Deutschland
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Edition: [Karl Marx: Weiterer Beitrag zur altpreußischen Finanzwirtschaft, vorgesehen für: MEGA2, I/8.
]
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] Köln, 21. Febr.
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] Köln, 22. Febr.
Herr Dumont will den Standpunkt des Herrn Gladbach charakterisiren. Zu diesem Behufe druckte er die in der Neuen Rhein. Zeitung enthaltene
Erklärung wieder ab, worin es heißt:
„Ich erkläre Sie hiermit so lange für einen gemeinen Menschen, bis Sie mir Satisfaction gegeben wegen den anonymen Verdächtigungen, welche Ihre Zeitung fortwährend zur Erreichung eines
reaktionären Zweckes und Ihrer Bereicherung gegen mich veröffentlicht. [A. Gladbach.]“
„Zur Charakteristik des Standpunktes des Herrn Gladbach“ bemerkt Herr Dumont, daß dieses Inserat an demselben Tage erschien, an welchem in der Köln. Zeitung zwei Inserate für
Hrn. Gladbach veröffentlicht wurden.
Also Hr. Dumont, der die ganze Zeit über für baares Geld gemeine, verläumderische Inserate gegen Hrn. Gladbach aufgenommen, hat das Glück, an „demselben Tage“ für baares Geld
ein Inserat für Herrn Gladbach einzurücken. Indem so Herr Dumont sich unverschämter Weise auf den Standpunkt der absoluten Verkäuflichkeit stellt, wähnt er den Standpunkt der Unparteilichkeit
einzunehmen ‒ Unparteilichkeit vor dem Gelde! Klarer und einleuchtender konnte Herr Dumont die Gemeinheit, deren ihn Hr. Gladbach bezüchtigt, nicht kund geben.
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Edition: [Karl Marx/Friedrich Engels: Eine Denunziation, vorgesehen für: MEGA2, I/8.
]
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] Köln, 22. Febr.
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] Geilenkirchen, 19. Febr.
Als Gegensatz zu der glänzenden Freisprechung des Herren Marx, Schneider und Schapper am 8. Febr. vor den Geschwornen zu Köln in der
Steuerverweigerungsangelegenheit wollen wir Ihnen berichten, wie das königl. hochlöbliche Landgericht zu Aachen in der nämlichen Sache verfährt. Die Folgen der in Ihrem Blatte berichteten Inquisition
gegen den hiesigen Richter Kampmann kamen endlich zum Durchbruch. Vor Kurzem stand er vor der Disziplinarkammer des Aachener Landgerichts, weil er einem Beschlusse des hiesigen Bürgervereins, der die
Steuerverweigerung der Nationalversammlung guthieß, seine Zustimmung gegeben hatte Er that zwar gleich Einspruch gegen die Kompetenz der Disziplinarkammer, indem er sich auf die oktroyirte Verfassung
berief, wonach ihm wie jedem Andern das Versammlungsrecht zustehe; das ihm zur Last gelegte Vergehen habe aber mit dem Richteramte nichts gemein und so müsse er verlangen, vor die ordentlichen
Gerichte gestellt zu werden. Alle vorgebrachten Gründe halfen nichts; die oktroyirte Verfassung war für den Aachener Gerichtshof nicht vorhanden; ein vergilbtes Gesetz von 1810 galt ihm mehr als die
Gesetze von 1848- und der hochweise Areopag hielt sich für kompetent, durch die Verurtheilung des Inkulpaten seine Gesinnungstüchtigkeit an den Tag, zu legen.
Als Substitut des Prokurators fungirte der Assessor v. Weyler, ein junger Mensch, ein prächtiges Seitenstück zu Ihrem Kölner Saedt. Dieser Hr. v. Weyler stellte auf, der Richter Kampmann habe
dadurch, daß er dem Steuerverweigerungsbeschlusse beigestimmt, gegen den Eid, den er als Diener des Königs geleistet, furchtbar gefrevelt, indem er durch diesen Eid verbunden sei, nichts zu
thun, wodurch dem königlichen Herrn Schaden oder Verdruß erwüchse. Hierdurch habe er seine richterliche Würde im höchsten Grade kompromittirt und sein Antrag sei: daß Kampmann von seinem Amte
suspendirt werde und die Kosten des Verfahrens tragen müsse. Schade, daß der junge Hr. v. Weyler nicht in allen fiskalischen Prozessen das öffentliche Ministerium vertreten hat! Wie hätten die Richter
es je wagen dürfen, einer Privatperson gegen den Fiskus das Recht zuzuerkennen, da hierdurch ja jedesmal der königliche Herr in Schaden kam! Hr. v. Weyler, wie viele Richter, die dem Fiskus Unrecht
gaben, sind noch zu suspenpendiren? Eine schöne Gelegenheit, Sporen zu verdienen!
Nach geschlossenen Debatten trat das Plenum des Landgerichts ab zur Berathung. Diese war eine lange und lebhafte. Bei derselben war namentlich Hr. Landgerichtsrath Pelzer indiskret genug, so laut
zu schreien, daß die im Sitzungssaale versammelten Zeugen unwillkürlich hören mußten, wie er der heftigste Gegner des Angeklagten war. Nach beinahe zweistündigem Harren wurde das Urtheil dahin
ausgesprochen: Der gemaßregelte Kampmann wird wegen arger Kompromittirung seiner richterlichen Würde nach dem und dem Gesetze von Anno 1810 zu einem Tadel mit Verweis (dies zieht Verlust eines
Monatgehalts nach sich) und Tragung aller draufgegangenen Kosten verurtheilt. Von Rechts wegen.
Wären wir so sprachenkundig wie Ihr Referent über Demosthenes- Saedt, so würden wir die Kernworte des v. Cicero- Weyler auch polyglottisch mitgetheilt haben; im Spanischen namentlich hätten sie
sich sicher köstlich ausgenommen
Brauchen wir nach diesem Bericht noch einen Vergleich anzustellen zwischen Ihren Geschwornen und der Disziplinarkammer des königl. hochlöblichen Landgerichts in Aachen?
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@facs | 1257 |
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] Cleve, 18. Februar.
Der Schullehrer Kölkenbeck in Kranenburg ist gemirbacht oder wie man zu sagen pflegt, seines Lehrer- Amtes in Gnaden entbunden. Den 8. d. Mts.
erhielt derselbe folgendes Schreiben.
Aus der Anlage werden Sie ersehen, daß die königl. Regierung aus bewegenden Gründen sich veranlaßt gesehen hat, Sie als Lehrer von der Schule zu Kranenburg zu entlassen. Ich bin beauftragt Ihnen
mit dem Bemerken davon in Kenntniß zu setzen, daß Sie nach Empfang dieses alle Amtshandlungen sofort einzustellen haben, widrigenfalls ‒ Zwangsmaßregeln (Hurrjeh!) gegen Sie in Anwendung kommen
würden.
Keeken, 7. Februar 1849.
Der Schulpfleger, Heistermann (katholischer Pastor.)
Folgendes war die Anlage. ‒ Auf den Bericht vom 10. d. M. und den mit demselben eingereichten Untersuchungsverhandlungen gegen den Lehrer Kölkenbeck eröffnen wir Ihnen, daß wir, da der
Lehrer Kölkenbeck zu Kranenburg den bei seiner provisorischen Anstellung als Lehrer in Kranenburg gehegten Erwartungen nicht entsprochen, vielmehr schon im Juli 1847 wegen Ueberschreitung des
Züchtigungsrechts und im August 1848 durch rohe und unpassende Aeußerungen gerechte Beschwerden hervorgerufen, in letzterer Zeit aber sein Amt als Lehrer dazu mißbraucht hat, um durch
Vertheilung politischer Schriften an die ihm anvertrauten Kinder seine politischen Ansichten zu verbreiten, und der Schulpfleger seine pflichtmäßige Ueberzeugung (bravo Pastor!) dahin hat aussprechen
müssen, daß der p. Kölkenbeck bei seinen Grundsätzen in der Schule nur höchst verderblich wirken könne, beschlossen haben, den p. Kölkenbeck zu entlassen.
Sie wollen daher durch den Schulpfleger dieses dem p. Kölkenbeck eröffnen lassen. Da der p. Kölkenbeck bis zum 2. März zu seiner Stelle berufen ist, so ist sein Gehalt bis zu diesem Tage ihm
auszuzahlen, (Grundgüte Güte!) wir beauftragen Sie aber, ihn von seinen Funktionen sofort zu entheben. Wir erwarten demnächst die Vorschläge wegen Besetzung der Schullehrerstelle in Kranenburg. Wegen
vorläufiger Wahrnehmung des Unterrichts hat der Schulpfleger das Geeignete zu veranlassen und sehen wir dem Berichte über die Ausführung dieser Verfügung entgegen.
Düsseldorf, 23 Januar 1849.
Königl. Regierung Abtheilung des Innern. (gez.) von Mirbach.
An den königlichen Landrath Herrn von Haeften
zu Cleve.
Es ist nun freilich wahr, daß der Lehrer Kölkenbeck im Jahre 1847 durch gütige Vermittlung des hiesigen Landraths suspendirt war. Der Schulvorstand in Kranenburg gab aber die glänzendsten Zeugnisse
über Tüchtigkeit und Moralität des Lehrers und wies
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nach, daß die dem Kölkenbeck zur Last gelegte Ueberschreitung des Züchtigungsrechts eine perfide Lüge gewesen. Die Suspension ward demnach wieder aufgehoben. Im Jahr 1848 soll nun
derselbe Lehrer durch rohe Außerungen gerechte Beschwerden hervorgerufen haben; merkwürdig! der Schulvorstand weiß hervon wieder nichts, man spricht wohl davon, daß der Kölkenbeck von seinen
Hausrechte Gebrauch gemacht haben soll einem polternden Landrathe gegenüber. Der erste Grund zu der jetzigen Suspension ist also in sich schon eine Lüge und der zweite Grund, der Lehrer Kölkenbeck sei
roh ist ebenfalls eine grobe abgeschmackte Unwahrheit, da der Mann äußerst harmlos und gemüthlich ist und die Achtung und Liebe aller seiner Mitbürger in vollem und wohlverdientem Maaße besitzt. Der
dritte Grund beruht allerdings auf Wahrheit, denn Kölkenbeck hat im November vorigen Jahres Drucksachen an die Schulkinder vertheilt, um sie ihren Eltern zu übergeben, nämlich (horribile!) Einladungen
zu einer Volksversammlung in Cleve; diesen Einladungen waren gedruckte Briefe des Abgeordneten Arntz beigefügt; darin besteht nun die Verbreitung der politischen Ansichten. Wir fragen höchst einfach:
hat die hochbegnadete Regierung nicht selbst von den Lehrern verlangt, die Lügenberichte eines Harkort und die Schmäh- und Schandartikel der Galgenblätter an die Schulkinder zu vertheilen, um so die
politischen Ansichten der Regierung zu verbreiten; hat nicht der Landrath von Haeften, die Taschen bespickt mit Harkort'schen Kunstproduckten, als commis voyageur Landreisen gemacht? ist nicht
der Richter von Göckingh Haus für Haus gelaufen, und hat diese Muster ohne Werth an den Mann zu bringen gesucht? Bürgermeister, Gerichtschreiber, groß- und kleinbeamtete Leute haben die Kolporteurs
dieser Strolchen- Berichte gemacht, und müssen nun folgerichtig alle ohne Ausnahme ihrer Aemter entbunden werden, dem schönen edlen preußischen Grundsatze gemäß, was dem einen recht, ist dem andren
billig. Jedenfalls kann und darf es doch nicht zu den Amtsvorschriften eines Landraths noch zu den eines Richters gehören, absichtlich, harmlosen Leuten Sand in die Augen zu streuen; ein solches
Privatvergnügen ist aber auch nicht erlaubt.
Kölkenbeck aber, und das ist unverantwortlich, ist durch diesen Akt der Zärtlichkeit gnadenreicher Bureaukraten brodlos geworden; das kümmert diese Menschen wenig, was liegt der Sorte daran ob da
einer mehr oder weniger ist, der am Hungertuche naget?
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125
] Aus Westphalen, 20. Febr.
Von den 330 bis jetzt gewählten Abgeordneten zur zweiten Kammer sind
(einer Zusammenstellung in der K. Z. zufolge) 87 Justizbeamte (43 links), 42 Verwaltungs- und Kommunal- Beamte (10 links), 66 Geistliche, Professoren, Literaten und Aerzte (41 links), 26 Kaufleute und
Gewerbtreibende (12 links), 82 Gutsbesitzer (12 links), 24 Bauern (8 links) und 3 Militär- Personen. Es fehlen in Folge der Doppelwahlen noch 20 Deputirte. Vorstehende Uebersicht gestattet es, auf das
Bedürfniß einer richtigen Zusammensetzung der Kammern aufmerksam zu machen, da das Militär fast gar nicht vertreten ist, obige 3 Militärpersonen zur rechten Seite, und unseres Wissens nur ein
einziger verabschiedeter Offizier, der Graf v. Görz zu Frankfurt a. d. O., der vermuthlich als Literat aufgeführt ist, auf der Linken sitzt. Und doch ist es so wichtig, daß Männer in der Kammer
sind, die bei vorkommenden Gelegenheiten über die innern Verhältnisse des Heeres Auskunft geben können, die durch ihre Verbindungen mit den demokratischen Elementen im Heere von Allem Kenntniß
erlangen, was für die Versammlung von Wichtigkeit ist. Es ist eine Wahrheit, (so bitter sie dem Civil auch sein mag, da fast Alle sich rühmen, auch Soldat gewesen zu sein) daß von den eigentlichen
Militär- Verhältnissen nur die Eingeweiheten eine Kunde haben, und daß die Männer der Linken, wenn sie auf Abbestellung eines Uebelstandes dringen, fast immer vorbei schießen, daß sie nicht befähigt
sind: einen derartigen Antrag richtig zu formuliren und allseitig zu begründen. Nur die äußerste Schale der Militär- Verhältnisse ist dem Juristen, dem Gewerbtreibenden und Oekonomen bekannt; das
Wesentliche der Militär- Organisation, das, was auch der demokratische Offizier festhalten muß, richtig zu bezeichnen, das ist dem Nichtmilitär selten bekannt; höchstens hat er eine dunkele Ahnung
davon. Der Stein'sche Antrag kann als Beispiel in dieser Beziehung gelten.
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84
] Münster, 20. Febr.
Durch die Nachwahlen ist es jetzt möglich, einige ‒ wegen Demokratie verabschiedete ‒ Offiziere in die zweite Kammer zu bringen. Die
Wahlmänner müssen jedoch ihre Lokal- Rücksichten fallen lassen, und dem Ganzen wirklich nützen wollen. Erst wenn das allgemeine Staatsleben geordnet ist, können die Lokalfragen an die Reihe kommen;
und daß die Militär- Organisation vorab zu betrachten ist, wird wohl Niemand bezweifeln! Noch ist es möglich auf den Militär- Organismus einzuwirken, und dort die Willkür (die Reglements für die
Offiziere vom Könige Friedrich Wilhelm I. noch herstammend, sind bekanntlich schon längst als zu freisinnig eingezogen, und neue noch nicht ausgegeben) zu verbannen. Es giebt unter den reifern
Offizieren Männer genug, die Demokraten sind, und sich zurückhalten, aber einmal in der Kammer ihren Posten entschieden vertreten würden. Allein, sie hier öffentlich zu nennen, würde sie unnütz in
ihrer Stellung gefährden. Nur verabschiedete Offiziere sollen daher hier genannt werden. Dahin gehören der in ihrer Zeitung empfohlene Otto v. Mirbach, im Zuchthause zu Münster, de la Chevallerie,
kürzlich aus Berlin verwiesen (falls dieser das gesetzliche Alter hat). Böing, früher schon in Folge des Anneke'schen Prozesses bekannt geworden, und Caspary in Münster, der schon im Dienste
seine Ansichten offen an den Tag legte.
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] Bochum, 15. Febr.
Gestern war der Hr. Harkort hier. Demselben wurde des Abends eine Katzenmusik gebracht, die man in einer Entfernung von 2 Stunden vernehmen konnte. Der
Hr. Harkort wollte bei den Katzenmusikanten ganz konservativ erscheinen, denn er ließ denselben Wein anbieten. Die Musikanten haben aber das so sehr großmüthige Anerbieten nicht acceptirt, vielmehr
dasselbe mit gerechter Entrüstung und unter den Worten: er ‒ Harkort ‒ solle lieber den Weinhändler Höltring bezahlen, zurückgewiesen.
Von hier ist der Hr. Harkort nach Schwelm gereist. Warum derselbe die hier in der Nähe liegenden Ortschaften so kurz nacheinander besucht, ist hier nicht bekannt.
Es dürfte sich wohl annehmen lassen, daß er irgend eine geheime Mission zu erfüllen habe.
Es circulirt hier gegenwärtig eine Adresse an Se. Majestät, unsern vielgeliebten König, um, in Erwägung, daß der hiesige „Märkische Sprecher“ es unter der Würde Sr. Majestät hält,
noch ferner in Berlin zu residiren, weil dort die Wahl zur zweiten Kammer nur demokratisch ausgefallen sei; und in Betracht der den Markanern angebornen Treue zu Sr. Majestät und dessen
Herrscherhause, seine Residenz von Berlin nach Bochum zu verlegen.
Die Adresse soll bereits mit vielen Unterschriften bedeckt sein. Die Adresse selbst soll Ihnen übrigens so ziemlich wörtlich mitgetheilt werden.
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9
] Berlin, 19. Febr.
Wir sind in einer erfreulichen Spannung in Bezug auf die Eröffnung der Kammern am nächsten Montag. Viele Wetten sind bereits entrirt, ob oder ob
nicht die Gottesgnade im weißen Saale sich verlauten lassen wird. Die Vermiether der chambres garnies haben das beste Theil erwählt. Sie hoffen die leeren Kammern zu vermiethen; da aber die
Kammergeschichte nur kurze Zeit währen möchte, so wollen sie vorsichtig sein, und sich den Monatszins voraus zahlen lassen. Die Herren Revisionsräthe (s. v. Volksvertreter)
sollten es eben so machen. ‒ Ich schrieb Ihnen in meinem Vorigen, daß die Regierung bezüglich der Kammereröffnung nicht wisse, was sie thun solle ‒ sie hat es jetzt gewußt und ‒
gewagt. Einige wollen behaupten, aus Scham, für feige gehalten zu werden, Andere fürchten, dies sei ein Beweis, daß die Regierung sich sicher fühle. ‒ Wie ich
höre, sind heute die Nachwahlen wie folgt bestimmt: Heinrich Simon im 1. Wahlbezirk, G. Jung u. Schramm (von Striegau) im 3. und Bruno Bauer im 4. Wahlbezirk. Das neueste Belagerungsstückchen wegen
der Vertreibung der Wahlmänner hilft sehr zum Siege der Opposition.
Die sublime Errungenschaft des deutschen Wechselgesetzes zeigt sich hier in glänzendem Lichte. Vermöge der Wahlsouveränität im vorigen Sommer wurde es den Besitzenden schwierig, ihre
Forderungen bei den Proletariern richtig einziehen zu können.
Verschiedene Blutsauger mußten sogar selbst Blut lassen, indem sie von dem souveränen Volke zur Thür hinausgeworfen wurden trotz der humanen Absichten, nur einen Theil ihrer Forderungen
einzuziehen. Das deutsche Wechselrecht hilft den Märtyrern des Besitzes wieder auf die Beine. Sie schleichen jetzt liebevoll zu den Helden des Mangels und lassen sich „Wechselchen“ auf
1, 2, 3 Monate unterschreiben, unter dem Vorwande, daß sie mit diesen Wischen wenigstens ihre Gläubiger bezahlen könnten. Die Proletarier verschreiben sich dem Teufel, warum nicht seinen Jüngern, und
werden dafür richtig nach 1, 2, 3 Monate im Schuldgefängnisse zu büßen haben.
Die dramatische politische Posse scheint mehr zur Geltung zu kommen als bisher. Leider aber fehlt es an Unternehmern, die unabhängig von der Polizei sind. Was etwa zur Aufführung kommt, muß
jedenfalls nach dem Geschmack der „Weißbierbürger“ sein. So macht denn gegenwärtig auf dem Friedrich- Wilhelmstädtischen Theater eine Posse Furore, die nach dem französischen Stücke: la
propriété c'est le vol, bearbeitet ist. Um aber unsere Zustände vollkommen zu bezeichnen, genügt die Bemerkung, daß der Berliner Dramatiker anstatt des französischen Sozialisten
Proudhon den Berliner Held zum Stichblatt gewählt hat. Armer Proudhon!
Hr. Brutus Bassermann ist gleichfalls in der Posse repräsentirt, aber sonderbar genug als weiblicher Wassermann. Mit Recht bemerkt die hiesige Theaterzeitung: Hr. Bassermann könne besser als altes
statt junges Weib vorgestellt werden.
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@facs | 1258 |
Berlin.
Die „Neue Preuß. Ztg.“ meldet folgendes entsetzliche Faktum aus Dessau: „In einem Dessauer Paß ist der allen preuß. Veteranen wohlbekannte Graf Henckel
von Donnersmarck, der seit einigen Jahren in Dessau lebt, bezeichnet worden als:„Herr Henckel im Auslande“ (nämlich in Preußen) genannt Graf Henckel von Donnersmark.“
Ferner berichtet sie über die dem Hrn. Harkort (wo bleiben die 800 Thlr.) gebrachten Katzenmusiken wie folgt: In Westphalen wurde der Abgeordnete Harkort bei einer Rundreise durch die Fabrikkreise
von den Arbeitern überall auf das Festlichste begrüßt. In Herdecke wurde ihm eine Ehrenpforte erbaut, in Hagen ihm ein großes Festessen gegeben und ein Fackelzug gebracht. Eine solche Demonstration
will etwas Anderes besagen, als der Bummlerzug zu Jakoby nach dem Hotel Mylius.
Wie dies vortreffliche Blättchen Statistik fabrizirt, davon folgendes Pröbchen:
„Folgendes ist eine Zusammenstellung der Steuern, welche die sechs größten Nationen der Erde bezahlen, auf den Kopf berechnet:
| Steuern im Ganzen. | Bevölkerung. | Steuern p.
Kopf. |
England | 1,700,000,000 Fr. | 26,008,000 | 65 Fr. 36 C. |
Frankreich | 1,250,000,000 Fr. | 34,000,000 | 36 Fr. 76 C. |
Oestreich | 430,000,000 Fr. | 34,000,000 | 12 Fr. 65 C. |
Preußen | 220,000,000 Fr. | 13,000,000 | 16 Fr. 92 C. |
Rußland | 480,000,000 Fr. | 58,000,000 | 8 Fr. 28 C. |
Nordamerika | 170,000,000 Fr. | 13,000,000 | 13 Fr. 8 C. |
Abgesehen davon, daß Preußen hier zu den „sechs größten Nationen der Erde“ gerechnet wird, was ihm doch bisher nie
passirt ist (die Engländer stellen bekanntlich in ihren Statistiken Preußen dicht hinter die Türkei und vor Portugal) so stellt sich hier heraus, daß Preußen nur 13 Mill. Einwohner haben soll (es hat
bekanntlich 16 Mill.) und die Vereinigten Staaten ebenfalls nur 13 Mill., wo sie doch über 20 Mill. zählen. Daß in der N. Pr. Z. das preuß. Budget statt 100 Mill. Thaler nur 58 Mill. beträgt, ist
freilich begreiflich; für dies Blättchen gelten nicht die Mittheilungen der Finanzkommission der Nat.- Vers., sondern nur die alten s. g. Finanzetats“ aus der Zeit des Vereinigten Landtags.
Ferner meldet sie: Ein zu 6jähriger Zuchthausstrafe verurtheilter gefährlicher Dieb, Namens Blücher, ist aus dem Criminalgefängniß entsprungen.
Ist das vielleicht ein Nachkomme des alten Schnapsblücher aus den Feldzügen von Anno dreizehn und ein Verwandter des Lieutenants Blücher, bekannt aus dem großartigen Feldzuge gegen die vereinbarten
Sancho- Panzas des passiven Widerstandes?
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@facs | 1258 |
Berlin.
Der königl. Preuß. Staatsanzeiger enthält in seinem Amtlichen Theil folgenden sonderbaren Artikel:
„Charlottenburg, den 19. Febr. Se. Maj. der König und das ganze Königl. Haus sind durch die heute eingetroffene Nachricht von dem Ableben Sr. Kön. Hoh. des Prinzen Friedrich
Wilhelm Waldemar von Preußen in tiefe Betrübniß versetzt worden.
Se. Kön. Hoheit war seit mehreren Monaten in Münster, wohin die militärische Dienstpflicht Höchstdenselben als Commandeur der 13. Kavalleriebrigade geführt hatte, an einem rheumatischen Fieber
erkrankt, in dessen Folgen sich eine Entzündung des Psoas- Muskels ausbildete, die sich aller ärztlichen Hülfe ungeachtet zu einem zerstörenden Absceß steigerte, bis am Sonnabend, den 17. d. M.,
Nachmittags gegen 4 Uhr, der Tod sanft erfolgte, dem Er standhaft und in christlicher Fassung entgegensah.
Se. Kön. Hoheit der Prinz Wilhelm, Vater des hingeschiedenen Prinzen, weilte seit Monaten in unausgesetzter väterlicher Sorgfalt und Liebe am Krankenbette und war, wie auch Se. Königl. Hoh. Prinz
Adalbert, der Bruder des Entschlafenen, beim Tode gegenwärtig.
Der hochselige Prinz war am 2. August 1817 geboren und ist folglich in der Blüthe der Lebensjahre vom Tode ereilt worden.
Ein reines Herz, der edelste Sinn und ein hohes Pflichtgefühl verband
der verewigte Prinz mit der größten Anspruchslosigkeit, und als vor einigen Jahren ehrenwerthe Wißbegierde Ihn nach Indien führte, hatte Er Gelegenheit, bei einem Kampfe gegen die Sikhs in den
Schlachten von Mudki, Ferozpur und Sobraon Sich durch Besonnenheit und Tapferkeit so auszuzeichnen, daß Ihm ein ehrenvolles Andenken bei Seinen Mitkämpfern in der engl. Armee gesichert bleibt.
Der Todesfall wird daher um so schmerzlicher empfunden, weil der hingeschiedene Prinz, wenn es Ihm vergönnt gewesen wäre, die militärische Laufbahn fortzusetzen, dem Staate noch lange und
ersprießliche Dienste zu leisten versprach.“
Man erinnert sich aus den damaligen engl. Blättern, daß der „hingeschiedene Prinz“ in der Schlacht von Sobraon das Prinzip verwirklichte: Weit davon ist gut für den Schuß. De mortuis
nil nisi bene.
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212
]Berlin, 20. Febr.
Wie ängstlich besorgt man in gewissen Kreisen ist, sich „des Lebens süße Gewohnheit“ zu erhalten und wie wenig man sich in denselben
Kreisen der alt- absolutistischen Willkür noch entwöhnt hat, mag folgende wahre Begebenheit zeigen. Auf dem anhaltischen Bahnzuge befand sich vorgestern auch der von Weimar zurückkehrende Prinz Karl.
Auf der Station Großbeeren wollte eine ebenfalls nach Berlin zurückkehrende Jagdgesellschaft, welche noch mit ihren Büchsen versehen war, in denselben Wagen einsteigen. Aber der Prinz, der sie
wahrscheinlich für verkleidete Carbonaros oder Königsmörder hielt, fuhr sie heftig an und frug, was sie denn hier wollten. Die Jäger, ohne sich an die unhöfliche Manier des Prinzen zu kehren, stiegen
ein. Der Prinz verlangte nun von den Bahnwärtern, sie sollten diese Passagiere zurückweisen; die Bahnbeamten weigerten sich aber natürlich, da die Jagdliebhaber die Billets richtig bezahlt hatten. Der
Zug ging ab, während der Prinz in nicht eben seinen Worten seinem Grolle Luft machte. Hier am Bahnhofe angelangt, wurden die Jäger, theils weil sie bewaffnet waren, theils auf Anlaß des Prinzen
sämmtlich verhaftet und nach der Kommandantur gebracht. Dort aber wurden sie, da sie sich alle als ruheliebende Berliner Bürger legitimiren konnten: sofort entlassen und beabsichtigen nun gegen den
Prinzen, wegen dessen verletzender Reden, Beschwerde zu führen.
Als interessanter Beitrag zur Kenntniß der hiesigen gewerblichen Verhältnisse und der Stimmung unter den hiesigen Arbeitern, theilen wir nachstehenden Aufruf der hiesigen Kattundrucker mit, wenn
wir auch natürlich mit den Konklusionen desselben gegen die Anwendung von Maschinen keineswegs übereinstimmen. Das Aktenstück ist jedenfalls eine Stimme aus dem Volke, die gehört zu werden
verdient.
„An unsere Mitbürger!“
Es ist eine leichte und schöne Sache, wenn man den Arbeitern Ruhe und Ordnung predigen will durch Zeitungen und Belagerungszustände; eine andere Frage aber ist es, ob der Arbeiter durch Zeitungen
und Belagerungszustand Arbeit und Brod findet. Ihr sagt uns, Ruhe und Ordnung giebt Brod und Arbeit ‒ wir sagen Euch, Brod und Arbeit geben Ruhe und Ordnung. Wir haben Ruhe und Ordnung gehabt
lange Jahre und haben gearbeitet wie die Maschinen; aber die Maschinen, die kein Brod essen und des Nachts nicht schlafen, haben noch mehr gearbeitet, und wir wurden überflüssig und brodlos; die
Fabriken wurden immer größer und schöner, unsere Wohnungen immer kleiner und dürftiger; die Maschinen liefern Zeug genug, um die Erde damit zu bedecken und unsere Weiber und Kinder haben nicht, ihre
Blöße zu decken.
Wir haben gebeten und gebettelt lange Jahre, wo die Revolutionen noch nicht Mode waren, von Herodes zu Pilatus ‒ beim Magistrat und bei den Ministern; selbst bei Sr. Majestät dem jetzt
regierenden Könige in Sansouci, und haben keine Hülfe gefunden für unsere Noth und Arbeitslosigkeit.
Am 8. April v. J. haben wir mit unsern Fabrikherren einen Vertrag geschlossen, den sie aber hinterdrein nicht gehalten haben. Deshalb wurde am 26. Oktober von 4 Druckern, 4 Fabrikanten und 4
Vertrauensmännern eine Commission gebildet, welche unter dem Vorsitze des Ministerial- Direktors Herrn v. Pommer- Esche im Handelsministerium diese Sache in Ordnung bringen sollten. Die Fabrikherren
sagten aber, sie allein könnten uns nicht helfen, wenn die andern Fabrikanten im Zollverein es nicht wollten. Deshalb wurde ein Congreß zum Januar d. J. nach Leipzig beschlossen, und ebenso bestimmt,
daß 70 unbeschäftigte Drucker außer den zur Zeit in Arbeit stehenden neben der Maschine mit Handdruck beschäftigt werden sollten. Der Congreß in Leipzig wurde von Fabrikanten und Druckern zahlreich
beschickt; nach dreißigstündiger Verhandlung aber die Forderungen der nothleidenden Drucker mit hohnlächelnder Miene zurückgewiesen. Jetzt nahet der 1. März und die Drucker werden wieder entlassen.
Zwar verspricht man dieselben als Arbeitsleute in der Fabrik zu beschäftigen; würde dies aber die Sache ändern, würden nicht dadurch eben so viel Menschen ins Elend gejagt?
Wir fordern die Arbeit nicht blos für uns und um andere zu verdrängen, sondern wir verlangen Hülfe und Arbeit für alle Bedrängte und Arbeitslose. Die neue Gewerbeordnung verbietet den Arbeitsleuten
als Handwerker zu arbeiten ‒ soll nun der Handwerker als Arbeitsmann arbeiten und diese verdrängen? Wenn aber das Arbeiten oder Broderwerben überhaupt verboten werden kann, so verlangen wir
vorher, daß eiserne Arbeiter, die nicht essen und nicht schlafen, die Maschinen, erst dann arbeiten dürfen, wenn die Arbeiter alle beschäftigt sind, die Brod essen, die Weib und Kind ernähren
müssen, und dem Könige ihre Steuern zahlen.
Wir wissen wohl, Ihr zuckt wieder die Achseln und trommelt Generalmarsch wenn wir die eisernen Arbeiter aus der Werkstatt werfen, aber woher nehmen wir Brod;
Berlin, 19. Februar 1849.
Im Namen der hiesigen Kattundrucker.
Das Komite.
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Posen, 16. Febr.
Von der polnischen Grenze schreibt man, daß ein aus Frankreich auf Grund eines russischen Amnestiedekrets zurückkehrender Emigrant, der Pfarrer Jastrzybski aus
Lublin sofort von den Kosaken verhaftet und nach Kalisch abgeführt worden ist, obgleich ein polnisch- preußischer Gutsbesitzer ihn noch ausdrücklich begleitete und die vollständigen Legitimationen bei
sich führte. Man macht aus diesem Verfahren Schlüsse auf die Verhältnisse der sonst freundnachbarlichen Regierungen. Aus Krakau treffen täglich Nachrichten ein, die Besorgnisse über bevorstehende
Bewegungen ausdrücken. Das Rekrutirungspatent und die Anfälle der Soldaten auf ruhige Bürger haben die Polen aufs Aeußerste erbittert. Die Bauern im Krakauer Kreise wollen die Rekrutirungskommission
mit Sensen und Dreschflegeln empfangen. In Chrzanow ist es deshalb bereits zum Kampf gekommen. Täglich fast gehen aus Krakau kleine Militärdetaschements an Orte ab, wo die Ungarn eingefallen sein
sollen. Wegen dieser Bewegungen hat man den Rekrutirungstermin auf den 5. März verschoben. Auch in Lemberg scheint es zu gähren. Die Oestreicher haben sich hier und in der Umgegend genöthigt gesehen
den Landsturm gegen die Ungarn zu organisiren. Dazu hat man jedoch nur der Bauern sich bedient. Nun verlangt der Adel, daß man ihn auch dazu verwende. Dessen weigern sich die Oesterreicher und sagen
offen, sie wollten den Wolf nicht in die Schaafheerden lassen. Die Lemberger Schulen sind geschlossen, weil die Schüler sich deutsch und ruthenisch zu lernen weigerten und Tumulte ausführten. Die
ältesten derselben hat man sofort bei den Truppen eingestellt. Hier in Posen ist es sehr ruhig; eine große Anzahl Polen hat sich mit ihren Familien nach Breslau hingezogen, um Oestreich näher zu sein,
und die polnischen Studenten in Breslau, die sehr zahlreich sind, verfolgen die Bewegungen jenseits sehr aufmerksam. Die östreichische Note hat unter allen Deutschen tiefe Entrüstung, bei den Polen
eine Art Genugthuung hervorgebracht. Die Gazeta äußert sich darüber sehr weitläufig und schließt also: „In unbegrenzten Linien einer weiten Ferne schwebt für Oestreich ein nebelhaftes,
ungeheueres, mächtiges, drohendes Deutschland, in welchem alle Nationalitäten Platz finden! O ihr beglückten, tausendfach beglückten Slaven! seht! Euer großmüthiger Kaiser, der in Olmütz drei
Professoren auf einmal erlaubt hat tschechisch zu lehren, der mit eurer Hülfe die deutsche Hauptstadt seines Reichs gedemüthigt, Italien in Schach gehalten, Ungarn erdrückt hat, wirft euch nun, zum
Lohn für euer vergossenes Blut, für gehaltene Treue, für den Sieg über die Märzrevolution dem auseinanderklaffenden Deutschland entgegen! o ihr tausendfach beglückten Barbaren!“ ‒
„Doch wie werden euch, ihr freiheitsneidende Söhne Germaniens, die 600,000 Bajonette schmecken, mit denen man Wien demüthigte, Italien in Knechtschaft hielt, Ungarn und Polen mordete? Wahr
[1259]
lich, ich sage euch, dieses Geschenk wird euch sehr theuer zu stehen kommen.“
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Wien.
Das C. Bt. a. B. läßt sich von hier schreiben:
Kossuth soll den
Obristen Montecucoli, als Revanche für den in Ofen erschossenen Szdll, haben henken lassen, und zugleich gedroht, daß für Jeden der in Ofen füsilirt wird, ein östreichischer Stabsoffizier gehenkt
wird! Sehr vernünftig.
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[
!!!
] Frankfurt, 20. Febr.
National- Versammlung. Um 9 Uhr ließ Präsident Simson auf Antrag von Fuchs die Mitglieder zählen. ‒ 67
waren anwesend. 1/4 Stunde später war man beschlußfähig, und das Protokoll wurde genehmigt. ‒ Nach mehrfachen mit Bravo aufgenommenen Flottenbeiträgen (deren Zahl übrigens von Tage zu Tage
merkwürdiger Weise wächst) beginnt man die Tagesordnung.
Mittermeier (Berichterstatter der Minorität des Verfassungs- Ausschusses) spricht für die 5 Minoritäts- Erachten zu § 1 und 2
(S. unten). Unter andern spricht er sich gegen jeden Census aus und widerlegt dabei die Bassermann'sche Behauptung, als habe Rotteck den Census empfohlen. Rotteck habe zwar allerdings einmal
fur den Census sich ausgesprochen, aber später diese Ansicht vollkommen widerrufen. (Links: hört! rechts Gelächter!) Es verdiene doppelte Verachtung, daß nachträglich Mitglieder des
Verfassungs-Ausschusses einen Census vorgeschlagen, während im Entwurf sich dieser Ausschuß entschieden gegen jeden Census erklärt hatte.
Georg Beseler (ohne Fonds) hat nämlich, voraussehend,
daß die „Schandanträge“ des Ausschusses doch fallen müssen, schnell ein Surrogat mit Census substituirt und der kühngriffige Gagern diesen Antrag zu dem seinigen gestempelt.
Die
Rechte unterbricht M. oft und heftig, überhaupt ist große Agitation im Froschteich wahrzunehmen.
Mittermeier spricht für ein Wahlgesetz im freisten Sinn Soll ich Ihnen sagen, ruft er, wie Sie
einen guten Beschluß herbeiführen können: „Die Philister unter Ihnen müssen aus Ihrem Schlafe erwachen!! ‒ Weg mit dem Fanatismus der Ruhe! Fort mit der Ruhe! Wenn Sie den Kampf auf dem
Wege des Gesetzes nicht wollen, so werden Sie ihn auf den Barrikaden haben!“ (Langer und donnernder Beifall von der Linken, linkem Centrum und allen Tribünen.)
Scheller spricht für
die Majorität des Verfassungs-Ausschusses. ‒ Was er für den „noblen“ Entwurf spricht, ist der Mühe zu repetiren nicht werth!
Man schreitet um 11 Uhr zur Abstimmung, das Haus
ist ganz gefüllt, alle Abgeordneten anwesend. Man merkt, daß heut die Endentscheidung, das Brechen des letzten Stabes drankommt.
Viele namentliche Abstimmungen werden beantragt und
unterstützt.
Bei der Wichtigkeit der Sache gebe ich Ihnen alle Anträge, die zur Abstimmung kamen.
Zuerst wurde der Titel in folgender Gestalt angenommen:
Reichsgesetz über die Wahlen
der Abgeordneten zum Volkshause.
Für die Wahlen der Abgeordneten zum Volkshause sollen folgende Bestimmungen gelten:
Wiesners Antrag
„Wähler ist jeder volljährige
Deutsche“ wurde nur von der Linken genehmigt.
Hierauf folgten die Requisiten zu § 1: 1. die „Unbescholtenheit“ wurde mit 237 Stimmen gegen 224 angenommen! (Pfui!) 2. Die
„Selbstständigkeit“ wurde mit 422 Stimmen gegen 21 verworfen.
Unter den wenigen dafür Stimmenden finden sich Bassermann, Antz (Regierungsrath aus Aachen, reaktionärstes Mitglied
der Versammlung, nächstens mehr von ihm!) Fuchs aus Breslau.
Die Herren von rechts ließen die Selbstständigkeit fallen, um für den Census zu stimmen
So heißt denn dieser halbkastrirte
Jammerparagraph I.:
„Wähler ist jeder unbescholtene Deutsche, welcher das 25. Lebensjahr zurückgelegt hat!“
Mit dem Wegfall der „Selbstständigkeit“ fielen
natürlich auch die elenden Bestimmungen des § 2. (Ausschließung der Arbeiter, Handwerker, Dienstboten.)
§ 2 wurde so genehmigt:
„Von der Berechtigung zum Wählen sind
ausgeschlossen: Personen, welche unter Vormundschaft oder Curatel stehen. Personen, über deren Vermögen Concurs oder Fallitzustand gerichtlich eröffnet worden ist, und zwar während der Dauer dieses
Concurs oder Fallitverfahrens. Personen, welche eine Armenunterstützung aus öffentlichen oder Gemeindemitteln beziehen, oder im letzten der Wahl vorhergegangenen Jahr bezogen haben.“
(Mit
266 Stimmen gegen 186.) ‒ Pfui!
Der ministerielle Antrag:
„Wahlberechtigt ist nur, wer mindestens entweder a. 5 fl. 15 kr. rhein. (3 Thlr. preuß.) direkte Steuern jährlich an
den Staat entrichtet, oder b. ein jährliches Einkommen von 350 fl. (200 Thlr. preuß.), oder c. ein Grundeigenthum von 350 fl. rhein. (200 Thlr.) hat;“
wurde mit 332 Stimmen gegen 117
verworfen; für den edlen Odilon-Gagern ein horribles Mißtrauensvotum!!!
Dafür stimmten u. A. Dahlmann, Mathy, Droysen, Fuchs, Gagern (!), Mevissen aus Köln (!), Grävell, Hergenhahn, Laube!!!,
Raumer, Reichensperger, Soiron u. s. w. Schöne Stützen des Ministeriums. ‒ Sogar der Minister Robert Mohl stimmte gegen Gagern's Antrag
Ein Antrag von Rheinstein und mehreren
Mitgliedern der Linken:
„Ausgeschlossen sollen auch sein, Personen, welche Gratifikationen oder Pensionen beziehen,“
wurde leider verworfen.
Die Linke stimmte dafür.
Man schien den Antrag für Hohn zu halten, während es der bitterste Ernst ist.
Hierauf kommen 3 ähnliche Anträge (mehr oder minder Census verlangend); sie erlitten alle und zwar auffallender
Weise das Geschick des ministeriellen, das heißt, sie wurden verworfen, der Biedermann'sche mit 248 gegen 204 Stimmen.
Der von Hoffmann von Friedberg mit 239 gegen 209.
Endlich der
von Lette mit sehr großer Majorität.
Hiermit war die Sitzung um 1/2 5 Uhr geschlossen, und es blieb bei den obigen Bestimmungen des § 1 und 2
Der Ausschuß erlitt eine kolossale
Niederlage.
Beseler- Gagern sind gerichtet.
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@facs | 1259 |
[
15
] Kassel, 18. Febr.
Gott steh' uns bei! Der Kurfürst will seine Haupt- und Residenzstadt Kassel
verlassen, weil neulich sein höchsteigenes Palais in Person für den höchstgnädigen Herrn eine Katzenmusik in Empfang genommen. Der Kurfürst verläßt den Sitz seiner Ahnen und begiebt sich unter
priesterlichen Schutz nach Fulda. Möglich, daß ihn die in's Kloster stecken, ‒ da er, fern von dem geräuschvollen Treiben der Welt, Soldaten malen und ausschneiden kann in beliebiger
Facon. Pius IX., Leopold von Toskana, Friedrich Wilhelm, Kurfürst und souveräner Landgraf von Hessen! Der Haushofmeister ist bereits nach Fulda abgereist und große Anstalten werden getroffen.
„Gräfin in Sicherheit, Grafen in Sicherheit, Geld in Sicherheit, Ich in Sicherheit! Ae, Ae, Ae!“ Und die Kasseler Spießbürger, die vom Hof leben, ‒ die machen Revolution,
Petitionen, Vorstellungen und dergleichen. Nächstens mehr, wenn nur der Kurfürst da bleibt.
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@facs | 1259 |
[
15
] Cassel, 17. Febr.
Der Henkel im Conflickt mit der
Staatsregierung, im Conflickt mit dem gesinnungstüchtigen Ministerium Eberhard! Unglaublich und doch wahr! Der Henkel hat bekanntlich, ‒ wer sollte wohl von der gesetzgeberischen
Thätigkeit des „der Henkel“ nicht wissen? ‒ ein neues Wahlgesetz erlassen auf Grund der Grundrechte, welche die Standesvorrechte abschaffen oder besser gesagt abschaffen sollten,
ein Wahlgesetz, das uns freie kurhessische Unterthanen mit 16 Städtern, 16 Bauern und 16 höchst Besteuerten beglückt, und nebenbei eine unzählige Menge verfassungsmäßiger Beschränkungen der
Ausübung des Wahlrechts, ja nicht des Wahlrechts selber einführt, denn der Henkel sagt ja: „Alle Menschen sind gleich berechtigt, aber nicht alle zur Ausübung ihrer gleichen Rechte
gleichberechtigt.“ Der Henkel glühend in selbstgerechtem Stolze ob seines so beifällig zur Taufe gehobenen Kindes verlangt sofortige Publikation des Wahlgesetzes. Die Regierung des edlen
Eberhard aber braucht Geld, und meint, wenn sie das Wahlgesetz publizire, ehe das Geld bewilligt sey, dann werde vielleicht nachher kein's mehr bewilligt oder doch im günstigsten Falle nicht
bezahlt.
Der Henkel will das Wahlgesetz, die Regierung aber will Geld von ihm und dann erst will sie das Wahlgesetz. Der Henkel vermittelt nun, er will sofort das Wahlgesetz, will aber auch der
Henkel bleiben, Diäten beziehen und Geld verwilligen. Die Sachlage ist kritisch. Der Henkel hilft ab durch ein Gesetz, das Gesetz geht an den Rechtsausschuß und im Rechtsausschuß ist der Henkel der
Hauptmann.
Der Henkel als Rechtsausschuß überlegt die Sache hin und her, plötzlich läßt er heute durch den rothen Wolff Bericht erstatten und die Ansicht mittheilen: „daß die
landständische Eigenschaft der Mitglieder der jetzigen Ständeversammlung nicht durch die Promulgation des angenommenen neuen Wahlgesetzes, sondern nur entweder durch Ablauf der Landtagsperiode oder
aus den im §. 79 der Verfassungsurkunde angegebenen Gründen (Auflösung) aufhört.“
Hr. Lederer springt sofort seinen Freunden bei und beantragt aus Zweckmäßigkeitsgründen, weil in
jetziger Zeit das Land (soll wohl heißen die Minister) ohne stete Anwesenheit der Ständeversammlung nicht bestehen könne: „die Staatsregierung um Vorlage eines Gesetzentwurf's zu
ersuchen, wodurch bestimmt werde, daß die Wirksamkeit der Ständeversammlung so lange fortdauere, bis in Gemäßheit des neuen Wahlgesetzes eine andere gewählt sey.“
Ist der große
Gesetzgeber Lederer von Marburg, Freund des Henkel's, so wenig selbstständig, daß er nicht auch einmal anstatt seines ewigen Wimmerns um Gesetzvorlagen von dem verfassungsmäßigen Rechte der
Initiative Gebrauch machen kann?
Die Versammlung trat der Ansicht des Ausschusses mit 34 gegen 5 Stimmen bei und überwies den Antrag des Hr. Lederer dem Verfassungsausschuß. Wir sagen auf Grund
des grundrechtlichen Einführungsgesetzes, daß kein Mensch nach Annahme des neuen Wahlgesetzes mehr an die Beschlüsse dieser Ständeversammlung gebunden ist, und selbst der permanente Ausschuß besteht
in diesem Augenblicke nicht mehr zu Recht. So ist denn einmal bei uns wieder alles in der Schwebe, vielleicht eine Spießbürgerrevolution in Aussicht, wie erst vor Kurzem eine dem Ausbruche nahe
war. O gepriesener Staat der widerstreitenden Gewalten! Macht den Henkel zum Kurfürsten und ihr seid gerettet, der trägt euch über alle formellen Bedenken
hinweg!
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213
] Leipzig, 20. Febr.
Gestern veröffentlichte eins unserer vielen in der Sedez- Riesengestalt des „Dorfbarbiers,“ der
„Dorfzeitung“ und anderer Dorfgenialitäten centraldeutscher Kleinheit erscheinenden centralharmlosen „Blättchen“ die Loyalitätsadresse unseres börsenspezifischen
Prozent-Ritterthums an seine zwischen Berlin und Wien zum Regiren erlaubte thränenbegnadete Vice- Majestät. Vergeblich spähte ich in der Adresse nach dem hier sonst doch so unvermeidlichen Geiste
unserer Leipziger „Gose;“ er war nicht darin zu finden. ‒ Gose ist bekanntlich das Lieblingsgetränk Leipzig's. Wer den rechten Begriff von radikaler Geist-, Geschmack- und
Charakterlosigkeit bekommen, wer die unübertrefflichste Bedeutungslosigkeit kennen lernen will, der muß Gose trinken, Leipziger Gose. Es gehörte Genie dazu, ein solch ultragehaltloses Getränk zu
erfinden, das sächsische Genie der gebildeten Bedeutungslosigkeit. Und doch schmeckt Gose noch pikanter als die meisten sächsischen Dorfblättchen. Die Gose hat noch niemals Jemand betrunken gemacht
und geht daher Hand in Hand mit unserer Literatur, die man so rasch und gemüthlich verdaut, wie Gose. Alle unsere Redakteure trinken Gose, schwängern ihre geistigen Organe mit Gose. Wer über den Geist
der Gose hinausgeht, wird zum verabscheuungswürdigsten Satan. Und dennoch haben unsere Hauptbuch- Evangelisten mit dem ewigen Prozentausdruck im sonst nichtssagenden Antlitz diesmal über die Schnur
gehauen. Das kommt aber daher. Seit einiger Zeit stöbern die Junker der klingenden Politik in der weißbierburschikosen Kreuzritterin herum und erlaben sich in dem Schlachthausdunst der
österreichischen Standrechtsbestien. Der Geist der Gose hat weichen müssen, denn die Leipziger Profit- Junker wollen zeigen, was sie gelernt haben. Sie sagen also unter Anderm im kroatischen
Banditenstiele:
„Haben die Wellen der Revolution sich bis jetzt an dem Throne Sachsens gebrochen, so verdanken wir dies den Tugenden, der Weisheit, der Treue und der Gerechtigkeit, welche
die schönsten Zierden unserer Krone sind.“
Sitzt aber die Gerechtigkeit auf dem Throne und hält sie in der einen Hand die Wage, mit welcher sie die Forderungen der Parteien würdigt und
ausgleicht, „so führt sie in der andern auch das Schwert, mit welchen sie Denen droht, welche das Recht beugen, das Gesetz verhöhnen, die Ruhe stören und den Frieden brechen wollen. ‒
Mit Gott für König und Vaterland!“
Ist das nicht kreuzritterlich, galgenverdienstlich, windischgrätzisch-banquiers-geschäftlich-ordnungs-freiheitlich? ‒ Sie sehen, unsere
Spießbürger werden Bourgeois; sie verlassen den Geist der Gose, um zwischen österreichischer Backhähnel- und preußischer Weißbierpolitik Posto zu stehen. Aber sie können es doch nicht unterlassen,
zuletzt ihre germanisch-gründliche Krämergemeinheit zu produziren, indem sie am Schlusse eines Gedichtes, welches, ebenso wie die Adresse, wider die sächsische Kammer abgeschossen ist,
ausrufen:
„Wir halten europäische Reden Und zieh'n drei Thaler tägliche Diäten!“
An den Anblick rüstiger, thatkräftiger Völker gewohnt, kommen mir die hiesigen
Menschen vor, wie blutlose Gestalten, deren Energie und Genie in Wasser gekochten und dann in der Faust zu menschlicher Kopfgestalt ausgewürzten Spinat (ein gräsernes Gemüse) zum Vater haben
müssen.
Das brodlose Proletariat wird, statt seiner Rechte bewußt gemacht zu werden, von Früh-, Nachmittags- und Sonntags- Predigern mit Humanitäts- Phrasen aus Jean Paul's Siebenkäs
gefüttert. Es erhält daraus die „Blumen- und Dornenstücke,“ während die pfiffigen Prediger die eigentlichen „Fruchtstücke“ allein genießen. ‒ So finden hier
„Vorlesungen und Ausstellungen zum Besten brodloser Arbeiter“ statt, zu welchen dann die vornehme Bourgeoiswelt die saft- und kraft-, die werth- und gehaltlosesten Schnitzel ihres
Arbeitskorbes zu liefern die Großmuth hat.
Obgleich man sich vor dem Märzmiau durch zehn Jahre mit christlich-germanischer Gründlichkeit das teutonische Gehirn darüber zerbrochen hatte, ob die
Juden zu emanzipiren und Geschwornengerichte an die Stelle der Aktenwürmer treten sollen, so hat man hier damit doch noch lange nicht genug. Fortwährend treten, namentlich über die Geschworenen, neue
Deklamatoren auf, die im Uriastone darüber phraseologiren, und wie! Die Sachsen sind entweder krämernde Fische, oder Schulmeister und Sonntagsprediger. Man sollte glauben, Leipzig mache eine Ausnahme,
weil hier eine Weltmesse stattfindet und Göthe gesagt hat: Es ist ein klein Paris und bildet seine Leute. Dem ist aber nicht so, die Messe bringt blos Krämer hieher, die Welt bleibt, wo sie ist; sie
hängt niemals an den Füßen der Krämer. Ein Fremder, der um 10 Uhr die Straße passirt, glaubt in der That, zu Schildburg angelangt zu sein. Mir widerfuhr's neulich, daß ich im Mondschein Abends
auf- und abwandelte, als es 10 Uhr schlug. Flugs rückte ein schwerbewaffneter, äußerst gemüthlich aussehender Nachtwächter mitten in die Straße an und sang mit dem unnachahmlich-gemüthlichen Tone
sächsischer Troubadour's, uns nicht nur zu, daß es 10 Uhr sei, sondern auch, daß wir uns schlafen legen, Feuer und Licht, damit Niemand Schaden geschicht, bewahren sollten. Wenn ich dann am
andern Tage Ihre Pariser Korrespondenzen lese und sehe, daß die französischen Demokraten große Erwartungen, namentlich an's Central-Deutschland setzen, dann muß ich mit einer Reminiscenz an die
Nachtwächter „O weh!“ ausrufen. ‒ Das sächsische Militär muß lauter Liliputaner zu Eltern haben; aus jedem österreichischen Grenadier ließen sich zum wenigsten zwei sächsische
ausschneiden. Ein hiesiges Bataillon wäre mir neulich unversehens beinahe zwischen den Beinen durchmarschirt.
Oestreich will in Siebenbürgen noch mehr Sachsen haben und soll bei der Dresdener
Regierung um, ich weiß nicht wie viele Centner, angefragt haben, die, wie ich höre, demnächst gegen komptant auch geliefert werden dürften. Mir will's indessen bedünken, daß Sachsen besser
thäte, statt des Comptant, sich mit martialischen, riesenmäßigen Szeklern und Kroaten ausbezahlen zu lassen. Ich bin fest überzeugt, die blauäugigen Sächsinnen würden unter den stämmigen Kroaten und
Szeklern ihre sittlich germanischen Männlein bald vergessen. Sachsen und damit das in der Fabrikation begriffene Deutschland würden dadurch eine schöne kroatische Zukunft bekommen.
Die Studenten
sind ebenso geistvoll und geistlos, ebenso zahmgermanisch wie die zahllosen Schwungs der Komptoirs. Man sieht sie während halber Tage beim geistvollen Domino sitzen, welches sie, weil dies den Kopf zu
sehr anstrengt, ohne Kaufen spielen. Erst in der Nacht, d. h. wenn sie besoffen sind, beginnen sie in der alten Sprache der Vandalen zu reden. Um Politik kümmert sich keiner, doch tragen sie hie und
da bedeutungsvolle dreifarbige Bänder. Im Theater kann einer spielen so gut oder schlecht er will, man hört niemals zischen oder applaudiren; ein Theaterabend ist mit Rücksicht auf das Publikum eine
ergötzliche Scene. Eine eisige christlich- germanische Aufmerksamkeitskälte beherrscht alle Physiognomien; die Frauen bemühen sich dabei, noch reizloser zu erscheinen, als sie es schon von Natur fast
alle sind.
Die sächsische Kammer hatte die Bildung, den Mord Blum's blos Tödtung zu nennen. Was gehen auch unter solchen Umständen alle ihre Redensarten gegenüber ihren Thaten an! Was man
in Sachsen Demokratie tauft, würde bei Ihnen, ich weiß nicht wie, genannt werden müssen.
Damit mein kleines Porträt übrigens einigermaßen zu Ihrer Zufriedenheit schließt, erwähne ich, daß das
Centralcomite der Blumstiftung hierselbst bereits 3359 Thlr. eingenommen hat.
Es lebe die deutsche Zukunft;
Nachschrift. Gestern erzählte man sich, Jellachich habe mit 80,000 Slaven
das kaiserliche Herr verlassen.
Italien.
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[
*
]
Den 10. Februar fand auf dem römischen Kapitol eine große Demonstration Statt. Alle
Volksrepräsentanten waren zusammenberufen, eine große Volksmasse, die Bürgergarde und die Carabiniers. Im Balkon des Gemeindehauses, verlas der Präsident Galetti, umgeben von allen Repräsentanten, das
glorreiche Dekretader konstituirenden Versammlung, welches die weltliche Gewalt der Päbste abschaffte und die Republik proklamirte. Bei dem Wort: Republik! entblößten sich alle Köpfe und erfolgte
donnernder Applaus.
Der Contemporaneo schreibt:
„Wenn Toskana wie Rom handelt, wen Frankreich die Republik anerkennt, wird England es auch thun. Man glaubt, daß Sardinien die
Republik anerkennen wird. Auf der Höhe
[1260]
des Obelisken, auf dem Volksplatze, wurden 3 Fahnen mit einer phrygischen Mütze aufgepflanzt. Morgen wird rings um den Obelisken ein Volksbanket stattfinden. Einige junge Leute tragen die
Jakobinermütze, andere rothe Federn am Hut. Fast alle Truppen sind an die Gränzen gerückt.“
Die konstituirende Versammlung hat folgendes Dekret erlassen:
„Die römische Republik an das toskanische Volk!
Im Augenblicke, wo wir das große Wort der Freiheit aussprechen, haben wir um uns geschaut, von welcher Seite uns hochherzige Antwort käme. Wir zweifelten nicht, daß Ihr uns mit einem Rufe der
Freundschaft und Zuneigung begrüßen würdet. Ihr habt in demselben Momente ein großes Werk im Hinblicke auf Rom vollbracht. Die beiden Revolutionen haben bewiesen, daß die italienischen Völker Brüder
sind durch ihre Bestrebungen und durch die Bedürfnisse ihrer Situationen. Wir haben Rache genommen an alten Verläumdungen Derselbe Gedanke erfüllt Italiens Kinder.“
In der Sitzung vom 8. Februar hielt der Minister der öffentlichen Arbeiten, Peter Sterbini, folgende Rede:
„Die alte Politik besteht noch. Oesterreich ist der Verbündete des
Pabstthums. Der italienische Bourbonenfürst, dieser zärtliche Freund Oesterreichs, hat sich zum Beschützer des päbstlichen Hofes gemacht. Also keine Wahl: Ohne die weltliche Macht der Päbste werden
wir frei sein; mit dieser Macht werden wir für immer Oesterreicher bleiben. Heute ist es an uns zu entscheiden, ob wir den Pabst zum Fürsten haben, ob wir Oesterreicher bleiben wollen oder ob wir die
italienische Unabhängigkeit und die nationalen Freiheiten vorziehen!
Wie hat man uns getäuscht! Als der päbstliche Hof erhalten hatte, was er wünschte, die Garantie seiner Staaten, zog er sich
vom Kampfe zurück und rief das Unglück auf unsere Armeen. Ist von nun an noch eine Allianz möglich zwischen dem Oesterreicherbefreundeten Fürsten und dem Oesterreichhassenden Volke!
In Wahrheit! Gioberti's Vertrauen überrascht uns; wir können es nicht theilen. Er, der Poet, träumt von einer Allianz zwischen Gaëta und Turin, als wenn der erste Feind des päbstlichen
Hofes nicht Piemont wäre, das 100,000 Soldaten unter den Waffen hat und sich mit Oesterreich zu messen droht.
In diesem Kampfe werden die italienischen Völker mit und für uns sein, und die
italienischen Fürsten, wollen sie wirklich Italiens Unabhängigkeit, was haben sie von einer demokratischen Regierung zu Rom zu befürchten? Ist aber ihre Liebe für Italiens Freiheit und Unabhängigkeit
nur eine Fiktion, so mögen sie zittern vor dem magischen Namen der Freiheit, den wir auf das Capitol geschrieben haben! Sie mögen zittern vor dem lateinischen Adler, der seine majestätischen Flügel
entfalten könnte, um den ganzen Himmel Italiens zu bedecken. Aber man bedroht Turin mit der Gegenwart Radetzki's; wozu aber denn die 100,000 zum Kampfe gerüsteten Piemonteser? Ist der König von
Savoyen nicht mehr Italiens Schwerdt? Sind die Sachen dahin gelangt, so laßt uns den Ruf des Soldaten ausstoßen, der für das Vaterland stirbt. Ueberliefern wir unsern Kindern den Racheschrei;
proklamiren wir das große Prinzip, daß die weltliche Herrschaft der Päbste unverträglich ist mit der italienischen Freiheit. Das Blut der italienischen Märtyrer wird die prunkvolle Tiara für immer
beflecken. Man bedroht uns mit der Feindschaft aller europäischen Mächte. Ich weiß es, die Freiheit ist eine Pflanze, die sich von Stürmern nährt. Aber ich erblicke die österreichische Monarchie in
Krieg mit Ungarn und die preußische Monarchie bereit, sich über den Ruinen von Frankfurt zu erheben; ich sehe republikanische Banden frei die Provinzen Spaniens durchstreifen.
Ich sehe das
republikanische Frankreich jeden bedrohen, der es den Despotismus wieder in die Arme zu werfen wagen würde. Die Worte eines Lamartine, eines Cavaignac werden mich nie täuschen, ich ziehe es vor die
Stimmen der Völker zu hören, die geschworen haben, nicht mehr unter das Joch zurückzukehren. Der Ruf nach nationaler Unabhängigkeit ertönt überall und das Geräusch des unaufhörlichen Sturzes
eidbrüchiger Dynastien.
Wird unsere Regeneration sich friedlich vollziehen? Schwer zu lösende Frage. Wir verheimlichen es nicht, große Gefahren, große Opfer stehen uns bevor. Die heimtückische Politik der italienischen
Fürsten, die nur zum Schein der Freiheit huldigen, wird sich empören gegen die Wiedergeburt eines physisch und moralisch starken Volkes, das fähig ist zu großen Dingen und geboren für große Geschicke.
Daher, ich sage es offen, bereiten wir uns vor zu einem schrecklichen Kampfe, zu allen Opfern, auf alle Gefahren, auf den Krieg, auf Blut!
Eine schwere Verantwortlichkeit fällt auf unser Haupt; diskutiren wir ruhig, gewissenhaft; unsere Entscheidung soll inniger Ueberzeugung, nicht Gemüthsaufwallung ihrer Ursprung verdanken. Wenn die
Republik im Capitol proklamirt ist, muß der Volksenthusiasmus, nicht banges Erwägen der Zukunft sie ausrufen. Dieser Tag wird der schönste des italienischen Lebens sein; er darf durch keine Wolke
verdunkelt werden. Ein einziger Wille wie ein einziger Ruf: Rom und Italien!“
Ja! Rom und Italien. Und wenn die Despoten noch einmal mit ihren barbarischen Horden dieses schöne, durch die Proklamation der Republik wiedergeborne Land überschwemmen wollen, werden alle freien
Völker sich wie ein einziger Mann erheben, um ihren italienischen Brüdern zur Hülfe zu eilen. Die Regierungen werden vergeblich Staatsgründe anrufen, das Volk begreift diese Gründe nicht, sobald man
seine Brüder erwürgt. Man erinnere sich Palermo's, Messina's und der Massakre von Mailand! Der „Contemporaneo“ scheint die Anerkennung der römischen Republik durch die
französische zu bezweifeln. Selbst die Faucher, die Barrot, die Fallour werden das nicht riskiren!
Der römische Moniteur meldet: Die provisorische Kommission für die öffentliche Sicherheit befiehlt, daß im Verlaufe von 3 Tagen alle Wappen, Zeichen u. s. w. der päbstlichen Regierung von
öffentlichen und Privatgebäuden entfernt werden. Ausgenommen sind kirchliche Gebäude.
Die „italienische Constituante“, die zu Florenz erscheint, schreibt unter dem 12. Februar:
„Toskana muß sich unmittelbar mit Rom vereinigen! Die provisorische toskanische Regierung hat beschlossen, in Erwägung, daß die Regierungsform Toskana's als eines Theils von Italien,
durch die italienische Constituante bestimmt werden wird, daß aber einstweilen Toskana durch eine Versammlung regiert werden muß, die wirklich das Land vertritt:
1) Die Deputirtenkammer und der Senat sind aufgelöst; 2) die gesetzgebende Gewalt ist der provisorischen Regierung und einer einzigen Versammlung übertragen, die aus Volksrepräsentanten besteht,
welche durch allgemeine, direkte Wahl gewählt sind; 3) die Vorlegung von Gesetzen steht der gesetzgebenden Versammlung zu und dem Ministerium; 4) die Versammlung wird zusammengesetzt sein aus 120
Repräsentanten, die sektionsweise gewählt sind, im Verhältnisse zur Bevölkerung; 5) die Wahlen werden nach den Gemeinden, die Abstimmungen nach den Sektionen stattfinden; 6) jedes Bullerin muß so viel
Namen enthalten, als Deputirte in einer Sektion zu wählen sind; die Wähler müssen 21 Jahre alt sein, die Wählbaren 25; 8) weder Wähler noch wählbar sind Frauen, Interdicirte, Fremde, wegen gemeiner
Verbrechen Verurtheilte; 9) die Versammlung ist berufen für den 15. März 1849; 10) der Gesetzesvorschlag für die Ernennung von Deputirten zur italienischen Constituante wird der Sanktion der
Versammlung unterworfen werden.“
Der ganze Generalstab hat sein Devocement für die provisorische toskanische Regierung betheuert. Eine neue Römerlegion organisirt sich, um ihre Dienste anzubieten. Der Volkszirkel organisirt sich
als Legion, um sich zur Verfügung der Regierung zu stellen. Das Volk durcheilt die Straßen mit dem Rufe: Es lebe die provisorische Regierung, es lebe die italienische Republik! Von Livorno kam ein
außerordentlicher Zug an mit der Livorneser Legion, die aus Munizipalgarden, Tirailleuren, Füsilieren und Nationalartilleristen besteht, alles in allem 600 Mann mit einigen Kanonen. Das Volk ging ihr
entgegen mit Fackeln und Fahnen, und dieser ganze Zug bewegte sich durch die Straßen von Florenz mit dem tausendfach wiederhallenden Ruf: Es lebe Livorno! Es lebe Florenz! Es lebe die italienische
Republik!
Die Livorneser Legion ist logirt in dem Kloster des heiligen Geistes. Francesko Rutignie ist zum kommandirenden Oberst der Garden ernannt worden, die Elba bewachen. Die provisorische Regierung von
Toskana hat den Advokaten Federigo Pescantini zu ihrem Spezialabgeordneten bei der römischen Republik ernannt.
Die „Alba“ bringt folgende Protestation vom 11. Februar:
„An die Mitglieder der toskanischen provisorischen Regierung!“
„Die Ordnung, das Vaterland und der Unabhängigkeitskrieg sind die Devise aller toskanischen Offiziere. Die Offiziere der Miliz in der Garnison zu Florenz betheuern daher laut vor Toskana und
vor ganz Italien, daß ihre Ansichten durchaus nicht übereinstimmen mit denen, die heute Morgen von einem Theile ihrer Kameraden gegen die Mitglieder der provisorischen Regierung ausgesprochen worden
sind.“
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@facs | 1260 |
[
*
] Rom, 20. Februar.
Die konstituirende Versammlung hat folgenden Beschluß gefaßt:
1) Bis die Konstitution der römischen Republik dekretirt und in Kraft getreten ist, wird die konstituirende Versammlung den Staat regieren vermittelst eines Vollziehungsausschusses.
2) Der Vollziehungsausschuß wird bestehen aus 3 Italienern, die verantwortlich und nach dem Willen der Versammlung absetzbar sind.
3) Der Vollziehungsausschuß besteht aus den Bürgern Armellini, der 139 Stimmen, Saliceti, der 114 Stimmen, Mathias Montecchi, der 85 Stimmen erhalten
hat.
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@facs | 1260 |
[
*
] Modigliona, 9. Februar.
Sobald man die Flucht Leopold's erfuhr, ließ man alle Glocken spielen. Die Nationalgarde trat unter die Waffen, und
überall ertönte der Ruf: Es lebe die provisorische Regierung! Leopold ist Vaterlandsverräther! Die großherzoglichen Wagen wurden auf öffentlichem Platze verbrannt, ebenso das goldene Buch, das in der
Kanzlei aufbewahrt wurde.
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@facs | 1260 |
[
*
] Neapel, 11. Febr.
Der König von Neapel scheint fest entschlossen, eher die zwei Kammern aufzulösen, als sein Ministerium zu
entlassen. ‒ Man bereitet eine bewaffnete Seeexpedition gegen Palermo vor.
Französische Republik.
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@facs | 1260 |
[
17
] Paris, 19. Februar.
Die Glorie des Professor Michelet am College de France, die neben der von Edgar Quinet und Adam Mizkiwitsch unter Louis Philipp so hell leuchtete,
ist dem Erlöschen nahe, und das ist gut. Er fährt in seinen jetzigen Kursen über den Sozialismus u. Kommunismus her, wie damals über die Jesuiten und Atheisten; in der ersten Vorlesung, vor 8 Tagen,
hatten die Studenten ihn noch mit Jubelruf empfangen, dann folgte erstaunendes, eisiges Schweigen, dann Gemurre. Edgar Buinet erwartet gewiß das Gleiche. So fällt eine klassische Herrlichkeit nach der
andern vor dem Brennstrahl der Sozialdemokraten. Mit Armand Marrast kam es vor 8 Tagen bereits so weit, daß er durch das Gezische der Rothen und Legitimisten des Parterre aus seiner Opernloge
vertrieben ward. Cavaignac ist ein abgetakeltes Schiff. Wer spricht heute noch von den hohen Meistern Corbon, Buchez und Bastide? Die ganze Partei des „National“, mit und ohne
Glacehandschuh, ist jammervoll „gestorben, verdorben.“ Und wie der kahlhäuptige Barrot unter den marrastianischen Provinzialbeamten aufräumt! Ihrer ganze Fuhren voll werden weggekarrt
und durch ultra-royalistische und jesuitische Knappen und Ritter ersetzt. Marschall Bugeaud kann vor den Lorbeeren des Windischgrätz (letzterer heißt in Graf Mole's „Assemblee
Nationale“ immer „der große Wiederhersteller der Ordnung im Osten“), nicht mehr schlafen und General Changarnier möchte, wie Privatzeugnisse versichern, Jellachich und Monk
zugleich spielen. Die Pauke des alten Bluthundes in Bourges ward noch von der in Lyon übertroffen, wo er den in Reih und Glied aufgestellten Notabuitäten und Volksverderbern, dem Parket, der
Handelskammer, der Polizei u. s. w. mit afrikanischer Beredtsamkeit eröffnete, an einen Krieg mit dem Auslande dürfe Frankreich nicht denken, wohl aber an einen Bürgerkrieg, und für diesen eben möge
das Heer und die Bürgerwehr sich bereit halten! er werde die Ordnungsmänner zum Vernichtungskampf (lutte décisive et querre d'extermination) führen gegen die Ordnungsfeinde in Paris. Der
Jubel der königthümlichen Presse über diese afrikanischen Impertinenzen ist unbeschreiblich. Der alberne „Constitutionnel“ nennt diese Rede ein Meisterstück der Form sowohl (bekanntlich
weiß der alte Marschall den Conjunctivus niemals richtig zu gebrauchen), als auch dem Inhalt nach. (z. B. erbaut sich der „Constitutionnel“ an dem „sublimen“ Satze:
„Frankreich braucht nicht erst kommunistisch gemacht zu werden, meine Herren! es lebt schon seit Jahren in der Gemeinschaft der Interessen und Ideen.“) So etwas charakterisirt diese
Herren der Reaktion; es sind fast lauter Strolche aus der Sorte der Ferdinand's, von deren einem, dem spanischen Ferdinand, Barthelemy sang: monstre au coeur de tigre...et au cerveau de mouton
(Mißgeburt Du, mit dem Tigerherzen und Schaafsgehirn). Bugeaud ist außerdem eine halb komische Figur. Folgendes war, nach Gallois „Geschichte der Februar-Revolution“, die berühmte Rede,
die er am 24. Februar 1848, beinahe à la Suwarow, losdonnerte: „Ich stelle mich seitwärts,“ sagte er in theatralischer Positur zu den Linienoffizieren, „damit alle mich hören
können; der Wind wird meine Worte Ihnen zuführen. Wohlan, meine Herren, ich sage mit Freuden, mit Entzücken, daß der König mich zum Oberkommandanten des Heeres und der Bürgerwehr so eben gemacht. Ich
bin stolz auf das Zutrauen; ich werde es nicht täuschen. Ich hatte niemals Waffenunglück, werde es also wohl auch heute nicht haben. Als Garantien für diese militärische Jungfräulichkeit, auf die ich
stolz bin, habe ich die edeln Herzen in Ihrer Brust. Wir wollen folglich nach meiner Manier diese Volksmassen bekämpfen, nämlich zwei Kugeln in's Rohr, wie sich's gebührt, gegen
Galeerenzüchtlinge und entlassene Sträflinge, welche uns gegenüberstehen. Was verlangen diese Kerls? Der König, meine Herren, Sie wissen es so gut wie ich, ist nie über die Schnur des Gesetzes
getreten. Wir kämpfen also unter dem Paniere des Rechts. Die Anzahl der Feinde darf uns übrigens nicht erschrecken. Und kämen sie in Swärmen vom Tuilerienschloß bis an den Bastillenplatz, ich
übernehme es, sie zu schlagen, und je dichter sie stehen, desto mehr werde ich vernichten. Aber zwei Kugeln in's Rohr, meine Herren! Je mehr wir dieser Lumpenhunde (miserables) tödten,
desto besser für's Land. Also verstanden: wir attakiren die Barrikaden, wir schießen von beiden Seiten. Und jetzt sagen Sie's Ihren Soldaten.“ Allein schon zwei Stündchen darauf,
als der König Thiers und Barrot mit Bilden eines Kabinets beauftragt hatte, schrieb er: „Ich befehle sofort Aufhören des Schießens an, und die Bürgerwehr wird Polizeidienste thun. Bugeaud,
Marschall Herzog von Isly.“ Diese rührende Sinnesänderung im Verlauf zweier Stunden ward aber nicht bekannt; die Volksführer und deren Vertraute höhnten die etwaigen Zettelankleber aus und wo
diese Proklamation doch angeschlagen war, zerriß man sie schnell. Ebenso erging es der andern, die den Herren Thiers, Malleville, Odilon Barrot, Remusat und Duvergier die Portefeuilles verlieh und die
Kammer auflöste. Nach der kurzen Posse kam aber wieder die Schurkerei. Dieser windischgrätzelnde Arbeitermassakrirer der Straße Transnonain lief einige Tage später spornstreichs zum provisorischen
Gouvernement und bot denselben Galeerenzüchtlingen seinen jüngfräulichen Degen an, ohne sich um seinen Wohlthäter Louis Philipp weiter zu bekümmern. Und die Galeerenzüchtlinge waren so dumm und so
schlecht, daß sie diesen Degen huldreichst annahmen, statt ihn dem Jungfräulichen durch die Gurgel zu ziehen...!!
Ach, es erwachen in dieser Woche, Angesichts der blutigen Februartage, alle bösen Erinnerungen wieder, und die Demokratenpartei wird Freitag und Samstag in Sack und Asche trauern dürfen (das
Ministerium gestattet gnädig eine religiöse Feier), ob ihrer beispiellosen Gimpelei im Jahre 48. ‒ In Narbonne organisirt die Königspartei unter der Nase der Behörden, die umsonst den
Prokurator der Republik daselbst aufmerksam machten, eine verborgene Bürgerwehr unter Kommando eines louisphilippschen Munizipalgardisten, und will damit die offizielle Bürgerwehr bekämpfen, wenn es
losgeht. Allerlei Lumpenproletariat läßt sich einrolliren. Herr Leon Faucher ist viel zu eifrig mit ministeriellen Jagdparthien auf republikanisches Roth- und Schwarzwild beschäftigt, um auf solche
Bagatelle zu achten. In Beziers, bei Montpellier, ist der gesammte Munizipalrath abgetreten, als „zu republikanisch“ denunzirt, hatte er stetige Plackereien vom Präfekten zu
erdulden.
In Cette, wo eine ultra-königliche Kaufmannschaft, berühmt durch ihre Weinverfälscherei, ist der Municipalrath und die Bürgerwehr aufgelöst und der Bürgermeister als „roth“ abgesetzt
worden, weil er die rothe Jakobinerkappe von dem Freiheitspappelbaum nicht hatte abnehmen und noch weniger denselben umhauen lassen wollen. Erfreulich ist, daß das Volk wenigstens dort die Mucker des
Royalistenvereins weidlich zusammenpaukte und die Möbeln auf der Straße verbrannte. Herr Leon Faucher bedauert, in einem Briefrapport an Bonaparte, daß im französischen Gesetz noch kein Paragraph
stehe, der eine solcher Unthat gleichkommende Züchtigung enthalte. Ein Wink für die Gesetzfabrikanten, die im Mai zusammenkommen. Die Pfaffen stiften durch Wahrsagerei wieder viel Unruhe: so
treibt sich eine gewisse Reichhorn im Elsaß herum, die seit Juni in immer steigender Prozession den Einzug des gebenedeiten Königs von Zion (Henri V.) prophezeit; man singt auch auf die Melodie des
Girondinerlieds eine rührende Poesie, worin es heißt: „Komm, nobler Henri, und zeig uns wieder deinen weißen Federbusch ohne Makel, der deine Ahnen zum Siege und uns zum Glücke führte; komm und
beschäme durch Wohlthaten die Montagne, vernichte sie durch Großmuth.“ Die blutdürstende „Opinion publique“ citirt diese Strophe und seufzt pharisäisch: „hieraus sollten
die Rothen absehen, daß wir, der heiligen Vorschrift der christlichen Liebe und Verzeihung gemäß, ihnen schlechterdings nicht Gleiches mit Gleichem vergelten, sondern sie durch Güte entwaffnen
wollen.“ Bei alledem ist die Reaktion der Furcht näher als der Zuversicht, und obschon sie vierzehn Bombenforts um Paris hat, und 100,000 Liniensoldaten in und bei Paris, denen sie Polizei- und
Henkersdienste eintrichtert, wird sie westlich längs der Mauer, auf dem zu Ehren des verstorbenen Herzogs Orleans, Ferdinandville getauften Terrain, eine bunte Reihe Kasernen, Schanzen und
Artillerieparks anlegen, wohin sich das würdige Staatshaupt bergen, und woher es bequem die Pariser Ruhestörer beschießen kann. „Die Departements werden übrigens nicht auf Paris marschiren,
selbst wenn dieses scharlachroth würde (Voir du Peuple v. Marseille), denn es ist ein gar weiter Weg für unsre Herren Bourgeois, deren Familie und Haus inzwischen allein bleiben müßten; Eisenbahnen
fehlen noch fast überall; den Stadtarbeitern ist nicht zu trauen, sie wären kapabel hinterm Rücken eine Diversion zu machen; die Bauern rühren sich nicht vom Fleck. Und wenn auch wie im Juni an 8000
Nationalgarden bis aus Bayonne und Lille nach Paris kämen, würde man diese Reaktionshelden, die soviel Geld zu dergleichen weiten Wanderungen aufbringen, nicht ganz besonders zum Herbeischaffen von
Geldern, die dem Volke nützlich, verwenden können? Bourgeois, Edelleute, die von den Pyrenäen und aus der Vendee her zum Umstürzen der Volksmacht nach Paris zu marschiren, das Geld finden, dürften
sehr geeignet sein, unter Applicirung der gebührenden Mittel, auch Geld zu finden, um die Republik stützen. Eine köstliche Taktik ist fortan, den Bauer gegen seine Blutaussauger dadurch aufzuhetzen,
daß man die tausend Millionen Franken (etwas unter 330 Mill. Thaler) die 1825 die emigrirt gewesenen Freiheitsfeinde und Junker ihm als sog Entschädigung ausquetschten durch Kammervotum und
Steuereinnehmer, dem Bauer von heute als ihm gebührende Schuld vorstellt. Der Bauer ist ein fürchterlicher Gläubiger, und wenn er erst ganz die Betrügerei begreift, welche die privilegirten Kasten
sich mit ihm erlaubten und erlauben, dann wird er seinen Schuldnern scharf die Ohren reiben (frottera un peu durerment leurs oreilles).“ So viel steht fest, daß wöchentlich Petitionen um
Rückzahlung der Milliarde nebst Zinsen seit 1825, und somit Wiedererstattung der Neunsoussteuer, bei der Kammer eingehen. So erschien vor drei Tagen eine mit 6989 Namen versehene, aus der Provinz der
Rhonemündungen. Ich glaube sogar, die kolossale Wichtigkeit dieses montagnard'schen Streiches wird von den Montagneblättern selber noch nicht gehörig erkannt; diese Milliarde ist ein
Gährungsstoff, der wie eine Lunte im Bauernvolke schwelt und eines schönen Tages den Milliardefressern den Garaus machen könnte. Auch der treffliche Vorschlag des Deputirten Brives, die Miethen von
Häusern und Landstücken um 25% zu ermäßigen, selbst in den vor 1848 geschloßnen Kontrakten, hat in's Nervenmark der Volksschänder gestochen, und der „Corsaire“, eins ihrer
beliebtesten Organe, nimmt das Ding so ernstlich, daß er eine Modifikation anbringt, um „einestheils diesem von den ewigen Gesellschaftsfeinden, gleich einem Feuerbrande zwischen Proletarier
und Besitzer geschleuderten Vorschlage sein Barbarisches zu nehmen, anderseits jedoch auch um den gerechten Anforderungen der kleinen Miether, die seit der Februarrevolution wie durch eine Wasserhose
‒ laßt uns dahin arbeiten, daß sie nie wiederkehre! ‒ ruinirt wurden, entgegen zu kommen.“ Man sieht, diese hochadligen Schurken und jesuitischen Ausschweiflinge vom Corsaire, die
Krautjunker Contlogou, Besselievre, Froment, Rovigo und Spießgesellen, sind doch nicht ganz blasirt; und sie machen ein Sammetpfötchen, während sie in derselben Nummer in einem „Energie! stets
Energie“ überschriebenen Sturmartikel rufen: „Die Ehrenmänner begreifen, daß es heute ganz einfach um Zerstörung der christlich-civilisirten Ge-
(Siehe den Verfolg in der Beilage)