Deutschland.
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@facs | 1276 |
Edition: [Karl Marx: Verteidigungsrede im Prozess gegen den Rheinischen Kreisausschuß der Demokraten, vorgesehen für: MEGA2, I/8.
]
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] Köln, 26. Februar.
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Edition: [Friedrich Engels: Die Russen in Siebenbürgen, vorgesehen für: MEGA2, I/8.
]
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*
] Köln, 26. Februar.
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9
] Berlin, 24. Febr.
Wie ich vernehme, soll die Kammeropposition sich in einer gestrigen Versammlung bei Mielenz entschlossen haben, dem Mummenschanz im weißen Saale nicht
beizuwohnen. Freilich, Carneval ist vorüber. Heute Abend findet wieder eine Versammlung statt, die zahlreicher sein wird, da inzwischen mehr Deputirte eingetroffen sind, obwohl man auf den Straßen nur
noch wenige bekannte Gesichter sieht. Dagegen fallen uns eine Menge würdiger Vollblutgesichter auf, den Granden der Schwaben-Kammer zugehörend.
‒ Die Ernennung des Grafen von Arnim zum Minister des Auswärtigen wird gewiß das ganze Land in ausgelassenes Entzücken versetzen. Dieser „feine“ Mann durfte doch nicht fehlen,
und seine Unvermeidlichkeit stellt uns zugleich die Aussicht hin, daß in nächster Frist auch das Eichhörnchen wieder angesprungen kommt. Bedenklicher als die Ernennung Arnims erscheint Vielen die Wahl
eines Raben zum Finanzminister! Ueber die Verordnung, daß nur diejenigen abgedankten Minister, welche Wirkliche Geheime Räthe sind, auf das Prädikat „Excellenz“ Anspruch machen
können, hat der Herr Baumwollen-Milde Krämpfe bekommen.
In den jüngsten Tagen wurde die hiesige Garnison gewechselt. Die Mehrzahl der etwas mißliebigen 24ger ist fort. Auch gehen viele Transporte kranker Soldaten ab; so soll das Schloß in Köpwik nicht
weniger als 400 Syphitische beherbergen.
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@facs | 1277 |
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X
] Berlin, 24. Febr.
Der Mitarbeiter der „demokratischen Korrespondenz“ Hr. Heilberg, ist gestern Abend plötzlich verhaftet worden. Er ist der
Majestätsbeleidigung und des Erregens von Mißvergnügen durch mehrere Artikel der „demokratischen Korrespondenz“ vom 12. und 18. December, 4. Januar und 14. Februar, angeklagt worden. Er
sah sich veranlaßt darauf anzutragen, ihn der Untersuchungshaft zu entheben, event. aber seine Sache so schleunig als möglich zu erledigen, damit dieselbe nicht vor den Zwanzigthaler-Geschwornen zur
Verhandlung komme.
‒ Vor der ersten Abtheilung des Criminalgerichts unter Vorsitz des Direktors Harraffowitz, wurde heute die Sache des Studiosus Friedrich, der bekanntlich angeklagt war, durch
Herumtragen einer rothen Fahne und den Ruf: vive la république! den Umsturz der bestehenden Verfassung versucht zu haben, in contumatiam verhandelt. Der Staatsanwalt Neumann hielt trotz
der schwankenden Zeugenaussagen die Anklage aufrecht und war human genug nur auf die Strafe des Räderns von unten herauf anzutragen und die Prozedur des Schleifens zur Richtstätte nicht einmal
zu erwähnen. Der gewandten Vertheidigung des Advokat-Anwalt Dorn wurde es leicht die Gründe des Herrn Neumann, der sich nur im Gebiet der Möglichkeiten bewegt hatte, zu entkräften. Es erfolgte
ein Erkenntniß, welches nicht allein den Friedrich von der Anklage entband, sondern auch den humanen Herrn Staatsanwalt nachdrücklich darauf aufmerksam machte, daß er bei so schweren Anklagen nicht
allein seiner fruchtbaren Phantasie folgen müsse, sondern Gründe vorzubringen habe.
‒ „Das Plenum des Criminalgerichts hat in seiner Sitzung vom Dienstag beschlossen, daß die Preßgesetze vom 17. März und 6. April v. J. durch die Verfassungs-Urkunde vom 5. December v.
J. aufgehoben sind.“
‒ In seiner Angst vor demokratischen Umtrieben schreitet unser gottbegnadetes Ministerium sogar zur Purisicirung der Charité, welche durch solche Maßregel, nach dem Muster des
Krankenhauses Bethanien, bald soweit gebracht sein wird, daß die Kranken neben ihrer körperlichen Heilung auch geistige Erquickung empfangen. An sämmtliche Aerzte dieser Anstalt ist eine ernstliche
Verwarnung ergangen. Die Doktoren Keil u. Weidner sind hinausgemaßregelt worden, während Dr. Löffler u. Scholle als Wahlmänner der dritten Wahlbezirke, bisher der demokratischen Partei angehörig, in
aller Eile zu den Conservativen übergegangen sind, um ein ähnliches Schicksal zu vermeiden.
‒ Der berühmte Neujahrsgruß „an mein Heer“ trägt nach und nach schon seine Früchte. Aus Schwedt a. O. erhalten wir einen allerliebsten Beleg dazu. Längere Zeit hindurch
wurde in der nahen Haide von den Proletariern dieser kleinen Fabrikstadt Brennholz gestohlen, ohne daß die ehrsamen Bourgeois mit ihren 600 Mann Bürgerwehr es gehindert hätten. Endlich ließ der Major
Below, der die dortige Garnison von 150 Mann commandirt, verkünden, es sei dem Volke überhaupt verboten in die Haide zu gehen, widrigenfalls er schießen lasse. Dieser lächerliche Befehl führte
natürlich eine noch größere Menge dorthin, welche harmlos sich über die Soldaten amüsirte. Plötzlich gab der Major den Befehl zu feuern und mehrere sanken verwundet, einer augenblicklich getödtet zu
Boden. Die Bürgerwehr hatte jetzt natürlich nichts Eiligeres zu thun, als sich mit dem Militäre zur Aufrechthaltung der Ruhe zu verbinden. Bis zum Tage des Begräbnisses, an welchem die Arbeiter ihre
Leichen (einer von den Verwundeten starb inzwischen) dem Major vor die Thür setzen wollten, patrouillirten Bürgerwehr und Militär mit scharfgeladenen Gewehren einmüthig durch die Stadt. Es scheint,
daß es in Preußen bald kein Städtchen mehr geben wird, welches nicht von den Brutalitäten unseres „herrlichen Kriegsheeres“ zu erzählen wüßte.
‒ Die Parteiversammlung der Opposition bei Milentz war gestern Abend nur schwach besucht. Jedenfalls wird man im weißen Saal erschienen.
‒ Die Thronrede macht unserm Ministerium große Schwierigkeit. Man weiß besonders nicht, wie man die delikate Frage der deutschen Einheit in ihr behandeln soll. Schon hatte man sich
entschieden für dieselbe und gegen Oestreich ausgesprochen, als eine in diesen Tagen angekommene russische Note diesen Entschluß wieder zum Schwanken brachte.
‒ Die Journalisten, welche auf den Tribünen der Nationalversammlung gegen 80 Plätze hatten, werden diesmal weit spärlicher berücksichtigt. Für die erste Kammer werden 19, für die zweite
Kammer 24 Plätze an die Berichterstatter der Zeitungen angewiesen, für die Eröffnungssitzung sogar nur acht.
‒ An den Straßenecken befindet sich seit heute Mittag eine offizielle Bekanntmachung, auf die Alles neugierig zustürzt. Das riesengroße Plakat enthält jedoch weiter nichts, als eine
Aufforderung an die ortsangehörigen brodlosen Arbeiter von Berlin, sich zur Fortsetzung des Baues der Ostbahn zu melden. Den Arbeitern wird zwar freie Fahrt auf der Eisenbahn bis zu dem Ziel der Reise
versprochen, doch sollen ihnen die Kosten dieser Fahrt wöchentlich mit 4 Sgr. in Abzug gebracht werden. Den fleißigen Arbeitern, welche 6 Monate dort aushalten, verspricht man endlich die Rückgabe
dieses Reisegeldes und außerdem eine Prämie von 2 Thlr. 15 Sgr,
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@facs | 1277 |
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X
] Frankfurt a. d. Oder, 23. Februar.
Die Messe ist nun ziemlich vorüber und läßt sich das Resultat schon feststellen. Dieselbe war nicht einmal mittelmäßig zu nennen, denn
theils haben die Furcht vor Unruhen, theils der immer trüber werdende politische Horizont die Meßbesucher von großen Ankäufen zurückgehalten. Leder ist wenig am Platz und dennoch ist nicht viel
Begehr danach. Nur nach ordinärer und mitteler Wolle ist viel Nachfrage, feine Wolle bleibt dagegen vernachläßigt. Ordinäre und mittlere Tuche fanden viel Käufer, besonders
zeichneten sich einige Hamburger Exporteurs aus, welche ihren Bedarf kaum befriedigen konnten. Feine Waare blieb jedoch größtentheils unverkauft.
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109
] Wien, 21. Februar.
Das Ministerium sucht sich beim slavischen Publikum dadurch im Kredit zu erhalten, daß es sich den Anschein gibt, als opponire es den
Standrechtsbanditen und Schakalsgeneralen. Es hat den Minister Brück, eine Kreatur, die unter Metternich die infamsten Polizeidienste verrichtete und nun die Post verwaltet, angeblich mit der
Instruktion an Windischgrätz nach Pesth geschickt, denselben davon abzuhalten, die magyarische Partei in Ungarn der slavischen gegenüber allzuoffenbar zu begünstigen. Die blöden Czechen, so blöd wie
die deutschen Dümontsblätter, aber noch nicht so profitwüthig-gemein, nehmen dies für baare Münze, obwohl Brück durch Metternich nur dorthin geschickt worden, um Windischgrätz in der
jesuitischen Handhabung und Ausführung seiner Maßregeln beizustehen. Daß aber zwischen den k. k. Banditengeneralen und dem Ministerium von Olmütz in der That nicht der geringste Zwiespalt
besteht, bedarf wohl keiner Versicherung.
Der „jugendliche“ Dalai-Lama hat eine Deputation, welche um Begnadigung Plattensteiners anhielt, gar nicht vorgelassen. Dieser Plattensteiner war nur ein schwarzgelber Bourgeois, hat
durchaus nichts verbrochen, wurde gleichwohl verurtheilt und nicht begnadigt. ‒ Der „jugendliche“ Standrechtskaiser raucht keine Cigarre, ohne seine kroatische Standrechtsmutter
zu fragen. Wenn einst die Memoiren dieses weiblichen Scheusals erscheinen können, dann wird die blöde Welt das Maul über ein Ungeheuer von Weib aufsperren, das durch seine Mordknechte mehrere und
größere Schandthaten begehen läßt, als alle menschlichen Hyänen der Geschichte zusammengenommen.
Mit dem Patriarchen Rajachich, diesem treuen Banditen Tamerlan's, ist's ebenfalls aus. Der Kommandant Rukavina von Temesvar hat ihn auf seiner Rundreise nicht in die Stadt gelassen
und eine Volksversammlung zersprengt, die der Patriarch in der Nähe hat halten wollen.
Die Serben und Südslaven werden Feuer und Flammen darüber speien. Von Jellachich hört man nichts, was höchst verdächtig ist.
Von den 25 Millionen Kassenanweisungen hat das Publikum erst 8 Millionen an sich genommen, der Rest wird mittelst des Standrechts nächstens an den Mann gebracht werden. Man spricht schon von
Zwangskurs und Zwangsanleihe.
Die Grundrechte des Frankfurter Bierklubs werden überall, wo sie sich in Oesterreich zeigen, konfiszirt; natürlich, die Centralohnmacht kann ja nicht einmal ihr Spielbankengesetz vom 1. Mai v. J.
in den kleinsten Liliputstaaten zur Anerkennung bringen.
Rußland läßt in Oesterreich schon den Boden zur künftigen Besitznahme kneten; es geschieht nicht nur in Siebenbürgen, son
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dern auch in Prag. Nikolaus hat nämlich den Banquier Sina, einen Romanen, veranlaßt, in Prag ein griechisches Kloster zu gründen.
Von hier aus werden jetzt eine Menge deutscher Butter- und Käseblätter besoldet. Darunter gehören namentlich die I. I. Webersche Illustrirte Ztg. von Leipzig, welche starke Subvention empfängt und
dafür deutsch-blockhäuptig metternichianisirt; dahin sollen auch mehrere Norddeutsche Blätter gehören. So viel ist gewiß, daß einer der Redakteure des Cloyd, eins unserer ultrabestialischsten Organe,
mit Namen Bodenstedt, zur Gründung oder Uebernahme einer Zeitung in Norddeutschland, von der Regierung abgesendet worden ist. Der Standrechtsstaat will nicht untergehen, will mit allen seinen Banditen
und mit seinem gekrönten, jugendlichen Tamerlan nicht nur ewig leben, sondern auch Deutschland als warmen Gürtel und Blitzableiter noch dazu haben. Doch, wenn etwas in Europa gewiß ist, so ist es der
Zusammensturz dieses Scheusals Oesterreich, wenn etwas gewiß ist, so ist es unsere Revolution, die so greulich werden wird, daß die Völker Europa's den Athem dabei verlieren werden. Wien hat im
März angefangen, es hat die blutigsten Scenen aufgeführt, es wird noch einige Akte liefern, gegen welche 1793 und alle Spießisch-Kramersche Mordphantasien Kindereien sind. Unsere einzige Politik
heißt: Rache! Rache! Rache!
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61
] Wien, 21. Febr.
Vorgestern hatte Welden die Garnison zur Parade auf's Glacis ausrücken lassen, und vertheilte dabei an einige Gemeine und Korporäle Medaillen,
indem er ihnen Elogen über ihr tapferes Benehmen vor dem Feinde (k. k. Unterthanen!) machte. Diese öffentliche Medaillenvertheilung und Belobung mußte um so auffallender erscheinen, als die gemeinen
Soldaten der k. k. Armee bisher nur mit Stockprügel und Gassenlaufen, niemals aber in so auffallend öffentlicher Weise mit Ehrenzeichen dekorirt worden sind. ‒ Welden mußte dabei also seinen
besondern Zweck im Auge gehabt haben, und derselbe war offenbar kein anderer, als der, die Kasernokratie mit einem ganz ungewöhnlichen Köder zu fesseln, und sie dann als neu-fanatisirte Bestie wider
wen immer loszulassen. Die Unfälle in Ungarn und die Bedrohung mit Latour's Schicksal, welche Welden angeblich wiederholt anonym gemacht worden sein soll, mochten ihm in einer Nacht vielleicht
einen Galgentraum verursacht haben, über dessen Schrecken er sich dann sofort durch die vorgestrige Parade zu trösten suchte. Es war dabei hauptsächlich auf die Grenzer und die neuangekommenen 10,000
Rothmäntler abgesehen, denen ein solches Schauspiel um so anziehender vorkommen mußte, als es hieß, die Medaillen hätten Silberwerth. ‒ Die Rothmäntler besitzen, wie Sie sich vom Oktober her
erinnern werden, eine eigene Fertigkeit im Kopfabschneiden, Bauchaufschlitzen, Seziren, Kinderspießen, Weiberschänden, Skalpiren, Braten u. s. w., und tragen fortwährend die zur Ausübung dieses
Handwerks geeignetsten Waffen und Mordinstrumente auf dem Leibe, dabei sind sie ebenso geldgierig, wie die Juden; der Anblick der vertheilten Medaillen kann daher nicht verfehlt haben, sie jetzt schon
um so mehr zu den äußersten Entschlüssen zu reizen, als ihnen die Bevölkerung Wien's von ihren Offizieren fortwährend als Feindin dargestellt wird, gegen welche auch die Dekorirten gekämpft
hätten. Weh' uns daher, wenn der geringste Krawall entsteht; die Rothmäntler werden dann in die Häuser stürzen, um alles zu ermorden, zu schänden und zu zerstören, während von den Bastionen
herab der Kartätschenhagel Straßen, Glacis und Vorstädte zusammenlegen wird.
Nach Vertheilung der Medaillen sprach Herr Welden zu seiner blutdürstigen Bande:
„Unser letzter Blutstropfen gehört für die heilige Sache, der wir dienen, die Erhaltung unseres Monarchen und unseres Vaterlandes (Scheusale, wider welche alle Völker sich wie zum Kampf mit
dem Drachen des Urdespotismus erheben sollten), und damit Ihr den heutigen Tag mit Euern Kameraden feiern möget, so folgt hier ein kleiner Betrag für Jeden. Es lebe unser vielgeliebter
Kaiser!“
Sie hätten die Gesichter der Rothmäntler sehen sollen, als nun blankes Geld, nicht etwa Banknotenschnitzel, unter die Dekorirten vertheilt wurde; ihre Augen glühten vor Mordwuth, und die
Seresaner nahmen ihre ellenlangen Schlachtmesser zwischen die Zähne, indem sie sich in der Luft pantomimisch im Kopfabschneiden übten und nach etwaigen Opfern umsahen. Ein ähnliches Schauspiel zu
sehen, reist man vergebens in die Urwälder zu den Barbaren und Menschenfressern; es gibt dort höchstens nur Wilde, aber keine Satane à la Welden, die solche Wilde mit allen Künsten der tiefsten
Hölle einexerziren, auf daß sie dann losgelassen über ein wehrlos gemachtes Volk herstürzen.
Die Regierung hat den strengsten Befehl gegeben, alle Nachrichten aus Siebenbürgen überall standrechtlich zu unterdrücken, bis mit Hülfe der Russen und der siebenbürgischen
jüdisch-deutsch-vlaemischen Bourgeoisie die ganze widerstandleistende Bevölkerung ermordet worden und die Russen wieder abgezogen sind. Oestreich tritt dann mit einem fait accompli vor etwaige Pariser
Bourgeoisinterpellationen.
Von Bugeaud's Rede an die Alpenarmee machen unsere Blutblätter ungeheures Aufheben.
Wie mir glaubhafte Personen versichert haben, soll zwischen den französischen Kabylen- und östreichischen Kroaten-Generalen ein vertrauter Briefwechsel bestehen, durch welchen man sich im
großartigen Maßstabe über die Bemeisterung jeder künftigen Volksbewegung verständigt. Es ist mir sogar Abschrift eines Briefes, den Changarnier an Windischgrätz und Radetzki geschrieben, zugesagt
worden, welche ich Ihnen demnächst mittheilen werde.
Wenn Ihnen durch die Zeitungen berichtet wird, am 15. März würde unser Standrechtszustand aufgehoben, eine Amnestie und oktroyirte Verfassung ertheilt werden, so schenken Sie diesen Berichten
vorläufig keinen Glauben. Durch das Gerücht, als ob der Standrechtszustand aufgehoben würde, will Welden dem blöden Bourgeoisgesindel nur eins aufbinden und seine „humane“ Gesinnung
dokumentiren, um bei dem geringsten Anlaß mit Recht sagen zu können: Ihr elenden Spießbürger seht nun selbst, es geht nicht!“
Die europäischen Belagerungszustände werden überhaupt nur durch eine neue Riesenrevolution aufgehoben oder verewigt à la Russe.
Von einer Amnestie kann noch viel weniger die Rede sein, da die standrechtlichen Exekutionen noch recht flott in Permanenz erhalten werden, und was der Staatsstreich der Oktroyirung unter den
obwaltenden Mordumständen für eine bedeutungslose Erscheinung wäre, brauche ich Ihnen nicht zu entwickeln. Das Wiener Volk hat bei dem ganzen Brei nur einen Gedanken: „Mocht nix, ß' is
olles ahns!“ und hat diesmal sehr recht, denn es hat sich mit dem Gedanken längst vertraut gemacht, daß nur eine gewaltige Erhebung, und ein furchtbares Hochgericht es von den Scheusalen
befreien kann, welche ihm im Nacken sitzen.
Als am 17. der Romanenbischof Saguna aus Siebenbürgen nach langem Zögern beim Olmützer Tamerlan vorgelassen wurde, sang er ihm eine Litanei über die Opfer vor, welche die romanische Nation zur
Aufrechthaltung der Gesammtstandrechtsmonarchie und für seinen Thron gebracht habe, indem er schließlich verlangte, „den Romanen dafür konstitutionelle Freiheit angedeihen zu lassen,“
worauf der Tamerlan jedoch nur folgende Worte erwiederte: „Ich werde den Romanen dieselbe nationale Gleichberechtigung (Strang, Pulver und Blei, Belagerungszustand) zu Theil werden lassen, wie
selbe die übrigen Völker der Monarchie genießen.“ Saguna soll unbefriedigt abgezogen sein. Vielleicht werden selbst unsere hier garnisonirenden Rothmäntler, bevor sie neue Banditenthaten
begehen, mehr verlangen, als bloße Weldensche Medaillen und Schnapskreuzer.
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@facs | 1278 |
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] Wien, 21. Februar.
Der Banditenhäuptling Welden hat seinen Lorbeeren neue hinzufügen wollen und deshalb in einer „Kundmachung“ für folgende Fälle das
standrechtliche Verfahren angeordnet:
1) Gegen Jene, welche eine Schildwache oder Truppe wörtlich oder thätlich beleidigen. 2) Gegen Jene, welche von solchen angerufen oder angehalten, thätigen Widerstand leisten, zu selbem auffordern
oder dieser Aufforderung nachkommen. 3) Gegen Jene, welche ein Attentat welch' immer einer Art versuchen oder ausführen, das die Zerstörung oder Beschädigung von Festungswerken oder des dazu
gehörigen Materials beabsichtigt. ‒ Das kriegsrechtliche Verfahren aber tritt gegen Jene ein, welche einzelne, nicht im Dienste befindliche Militärs öffentlich entweder wörtlich oder thätlich
beleidigen.
Es befindet sich schon eine zweite östreichische Note in Schmerlings Händen. Man wartet aber mit Veröffentlichung derselben, bis die Stimmung in Deutschland wegen der ersten Note noch genauer
erforscht worden. Ein Adjutant des K. K. Scharfrichters Windischgrätz ist nach Prag geschickt worden, um über die dortigen Zustände und die Stimmung zu berichten. Der „Lloyd“ will
wissen, daß die Serben einen 3maligen Angriff auf Szegedin gemacht und dreimal zurückgeschlagen wurden. Nach Pesther Nachrichten soll die Stadt genommen sein.
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@facs | 1278 |
Kremsier, 20. Februar.
Der Verfassungsentwurf, vom Fünferausschusse vollendet, ist in Vollberathung des ganzen Verfassungsausschusses gekommen und von diesem bis etwa zu zwei
Drittheilen bereits angenommen. Mehre Paragraphen wurden zusammengezogen, und das Ganze wird somit eine geringere Paragraphenanzahl enthalten, als der Fünferausschuß aufgestellt hat. Von der
Verwaltung der Provinzen durch einen von verantwortlichen Ratyen umgebenen Gouverneur ist man abgekommen, und nur der Gouverneur soll verantwortlich sein. Die Kreisverwaltungen sollen nicht
unmittelbar mit dem Ministerium, sondern mittelbar durch den Gouverneur mit demselben in Verbindung stehen. Die Provinzen sollen in eine mindere Anzahl von Kreisen eingetheilt werden, als es bis jetzt
der Fall war. Noch während der fortdauernden Berathungen über die Grundrechte wird der Entwurf vom Ausschusse den Abtheilungen übergeben werden, und wird sogleich nach beendigter Lesung der
Grundrechte in Vollberathung genommen werden können.
[(C. Bl. a. B)]
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@facs | 1278 |
Dresden, 24. Februar.
Das Ministerium Braun hat seine Entlassung genommen, ein neues Ministerium ist gebildet! Gleich nach Eroffnung der Sitzung ergriff Staatsminister Braun das
Wort. Im Namen des Gesammtministeriums habe er der Kammer zu eröffnen, daß derselbe Grund, welcher vor vier Wochen vorgewaltet, dem König ihre Entlassung anheim zu geben, sie neuerdings veranlaßt
habe, abermals den Wunsch auszusprechen, die Entlassung zu erhalten. Der Grund ihres Rücktritts sei, daß sie die Mehrheit der Kammer nicht besäßen. Vor vier Wochen wäre dies noch zweifelhaft gewesen,
aber die neuerlichen Abstimmungen hätten gezeigt, daß sie die Majorität der Kammern nicht zu erlangen vermöchten; da nun das Ministerium in diesem Falle ganz bestimmt zurückzutreten beschlossen, so
habe der König endlich ihrem Wunsche nachgegeben und die Entlassung des Ministeriums genehmigt; ein neues sei bereits gebildet, über dessen Zusammensetzung der Kammer heute noch werde Mittheilung
gemacht werden. (Bewegung im Saale, die Minister verlassen die Sitzung). Inzwischen war ein Schreiben des neuen Ministerpräsidenten eingegangen, das über die Zusammensetzung des neuen Ministeriums
folgende Eröffnung macht: 1. Oberappellationsrath Dr. Held, Justiz und interimistisch Beauftragter für das Departement des Kultus und Unterrichts, Ministerpräsident; 2. der bevollmächtigte Minister am
preußischen Hofe v. Beust, Auswärtiges; 3. geh. Regierungsrath Weinlig, Inneres; 4. v. Ehrenstein, Finanzminister. Ueber das Departement des Krieges hat der König Entschließung vorbehalten.
[(D. A. Z)]
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@facs | 1278 |
Altenburg, 23. Februar.
Der Arbeiterkongreß für die thüring'schen Staaten, welcher im Laufe d. Mts. hier abgehalten wurde, war beschickt von den Städten Roda, Gera,
Ronneburg, Eisenberg, Schmölln, Altenburg, Weimar, Jena, Leipzig. Folgende Beschlüsse wurden gefaßt: 1) Eine Adresse an die Volksvertreter der thüring'schen Staaten, um Aufhebung aller
Hindernisse, welche gesetzlich der Bildung von Arbeiterassociationen entgegenstehen, und Unterstützung für dieselben. 2) Eine Adresse um Abänderung der Wahlgesetze der Art, daß jeder 21jährige
Staatsbürger Urwähler sei, von dem Begriffe der Selbstständigkeit abgesehen werde, und daß es für die Wählbarkeit keine Einschränkungen mehr gebe. 3) Eine Adresse um Aufhebung des Gesetzes über die
Untheilbarkeit des Grundes und Bodens, und Vorschläge zur zweckmäßigen Parcellirung desselben. 4) Eine Adresse um Errichtung der Fortbildungsschulen für Arbeiter, Errichtung von Ackerbauschulen und
Gründung von Volksbibliotheken. 5) Beschlossen, das Centralcomite zu ersuchen, eine kleine Schrift über die Association und deren praktische Durchführung zu veröffentlichen. 6) Beschlossen, zwei vom
altenburger Bezirkscomite vorgelegte Plane über Errichtung von Speisehäusern und Gründung von Gesellschaften zu gemeinsamer Beschaffung von Kleidungsstücken (für die Arbeiter der Stadt Altenburg) zu
begutachten. 7) Beschlossen, die Arbeitervereine möchten in Verbindung mit andern Vereinen demokratischer Tendenz eine Adresse an den thüringer Landtag für Mediatisirung der Herzogthümer, und Anschluß
derselben an Sachsen erlassen.
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@facs | 1278 |
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12
] Nürnberg, 23. Febr.
Daß wir leben, wissen wir bestimmt, aber wie wir leben, müssen wir tief beklagen. Alle Tage dieselbe Ungewißheit, dasselbe Schwanken, unserer
nächsten Zukunft gegenüber. Wahr ist's, das heutige Nürnberg hat sich tüchtig angestrengt. Nach dem März v. J. wurde die deutsche Bewegung noch so wenig von unserer Einwohnerschaft verstanden,
daß man das Wort Revolution für eine Sünde hielt und unsere Advokaten und Bureaukraten, Bourgeois und Patrizier strengten alle Kräfte an, das konstitutionell-monarchische Prinzip zur Geltung zu
bringen. Herr Eisenmann half dem Konstitutionalismus vollends ins Fahrwasser und ließ an das Schleppschiff einer schlotterigen Redemanier zum besseren Nachdruck die Ketten seiner 14jährigen Kerkerhaft
anfügen. Eisenmann durchreiste wie ein Commis voyageur Bayern und machte auch wirklich nicht schlechte Geschäfte in Artikeln der konstitutionellen Monarchie, er wurde an vier oder fünf Orten als
Abgeordneter zur deutschen Nationalversammlung gewählt, auch in Nürnberg, das sich so viel Mühe für diesen Märtyrer gegeben, da er aber nur für einen Ort annehmen konnte, so suchte er sich Würzburg
aus und dankte den edeln Nürnbergern für ihre Mühen. Für einen Rekruten in seinem Sinne hatte er gesorgt, Nürnberg konnte die Schlafmütze tief über die Ohren hereinziehen. Aber es kam doch anders, als
die guten Leute glaubten. Nürnberg emanzipirte sich vorsichtig und als die letzten Wahlen zur bayerischen Volkskammer stattfanden, da stand Alles so rein demokratisirt da, daß den Herrn im Museum,
gewöhnlich nur Palais Windischgrätz genannt, die Haut schauderte vor den verdammten Republikanern, deren Fraktionen so gut organisirt waren, daß sie ihre Kandidaten mit Leichtigkeit durchsetzen
konnten. Das Lager der Konstitutionellen ist voll Grimm über diese Siege der freien Sache und da der Kandidat, den gemeine Umtriebe durchgesetzt, Professor v. Scheuerl, einen tappigen Streich um den
andern macht, so wird natürlich die Angelegenheit der konstitutionellen Optimisten immer mißlicher.
Von München herab läßt sich inzwischen das Gerücht ziemlich deutlich vernehmen, daß auch in Bayern der Belagerungszustand auf Gastrollen herumgeschickt werden soll. Und in der That, hier sieht es
ganz so aus. Unsere Artillerie erhält Munition, die festen Thürme sind bereits untersucht worden, ob sie zur Aufnahme von Geschütz noch tauglich sind, und bis zum Jahre 1819 hinab wurden alle
Militärfähigen aufgeboten, sich zu stellen, um für etwaige Aufgebote eingezeichnet zu werden. Die Demokraten lachen aber, denn sie wissen sehr gut, daß Bayern für die Länge mit seinen Mitteln nicht
ausreicht, so großartige Militärvorkehrungen zu unterhalten.
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@facs | 1278 |
[
090
] Aus dem Fürstenthum Birkenfeld, im Februar.
Eine wahre Musterpflanzung der Bureaukratie befindet sich in unserm kleinen Ländchen, das mit einer Einwohnerzahl von
30,000 Seelen und mit sehr geringen Hülfsquellen gegen 100 Beamte füttern muß. Wie ein Raupennest, das einen Gemüsegarten seiner frischen grünen Blätter beraubt, haben sich diese Schmarotzer in unser
Land eingenistet und obgleich der Gattung nach meist Zugvögel aus dem Norden, lassen sie sich unsern süddeutschen Kohl doch recht wohl schmecken. Die Lektion des vorigen März, die diesen
Schreiberseelen unnennbare Angst einflöste, ist längst vergessen. Sie sind wieder an's Tageslicht gekommen und in voller Thätigkeit. Die politischen Prozesse sind jetzt an der Tagesordnung.
Amtsehrenbeleidigung, Majestätsbeleidigung u. s. w. sind die Anklagen, womit man die Wühler und Anarchisten zur Ruhe zu bringen sucht. Unser Gerichtsverfahren eignet sich vortrefflich dazu. Wir
haben nämlich hier das mittelalterliche Inquisitionswesen mit einer geheimen Oeffentlichkeit, indem bei unserm Strafverfahren Untersuchung, Zeugenvernehmung, Anklage, Verhör und Urtheil im
Geheimen fertig gemacht werden und dem Angeklagten dann das Urtheil in öffentlicher Sitzung vorgelesen wird. Das heißt dann hier zu Lande Oeffentlichkeit! ‒ So wie mit der Rechtspflege
steht es auch mit der Verwaltung, und wir sind noch gerade auf dem nämlichen Punkte, auf welchem wir im Jahr 1847 standen, und was das heißen will, bedarf keines Wortes der Auseinandersetzung. Sie in
Preußen haben ja auch den Bureaukraten-Despotismus bis auf die Hefen kennen gelernt!
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@facs | 1278 |
Frankfurt, 23. Febr.
Gestern wurde in vielen Gemeinden der zwischen hier und Mainz und nach dem Taunus zu gelegenen Ortschaften, die bisher von der Einquartierung verschont waren,
amtlich bekannt gemacht, daß in den nächsten Tagen Reichstruppen daselbst eintreffen würden. ‒ Die herzoglich nassauischen Militärpflichtigen sind sämmtlich eiligst einberufen worden.
[(Fr. Z.)]