den nackten Mahagonytisch gestellt hatten, nahm
ich das Wort und erklärte der mir gegenübersitzenden lieben, langen Göttin der Langenweile, daß ich ungemein glücklich sein würde, ein Glas Wein mit ihr zu trinken.
Die Holde lächelte und erwiederte sofort, daß es ihr zu ganz außerordentlichem Vergnügen gereiche, meiner Einladung zu folgen. Ich füllte daher mein Glas bis an den Rand und die Göttin füllte das
ihrige.
Der Akt des gemeinschaftlichen Weintrinkens ist ein Akt von hoher Bedeutung in England. Zwei Heidelberger Chorbursche, die die Schlachtfelder von sechs Semestern hinter sich haben, können sich
nicht mit mehr Anstand und Würde auf krumme Säbel oder Pistolen fordern, als zwei Engländer sich zum Genuß eines Glases Portwein einladen. Es ist, als ob sich die Thürme der Westminster-Abtei und die
Kuppel von St. Pauls bei aufgehender Sonne still „guten Morgen“ wünschten. Mit demselben Ernste, mit dem Cromwell König Karl auf's Schaffot brachte, mit derselben Würde, mit der
einst Pitt im Parlamente aufstand um den Krieg gegen die französische Republik zu verlangen und mit derselben Feier, mit der Lord Hardinge nach der Schlacht von Sobraon den Völkern des Indus und des
Ganges eröffnete, daß sie hinfort den Nacken unter das britische Scepter zu beugen hätten ‒ mit demselben Ernste, mit derselben Würde, und mit derselben Feier trinken die Engländer ihren
Portwein und Sherry, und schauen sich mit ihren starren, großbritannischen Augen so schrecklich dabei an, als söffen sie Rattengift, um dann hinab zu fahren zum Styr oder zum Satan.
Da ich zu Wasser und zu Lande schon oft genug Gelegenheit hatte, mich in dem Naturgenuß des Portweintrinkens zu üben, so konnte es natürlich nicht fehlen, daß mein Duett mit der langweiligen Göttin
über alle Maßen vortrefflich ausfiel. Beide ergriffen wir das schimmernde Krystall, in dem das edle Blut der pyrenäischen Halbinsel so mystisch wogte und blitzte wie flüssige Rubinen; beide erhoben
wir dann die Gläser und jetzt uns messend mit stieren Blicken, neigten wir die Köpfe, kaum bemerkbar und möglichst steif, um endlich mit todternsten Gesichtern, à tempo, den großen Moment des
Trinkens zu vollenden.
Als aber auch die Göttin der Seekrankheit und der graue Spleen einen Becher mit einander gewechselt hatten, da wandte ich mich wieder zu der Langenweile und sprach zu ihr in dem zierlichsten
Englisch, was je ein Insulaner gesprochen hat, von dem galanten Sir Walter Raleigh an, bis auf Benjamin Disraeli: Theuerste Göttin, ich gebe Ihnen hierdurch das Wort. Sie werden sich dieses Wortes
vortrefflich zu bedienen wissen und gern wollen wir Ihren Erzählungen lauschen, denn Niemand kann interessanter sein, als die Langeweile.
Sprach's und verstummte.
Die Göttin der Langenweile warf aber ihre blonden Locken über das schneeweiße Angesicht; der Atlas ihres Kleides krachte verführerisch und langsam öffnete sie jetzt die rosigen Lippen und hub
folgendermaßen zu reden an:
„Groß ist das Reich, das ich beherrsche. Ja, wahrlich, in meinem Reiche geht die Sonne niemals unter. Mein Einfluß erstreckt sich über alle Theile der Erde. Ich beherrsche die Welt seit den
grausten Zeiten. Aelter bin ich, als der älteste der lebenden Menschen; älter als der älteste Kirchthurm, als die älteste Pyramide, als die Arche Noäh, ja mit Adam wohnte ich schon im Paradiese, ehe
ihm Gott sein Weib geschaffen, zu unendlichem Vergnügen ‒ ja mit Gott selbst stand ich auf vertrautem Fuße, ehe er aus lauter langer Weile die Welt erschuf und Alles was darinnen ist.
Unumschränkt war meine Macht in dem sogenannten goldnen Zeitalter der Menschheit; mit den ersten Hirten langweilte ich mich auf den grasreichen Ebnen des Orients; bauen half ich an dem großen
sprachverwirrenden Thurme, und wenn auch die heitern Gelage von Babylon und Niniveh manchmal meinen stillen Einfluß störten, so fand ich doch Eingang in den Herzen vieler einfältigen Leute, die wie
Jakob vierzehn Jahre lang um dasselbe Weib streiten, oder wie Joseph, lieber ihrem Herrn treu blieben, als sich ihrer Gebieterin angenehm machten. Ja, als ein besonderes Faktum bitte ich es zu
konstatiren, daß Methusalem nur aus reiner langer Weile seine tausend Jahre alt wurde.
Doch der langweiligen patriarchalischen Zeit, folgten ach, die fröhlichen Jahrhunderte der Griechen. Die Götter, die damals en vogue waren, verwilderten im Himmel und die Menschen auf Erden.
Unsittlich nackt thronten die Unsterblichen auf dem Gipfel des Olymps, stets bereit zu den verliebtesten Streichen, zu den ausgelassensten Aventüren. Selbst der Vater der Götter verschmähte es nicht,
sich unter jederlei Gestalt zu den Nymphen des platten Landes herabzulassen und zu ihrer Heiterkeit ein Erkleckliches beizutragen. Wie konnte damals von Langerweile die Rede sein? Die Menschen nahmen
ein böses Beispiel an ihren Vorgesetzten. Auf offenem Markte saßen die reizenden Athener und freuten sich ihres Lebens und unerbittlich schlossen sich vor mir alle Thüren. Hatte ich je einmal Zutritt
zu einem hellenischen Wesen, nun, so war es höchstens eine Penelopeia, die mich aufnahm, als sie sich Jahre lang ihrem herrlichen Dulder entgegensehnte.
Auch unter dem Waffenlärm der Römer war meines Bleibens nicht und ich athmete erst wieder auf, als die christliche Zeit kam,
[1332]
mit ihren feisten Mönchen, denen ich in stiller Zelle gern Gesellschaft leistete. Das Christenthum brachte mich damals auch nach Deutschland, wo ich in den langen Lehrgedichten
der ausgezeichnetsten Poeten die deutlichsten Spuren zurück ließ. Das Mittelalter halte ich überhaupt für die Glanzperiode meines Daseins und ich habe nur zu bedauern, daß es von so kurzer Dauer war,
denn mit der Erfindung des Pulvers ging die Welt leider einer Epoche entgegen, die bis auf die jüngsten Tage hin, immer kurzweiliger geworden ist.
Blasirt über das Familienleben mischte ich mich damals in die öffentlichen Angelegenheiten der Völker. Vor allen Dingen suchte ich aber stets meinen Einfluß in der Literatur geltend zu machen und
ich muß selbst gestehen, daß ich auf dem Felde der Theologie das Unerhörte geleistet habe. Aergerlich war es wir, daß ich fast nie bei den Franzosen Glück machte. Aber wir scheinen nicht für einander
geschaffen zu sein. Sie behandelten mich stets mit Geringschätzung und da ich vor ihrer eingewurzelten Frivolität den tiefsten Abscheu habe, so gab ich mir auch zuletzt keine Mühe mehr, sie durch das
Wohlthuende meines Einflusses auf die Bahn der Tugend hinüberzuleiten.“
Als die langweilige Göttin so weit gesprochen hatte, mußte ich entsetzlich gähnen und wollte mich eben dieses Verstoßes wegen entschuldigen, als ich noch zur rechten Zeit bemerkte, daß mir
unwillkürlich die größte Artigkeit passirt war. Das Antlitz der langen Göttin überflog nemlich ein Zug der ungetheiltesten Befriedigung, als sie mich gähnen sah und mit wahrer Begeisterung setzte sie,
namentlich mir zugewandt, ihre Rede fort:
„Sie können hieraus abnehmen, daß ich schon seit geraumer Zeit auf der Erde wirksam umhergespukt habe. O, theuerster Freund, ich versichere Ihnen, Deutschland gehörte zu den Ländern, in
denen ich mich immer am heimischsten fühlte. Gelebt und geliebet habe ich mit dem edlen Volke der Deutschen und herrlich hat sich mein Geist offenbart in Germaniens denkwürdigsten Kunstschöpfungen.
Wie begeisterte ich nicht den unerreichten Klopstock! Wie hat nicht Platen mich in die weichsten Formen zu bannen gewußt! Aber auch den neueren Autoren wandte ich mich gerne zu. Sind nicht die
Gutzkow'schen Dramen wahre Meisterwerke der langen Weile? Wer ist nicht schon einmal bei den lyrischen Ergüssen der jüngeren rheinischen Dichter selig zusammengeschlummert! Doch auch in der
Journalistik bin ich vertreten. Die Kölnische Zeitung wurde mein Central-Organ. Ueberall zeigt sich mein stilles Walten und auch Sie, theuerster Freund, werden vielleicht meinen heilsamen Einfluß
spüren, wenn Sie nach Ihrer Rückkehr aus England, wiederum der Krankheit schriftstellerischer Versuche anheimfallen.“
Trotz der großen Bonhomie, mit der die Göttin diese Worte sprach, hätte ich die letzte Bemerkung doch beinah sehr anzüglich gefunden. Aber die Holde ließ mir keine Zeit, irgend etwas zu
erwidern.
„Zwar entfernt von Deutschland ‒ fuhr sie fort ‒ nehme ich doch an der Entwicklung Ihres Vaterlandes den wärmsten Antheil. Auf eine erfreuliche Weise zieht sich bei Ihnen
wiederum Alles in die Länge. Aber das kommt, weil ich mit den besten Rednern der Paulskirche auf ein und derselben Bank saß. ‒ ‒ Wie umsäuselte ich nicht den früher so berühmten Soiron!
Wie leitete ich nicht die Beredsamkeit eines Venedey! O, nur ein einziges Mal ist man in Frankfurt aus der Rolle der Langenweile gefallen: als man den Verfasser des Schnapphahnski gerichtlich
verfolgen ließ!
Ja, wahrlich, wenn es nicht ein England in der Welt gäbe, so möchte ich in Deutschland wohnen! Aber die Revolutionen des Kontinents haben mich vertrieben und auf diesem konstitutionellen
Kreidefelsen, auf diesem Hort der Ruhe und der gesetzlichen Ordnung will ich Hütten bauen, eine für mich, eine für dich, o theurer Spleen, und die letzte für dich, du liebenswürdigste und
interessanteste aller Krankheiten, ja für dich, o Seekrankheit!“
Hier schwieg die holde Göttin und der Spleen, der bisher so steif und unbeweglich wie eine Eule auf seinem Stuhl da gesessen hatte, suchte plötzlich aus lauter Begeisterung über den herrlichen
„Speech“ die Füße in die Hosentaschen zu stecken, indem er entsetzlich dabei nießte und ein schnarrendes „hear, hear!“ ausstieß. Auch die Seekrankheit erwachte aus ihrer
Lethargie und machte einige unheimliche Bewegungen. Ihr fahles Angesicht verzog sich zu einer jener unbeschreiblichen Grimassen, die man bei stürmischem Wetter an seinen Seegefährten zu studiren
pflegt, und hätte ich nicht rasch meine Augen verhüllt, ich glaube wahrhaftig, das Schrecklichste wäre mir passirt.
Aber meine Gäste kehrten sich wenig an meine tiefen Empfindungen. Sie schauten mit dem süßen Einverständniß verwandter Seelen lächelnd einander an und ein Bund wurde zwischen ihnen geschlossen, der
noch manches Zeitliche überdauern wird.
Ich muß gestehen, ich spielte eine sehr traurige Rolle in diesem Augenblick.
Die Portweinflasche machte aber bald von Neuem die Runde und die Langeweile, der Spleen, die Seekrankheit und ich selbst füllten die Gläser bis zum Rande. Jetzt erhoben wir das schimmernde
Krystall, und jetzt uns messend mit stierem Blick, neigten wir die Köpfe, kaum bemerkbar und möglichst steif, um endlich mit todternsten Gesichtern à tempo den großen Moment des Trinkens zu
vollenden ‒ und lautlos wurde es in dem weiten Gemache und nur die Themse schlug murmelnd an die Quadern unseres Hauses und fernher klang durch die Nacht das Brausen London's, verhallend
wie der Donnerfall des Niagara. [Fortsetzung]
(Fortsetzung folgt.)
[Deutschland]
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ferner noch die Pflichten, welche der Staat, welche mein Gewissen mir auferlegen, treu zu erfüllen, der lohnenden Anerkennung gewiß.“
Mengershausen wird hier vom 1. April c. ab die Functionen des Staats-Anwalts versehen. Da wird es für ihn auch prächtige Gelegenheit geben, bei etwaigen politischen Prozessen seine Maxime geltend
zu machen- ‒ „wenn es darauf ankommt, ‒ schonungslose Criminalrechtspflege“! und „darauf an“ kommt es ihm immer!!
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216
] Berlin, 6. März.
Grabow ist mit 5 Stimmen Majorität zum Präsidenten der II. Kammer gewählt. Nachdem Grabow im vorigen Jahre aus verletzter Eitelkeit ausgeschieden war,
trat der Conflikt ein. Darauf bezüglich schrieb damals Grabow, daß er die Vertagung und Verlegung der National-Versammlung nicht für gerechtfertigt halte; er gehört folglich auch zu den
Antiministeriellen. Doch was kann das helfen. Die Wahl Grabow's, wie schwach die Majorität auch war, stellt die II. Kammer auf den gehörigen Werth. Sie ist keine wahre Repräsentantin des Volks,
welches zur Zeit zermalmend über sie wegschreiten wird. Das läßt sich voraussehen. Man braucht deßhalb kein Prophet zu sein. ‒ Der Adreßentwurf der I. Kammer liegt vor. Dieses erbärmliche
Schriftstück elender Speichelleckerei trägt auch die Namen Leue und Walter zur Schande der Rheinprovinz.
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9
] Berlin, 6. März.
Die Börse war gestern ungemein flau. Die Nachrichten aus Wien und Ungarn waren sehr unbestimmter Natur, so daß selbst die ersten hiesigen
Banquierhäuser sich äußerst vorsichtig gerirten.
Es ist jetzt nichts Seltenes, Züge von Arbeitern über die Straßen ziehen zu sehen, ein Anblick, der an den Anfang des Märzes 1848 erinnert. Die armen Leute waren im Winter zu enttäuscht über den
passiven Widerstand der Vereinbarer und begnügten sich in ihrer Erstarrung mit den Wohlthätigkeitssuppen. Jetzt aber tritt der Saft in die Bäume und auch das Blut in den Adern der Menschen rollt
wieder rascher. Unter uns gesagt, ich glaube, es gibt hier keine freien Menschen außer den allerärmsten, und diese werden, wenn ich mich nicht sehr täusche, erster Tage wieder für ihr
Freiheitsgefühl mit Kugeln und Blei in den Rippen belohnt werden. Die Polizei ist sehr wachsam in Bezug auf die Arbeiter. Man kann wohl sagen, daß auf jede Bassermann'sche Gestalt eine
Kühlwetter'sche kommt. Es beliebte gestern einem hiesigen demokratischen Herrn einem Arbeiter ohne Arbeit etwas zu schenken. Dies bemerkt ein Konstabler und nahm den Herrn „wegen
Bestechung der Arbeiter“ mit zur Wache, wo er seinen Namen angeben mußte. Die Herren Aristokraten betrachten die Bestechung der Arbeiter als ihr Monopol. Die Goldschmidt'sche Fabrik ist
noch immer durch Militär geschützt. Wie man hört, haben die Besitzer dieser Fabrik den Ruf, die Arbeiter besonders geschunden zu haben. Außer den Kattundruckern feiern noch mehrere Handwerker, die
sich mit Jenen verbunden haben. Die Bemühungen der Regierung, die Leute nach der Ostbahn zu spediren, haben trotz der angebotenen Prämie von 2 1/2 Thlr. pro Halbjahr wenig Erfolg, und die strengen
Gesetze, welche über die unglücklichen Erdarbeiter bei den Kanalbauten in der Nähe von den wohlweisen Herren verhängt sind, halten viele zurück. In der That ist auch der Arbeitslohn von 12 1/2-11 Sgr.
pr. Tag (von Morgens 6 bis Abends 7 Uhr) nicht sehr verlockend für einen Berliner; und die Bestimmung, daß es den Arbeitern bei strenger Strafe verboten ist, beim Ministerium en masse zu petitioniren,
empört besonders das souveräne Volk, welches gewohnt war, den Herrn Arbeitsministern Patow, Milde etc. zu imponiren. Die Excellenz aus dem Wupperthale mag übrigens nicht auf Rosen gebettet sein
‒ die barbarischen provisorischen Gewerbegesetze haben den Dank des Landes nicht hergeführt, wie man erwartet hatte, im Gegentheil ist Niemand damit zufrieden.
Mit der Nationalzeitung soll mit dem neuen Quartal eine Aenderung vorgehen. Ob man Hrn. Paalzow (zur Zeit sehr einflußreich) beseitigen, oder ob derselbe Andere beseitigen wird, können wir nicht
bestimmt sagen. An konstitutionellen Zeitungen hätten wir nachgerade allerdings genug: eine verständig langweilige, eine yerfid alberne (Deutsche Reform, welche mit dem Quartal aufhört) und eine
antediluvianisch-überflüssige (die konstitutionelle Hansemann). Letztere ist fast unsichtbar, und Hr. Louis Philipp Weyl wird trotz der 80,000 Thlr. und des schönen Formats große Mühe haben, sich
bemerklich zu machen, und noch schwieriger dürfte es sein, vermöge solcher abgedroschenen Mittel „die Heiligkeit des Besitzes, des Erwerbs (in Woll- und Eisenbahngeschäften), die persönliche
Berechtigung des Staatsbürgers (durch indirekte Wahlen und Census), der Familie (Bourgeois u. Komp.), der Civilisation (Belagerungszustand, große Polizei etc.)“ zu schützen.
Die Heiligkeit der Civilisation zeigt sich in neuerer Zeit sehr glänzend durch Verurtheilung der sogenannten Majestätsverbrecher. Neulich wurde ein 20jähriger Babiergeselle zu zwei Jahren
Strafarbeit verurtheilt, weil er am 10. November (dem Tage nach Wrangels Beruhigungseinzug) einige Teltower Bauern rasirt und sich ihnen gegenüber mißliebig über die Gottesgnade geäußert hatte. Alles
vergebens, daß der junge Sünder behauptet, an jenem Tage wären sieben Achtel von Berlin seiner Meinung gewesen. O Heiligkeit der Civilisation!
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302
] Berlin, 6. März.
Der Untersuchungsrichter beim hiesigen Kammergericht, v. Bülow, hat die Abgeordneten Advokat Messerich aus Trier, Kaufmann und
Stadtverordneter-Vorsteher Krackrügge aus Erfurt, Stadtgerichts-Direktor Dörk aus Eisleben und Justizkommissar und Stadtverordneter-Vorsteher Moritz aus Torgau, wegen des
Steuerverweigerungs-Beschlusses zur gerichtlichen Voruntersuchung vorladen lassen und im Falle des Entbleibens als Strafe die Bezahlung der Terminskosten, sowie die „gesetzlichen
Zwangsmaßregeln“ angedroht. Die Vorgeladenen sind nicht erschienen. Welche „gesetzlichen Zwangsmaßregeln“ nun der Untersuchungsrichter nach §. 83 der oktroyirten sogen.
Verfassung ohne Genehmigung der Kammer oktroyiren wird, steht zu erwarten. „Der Schutz der konstitutionellen Freiheiten ‒ diese Grundbedingungen der öffentlichen Wohlfahrt ‒ wird
stets der Gegenstand meiner gewissenhaftesten Fürsorge sein“ ‒ läßt Herr Manteuffel seinen König sagen.
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222
] Berlin, 6. März.
Von den Berliner Deputirten zur 2. Kammer ist ein schleuniger Antrag wegen Aufhebung des Belagerungszustandes eingebracht. Morgen um 9 Uhr ist deshalb
Abtheilungssitzung und wenn drei Abtheilungen für die Verlesung sind, so erfolgt diese bereits morgen in öffentlicher Sitzung. Wird der Antrag dann unterstützt, so geht er zur Berathung in die
Abtheilungen zurück.
Heute spielte endlich der letzte gerichtliche Akt des Zeughaussturmes. Der frühere Abgeordnete zur Nationalversammlung, Rittmeister Kuhr, stand vor den Schranken unter der Anklage des gewaltsamen
Diebstahls, weil er im Besitze eines aus dem Zeughause fortgenommenen Zündnadelgewehres gewesen war. Die Sache ist ihrer Zeit weitläufig in den Zeitungen besprochen. Der Gerichtshof hat den
Angeklagten von der Anklage entbunden.
Daß die bevorstehende Justizorganisation keinen Aufschub erleiden werde, findet heute durch eine halboffizielle Notiz im Staats-Anzeiger völlige Bestätigung. Für die hiesige Provinz werden
Kreisgerichte errichtet werden in Berlin (hier entweder 2 oder beide in eins kombinirt); ferner in Potsdam, Beeskow, Wriezen, Prenzlau, Brandenburg, Spandow, Jüterbogk, Wittstock, Perleburg,
Neu-Ruppin, Templin, Angermünde. Außerdem hat sich das Kammergericht für exklusive Advokaturen bei dem Appellhofe und den andern hiesigen Gerichten ausgesprochen. Im Justizministerium ist man jedoch
mehr Willens, auf den Vorschlag der Justizkommissarien einzugehen, wonach die hier beim Kammergericht und den andern Gerichten mit Ausschluß des Tribunals angestellten Justizkommissarien bei allen
hiesigen Gerichten in erster und zweiter Instanz zur Praxis befugt sein sollten. Es sollen gewichtige Gründe für das Eine wie für das Andere sprechen.
Die Kündigung des Malmoer Waffenstillstandes Seitens der Krone Dänemark ist bemerkenswerther Weise ohne allen Effekt auf die Kurse der Fonds geblieben, wirkt aber höchst lähmend auf den Bezug von
Kolonialwaaren über Hamburg. Dieses hat einen sehr bestimmten Grund und derselbe kann zugleich zeigen, wie fressend in politischen Dingen, vor allem in unserer Zeit, ein einmal entstandener Argwohn
sich fortzusetzen pflegt. Kein Börsenmann glaubt an neuen Krieg mit Dänemark, indem Jeder lächelnd auf die Wildenbrug'sche Note verweist, und darum bleiben die Fonds unberührt; aber auf
Kolonialwaaren wird den hiesigen Agenten der englischen und holländischen Häuser jede Bestellung versagt, weil man fürchtet, daß Dänemark, wenn auch nur auf kurze Zeit, die deutschen Ostseehäfen
blokiren werde ‒ lediglich damit Deutschland Veranlassung habe, Truppen nach Schleswig-Holstein zu werfen.
Unsere Konstablermannschaft soll zum Theil bereits wieder neu eingekleidet werden. Das Polizei-Präsidium hat zu dem Ende die Tuchhändler zu Submissionen auf Lieferungen von 4500 Ellen blauem Tuch
und 2700 Ellen grauem Tuch aufgefordert. Hierauf bezog sich auch die jüngst gemeldete Forderung des Schneider-Gewerks, daß ihm die Arbeit nicht entzogen werde. Die Erfindung des Hrn. Ministers
Kühlwetter dürfte wenigstens keine wohlfeile zu nennen sein!
Hr. Ehrenreich Eichholz, bisher Mitarbeiter an der Nationalzeitung, für welche er die Berliner Zeitungsschau bearbeitete, hat nach Stettin zur Uebernahme der Redaktion einer neuen demokratischen
Zeitung einen Ruf erhalten und wird denselben annehmen.
Es wird uns als sicher mitgetheilt, daß die Majorität der ersten Kammer sich in der Vorberathung gegen den Fortbestand des Belagerungszustandes ausgesprochen habe, ‒ sobald ein Gesetz über
die Presse und Tumulte emanirt worden.
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X
] Berlin, 6. März.
Die Arbeiterbewegung wird immer bedenklicher und greift weiter und weiter um sich. Der tiefe Riß in unsern socialen Zuständen, offenbart sich nur zu
deutlich. Schon haben die Maurer, Zimmerleute und Steinmetzen ihre Arbeit niedergelegt und andere Gewerke werden folgen. Die Maurermeister behaupten dagegen, daß bei den jetzigen niedrigen Miethen,
Niemand daran denken werde, ein Haus bauen zu lassen, wenn die Forderungen der Gesellen erfüllt würden, weil dadurch das Mauerwerk eines Hauses um 20 Proz. theurer käme. Die Maurergesellen haben
Jemand beauftragt, ihnen ein Memoir über ihre Forderungen und Verhältnisse aufzusetzen.
Die Folgen des octroyirten Gewerbegesetzes zeigen sich schon jetzt in ihrem ganzen segensreichen Umfange. Wir geben nur ein Beispiel von den vielen, die uns erzählt wurden. In Danzig besteht unter
der Firma Söhrmann und Comp. ein großartiges Exportgeschäft von gesalzenem Fleisch. Es werden etwa 200 Fleischergesellen und Meister beschäftigt. Jetzt verlangen die übrigen Fleischer, welche
natürlich sogleich eine Innung gebildet haben, dieses Haus könne zwar das Geschäft fortführen, müsse aber von ihnen das Fleisch entnehmen. Sie wollten aber nicht darauf eingehen, es ihm zu dem Preise
zu liefern, welcher ein Aequivalent für seine bisherigen Unkosten geworden wäre.
In der Parteiversammlung der Linken ist der Antrag der Entschiedenen durchgedrungen, gar keine Adresse zu erlassen und es wird von Allen bis zu Unruh herunter in diesem Sinne gestimmt werden.
Das Programm des Herrn Rodbertus, von dem so viel gefabelt wird, und welches von 132 Mitgliedern unterschrieben sein sollte, ist natürlich eine Erfindung. Es ist der Vorschlag gemacht worden, sich
über ein Programm zu vereinigen, da man aber einsah, daß eine so bunt zusammengesetzte Partei sich unmöglich über Prinzipien von irgend einer Wichtigkeit, einigen könne, wurde der Vorschlag
zurückgewiesen.
Die Kammern tagen hier ziemlich unberücksichtigt. Sie würden auch ohne Belagerungszustand, ohne Constabler vor dem Volke gesichert sein, da es nicht das geringste Interesse für diese octroyirte
Schöpfung empfindet. Den radikalen Abgeordneten selbst ist die ganze Geschichte zum Ekel.
Die Adreßkommission der ersten Kammer hat sich den bekannten Herrn Gruppe hinzugesellt, um die Adresse zu stylisiren.
Die Vertrauten des Herrn Hinkeldey, welcher die gewöhnlichen Polizeikommissarien sehr selten empfängt, sind jetzt der Polizeikommissar Maaß, der bekannte Spion Goldstein und der
weggejagte Briefträger Hartmann.
In der heutigen Sitzung der zweiten Kammer wurde das Bureau gewählt. Das Ergebniß der Präsidentenwahl ist folgendes: Zahl der Stimmen 330. Grabow erhält 171 Stimmen, v. Unruh 158 und v.
Auerswald 1 Stimme. Zum ersten Vicepräsidenten wird v. Auerswald mit 170 Stimmen gewählt, während Waldeck 154 Stimmen hatte, und die andern sich zersplitterten.
Zweiter Vicepräsident wird Lensing mit 168 St. Phillips hatte nur 156 Stimmen.
Die Stylübung des Hrn. Gruppe führt den Titel: Adresse der ersten Kammer und lautet:
Königliche Majestät!
Die Mitglieder der ersten Kammer haben in Ehrfurcht die Worte vernommen, welche Ew. Majestät am 26. Februar vom Throne herab an die zu den beiden Kammern versammelten Vertreter des Volkes gerichtet
haben.
Berufen und gewählt auf den Grund der Verfassung vom 5. Decbr. v. J., welche wir als die zu Recht bestehende Grundlage unseres Staatsrechts freudig anerkennen, erblicken wir in der mit dieser neuen
Verfassung eingetretenen ruhigeren Stimmung des Landes und Hebung des Verkehrs den Ausdruck des Dankes und der Hoffnungen, welche sich an dieselbe für die Gestaltung unseres öffentlichen Lebens, für
die Wiederbelebung des Handels und der Gewerbe und für alle Zweige der öffentlichen Wohlfahrt knüpfen.
Die von Ew. Majestät den Kammern vorbehaltene Revision der verliehenen Verfassung fordert uns auf, dieselbe nach den Wünschen und Bedürfnissen des Volkes und im Geiste der ihm gegebenen
Verheißungen sorgfältig zu prüfen. Unsere Zuversicht, bei dieser Aufgabe zur baldigen Verständigung mit der zweiten Kammer und mit Ew. Majestät Regierung zu gelangen, ist um so größer, je wichtiger es
uns allen erscheinen muß, das Land so schnell als möglich der vollen Befriedigung und Sicherheit theilhaftig zu machen, welche an die Vollendung dieser Revision geknüpft sind.
Hinsichtlich des über die Hauptstadt und ihre nächste Umgebung verhängten Belagerungszustandes sind uns von Ew. Majestät nähere Vorlagen angekündigt. Wir werden uns durch deren gewissenhafte
Prüfung in Stand setzen, über diese außerordentliche Maßregel unser Urtheil auszusprechen.
In den theils schon vorläufig ergangenen, theils angekündigten Verordnungen erkennen wir die Thätigkeit, welche Ew. Majestät Regierung der durch den Geist der Neuzeit bedingten Umgestaltung vieler
wichtigen bürgerlichen Verhältnisse widmet. Wir werden diesen Vorlagen die größte Sorgfalt zuwenden.
Die durch die Verfassungs-Urkunde den verschiedenen Religionsgesellschaften zugesicherte Selbstständigkeit hat ein dringendes Bedürfniß befriedigt und bereits zur Heilung tief gehender Zerwürfnisse
beigetragen. Die in Aussicht gestellte baldige Verwirklichung jener Zusicherung, unter geeigneter Mitwirkung der betreffenden Religionsgesellschaften vollzogen, wird noch mehr den Gewinn darthun, der
daraus sowohl für das religiöse als für das bürgerliche Leben entspringt.
Der finanzielle Zustand des Landes nach so außerordentlichen Anstrengungen und die Bereitwilligkeit, womit die freiwillige Anleihe beschafft worden, sind redende Zeugnisse für die in diesem
Verwaltungszweige herrschende Ordnung und das darauf beruhende öffentliche Vertrauen. Dieses Vertrauen wird, so hoffen wir, durch die genaue Prüfung der zu erwartenden Vorlagen über den
Staatshaushalt, einschließlich des Staatsschatzes, befestigt, und durch dasselbe die Kraft des Staates zu noch größeren Anstrengungen, wenn solche nöthig würden, gestärkt werden.
Zu unserer großen Beruhigung vernehmen wir aus dem Munde Ew. Majestät die Versicherung, daß den Vertheidigungsmitteln des Landes ununterbrochen die nöthige Sorgfalt zugewendet werden konnte. Es
erfüllt uns mit Stolz, ein Heer zu besitzen, welches mit der Stärke, die ihm seine musterhafte Organisation verleiht, den noch höheren Ruhm einer unter den schwierigsten Verhältnissen unerschüttert
gebliebenen Disciplin und Pflichttreue verbindet
Die von Ew. Majestät gehegten Wünsche für die innigere Vereinigung der deutschen Staaten zu einem Bundesstaate leben mit gleicher Stärke in den Herzen aller derjenigen, welche in der Herstellung
einer kräftigen deutschen Einheit die längst ersehnte Befriedigung des nationalen Bewußtseins und das einzige Mittel erkennen, die deutsche Nation im Innern wie nach Außen zu der Größe und
Herrlichkeit wieder aufzurichten, wozu sie nach ihren geistigen und materiellen Kräften und nach ihrer Lage im Herzen Europas befähigt ist. Je mehr der Augenblick zur Verwirklichung dieses Gedankens
drängt, um desto stärker tritt für Preußen der Beruf dazu mitzuwirken, hervor. Das Volk, als Preußen wie als Deutsche, wird Ew. Majestät Regierung bei allen Schritten, die jenen hohen Zweck verfolgen,
mit seiner vollen Kraftentwicklung unterstützen, und dabei Opfer nicht scheuen. Das Ziel seiner Wünsche wird um so vollständiger erreicht werden, je mehr alle deutschen Fürsten in die Verständigung
mit der deutschen National-Versammlung zu Frankfurt eingehen. Wir, seine Vertreter, erkennen es als unsere besondere Pflicht, durch Stärkung der innern Eintracht, Ordnung und Freiheit, auch nach Außen
hin das Vertrauen und das Ansehen, dessen
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Ew. Majestät Regierung zu einem segensreichen Erfolge ihrer Anstrengungen bedarf, vermehren zu helfen.
In der Versicherung der ungestörten freundschaftlichen Beziehungen Ew. Majestät Regierung zu den auswärtigen Staaten begrüßen wir mit Freuden eine Bürgschaft der Erhaltung des Europäischen
Friedens. In diesen Beziehungen werden sich, wie wir hoffen, auch jetzt noch die Mittel finden, nachdem von der Krone Dänemark der zwischen ihr und der provisorischen Centralgewalt Deutschlands
geschlossene Waffenstillstand unerwartet aufgekündigt worden, die daraus drohenden Irrungen ohne Nachtheil für die Ehre und die Interessen Deutschlands zu schlichten.
Die Trauer, welche über das Königliche Haus durch den Verlust eines in der Blüthe der Jahre hingeschiedenen Prinzen verhängt worden, wird von dem ganzen Volke der Hauptstadt wie der Provinzen
innigst getheilt. Möge der Ruhm der Tapferkeit, den selbst das Ausland dem Hingeschiedenen zollte, und das Andenken seiner ausgezeichneten Eigenschaften zur Linderung aller durch diesen Verlust
geschlagenen Wunden beitragen.
Der Gedanke, auf den Grund der neuen Verfassung zum ersten Male als Mitglieder der ersten Kammer unsere Worte an Ew. Majestät zu richten, erhöht das Bewußtsein der mit dieser Stellung verbundenen
Pflichten.
Durchdrungen von der Ueberzeugung, daß die wahre Freiheit nur unter der Herrschaft der Gesetze, die Entwicklung des öffentlichen Lebens nur durch die Mäßigung und Eintracht der verfassungsmäßigen
Gewalten gedeihen kann, werden wir eben so gewissenhaft die Rechte der Krone achten und schützen, als über die Rechte des Volkes wachen; und hierin, so wie in der Sorgfalt für die öffentliche
Wohlfahrt nach allen Richtungen hin mit der zweiten Kammer wetteifernd, durch weise Gesetze, insbesondere zur Förderung einer kräftigen Rechtspflege und volksthümlichen Verwaltung, unseren Staat mit
Gottes Beistand der Blüthe und dem Genuß der Freiheiten entgegenzuführen suchen, wozu ihm die geistige Bildung seiner Bewohner, die verliehene Verfassung und der erhabene Sinn seines Königs die
Aussicht eröffnet und verbürgt.
Berlin, den 5 März 1849
Die Adreßkommission.
v. Auerswald. Bergmann. Graf Heldorff. Itzenplitz. v. Katte. v. Keltsch. Kupfer. Leue. Rosenkranz. Simons. Walter, Referent.
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[
*
] Wien, 4. März.
Die Verurtheilungen und Erschießungen dauern fort. Rumsauer, Schmid, wird zu 3 monatlichem Stockhaus-Arrest verurtheilt, weil er in Gegenwart mehrerer
Personen „unzukömmliche und aufwiegelnde Redensarten“ geführt haben soll. Andrerseits wird Schneider, 42 J. alt, Seidenzeugmacher, zu 8 monatlicher Gefängnißstrafe in Eisen verurtheilt,
aus gleichem Grunde. Hierauf kommt Merlitschek, 28. J. alt, Handlungsbuchhalter, wegen Theilnahme an den Oktober-Ereignissen zu 7jährigem schwerem Kerker (auf 5jährigen begnadigt!). Ferner: Wilhelm
Ehrlich, 30 J. alt, Schriftsteller, seit April 1848 Redakteur des „Oestreichischen Landboten,“ wird wegen der darin (vor dem Oktober) geschriebenen oder aufgenommenen Artikel, durch die
er Se. (blödsinnige) Majestät Ferdinand „unverschämt zu entstellen und zu profaniren (!) gewagt,“ zu 12jährigem schweren Kerker; weiter: Roggenhofer, befugter Gürtler, wegen
Waffenverheimlichung standrechtlich zum Strange, dann auf Welden's Veranlassung kriegsrechtlich zu 2jähriger Schanzarbeit in Eisen verurtheilt und schließlich von Welden vollständig begnadigt
und endlich Bankal wegen der Oktober-Ereignissen ab instantia freigesprochen.
Der Superintendent in Raab, Mathäus Haubner, ist wegen eines von ihm verfaßten Hirtenbriefes, worin er zur Unterstützung der Rebellenregierung auffordert, zu 6jährigem Festungsarrest verurtheilt
worden.
Die im Reichstage vertretenen Länder sind nach dem Entwurfe des Constitutionsausschusses in 14 Provinzen getheilt, die von Osten angefangend, folgende sind: Die Bukowina (1 Kreis), Galizien (10
Kreise), Schlesien, (1 Kreis), Mähren, Böhmen, (9 Kreise, darunter 3 deutsche), Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, Tirol, (4 Kreise), Steiermark, (2 Kreise, ein slawischer und ein deutscher),
Kärnten, Krain (je ein Kreis), Küstenland (1 Kreis) und Dalmatien (1 Kreis).
Geschäftsbriefe aus Pesth melden daß die Kossuth'schen Banknoten in diesem Augenblick dort höher stehen, als die Kaiserlichen.
Die Militärpatrouillen (unter ihnen die Kroaten und Sereschaner) sind von wandernden auf lagernde ausgedehnt worden, indem einzelne Soldaten häufig an den Glacishecken lagern, um verdächtige
Vorübergehende ein Interrogatorium bestehen zu lassen, was übrigens nach 10 Uhr Nachts auch ganz Unverdächtigen widerfährt, welche dann nach Umständen bis nach ihrer Wohnung begleitet werden.
Der frühere Gesandte in Athen, Prokesch v. Osten ist zum Gesandten in Berlin ernannt worden und wird in Kurzem dahin abgehen.
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Olmütz, 3. März.
Ehevorgestern haben wir bereits gemeldet, daß auf der Prerauer Eisenbahn-Station ein Transport von 20,000 Gewehren, für die ungarischen Rebellen bestimmt,
aufgefangen wurde. Diese Gewehre, sammt 800,000 Kapseln sind gestern hier angelangt, und von dem Festungs-Kommando in Empfang genommen worden. Der Jude, der den Transport begleitete, ist spurlos
verschwunden.
[(Olm. Bl.)]
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Dresden, 5. März.
In der heutigen Sitzung der zweiten Kammer antwortet Staatsminister v. Buttlar auf die Tzschirner'sche Interpellation bezüglich der Zurückziehung
der sächsischen Truppen aus Altenburg: Noch im Laufe dieses Monats würden zwei Bataillone zurückkehren; wann die übrigen, dies hänge von der Centralgewalt ab.
Vicepr. Tzschirner ist durch die Antwort des Ministers nicht befriedigt. In Betreff der Centralgewalt möge die Regierung doch ja in dieser Hinsicht energisch auftreten und, wie schon in der
Kammer darauf hingewiesen worden sei, sich nicht einer sclavischen Unterwerfung gegen dieselbe hingeben.
v. Buttlar bemerkt noch, bei der Armee bestehe allerdings ein Befehl, daß kein Soldat einen republikanischen Verein besuchen dürfe.
Vicepr. Tschirner: Er habe noch einer Nachlassenschaft vom vorigen Ministerium zu gedenken. Es sei das die Erklärung des sächsischen Bevollmächtigten, welche derselbe bei der Centralgewalt
über das Verfassungswerk abgegeben. Namentlich betreffe diese die §§ 3 und 8. Die sächsische Regierung habe sich nämlich dahin ausgelassen, daß sie für das Staatenhaus einen Census von 50 Thlr.
(links Gelächter) für zweckmäßig und die Beibehaltung des absoluten Veto für nöthig erachte. Man habe also auf die Ansichten der Kammern gar keine Rücksicht genommen. Sage man auch, es handle sich
vorläufig nur um eine Verständigung, so würde die Kammer doch später nach der zweiten Lesung zu dem fait accompli „Ja“ sagen müssen. Er erwarte, daß die jetzige Regierung solche
Grundsätze, die ein Verrath an der Freiheit seien, nicht billigen werde, und frage daher an: „ob die Staatsregierung bereits Verfügung an ihren Bevollmächtigten erlassen habe, daß diese
Grundsätze zurückgenommen werden?“
Die Kammer geht nun zur Tagesordnung über.
Abg. Helbig begründet seinen Antrag auf suspensives Veto. Nach dem, was man eben vernommen, dürfe man sich wohl keiner großen Hoffnung hingeben. Jenes Veto stehe übrigens dem demokratischen
Prinzip entgegen und vertrage sich nicht mit der jetzigen Zeit. Zu dieser Ueberzeugung sei auch das Ministerium in Altenburg gekommen, es habe erkannt, daß in der Gesetzgebung der Wille und das
Bedürfniß des Volks Motive sein müßten. Das absolute Veto sei dem demokratischen Prinzip gegenüber rein unmöglich, beide ständen sich gegenüber wie Feuer und Wasser. Sein Antrag sei also durch die
Verhältnisse begründet.
Es wird dieser Antrag dem vierten Ausschuß überwiesen.
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213
] Leipzig, 6. März.
Auf dem am 4. in Halle abgehaltenen demokratischen Kreiskongresse wurde endlich nach langen pour parlers das deutsche demokratische Siegel auf
folgende kühne Prinzipien gedrückt:
1) Alle Nationen sind gleichberechtigt, ihre Angelegenheiten selbstständig zu ordnen. (eheu! Die Sonne ist berechtigt zu scheinen!)
2) Unterdrückung, theilweise oder gänzliche Regierung einer Nation durch eine andere ist eine gewaltsame Verletzung der Grundsätze der Demokratie. (Was deutsches Hirn nicht für Mirakel
erfindet!)
3) Alle Nationen sind solidarisch verbunden im Kampfe gegen die Feinde der Demokratie.
4) Die Demokraten einer Nation haben die Pflicht, die demokratischen Bestrebungen aller andern Nationen, wo es möglich ist (das deutsche sine qua non), zu unterstützen, wo nicht,
diesen Bestrebungen wenigstens nicht feindlich entgegenzutreten. (Ist's möglich, ihr stellt euch also wirklich über Nikolaus?)
5) Die Bestrebungen der Italiener, der magyarischen und slavischen Völker, welche unter deutscher Herrschaft stehen (!!!), sich dieser zu entledigen, sind daher gerechtfertigt und haben einen
begründeten Anspruch auf Unterstützung durch die deutschen Demokraten. (Das Kolossale liegt darin, diese Bornirtheit gerade jetzt Angesichts der genannten kämpfenden Völker laut kund zu
geben.)
6. Wer eine fremde Nation wider ihren Willen an Deutschland fesseln will, ist ein Feind der Demokratie. (Selbst Buridan's Esel möchte kaum im Stande sein, logischere Schlüsse aufzustellen,
ihre Aufstellung für nothwendig zu erachten!)
Nachdem der zweite Kongreß der sächsischen Demokraten, an welchem auch die Herren Ruge, Schramm, Hexamer u. s. w. Theil nahmen, ohne alle Gefahr vor Windischgrätz-Radetzky, obige Kraftaxiome
ausgesprochen hatte, beschloß er noch folgendes:
1) Alle Gewalt liegt im Volke und ist untrennbar von ihm.
2) Das Volk übt seine gesetzgebende Gewalt aus,
a) in den Versammlungen der Gemeinden,
b) durch seine Vertreter der Gemeinden, Kreise, Bezirke und des Staats.
3) Die Verfassung und alle dazu gehörigen Gesetze werden, nachdem sie von den Volksvertretern berathen sind, den Urversammlungen der Gemeinden und des ganzen Landes mit vorgängiger Diskussion zur
Annahme oder Verwerfung überwiesen.
Endlich beschloß der Kongreß zu fordern: (von wem? In seiner todesmuthigen kriegerischen Königsstimmung hätte er beschließen sollen, zu nehmen.)
4) Direkte Urwahlen ohne Census mit Zurücknehmbarkeit der Mandate.
5) Jährlich zu erneuernde Wahlen. (Dann ist die Zurücknehmbarkeit doch wohl Unsinn?)
6) Eine Kammer der Volksvertreter.
7) Suspensives Veto des Königs (!!!! Der demokratische (?) Kongreß oktroyirt sich einen König !!? Es ist zentraldeutschgöttlichdumm!)
8) Das Abtreten der Minister vor der Majorität der Volksvertreter, und durchgreifende und wirksame Verantwortlichkeit aller Beamten.
9) Direkte allgemeine Urwahl der Geschwornen und der öffentlichen Lehrer und Richter unter denjenigen, welche ihre wissenschaftliche Befähigung gesetzlich (!!!?) nachgewiesen haben.
10) Vollständige Verwirklichung der deutschen Grundrechte als Minimum der Volksrechte, und Unantastbarkeit derselben durch Belagerungszustände und andere Ausnahmsmaßregeln.
11) Unbedingtes Recht der Volksvertretung, den gesammten Steuerbedarf des Staats zu bewilligen oder zu verweigern.
12) Kein Gesetz erhält Rechtskraft als durch Beschluß der Volksvertretung, resp. der Urversammlungen (§. 3).
13) Einführung einer demokratischen Gemeinde- Kreis- und Bezirks-Ordnung mit freier Wahl der Gemeinde-, Kreis- und Bezirks-Vertreter und Beamten. Abschaffung aller Bevormundung durch die
Staatsregierung.
14) Einführung einer demokratischen Heerverfassung auf der Grundlage allgemeiner Volksbewaffnung und allgemeiner Waffenübung als Theil der allgemeinen Volkserziehung.
15) Abschaffung aller Privilegien, daher: Unentgeldliche Aufhebung aller Feudallasten.
16) Aufhebung des Patronats, der Steuerfreiheit und überhaupt aller Vorrechte der Ritter- und anderen Güter, wie Korporationen. (Folgt das denn nicht per se schon aus §. 15 ?)
17) Allgemeine Besteuerung nach Verhältniß des Einkommens.
18) Allgemeine wissenschaftliche und technische Volkserziehung auf Staatskosten.
19) Beförderung der Assoziation der Arbeitskräfte durch Staatsmittel.
Die beiden letzten §. §. sind der kaum sichtbare Nebelstreif am deutschen sich wieder nach dem Sirius bewegenden demokratischen Kometen.
Das alles soll gefordert werden, und noch dazu von einem König. Prost Mahlzeit, Ihr Herrn! Der Zweck des sächsischen Kongresses wurde indessen gleichwohl verfehlt. Er betraf weniger die
centraldeutsche Demokratie, welche die Großmuth hat, Magyaren, Slaven und Italiener nicht feindlich bekämpfen zu wollen, als das centraldeutsche, demokratische neuzustiftende Organ.
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15
] Kassel, 6. März.
So eben wird das Resultat der am 1. d. Mts. stattgehabten Wahl eines Deputirten nach Frankfurt bekannt. Herr Henkel hat mit 23 Stimmen Majorität gegen
den Candidaten der demokratischen Partei Dr. Kellner gesiegt und ist sofort nach Frankfurt abgereist. Das Verhältniß der abgegebenen Stimmen ist insofern interessant, als es einen großartigen
Umschwung in der öffentlichen Meinung beurkundet. Während bei der ersten Wahl im vorigen Jahr der demokratische Candidat nur 55 Stimmen erhielt, bei der zweiten Dr. Kellner einer Majorität von 1200
Stimmen erlag, trug bei der letzten Wahl der Candidat des Spießbürgerthum's nicht mehr als eine Majorität von 23 ganzen Stimmen davon. Uebrigens soll die Wahl wegen einer grenzenlosen Menge von
Umtrieben, Bestechungen, Unterschleifen, Fälschungen, etc. angegriffen werden.
Das wird zwar materiell nicht viel nützen, da die Paulskirche ganz entzückt sein muß einen Mann zu erhalten; der „die Oestreicher'n ausschmeißen will,“ aber es giebt doch
Gelegenheit die Erbärmlichkeit unseres Kasseler Philisteriums so recht bei Licht zu betrachten.
Die Stadt begeht heute das Gedächtniß der März- Errungenschaften (!!), welche sich die Hanauer Deputation heute vor einem Jahr hier abholte.
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X
] Frankfurt, 5. März.
Man spricht viel von einem Privatbriefe des Kaisers von Rußland an den König von Preußen, worin Ersterer erklären soll, der Eintritt eines
preußischen Soldaten in Schleswig werde das Signal zum Einrücken von 200,000 Russen in Schlesien und Posen sein. Andere wollten wissen, die bezeichnete Eventualität sei das Ueberschreiten der
jütländischen Grenze. Jedenfalls sammeln sich die Russen an der Ostgrenze Deutschlands, und dieses versäumt, sich in die günstige Stellung des Angreifenden zu setzen. ‒
Schmerling soll eine Note seiner Regierung erhalten haben, die sich mit dem Directorium, welches der großdeutsche Verfassungsentwurf aufstellt, einverstanden erklärt. Die Debatte über die
Aufstellung der Reichstruppen in Baden förderte viele Einzelheiten über das Benehmen des badischen Ministeriums zu Tage. Dasselbe wurde so blos gestellt, daß zwei Mitglieder des Ministeriums,
Bassermann und Gagern; seine Vertheidigung übernehmen mußten. Der Minister-Präsident erklärte, daß das Reichs-Ministerium gerne die Akten auf den Tisch des Hauses niederlegen würde, aber dies bei der
Verschwiegenheit, die es andern (Ministerien) schuldig sei, nicht wohl könne ‒ wahrlich eine härtere Anklage gegen das Ministerium Bekk, als nur irgend von Seite der Opposition hätte
geschleudert werden können. Durch Fröbel's Angaben stellte sich heraus, daß mancherlei Umtriebe unter den Flüchtlingen gemacht werden, um sie zu unüberlegten Handlungen zu reizen, und daß das
Mährchen von Froebel's Reise, der die Handwerker in der ganzen Schweiz zu einem erneuten Aufstande aufgefordert haben sollte, eine reine Erfindung der Reaction war. Wahrscheinlich wurden auch
die Nachrichten über diese rein erlogene Reise, welche in den Schweizerblättern sich fanden, auf reactionärem Boden geschmiedet. Herr von Neuwall, deutscher Legationsrath in der Schweiz, soll diese
Erfindungen dem badischen Ministerium einberichtet haben. Hält man mit diesen Thatsachen die neuliche Aeußerung der Oberpostamts-Zeitung zusammen, die National-Versammlung bedürfe wieder einer
Ermahnung, wie der vom 18. Septbr., so sieht man klar, wo man hinaussteuert. Das Bedürfniß nach einem Putsche oder einem isolirten Aufstande manifestirt sich überall. Man braucht nur die
verschiedenen „Galgenzeitungen“ (von der „Augsburgerin“ bis zu dem Strolche an der Wupper hinab) nachzulesen.
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Altona.
Das Bureau der Landesversammlung wird morgen in Schleswig zusammentreten, um sich zu instruiren und danach zu entscheiden, ob die Versammlung wieder einzuberufen sei.
‒ Man erfährt, daß Lord Palmerston sich bei der dänischen Regierung sehr entschieden gegen eine Wiederaufnahme des Krieges erklärt und auf eine Verlängerung des Waffenstillstandes gedrungen
hat, falls der Friede nicht bis dahin zu Stande käme.
[(A. M.)]
Italien.
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*
] In Mailand
ist der Landesfriede so gesichert, daß Radetzki alle Kaffehäuser schließt. Die Stadt leidet fürchterlich.
Nach Berichten aus Venedig vom 26. Februar hat General Pepe dem österreichischen Gubernium resp. Radetzki die Erklärung zugehen lassen: sechs und sechzig der angesehensten
Radetzki'schen Kriegsgefangenen erschießen zu lassen, falls man die der Stadt Ferrara erpreßten Geldsummen nicht zurückzahle.
Aus mehreren anderen italienischen Städten gehen uns Berichte über die Festlichkeiten zu, welche am 24. Febr. zu Ehren der Februar-Revolution stattfanden.
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@facs | 1333 |
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*
] Florenz, 27. Febr.
Gestern war unsere Stadt Zeuge eines großartigen Schauspiels. Guerrazzi, der den Sonderbundsgeneral Laugier ohne Schwertstreich in die Flucht jagte,
kehrte am Mittag zurück und gab zu einem Volksjubel Veranlassung, mit dessen Beschreibung sich die heutigen Journale füllen.
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@facs | 1333 |
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*
] Florenz, 26. Februar.
Außer der Bildung eines Lagers bei Pistoja kündigt die Alba für heute die Publikation folgender neuen Dekrete an:
1) Bildung eines neuen Linienregiments; 2) Bewilligung eines dreitägigen doppelten Soldes für die Soldaten, die der provisorischen Regierung treu gedient haben; 3) Auflösung der Militärkommission,
da die Gefahr des Bürgerkriegs vorüber etc.
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@facs | 1333 |
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*
] Turin, 1. März.
Gioberti hat, in Antwort auf die ihn betreffende Rede Buffa's, einen Brief an die Journale geschrieben, worin er erklärt: allerdings könne Buffa
nicht wissen, daß die Mehrzahl im Ministerium sich für die Intervention in Toskana ausgesprochen, dann Buffa sei damals auf einer speziellen Mission nach Genua abwesend gewesen. Trotzdem aber sei die
Sache faktisch. Sein Plan (und keineswegs der Plan der „Diplomaten“, denn er, Gioberti, sei stolz darauf, zuerst daran gedacht zu haben) habe anfangs günstige Aufnahme im Ministerrath
gefunden. Erst als man gesehen, daß die Kammer ihn nicht wolle, hätten die übrigen Minister ihre Meinung geändert. Wie könne man sonst nur glauben, er, Gioberti, habe allein über die Truppen verfügen,
sie an die Grenze commandiren, ihnen Munition und Lebensmittel zureichen und die Chefs der Expedition bezeichnen können!
Wir werden sehen, ob die Herren demokratischen Minister in Turin auf diesen Brief antworten können. Daß sie nicht viel besser sind als Gioberti, der sie zu ihren Posten berief, brauchen wir wohl
nicht erst zu sagen.
In Genua wird thätig an den Festungswerken gearbeitet. Man baut vorgeschobene Werke vor der Porta del Soccorso. Von Mentone werden Mörser und Bomben erwartet.
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@facs | 1333 |
Rom, 24. Febr.
Unter diesem Datum enthält der Londoner „Expreß“ Folgendes:
In oder um Fondi sollten nach den neuesten Berichten an 17,000 neapolitanische Truppen versammelt sein. Filangieri, der neapolitanische Windischgrätz, wird jene Horden, unter denen 2
Schweizerregimenter, bei ihrem Einfall in die römische Republik befehligen. Sie hoffen, bald hübsche Quartiere in Rom zu beziehen, ich denke aber, daß die meisten von ihnen ihre Knochen in den
pontinischen Sümpfen lassen werden. Garibaldi hält scharfe Wacht. Zwischen der Gränze und Rom stehen an 25,000 Mann römische Truppen von allen Waffengattungen. Der Stadtrath von Civita-Vecchia hat
beschlossen, an den Hrn. Kardinal Lambruschini die 3000 Thlr. jährlich, die er bisher als Bischof jener Stadt bezog, nicht länger zu bezahlen. Lambruschini hat nur einmal in seiner Diözese residirt
und dies war nach seiner Flucht aus Rom, als die Juliverschwörung, an der er so thätig mitgearbeitet, fehlgeschlagen war. Kapitain Cencelli, im römischen Dragonerregiment, und in Terracina an der
Gränze stationirt, erhielt vom Kardinal Gizzi, der sich „verantwortlicher Minister“ unterzeichnet, die Aufforderung, sich mit seiner Truppe nach Gaëta zu begeben. Es wurde ihm
dafür Beförderung zum Obersten versprochen, ihm aber zugleich auch die schrecklichen Wirkungen der Exkommunikation zu Gemüthe geführt, falls er länger auf Seiten der Republik verharre. Kapitain
Cencelli sandte den Brief an die provisorische Regierung in Rom und war weder den Versprechungen noch den geistlichen Drohungen zugänglich.
‒ Folgendes Manifest ist von der römischen Republik an alle Völker Italiens erlassen worden:
„Italiener! Das Gebiet der Republik hat einen neuen Einfall der kroatischen Horden zu erleiden gehabt. Ganz Italien muß diesen neuen Schimpf, den ihm ein unversöhnlicher Feind angethan,
mitempfinden. Es handelt sich hier nicht um diese oder jene Regierungsform, eben so wenig um Transaktion oder Versöhnung. Es ist vielmehr eine Frage der Würde, eine Frage über Leben oder Tod. Es
handelt sich für uns um Sein oder Nichtsein. Wir müssen wissen, ob wir uns endlich zu dem Range der übrigen Völker erheben, oder für alle Zeit jämmerlich am Boden hingestreckt bleiben wollen, gleich
einer Heerde von Heloten. Piemontesen! Ihr habt Euch auf den Feldern der Lombardei gegen den nämlichen Feind gemessen, der uns heute wieder unter die Füße treten will. Genueser! Ihr bewahrt noch immer
das heilige Feuer der Freiheit, das jener Oestreicher zu ersticken sucht. Neapolitaner, Toskaner, Sizilier, Venetianer, Lombarden! Ihr Alle verabscheut gleich tief jene Horden von Sklaven, die Europa
mit Trauer erfüllen und die die Harmonie der Civilisation und der Völker stören. Erhebt Euch denn in Masse gleich uns, um jene Geißel weit aus Italien hinaus zu werfen. Erhebt Euch, nicht um der
Stimme einer Regierung, sondern um dem heiligen Rufe Italiens zu gehorchen. Italiener! erneuern wir die Großthaten unsrer Vorfahren; laßt uns aufs Neue den Baum der Freiheit pflanzen. Völker Italiens!
Die Republik ruft Euch alle auf. Möge auch nicht ein einziges der unvergänglichen Stimme des gemeinsamen Vaterlandes sein Ohr verschließen!“
In der Konstituante wird heute über die Repressalien verhandelt, welche an den Unterthanen Oestreichs und ihrem Vermögen geübt werden sollen, um die olmützer Standrechts-Regierung zur Herausgabe
der aus Ferrara fortgeschleppten Geißeln und Gelder zu zwingen. Der engl. Konsul hat einen außerordentlichen Kourier an Admiral Parker abgehen lassen, damit letzterer sobald als möglich Verstärkung
nach Civita Becchia sende.
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*
] Neapel, 24. Februar.
Unter diesem Datum bringt der Londoner „Expreß“ folgende Nachrichten über die ministeriellen Verwickelungen: Die Deputirten hatten die
direkten Steuern nur für 2 Monate, die indirekten blos bis zum 31. März bewilligt. Die Pairs, obwohl sie in Geldfragen keine Initiative besitzen, dehnten die Frist für die direkten Steuern auf 4
Monate, für die indirekten bis zur Bewilligung des Büdgets aus. Hierüber Sturm bei den Deputirten. Der Finanzminister Ruggieri wurde gefragt, wie er noch sein Amt behalten könne, nachdem die
Deputirten ihm ihr Mißtrauen erklärt und die Pairs ihn nicht unterstützt hätten? Als er antworten wollte, wurde er von der Tribüne herabgepfiffen. Die Kammer beschloß eine Konferenz mit den Pairs,
welche sofort stattfinden wird,
Der Abg. Pepe hat nach einer glänzenden Rede, in der er den Despotismus der Intendanten in den Provinzen schilderte, den Antrag auf Unabhängigmachung der Gemeinde- und Provinzialverwaltung
von der Centralregierung auf Gemeinde- und Provinzialvertretung und Wahl der Gemeinde-Beamten durch das Volk gestellt. Der Antrag wurde mit rauschendem Beifall entgegengenommen.
Wenn die Minister im Amt bleiben, so wollen eine Menge liberaler Abgeordneter aus der Kammer treten. Im Ministerrath sollen 5 Minister für Auflösung der Kammer, 3 für Rücktritt der Minister
gesprochen haben.
Die sizilische Vermittlung scheitert bis jetzt an Ferdinands hartnäckigem Verlangen, die Citadelle von Palermo mit neapolitanischen Truppen zu besetzen, was die franz. und engl. Repräsentanten
nicht zugeben wollen.
Die Soldateska in Neapel fährt fort, die größten Brutalitäten zu begehn. Der Kutscher des Generals Statella erhielt von einem Unteroffizier, der dem Wagen nicht ausweichen wollte, einen Säbelhieb
ins Bein; Statella sprang aus dem Wagen und arretirte den Kriegsknecht eigenhändig. Noch eine Menge derartiger Heldenthaten werden erzählt.
Die Times dagegen versichert, daß die Unterhandlungen wegen Sizilien so gut wie abgeschlossen sind und gibt folgende Details:
Die Souveränetät des Königs über Sizilien ist vollständig anerkannt. Sizilien hat eine eigne Regierung, die Konstitution von 1812, modifizirt nach der neapolitanischen; ein bestimmter Theil der
sizilianischen Einkünfte geht nach Neapel für Unterhalt der Armee und des diplomatischen Corps; der König hat das Recht, die Insel mit neapolitanischen Truppen zu besetzen.
Mit diesem Ultimatum sollen die Admiräle nach Palermo gehn und seine Annahme empfehlen. Wird es nicht angenommen, so ziehn sie sich mit ihren Flotten zurück (worauf Filangieri bestand, damit kein
Insurgent entkomme) und überlassen beide Parteien sich selbst.
Die Palermitaner Regierung hat zwei englische große Dampfschiffe gekauft, die in Malta ausgerüstet, mit engl. Offizieren und Matrosen bemannt sind. Hierdurch ist ihre Dampfflotte der
neapolitanischen entschieden überlegen.
Französische Republik.
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12
] Paris, 5. März.
Das so viel besprochene Bankett der Unteroffiziere aller Regimenter, die in Paris anwesend sind, hat wirklich stattgefunden; der Moniteur, wie alle
andern reaktionären Journale, können es nicht länger verheimlichen. Wie hieß es anfangs? Das Bankett der Unteroffiziere zur Feier der Februar-Revolution bestand außer den obligaten Gästen aus zwei
längst verabschiedeten Unteroffizieren, die ihre alte Uniform wieder hervorgeholt haben. Faucher und Barrot, die seit einiger Zeit das französische Intelligenzblatt, „den Moniteur“, zur
offiziellen Polemik gebrauchen, hatten offenbar diesen Artikel geschrieben, um den Glauben rege zu machen, daß die Februar-Revolution keine große Sympathien in der Armee gefunden. Dieler miserable
Plan scheiterte aber vollends. Von allen Seiten laufen Briefe von Unteroffizieren ein, die energisch gegen den Artikel im Moniteur protestiren. Im Artikel des Moniteur hieß es unter Andern:
„Wenn je ein Bankett von Unteroffizieren stattgefunden habe, so seien diese Unteroffiziere nichts anders als verkleidete Sozialisten.“ Die beiden Volksrepräsentanten Joly und
Olivier, die ebenfalls dem Bankett beiwohnten, verhöhnen den Moniteur über diese Mystifikation, deren Opfer gerade Barrot und Faucher sind. Auch kommen die andern reaktionären Journale von
ihrer anfänglichen Aussage zurück, und geben zu, daß zu ihrem größten Leidwesen die „sozialistische Idee“ ins Heer gedrungen sei; aber sie schreiben dieses der „gelockerten
Disziplin“ zu. Wie es übrigens mit der Armee steht, geht daraus hervor, daß man in Bourges zur Aufrechthaltung der Ordnung und zur Bewachung der Gefangenen kein anderes Regiment zu schicken
wagte, als das 14. Infanterie-Regiment, das heißt dasjenige, welches am 22. Februar vor dem Hotel des Herrn Guizot aufgepflanzt stand und das zuerst auf's Volk gefeuert hatte.
Die vorige Revolution eröffnete sich mit parlamentarischen Banketts: die jetzige Revolution eröffnet sich mit militärischen Banketts, welche für die Zukunft ganz andere Aussichten darbieten, als
die frühern.
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17
] Paris, 6. März.
Letzten Samstag erscholl auf der Tribüne ein überaus inhalt- und folgenschweres Wort. Der seinen exploitirten Proletariern gar wohl bekannte schurkische
Tuchfabrikant und millionenreiche Bourgeois B. Grandin stürzte keuchend auf die Redebühne und heulte: „Wenn nicht schleunigst alle Klubs und Bankette in ganz Frankreich geschlossen werden, kann
der Wohlstand und Handel nicht wiederkehren; die Misere, die durch die echt republikanische Anarchie (lies: Lamartinische Pinselei und Blutscheu) erzeugt worden, ist so groß, daß die Leute vor meinen
Augen in der Normandie mehrmals Gras gegessen haben.“ ‒ Also da haben wir's: ein „Bourgeois der höhern Region“, ein Spießgeselle der Bank, ein Eisenbahnmann
frißt faulenzend Kuchen und Braten, während seine abgehetzten Arbeiter Gras essen, und das hält diese reiche Kanaille für Schuld der Republik? Das Volksgericht wird schauerlich werden.
Das Blousenvolk wird das jus talionis im Größten wie im Kleinsten üben: „Absetzung sämmtlicher 85,000 Beamten erster und zweiter Klasse ist eine Maßregel, die in den ersten zwölf Stunden, von
Lille bis Bayonne, von Brest bis Grenoble vollzogen werden wird“, sagte ein Klubchef in Lyon neulich unter ungeheurem Jubel. „Kein Wunder, daß Gott die russische Bestie Nikolaus noch
nicht hat vergiften, oder niederschießen, oder in einem seiner häufigen Wuthanfälle ersticken lassen: ihn hat Gott ohne Zweifel zum warnenden Exempel einer baldigen Volksjustiz aufgespart. Ich
wünsche, daß, wenn in dem nächstens losgehenden europäischen Kriege der russische Kaiser oder irgend ein Mitglied dieser Familie gefangen wird, wir an ihm die Strafe des zu Tode
Peitschens, die er so sehr liebt, vollziehen lassen“, schloß ein Andrer unter Bravo's daselbst. Wogegen die Mole'sche „Assemblee Nationale“, zu der Nikolaus
freilich Gelder hergiebt, heute versichert: „Der Kaiser hat ungemein viel Rechtlichkeit, Biederkeit, und so zu sagen etwas ursprüngliches, ritterliches (primitif et chevaleresque) … Das
ist aber sicher, sein tapferes Heer wird nicht leicht aus Siebenbürgen wieder abziehen; das Magyarenland wird bald beruhigt sein, und während russische Garnison es im Zügel hält, wird Oestreich
sich weiter nicht zu geniren brauchen und seine Soldaten nach Italien's Rebellenländern schleudern können; Palmerston ist ein zweiter Bastide was den Einfluß betrifft (sehr schmeichelhaft!) und
ist ohnedem seit kurzem total konservativ. Leider ist unser Frankreich durch die Republik so tief herabgedrückt, daß Europa's Großmächte weder unsre Verheißungen noch unsre Drohungen
achten.“ Neulich rief dies lehrreiche Blatt: „Endlich also ist der Bund der zwei militärischen Hauptmächte, der Oestreicher und Russen, besiegelt. Europa kann aufathmen und der
Herstellung der guten Ordnung entgegenschauen. Und wie sie sich freuen, diese russischen Krieger, gen Westen, gen Süden zu ziehen, nach Adria's Golfe, wie einst unter Suwarow, in das schöne
Hesperia! Nichts kann ihnen den Weg sperren … “ ‒ La Reforme begnügt sich zu erwidern: „Die Königthümler bleiben ewig dieselben; jetzt lecken sie dem Nikolaus die
Sporenstiefeln wie einst seinen Vorgängern Alexander und Paul; jetzt wollen sie wieder die Thore unsres Landes öffnen, die Wilden vom Ural und die Sklavenzüchter von der Newa nach Paris holen, und uns
Demagogen unter die Erde kartätschen lassen. Aber sachte, sachte … ihr Herren Legitimisten und Orleanisten, ihr Herren Gemäßigten, ihr Herren Ordnungswüthriche: denkt an 1793.“
Der Präsident Bonaparte hat sich schon wieder blamirt: in sehr „rebenbekränzter Stimmung“ wollte er Jemanden das Ehrenkreuz anheften, und statt dessen lief er auf ihn zu und drückte
es ihm leis schmunzelnd in die Hand, wie ein Trinkgeld; vorige Woche sollte er dem päbstlichen Nuntius auf dessen Rede entgegnen; der Weltweise Brutus-Barrot stand dicht hinter dem Präsidenten und
flüsterte ihm eine Antwort vor, aber Bachus hinderte auch diesmal, und Bonaparte brachte nach einer erklecklichen Pause, in der die Gäste nur das knurrende hustende Ohrenflüstern des Brutus (er kann
bekanntlich nicht leise sprechen ohne zu husten) hörten, endlich nur die geistreichen drei Sätze hervor: Très bien ‒ merci ‒ fort bien (sehr gut, ich danke, ganz gut).
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@facs | 1333 |
Paris, 6. März.
Im Moniteur steht trotz seiner fünf Bogen absolut nichts.
‒ Die beiden römischen Gesandten haben sich nun endlich die Flügelthüren des Elysee-Bourbon geöffnet. Drouyn de Lhuys wohnte in seiner Eigenschaft als Minister des Aeußern, der
Empfangsaudienz bei. Er sprach sich (versichert die Ledru Rollin'sche „Revolution“, der wir diese Notiz entnehmen) ziemlich lang und breit über die Nothwendigkeit des weltlichen
Glanzes des Pabstthums für die Christenheit aus, und ließ eine Allianz mit anderen Mächten zur Wiederherstellung und zum Schutze des Pabstes gegen eine Faktion ziemlich klar durchblicken. Die beiden
Gesandten zogen sich zurück, nachdem sie im Namen ihrer Mitbürger und Landsleute protestirt hatten. Einer derselben begibt sich nach Rom, um der Constituante zu versichern, daß sie auf die Hülfe der
amtlichen französischen Republik nicht rechnen dürfe.
‒ Im Ministerium des Innern (sagt Siècle) ist eine telegraphische Depesche eingelaufen, welche einen Einfall der Oestreicher in toskanisches Gebiet meldet.
‒ Louis Blanc und Caussidière erlassen heute in den demokratischen Journalen die von London d. 3. März datirte Erklärung: daß sie sich nicht vor den sogenannten Nationalgerichtshof in
Bourges stellen werden. Wäre der Prozeß vor die ordentliche Jury gewiesen worden, so würden sie, ihrem Ehrenworte gemäß, vor den Gerichtsschranken erscheinen. Einem im September dekretirten
„Nationalgerichtshof“ ein im Mai geschehenes Faktum unterzuordnen, sei rechtswidrig. Auch von den übrigen Contumazirten scheinen nicht Viele Lust zu haben, den Weg nach Bourges zu
machen. Bisher hat sich nur Villain in der Conciergerie gestellt, von wo er heute nach Bourges geschickt werden soll. Unter den bogenlangen Details, mit denen sich die Blätter füllen, verdient die
innige Hingebung besonders hervorgehoben zu werden, mit der die Frauen des General Courtais und des Chemikers Daniel Borme die Gefangenschaft ihrer Gatten theilen. Auch ein Zug Sobrier's
verdient Erwähnung. Als dieser gefürchtete Motagnards-Corps-Chef den menagerieähnlichen Zellenwagen bestieg, sagte er zu dem wachthabenden Polizeibeamten mit verbissenem Humor: „Wann ich
Polizeipräfekt sein werde, soll ein Anderer an meinen Platz in diesen Käfig steigen.“ Der Sohn des Kampferdoktors Raspail protestirt übrigens gegen die Aechtheit der von den Blättern in Bezug
auf seinen Vater mitgetheilten Details. Diese Details, die wir hier geben, sind der Gazette des Tribuneaux entnommen. Bourges selbst soll einem Wallenstein'schen Kriegslager gleichen. Die
„Reforme“ hofft von dem Aufsehen, das dieser Prozeß macht, daß er das seit dem 10. Dec. etwas erloschene revolutionäre Feuer der Franzosen wieder anfache.
‒ Diejenigen Studenten und sonstigen Bürger, welche dem berüchtigten Bankett an der Barriere Du Maine beiwohnten, veröffentlichen heute eine sogenannte Species Fakti, wodurch sich
herausstellt, daß sich die Polizeidiener auf das Pöbelhafteste betrugen und wild dreinhieben. Bemerken müssen wir zum Lobe der bonapartischen Polizei, daß sie jetzt wieder ihr wahres Gewand, den
berüchtigten Stadtsergenten, angezogen hat. Die Caussidiereschen Tyroliens sind verschwunden oder dem Verschwinden nahe. Sie erhalten ein Taschengeld von 200 Franken und können entweder zu den
Kartoffelfeldern Algeriens wandern oder zu ihrem alten Handwerke zurückkehren. Sic transit gloria! Zum Unterschiede von den monarchischen Zeiten tragen die Sergenten den Hut nicht mehr querüber,
sondern schief ‒ fegerhaft schief. Alles steht schief in der Republik honnête et moderée! Die Carliersche Ordonnanz befiehlt den Hut eigentlich geradeaus wie bei einem preußischen
Garde-Offizier; aber die Sergenten beweisen sich hartköpfig und tragen die Hüte flott und schief.
‒ De Langrenée kehrt, hört man nach Brüssel zurück, wo sich auch Hr. v. Collerodo wieder einfinden dürfte, nachdem er in London sich vergebens anstrengte, dem Fuchs Palmerston die
Würmer aus der Nase zu ziehen. Wie es scheint, hat ihm Se. Lordschaft erklärt, daß ihm der engl. Bevollmächtigte in Brüssel den nöthigen Bescheid ertheilen werde.
‒ In Lyon nahmen die Arbeiter einen Provokateur gefangen, der im Auftrage der geheimen Polizei Mordbrenner-Reden hielt und rothe Mützen austheilte. Der Kerl wurde entlarvt und ihm in das
Gesicht gespieen.
‒ Die Pariser Clubs sind doch noch nicht todt. Heute Abend wird der Acacias-Club wieder geöffnet. An der Tagesordnung ist die Frage: „Von den durch die Februar-Revolution erworbenen
Rechten und den Hindernissen, die man ihrer Ausübung entgegenstellt.“ In einem anderen Club kommen die Cremieurxschen schrecklich seichten Erläuterungsgründe des Ausschußberichts über [Fortsetzung]
Hierzu eine Beilage.