Deutschland.
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] Düsseldorf, 6. März.
In der heutigen Nummer Ihres Blatts brachten Sie uns die Nachricht, daß der General-Procurator der bei ihm erschienenen Deputation die Erklärung abgegeben
habe, es könnten unsre politischen Gefangenen Lassalle, Cantador und Weyers vor die jetzigen Assisen nicht gestellt werden.
Wir unternehmen nicht, Ihnen die durch diese Nachricht hier hervorgerufene Entrüstung zu schildern. Nur so viel: diese Nachricht wirkte so erbitternd, daß selbst die Bürgerschaft, die offizielle
demokratische Partei, aus ihrer Apathie und Energielosigkeit umgerüttelt wurde. Es begab sich sofort eine Deputation der Bürgerschaft, bestehend aus den Herren Spohr, Farina und Wetter nach Köln zum
Generalprokurator, um denselben nochmals wegen des beobachteten Verfahrens zur Rede zu stellen, und die Verhandlung der Sache vor den jetzigen Assisen zu erwirken. Herr Nikolovius erklärte der
Deputation, an eine Verhandlung vor den jetzigen Assisen sei gar nicht zu denken. Als nochmals der dreiwöchentlichen Verschleppung von Seiten des Herrn Ammon durch Verheimlichung des
Lassalle'schen Briefes erwähnt wurde, erwiderte Hr. Nikolovius: dies sei nicht wahr. Es erscheint dies um so auffallender, als dem Generalprokurator von der am 3. d. M. bei ihm
erschienenen Deputation bemerkt wurde, es könne erwiesen werden, daß Hr. Ammon den erwähnten Brief der Untersuchung drei Wochen vorenthalten habe. Uebrigens adressiren wir in Bezug auf
Letzteres uns an den Instruktionsrichter Herrn Ebermeier selbst. Wir fragen ihn, ob er nicht Hrn. Lassalle die feierliche Versicherung gegeben, daß der Brief erst nach Schluß der
Untersuchung ihm mitgetheilt worden sei? — Schließlich erklärte Hr. Nikolovius, — ohne Zweifel „zur Beruhigung“ — wenn andre Sachen zur Verhandlung vor den
Assisen vorlägen, so würden „vielleicht“ die nächsten Quartal-Assisen einen Monat früher eröffnet werden. Hierzu bemerken wir, daß es meistens an Sachen fehlt, um nur die gewöhnlichen
Assisen auszufüllen. Uebrigens scheint Hr. Nikolovius vergessen zu haben, daß er am 3. d. die Ansetzung einer außerordentlichen Assise als unzweifelhaft hinstellte. Ferner theilte der
Generalprokurator der Deputation mit, daß die Akten sich noch in seinen Händen befinden. Diese letzte Mittheilung ist werthvoll. Aus ihr geht schlagend und unwidersprechlich hervor, daß man die Sache
absichtlich verschleppt hat.
Am 22. Februar hat die hiesige Rathskammer die Verweisung ausgesprochen. Nach p. 133 d. Cod. d'instruct. crim. sollen dann die Akten unverzüglich an den Generalprokurator gesandt werden,
welcher gehalten ist, in den zehn folgenden Tagen seinen Vortrag zu halten (§. 217). Nach §. 219 soll drei Tage nach dem Vortrag des Generalprokurators der Anklagesenat entscheiden. Am 23. hat der
Generalprokurator also jedenfalls die Akten erhalten. Nach dem Geschäftsgange mußte er sie sofort an einen seiner Substitute zur Bearbeitung übergeben, oder sie selbst bearbeiten. Statt 10 Tagen sind
12 vorüber, und noch hat der Generalprokurator noch nicht einmal seinen Vortrag gehalten. Noch sind die Akten in seinen Händen, noch sind sie keinem Staatsprokurator übergeben, noch ist Nichts
geschehen, damit das Urtheil des Anklagesenats erfolgen könne, und man wagt zu behaupten, die Sache werde nicht absichtlich verschleppt!!
Dies einzige Faktum ist bezeichnend für die sonstigen Versprechungen des Herrn Nikolovius. Während derselbe den an ihn abgesandten Deputationen die beste Behandlung der Gefangenen verspricht,
erlaubt man sich in Wahrheit Alles Mögliche gegen dieselben. — Hr. Morret hat geglaubt, das Publikum werde sich täuschen lassen und glauben, sein Benehmen gegen Herrn Lassalle sei eine
Folge seines Amtseifers. Wir werden auf die „amtliche Gewissenhaftigkeit“ des Herrn Morret in der Verwaltung des hiesigen Arresthauses ganz speziell zurückkommen.
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] Berlin, 5. März.
Die Maurer und Zimmerleute beabsichtigen, heute ihre Arbeit niederzulegen, da die Differenzen zwischen ihnen und den Meistern bis jetzt nicht zu schlichten
waren. Der heutige Tag bot uns das seltene Schauspiel von Zusammenrottungen der unzufriedenen Arbeiter auf dem Döhnhofsplatz u. s. w. dar. Ebenso sind heute die Arbeiter von der Ostbahn zum größten
Theil zurückgekehrt, da sie nur 8 Sgr. täglich erhalten und sehr schlecht behandelt werden.
Die Verfolgungen gegen die Steuerverweigerer dauern ungestört fort. Der Abg. Ziegler aus Brandenburg, der vorige Woche hier erst gewählt, sollte gestern kraft eines, vor seiner Wahl erlassenen,
Haftbefehls in Brandenburg verhaftet werden. Derselbe ist aber bereits in die Kammer eingetreten. Ein anderer der neugewählten Abgeordneten für Berlin, Landrath Reuter aus Johannisburg, wegen der
Steuerverweigerung seines Amtes entsetzt, irrt in Ostpreußen von Dorf zu Dorf umher, um sich der Verhaftung zu entziehen. Niemand weiß genau, wo er sich gegenwärtig aufhält, so daß denselben die
Nachricht von seiner Wahl nicht auf ordentlichem Wege erreichen kann.
Man wird sich erinnern, daß schon vor einiger Zeit diejenigen unter dem Heere der Konstabler, bei welchen man Kenntniß fremder Sprachen und größere Geschicklichkeit in der Spionage erkannte, zu
besondern Zwecken und Missionen, von den Uebrigen getrennt wurden. Schon jetzt zeigen sie ihre Thätigkeit als agents provocateurs. Als Arbeiter verkleidet spielten sie bei den Unruhen der
Kattundrucker diese Rolle gar nicht übel.
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Sitzung der zweiten Kammer.
Die Kammer beschäftigt sich wiederum mit Wahlprüfungen. Ueber die Zulassung Grebels entspinnt sich eine längere Debatte.
Die Diskussion führte natürlich wieder die Herren v. Berg und Vincke auf die Tribüne.
Schließlich wird die Wahl genehmigt, da die Grabowianer mit der Linken stimmten. Ebenso wird nach längern Reden die Wahl des Abg. Küpfer aus Wirsitz genehmigt, der der Bestechung der Wahlmänner
angeklagt war.
Es betheiligen sich bei den vielen nutzlosen Hin- und Herreden auch der würdige Dierschke und Vincke, der überhaupt in jeder Sitzung 4 - 5 Mal seine Stimme erhebt.
Schluß der Sitzung 3 Uhr.
Morgen ist die Präsidentenwahl auf der Tagesordnung.
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Sitzung der ersten Kammer.
Es werden der Kammer mehrere neue Wahlen mitgetheilt.
Hierauf erhält der Justizminister Rintelen das Wort.
Justizminister Rintelen: Ich habe die Ehre, der hohen Kammer zwei vorläufige Verordnungen mitzutheilen, welche das Ministerium in Gemäßheit des Artikel 105 der Verfassung erlassen hat. Die
erste allerhöchste Ermächtigung betrifft die Aufhebung der Privatgerichtsbarkeit und die weitere Organisation der Gerichte; die andere die Einrichtung von Schwurgerichten. Ich lasse gleich die Motive
beifügen, welche Se. Majestät bewogen haben, diese Verordnung sofort zu erlassen.
Ueber die Wahlen des Grafen Dyhrn und York entspinnt sich eine längere Debatte, auf welche naturlich die schließliche Zulassung derselben erfolgt.
Jetzt beginnt dieselbe Komödie, welche in der zweiten Kammer schon gespielt hatte, daß große Grundbesitzer auf Berathung der bäuerlichen Verhältnisse antragen, um sich populär zu machen.
Der Schriftführer verliest den Antrag der Abgeordneten Rösler und Genossen:
„Die Kammer wolle beschließen:
die Gesetze betreffend die Regulirung der gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse so schleunig als irgend möglich in Berathung zu ziehen.“ Motive: „Keine Gesetze sind für die
materiellen Interessen der Landbewohner von so hoher Bedeutung, als die — durch welche die gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse endlich geregelt werden sollen; deren Ordnung interessirt die
Betheiligten oft mehr als die Lösung politischer Fragen — aber auch auf die Ausgleichung dieser letzteren in einem alle Parteien möglichst befriedigenden Sinne kann nur auf diese Weise
hingewirkt werden. Die theilweise Suspension der Prozesse, welche bei den Gerichten und General-Kommissionen über Dienste und Abgaben der bäuerlichen Insassen an die Gutsherrschaft schweben —
ist bei deren längerer Dauer für die Berechtigten, wie für die Verpflichteten gleich verderblich und die neueste Gesetzgebung nicht dazu angethan, diese nachtheiligen Folgen zu beseitigen.“
Berlin, den 28. Februar 1849.
Rcezler, Abg. für Ratibor etc. di Dio, Abg. für Grünberg etc. Wodiczka, Abg. für Ratibor etc. Bornemann, Abg. für Görlitz etc. Robe, Abg. für Hirschberg etc. Hoffmann-Scholz, Abg. für Wohlau etc.
Dr. Bruggemann, Abg. für Crefeld etc. Kuh, Abg. für den Kreis Neisse. Guradze, Abg. für die Kreise Oppeln etc. Lonnegut, Abg. für Münster, Ruprecht, Abg. für Schweidnitz. Kupfer, Abg. für Kottbus etc.
Wachler, Abg. für Stadt- und Landkreis Breslau Graf Dyhrn, Abg. für Kreise Strehlen etc. Berger, Abg. für den Kreis Posen etc. Graf Helldorf, Abg. für die Kreise Naumburg etc. Milde, Abg. für die
Kreise Waldenburg etc. Böcking, Abg. für den Wahlbezirk Altenkirchen. v. Forckenbeck, Abg. für Grünberg. v. Jordan, Abg. für die Kreise Oppeln etc. v. Tepper, Abg. für Ratibor etc. v. Keltsch, Abg.
für Oels etc. v. Brandt, Abg. für Stettin etc. v. Winckler, Abg. für Beuthen etc. Graf York, Abg. für Strehlen etc. Graf Hochberg, Abg. für Schönau. Frhr. v. Vincke, Abg. für Neisse etc. v. Willisen,
Abg. für Oels etc.
Präsident: Nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung frage ich nun, zu welcher Zeit wünscht der Antragsteller seinen Antrag zu motiviren?
Abg. Rösler: Da es sich um schleunige Vorlage von Gesetzen handelt, so bitte ich, meinen Antrag jetzt motiviren zu dürfen. (Es erhebt sich kein Widerspruch dagegen.) Der gegenwärtige
Zustand, darin stimmen wir Alle überein, ist nicht mehr haltbar, sowohl für die Berechtigten als für die Verpflichteten. Der Uebelstand, in dem wir uns jetzt befinden, hat, glaube ich, seinen Grund in
der Verordnung der Minister vom Mai des vorigen Jahres. Die neueste Verordnung hat nichts darin gebessert. Es ist also schleunige Abhülfe nöthig, weshalb ich meinen Antrag zu unterstützen bitte.
Der Antrag wird zahlreich unterstützt.
Der Schriftführer verliest einen Zusatzantrag des Abg v. Forkenbeck:
„Die Kammer wolle den Nachsatz beschließen: und wird deshalb die Staatsregierung ersucht, die bezüglichen Gesetzesvorlagen baldigst an die Kammern gelangen zu lassen.“
Berlin, den 4. März 1849.
v. Forkenbeck. Graf York, Abg. für Strehlen etc. etc. v. Brünneck. O. Hermann. Hoffmann-Scholtz. Pilarski. Lefevre. Matthie. Maurach. Hidding. Denzin. Keuffel. Lurterkorth.
Abg. v. Forckenbeck: Mein Zusatzantrag geht dahin, bestimmt auszusprechen, was die hohe Kamer will. Wir können das im Hauptantrage Ausgedrückte nicht anders machen, als auf dem von mir
angedeuteten Wege. Wir werden dadurch dem Lande einen Beweis geben, daß wir in der Förderung seiner materiellen Interessen hinter keiner andern Versammlung zurückbleiben wollen.
Abg. Richter: Es scheint mir nicht angemessen, den Herren Ministern vorzugreifen Uns lag nur daran, dem Lande zu zeigen, daß wir auch für seine Interessen zu sorgen bereit sind. Darum
erkläre ich mich gegen das Amendement.
Abg. Milde trägt auf Schluß der Debatte an. (Wird fast einstimmig angenommen).
Präsident: Ich stelle demnach die Frage: Beschließt die hohe Kammer den Antrag in Erwägung zu ziehen? (Die Frage wird einstimmig bejaht.) Nach der Geschäftsordnung wird also der Antrag
nunmehr an die Abtheilung zurückgehen.
Präsident: Unsere heutige Tagesordnung ist erledigt, und da Niemand das Wort verlangt, so ersuche ich die Mitglieder der Adreßkommission sich heute Nachmittag 4 1/2 Uhr hier zu versammeln
und erkläre die Sitzung für geschlossen. Zur nächsten Sitzung behalte ich mir vor, besonders einzuladen, da jedenfalls morgen das nöthige Material noch nicht vorbereitet sein wird.
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] Berlin, 5. März.
Die Linke soll gestern Abend beschlossen haben, keine Adresse an den König zu richten.
Der König wird übermorgen vor dem Hallischen Thore eine große Parade über sämmtlich hier stationirte Truppen abhalten. Es geschieht dies seit der Revolution zum ersten Mal. —
Ueber die Arbeitseinstellung der Maurer und Zimmerleute folgendes Genauere:
Bald nach der Märzrevolution bewilligten ihnen die Meister unter Vermittlung des Magistrats eine tägliche Zulage von 2 1/2 Sgr. und verkürzten zugleich die Arbeitszeit um eine Stunde. Diese
Maßregeln vertheuerten die Arbeiter jener Gewerke etwa um 20 Sgr., was gerade jetzt um so fühlbarer wird, als seit dem vergangenen Sommer die Miethen in den neuen Häusern, die größtentheils in
entfernten Stadtgegenden gebaut werden, sehr gesunken sind. Es haben deshalb die Meister bei dem gegenwärtigen Beginn der Neubauten erklärt, daß sie fortan die Zulage aufhören lassen und die
Arbeitszeit, wieder um 1 Stunde verlängern würden, weil sie sonst nicht mehr bestehen könnten. Die Gesellen wollen darauf nicht eingehen und haben deshalb heut sämmtlich ihre Arbeitsplätze
verlassen.
Auch die Arbeiter von der Ostbahn kehren haufenweise nach Berlin zurück. Sie behaupten bei einem täglichen Verdienst von 7-8 Sgr. nicht bestehen zu können und beklagen sich außerdem über schlechte
Behandlung Seitens der Baubeamten. Heute Vormittag hatte sich eine Anzahl dieser Leute auf dem Dönhofsplatz vor dem Hause der zweiten Kammer versammelt, setzte aber den zerstreuenden Bemühungen keinen
Widerstand entgegen. —
Die Goldschmith'sche Cattunfabrik im Verein mit der Dannerberg'schen hat etwa 200 Arbeiter entlassen, welche bei den letzten Unruhen betheiligt waren. Dieselben wurden an der
Waschbank, Färberei etc. beschäftigt und sind schon Andere für sie eingetreten.
Das englische Cabinet hat dem russischen Hofe wegen der Besetzung der Donaufürstenthümer eine protestirende Note zugehen lassen, welche an mehrere Großmächte abschriftlich mitgetheilt worden ist.
In gleicher Weise spricht sich die Palmerstonsche Politik gegen eine römische oder überhaupt italienische Intervention aus. In der betreffenden an die betheiligten Mächte übergebenen Note ist unter
Andrem auch bemerkt, daß das Cabinet von St. James prinzipiel zwar nicht gegen jenes Vorhaben der kathol. Mächte sei, aber es befürchte, daß eine Intervention die europäischen Verhältnisse
sowohl in Italien als an andern Orten nochmehr verwirren würde, als sie es ohnehin seien. Ein halboffizieller Artikel in dem Palmerstonschen Organ, im „Globe“ dürfte diesem englischen
Protest bestätigen, indem er im Ganzen dieselbe Ansicht ausdrückt.
Am 2. d. M. haben 20 Nichtortsangehörige die Stadt nebst zweimeiligem Umkreis verlassen müssen. Es befinden sich unter denselben mehrere Polen, auf welche im gegenwärtigen Augenblick ein ganz
besonders scharfes Augenmerk gerichtet scheint, namentlich wenn sie bei dem Mieroslawskischen Aufstande betheiligt waren. Uebrigens zeigt sich gegen die Polen auch unter der Bourgeoisie viel
Abneigung, weil man ihnen den Hauptnachtheil an der revolutionären Bewegung beimißt.
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] Berlin, 4. März.
Der Bürgermeister Poncelet zu Brühl ist in einem Wahldistrikt, in welchem er nicht wohnt, zum Wahlmanne gewählt worden, wogegen beim Wahlkommissar v. Kempis
mehrfache Beschwerden einliefen. Nach Ausweis der betreffenden Akten gibt Poncelet die Richtigkeit der Thatsache zu, behauptet aber zugleich, daß der gedachte Umstand den Wahlbestimmungen nicht
zuwiderlaufe. In der bezüglichen Rechtfertigung heißt es u. A. auch buchstäblich:
„Ich finde es daher lächerlich, einen solchen Einspruch zu machen, welcher von Männern ausgeht, die sich einer andern politischen Farbe anreihen (Demokraten) als ich, und ich trage daher
kein Bedenken, daß Hochdieselben die Beschwerdeführer angemessen abschlägig zu bescheiden die Gefälligkeit haben werden.
Die Leute suchen hier allerlei Vorwände gegen die sehr günstig ausgefallenen Wahlen vorzubringen, da die demokratische Partei dabei gegen alles Erwarten zurückgesetzt worden ist.“
Brühl, 24. Januar 1849.
Der Bürgermeister,
gez. Poncelet.
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] Berlin, 5. März.
Die in Krefeld auf Grebel gefallene Wahl wurde heute von der 2. Kammer bestätigt. Es wurden bei dieser Wahl einige Stimmzettel vernichtet, weil sie auf den
Landgerichtsrath Reichensperger lauteten und man der Ansicht war, daß es zwei Landgerichtsräthe Reichensperger gäbe. Reichensperger befand sich heute während der Prüfung auf einer Tribune mit
weitvorgestrecktem Oberleibe. Nachdem die Wahl bestätigt worden war, entfernte er sich sofort. Ob in Freude oder Leid, darüber hat er uns nichts gesagt.
[1326]
Der Abgeordnete und Legationsrath Küpfer, welcher der Bestechung beschuldigt wurde und dessen Wahl deshalb vor der Bestätigung zu einer lebhaften Diskussion führte, blieb der Art kompromittirt, daß
wirklich eine preußische Legationsrathsnatur dazu gehört, wenn er noch länger in der Kammer bleibt.
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@facs | 1326 |
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] Berlin, 27. Febr.
Die N. Pr. Z., die überhaupt seit einigen Tagen von Consistorialräthen geschrieben zu sein scheint, läßt sich in den gegenwärtigen Tagen der Trübsal zu
folgendem Geständniß verleiten: „Wir wissen, daß die Unverantwortlichkeit und Unverletzlichkeit der Fürsten nichts ist, als eine große Lüge, die zehnmahl praktisch widerlegt, von
ihren eigenen Propheten nur noch mit Lächeln ausgeboten wird. Wer sich betrübt und freut, wie wir, wen man beleidigen und verwunden kann, wie ist der unverletzlich? Wen man verklagt, verurtheilt und
vertreibt, wie ist der unverantwortlich?“
Nach dieser werthvollen Bemerkung schlägt sie ihre Augen auf gen Himmel, stößt einen tiefen Seufzer aus über die Schlechtigkeit dieser Welt, und stöhnt: „Verantwortung ist die Seele jedes
Amtes, und auch die Unterschrift der Fürsten ist nur Contrasignatur von Dem, der den Artikel 42 der Verfassung schwerlich anerkennt.“
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@facs | 1326 |
Kremsier, 1. März.
In der heutigen Sitzung des Reichstags wird die Stelle des Abgeordneten Androvic, der längere Zeit abwesend, zuletzt auf ein Schreiben des Reichstags geantwortet
hat, er komme nicht mehr zurück, für erledigt erklärt.
Hr. Löhner interpellirt das Kabinet auf folgende Weise:
Laut den übereinstimmenden Berichten offizieller und nicht offizieller Blätter haben die russischen Truppen von den bereits längere Zeit besetzten wallachischen Gebieten aus, 20,000 Mann stark, die
österreichisch-siebenbürgische Gränze überschritten, seien in Hermannstadt und Kronstadt eingerückt und haben über den bloßen Garnisondienst hinaus nach der Art aktiven Theil an der Operation der
österreichischen Truppen genommen, daß die Oesterreicher nur als beigeordnete Corps unter dem russischen Oberbefehl fochten. Die von dem russischen Befehlshaber zu Kronstadt erlassene Proclamation
weise zugleich wörtlich darauf hin, daß „er selbst, wenn er sich mit dem österreichischen General nicht verständigt hätte, dennoch bleiben würde zum Schutze der Stadt, wie es der Wille seines
Herrn und Kaisers sei.“ Blicke man auf das, was über dieses Ereigniß bekannt geworden, so ergebe sich, daß der russische General, angeblich auf Verlangen der siebenbürgischen Sachsen, aus
eigenem Entschlusse eingerückt sei, so zwar, daß selbst die Beistimmung des österreichischen Kriegsrathes zu Kronstadt erst am Tage eingeholt worden, wo die Russen daselbst bereits eingeschritten
waren. Aus der Wiener Zeitung ergebe sich zwar, das Ministerium habe an General Puchner keine Ermächtigung ertheilt, andererseits aber stimmen alle Nachrichten dahin überein, daß ein Courier aus St.
Petersburg dem russischen General an der siebenbürgischen Gränze die Instruction überbracht habe, auf zeitweilige Requisition von Seiten Oesterreichs einzurücken, ohne daß in der offiziellen
Darstellung erwähnt sei, ob das Ministerium eine solche Intervention durch unmittelbare Unterhandlung in St. Petersburg erwirkt habe. Die wichtigste Frage in dieser Sache bleibe somit im Dunkel, die
nämlich, ob jener Kaiserliche Wille, auf den sich der russische General beruft, auch Wille des Ministeriums sei oder nicht. Bereits 20 Tage stehen nun die Russen in Oestreich, ohne daß Europa oder
Oesterreich oder auch nur der Reichstag wüßte, auf welche Bedingungen sie gekommen sind, auf welche sie ‒ gehen werden. Eine solche Verwirrung aller natürlichen Verhältnisse müsse jedem Freunde
der Freiheit tief bedrohlich erscheinen. Ein seit langfestgestelltes stillschweigendes Uebereinkommen der europäischen Kabinette bezeichne jeden nicht traktatmäßigen Einmarsch fremder Truppen in einen
selbstständigen Staat, unter welchem Vorwande immer, als ein Ereigniß, welches die Ehre des betreffenden Landes, dessen Selbstständigkeit und Frieden ernstlich bedroht. Namentlich seien die an der
Mündung der Donau gelegenen Provinzen vor allen anderen die empfindlichsten Stellen der europäischen Sicherheit und Ruhe, und es sei unzweifelhaft, daß jeder Zuwachs an Territorium an jener Seite zu
Gunsten Rußlands die Existenz der Türkei immer mehr gefährde und die Seemächte Europa's zur Gegenwirkung aufrufen müsse ‒ von Oesterreich selbst gar nicht zu sprechen, das von seinen
innersten Bedürfnissen und schönsten Hoffnungen nach jenen Gegenden hingewiesen werde. Die Frage sei also nicht eine blos österreichische, sondern interessire ganz Europa. Nur zwei Fälle seinen
möglich. Entweder die russische Occupation geschah in Folge eines näheren Einverständnisses oder gar ausdrücklichen Abschlusses eines Vertrages ‒ dann erscheine Oesterreich ganz Europa
gegenüber solidarisch verantwortlich für alle nachtheiligen Konsequenzen, welche für die Sicherheit Europa's folgen können; oder diese Vorgänge geschahen ohne Mitwirkung des Kabinets
Oesterreichs ‒ und dann übernehme dieses die erwähnte Verantwortlichkeit von dem Augenblicke, wo sie ihm glaubwürdig bekannt wurden. Diese Betrachtungen seien solche, die sich jedem ruhig
Denkenden vom bloßen Boden der Thatsache aus aufdrängen mussen. Stelle man sich aber auf den Standpunkt des Oesterreichers, so drängen sich noch ganz andere traurige Konsequenzen auf. Man müsse sich
dann fragen: Wozu dieses Haus noch vor Kurzem 80 Mill. außerordentlichen Aufwandes bewilligt habe, wozu ein Heer von 150,000 Mann unter einem lautgerühmten Marschall in Ungarn eperire, wozu die
Truppen und Generale im Banat und in Siebenbürgen stehen, wenn selbst der negative Schutz des österreichischen Bodens gegen rebellische Freibeuterhaufen von dem fremden Kaiser erbeten werden muß, und
zwar auf alle Gefahren hin, die eine solche Hülfe mit sich führt. Alle Bülletins verkünden Sieg auf Sieg, der Feldherr sei mit mehr als Königlichen Vollmachten versehen, wie komme es, daß man, indeß
die Armee gut geleitet sei, die Vollmachten weise gebraucht werden, Kosaken rufe, um den Ruhm der österreichischen Armee zu theilen? Dies der eine Fall. Wenn aber der russische General nur geheime
Weisungen befolgte, als er den Wünschen der Bürger nachzukommen schien. Wenn jene Occupation blos die vorgesehene, verabredete Folge des Bündnisses wäre, das Oesterreichs Politik an die Rußlands, das
Geschick seiner Völker, ihre Ehre, Freiheit an das Fatum von 80 stummgehorchenden Millionen knüpfte, ein Bündniß, das uns, vom zivilisirten Europa losreißend, zum westlichen Rußland machen würde;
müsse dann nicht jeder Oestreicher, jeder freie Mann es für noch ärgeres Unheil halten, daß nicht Zufall sondern Plan, nicht ein Erreigniß, sondern eine verhängnißvolle Entscheidung jenen Eintritt
fremder Krieger bewirkt hat? Darüber Klarheit sich zu verschaffen, und zwar bald, sei die Pflicht jedes Volksvertreters. Er stelle daher an das Ministerium folgende Fragen:
1) Hat das Ministerium in einer Art Antheil an dem Einmarsch der Russen, oder hat es zwar nicht zu dem Einschreiten Puchner's beigetragen, jedoch auf diplomatischem Wege in St. Petersburg
die Erlassung solcher Instruktionen an den russischen Geneeal veranlaßt, in Folge deren der Einmarsch erfolgte?
2) Den einen oder den anderen Fall gesetzt, ist das Ministerium bereit, die einschlagenden Papiere, resp. die Instruktionen an Puchner oder den Gesandten in St. Petersburg, auf den Tisch des Hauses
zu legen?
3) Den ersten Fall gesetzt, ist das Ministerium entschlossen, den General Puchner zur standhältigen Rechtfertigung seines Schrittes zu verhalten?
4) Den zweiten Fall gesetzt, hat das Ministerium die Erlassung solcher Instruktionen an die russischen Generale nur für die siebenbürgische Gränze oder auch für andere Gränzen erwirkt?
5) Ist das Ministerium bereit, dem Hause erschöpfenden Aufschluß zu geben, ob und welche Verhandlungen bezüglich eines Bündnisses mit Rußland und mit welchem Erfolge es stattgefunden?
6) Ist endlich das Ministerium bereit, im Falle, daß die Occupation gegen seinen Wunsch stattgefunden, energisch die Räumung des östreichischen Gebietes zu betreiben?
Die heutige Tagesordnung fährt hierauf zu weiterer Debatte über §. 15 der sogenannten „Grundrechte“ in Betreff der Verhältnisse zwischen Staat und Kirche. Sie Sitzung wird um 2 Uhr
geschlossen, ohne daß es hierüber zu einem Beschluß gekommen.
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@facs | 1326 |
Von der galizisch-schlesischen Grenze, 27. Febr.
Vor zwei Wochen wurde unerwartet das in der Nähe von Bielitz gelegene, als Belustigungsort der bialer und bielitzer Einwohnerschaft
bekannte „Waldschlößchen“ von einer halben Compagnie von Schoenhals Infanterie besetzt und durchsucht; es hieß nämlich, daß sich dort ein Transport von fünf und zwanzig französischen
Ingenieuren aufhalte, um bei günstiger Gelegenheit über Saypusch und Kamesnica ins magyarische Lager zu gelangen. Die Durchsuchung des Waldschlößchens hatte keinen Erfolg, und das Militär kehrte
unverrichteter Sache nach Bielitz zurück; dessenungeachtet meinen Viele, daß an der Sache doch etwas seyn müsse, da in der That in der Gegend von Saypusch ein Franzose, augenscheinlich den bessern
Ständen angehörend, angehalten und wegen Mangel an aller Legitimation in Haft gebracht wurde. Gegenwärtig liegt er krank im Militärhospitale zu Biala; er hatte sich Füße und Hände durch ein acht und
vierzigstündiges Herumirren in den schneereichen karpatischen Schluchten erfroren. Leichter als von Galizien nach Ungarn ist das Durchkommen von Ungarn aus nach Galizien.
Die preußische Regierung hat einen Grenzcordon gegen Galizien und östr. Schlesien einrichten lassen, der wohl nur gegen das Herübertreten magyarischer Korps zu wirken die Bestimmung hat. ‒
Auch eine Compagnie des Regiments Fürstenwärther ist aus Saypusch an die preußische Gränze nach Oswiencim verlegt worden, vermuthlich um das Landvolk der Umgebung zu bestimmen, die vorhin verweigerte
Losung vorzunehmen.
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@facs | 1326 |
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] Frankfurt, 5. März.
Sitzung der Nationalversammlung. Simson präsidirt. Gevekoht (aus Bremen) kündigt im Namen des volkswirthschaftlichen Ausschusses einen Gesetzentwurf
über die Auswanderung an und v. Breuning im Namen des Untersuchungsausschusses, daß letzterer jetzt beantrage, die früher versagte Erlaubniß zur Verhaftung des Abgeordneten Peter (Konstanz) zu
ertheilen.
Es folgt hierauf die Wahl des Präsidenten und der Vicepräsidenten.
Zum ersten Präsidenten wurde Simson mit 271 Stimmen (Schüler aus Jena 65 Stimmen der Linken) wiedergewählt, ebenso zum ersten Vicepräsidenten Beseler (der Fundirte) mit 226 Stimmen; zum zweiten
Vicepräsidenten Kirchgessner mit 329 Stimmen.
Nach Beendigung dieses Wahlgeschäftes erhält der „Edle“ das Wort. Er spricht über den von Dänemark „in einer den Verhältnissen nicht entsprechenden, unförmlichen Weise“
gekündigten Waffenstillstand.:
„Unter den angeführten Umständen, sagt er unter Anderem, ist es zwar noch immer möglich, daß die übereilte (?!) Entschließung Dänemarks ohne Folgen bleibe. Die bereits eingeleiteten
Friedensunterhandlungen sind aber natürlich als unterbrochen zu betrachten, bis die Uebereilung (?) Dänemarks wieder gutgemacht ist, bis es feststeht, daß bis zu einem weiter zu bestimmenden Termine
die Feindseligkeiten nicht werden erneuert, der status quo werde aufrecht erhälten werden. Darauf sind jetzt die Unterhandlungen gerichtet.
Dem Reichsministerium liegt es ob, Sorge zu tragen, daß für den Fall der Wiedereröffnung der Feindseligkeiten Deutschland gerüstet sei. Es ist desfalls das Erforderliche eingeleitet. Die Ehre
Deutschlands im Frieden wahren zu können, war unsere Hoffnung und unser aufrichtiges Bestreben. Wenn die Schritte Dänemarks die Erneuerung des Krieges im Norden Europa's zur Folge haben
sollten, so fällt die Schuld und Verantwortlichkeit auf Dänemark.“
(Oho! Der „Edle“ glaubt wohl, das deutsche Volk hätte das verrätherische Verfahren der deutschen Volks-Zertreter in Frankfurt bei Genehmigung des Waffenstillstandes ganz vergessen und
wüßte nicht, daß alle Schmach und alle Schande in erster Linie auf die saubere Majorität der Paulskirche zurückfällt.)
In Betreff des Einmarsches der Russen in Siebenbürgen erklärt der „Edle“ auf eine frühere Interpellation Vischer's (Tübingen), daß er sich an den östreichischen
Bevollmächtigten um Ausschluß verwendet. (Wahrhaft köstlich! Was konnte auch ein für die heilige Standrechts- und Bestien-Allianz von Rußland, Oestreich und Preußen gewonnenes Reichsministerium
anderes thun?)
Hr. Rießer (Hamburg) zwingt sich in Betreff der dänischen Angelegenheit einige patriotische Flennereien ab, die von seinem Geistesgelichter beklatscht werden.
Auch Hr. Jacobus Venedey (aus Köln) wird über das Gagern-Rießer'sche Gesalbader wieder einmal zu patriotischem Aepfelmuß umgerührt und haspelte nun ebenfalls einige wohlfeile, aber desto
lügenhaftere Phrasen von Deutschlands Stärke und Entschlossenheit, „den Feind (das ist doch nicht etwa der winzige Däne?) abzuwehren und den Tempel ‒ seiner Einheit (!!) zu bauen!
“ Ihr kläglichen Pfuscher zu Frankfurt wollt doch nicht etwa die Baumeister sein? Man wird Euch Eure Baugelüste seitens der heiligen Allianz sehr bald gehörig anstreichen. Die Knute ist schon
bis nach Siebenbürgen vorgerückt und erst wenn sie auf Eurem Rücken und einem andern Theile von Euch umhertanzt, werdet ihr vielleicht inne werden, daß die Nemesis für den Verrath am Volke Euch ereilt
hat.
Fehrenbach (aus Säckingen) stellt folgenden dringlichen Antrag:
Um die angeblichen Gründe zur fortdauernden Verlegung von Reichstruppen in das Großherzogthum Baden prüfen und weitere Anträge stellen zu können, beantrage ich
„die hohe Nationalversammlung wolle das Reichskriegsministerium auffordern, die deßfallsigen Akten auf den Tisch des Hauses niederzulegen“.
F hrenbach weist durch eine Menge Aktenstücke das üble Betragen der „Reichs“-Soldaten nach und wie daher allein die Aufregung der badischen Bevölkerung gegen diese Reichstruppen zu
erklären sei. Er hält eine Amnestie für alle in die letzten Aufstände Verwickelten für das einzige Beruhigungsmittel (Die Rechte lärmt, als wenn sie in einer Fuhrmannskneipe wäre). Es sei lediglich
das böse Gewissen eines schlechten Ministeriums, das überall gefahrdrohende Gestalten erblicke und den Schutz der Reichstruppen wieder dieselben herbeirufe. Freundchen Buß (dessen Vatermörder heute
etwas schmutzig aussehen) will einfache Tagesordnung. (Der gute Junge!) Fröbel hebt den Unsinn in den Anschuldigungen hervor, die das Ministerium Bekk gegen ihn (Fröbel) vorgebracht und von seinen
Besuchen in Baden als vorbereitenden Schritten zu einem neuen Aufstande gefabelt habe. Er überläßt Andern die Entscheidung, ob Hr. Bekk mehr „leichtsinnig“ oder „böswillig“
zu nennen. Brutus-Bassermann bricht sofort eine seiner stumpfen Lanzen zu Gunsten seines Mitverräthers an der deutschen Volkssache. Zum Ueberfluß kommt ihm auch noch der „Edle“ zu Hülfe
und der dringliche Antrag Fehrenbach's wird, wie vorauszusehen war, mit Uebergang zur Tagesordnung beseitigt.
Jetzt kommt Hr. Reichensperger im Namen des Wahlbegutachtungs-Ausschusses und beantragt in Betreff der am 26. Oktober v. J. in Thiengen abermals erfolgten Wahl Hecker's zum Abgeordneten nach
Frankfurt, daß man bei dem frühern Beschlusse ‒ der Ungültigkeitserklärung ‒ stehen bleibe. Trotz L. Simon's eindringlichen Worten für die Gültigkeit der Thiengen'schen
Wahl wird letztere abermals kassirt. Und wie schnell das im „Reiche“ zugeht!! Potztausend! Am 26. Oktbr. 1848 fand die Wahl Hecker's statt und schon am 5. März 1849 beschließen
die Paulskirchner die Ungültigkeit derselben.
Schon um 1 Uhr vertagen sich die Herren. Nächste Sitzung: Donnerstag, den 8. d. Mts. Tagesordnung: 2. Lesung des rückständigen Theils der ‒ † † † ‒
„Grundrechte.“
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Frankfurt, 5. März.
In der großen Saline Ort bei Aschaffenburg ist ein Aufstand ausgebrochen. Die Aufständischen beabsichtigten, die Saline zu plündern, und zu dem Ende vorher die
Kaserne in Brand zu stecken. Die in Ort stationirten Soldaten vertheidigten sich tapfer, mußten sich aber, da ihrer nur vierzig waren, der Aufständischen aber gegen 800, darunter viele Bauern aus dem
Kurhessischen, vor der Uebermacht zurückziehen. Dem Vernehmen nach haben die Truppen drei Mann verloren, von den Aufrührern sollen fünfzehn erschossen sein. Es sind sogleich Reichstruppen, Infanterie
und Kavallerie, nach dem Aschaffenburgischen abgeschickt.
[(D. Z.)]
Italien.
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[
*
] Rom, 24. Febr.
Der römische Minister der auswärtigen Angelegenheiten, Carlo Rusconi, hat folgendes Cirkular an das diplomatische Corps erlassen:
„Ein unerhörtes Ereigniß hat stattgefunden, und ich nehme Ihre ganze Aufmerksamkeit dafür in Anspruch, weil es das Völkerrecht verletzt und die Würde Europa's kompromittirt. Das
Territorium der römischen Republik ist überfallen worden von österreichischen Truppen, und Ferrara mußte sich den Bedingungen fügen, die ein insolventer Feind ihm auferlegt hat. Man wagt zum Vorwande
dieses neuen Insultes von Seiten der kaiserlichen Armee die Konstituirung der Republik, zu der das Volk berechtigt ist, zu nehmen, und unter der Wucht der Bajonette zwingt man eine ganze Bevölkerung
die Embleme wieder aufzurichten, welche sie selbst niedergeschlagen hatte als gehässige Zeichen einer Herrschaft, die sie beständig unglücklich gemacht hat. Die römische Republik protestirt aus allen
Kräften gegen diesen Mißbrauch der Gewalt und gegen diese Verletzung des Völkerrechts, und bittet Sie, diese Protestation Ihrer Regierung zukommen zu lassen. Wenn unsre Worte nicht gehört würden,
könnte der europäische Frieden bedroht werden und die Loyalität aller seiner Regierungen würde verdächtigt; denn alle haben ein ebenso großes Interesse wie die Republik, die Unabhängigkeit der
Nationen unverletzt zu erhalten. Ein furchtbarer Krieg würde einen Abgrund graben, der unfehlbar alle die verschlingen würde, die ähnliche Excesse nicht unterdrücken wollten, obgleich sie die Macht
dazu in der Hand hatten. Das römische Volk hat von seinem Rechte Gebrauch gemacht, wie so viele andre Völker, indem es sich eine Regierungsform aus eigner Machtfülle gab, und es ist bereit, unter den
Ruinen seiner Städte sich begraben zu lassen, ehe es den selbst auferlegten Verpflichtungen untreu werden und die öffentliche Sache der Willkühr eines erbarmungslosen Feindes preisgeben wird. Die
römische Republik ist nicht das Ergebniß einer plötzlichen Aufwallung; sie ist das logische, unvermeidliche Resultat einer Reihe von Begebenheiten, die ich hier nicht analysiren will, weil man die
Besiegten stets schonen muß. Nehmen Sie also diese Protestation in Empfang, die ich Ihnen im Namen eines ganzen Volke überreiche, das sich eher unter den Trümmern seiner Wohnungen begraben läßt, als
sich den Anmuthungen einer Horde von Kroaten zu fügen. Italien ‒ Europa kann es nicht verkennen ‒ ist reif für die Freiheit; es derselben berauben zu wollen, wäre eine Thorheit, die nur
mit dem Untergang schuldloser Bevölkerungen enden könnte. Vor Europa, vor der Welt, bei den Rechten der Nationen, im Angesichte Gottes und der Menschen, erklärt die römische Republik diese neue
Invasion für verrucht und verbrecherisch, und bereitet sich vor, mit allen Mitteln, die die Freiheit dem Menschen liefert, ihr zu widerstehn.
Möge Ihr Land, durch Ihre Vermittlung, möge ganz Europa den Beginn dieses Kampfes erfahren und möge die Schmach und der Schaden die treffen, die ihn sich haben erfüllen lassen.“
In der Sitzung der römischen Constituante vom 21. Februar sagte Minister Sterbini:
„Die Ligue zwischen der Priesterkaste, Oesterreich und den Bourbonen ist jetzt eine unwiderlegliche Thatsache. Man wirft Italien eine Herausforderung hin, die Blut verlangt. Soll ich es
aussprechen? Mich hatte eine geheime Freude durchzuckt bei der Nachricht von den Ereignissen zu Ferrara, denn ich sah damit die Zeit gekommen, die ganze republikanische Energie zu beweisen. Es ist die
Zeit gekommen, jene Maßregeln zu ergreifen, welche ein Volk zu einem Volke von Riesen machen, in seinen eigenen Augen, in den Augen des Auslandes. Was hat Rom heute zu fürchten? Wir stehn nicht mehr
allein, Toskana ist mit uns. Livorno und Florenz haben die Republik proklamirt und die Vereinigung mit Rom; Genua ist mit uns; das Volk von Piemont ist mit uns, wehe seinem Könige, wenn er nicht
sofort ins Feld zieht, und wenn er unsre Regierung nicht unmittelbar anerkennt. Kein Gioberti wird ihn retten. An uns, denen es gegeben war, Italien den ersten Anstoß zu geben, an uns ist es, zuerst
den Feldzug zu eröffnen. Keine halben Maßregeln, keine Transaktion! Ein einziger Gedanke nur bemächtige sich unser Gemüther, der Ruhm der Republik, die Freiheit Italiens!“
In der Sitzung der römischen Constituante vom 22. Februar rief Caroli aus:
„Bürger! Es ist nothwendig, daß die Republik in den Arsenalen von Frankreich eine Artilleriebatterie kauft. Man wird für den Dienst alle Pferde, mit Ausnahme der für den Ackerbau und den
Handel unentbehrlichen in Anspruch nehmen. Die Republik muß selbst Kanonen gießen und im Nothfall wird man die Glocken dazu nehmen. (Beifallsruf.) Man muß von Venedig 20 Stück Belagerungsgeschütz
kommen lassen, um sie gegen die Citadelle von Ferrara zu richten. Ueberall müssen die Freiwilligen einrollirt werden, Kriegsmunition angefertigt, Kugeln, Cartouchen und Pulver. Zwei Dampfschiffe
mindestens sind zu beschaffen für den regelmäßigen Dienst von Civita-Vecchia und Ankona. Auf den Apenninen sind Posten zu errichten, um die Einwohnerschaften zu decken. In einem Worte, um mich zu
resümiren, keine Worte mehr, Thaten!“ (Beifall.) Sterbini ergriff hierauf das Wort: „Ich billige diese durch einen reinen Patriotismus diktirten Pläne, aber das Wichtige ist,
Geld zu schaffen. Mit Geld wird man alles haben, was noch mangelt. Ich verlange, daß die Versammlung jede andre Diskussion beseitigt, um sich mit dem Vorschlage einer gezwungenen Anleihe
ausschließlich zu beschäftigen, und daß man in allen Provinzen die regelrechte Eintreibung der Staatssteuern überwacht. So wird es möglich sein, vorwärts zu gehen.“ (Beifall.) Die Versammlung
beschloß darauf einstimmig, daß die Herren Mayr und Pichat sich um das Vaterland wohlverdient gemacht durch ihr Betragen bei der Einnahme von Ferrara.
In der Sitzung der römischen Constituante vom 21. Februar wurde die ganze Republik solidarisch verbindlich erklärt für allen Schaden, den die Oestreicher in Ferrara oder jedem andern römischen
Landestheile anrichten würde. Am 20. Februar theilte der Minister der auswärtigen Angelegenheiten der Constituante einen Brief von Livorno mit, der anzeigt, daß die vereinigten Klubs in öffentlicher
Sitzung eine Deputation an die provisorische Regierung von Toskana ernannt haben, um sie zur sofortigen Proklamation der Vereinigung von Rom und Toskana aufzufordern.
Die Nachrichten aus den Provinzen lauten durchaus erfreulich. Ueberall derselbe Enthusiasmus.
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*
] Toskana.
Die „Alba“ vom 25. Februar resümirt die Lage und die Bedürfnisse Italien's in folgenden Zeilen:
„Waffen! Geld! Männer! ‒ Ohne Waffen ist eine Revolution meist nur eine schlechtaufgeführte Tragödie. ‒ Geld! Geld! Geld! Ohne Geld, unmöglich die Revolutionen zu wollen.
‒ Männer! Männer! Männer! Ohne Massenerhebung sind Revolutionen ein stehendes Wasser. Also Männer, Waffen, Geld! ‒ Eine Revolution, die das Volk nicht bewaffnet, kein Geld von ihm
verlangt und den populären Enthusiasmus nicht unterhält, ist nichts als eine Täuschung, und die Geschichte würde sie ein Verbrechen nennen, das sich an die Stelle eines andren Verbrechens drängte.
Waffen! Geld! Männer!“
Dasselbe Blatt schreibt:
„Die Beruhigung Toskana's die Flucht Laugier's, der Rückzug der Oestreicher, der Sturz Gioberti's, haben die Existenz unsrer Regierung befestigt, aber ihr zu gleicher
Zeit neue Verbindlichkeiten auferlegt, Verbindlichkeiten, mit denen nicht zu transigiren ist. Die Absetzung des Fürsten, die Vereinigung mit Rom werden heute eine unwiderstehliche Nothwendigkeit,
welche eine Masse Ausnahmsmaßregeln nach sich zieht. Eine einzige Regierung für Rom und Toskana! Eine einzige Idee für diese Regierung: der Krieg. Ein einziges Vaterland für die Regierer und
Regierten Italien's.“
Zu Florenz fand am Abende des 24. Februar ein zahlreicher Aufzug in den Hauptstraßen mit Tambouren, Fahnen und Fackeln Statt. An der Spitze der Zuges befanden sich ländliche Bürgergarden.
Diese Volksovation galt dem Pfarrer von Santa-Lucca, der sich geweigert hatte, die Sturmglocke zu läuten und contrerevolutionäre Feuersignale in der berüchtigten Nacht vom 21. Febr. anzuzünden. Er war
daher gezwungen, sich versteckt zu halten, um sich dem ihm von den Reaktionären angedrohten Tode zu entziehen. Dieser Pfarrer heißt Camillo Barni.
Eine telegraphische Depesche von Pisa, datirt vom 24. Febrrar 11 Uhr 39 Minuten, bestätigt die Nachricht von der Flucht Laugier's; alle seine Truppen waren in die Reihen des Generals
d'Apice übergangen.
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*
] Massa, 26. Febr.
Am 24. Februar Abends hielten die Demokraten ihren Einzug in Massa-Carrara unter dem Beifallsruf des Volkes. Soldaten und Volk trugen Oelzweige. Kein
einziger Flintenschuß war gefallen, die Oelzweige hatten gesiegt.
Guerazzi sprach zum Volke und zu der Armee. Er wurde jeden Augenblick unterbrochen durch fanatische Beifallsbezeugungen. Er
[1327]
wird die Runde durch ganz Lunigiana machen, vor seiner Rückkehr nach Florenz. Er ist begleitet vom General d'Apice.
Der Verräther Laugier hat wie ein Feigling die Gastfreundschaft des piemontesischen Generals Lamarmora zu Spezzia angefleht. Ehe er Massa verließ, ging er zum Delegirten und verlangte 8000 Francs
von ihm, die der letztere energisch verweigerte. Dann stieg er zu Pferde, gefolgt von 8 Dragonern, seiner ganzen Armee, und ergriff feig die Flucht, die Verwünschungen aller guten Toskaner mit sich
nehmend.
Die Soldaten, die sich betrogen sahen, wollten auf ihn schießen, aber das Volk, immer großmüthig, hat sie daran verhindert. Die Regierung läßt allen in ihrer Proklamation Verzeihung angedeihen. Sie
ersucht die Soldaten unter die Fahnen zurückzukehren; sie läßt allen Offizieren, selbst den Schuldigsten, ihren Grad (sehr unzeitgemäße Großmuth!) und fordert sie auf, ihrem Lande, wo sie das
Tageslicht erblickt, zu dienen, statt den Tyrannen. Die Offiziere kamen, ihre Unterwerfung anzuzeigen, Guerazzi richtete einige Worte an sie.
So ist alles beendet und der durch den infamen Verräther Laugier heraufbeschworne Bürgerkrieg hat sich aufgelös't in Feste und Tänze. Ueberall werden Freiheitsbäume aufgepflanzt. Alle Welt
umarmt sich unter dem Rufe: „Krieg und Ausrottung den östreichischen Barbaren!“
Die toskanische Republik errichtet ein Lager bei Pistojo.
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*
] Turin, 28. Februar.
Es ist jetzt erwiesen, daß das Projekt der piemontesischen Intervention kombinirt war mit dem Einrücken des neapolitanischen Bourbonen in
die römischen Staaten, alles unter den Auspizien der englischen und französischen Diplomatie. Die Haltung der sardinischen Volksvertreter hat den feigen Verräther Karl Albert und den
„modernen Jesuiten“ Gioberti eingeschüchtert und die würdige englisch-französische Diplomatie hat das Zusehen.
Die Demokratie macht täglich neue Fortschritte in den sardinischen Staaten.
In der Sitzung der Turiner Deputirtenkammer vom 27. Febr. sucht der Deputirte Lauzza in einem längern geschriebenen Vortrage nachzuweisen: 1) daß die toskanische Republik ungesetzlich und
gegen den Wunsch der Nation eingeführt worden ist durch Zerstörung des gesellschaftlichen Gebäudes; 2) daß Oestreich das Recht hat, in Toskana zu interveniren in Folge des ihm durch die Verträge von
1815 garantirten Wiederanheimfalles dieses Staates; 3) daß wenn man im Unabhängigkeitskriege das Recht hat, sich aller Mittel zu bedienen, selbst der nicht eingestehbaren, jeder italienische Staat
auch das Recht hat, in dem andern zu interveniren, selbst mit bewaffneter Gewalt.
Diese Rede rief in der ganzen Versammlung und in den Tribünen einen allgemeinen Schrei der Entrüstung hervor. Die Deputirten Mellana, Scotto-Pintor, Ranco und andere widerlegen sie und sprechen ihr
Erstaunen aus, daß in einer italienischen Kammer ein Deputirter die Unverschämtheit besaß, derartiges vorzutragen. Michellini führt aus, daß die italienischen Provinzen das Recht haben, sich zu
konstituiren, wie ihnen gutdünkt, selbst ehe sie ihre Adhesion zu der Einheit gegeben haben.
In einer sehr lebhaften Diskussion, woran Josti und Lione Theil nahmen, werden die antinationalen Doktrinen gebrandmarkt. Der Präsident erklärt die Debatte über §. 6 für geschlossen und verliest
das Amendement Bargagni's, worin dieses Mitglied vorschlägt, im Falle nicht unmittelbar der Krieg statt habe, Deputirte zur römischen Constituante zu schicken, mit dem bestimmten Mandat,
sich über die Mittel der Kriegsführung zu verständigen. Der Deputirte Deprèti bemerkt: der Wunsch der Kommission sei, alle nationalen Kräfte zu vereinigen, um die Sache der
Unabhängigkeit triumphiren zu machen. Diese Kommission habe sich offen ausgesprochen für die unmittelbare Eröffnung des Kriegs. Das Amendement Bargagnis sei daher überflüssig. Es verstehe sich nach
dem Sinne der ganzen Adresse von selbst.
Das besagte Amendement wird verworfen.
Noch einige Tage und Turin, Rom, Florenz werden gemeinschaftlich die italienische Unabhängigkeit erobern; Neapel, Mailand und Venedig werden sich ihnen anschließen.
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[
*
] Genua.
Der hiesige britische Consul hat in allen Journalen die Erklärung veröffentlicht, daß Sir G. Hamilton Florenz nicht verlassen hat und daß weder er, noch eine
andere der brittischen Gesandtschaft angehörige Person sich an die Grenzen begeben, um sich dem Einmarsch der piemontesischen Truppen zu widersetzen. ‒ Am 28. Febr. wurde hier von den Franzosen
in der Madonnenkirche ein Trauergottesdienst für die Gefallenen des 23. und 24. Febr. abgehalten. Unter den Beiwohnenden bemerkte man den Consul, den Viceconsul und den Generalstab der Kriegskorvette
Comore, sowie eine große Menge anderer Franzosen. ‒ Das neue sicilianische Ministerium ist zusammengesetzt wie folgt: Prinz v. Buttera, auswärtige Angelegenheiten und Handel;
Major Poulet, Krieg und Marine; Advokat und Deputirter Mario, Kultus und Justizminister; Marquis Della Corda, Inneres; Baron Tunico Calorma, Unterricht und öffentliche Arbeiten.
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*
] Mailand, 2. März.
Radetzky, seine Generale und die höheren östreichischen Beamten machen hier Privatprofite, die alle Schätzung übersteigen. Es herrscht unter ihnen eine
wahre Concurrenz im Stehlen, und sie schicken ganze Lastwagen von Beute nach Deutschland und Kroatien. Am Tage, wo eine neue Erhebung der Lombardei die Barbaren aus Italien herausgepeitscht hat,
werden die rückkehrenden Emigrirten ihre Häuser leer finden, ihre Landschaften verwüstet. Die Erbitterung hat ihren Culminationspunkt erreicht; aber die Mailänder scheinen ihre neue Erhebung für den
Augenblick festgestellt zu haben, wo die Kanonen vom Tessin donnern. Ganz Italien ist entschlossen, ein für allemal mit den Barbaren ein Ende zu machen; die Streitkräfte organisiren sich zu Venedig
und Piemont, in Toskana, zu Rom, in Sicilien: die schöne Jahreszeit wird nicht vorüber gehn, ohne einen neuen Feldzug zu sehn, und dießmal wird die Wuth der Insurrektion keine Grenzen kennen und kein
Pardon geben.
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*
] Neapel, 21. Febr.
Die beiden Kammern sind unter einander uneins geworden. Die Deputirtenkammer verweigert die Genehmigung eines die Steuern auf ein halbes Jahr
verwilligenden Gesetzentwurfs, der von der Pairskammer angenommen worden. Es ist jetzt eine gemischte Kommission gebildet worden, die eine Ausgleichung versuchen soll. In Betreff der sizilischen Frage
ist ein Adjudant des Admiral Baudin mit dem Ultimatum nach Palermo abgegangen, und man erwartet stündlich seine Rückkehr. Der König von Neapel besteht als auf einer conditio sine qua non, daß die
Forts von Palermo durch neapolitanische Truppen besetzt werden sollen, wie auch, daß er allein die Offiziere zu ernennen habe. Es sollen hier ziemlich stürmische Kabinetssitzungen stattgefunden haben
und man spricht wieder einmal von einem Ministerwechsel. Täglich gehen Truppen nach der römischen Grenze hinab; es muß dort schon ein ganz bedeutendes Korps versammelt sein.
Französische Republik.
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[
12
] Paris, 4. März.
Richtig! Wir sind wirklich wieder an den 22. Februar vorigen Jahres angelangt; dieselben Fragen tauchen wieder auf; dieselben Gesetze kommen wieder in
Anregung. Wie im vorigen Jahre, so war es auch jetzt wieder Ledru-Rollin, der die Freiheit der Banketts und der Associationen vertheidigte; aber statt Guizot finden wir jetzt Barrot, der die Anwendung
des Gesetzes von 1790 verlangt. Resumiren wir kurz den Thatbestand. Gegen 900 Studenten hatten sich am ersten März im Saal eines Restauranten vereinigt, um ein Bankett zu feiern. Während des Mahles,
an dem derselbe Abgeordnete Bernard Theil nahm, welcher das Ministerium interpellirt, tritt ein Polizeikommissar hinein und behauptet das Recht zu haben, dem Feste beizuwohnen. Die Mitglieder des
Banketts machen ihm dieses Recht streitig. Der Kommissar kommt mit 50 bis 60 Polizeiagenten zurück, dringt ohne weitere Formalitäten in den Saal ein, und läßt ihn räumen. Pierre Leroux, welcher das
Bankett präsidirte, unterstützt die Interpellation seines Kollegen Bernard; er vertheidigt das Vereinigungsrecht, wie es im Februar errungen, gegen Barrot und Leon Faucher, die sich auf das Gesetz von
1790 berufen.
Die Frage, welche die Februar-Revolution hervorrief, wäre sonach in ihrer ursprünglichen Form wiedergekommen. Die Rechtsfrage, behauptet das Ministerium, ist keineswegs durch die Konstitution
erledigt; das Gesetz von 1790 besteht in seiner ganzen Kraft. Wahrhaftig, das Journal des Debats hat Recht: Die heutige Sitzung der Kammer war ganz geeignet, die Flintenschüsse in Vergessenheit zu
bringen, welche diese Frage auf der Straße gelöst haben, nachdem man in der Kammer vergebens darüber debattirt hatte. Aber nein! die Debatte vom vorigen Jahre sollte erneuert werden, der 22. Februar
sollte abermals aufgeführt werden. Nur waren es nicht Guizot und Duchatel, welche das Recht der Regierung, dem Vereinigungsrecht gegenüber vertheidigten und das Gesetz von 1790 in Anspruch nahmen; es
waren Barrot, Faucher und Grandin. Barrot stützte sich auf dieses Gesetz von 1790, als die einzige Garantie der öffentlichen Ordnung und Ruhe, und rief denselben Skandal hervor, wie damals Guizot und
Hebert. Grandin unterstützt Barrot; Grandin ist ein junger Hebert; Grandin findet, daß Barrot und Faucher nicht energisch genug verfahren; er wirft dem Ministerium seine Nachsicht vor gegen die
verderblichen Doktrinen, die in allen Banketts und sonstigen öffentlichen Versammlungen zu Tage gefördert würden.
Grandin ist Tuchfabrikant; er kennt die Lage der arbeitenden Klasse, er kennt ganz vortrefflich ihr Elend; er beschäftigt selbst eine Masse von Arbeitern, und gesteht ganz naiv, daß diese
Unglücklichen, um ihren Hunger zu stillen, oder vielmehr zu täuschen, darauf angewiesen wären, rohe Kräuter zu essen. Und was ist Schuld an dem Elende des Volkes? Die Banketts, die Klubs: deshalb
müssen sie geschlossen werden. Ganz die Sprache der alten Regierung gegen die alte Opposition. Ledru Rollin hebt dies auf eine treffende Weise hervor. Er führt die Worte Duvergier's und
Malleville's wörtlich an, die damals sich auch rechtfertigen mußten, daß man ihnen die Störung in den Geschäften, das Eindringen der sogenannten anarchischen Ideen Schuld gab. Barrot ging noch
weiter, als man im vorigen Jahre bei Gelegenheit der Banketts das vermeintliche Gesetz vom 1. Sept. in Anwendung bringen wollte. „Es ist unglaublich, sagte er, daß man nach 50 Jahren den
Bürgern das heiligste aller Rechte verbieten will, das Recht der Vereinigung.“ Was antwortete damals Guizot? „Wenn Ihr in derselben Lage wäret, wie wir, wenn Ihr von denselben
Anforderungen gedrängt würdet, wie wir, so würdet Ihr gerade so handeln, wie wir jetzt handeln.“ Dies war die Antwort, die Guizot damals dem Herrn Barrot ertheilte. Herr Barrot aber schrie
damals: „Nein, nein! ich nehme die formelle Verpflichtung über mich, daß ich nicht so handeln werde; ich setze mein Wort ein!“ „Ich nehme das Wort des Herrn Barrot nicht als eine
Garantie an!“ war die Antwort des Herrn Guizot.
Die Sitzung hätte beinahe geendet wie damals. Einige Freunde des Ministeriums trugen auf ein Satisfactions-Votum an, Das Ministerium begnügte sich mit der einfachen Tagesordnung, die auch wirklich
von der Kammer angenommen wurde.
Trotz Barrot und Kammer und Polizei nehmen die demokratischen Banketts immer mehr zu; das Militär selbst nimmt Theil an denselben; sie verbreiten sich über ganz Frankreich, und die Reden, welche
dort gehalten werden, zeigen klar, daß sie das durch Flintenschüsse eroberte Recht abermals mit Flintenschüsse zu erobern bereit sind.
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*
] Paris, 5. März.
Die Angeklagten vom 15. Mai sind heute aus dem Gefängnisse St. Vincennes nach der Eisenbahn transportirt worden, um von da weiter nach Bourges mit dem
Zuge der Orleansbahn befördert zu werden. Im ersten Zellenwagen befanden sich Barbés, Albert, Blanqui, Larger, Raspail und Sobrier. Eine halbe Stunde nach dem Abgange des ersten Wagens von St.
Vincennes, nahm ein zweiter vier andere Angeklagte auf: Courtais, Flotte, Barme und Quentin, die in der Conciergerie saßen; dann wurden die beiden letzten, Paul Degré und Thomas, ebenfalls in
einem Zellenwagen aus dem Gefängnisse St. Pelagie abgeholt. Diese drei Wagen kamen fast zu gleicher Zeit unter starker Militärbedeckung in dem Bahnhof der Orleans-Eisenbahn an. Im Bahnhofe selbst
befand sich der Polizeipräfekt, um die nöthigen Befehle zu geben. Die Zellenwagen, welche die Gefangenen aus ihren Gefängnissen hierhergebracht, wurden wie Waggons dem Zuge so zu sagen einverleibt,
während die übrigen Waggons von 200 Gensd'armen und sonstigen Beamten besetzt wurden.
Man hatte außerordentliche Maßregeln zur Bewachung der Gefangenen gebraucht. Raspail war äußerst entrüstet über die Vorkehrungen, die man getroffen, und protestirte mit aller Energie gegen die Art
des Transports. Sobrier fügte hinzu; „wie leicht wäre es mir gewesen, als ich Polizeipräfekt war, alle diese Bourgeois einstecken zu lassen. Ich säße jetzt nicht hier.“ ‒
„Geduld, sagte sein Nachbar, ebenfalls ein Angeklagter; das wird schon wieder kommen, die Sache ist noch nicht zu Ende.“ Beim Abgange des Zuges schrien die Gefangenen: „Es lebe
die soziale-demokratische Republik.“ Es waren im Ganzen 15 Waggons; ein Waggon zweiter Klasse enthielt nur Polizeiagenten; die Offiziere waren im ersten Waggon.
Auf den Schlage fünf Uhr wurde das Signal zur Abreise gegeben, und der Zug fuhr dahin mit vollem Dampfe.
In einem Zuge, der kurz nachher abfuhr, wurden die Ueberführungsstücke, wie Waffen, Dolche, welche man in der Wohnung Sobriers ergriffen, nach Bourges gebracht. Es befindet sich hierunter eine
schwarze Tafel, worauf mit Kreide die Namen der Männer verzeichnet sind, welche die künftige provisorische Regierung bilden sollen. Wir bemerken unter ihnen Albert als Minister der öffentlichen
Bauten, Hubert als Finanzminister.
Zu Bourges selbst sind die Vorkehrungen, die man getroffen, noch weit kolossaler. Der General Marey-Monge bereitet für den Tag, wo die Gefangenen ankommen, eine Revue der gesammten Truppen vor, die
sich in der Stadt befinden. Man sollte jetzt schon glauben, man befände sich völlig in einer Kriegsstadt: die friedlichen Einwohner erinnern sich nicht, jemals Rüstungen der Art in den Mauern ihrer
friedlichen Stadt gesehen zu haben. Alle Gasthäuser sind angefüllt mit Fremden. Um das Gefängniß herum, welches zur Aufnahme der Gefangenen bereitet ist, sind alle anliegenden Häuser in Wachtstuben
umgewandelt worden.
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@facs | 1327 |
[
X
] Bourges, 4. März.
Die Gefangenen von Vincennes sind hier angelangt. Schon vorher hatte eine Depesche ihre Abreise von Vincennes gemeldet, und sogleich setzte sich die
bewaffnete Macht unserer Stadt in Bewegung. Die Straßen, die die Gefangnen, um zum Hotel genannt Jaques-Coeur zu gelangen, passiren mußten, waren mit Posten besetzt, die in lauter kleinen Entfernungen
aufgestellt waren. Die Barriere St. Sulpice, sowie alle Thore von Bourges waren mit starken Truppenabtheilungen besetzt. Besonders große Vorkehrungen waren auf dem Bahnhof getroffen, wo die Gefangenen
aus den Waggons stiegen. Gegen 12 Uhr wurde man den Zug gewahr. Auf den Waggons stand geschrieben: transport des prisonniers. Die Gensdarmen hielten das Gewehr schlagfertig. Madame Courtais begleitete
ihren Mann; der General war im schwarzen Frack, Blanqui hatte eine Mütze auf.
Die angekündigte Revue hat wirklich heute Statt gefunden, und zwar zu gleicher Zeit, als die Neuangekommenen von Vincennes in Bourges eingekerkert wurden. Diese Maßregel konnte nur einigen
friedfertigen Philistern in Bourges imponiren; das Militär selbst lachte zu dieser Revue. Ledru-Rollin hat Recht: Die Demokratie herrscht im Heere; die Gensd'armen allein sind dem alten Systeme
getreu; die Gensd'armen werden besoldet von der Reaktion. Aber nachdem man die „getreue mobile Garde“ so schmählich verabschiedet, nachdem man gesehen, welches Loos alle
diejenigen erwartet, welche selbst gegen die „Anarchie“ gekämpft, und wie die Bourgeoisie weiter nichts anerkennt, als die Herrschaft des Geldes, hat sich die Armee, die aus dem Volke
stammt, wieder zum Volke, zu den Arbeitern gewandt, trotz Bugeaud, trotz Changarnier.
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Paris, 5. März.
Das „Univers“ bringt folgende Nachricht:
Gaëta, 24. Februar.
„Die Gesundheit des souveränen Pontifex ist stets vortrefflich. Vorgestern traf der Großherzog von Toscana mit seiner ganzen Familie am Bord eines englischen Dampfschiffes hier ein. Er begab
sich sogleich zum souveränen Pontifex. Eine halbe Stunde später kehrte er zum Mole di Gaëta zurück. Das diplomatische Korps begleitete ihn bis hieher, hat aber sogleich wieder seinen Rückweg
nach Livorno angetreten, mit Ausnahme des päbstlichen Nuntius, der in Gaëta geblieben ist.“
‒ Aus Malta von 25. Februar gingen dagegen Depeschen nach London von hoher Wichtigkeit hier durch. Es heißt: Die Pforte habe das russische Gesuch, eine Flotte durch die Dardanellen zu
lassen, abgeschlagen, Tittoff, darüber wüthend, habe erklärt: die russische Flotte werde den Durchgang erzwingen und so sei plötzliches Leben in jene Gegend gefahren. Das diplomatische Korps
entwickele eine große Thätigkeit und stimme dem Divan bei.
‒ Aus Turin empfing der Konstitutionnell auf ausserordentlichem Wege den Schluß der Kammersitzung v. 27. Febr. Das Mißtrauens-Amendement Bargagni's: „Wenn das Ministerium nicht
sofort den Feldzug gegen Oestreich eröffne, vier Gesandte nach Rom in die Konstituante zu schicken, um sich mit ihr wegen des Kriegs zu verständigen, wurde auf die wiederholten Erklärungen der
Minister in ihre patriotischen Gesinnungen keinen Zweifel zu setzen, fast einstimmig verworfen. Somit rückte die Adressdiskussion um einen bedeutenden Schritt vorwärts. Am 28. Februar kam sie indessen
noch nicht zu Ende.
‒ In Lyon herrscht eine große Verwirrung im Gemeinderathe. Wie uns die Blätter vom 3. März Abends melden, hat auch der Maire des Proletarier-Viertels Croix Rousse sein Amt nieder gelegt.
Kein Mensch, scheint es, will die Ruthenstreiche der Hrn. Faucher und Bugeaud mit Langmuth ertragen.
‒ Aller Augen sind nach Bourges gerichtet. Unsere Morgenblätter bringen heute die ersten dramatischen Details über die von uns schon gemeldete nächtliche Abfahrt der Maiangeklagten aus
Vincennes und anderen Stadtgefängnissen. Diesen Berichten zufolge ließ Raspail eine energische Protestation in dem Augenblicke erschallen, wo man ihn zwang den Zellenwagen zu besteigen, der ihn auf
die Gerichtsstätte ‒ das bürgerliche Golgatha ‒ abführte. Die ausserordentlichen Vorsichtsmaßregeln, mit denen sich Herr Carlier und der Kassationshof umgaben, beweisen nur zu klar, wie
schiffbrüchig der franz. Rechtsboden geworden.
‒ Die heilige Dreifaltigkeit der Rue de Poitiers (Molé, Thiers und Berryer wird morgen ihr Wahlmanifest vom Stapel laufen lassen.
‒ Es ist die Bildung eines Truppen-Korps von 3600 Mann beschlossen, das ausschließlich zur Beilegung der La Platanhändel verwandt werden soll. Bei der Masse brodloser junger Taugenichtse ist
der Andrang zu den diesfälligen Anwerbungen sehr stark.
‒ Die Mordgeschichten und Liebesabentheuer in der Rue d'Anjou, auf die wir Sie vorgestern schon aufmerksam machten, locken viele Müssiggänger in jene Gegend, welche die Oertlichkeiten
von Weitem angaffen. Madame Carabi, Veranlassung dieses Familiendrama's, ist gefänglich eingezogen worden und sitzt neben allerlei Lumpenpack in der Conciergerie. Sie war sieben Jahre mit dem
transatlantischen Othello verheirathet, ist Mutter von vier Kindern und wie uns Jemand aus der Nachbarschaft versicherte, von bewundernswerther Schönheit. Ihr Familienname heißt Blanchard.
‒ Die „Revolution“ behauptet: die Härte der Bankdirektion dem Kleinhandel gegenüber sowie die plötzliche Entziehung aller Brod- und Fleisch-Bons sei ein neues Mittel, das
Proletariat zur Verzweiflung zu bringen und es zur Emeute zu fordern, um es zusammenzuschießen. So etwas sieht unseren Afrikanern allerdings ähnlich.
‒ Heute Abend 6tes großes Volks-Koncert im Fraternitätssaale à 25 Centimen.
‒ Zu den praktischen Maßregeln der demokratischen Partei neuester Zeit gehörte die Anlage zweier Propaganda-Bureau's, von denen sich das Eine „demokratisch-sozialistische
Propaganda“ nannte und sich ausschließlich mit Verbreitung demokratisch-sozialistischer Bücher und Broschüren beschäftigte; das Andere nannte sich „sozialistische Propaganda,“
raffte alle demokratischen alten Zeitungsblätter zusammen und schickte sie dem Landproletariat gratis zu. Grund genug, an die Zerstörung beider Anstalten zu denken. Wie wir hören, hat das Ministerium,
auf Carlier'sche Berichte hin, sämmtliche Papiere gerichtlich unter der Angabe mit Beschlag belegen lassen, daß sie zu politischen Umtrieben dienten.
‒ Dem Ministerium ist die Nachricht aus Konstantinopel zugegangen, daß der russische Gesandte von der ottomannischen Pforte die Erlaubniß zur Durchfahrt einer russischen Flotte durch die
Dardanellen verlangt und dabei erklärt hat, nöthigenfalls werde sich die Flotte den Durchgang erzwingen.
‒ National-Versammlung. Sitzung vom 5. März. Anfang 2 1/4 Uhr. Präsident Marrast: Die Sitzung beginnt so spät, weil die Erneuerungswahlen der sechs Vizepräsidenten und zweier
Schreiber in den Sitzungssälen vorgenommen werden müssen. Außerdem waren mehrere Kommissionen für Prüfung des von uns vorgestern mitgetheilten Vervollständigungs-Paragraphen zu dem 1831ger
Rheinschifffahrts-Vertrage mit Baden u. s. w. zu wählen.
Malbois verlangt gleich nach dem Protokoll das Wort, um seinen Antrag rücksichtlich größerer Strenge bei Urlauben übermorgen diskutirt zu sehen.
Die Versammlung entscheidet, daß dieser Punkt erst nach der dritten Debatte über das Wahlgesetz beginnt.
Mehrere Lokalgesetze (darunter eine größere Sicherung der Pulvermühlen in Toulouse) wurden erledigt.
Marrast theilt der Versammlung die Büreauwahlen mit.
Zu Vizepräsidenten wurden gewählt: 1) Lamoricière mit 445, 2) Goudchaux mit 384, 3) Havin mit 379, 4) Billault mit 343, 5) Corbon mit 291 und 9) Grevy (!) mit 259 Stimmen.
Die Rue de Poitiers also vollständig geschlagen. Ihr Kandidat Bedeau erhielt nur 240 Stimmen.
Jules Richard und Laussedat werden zu Schreibern gewählt.
Die Versammlung nimmt hiernächst die Debatte auf, die sich auf Errichtung eines Sitzungslokals bezieht.
Die Meinungen sind getheilt. Die Einen möchten das Sitzungslokal in die Tuilerien verlegen, wo die alten Convente saßen. Die Tuilerien sind
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aber zu schmal und sollen wahrscheinlich für andere Zwecke aufbewahrt bleiben. Die Anderen, vorzüglich Bureaux de Pufy, schlagen vor, den alten Deputirtensaal zu vergrößern.
Maissiat bekämpft den Plan, den alten Deputirtensaal zu erweitern. Diese Erweiterung koste 765,000 Franken und sei immer nur Flickwerk. Am Bourbonpalast sei schon so viel geflickt worden; die
Fronte allein sei zwei Mal geändert worden und koste mehrere Millionen. Ferner müßten mehrere kostbare Säle eingerissen werden u. s. w.
Bureaux de Pusy unterstützt dagegen die Erweiterung als den einzigen praktischen Weg, dem Bedürfniß abzuhelfen.
Clement Thomas unterstützt im Namen des Ausschusses den Plan der Erweiterung sowohl vom ökonomischen als praktischen Standpunkte aus.
Maissiat erklärt den Plan noch nicht reif und drängt auf Vertagung.
Diese Vertagung wird nach zweimaliger gewöhnlicher Stimmprobe mit 374 gegen 356 ausgesprochen.
Nun kommt die erste Berathung des Clubgesetzes. (Agitation.)
Da die ersten Berathungen rein formell sind, so entscheidet die Versammlung dahin, nach 5 Tagen zu einer zweiten Berathung zu schreiten.
Der nächste Gegenstand auf der Tagesordnung ist die Frage: Ob der Antrag auf Einleitung einer parlamentarischen Untersuchung des großen Komplotts vom 29. Januar in Betracht zu ziehen sei oder
nicht? Die Mehrheit des Ausschusses trägt bekanntlich darauf an, ihn nicht in Betracht zu ziehen.
Sauteyra, von der Minderheit: Am 30. Januar sagte mir ein Minister, daß mehrere Volksvertreter bei dem Komplot stark kompromittirt wären. (Oh! Oh!) Ein anderer Minister schob das Komplot auf die
Achseln der Mobilgarde. (Oh! Oh!) Das ganze Ministerium war hinter's Licht geführt. (Lärm.) Ich verlange eine zweite Berathung des Antrages. (Ja, ja! Nein, nein!)
Stimmen Rechts: Zur Abstimmung! Zur Abstimmung!
Mathieu (Drôme) donnert gegen die Abstimmung. Man klagt das Volk an, daß es konspirire, daß es Eigenthum und Familie stürzen wolle und das Vertrauen an der Rückkehr hindere. Ich aber sage
Ihnen, daß die wahren Konspiratoren hier auf diesen Bänken sitzen. (Er zeigt auf die Minister. Toben zur Rechten.) Er tritt in lange Details.
Die Versammlung nimmt aber mit 481 gegen 227 Stimmen die Ausschußanträge an und trennt sich um 6 Uhr.