Italien.
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Der weggelaufene Oestreicher, Leopold von Toskana, hat zwei Briefe an Guerazzi, den Konseilpräsidenten adressirt. Wir
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geben kurz ihren Inhalt nach dem
toskanischen Moniteur. In dem ersten Briefe, d. d. Siena, 7. Februar, schreibt er, er wolle Toskana nicht verlassen, dazu habe er es viel zu lieb.
Der eigentliche Inhalt des Briefs aber besteht in der Forderung, ihm die Personen, deren er unumgänglich nöthig habe, wie seine Equipagen und die seiner Familie folgen zu lassen. Unter diese
unentbehrlichen Personen zählt er den Gouverneur seiner Kinder, ihren Kavalier, seine Sekretäre. Dies erste Schreiben richtet sich, wie man sieht, an den eigentlichen Staat Leopold's, seinen
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Hofstaat.
In dem zweiten Briefe, ebenfalls d. d. 7. Februar Siena erklärt er die „wahre Ursache seiner Flucht“. Der Wunsch, gefährliche Störungen zu
vermeiden, habe ihn am 22. Januar 1849 bestimmt, in seinem Namen den Kammern den Gesetzvorschlag über die Wahl toskanischer Repräsentanten bei der italienischen Constituante vorlegen zu lassen.
Da seien Gewissenszweifel in ihm erwacht, ob er durch Billigung eines solchen Gesetzes nicht der im päbstlichen Breve vom 1. Januar 1849 von [unleserlicher Text] angedrohten Exkommunikation verfalle. Sämmtliche Patres,
Cansuisten und Beichtväter hätten ihm erklärt, der Casus sei bedenklich, er verfalle durch die Billigung jenes Gesetzes der Censur der Kirche. Um nun mit sich selbst in's Reine zu kommen, habe
er sich in einem Schreiben vom 28. Januar an den natürlichen obersten Richter in dieser Angelegenheit, an den Pabst selbst gewandt. Der Pabst habe ihm geantwortet, und nun bleibe kein Zweifel übrig:
er dürfe das Gesetz der italienischen Constituante nicht sanktioniren. Er habe allerdings ein Ministerium acceptirt, welches das Gesetz gleich in seinem Programm proklamirt habe. Er selbst habe
hierauf angespielt in seiner Rede zur Eröffnung der legislativen Kammern. In diesem Augenblicke, wo sein eigenes Seelenheil und das so viel guter Toskaner auf dem Spiele stehe, sei er gezwungen, sein
Wort zu brechen und die Sanktion jenes Gesetzes zu verweigern. Sein Aufenthalt in Florenz könne in diesem Augenblick seine Willensfreiheit beschränken. Er habe diese seine Hauptstadt daher verlassen,
er werde auch Sienna verlassen, damit man nicht behaupte, diese Stadt habe sich seinetwegen in einen Schauplatz reaktionärer Umtriebe verwandelt. Schließlich hofft Leopold, „daß le bon
dieu Sorge für sein theures Vaterland tragen wird.“
Geh' in ein Kloster! rufen wir dem braven Leopold zu und möge dir dahin viel ebenbürtige Gesellschaft nachfolgen. Am 8ten
Februar ernannte die provisorische Regierung sofort eine Kommission, um die königl. Paläste und alle darin befindlichen Gegenstände zu versiegeln und ein genaues Inventarium der großherzoglichen
Habseligkeiten aufzunehmen. Am 9ten erließ es eine Proklamation an die Toskaner, worin es unter andern heißt: „Die Fürsten verschwinden, das Volk bleibt. Das Volk und die Kammern haben uns
(Guerazzi, Montanelli, Mazzini) die provisorische Regierung übertragen. Wir werden mit Energie kontrerevolutionäre Versuche zurückweisen und eine allgemeine Volksbewaffnung organisiren.“ Die
provisorische Regierung hat sofort für ganz Toskana Regierungskommissäre ernannt, mit den nöthigen Vollmachten über alle politischen und militärischen Chefs, wie über die Nationalgarde. Die
Ernennungen wurden durch außerordentliche Kouriere in alle Provinzen versandt. Nicht der Deputirte Trieci, sondern der Deputirte Socci war es, der zuerst in der Deputirtenkammer von Florenz die
Nothwendigkeit einer aus den 3 Mitgliedern des alten Ministeriums zusammengesetzten provisorischen Regierung nachwies.
Am 10. Februar versuchten einige vom Golde der Reaktion erkaufte Banden
eine Emeute gegen die provisorische Regierung. Sie wurde vereitelt und mehrere der aufrührerischen Individuen sind verhaftet, einige, nachdem sie starke Verwundungen erhalten. Montonelli ging selbst
unter die Volksmassen, haranguirte sie und wurde im Triumphe nach seiner Wohnung zurückbegleitet. Das toskanische Parlament soll, wie es heißt, aufgelöst werden und an seine Stelle eine aus
allgemeiner direkter Wahl hervorgegangene gesetzgebende Versammlung treten.
Die provisorische Regierung hat folgende telegraphische Depesche erhalten:
„Livorno, 8. Febr. Alle
Befehle sind ausgeführt worden. Marzintulo und General Apice reisten auf einem außerordentlichen Eisenbahnzug nach Florenz. Magagnini und Bougi reisen nach Lukka: um zwei Uhr Nachmittags soll die
Expedition nach der Insel Elba stattfinden. Die Stadt ist ruhig und voller Jubel. Pisa hat am 8. Februar die provisorische Regierung anerkannt. Abends wurde daselbst die Ruhe nur durch das Abreißen
einiger großherzoglichen Wappen gestört.“
Die provisorische Regierung hat durch ein Dekret an die Stelle des in gerichtlichen Urtheilen und andern öffentlichen Akten befindlichen
Eingangs: „Wir Leopold u. s. w.“ die Formel gesetzt: „Die toskanische provisorische Regierung.“ Sie hat ferner die Bürgergarden und Linientruppen ihres Eides entbunden. Sie
proklamirt die innige Vereinigung Toskanas mit Rom. Beide Staaten zusammen werden ein mächtiges Central- Italien bilden (5 Millionen Einwohner), gleichzeitig dem sardinischen Ehrgeiz und dauernd und
fähig der neapolitanischen Blutherrschaft drohend gegenüberzutreten. Rom und Toskana, heißt es in der Proklamation der provisorischen Regierung, werden die Vorposten der italienischen Freiheit
bilden.
Aus Paris 18. Februar, Mittags, schreibt man uns: Eben erhalten wir Briefe aus Genua vom 13. Februar, die uns melden: daß in Florenz die Republik proklamirt wurde. Die
Anhänger des geflohenen Großherzogs und Freunde des Absolutismus, boten zwar Alles auf, um diesen Schritt zu hintertreiben. Das ganze platte Land wurde von ihnen in Bewegung gesetzt, um gegen Florenz
zu marschiren. Allein, wie jene Privatbriefe melden, blieben ihre Anstrengungen fruchtlos und die Republik wurde proklamirt. Der Volksjubel ist unbeschreiblich.
Zu Rom beginnen die
Parteien der italienischen Constituante sich zu organisiren und von einander abzuscheiden. Es haben sich schon mehrere Repräsentanten-Vereinigungen gebildet. Die zahlreichste, fast ganz von
republikanischen Priestern zusammengesetzt, hält sich an der Mara (Mariani der päbstliche präsidirt bei Beretta, Repräsentant von Ancona, eine andere Vereinigung von beinahe 40 Gliedern. Beretta,
reicher Banquier von Ancona, der vielen Einfluß auf die Wahlen dieser Provinz ausgeübt hat, hat sich zum Centrum der päbstlichen Partei gemacht. Wie zu Paris, intriguiren die Banquiers zu Rom, um den
Fortschritt der Demokratie zu hemmen. Am 7. in der Nacht marschirte die römische Legion nach der neapolitanischen Grenze von der Seite von Terracina. Sie führte einige Geschütze mit sich. Der nächste
Courier wird uns belehren, ob ein Zusammentreffen stattgehabt zwischen den römischen Truppen und den neapolitanischen, die alle Deserteure im Namen Pii-noni rekrutirt haben.
Bedini,
Substitut des Kardinals Antonelli als Staatssekretär, ist, unter dem Vorwand nach Neapel in Privatgeschäften zu gehen, nach Paris gereist mit Spadoni, einem Schweizer- Offizier. Beim Abgang des
Dampfschiffs präsidirte der Pabst das Cardinal- Collegiums. Es handelt sich um Annahme der Interyontionsanerbietungen.
In der Sitzung der Turiner Kammer vom 12. Januar antworten Gioberti
und Teccio ganz in der Weise der Barrot und Faucher auf folgende Interpellationen Brofferios: 1) Wie es mit der Vermittlung stehe und wie lange man sich noch mit diplomatischen Wendungen
begnügen solle! 2) Wann man den günstigen Augenblick für den Krieg gekommen glaube? 3) Wie das Ministerium, welches Italien entzweie, es wieder zu vereinigen gedenke? 4) Erkennt das Ministerium die
Volkssouveränetät an, ja oder nein? 5) Ist das Ministerium entschlossen, den Krieg ohne Italien und trotz Italien zu beginnen? 6) Die Minister, die wie Conservative regieren, was verstehen sie
eigentlich unter Demokratie?
Kein Zweifel! Karl Albert folgt dem braven Leopold bald nach.
In einer Rote d. d. Turin, 10. Februar, gerichtet an den Präsidenten und die Mitglieder des zu
Bern residirenden Bundesraths, protestirt Gioberti gegen die im Kanton Tessin auf Radetzki's Forderung wider die italienischen Flüchtlinge ergriffenen Maßregeln.
Zu Ferrara hat ein
Konflikt mit dem östreichischen Militär stattgefunden. 5 östreichische Offiziere und 5 Soldaten hatten sich in die Stadt hineingewagt und wurden mit Steinwürfen empfangen; sie waren gezwungen,
in's Militärhospital zu flüchten. Darauf erschienen Patrouillen; der Flintenschuß eines Kroaten streckt den jungen Sani todt hin. Zwei Kroaten wurden sofort getödtet, ein anderer verwundet,
ebenso ein Offizier. Der Rest der Oestreicher flüchtete sich in die Citadelle. Generalmarsch wurde geschlagen, man begann Barrikaden zu bauen. Die Kanonen der Citadelle donnerten, drei Schüsse fielen.
Alles ließ auf den Beginn eines mörderischen Kampfes schließen. Nach einigen Stunden der Erwartung begaben sich ein Mitglied der Regierungskommission, der Oberst der Bürgergarde und der Gonalonier
nach der Citadelle, um mit dem östreichischen Oberst zu parlamentiren. Von nun an, wurde abgemacht, dürfen östreichische Soldaten nur noch unter Escorte der Bürgergarde in der Stadt circuliren. So
wurde alles für einstweilen geschlichtet.