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Mein viermonatlicher Aufenthalt in Hoch-Californien unter den Goldwühlern.
Der Verfasser dieser Schrift ist ein engl. Arzt, Namens Brooks, der vor einigen Jahren nach Amerika ausgewandert war, um, wie man sagt, sein Glück zu machen, als Arzt wohlverstanden.
Er hatte die Provinz Oregon für seine ärztliche Praxis sich auserlesen; aber die Patienten liefen spärlich und das Glück noch spärlicher ein. Von Ort zu Ort nach Kundschaft laufend, beschloß er im
Jahre 1848, als eben die Amerikaner Californien erobert hatten, denselben seine ärztlichen Dienste anzubieten.
Er machte sich daher auf nach San Francisco, und der Ehrgeiz unseres Arztes ging damals nicht weiter, als eine Chirurgenstelle in dem Regimente der Freiwilligen von Newyork zu erhalten, das unter
dem Commando des Obersten Mason stand.
Nun denke man: mitten unter einer Bevölkerung, die damit beschäftigt war, Häuser und Magazine zu errichten, und alle Vorarbeiten zu einer Handelsstadt machte, die später mit London und Newyork
wetteifern darf, traf plötzlich die Kunde ein von den unschätzbaren Goldlagen, die eben in dem benachbarten Thale von Sacramento, in einer Entfernung von kaum 30 Meilen, entdeckt worden. Die Wirkung
davon ward gleich sichtbar.
In weniger als einer Woche stand Alles leer: Häuser, Magazine, Bauten, Laden, Alles wurde aufgegeben, und mit diesem abenteuerlichen Geiste und der Schnelligkeit des Entschlusses, welche die
Amerikaner besonders charakterisirt, zog man hin zum neuen Eldorado: Magistrate, Kaufleute, Soldaten und Matrosen — alle hatten ihre Geschäfte niedergelegt, oder waren von ihren Posten
desertirt, um die Goldminen aufzusuchen.
Unser Arzt Brooks folgte dem Strome, und war während vier Monate dermaßen mit seiner Goldmacherei beschäftigt, daß er die ganze Zeit über seine Familie und Freunde in Europa vergessen. Durch
Krankheit genöthigt, in die Stadt zurückzukehren, will er seine Nachläßigkeit wieder gut machen, und schickt nun seiner Familie das Manuscript eines Tagebuches, das, wie man sich denken kann, in der
Zeit seiner Expedition in dem Goldlande ziemlich unregelmäßig geführt worden. Dieses Tagebuch hat den Stoff zu dem Bändchen geliefert, das uns vorliegt, und welches vor einigen Tagen erst in London
erschienen. Der Bruder des Hrn. Brooks nämlich hat es für seine Pflicht gehalten, die darin gesammelten Noten der Oeffentlichkeit zu übergeben, um den Auswanderern nach Californien einen Anhaltspunkt
in die Hände zu geben. Die Erzählung, die wir hier in ihren Hauptumrissen mittheilen, wird zeigen, welchen Dienst Hr. Brooks dem Publikum geleistet.
Das Tagebuch fängt an mit dem 28. April 1848. An diesem Tage gelangte Brooks in den Hafen von San Francisco mit zwei andern Emigranten Malcolm und Macphail, die wie er, in der Provinz Oregon nicht
sonderlich ihr Glück gemacht hatten, und die später seine Associrten in der Ausbeutung der Goldlager wurden.
Noch weit entfernt, auch nur die leiseste Ahnung von den Schätzen zu haben, die ihnen so nahe lagen, waren unsere Reisende die erste Zeit nur darauf bedacht, sich Erkundigungen über Klima, Boden u.
s. w. einzuholen.
Ein Amerikaner, Namens Bradley, gab ihnen die gewünschten Aufklärungen. Dieser Bradley, der später mit ihnen nach den Goldquellen lief, hatte selbst, ungeachtet seines achtjährigen Aufenthalts in
Californien, noch nicht die geringste Ahnung von dem vorhanden sein der kostbaren Metalle. Nach den ersten Erkundigungen wurde der Entschluß gefaßt, gemeinsam das Terrain zu sondiren, und bis zur
Hauptstadt Monterey vorzudringen.
Sie durchstreifen das Land zu Pferde und im Tagebuch finden wir von dieser Excursion Notizen über Landbau, Häuseranlagen, Meierei, aber noch kein Wort von Gold. Erst in Monterey wird zum ersten
Male davon gesprochen. Es war dies bei Gelegenheit eines Besuches, den Brooks mit seinen Reisegefährten dem Obersten Mason abstattete, um bei ihm um die Stelle eines Chirurgs in seinem Regimente
nachzusuchen.
„Der Gouverneur, heißt es in dem Tagebuche, fragte den Hrn. Bradley, ob er nicht von dem Golde habe sprechen hören, das an den Ufern des Sacramentos entdeckt worden sei. Der Kapitän Fulsom,
der von der Regierung der Vereinigten Staaten mit einer Mission in Californien beauftragt worden, habe ihm nämlich davon in einem Briefe geschrieben, wie von einem Gerüchte, das in San Francisco so
ziemlich allgemein verbreitet sei.“
Hr. Bradley, (der wie gesagt, schon 8 volle Jahre im Lande gewohnt), antwortete, daß er allerdings davon habe sprechen hören; aber was ihn persönlich anbelange, so halte er diese Entdeckung von
Gold für eine Fabel, obgleich sich schon Narren gefunden hätten, die nach den vorgeblichen Goldquellen gereist seien. Hiermit endete unsere Unterredung.“
Vollkommen befriedigt von ihrer Excursion kehren unsere Freunde nach San Francisco zurück. Erst am 8. Mai geschieht Erwähnung von den Goldminen, wie von einer Sache, die nicht ganz grundlos
ist.
„Der Kapitän Fulsom kam heute zu mir, und sprach mir von einem Mann, welcher eben von den Ufern eines Flusses zurückgekommen, der unter dem Namen, die amerikanische „Fourche“
bekannt ist und sich etwa 100 engl. Meilen weiter nach dem Innern des Landes befindet. An diesem Flusse nun behauptet er, Gold aufgelesen zu haben. Der Kapitän Fulsom hat selbst dieses Gold gesehen;
es waren ungefähr 23 Unzen in lauter kleinen Körnern. Der Mann sagte, daß er dies Alles in 8 Tagen Zeit am Flußufer gesammelt habe. Aber der Kapitän Fulsom will es durchaus nicht glauben. Er sagt
zwar, daß er schon vor einigen Wochen mehrere Proben von diesem Gold gesehn habe, aber er glaubt, daß es nichts Anderes sei, als Mica. Sachkundige Männer haben, fügte er bei, sich indessen geäußert,
daß das, was man ihm ge-
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zeigt, pures, ächtes Gold sei. Der Kapitän endet damit, daß er mir seine Absicht kund gibt, in eigener Person einen Ausflug an Ort und Stelle zu machen. Nach seiner Entfernung sagte uns Bradley, daß
Malcolm vorhabe, sich gerade nach der Colonie Sacramento zu begeben, und da die „amerikanische Fourche“ sich in der Nähe befände, so würden wir wohl thun, ihn auf seiner Reise zu
begleiten. Es ist dies 100 - 120 engl. Meilen (30 bis 40 franz. Meilen) von San Francisco.“
Der Verfasser bricht hiermit die Note in seinem Tagebuche ab, und wie ein Reisender, der bei der Niederschreibung solcher Noten wenig auf die Kunst der Uebergänge bedacht ist, finden wir erst unter
dem Datum vom 10. Mai das Tagebuch weitergeführt.
„Gestern und heute ist von weiter nichts die Rede gewesen, als von der Mine, der „Goldlage“, wie man hier zu Lande sagt. Vier Personen sind heute wieder angekommen mit
beträchtlichen Quantitäten von diesem Metalle. Der erste Alkade, so wie alle Kaufleute von hier haben es geprüft. Bradley ließ uns einen Goldkern von einer viertel Unze sehen, den er für 3 und einen
halben Dollar gekauft hatte. Was mich anbetrifft, so zweifle ich nicht mehr, daß es gutes, ächtes Gold ist. Einige Personen, sagt man, sind schon abgereist, um die Mine selbst zu untersuchen. Nach der
Zeitung, die hier am Orte erscheint, haben sie sich sogar mit Arbeitswerkzeugen, Schaufeln und Haken versehen, um auf eigene Rechnung zu arbeiten. Ich glaube jedoch, daß dies ihnen verboten wird, da
der Kapitän schon an Hrn. Mason geschrieben hat, um die Bevollmächtigung zu erhalten, im Namen der Regierung, Besitz von der Mine zu nehmen, die, sagt er, Staatseigenthum sei.
„13. Mai.“ Die Sache ist abgemacht: nächsten Mittwoch reisen wir ab nach dem Thale von Sacramento. Ich weiß nicht — aber ich habe starke Anfälle von dem gelben Mineralfieber,
das hier die herrschende Krankheit geworden, und ich warte auf den nächsten Mittwoch mit wahrer Ungeduld.
„17. Mai.“ Das ganze Land ist toll geworden. Die Handwerker lassen ihre Arbeit im Stiche und ziehen aus. Auf einer Promenade durch die Stadt bemerkte ich, daß von über 50 neuen
Bauten, die man aufzuführen im Begriffe war, kaum noch an einem halben Dutzend fortgearbeitet wird. Ich zählte über 18 geschlossene Häuser. Die früheren Bewohner sind zur Goldquelle hin. Schickt der
Oberst Mason wirklich, wie es allgemein hier heißt, Truppen an die „amerikanische Fourche“, so haben diese armen Leute ihre Zeit und Mühe verloren.“
Trotz ihrer immer steigenden Ungeduld, können unsere Leute ihre Reise noch nicht antreten. Der Sattler, der ihnen die nöthigen Gegenstände zu einer Excursion in ein noch wenig erforschtes Land
liefern sollte, verliert nacheinander alle seine Arbeiter, die ohne Weiteres nach dem „Golddistrikte“ hinlaufen, und so vertröstet er seine Kundschaft von einem Tage zum andern. Während
sich so unsere Freunde in die Nothwendigkeit versetzt sehen, auf den Sattler zu warten, vermehrt sich ihre Gesellschaft um eine neue Person; es ist dies ein Spanier, Namens Don Louis Palo, bei dem sie
in Monterey vor noch nicht 14 Tagen zu Mittag gespeist hatten, und der damals so wenig an die Goldminen dachte, daß er darauf und daran war, sein Vermögen zu liquidiren, um nach Europa
zurückzukehren.
„22. Mai.“ Neue Ungelegenheit: der Sattler hat sein Wort noch nicht gehalten. Während Malcolm, Bradley und ich im Fluchen gegen ihn begriffen waren, wer kömmt auf uns zu? Don Louis
Palo. Das Goldfieber hatte sich bis nach Monterey hingezogen, und er hat sich entschlossen, nach der Mine zu gehen, um zu arbeiten, wie die Andern. Er hat als Bedienten bei sich einen Indianer, Namens
José, und war klug genug, Alles, was er etwa nöthig gebrauchen kann, mitzunehmen. Er behauptet, daß Alles, was man von Truppensendungen von Seiten des Obersten Mason sagt, eine Fabel sei. Viele
Soldaten aus der Garnison von Monterey seien zwar hin nach der „amerikanischen Fourche“, aber es seien dies schlechtweg Deserteurs, die dahin gegangen, um für ihre eigene Rechnung zu
arbeiten.
So viel scheint gewiß, daß man Gold auf einer Fläche von mehrern engl. Meilen gefunden. Diese letzte Nachricht bestimmt uns vollends, ein Gleiches zu thun wie Don Louis, d. h. fortzugehen und
selbst zu arbeiten wie Handlanger.
Allerdings, wenn vier Personen, die in der Gesellschaft einen gewissen Rang einnehmen, auf und davon laufen, um ihre Glückspläne auf vielleicht ganz absurde Gerüchte zu bauen, so mag man Ursache
genug haben, sie für Narren anzusehen. Wenn man aber vor seinen Augen tagtäglich Tausende von Menschen mit denselben Plänen abziehen sieht, so ist es unmöglich, vom Beispiele nicht hingerissen zu
werden.
Wir hielten demnach eine längere Berathung, um unsern Schlachtplan definitiv festzustellen, und während wir noch im Berathen begriffen waren, hatten wir die Freude, unsern Freund Macphail zu uns
kommen zu sehen, um mit in unser Unternehmen einzutreten. Es wurde also folgendes allgemein beschlossen: Jeder sollte sich mit zwei Pferden versehen, eins für sich, und das andere, um seine Effekten
zu tragen, so wie einen Theil des gemeinsamen Gepäckes. Außerdem mußte Jeder sich mit Gewehr, Pistolen, u. s. w. versehen, und wenn es anginge, auch mit einem Zelte, so wie mit Schaufeln, Hacken,
einem guten Beile, Decken, Kaffee, Zucker, Branntwein, Messern, Gabeln, Tellern, Töpfen, kurz mit allen den Gegenständen, die man zum Leben im Feldlager gebraucht.
„Gegen 4 Uhr, nachdem wir den ganzen Tag dem Sattler nicht von der Seite gewichen, erhielten wir endlich unsere Koffer, Sättel u. s. w. Als ich gegen Abend zu ihm zurückkehren wollte, um
eine kleine Aenderung an der Equipage vornehmen zu lassen, fand ich das Haus verschlossen, und auf der Thüre stand grschrieben: „nach der Mine abgereist.“
Den 24. Mai endlich reisen unsere Freunde ab, und gelangen