Deutschland.
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Edition: [Friedrich Engels: Der demokratische Panslawismus, vorgesehen für: MEGA2, I/8.
]
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*
] Köln, 14. Febr.
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68
] Köln, 14. Februar.
In der verflossenen Nacht wurde hierselbst in dem Glacis, zwischen dem Thürmchen und dem Eigelsteiner Thor, ein von der Steuerbehörde zur Verhinderung der Schmuggelei dort hingestellter Wächter,
von einer herrannahenden Patrouille 34r., ohne irgend einen Zu- oder Anruf, wie der tödtlich Getroffene behauptet, durch einen Schuß in die Schulter und durch das Bein zusammengeschossen.
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15
] Düsseldorf, 13. Februar.
Von den beiden allhier zur Hof- und Schwabenkammer gewählten Herren wird wohl Hr. v. Beckerath seinen Posten als Reichsfinanzminister nicht verlassen, um sein Licht in Berlin leuchten zu lassen,
und Herr Hansemann, der königl. preuß. Bankdirektor, muß in der zweiten Kammer seine tiefinnigen Pläne und Ideen über Volksbeglückung zum Besten geben. Für den Fall, daß beide Herren ablehnen sollten,
hat der Appellationsgerichtsrath v. Ammon in Köln Aussicht zu reussiren, wenigstens arbeiten zwei Herren aus seiner Familie, beide Wahlmänner zur ersten Kammer, auf dieses Ziel hin.
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307
] Aachen, 12. Febr.
Das kgl. hochlöbl. preußische 27. Infanterie-Regiment sucht mit Eifer den Ruhm sich zu erhalten, den es in Trier, Koblenz, Bonn etc. etc. eingeärndtet hat. Kaum war es hier, da fand der in diesem
Blatte mitgetheilte, durch seine Offiziere angeregte Scandal in der hiesigen Erholungsgesellschaft Statt. Ein solches Beispiel geht nicht verloren; denn es muß einmal im tiefen Frieden gefochten und
gekämpft sein? Wozu denn auch die haarscharf geschliffenen Säbel? So dachten auch die Reisigen des 27. Regiments, als sie vor einigen Tagen auf holländischem Gebiete einen Friedensbruch vollführten,
indem sie im Hause des Wirthes Vanderstein in Vaels einen Streit veranlaßten, in dessen Folge ihrer dreizehn mit haarscharf geschliffenen Säbeln von vier Holländern total geschlagen wurden. Auf beiden
Seiten gab es, wie leicht zu denken, starke Verwundungen. Die Kompagnie, wozu die geschlagenen Helden gehören, wurde gleich darauf nach Malmedy dislozirt. Was mag unsern wallonischen Brüdern nun
bevorstehen?
Gestern war in der hiesigen Erholungsgesellschaft ein Festball. Unter vielen anwesenden Masken sah man eine von Kopf bis zur Zèhe schwarz-weiße, welche Rückschritte machte. Sollte man es
glauben, diese harmlose Maske wurde von 27r. Offizieren auf die pöbelhafteste Weise angegriffen, und erst, nachdem den hochwohlgebornen Herren ein gewisses Argumentum angedeutet worden, hielten sie
Ruhe.
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15
] Mayen, 12. Februar.
Die Wahlen zur 1. Kammer, die heute hier für die Kreise Mayen, Ahrweiler, Adenau, Cochem und Zell stattfanden, fielen zu Gunsten der Demokraten aus. — Die Herren Quadflieg, Advocat-Anwalt in
Aachen und Raffauf, Gutsbesitzer in Wolken bei Coblenz gingen aus der Wahlurne hervor. Letzteren hatte sich zwar schon der Kreis Coblenz für die Volks-Kammer erkoren; jedoch hat er sich bereit
erklärt, die heutige Wahl anzunehmen, da ohnehin in Coblenz eine Nachwahl im demokratischen Sinne gesichert ist. Um unsern beiden Erwählten das Opfer, welches sie der guten Sache bringen, pekuniär
weniger fühlbar zu machen, sind bereits ansehnliche Beiträge allein in unserer Stadt gezeichnet worden. Die Listen werden indeß in allen Kreisen circuliren und es unterliegt keinem Zweifel, daß in
Kurzem mehr als das Erforderliche zusammenkommt. Wenn das Volk für seine Unterdrücker so viel beizuschaffen hat, so ist es gewiß anzuerkennen, wenn es dabei noch für würdige Vertreter sorgt, obschon
diese erklärten, auf Diäten keinen Anspruch zu machen.
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103
] Essen, 12. Febr.
Was den in Duisburg am 5. Februar sub Nro. 1 gewählten Canonicus Lensing betrifft, so hat derselbe in Folge hohen Alters sein Gehör verloren. Er kann also der ersten Anforderung, die man an
einen Abgeordneten stellen muß, nämlich, daß er seine fünf Sinne zusammen haben soll, nicht genügen. Seine Verdienste beruhen vielleicht in einem Antrage, den er in seinen glücklichen Tagen auf dem
hochadeligen Landtage stellte: „Man solle auf jeden Scheffel eingelieferter Maikai[unleserlicher Text]er eine Prämie setzen.“
Des Geheimen Finanzraths Kamphausen und des Präsidenten v. Möller's Verdienste waren bis jetzt ungeheuer bescheiden. Doch haben diese Herren versprochen, durch das Beschneiden der Presse und
des Associations-Rechtes, sich unvergängliche Lorbeeren zu sammeln.
Der vierte in diesem Duisburger Reactions-Quartets, Herr Scheidt aus Kettwig, rechnet es sich zum Verdienste, von Berlin entlaufen zu sein. Außerdem weiß man noch, daß er sich in der
Vereinbarer-Versammlung gegen den Abgeordneten D'Ester, während einer Rede des Letztern, wie ein aus einer Menagerie Entlassener betrug.
Die Schuld, daß die Demokratie in der Minorität blieb, trägt die Geistlichkeit und das Junkerthum. Letzteres ließ Keinen, der von ihm abhing, aus den Augen; beförderte Alle im eigenen Wagen nach
Duisburg; doch als die Stimme abgegeben, der Zweck erreicht war, konnte Jeder sehen, wie er nach Hause kam.
Die Demokratie hätte dennoch gesiegt, wenn nicht ein Mann, der in der Versammlung sein Glaubensbekenntniß ablegte, durch dieses sich als Mäßigkeits-Apostel denuncirte und nicht allein sich, sondern
auch der guten Sache mehrere Stimmen entzogen hätte. Die Majorität war trotzdem so schwach, daß sich eine Stimme aus dem Quartett dahin ausließ: „Wenn das in dem Duisburger königlichgesinnten
Kreise schon so geht, wie mag es dann in andern Bezirken ausfallen!“
Kaum war das Resultat der Wahl bekannt, als sich in dem Städtchen Duisburg eine solche Menge schwarz-weißer baumwollen Zeuge entfalteten, daß man den drohenden schwarz bewölkten Himmel nicht mehr
unterscheiden konnte.
Mit den Namen Nicolaus, Windischgrätz, Wrangel, Strotha etc. waren die Fahnen übersáet und durch diese Namen hat sich Duisburg für immer ein Denkmal gesetzt.
Eine Fahne zeichnete sich besonders aus. Sie trug unser gottbegnadetes Herrscherpaar, wie der König seiner Elisabeth die Thränen trocknend ausruft:
Lisbeth, Lisbeth weine nicht,
Uns bleibt doch noch Duisburg, Ruhrort und Meiderich!
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103
] Essen, 12. Febr.
Ein Schreiben eines östreichischen Kürassier-Rittmeisters an seinen hier in der Nähe wohnenden Bruder, bestätigt die Niederlagen der Oestreicher in Ungarn am 23. v. Mts., namentlich den Verlust der
Kürassiere, die an 1400 Mann einbüßten. Wo bleiben nun die von der braven „Kölnischen“ sogenannten madscharischen Lügenberichte?
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X
] Berlin, 12. Febr.
Die hiesigen Wahlen zur ersten Kammer sind ganz so entschieden im Sinne der Reaktion ausgefallen, als zu erwarten stand und als auch im übrigen Theile des Staates geschehen sein wird. Es wurden
hier gewählt, im ersten Wahlbezirk (76 Wahlmänner):
Kühne, Verweser des Finanzministeriums mit 69 Stimmen;
Dannenberger, Fabrikbesitzer, mit 65 Stimmen;
v. Griesheim, Oberst-Lieutenant, mit 65 Stimmen;
Einzelne Stimmen fielen auf Camphausen, Strotha, Dahlmann,
Ladenberg, u. A.) — Im zweiten Wahlbezirk (51 Wahlen):
Camphausen, Staatsminister, mit 49 St. gegen 1 für Jonas,
v. Griesheim, Oberstlieutenant, mit 34 St. gegen 17 für Jonas,
Der doppelt gewählte Herr v. Griesheim, der sich auch noch mit einer Wahl zur zweiten Kammer (in Bomst an Stelle des Hrn. v. Vinke) schmeichelt, hat seinen Wählern erklärt, er werde in
diesem Falle für die zweite Kammer annehmen. Falls er aber in die erste eintrete, so werde er es seinen Wählern uberlassen zu bestimmen, für welchen Wahlbezirk er hier annehmen soll. Als Candidaten
für die jedenfalls nöthig werdende Nachwahl werden Dahlmann und Beckerath bezeichnet.
— Als bezeichnender Charakterzug und namentlich als einen Beweis wie ehrenhaft die Herren Wahlmänner zur ersten Kammer sind, verdient folgendes Gespräch, das im Vorsaal der Gewerbeschule, wo
die erste Abtheilung wählte, von zwei Wahlmännern der zweiten gehalten ward, erwähnt zu werden: A.: „Wir hatten doch verabredet, Camphausen solle einstimmig gewählt werden, wer mag wohl den
einen Stimmzettel mit Jonas abgegeben haben? — Wäre ich Stimmzähler gewesen, ich hätte mir kein Gewissen daraus gemacht auch den fünfzigsten Stimmzettel Camphausen zu
lesen.“ — B.: „Wahrscheinlich war es der Geh. Rev-Rath Jonas selbst, der sich aufgeschrieben.“
— Eine zweite heute erschienene Liste der neugewählten Abgeordneten zur zweiten Kammer giebt die Parteienstatistik anders an als die gestern erwähnte, bei Reuter und Stargardt erschienene.
Danach gehören 163 der Rechten, 157 der Linken und 30 dem Centrum an. Nach den Provinzen theilen sich die Parteien folgendermaßen:
Brandenburg | 27 Rechte, | 15 Linke, | 3 Centrum | = 45. |
Sachsen | 16 Rechte, | 15 Linke, | 7 Centrum | = 38. |
Pommern | 18 Rechte, | 7 Linke, | — Centrum | = 25. |
Schlesien | 26 Rechte, | 36 Linke, | 4 Centrum | = 66. |
Westphalen | 18 Rechte, | 12 Linke, | 1 Centrum | = 31. |
Rheinland | 21 Rechte, | 31 Linke, | 9 Centrum | = 61. |
Posen | 10 Rechte, | 18 Linke, | 2 Centrum | = 30. |
Preußen | 27 Rechte, | 23 Linke, | 4 Centrum | = 54. |
| 163 Rechte, | 152 Linke, | 30 Centrum | = 350. |
Der Beschäftigung nach sind unter den Neugewählten 84 Juristen, 63 königl. und städtische Beamte, 42 Gutsbesitzer, 22 Geistliche, 18 Kaufleute und 16 Bauern. Bei 5 fehlt die Standesangabe.
Es circulirt hier jetzt folgendes Wort, das man dem General Wrangel in den Mund legt und von dem jedenfalls das alte italienische Sprichwort gilt: se non é vero, é bon trevato.
Von einem Offizier nämlich befragt, wann wohl der Belagerungszustand aufhören würde, antwortete der General: „Der jetzige Belagerungszustand mit Glacehandschuhen dürfte vielleicht bald
aufhören, dann wird wohl aber einer ohne Glacehandschuh kommen.“
Aus Bernau erfahren wir, daß dieser kleine Ort durch die Anwesenheit des von hier ausgewiesenen Professor Nees v. Esenbeck eine Art Centralpunkt politischer Thätigkeit geworden ist.
Er übt auf den dortigen Socialverein einen anregenden Einfluß. Dieser Verein, der aus allen waffenfähigen Männern Bernau's besteht und sehr gut disciplinirt ist, hat übrigens der Stadt die
Begünstigung einer Garnison von 250 Mann zugegangen, deren Hauptgeschäft darin besteht, 49 im dortigen Rathskeller eingesperrte Untersuchungsgefangene, welche bei der früher erfolgten Vertreibung der
schwächern Garnison von 50 Mann betheiligt waren, zu bewachen.
Eben hier eingetroffenen Nachrichten aus Czernowitz zufolge, sollen 50,000 Mann Russen in Siebenbürgen eingerückt sein.
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Berlin, 12. Febr.
Zu Abgeordneten für die zweite Kammer sind ferner gewählt worden:
Provinz Preußen.
Regierungs-Bezirk Königsberg.
Seilermeister und Rathmann Rheinländer in Neidenburg, Oberfürster Wichmann zu Sappen.
Provinz Posen.
Regierungs-Bezirk Posen.
Landrath von Röder-Ostrowo, Graf Woydzicki auf Zakrzewo.
[(Pr. St. A.)]
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106
] Aus dem Kreise Arnsberg, 12. Februar.
Eine im hiesigen Wahlbezirke für die zweite Kammer cirkulirende, bereits mit unzähligen Unterschriften bedeckte Adresse wegen sofortiger Frei-
[1219]
lassung des Justizkommissarius Gierse zu Münster, wird in diesen Tagen durch eine Deputation an das Staatsministerium befördert werden.
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141
] Arnsberg, 12. Febr.
Eine neue Heldenthat preußischer Gerichtspersonen verdient, der Oeffentlichkeit übergeben zu werden. Vier Mitglieder des Kriminalsenats hiesigen Oberlandesgerichts, die Räthe v. Arnstedt, v.
Mengershausen, Wermuth und Assessor v. Buttler hatten an den Geheimen Rath Kindermann ein Mißtrauensvotum abgefaßt, in welchem sie denselben in nicht gerade höflichen Worten auffordern, seinen
Abschied zu nehmen. Denn es sei unter ihrer Würde, mit einem Manne, der das Interesse des Volks dem seiner Feinde vorzieht, in einem Senate zu sitzen.
Das saubere Unternehmen scheiterte jedoch an der Ehrenhaftigkeit des Direktors Wichmann, der sich einer solchen Taktik entschieden widersetzte.
Wehe dem politisch Verfolgten, der solchen Justizleuten in die Hände geräth.
Gestern Abend wurde dem hier suspendirten und nach einem andern Oberlandesgerichte versetzten Referendarius Heine, von einer zahlreichen Bürgerschaft Arnsberg's, als Zeichen ihrer
Anerkennung für die der Volkssache bewiesene Thätigkeit, eine Serenade gebracht. Heine war mit den früher erwähnten Referendarien Kindermann und Schmidts aus denselben Gründen in Untersuchung
verwickelt, Durch Beschluß des hiesigen Collegs, in welchem der Vater des etc. Heine (derselbe ist Geheimrath) mehr Freunde hatte als der Vater des Kindermann, erhielt Heine blos die Strafe, an ein
anderes Gericht versetzt zu werden, während Kindermann und Schmidts entlassen wurden.
Diese herrliche Verfügung des Richterkollegiums wurde vom Justizminister bestätigt.
Für die Krautjunker- und Geldsack-Kammer wurden heute hierselbst gewählt:
1) Landrath v. Dolfs in Soest.
2) Geheimrath v. Bernuth in Berlin.
3) Oberbergrath Böcking in Trier
Sie wurden gewählt mit 12 Stimmen (die Hr. Dr. Sommer als General in's Feld führte) gegen 11 Stimmen.
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61
] Wien, 10. Febr.
Beim Empfang meines Berichts wird Ihnen die vom 4. d. Mts. datirte Antwort unserer k. k. Strang-Pulver und Blei-Regierung auf die in allen Blättern Michels breitgeplärrte k. k. preußische Note
bereits bekannt geworden sein. Erlauben Sie mir aber darüber von unserm Standpunkte aus einige Bemerkungen, von welchen mich der tiefste Ekel, den ich dabei verspüre, zurückzuhalten nicht im Stande
ist, wenn ich erwäge, daß die fabelhafte deutsche Flachköpfigkeit und Bourgeoismattheit sich mit den Thaten des Gesammtscheusals Oestreich bereits wieder zu versöhnen anfängt, statt mit aller
Entschiedenheit wieder dieselben aufgestanden zu sein. Mögen die têtes quarrées und 45 Millionen Michel mitleidig lächeln, meine Ihnen über Oestreich gemachten Voraussagungen haben sich
sämmtlich bestätigt, wenn bei manchen auch die hochgeistige Wurfweite unserer gemüthlichen sogenannten demokratischen Blätter sich erst jetzt weidlich darüber zu erstaunen beginnt, indem ihr nun erst
die Thatsache klar wird. Die Deutschen sind überall geborene Krähwinkler, sie glauben eine Revolution gemacht zu haben, wenn sie den Detaildreck unmittelbar vor ihrer Thüre zusammengekehrt und zum
großen Haufen mitten in der Straße gebracht haben.
Die Note vom 4 Febr. hat hier nicht den geringsten Eindruck gemacht, ist nicht einmal allseits bekannt geworden. Der Oestreicher, so dumm er ist, hat längst erkannt, daß der deutsche Ochse ganz wie
früher wieder am östreichischen Karren zieht, während der Ochse Gott weiß was für eine hochdeutsche Arbeit zu thun glaubt. Seitdem der Oestreicher den deutschen Ochsen, den er eine Zeit lang für ein
Wunderthier zu halten beliebte, näher besehen, hat er gemerkt, daß er ein noch siecherer Ochse ist, als der östreichische, und kümmert sich nun weiter nicht mehr um ihn. Er findet die Note vom 4.
Febr. daher ganz natürlich, durchaus nicht auffallend und meint, sie passe vortrefflich zu den Windischgrätzischen Fußtritten, zu welchen sie den Kommentar bilde.
Die Note vom 4. Febr., denkt der Oestreicher, ist sammt der frühern preußischen das Fabrikat ein und desselben Teufels, Metternichs. Die europäischen Fürsten bereuen es schon längst, daß sie den
Oberpriester, der ihnen die Völker zu Füßen werfen half, in rebellischer Verblendung von sich gestoßen, sie haben längst vor ihm Abbitte gethan, und lassen ihn wieder allein gewähren. Hier sehe ich
den deutschen Stumpfsinn mitleidig lächeln, aber ich tröste mich, wie der Oestreicher, mit der Parole: „Mocht nix! S'is olles ahns!“ — Die preußische und die östreichische
Note, so versicherte mir heute ein Metternichianer, sind weiter nichts, als der diplomatische Schnupftaback, welchen die wieder Metternich gehorchenden Regierungen ihren Unterthanen, namentlich aber
den nach Frankfurt gewählten Fröschen hingeworfen haben, damit sie solange davon genießen, und ihre Köpfe darüber zerbrechen, bis der ehemalige Hans Urian Metternich's, der heilige deutsche
Bund, ganz unverholen wieder hervortreten kann, um ihnen mit einem kräftigen Hieb auf die Flachschädel für immer das Quaken zu verleiden. Ich habe Ihnen schon vor sechs Wochen geschrieben, daß die
preußische Kaisersauce nur für ein zwischen Metternich und den sich wieder vor ihm und seinem Systeme verneigenden kronenbegnadeten Erdengöttern verabredetes Manöver gehalten wird. Die beiden Noten
bestätigen diese Behauptung.
Nicht nur daß man mit diesem Kniff Michels politische Unterhaltung vor dem deutschen Wein-, Bier-, und Branntwein-Krug aus dem demokratischen Gefasel, wieder auf die rechte Fährte brachte, auf die
gottbegnadete König- und Kaiserlichkeit, wurde damit gleichzeitig auch die Gehirnlosigkeit der Frankfurter Muhmen zum legitimen Klappern gebracht, und stupéfait gemacht. Metternich verstand,
den Naturfehler des Frankfurter grundrechtlich-ohnmächtigen Leierkastens trefflich zu benutzen. Er ließ Oestreichs Tamerlan sagen: „Ich bin die kaiserliche Centralsonne und dulde keine andere
neben mir!“ Dann ließ er den Potsdamer Uranus dem glotzenden Michel in's Ohr raunen: „Ich möchte gerne, aber der andere will nicht!“ Darauf entstand unter den 45 Millionen
Micheln über beide Erklärungen die interessanteste Unterhaltung von der Welt. Während dieser Zeit krochen alle Henker aus ihren Verstecken hervor, wurden von Metternich's Königen gefüttert,
stahlen und stehlen durch Belagerungszustände, Strang, Pulver und Blei, Kerker und Eisen alle im März ihnen abgejagte Freiheit und schlagen die Männer todt, die diese Freiheit vertreten.
Das ist die Bedeutung des preußisch-deutschen Kaiserthums, die Bedeutung der Noten, und für lange noch die Bedeutung alles dessen, was in ähnlicher Art geschieht.
Der letzte Athemzug des deutschen Bundes, so spricht die Note, ist auch ferner Oesterreichs deutsches Piedestal. Alles, was dawider, ist Rebellion, die wir standrechtlich behandeln und damit unsere
„Bundespflicht“ erfüllen. Wir fühlen, spricht die Note, daß Deutschland, d. h. der um Oesterreich zur Abwehr der revolutionären Cholera gezogene österreichische Kordon, welcher sich
Deutschland zu nennen beliebt, einer „engern Einigung, einer neuen Bundesbehörde, einer Wiedergeburt“ zum Systeme des großen Satan-Meisters bedarf, und werden ihm, haben wir nur im
Innern die Hände frei, mit unsern Radetzky's und Windischgrätzen dazu verhelfen, wenn wir nicht vorziehen, unsern preußischen oder bairischen „Vize-König“ mit der plumpern
Exekution zu beauftragen.
„Die Einheit Deutschlands ist weder ausführbar noch wünschenswerth“; der Beweis dafür steckt in unsern und der heiligen Allianz Kanonen, aber ihr matten Rebellen Frankfurts mögt euch
einstweilen immerhin noch das Gehirn darüber anstrengen. — Unser Tamerlan und sein Hohepriester Metternich, das ist der einzige Brennpunkt, um welchen ihr Frankfurter Revolutionärs euch zu
drehen habt, und wir werden's euch mit Pulver und Blei verleiden, solltet ihr wagen, einen andern „künstlichen Brennpunkt“ zu schaffen. — Schon die Demokratie der §.§.
2 und 3 eurer lächerlichen Grundrechte genügt uns, eure Wirksamkeit zu verfluchen und wir haben darum das Standrecht angewendet, daß unser Volk einen „Schrei des Unwillens“ dawider
erhebe, den ihr verpflichtet seid für den allein wahren zu halten.
Oesterreich, ihr Esel, ist ein „deutsches, ein europäisches Bedürfniß“, darum darf Deutschland niemals etwas anderes sein, als ein metternichisch-österreichischer Gürtel, vor welchem
selbst Europa, namentlich aber die Rebellenstadt Paris, erzittert. Mit andern Worten, Oesterreich ist ein deutsches Bedürfniß, weil die Knutung Deutschland's ein österreichisches Bedürfniß ist.
Oesterreich ist die „erste deutsche Macht“, weil es die zwar wenigsten Deutsche, aber doch die größten antideutschen Rekrutenställe hat, mit welchen es die deutschen Ohnmachten
zerprügeln kann. Oesterreich's Tamerlan ordnet sich daher keinem andern unter, am wenigsten einem preußischen. Oesterreich und sein Tamerlan sind der Kühnheit gegenüber in diesem Augenblicke
zwar völlige Ohnmachten, allein das hindert nicht, daß sie deutschen Hundeseelen gegenüber derbe Sprache führen. Preußen ist mit Oesterreich zu sehr einverstanden, als daß Oesterreich sich an dasselbe
zu wenden hätte, darum wendet Oesterreich sich an den programmatischen Gagern mit dem kühnen Griff, und befiehlt ihm, seine germanische Schafheerde zu Frankfurt solange mit Knollen zu bewerfen, bis
sie zur metternichisch-österreichischen Glückseligkeit zurückgekehrt ist.
So spricht Oesterreich in seiner Note vom 4. Februar; es spricht immer nur die alte Sprache.
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@facs | 1219 |
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*
] Wien, 10. Februar.
Daß die Freiheits- oder Selbstständigkeitsregungen unter den Slaven, und namentlich jetzt in Kroatien, der Kamarilla höchst ungelegen kommen, davon geben die standrechtlichen Blätter fast täglich
mehr als einen Beweis. Sie sprechen erbittert von den „Uebergriffen“ der slavischen Partei und bezeichnen das Streben der letzteren als „Weismacherei gewisse-philologischer
Schwärmer“. Ueber die Slavenpartei in Kremsier drückt sich die „Presse“ — um nur eine ihrer vielen hierauf ber züglichen Stellen zu zitiren — folgendermaßen aus:
„Es bildet sich eine neue, durch die Uebergriffe der Czechen nöthig gewordene Koalition — die der deutschen Linken mit dem linken und rechten Centrum. — So erfreulich dieser
Beweis des raschen Erfassens dessen, was noth thut, einerseits auch ist, so traurig berührt es andererseits jeden wahren Vaterlandsfreund, wenn er gewahrt, wie die czechische und polnische Fraktion
der Reichsversammlung den nationalen Interessen alle übrigen unterordnet, wie insbesondere die Erstgenannte schnurstraks das Förderativprinzip zu realisiren trachtet, das Förderativprinzip, dessen
Verwirklichung der Anfang von Oesterreich's Ende wäre. Beharren die Czechen auf ihrer unseligen Politik, dann ist die Revolution in Oesterreich permanent, der Belagerungszustand wird über
sämmtliche Provinzen der Reihe nach verhängt werden müssen, und die konstitutionellen Freiheiten werden durch die ewigen Ausnahmszustände im eigentlichen Sinne des Wortes zur Lüge.“
In Lichtenstein, einer der hiesigen Vorstädte, fand dieser Tage eine Katzenmusik Statt, nicht in der Nacht, sondern bei hellem Sonnenschein. Als das Militär anlangte, hatten sich die Musikanten
bereits zerstreut.
Nicht weniger als 2000 Wohnungen stehen leer. Handel und Wandel stocken fürchterlich, und mehr als in irgend einer Zeit zwischen März und Oktober vorigen Jahres. Das greift den Philistern
an's Herz. Sie fangen an, über die ungeheuern Segnungen des Belagerungszustandes stutzig zu werden. Möge er noch so lange andauern, bis dieses Gelichter vollständig ruinirt und für seinen
gemeinen Verrath an der Volkssache einigermaßen gezüchtigt worden.
Daß der Ministerpräsident, Fürst von Schwarzenberg, bei der Wahl eines Abgeordneten nach Kremsier im 2. Stadtbezirk so kläglich durchgefallen — er bekam nur 5 Stimmen: ist eine Pille, die
dem Ministerium bitter zu Halse geht.
Die hiesige Besatzung wird gewechselt werden. Für die nach Italien abmarschirenden Truppen kommen 16,000 Kroaten hieher. Möglich, daß die ganze Besatzung sehr bald nur noch aus Mitgliedern der
gottbegnadeten Kroatei bestehen wird.
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@facs | 1219 |
[
143
] München, 10. Februar.
Zu dem Staatsstreich, welchen das Ministerium durch seine Entlassungseingabe am 8. machte, gesellte sich gestern ein noch nicht dagewesener Streich der hiesigen noch immer sogenannten Ultramontanen
und übrigen Anhänger der Camarilla, der jedoch, Dank der ruhigen Haltung des demokratisch gesinnten Theiles der Bevölkerung, seinen Zweck nicht nur nicht gänzlich verfehlte, sondern auch noch von dem
gesunden Sinne des Volkes mit Verachtung gestraft wurde. Gestern gegen Abend nämlich ladet ein nicht unterzeichneter Maueranschlag zur zahlreichen Betheiligung an einem dem Könige(!), als dem
alleinigen Beschützer(!) der gesetzlichen Freiheit und Ordnung, zu bringenden, von der protest. Kirche ausgehenden, Fackelzug ein. Auch wird der Aufruf in alle Häuser getragenund bald darauf erscheint
ein vom Demokratischen- und Märzverein ausgehender Anschlag, der die „deutschen Männer“ zur Ruhe ermahnt und Ihnen räth, nicht in die Falle zu gehen, die ihnen die Reaktion stelle. Um 7
Uhr setzt sich nun, von ruhigen und nur höhnisch lachenden Zuschauern begleitet, der so schlau improvisirte Fackelzug von erwähnter Kirche aus über den Karlsplatz, Dultplatz und durch die
Prannersgasse nach dem Platz vor den Arkaden und dem Hofgarten in Bewegung. Wenngleich, fast eine halbe Stunde lang und von mehreren Musikchören begleitet (1000 Fackeln allein hat der
„constitutionelle Verein für religiöse Freiheit und gesetzliche Ordnung,“ 400 der Magistrat vertheilen und gratis anbieten lassen), so erschien uns doch diese Demonstration, gegen den
Robert Blum'schen Fackelzug betrachtet, auch äußerlich erbärmlich. Und damals kaufte doch Jeder seine Fackel für 36 Kr., wogegen hier jedem Proletarier 36 Kr. gegeben wurden, wenn er nur eine
umsonst annahm.
Wir betrachteten uns die ersten Männer, die lichtscheuen und dummen Physiognomien. Außer Pfaffen und Pfaffenknechten, Kirchendienern, Almosensammlern, Hofheubindern, Hoflakaien, Laternenanzündern,
Bedienten der Aristokratie und Bureaukratie u. s. w. waren auch eine Menge des Troßes aus der Bourgeoisie und Beamtenwelt bei dem Zuge kompromittirt. Das schöne Ziel desselben war der Hofgarten, wo er
der sich mehrmals zeigenden Königl. bairischen Bier-Majestät, welche die Deputation huldvoll empfing, einige Lebehoch brachte, in das sich nur einzelnes Pfeifen mischte, was etliche Arretirungen zur
Folge hatte.
Sie wissen, daß in den letzten Tagen die Rechte Schlag auf Schlag durchfiel und ich brauche Ihnen also einen weitern Commentar wohl nicht zu geben. Die Quelle wird als von Abel ausgehend genannt.
Und doch war die Majorität des Münchener Volkes nicht auf Seiten der Rechten.
Hr. v. Abel, so schreibt uns der heutige „Münchener Punch“, erfreut sich der besten Gesundheit, indem er seine Spaziergänge von München nach Nymphenburg und zurück
ununterbrochen fortsetzt. Er ist mit den dortigen Schwänen so vertraut, daß sie ihm bis zur Hälfte des Kanals entgegen schwimmen. Auch kündigt obiges Blatt ein neues Schauspiel des Hof- und
Kammertheaters an: (neu einstudirt!) Abelino, der große Bandit, oder wer zuletzt lacht, lacht am besten!
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@facs | 1219 |
[
!!!
] Frankfurt, 12. Febr.
National-Versammlung. Präsiden Simson.
Auf der Tagesordnung steht der Rest der Grundrechte: Artikel 9 und Artikel 12 § 43-48.
Gagern theilt in einer Zuschrift an den Präsidenten Simson, die von Schmerling überreichte österreichische Note vom 4. Februar mit. Sie wird vom Schriftführer verlesen.
Simson will sie dem Verfassungsausschuß zur geeigneten Berücksichtigung verweisen.
Ueber die Frage, was mit derselben vorläufig anzufangen, entspinnt sich eine lange Debatte.
Eisenmann meint, eine Erklärung über dieselbe abzugeben, sei Pflicht der Versammlung, und dies sei Sache des Verfassungsausschusses. Er fügt seiner Begründung den Vorwurf bei, es habe sich
in der Versammlung eine ministerielle Coterie gebildet, die außerhalb der Versammlung den Gang derselben, die Tagesordnungen etc. bestimmt, und giebt nicht undeutlich zu verstehen, daß die Versammlung
somit fast nur noch die Drathpuppe dieser Coterie ist. (Die Herren aus dieser Coterie, Cafe Milani etc., fühlen sich getroffen und machen Lärm. Links: Ruhe!) So sei schon im Voraus festgesetzt, daß
die zweite Lesung der Verfassung am 19. dieses Monats beginnen solle.
Reichensperger beantragt:
„Die National-Versammlung nimmt Akt von der österreichischen Note und wird sie geeigneten Orts berücksichtigen.“
Ihm scheint aus der Note hervorzugehen, daß Oesterreich die Ansicht, als wolle es nicht in den deutschen Staatenverband eintreten, desavouirt. (Lärm. Verhöhnendes Bravo. Verschiedenartiger
Tumult),
Giskra will die Note an den Ausschuß zur Begutachtung des Gagernschen Programms verweisen, und meint, die Note sei die erste Frucht der Unterhandlungen mit Oesterreich à la Gagern.
(Gelächter und Bravo links).
Jahn beantragt Tagesordnung.
Beseler ist der Ansicht Simson's.
Der Minister v. Gagern geht auf die Tribüne, um die Vorwürfe Eisenmann's und Giskra's zurückzuweisen.
Rösler von Oels will den Ausschuß des Gagernschen Programms.
Rüder will den Verfassungsausschuß.
Den interessantesten Vorschlag macht der Doktor Berger aus Wien (äußerst links). Er beantragt die Bildung eines neuen sogenannten Vereinbarungsausschusses, da die Versammlung doch bereits
faktisch in den Winkel der Vereinbarung eingepfercht ist. (Dieser bitteren Verhöhnung und tiefen Wahrheit folgt lauter Beifall und längere Heiterkeit).
Fuchs (rechtes Centrum) erklärt wüthend, nein! — zu Vereinbarern seien sie noch nicht herabgesunken, sonst wäre es Zeit, wie Martiny neulich gesagt: „nach Hause zu
gehen!“ (Langes Bravo auf den Gallerien — nicht dem Redner, sondern dem „Nachhausegehen“ geltend).
Venedey erklärt mit Entrüstung, es sei für die Versammlung die Zeit gekommen, gegenüber dieser Note Deutschland zu zeigen, was sie sei — keine Vereinbarer, sondern die deutsche
konstituirende National-Versammlung! (Bravo im Centrum).
Nachdem sich endlich Riesser für die Ansicht des Präsidenten Simson ausgesprochen, wird die Debatte geschlossen und die Note nach dem Antrag des letzteren dem
„Verfassungsausschuß“ übergeben.
Martiny interpellirt den Minister des Aeußern in Betreff der italienischen Angelegenheiten 1. ob das Ministerium Schritte gethan, und welche, zur Betheiligung der deutschen Centralgewalt an
den Verhandlungen des Brüsseler Kongresses? 2. Welche Instruktionen es den Bevollmächtigten der Centralgewalt gegeben oder zu geben denkt? 3. Welchen Standpunkt es bei den
lombardisch-österreichischen, den römischen und sizilischen Verhältnissen einzunehmen gedenkt. (Rechts und Centrum Gelächter).
Justizminister Mohl zeigt an, daß er zwei Interpellationen, die er heut beantworten wollte, erst Donnerstag beantworten wird.
Hierauf gelangt man (um 11 1/4 Uhr) zur Tagesordnung, zu § 43 (Artikel 9) der Grundrechte, welcher lautet:
„Jede deutsche Gemeinde hat als Grundrechte ihrer Verfassung:
a. die Wahl ihrer Vorsteher und Vertreter,
b. die selbstständige Verwaltung ihrer Gemeindeangelegenheiten mit Einschluß der Ortspolizei,
c. die Veröffentlichung ihres Gemeindehaushaltes,
d. Oeffentlichkeit der Verhandlungen, soweit die Rücksichten auf besondere Verhältnisse es gestatten,
e. allgemeine Bürgerwehr.
„Die Ordnung der Bürgerwehr und ihr Verhältniß zur allgemeinen Wehrpflicht wird ein Reichsgesetz bestimmen.“
Minoritäts-Erachten:
a. die Wahl ihrer Vorsteher und Vertreter mit Ausschluß des Bestätigungsrechtes der Staatsberhörde. (Wigard, Blum, Römer, Schüler, Simon).
Man eröffnet eine Diskussion über diesen Paragraphen. Die Redner werden ohne Theilnahme angehört.
Nachdem Nagel aus Baiern, Evertsbusch und der Berichterstatter Beseler für die Fassung des Ausschusses, Schulz aus Weilburg, Rheinwald, Rüder und Naumann theils für erweiternde, theils für
abändernde Amendements gesprochen haben, wird § 43 ganz nach der Majorität des Ausschusses angenommen.
Für das Minoritäts-Erachten und alle im Sinne der Freiheit erweiternden Amendements stimmten fruchtlos die Linke und die Hälfte des linken Centrums. Punkt e (die allgemeine Bürgerwehr) wurde dem
Paragraph abgeschnitten. (Volk! das sind deine Vertreter!!!) Der Schlußsatz fiel natürlich auch weg.
§ 44.
„Jedes Grundstück muß einem Gemeindeverbande angehören.
„Beschränkungen wegen Waldungen und Wüsteneien sind der Landesgesetzgebung vorbehalten.“
Minoritäts-Erachten:
„Unterzeichnete finden diesen Paragraphen (44) zur Aufnahme in die Grundrechte nicht geeignet.“ (Deiters. Andrian. Mühlfeld. Bassermann).
M Mohl will den zweiten Punkt des Paragraphen gestrichen wissen.
Würth von Sigmaringen ist der entgegengesetzten Ansicht.
Beseler, der Berichterstatter, will auch den Punkt zwei.
Der erste Satz des Paragraphen wird hierauf angenommen. Der zweite mit 181 Stimmen gegen 157 ebenfalls.
Die Linke stimmte dagegen. Der Zusatz: „Jeder Deutsche muß einer Gemeinde angehören,“
wurde abgelehnt.
Hierauf vertagte man sich kurz nach 1 Uhr.
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*
] Wiesbaden, 10. Febr.
Nach dem Amte Hadamar sind Truppen abgegangen, weil dort mehrere Dorfgemeinden die Steuern verweigern und die Gerichtsvollzieher seit einiger Zeit regelmäßig durchprügeln.
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27
] Aus Thüringen, 9. Februar.
Der Magistrat der guten Stadt Erfurt hat heute dem Kommandanten durch eine Verordnung für die Bürgerschaft eine große Freude gemacht. Hoffentlich wird diese Verordnung auch andern Leuten einige
Erheiterung verschaffen; und wir theilen dieselbe um so lieber mit, als wir überzeugt sind, hierdurch dem löblichen Magistrate eine nicht geringe Gefälligkeit zu erweisen:
„Auf Anordnung der königl. hochlöblichen Kommandantur wird das hiesige Publikum bei angemessener Polizeistrafe und bei sofortiger Verhaftung verwarnt, auswärts gedruckte Schriften,
welche die Maßregeln der Regierung verdächtigen oder gar in gehässiger Opposition angreifen und auf diese Weise dahin wirken, die Gemüther der Einwohnerschaft der bestehenden
konstitutionellen Regierung zu entfremden oder auch geeignet sind, Erbitterung gegen gewisse Einwohnerklassen und dadurch Aufregung und Unfrieden in hiesiger Stadt hervorzurufen, hier zu
verbreiten oder zu affichiren.“
Das Aktenstück spricht deutlich genug. Es bedarf keines Kommentars. Wenn es der „Wiener Zeitung“ entnommen wäre, so würde es kaum lieblicher klingen. Zärtliche Sorgfalt um die
Gemüthsruhe der braven Thüringer!
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068
] Hannover, 10. Februar.
Der zweiten Kammer wurde gegen Ende ihrer heutigen Sitzung ein Schreiben des Ministeriums mitgetheilt, welches die Einwendungen der Regierung gegen die Grundrechte enthält und erklärt, daß es deren
Gültigkeit nicht an
[1220]
erkenne. In allen praktischen (!!) Fragen werde die Regierung ihre Pflicht gegen Deutschland erfüllen, was aber die Verfassung anlange, so müsse Hannover, wie die übrigen Mittelstaaten
Deutschland's, eine „abwartende“ Stellung einnehmen.
Französische Republik.
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Paris, 12. Febr.
Der Moniteur enthält folgende Dekrete:
1) Buffet, Ackerbau- und Handelsminister, ist par interim mit Verwaltung des Unterrichtsministeriums, während der Abwesenheit d.s Bürgers v. Falloux beauftragt. (Bürger Falloux ist in Angers bei
seinem sterbenden Vater.)
2) Die Nationalgarde zu Fuß in Cette (Heraultdepartement) ist aufgelöst; der Maire der Stadt Cette, Bürger Mercier, von seinem Amte entsetzt.
Dem zweiten Dekrete ist ein Bericht vorangestellt, in weichem der von uns bereits erzählte Jakobiner-Mützenkrawall in reflektirender Weise wiederholt wird und der also spricht:
„Erlauben Sie mir, Herr Präsident der Republik, Ihnen bei dieser Gelegenheit mein Bedauern auszudrücken, daß ich darüber empfinde, daß die Vollmachten der Regierung nicht ausreichen, um das
Strafmaaß dem Ernst jener Ereignisse angemessener einzurichten.“
Paris, 11. Februar 1849.
(gez.) Leon Faucher.
Hr. Faucher findet das Strafmaß der Auflösung und Absetzung zu gelinde! Er möchte Maire und Bürgerwehr über die Klinge schwingen lassen dafür nämlich, daß sie die Volks-Canaille nicht bei Zeiten
niederschießen, sondern wie sich Hr. Faucher im Bericht ausdrückt „vier Stunden lang austoben ließ.“ La satiété seule a pu mettre un terme à d'aussi coupables
excèse! lautet der Nachsatz in dem vor uns liegenden ministeriellen Originale. Dieser Bericht ist ein neuer historischer Beleg für die Charakteristik des Hrn. Faucher.
— An der Börse zirkuliren allerlei Hiobsgerüchte von der spanischen Gränze. So hieß es gestern Abend, Cabrera sei an seinen Wunden gestorben; ein spanisches Korps habe das Gebiet der
französischen Republik verletzt u. s. w. Darauf erklärt heute der Moniteur:
„Es geht in der That aus den Berichten der Ortsbehörden (an der Pyrenäengränze) hervor, daß ein Theil der Progressisten (Republikaner), unter Don Vittoriano Ametler, von einem Corps der
königl. Truppen auf das französische Gebiet zurückgeworfen wurde, und daß sich noch hier (250 Metres vom französischen Gränzposten Las Illas) ein heftiges Gewehrfeuer entspan[n], das nur durch das
energische Dazwischenschreiten des Offiziers d[e]s Gränzpostens endete, der sich in die Mitte des Kugelregens begab und die Spanier zum Verlassen des französischen Gebiets nöthigte. Der Offizier
forderte demnächst die republikanischen Insurgenten auf, ihre Waffen zu strecken und nahm 21 von ihnen nebst dem Obersten Ametler gefangen, welche alle an die Ortsbehörden des Dorfs Las Illas
abgeliefert wurden. Aus den Protokollen geht aber hervor, daß die spanischen Soldaten vier Insurgenten auf franz Gebiet gefangen nahmen und mit sich hinüber führten. In Folge dieses Faktums hat sich
der Präfekt der Pyrenées-Orientales an den franz. Consul in Barcelona gewandt, um bei den betreffenden Behörden Cataloniens zu reklamiren und jeder Maaßregel vorzubeugen, welche diese vier
Gefangenen treffen könnte. Anderer Seits hat der Präfekt, in Verbindung mit dem kommandirenden General der 9. Militärdivision, solche Maaßregeln getroffen, die jeder Erneuerung einer ähnlichen
Gebietsverletzung vorbeugen. Ebenso ist von Seiten des Ministers des Auswärtigen eine Note an das Madrider Cabinet abgegangen, in dessen Namen der General Narvaez das größte Bedauern wegen jener
Vorfälle ausgedrückt hat. Es ist eine strenge Untersuchung von demselben angeordnet worden. Jene vier Gefangenen sollen zurückgeliefert und gleich ihren Kameraden in Perpignan wohnen. Kurz, es ist
Alles geschehen, um jede fernere Störung der freundnachbarlichen Verhältnisse beider Länder zu vermeiden.“
— (Generalversammlung aller hiesigen Demokraten aus Deutschland, Italien, Spanien, Polen u. s. w.) In Folge der harten Maßregeln gegen mehrere deutsche Demokraten — denen das
Ministerium den Befehl zugehen ließ, innerhalb 24 Stunden Paris zu verlassen, wobei es sich, wie gewöhnlich, auf die barbarische Fremdengesetzgebung gegen die damaligen Coblentzer (Artikel 7 des
Gesetzes vom 28. Vendemiaire des Jahres VI.) beruft — hat der deutsche Verein beschlossen, einen Aufruf an sämmtliche hier lebende Demokraten aller Nationen zu erlassen, um mit ihnen bei der
Nationalversammlung auf Abschaffung oder wenigstens Milderung jener Vendemiaire-Gesetzgebung (gegen die Coblentzer Royalisten) zu petitioniren.
— F. Salvego, preußischer Konsul in Sira, hat sich in Marseille eingeschifft, um sich auf seinen Posten zu begeben.
— Die Nationalversammlung beschäftigte sich bis Postschluß mit der Gerichtsreform, die das Ausland wenig interessirt.
— Der Berg und die ganze Linke speien Feuer und Flamme über die Bugeaud'schen Standreden in Bourges und Lyon. Das Ministerium soll dieserhalb interpellirt werden. Jules Favre wird das
Wort führen.
— Cremieux hat den Bericht über das Klubgesetz fertig.
— Wie man sich erzählt, liegen der jüngsten Razzia gegen die hiesigen deutschen Demokraten weniger diplomatische Requisitionen als erlogene und darum doppels lächerliche Berichte deutscher
Spione an Carlier, das sichtbare Haupt unserer unsichtbaren Beißzangen, zum Grunde. Der deutsche Verein gehört zu den verläumdetsten Dingen von der Welt. Weit entfernt, für die Bildung neuer Legionen
oder gar gegen Hrn. Leon Faucher und Carlier zu konspiriren, beschäftigt er sich lediglich mit der Besprechung ökonomischer Fragen, die den Arbeiter am meisten interessiren.
— Die Reaktion reitet schnell wie die Todten — sagte gestern ein Morgenblatt. Außer obigen Ausweisungen können wir noch mehrere Beweise dafür liefern. Erstens nahm die
Staatsanwaltschaft gestern Abend das Journal „Le Peuple“ wegen einer angeblichen Rechtfertigung der Brea-Mörder zum sechsten Male weg. Zweitens rennen die Lion's der ersten Legion
von Haus zu Haus, um Beiträge für Anschaffung eines Ehrensäbels für Changarnier aufzutreiben. Drittens endlich langt eben ein Entwurf zu einer Beglückwünschungsadresse an Bugeaud für seine wahrhaft
empörenden Reden in Bourges und Lyon an.
— National-Versammlung. Sitzung vom 12. Febr. Anfang 1 1/4 Uhr. Präsident Marrast.
Marrast verliest nach dem Protokoll mehrere Urlaubsgesuche. (Oh! Oh! Schon jetzt!)
An der Tagesordnung befindet sich zunächst die Fortsetzung der zweiten Deliberation über die Reform des Gerichtswesens. Die Debatte war am Sonnabend bis zum Artikel 9 vorgerückt —
Appelhöfe.
Baze stellt den Nachsatz zu Art. 8:
„Die Beschlüsse der Anklagekammern müssen von wenigstens 5 Gliedern gefaßt werden.“
Angenommen.
Dupont (Büssac): Ich trage vor Fortsetzung der Tagesordnung darauf an, daß man alle Vorschläge, die sich auf die Grundkreditverhältnisse beziehen, an die Kommission verweise, welche sich
eben mit Prüfung des Alex. Martin'schen Vorschlages zur Anlage von Departementalbanken beschäftigt.
Wird ausgesprochen.
Die Versammlung kehrt zu Artikel 9, von der Einrichtung der Appelhöfe handelnd, zurück.
Ueber die Zahl der Räthe entspinnt sich eine lange Debatte. Die Einen schlagen für Paris 57, die Andern 60 vor. Endlich wird die Zahl 57 angenommen.
Dann erhebt sich eine lange Debatte uber die Abstufungen (1., 2. u. 3 Klasse) der verschiedenen Appelhöfe.
St. Romme, Bertholon und Andere z. B. beantragen, daß Grenoble gleich Bordeaux, Lyon, Rouen, Toulouse, Caen und Riom in die 3. Klasse gehören.
Die Versammlung leiht indessen der Diskussion wenig Gehör; auf allen Bänken werden mehr oder weniger lebhafte Privatgespräche gepflogen, die das Papiermesser Marrast's vergebens zum
Schweigen zu bringen versucht.
Art. 9 wird angenommen.
Um 4 Uhr geht die Versammlung zum Artikel 10 über.
Er lautet:
„Der Titel eines ersten General-Advokaten ist bei allen Appelhöfen, mit Ausnahme Paris, aufgehoben etc. etc.“
Dubodan, Lejeard u. s. w. stellen Neben-Anträge.
Boudet bekämpft dieselben im Namen des Justizausschusses.
Die Gerichtsdebatte wird mit dem Art. 10 abgebrochen.
Coralli verlangt das Wort, um das Ministerium zu interpelliren. „Gegenstand meiner Interpellationen (beginnt er) sind die Standreden des Marschalls Bugeaud in Bourges u Lyon.“
(Ah! Ah! zur Rechten.) Der Redner zieht mehrere Journale hervor und frägt die Versammlung, ob sie geneigt sei, die Interpellationen sofort zu bewilligen. (Ja! Ja!) Der Redner beruft sich auf die
Lyoner und Pariser Journale und beginnt die (von uns bereits früher mitgetheilten) Reden vorzulesen. „Ich kenne — bemerkt er unter unzähligen Unterbrechungen — den Marschall
Bugeaud persönlich und weiß daher, daß man seiner Originalität nicht übertriebene Wichtigkeit beilegen darf. Aber ich frage den Minister des Aeußern, ob er die diplomatischen Expektorationen des
Marschalls Bugeaud convenable finde; ich frage ferner den Kriegsminister, ob er es mit der Würde der französischen Armee vereinbar finde, daß Herr Bugeaud sie mit der östreichischen Armee vergleiche,
welche zum Krieg einer Nationalität gegen die andern verwandt wird, wo der Croat gegen den Ungar, der Ungar gegen den Italiener und der eigentliche Oestreicher überall feindlich auftritt? Ein solches
Betragen verdiene den Tadel der Versammlung.“
Odilon-Barrot erklärt, daß die Bugeaud'schen Reden keinen so großen Eindruck auf ihn gemacht hätten. (Oh! Oh!) Sie trügen den Charakter der Gewißheit und Severität nicht, die man
ihnen beilegen wolle. Er wünsche, daß die angedeuteten Fälle nicht eintreten möchten; übrigens stände der Ruhm des erlauchten Marschalls zu hoch, als daß ihn Tadel erreichen könne.
Emanuel Arago erhebt sich mit Energie gegen die Sprache des Marschalls; er nennt sie unklug — doppelt unklug in einem Augenblick, wo in Brüssel der ital. Congreß sich eröffnen solle.
Diese Reden würden das Auftreten des fran[z]ösischen Bevollmächtigten paralisiren. Er verlangt, daß das Cabinet den Marschall förmlich verläugne.
Barrot stützt sich wiederholt auf den nichtamtlichen Charakter der Journalauszüge und beruhigt den Vorredner wegen des nachtheiligen Einflusses.
Coralli besteigt wiederholt die Bühne.
Sitzung dauert fort. 6 1/2 Uhr.
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Straßburg, 6. Februar.
Die in der vorigen Woche aus dem Arsenal entlassenen Arbeiter sind gestern wiederum einberufen worden. Warum hat man sie aber entlassen? Um Ruhestörungen herbeizuführen, wodurch der Moniteur
Ursache bekommen konnte, über Komplotte zu schreien. Dieses Blatt sagt unter Anderm: „In Straßburg haben sich die Wühler sogar erfrecht (Oh! Oh!) in den Klubs gegen den hohen Gerichtshof zu
protestiren.“ Ich sage aber, man geht hier in den Klubs noch viel weiter, was sehr erfreulich ist. Advokat Beyer stellte nämlich den Antrag: Zur Bildung einer Wehr, welche die republikanischen
Prinzipien sichern soll. Mit stürmischen Bravo's wurde dieser Antrag aufgenommen, und ungeheuer war der Andrang der Bürger zur Einschreibung. Auf dem Lande zirkuliren gleichfalls Listen zu
diesem Zwecke, die mit Jubel begrüßt und von der großen Mehrzahl unterschrieben werden. Jeder verpflichtet sich gerne, wenn es erforderlich wird, Haus und Hof zu verlassen und nach Paris oder nach
jedem Orte, wo der Republik Gefahr droht, zu ziehen. Die Theilnahme für die Bergpartei nimmt erstaunungswürdig überhand. Kein Mittel wäre geeigneter gewesen, ihr so viele Anhänger zu verschaffen, als
der von der Regierung versuchte und mißglückte Putsch.
[(M. Ab.-Z.)]