Französische Republik.
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Paris, 23. Febr.
Die sämmtlichen demokratischen Journale sind heute mit folgender Erklärung erschienen.
„Eine große Zahl Bürger hatte geglaubt, es sei schicklich, zu Ehren der Februar-Revolution eine feierliche Manifestation zu veranstalten. Im Angesicht der unaufhörlichen Herausforderungen
der Staatsgewalt böte aber eine Manifestation solcher Natur große, unvermeidliche Gefahren. Wir bitten das Volk, davon abzustehen. Die Repräsentanten der Montagne, die Delegirten des
National-Wahl-Kongresses und des Central-Wahl-Konseils des Seinedepartements, die Direktoren der Arbeiter-Assoziationen, die Deligirten der Korporationen, die Bureauglieder des Luxemburg und die
Redaktoren der demokratisch-sozialistischen Journale werden morgen eine Adresse an das Volk veröffentlichen, um dasselbe zu beschwören, ruhig zu bleiben und den großen Jahrestag zu ehren, indem es
seinen Feinden Achtung für wahre Ordnung und Gesetzlichkeit beweist.“
‒ „Revolution“ zeigt an, daß die neulich auf 12 Bataillone reduzirte Mobilgarde abermals reduzirt werden soll. Dieses Mal geschieht es auf 6 Bataillone, bis die verhaßte Garde
ganz von der Karte verschwindet.
‒ Die eigentliche Volksfeier zu Ehren des Februar wird übermorgen, Mittags 1 Uhr, stattfinden. Die Bergpartei hat für diese Stunde ein Monsterbanquett im Fraternitätssaale veranstaltet, an
welchem (offenbar wegen Mangels an Raum und des Ernstes der Umstände) keine Frauen theilnehmen dürfen, was bei unseren
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Hyper-eifrigen Sozialistinnen schon eine kleine Verschwörung hervorruft.
‒ Der morgige Tag wird sehr still vorübergehen. Um 10 Uhr begibt sich die National-Versammlung in die Magdalenenkirche, wo auch der Präsident mit seinen Ministern erscheinen wird, sobald
sich die Deputirten „gesetzt“ haben werden. Die Beamtenwelt folgt in der üblichen Ordnung. Beim Anfang und Schluß des Tedeums fallen Kanonenschüsse. Unter dem Portale hängt ein
schwarzes Tuch, woauf mit weißen Buchstaben geschrieben:
„A la mémoire des Citoyens morts pour la République.“ Die Garnison nebst Bürgerwehr bilden Spaliere. Die eingeschriebenen Stadtarmen erhalten eine doppelte Brod- und
Fleisch-Portion in Papiergeld.
Hiermit hat das Faucher'sche Februar-Programm im Moniteur ein Ende. Die ganze ministerielle Feier läuft also auf Mozartsches Requiem hinaus, zu dem die Eintrittskarten schon heute mit 10 bis
15 Franks bezahlt werden.
‒ Die „Patrie“ meldete gestern Abend:
„Das Gerücht lief am Schlusse der Nationalversammlung, daß in Turin die Republik proklamirt worden sei.“
Nähere Turiner Berichte reichen nur bis zum 19. und wissen davon noch nichts.
‒ Man liest an den Straßenecken:
„Die Verwundeten, Kämpfer, Witwen und Waisen der Februar-Revolution sind eingeladen, sich morgen (24) früh 9 Uhr vor dem Centralbüreau der Februarkämpfer, Faubourg St. Martin 40,
einzufinden, um gemeinschaftlich zur Julisäule (auf dem Bastillenplatze) zu ziehen.
‒ Man liest in allen demokratischen Blättern:
„Morgen, Sonnabend 24. Februar, findet Abends 8 Uhr, zur Jahresfeier der Februar-Revolution ein großes Musikfest im Fraternitätssaal, Rue Martel 9, statt. Es werden darin 200
Instrumentalisten, 100 Sänger und Solovirtuosen (meist aus dem Volke) auftreten. Eintrittskarten zu 50 Centimen am Eingange des Fraternitätssaales und in allen Büreaus der
Associations-Fraternelles.“
‒ (An den Redakteur des „Credit.“) Mein Herr. Es ist unrichtig, daß Sie nach einem andern Blatte melden; ich hätte mich jetzt erst in den Freimaurerbund aufnehmen
lassen. Vor zwölf Jahren wurde ich schon in die französ. Loge zu New-York aufgenommen; außerdem habe ich die Ehre auch der Philantropen-Loge in Brüssel anzugehören. Gruß und Brüderschaft.
Paris 21. Febr. 1849.
(gez.) Pierre, Napoleon Bonaparte. Volksvertreter.
Eine indische Post, die wir mit Berichten aus Bombay bis zum 19. Jan. schon gestern Nachmittags erhielten, ist diesesmal überaus wichtig. 12000 Afghanistaner schicken sich an, unterstützt
von 14 Kanonen, den Engländern die Eroberung des Scindlands von Neuem streitig zu machen. Herr Gough kann sich also trotz der Einnahme Moltan's auf eine neue Schlacht gefaßt machen.
‒ Der Moniteur erfreut uns heute abermals mit 25 neuen Unterpräfekten. Das Kabinet will, scheint es, das ganze Verwaltungspersonal wechseln. Die „Presse“ macht den Vorschlag,
die Verwaltung des Staates von der Politik ganz zu trennen und eine Art preußisches Büreaukratenthum einzuführen, das ruhig fortvegetire, gleichviel, welche Stürme die politischen Schichten bewegen.
Die Herren der „Presse“ haben eine vortreffliche Vorstellung von Preußen.
‒ Die Gährungen in den Departements dauern fort. Gestern meldeten die Blätter eine Insurrektion in Niort; heute erfahren wir aus Lyon, daß es auch dort auf dem Place Louis XVIII. einiges
Lärmen absetzte. Veranlassung dazu gab das Gerücht, der Präfekt wolle die Statue (den Mann des Volkes darstellend) herabreißen lassen, um die des Exkönigs wieder zu Ehren zu bringen, Das Volk sammelte
sich in Masse um die Statue des Volksmannes und stieß die schrecklichsten Flüche gegen die Aristo's aus. Erst als der Präfekt und der Maire ihm feierlichst versprochen, daß die Statue nicht
abgenommen werden solle, kehrte es nach Hause zurück.
Herr Faucher hat unstreitig allen demokratischen Sinnbildern den Tod geschworen.
(Conservative Journalstimmen über den moralischen Sieg Pierre Lerour's in der gestrigen Nationalversammlung.)
1) Journal des Débats: „… Es scheint uns, als habe Pierre Lerour viel weniger nie betrogenen Ehemänner rächen wollen, als die Diebe. Aus Aerger, die Spitzbuben und die
sonstigen saubern Gäste der Assisenhöfe vom Volksmandat ausgeschlossen zu sehen, stellte er seinen Antrag: auch die Ehebrecher in diese Categorie zu zählen. Die Volkssouveränetät müsse respektirt
werden! … Das Volk hat ganz eigne Vertheidiger! Ich (Bertin) frage aber: welche Interessen kann das Volk an der Wahlfähigkeit der Diebe haben? Pierre Lerour diskutirte diesen Punkt mit einem
Feuer, das wahrhaftig (?) das Volk skandalisiren muß (?). Ist es nicht das Volk selbst, das durch das Organ seiner Gerichtshöfe die Diebe verurtheilen läßt? Ernennt nicht das Volk seine Deputirten?
Handelt also nicht das Volk durch seine Deputirten? Angenommen, es beliebe einem Wahlzirkel, einen Dieb zu wählen, darf es den übrigen Wahlzirkeln des Landes nicht freistehen, diesen Vertreter
auszuschließen? Wer ist denn eigentlich das Volk nach Pierre Lerour'schem Begriff? Der ehrenwerthe Deputirte hat sich darüber nicht ausgesprochen, obgleich ihn Billault dazu aufforderte. Der
Socialismus ist eine schöne Sache; aber der gesunde Menschenverstand ist eine noch schönere Sache. Der Mensch denkt und Gott lenkt. Indem Pierre Leroux die Diebe zu Ehren bringen wollte, gelang es ihm
nur eine neue Klasse der Verstoßenen zu schaffen. Seine Moral war glücklicher als seine Logik. Seine Logik sagte: Ihr dürft Niemanden ausstoßen, mithin auch die Diebe nicht; da ihr aber die Diebe
ausstoßt, so müßt Ihr auch die Ehebrecher ausstoßen. Gut. Kein Privilegium! Wir sind vollkommen einverstanden, für die ehebrecherischen Patrioten nicht mehr Achtung als für die patriotischen Diebe zu
haben.“
2) Constitutionnel protestirt vorläufig gegen diese Erweiterung der Zahl von Fällen, die von der Wählbarkeit ausschließen. Seine eigentliche Strafpredigt werden wir erst morgen erhalten.
3) Presse lobt den Aufschwung, Geist und die Excentricität des Redners. Bei dieser Gelegenheit erwähnen wir eines heftigen Geschwätzes zu Gunsten der Erblichkeit der Staatsgewalt …
von Alexander Weill.
4) Opinion ruft: Chose rare! Pierre Lerour hat einmal Recht gehabt! Freilich war sein Geschoß nur gegen die Reichen gerichtet u. s. w.
5) Patrie und Siècle gestehen dem Antragsteller hohe Moral zu.
6) Univers geht in seinem Jesuitismus sogar soweit, zu sagen: Zu unserem Erstaunen erhob sich ein großer Theil der Rechten gegen den Antrag [unleserlicher Text].
Der „National“ sagt: Der Geist des Art. 73 ist eigentlich, nur die entehrenden Verbrechen auszuschließen, Ehebruch gilt aber in der heutigen Gesellschaft als kein entehrendes
Verbrechen. Darum wäre in einer monarchischen Kammer (selbst unter Guizot) der Pierre Leroursche Antrag schwerlich durchgegangen. In einer Republik wären die Sitten natürlich reiner.
‒ National-Versammlung. Sitzung vom 23. Februar. Anfang 1 1/2 Uhr. Präsident Marrast. Kein einziger Minister ist anwesend. Sie sitzen im Elysee Bourbon, um unter der Leitung
Bonapartes über die italienische Frage zu berathen.
Nach Verlesung des Protokolls werden mehrere Petitionen überreicht.
An der Tagesordnung ist das Wahlgesetz Wir rückten gestern bis Artikel 77 vor, aber St. Romme hatte einen Antrag zu Artikel 74 gestellt, der der Kommission wieder zugeschickt worden war und der
Zulässigkeit der Beamten bei den Volkswahlen einen größern Spielraum einräumen möchte.
St. Romme entwickelt seinen Antrag. Er hält die Beamten für die Volksvertretung nützlich. Er möchte deshalb die Unzulässigkeit der unabsetzbaren Beamten gestrichen wissen.
Marrast: Ehe wir die Streichung eines Theils oder des ganzen Artikels 74 votiren, müssen wir erst die Anhängsel erledigen. Derartige Anhänge wurden von Bastiat und Kerdrel gestellt. Ebenso
von Brunet.
Alle diese Anträge werden verworfen und der Artikel 74 geht in seiner ursprünglichen Form durch.
Die Versammlung geht zu Artikel 77 über, der von den militärischen und ministeriellen Unzulässigkeiten handelt und den unerläßlichen Benard auf die Bühne führt.
Benard wünscht, daß man die General- und Unterstaatssekretaire nicht ausnehme. Ihm zufolge müßte der Staatschef … (Oh! Oh!) der Präsident der Republik seine Minister außerhalb der
Kammer nehmen. Das hieße die Intriguen mit der Wurzel vertilgen. (Unterbrechung).
Fres[unleserlicher Text]on bekämpft diese Wünsche. Daß hieße ins amerikanische System fallen, das für Frankreich nichts tauge. Die Administrativbeamten hätten zur Blüthe des Landes beigetragen (Gelächter).
Fr. Lasteyrie möchte die Unterstaatssekretaire keineswegs zu den Ausnahmen gezählt wissen.
Billault bekämpft den Antrag.
Die Versammlung schreitet zur Abstimmung über die Frage, ob die Unterstaatssekretäre Beamte und Deputirte zugleich sein können.
Die Entscheidung ist: Nein. (Sensation).
Eben so wird der Generalprokurator des Kassationshofes mit 403 gegen 338 Stimmen zu den Ausnahmen gezählt.
Die Versammlung stimmt über die übrigen Ausnahmen in eben so unerwarteter Weise. So läßt sie die Präfekten von Paris durchfallen.
Randoing und ein Dutzend Andere verlangen, daß auch der Gouverneur der Bank Deputirter zugleich sein könne (Oh, oh!).
Deslongrais: Der Gouverneur ist ja gar kein Staatsbesoldeter
Randoing u. Comp. ziehen ihr Verlangen zurück.
[unleserlicher Text]ent stellt den Antrag, auch den Oberkommandanten der Bürgerwehr nicht in seinem Departement wählen zu lassen. Angenommen.
Ducoux stellt zu Art. 77 den Zusatz:
„Die Minister dürfen nicht votiren.“
Dieser Zusatz ruft starken Tumult hervor und wird gar nicht in Betracht gezogen.
Art. 77 wird erledigt.
Art. 78:
„Alle Professoren, die auf dem Wege allgemeiner Bewerbung angestellt wurden, können nicht gewählt werden etc.“
Derode hängt an: „Nicht in dem Departement wo sie angestellt sind.“ Der erste Theil geht durch. Letzterer wird verworfen.
Aylier: „Die unabsetzbaren Magistratsbeamten des Rechnungshofes, Cassationshofes und Appellhofes in Paris können gewählt werden.“ (Der Cassationshof wird verworfen).
Berryer ersucht, die des Rechnungshofes auszunehmen. Die Rechnungsbeamten hätten die Minister zu kontrolliren. (Wird trotzdem verworfen).
Hier wird die Debatte abgebrochen.
Marrast: Bürger, Vertreter! Das Programm der morgigen Feier kennen Sie. Dieselbe ist auf 10 Uhr festgestellt. Um nun zahlreich bei derselben zu erscheinen, wollen sich diejenigen Glieder,
die daran Theil nehmen, in dem Saale des Präsidentschaftshotels um 9 Uhr einfinden. Sie sind ersucht, die Schärpe zu tragen, damit Sie die öffentliche Gewalt nicht arretire (Gelächter).
Die Sitzung wird um 6 Uhr geschlossen.