Deutschland.
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Edition: [Friedrich Engels: Der Kampf in Ungarn, vorgesehen für: MEGA2, I/8.
]
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068
] Köln, 2. Februar.
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15
] Düsseldorf, 1. Febr.
Kaum hat unsere liebenswürdige Regierung den edlen Faldern wieder unter ihre schützende Fittige genommen, so bekommt er plötzlich eine gewaltige Courage. Nicht nur, daß vom Abdanken keine Rede mehr
ist, versucht der Gewaltige vielmehr durch folgendes merkwürdige Aktenstück sich auf die höchste Höhe eines Polizeimeisters zu schwingen:
„Die von mir zur Verhinderung der Rückkehr der früheren anarchischen Zustände, in Folge deren der Wohlstand der Stadt fühlbar gelitten, als nothwendig anerkannte Maßregel, alle öffentlichen
Versammlungen thunlichst zu überwachen, hat bei der Ausführung, namentlich in dem speziellen Falle, wo ich die Versammlung der Demokraten bei Capellen des Endes besucht, mannigfache Mißbilligung
erhalten; weil von einer bekannten Seite her ausgestreut: die fragliche Versammlung sei eine geschlossene, zur ausschließlichen Besprechung der Wahlen gewesen.
Diese Behauptung ist aber eine durchaus falsche, da an jener Versammlung weder eine bestimmte Anzahl Wahlmänner Theil genommen, nach in derselben ausschließlich die Wahlangelegenheiten besprochen
worden sind. Es gehört daher eine große Perfidie dazu, Etwas, was der Wahrheit ganz entgegen, mit solcher Kühnheit in die Welt hinein zu behaupten. Ich kann und werde mich aber durch solche
trügerischen Vorspiegelungen nicht darin beirren lassen, das Gesetz Jedem, auch den sogenannten Demokraten gegenüber, zum Wohle Aller mit Kraft zu handhaben, bin vielmehr entschlossen, bis auf die
äußerste Grenze meiner gesetzlichen Befugniß zu gehen, wenn es sich darum handelt, wieder auftauchende anarchische Bestrebungen niederzukämpfen.
Daß hierzu ein Hauptmittel die Ueberwachung aufregender Versammlungen, hat selbst das Publikum anerkannt, indem man noch unlängst in diesem Blatte der früheren Polizeibehörde den Vorwurf gemacht,
daß sie es verabsäumt habe, die öffentlichen Versammlungen zu überwachen.
Ich darf daher wohl mit Recht voraussetzen, daß der Theil der hiesigen Bürgerschaft und des ganzen Landes, welcher die Ruhe und Ordnung erhalten wissen will, mit den von mir bisher ergriffenen
Maßregeln einverstanden sein wird.
Düsseldorf, den 1. Februar 1849.
Der königl. Polizei-Inspektor, (gez.) v. Faldern.“
Ohne uns auf die moralisch-politisch-belagerungszuständlichen Glossen des Herrn von Faldern einzulassen, wollen wir uns auf folgende thatsächliche Berichtigung beschränken:
Die Gesellschaft bei Capellen war eine geschlossene. Das beweist die Affiche an der Thür: „Geschlossene Gesellschaft“, das beweist der Portier, der nur die Eingeladenen in das Lokal
einließ. Wer in dieses Lokal eingeladen war, was darin gesprochen wurde, ging Herr v. Faldern gewiß nichts an, Herr v. Faldern war nicht in diese Gesellschaft eingeladen, seine Schuldigkeit war es,
vor der Thür zu bleiben, und er verdiente die Behandlung eines eingeladenen Gastes, sobald seine Gegenwart der Gesellschaft nicht genehm war.
Herr v. Faldern möge sagen, was er wolle, die öffentliche Meinung hat längst ihr Urtheil sowohl über ihn, als die sogenannen Demokraten gefällt.
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102
] Trier, 31. Jan.
L'ordre règne à Varsovie! Der „Dreck“ (siehe die zweite Ausgabe zur N. Rh. Ztg. Nr. 107) mußte bei den Wahlmännerwahlen für die erste Kammer den „edlen
Perlen“ weichen. Das Vaterland, der Geldsack, die Ehre und das alternde Haupt unserer Herren Bourgeois — Alles ist gerettet, Dank den Bemühungen unserer „gutgesinnten
Ordnungsfreunde.“ Unter den 6 Wahlmännern unserer Stadt für die erste Kammer gehören 5 zu den „edlen Perlen.“ Die Herren Bourgeois, die seit dem 22. die Häupter gewaltig hängen
ließen, sind ganz entzückt über diesen glänzenden (!) Sieg der gerechten Sache mit Gott für König und
[1162]
Junkerschaft. Wir gönnen denselben diesen unschuldigen Spaß von Herzen, denn einestheils werden diese fünf Stimmen ihnen wenig helfen, indem die Wahlmänner vom Lande, welche nach bereits eingelaufenen
Berichten an vielen Orten entschiedene Demokraten sind, den Ausschlag zu geben haben, und anderntheils glaubt doch kein Mensch an einen Bestand dieser Königl. Preuß. octroyirten Pairskammer, mit
Ausnahme unserer Bourgeois und Büreaukraten, die hier, wie überall, Nichts gelernt und Nichts vergessen haben. Wir aber,
Wir denken: „Die magere Ritterschaft,
Wird bald von hinnen reisen,
Und der Abschiedstrunk wird ihnen kredenzt
Aus langen Flaschen von Eisen.“
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7
] Kerpen, Kreis Bergheim.
Auch hier hat die Demokratie gesiegt, trotz der im schwarz-weißesten Sinn erfolgten Eintheilung der Wahlbezirke. In allen 4 Bezirken wurden nur Demokraten gewählt. Da gab's dann ein Spuken
und Heulen Seitens der Reaktionärs — zum Todtlachen! Namentlich spukt ein durchgefallener Landraths-Kandidat und hier fettgemachter Heuler, nichts als „Bettelvolk“ und andere
preußische Kraftausdrücke durch den schwarz-weißen Schnurrbart. Am 29. Jan. mußten diese Heuler nun auch bei der Wahl für die erste Kammer weichen, wo der gesunde Menschenverstand, eben so wie bei der
Wahl für die zweite Kammer, das „Bettelvolk“ das Mitglied der früheren National-Versammlung Körfgen wiederwählten.
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Meurs, 25. Jan.
Am verflossenen Samstage schaarte sich Abends eine Masse Jungen vor dem Hause des Wirthes Küppers zusammen, brüllte nah' unterm Fenster das Preußenlied, schrie und heulte, tobte und lärmte,
schlug gegen die Fensterladen, empfing jeden Gast, der vor die Thüre trat, mit Pfeifen, Geschrei, Verhöhnung und Beschimpfung und wer nach Hause ging, wurde von dieser Hoffnungsschaar eine Strecke
Weges begleitet unter dem Rufen und Geheul: Bluthund, demokratischer Spitzbube und dgl. m. Der Wirth Küppers begab sich, um Schlimmeres vorzubeugen, zu dem Bürgermeister Vinmann, um
denselben aufzufordern, gegen diesen Tumult polizeiliche Maßregeln zu treffen. Der Herr Bürgermeister, der sich im Verein für König und Vaterland befand, soll erklärt haben, er werde in jener
Beziehung nichts thun. Ist dadurch jener Tumult, der doch nach §. 479, 8. des Strafgesetzbuches strafbar ist, von der Polizei nicht sanktionirt worden? Oder hat sich unser Bürgermeister um solche
Sachen nicht mehr zu bekümmern? Was sagt denn der Verein für König und Vaterland dazu? Was sagt er dazu, zumal selbst der Sohn eines Vorstandsmitgliedes sich unter jenen Jungen befunden
hat?
[(Niederrh. V. Bl.)]
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113
] Malmédy, en Janvier.
La veille des élections primaires, débarquaient ici, entre chien et loup, deux courtiers d'élections devenus célèbres dans les fastes de l'histoire par leur glorieuse
retraite sous les murs de Brandebourg. Ils venaient, disaient-ils, directement de Paris, ayant passé par St. Vith, etc. Ils avaient vu la république à l'agonie; c'en était fait
de cette pauvre vierge tant calomniée, et pour autant que leur myopie leur eût permis d'en juger, la république avait encore tout au plus trois mois d'existence.
Nos deux touristes, voyageant par monts et par vaux, avaient probablement pris les montagnes de l'Eifel et des Ardennes pour les Vosges et avaient poussé sans doute leur excursion
jusqu'à Bastogne, connu généralement sous le nom de Paris en Ardennes. C'est dans cette autre capitale qu'ils avaient rêvé ce qu'ils débitaient avec la
meilleure foi du monde à quelques uns de nos bénévoles concitoyens, qu'ils s'étaient empressés de visiter, pour plaider auprès d'eux la candidature de leur ami
politique, qui, l'an dernier, ayant eu l'honneur d'étre élu à Borcette et à Malmédy et ayant alors opté pour la première de ces villes, donnerait cette fois-ci la
préférence à l'autre, par la raison bien simple, qu'il ne serait pas élu ailleurs. Les deux illustres voyageurs s'estimaient heureux que leur soi-disant passage fortuit
par Malmédy leur eût procuré l'occasion de recommander chaleureusement leur ami qui est le fameux auteur de la découverte d'une Californie, qui à la vérité, n'est
pas située en Amérique, mais qui a le grand avantage d'être baignée par les eaux de la Sprée.
Le lendemain, au point du jour, les deux courtiers, après avoir reçu et donné force promesses, partirent, comme ils étaient venus, sans tambour ni trompette, se dirigeant sur Montjoie, où
ils se proposaient d'éléver leur ami politique sur le pavois de l'élection, comme ils emportaient l'assurance de l'avoir porté ici.
Enhardie par le grande nouvelle; la réaction, à la mine hideuse et repoussante, ennuyée de la dissimulation, se montra la tête haute dans les élections. Caméléons, bureaucrates,
papelards, constables, bedeaux, croque-morts etc. étaient pêle-mêle avec les vrais amis de l'ordre‥…, et cette coalition était d'autant plus formidable qu'on
lisait sur leur bannière cette devise machiavélique: La fin légitime les moyens.
Par une de ces tactiques familières aux satellites d'un pouvoir occulte, on avait déjà, depuis longtemps, déversé la calomnie sur tous ceux dont l'âme n'était pas
pétrie du limon du servilisme. Servant d'épouvantails aux gens faibles et aveuglés par la peur, les libéraux étaient aux yeux de ceuxci des hommes dangereux, portant le bonnet rouge
sous leurs chapeaux ct n'attendant que le moment favorable pour renverser l'édifice social.
Quoique cette manoeuvre eût produit l'effet qu'on s'en était promis sur la gent timorée, moitié chair, moitié poisson, qui malheureusement est assez nombreuse, la
coalition ne se crut pas, à l'aide de ce seul moyen, sûre de la victoire; elle s'ingénia à en trouver un autre qui ne tarda pas à sortir du puisard de leurs ressources et qui
consistait à masser tous les ouvriers, à poser en principe que quoique citoyens, (la concession était déjà bien grande), ils ne pouvaient avoir une opinion; qu'ils devaient donc
servir à faire triompher les idées de leurs maitres, qui s'engageaient à ne plus leur donner d'ouvrage, s'ils ne votaient pas pour les candidats de la coalition. Le mot
d'ordre fut donc donné ct grâce à ce nouvel expédient, on put voir sortir de l'urne électorale les noms d'un des partisans les plus chaleureux du landrccht et
d'un des ennemis les plus acharnés des libertés publiques.
Nous voudrions pouvoir borner là [unleserlicher Text]e récit de ce triste épisode; mais il nous reste un fait bien déplorable à signaler et que, pour l'honneur wallon, nous désircrions pouvoir
étouffer. Il n'a pas suffi aux nobles et consciencieux coalisés d'avoir distillé sur leurs adversaires le venin de la calomnie, d'avoir suspendu un knout moral sur la tête
des pauvres ouvriers; il a fallu que la corruption s'associât encore à des moyens déjà si dégoûtants — Oui, disons-le bientôt et tâchons de l'oublier, on a
distribué de l'argent pour acheter des votes, et, le croirait-on, il a pu se trouver des personnes assez viles pour vendre leur voix au prix de 5 silbergros?…… Un citoyen
respectable a dénoncé hautement cette action coupable et, dans son indignation, a adressé des reproches à un électeur, qui lui a na[unleserlicher Text]vemnnt répondu: quel ma y a-t-il à cela, si
c'est pour la bonne cause………
La plume se refuse à retracer les manoeuvres honteuses, pour lesquelles il n'est pas d'expressions assez flétrissantes, et s'il est douloureux de les signaler, il est
d'autant plus consolant d'annoncer que les hommes libres ont réussi à faire nommer, de leur côté, des hommes indépendants. Espérons que ces électeurs sauront concourir à
l'élection d'un député, qui jamais ne fera trafic de sa conviction et qui n'aura pas eu l'impudeur de déclarer que la charte octroyée est trop
libérale.
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4
] Iserlohn, 31. Januar.
Der Gerechte muß viel leiden. Das hat auch der Centralwahlklüngler der preußischen Partei, der große Friedrich Harkort, heute Abend hier in seiner eignen westphälischen Heimath erfahren müssen. Der
„Freund der Arbeiter“, der ihnen mit so dringenden Gründen und so volksthümlich leutseliger Sprache auseinandergesetzt hat, wie sie von den Demokraten an der Nase herumgeführt werden,
derselbe schwarz-weiße Volksmann von ächtem Schrot und Korn hatte sich hier im Interesse seiner Wiederwahl eingefunden, und erhielt als Willkommen heut Abend von den Arbeitern eine gloriose
Katzenmusik. Drei bis vierhundert Personen hatten einen ohrenzerreißenden Skandal vor seinem Gasthof organisirt und der Freund der Arbeiter fand es gerathen sich unter den Schutz von 3 Mann Bürgerwehr
und Einem Gensdarmen zu stellen. Einige Arbeiter erklärten: eine Katzenmusik sei noch viel zu ehrenvoll für einen solchen Menschen, man müsse ihn noch anders züchtigen. Das ist der Undank des Volks
gegen seine Edelsten und Besten!
Die hiesige städtische Disconto-Casse hat einen empfindlichen Schlag bekommen, in Folge dessen sie wahrscheinlich eingehen wird. Es cirkuliren hier eine Masse — man sagt über 1000 —
falsche Discontoscheine dieses Instituts, und der Schaden, der unsre Bourgeoisie dadurch trifft, veranlaßt großen Kummer.
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9
] Berlin, 31. Jan.
Im ersten Wahlbezirk sind noch immer als Hauptkandidaten vorgeschlagen: Waldeck, Jakobi und Assessor Paalzow, ein lederner Konstitutioneller, dessen Hauptverdienst darin besteht, der Mitarbeiter
einer hiesigen soi-disant ledern-liberalen Zeitung (N. Z?) zu sein.
Die Handwerker-Abgeordneten hatten gestern Morgen das hohe Glück, von Sr. Majestät allergnädigst empfangen zu werden. Man sagt, daß nicht wenige in Gefühlsseligkeit schwelgten, während Andere das
leidende Aussehen Sr. Maj. auffallend fanden und bedauerten. Herr Schützendorf von Köln soll die Ehre gehabt haben, Sr. Maj. die Namen der einzelnen Abgeordneten souflirt zu haben, und Se. Maj.
unterhielten sich recht herablassend mit den biedern Vertretern der „hommes de peine.“ Nur Einer, der Abgeordnete von Hirschberg, hatte bittere Worte zu hören. Se. Maj. äußerte sich sehr
mißbilligend über die revolutionäre Gesinnung der Hirschberger und Schlesier. Dahingegen war allerhöchstderselbe verwundert zu vernehmen, daß selbst seine getreuen westphälischen Handwerker Klagen
vorzubringen hätten. Hr. Peter Meier aus dem Kreise Hagen gab die gescheute Erläuterung: daß die westphälischen Arbeiter allerdings noch nicht zu der Elendsstufe der schlesischen Weber oder Irländer
gelangt wären, allein trotz aller Hartnäckigkeit und Indolenz auf dem besten Wege seien. In ähnlichem Sinne sprach Hr. Todt von Minden. Der Minister von der Heydt entließ die Abgeordneten mit der
Aufforderung, ihren Freunden in der Heimath die Nachricht zu bringen, daß die Regierung sich sehr beeilen werde, den provisorischen Wünschen des Gewerbestandes nachzukommen.
Vor ihrer Abreise erließen die Handwerker-Abgeordneten ein Memoire an den Minister, dessen wesentlichen Inhalt ich Ihnen hierdurch mittheile. Nach dem Eingange heißt es:
„Indem wir das feste Vertrauen haben, daß die unter dem Vorsitze der Vertreter des hohen Ministeriums gefaßten und für dringend erachteten Beschlüsse sobald als möglich in's Leben
gerufen werden, erlauben wir uns, Ew. Exc. dringend zu bitten, den nächsthin zusammentretenden Kammern baldthunlichst diejenigen Vorlagen zu machen, welche nach unserer praktischen Erfahrung und
Anschauung einzig dem allgemeinen Verfalle aller staatlichen Verhältnisse vorbeugen, das friedliche Zusammenwirken und glückliche (?!) Leben der sozialen Stände (!) neu und dauernd begründen
können.
Hierzu rechnen wir vor allen Dingen:
1) Eine allgemeine Gewerbeordnung mit dem Grundsatze des zur Pflicht erhobenen Beitritts zu den Innungen, und Bildung von Gewerbekammern.
2) Errichtung von zweckmäßig organisirten Vorschußbanken, aus welchen die Innungen gegen solidarische Verbürgung, Vorschüsse erhalten können.
3) Errichtung gewerblicher Fortbildungsanstalten (Fachschulen) mit freiem unentgeldlichen Schulunterricht.
4) Aufhebung der Militärwerkstätten und Uebertragung der Militär-Handwerksarbeiten an die betreffenden Innungen.
5) Umänderung des Prinzips, die Arbeiten des Staates in den Straf- und sonstigen Anstalten, mit den Arbeiten des freien Handwerkers zu konkurriren.
6) Einkäufe und Bestellungen von Waaren von Seiten des Staates bei den betreffenden Gewerbetreibenden direkt zu machen, und sich nicht der Zwischenhändler zu bedienen.
7) Die Submission bei Staats- und Kommunalarbeiten nicht ferner zu gestatten.
8) Förderung der inländischen Industrie durch passende Schutzzölle. (!! Oh!)
9) Aufhebung der bisher zum Nachtheile der Privat-Industriellen stattgehabten Wirksamkeit der Seehandlung.
10) Diese sowohl wie die Konsular-Agenten anzuweisen, Mittheilungen über die besten Absatzquellen inländischer Industrie-Erzeugnisse zu geben.
11) Kolonisation im Innern, um dadurch den arbeitsfähigen, bei Privaten nicht Beschäftigung findenden Arbeitern, einen Unterhalt zu gewähren, ebenso bei Sträflingen.
12) Kolonisation nach Außen durch den Staat, um die durch Maschinen und Anderes überflüssig gemachten Kräfte anderweitig zu verwerthen, und die Produktion mit der Konsumtion in's Niveau zu
regeln.
13) Den Hausirhandel aufzuheben.
14) Umschaffung des Armenwesens. (Warum nicht Abschaffung?)
15) Einführung einer gerechten, nach der wirklichen Leistungsfähigkeit des Einzelnen zu berechnenden Besteuerung.
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068
] Berlin, 31. Januar, Abends 6 Uhr.
Unter diesem Datum erklärt die Redaktion der demokratischen Korrespondenz: Eben waren wir im Begriff mit unserer heutigen Korrespondenz unter Presse zu gehen, als die Herren Polizei-Kommissarien
Maaß und Hut in Begleilung von mehreren Konstablern in das Local unserer Steindruckerei traten und erklärten, sie hätten Befehl vom Polizei-Präsidium die heutige demokratische Korrespondenz mit
Beschlag zu belegen. Einen schriftlichen Befehl zeigten die Herren Polizei-Kommissarien nicht vor, sondern ließen sich ohne Weiteres das Manuscript der Autographie ausliefern; auch nahmen sie den
Stein und einen in ihrer Gegenwart gemachten Abzug der Korrespondenz mit. Dies zur vorläufigen Anzeige für unsere Abonnenten. Wir werden die heutigen Korrespondenz morgen, in soweit sie noch Interesse
hat, nachholen
Die Redaktion der demokratischen Korrespondenz.
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61
] Greifswald, 30. Januar.
Der famose weggelaufene Hr. Exdeputirte und Direktor des staats- und landwirthschaftlichen Akademie in Eldena bei G. Hr. Baumstark lebe hoch! Baumstark, der große Nationalökonom, for ever!
so rufen seine Freunde und Anhänger. Trotz seiner obligaten Grobheit hängen sie mit schwärmerischer Zärtlichkeit an ihm, der festen Säule der rothen Monarchie. Mit allen ihnen zur Verfügung stehenden
Mitteln beförderten sie ihn zum Wahlmann der ersten Kammer durch die Aristokraten, Gutsbesitzer, Pächter, Professoren und Bauern in Eldena und dessen ländlicher Umgebung. Welche Freude für den armen
Dulder, den an die 300 deutsche wühlerische und anarchische Blätter, die Neue Rheinische an der Spitze, so entsetzlich geißelten und verhöhnten. Welche Wonne für den Verehrten, der sich, wie den
aufmerksamen Lesern der Vereinbarungsdebatte wohl noch erinnerlich, so gerne und so oft auf den „welthistorischen Standpunkt“ erhob! Um die Wonne des Mannes zu erhöhen, dessen ganzer
Stolz sich in dem Ausruf zusammenfaßt: „ich habe mit jedem Ministerium gestimmt“ — mußten die drei Kandidaten der rothen Reaktion hiesiger guten Stadt ebenfalls reussiren; Männer,
von denen 2 seine Freunde und Verehrer sind. Der 3. ein ebenso wohlgenährter und gutgesinnter Patriot, daß er grundsätzlich keine Zeitungen lies't. Der brave Mann verdankt Herrn B. die
Fleischlieferung für die Akademie, und bedarf also nicht einmal der Zeitungslektüre, um à to[unleserlicher Text] prix in Stralsund für ihn zu stimmen, wo Baumstark sein Pairsmandat zu erhaschen gedenkt.
Doch Hr. B. ist vorsichtig, dieser Mann, welcher seine Urwähler und Wahlmänner zu rühren und zu erschüttern pflegt, indem er ihnen die wundersame und rührende Geschichte erzählt, wie es ihm in
seiner Jugend in Baden so kümmerlich ergangen, daß er die Schweine habe hüten müssen.
Der edle Exdeputirte bewirbt sich auch um ein Mandat zur 2. Kammer bei den Wahlmännern des vereinigten Greifswalder und Grimmer Kreises, die ebenfalls zwei Deputirte zu wählen haben, und zwar
vereint mit seinem Sancho Pansa, Hrn. Prof. Urlichs, dem Alterthumsforscher, weiland in Bonn, früher beim Ritter Bunsen Hauslehrer in Rom. Sind dort nur Chancen für die Ultrakonservativen einen
Kandidaten durchzubringen, so resignirt der getreue Urlichs in pflichtschuldiger Ergebenheit und Demuth, und alle Minen läßt man springen, um den Exdeputirten ohne Furcht und Tadel durchzubringen, der
sich jedoch verpflichtet hat, sollte er später in Stralsund zur ersten oder in Westphalen, wo er ebenfalls Aussichten hat, zur 2. Kammer gewählt werden, dies Grimmer Mandat niederzulegen und Hrn.
Urlichs zu verschaffen. Dies ist der Schlachtplan unserer Reaktion, ausgeheckt im „Logengarten“ und in dem die „deutsche Kamarilla“ getauften Hotel, Um ja Wahlmann für die
2. Kammer in seinem Dorfe zu werden, soll besagter Direktor, wie man überall hört, jedweden seiner Urwähler vorher mit einem Hammel begabt haben. Arme Hammelheerde der Akademie Eldena, wie bist du
decimirt von dem braven Manne der äußersten Rechten, der dem „Vereine zum Schutze des Eigenthums“ so hold ist!
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@facs | 1162 |
Bernburg, 28. Jan.
Der Plan, die gesammten anhaltinischen Lande zu einem einzigen Staate zu verschmelzen, war seiner Ausführung so weit entgegengereift, daß alle Hindernisse, welche von Seiten der regierenden
Häuser vorher in den Weg gelegt worden, durch freiwillige Entsagung derselben entfernt waren. Während man sich nun den schönsten Hoffnungen hingeben zu dürfen glaubte, tritt Preußen mit einer
Rechtsverwahrung dazwischen, die sich auf eine Testamentsbestimmung des verstorbenen Herzogs von Bernburg bezieht, durch welche der Prinzessin Friedrich von Preußen, seiner Tochter, die Erbschaft des
Allodialvermögens ihres Bruders, des jetzigen Herzogs, zugesichert wird, im Falle sie ihn überleben sollte. Der König von Preußen erklärt nun (obwohl der Herzog noch lebt), daß er in eine Veränderung
der Regierung in Bernburg nicht eher willigen könne, als bis das Allodialvermögen des Herzogs vom Staatsgute getrennt und somit die Rechte der Prinzessin Friedrich gewahrt seien.
[(L.
Z.)]
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@facs | 1162 |
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068
] Hildesheim, 28. Jan.
Die Folgen der hiesigen Militär-Excesse sind traurig genug, aber wahrscheinlich noch immer nicht hinreichend, um die Trägheit und Schlafmützigkeit der hannoverschen „Reichsbürger“
aufzurütteln. Zu dem ersten Opfer hat sich heute ein zweites gesellt. Der Webermeister Spickerling, ein 70jähriger Greis, ist diesen Morgen an den vom Militär erhaltenen schweren Verwundungen
gestorben. Ein gleiches Schicksal steht wahrscheinlich noch heute einem ebenfalls schwer Verletzten bevor.
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@facs | 1162 |
Hadersleben, den 27. Jan.
Alle Kirchspiele der „Hviddingharde“ haben in diesen Tagen theils ihre Steuern bezahlt, theilts haben die noch Restirenden versprochen, dies baldigst zu thun; überall in den noch
kürzlich so aufsätzigen Dörfern herrscht jetzt Ruhe und Ordnung, und unser Militär wird respektirt. In Ripen liegen über 30 Verwundete, andere sind nach Tondern und Lygumkloster transportirt. Der
Hauptanführer des Landsturms bei Bröns, Andreas Thamsen aus Haved, liegt daselbst auf den Tod verwundet.
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@facs | 1162 |
Schleswig, 28. Jan.
Dem Vernehmen nach hat der zur Einbringung von Vorschlägen hinsichtlich des Friedens niedergesetzte Ausschuß sich vorläufig dahin geeinigt, zu beantragen, daß die Landesversammlung gegen die
Constituirung eines selbstständigen Herzogthums. Schleswig protestire, auf kräftige Rüstung dringe und die Annahme des Friedens von ihrer Genehmigung abhängig mache.
[(Schl.-H.
Z.)]
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@facs | 1162 |
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*
] Kemsier, 26. Januar.
Der Reichstag beschäftigte sich in seiner heutigen Sitzung mit dem von Szbyszewsky gestellten Dringlichkeitsantrage, daß die in Oberitalien stehende Armee 3 Vertreter in den Reichstag ernennen
solle.
Abgg. Selinger und Joseph Neumann sprachen dagegen, dafür Abg. Borkowsky. Abg. Strobach stellt folgenden Antrag: In Erwägung, daß ein Theil österreichischer Staatsbürger jener Ländergebiete, die am
constituirenden österreichischen Reichstage vertreten sind, wegen ihrer aktiven Dienstleistung in der k. k. Armee gehindert waren, sich an der Wahl der Reichstagsdeputirten zu betheiligen, und in
weiterer Erwägung, daß eine Betheiligung derselben an den Wahlen wegen der eigenthümlichen Beschaffenheit dieser nach dem Wahlgesetze vem 9. Mai v. J. wahlberechtigten Staatsbürger nachträglich sich
ins Werk setzen läßt, beschließt der hohe Reichstag, im Wege des Ministeriums Sr. k. k. Maj. diesen Umstand zur Kenntniß zu bringen, damit Se. k. k. Maj. sich bewogen fände, im Nachhange der
octroyirten Wahlordnung vom 9. Mai v. J. für obgedachte im österreichischen Heere und in der Marine dienende Staatsbürger die Wahl des Reichstagsdeputirten anzuordnen, wobei nachstehende Bestimmungen
zu Grunde zu legen sein dürften.
1) Haben sich bei der Wahl dieser Abgeordneten nur jene im k. k. österreichischen Heere und der Marine dienende Staatsbürger der am österreichischen constituirenden Reichstag vertretenen
Landesgebiete zu betheiligen, welche zur Zeit der Vornahme der Wahlen nach der Vorschrift der provisorischen Wahlordnung activ wahlfähig, durch ihre nothwendige Abwesenheit verhindert waren, an den
Reichstagswahlen Theil zu nehmen.
2) Auf je 20,000 Köpfe entfällt ein Deputirter.
3) Können diese besondern Verfügungen in keinerlei Art ein Präjudiz für die Zukunft abgeben. Der Antrag wird mit großer Majorität angenommen.
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@facs | 1162 |
Hanau, 30. Januar.
Endlich hat auch Hanau den Tag einer öffentlichen Sitzung des Geschwornengerichts erlebt. Die wegen einer Petition an die Ständeversammlung angeklagten 16 Mitglieder des Volksraths dahier und der
Redakteur der Han. Ztg. sind heute vollkommen freigesprochen worden. Die Petition
[1163]
ward durch die Presse veröffentlicht und darauf gründete sich der Anklageakt des Staatsanwalts wegen Beleidigung gegen die Nationalversammlung in Frankfurt a. M. Die inkrimirte Stelle lautete in
angeblichem Bezug auf die Nationalversammlung: „Eine Höhle des Egoismus, ein feiler Kramladen eitler Geschwätzigkeit, hohnlachend dem Volke, das einen Volkstempel geschaffen.“ Die
Angeklagten ließen sich nicht darauf ein, auf die Fragen zu antworten, ob sie in der bezeichneten Stelle die Nationalversammlung in Frankfurt a. M. gemeint, dagegen stellten zuerst die Vertheidiger
diese Meinung nicht in Abrede, nur einige derselben ließen den etwaigen Zweifel auf sich beruhen, aber alle stimmten darin überein, daß, weil eine Prinzipienfrage hier walte, die Geschworenen gegen
die Angeklagten keinen Ausspruch thun könnten, ohne eine politische Sünde zu begehen. Mehrere Rechtskundige, welche an der Vertheidigung Theil zu nehmen versprochen hatten, waren nicht erschienen;
anwesende Vertheidiger waren die Herren Brentano aus Mannheim, Cullmann aus Rheinbayern, Müller aus Mainz, Würth aus Sigmaringen und die Herren Advokaten Blachiére und Cöster aus Hanau, welche aus
verschiedenen Gesichtspunkten in formeller und materieller Beziehung die Ueberzeugung einzuflößen wußten, daß hier kein Preßvergehen gegen die Nationalversammlung vorliege. Die Sitzung währte von
Morgens 9 Uhr bis Abends 6 3/4 Uhr, wo die Geschworenen nach einer halbstündigen Berathung im anstoßenden Zimmer die zwei ersten Fragen einstimmig zu Gunsten der Angeklagten beantworteten. Die übrigen
fünf Fragen, denn es waren deren sieben, fielen in sich zusammen. Ein unbeschreiblicher Jubel des Publikums in und vor dem Rathhause, wo die Sitzung abgehalten worden, folgte dem freisprechenden
Urtheile des Gerichts. Im Uebrigen hat sich das Auditorium würdig und überhaupt musterhaft benommen, trotz dem der Raum beschränkt und das Gedränge groß und peinlich war. Unverkennbar ist es, daß
dieser Fall von großer Bedeutung für unsere Presse ist, und wir können hierbei die Anerkennung nicht unterdrücken, daß die Anklage etwas übereilt und unpolitisch war.
[(Fr. J.)]
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@facs | 1163 |
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068
] Frankfurt, 31. Jan.
Der Abschnitt des Verfassungsentwurfs, der von der „Gewähr der Reichsverfassung“ handelt und seit gestern von den Paulskirchnern berathen wird, lautet:
Artikel I
§ 1. Bei jedem Regierungswechsel tritt der Reichstag, falls er nicht schon versammelt ist, ohne Berufung zusammen, in der Art, wie er das letzte Mal zusammengesetzt war. Der Kaiser, welcher die
Regierung antritt, leistet vor den zu einer Sitzung vereinigten beiden Häusern des Reichstags einen Eid auf die Reichsverfassung. Der Eid lautet: „Ich schwöre, das Reich und die Rechte des
deutschen Volkes zu schirmen, die Reichsverfassung aufrecht zu erhalten und sie gewissenhaft zu vollziehen. So wahr mir Gott helfe.“ Erst nach geleistetem Eide ist der Kaiser berechtigt,
Regierungshandlungen vorzunehmen. Minoritätserachten I. Statt des ersten Satzes dieses Paragraphen möge folgende Bestimmung aufgenommen werden: Am vierzehnten Tage, nach jedem Regierungswechsel, den
Tag des Regierungswechsels mit eingerechnet, tritt der Reichstag, falls er nicht schon versammelt ist, ohne Berufung in der Art zusammen, wie er das letzte Mal versammelt gewesen ist. Vor dem
versammelten Reichstage leistet der Kaiser beim Antritt seiner Regierung einen Eid auf die Reichsverfassung. (Scheller. Schreiner ev. Wigard ev.) Minoritätserachten II. Diesem Paragraphen werde
folgender Zusatz beigegeben: Von dem Eintritt des Regierungswechsels bis zur Eidesleistung des neuen Kaisers tritt das gesammte Reichsministerium als Reichsregentschaft ein, wenn eine solche nicht
bereits bestellt worden ist. (Scheller. Mittermaier. Reh. Schreiner ev. Wigard ev. Jürgens. Ahrens. H. Simon ev. Deiters.)
§ 2. Die Reichsbeamten haben beim Antritt ihres Amtes einen Eid auf die Reichsverfassung zu leisten. Das Nähere bestimmt die Dienstpragmatik des Reichs.
§ 3. Die Verpflichtung auf die Reichsverfassung wird in den Einzelstaaten mit der Verpflichtung auf die Landesverfassung verbunden und dieser vorangesetzt.
Artikel II.
§ 4. Keine Bestimmung in der Verfassung oder in den Gesetzen eines Einzelstaates darf mit der Reichsverfassung in Widerspruch stehen.
§ 5. Eine Aenderung der Regierungsform in einem Einzelstaate kann nur mit Zustimmung der Reichsgewalt erfolgen. Diese Zustimmung muß in den für Aenderungen der Reichsverfassung vorgeschriebenen
Formen (§ 6) gegeben werden. Minoritätserachten I. Dieser Paragraph würde zu streichen sein, da der vorliegende Abschnitt nicht von der Gewähr der Verfassung der einzelnen Staaten, sondern von der
Reichsverfassung handelt. (Wigard. Ahrens. H. Simon. Gülich. Schüler aus Jena.) Minoritätserachten II. Zusatz als besonderer Paragraph. Ueber die Verantwortlichkeit der Reichsminister wird ein
besonderes Reichsgesetz erlassen. (Wigard. Ahrens. Schüler. Schreiner. Römer.)
Artikel III.
§ 6. Abänderungen in der Reichsverfassung können nur durch einen Beschluß beider Häuser und mit Zustimmung des Reichsoberhaupts erfolgen. Zu einem solchen Beschluß bedarf es in jedem der beiden
Häuser: 1) der Anwesenheit von wenigstens zwei Drittel der Mitglieder; 2) zweier Abstimmungen, zwischen welchen ein Zeitraum von wenigstens acht Tagen liegen muß; 3) einer Stimmenmehrheit von
wenigstens zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder bei jeder der beiden Abstimmungen. Minoritätserachten. Diesem Paragraph möge folgende Fassung gegeben werden: Zu Abänderungen in der Reichsverfassung
bedarf es: 1, 2, 3, (wie im § 6.); 4) der Zustimmung des Reichsoberhauptes unter den in dem § 19 des Reichstages festgehaltenen Beschränkungen. (Zell. H. Simon. Mittermaier. Wigard. Reh. Schüler.
Gülich. Römer. Schreiner.)
Artikel IV.
§ 7. Im Fall des Krieges oder Aufruhrs können die Bestimmungen der Grundrechte über Verhaftung, Haussuchung und Versammlungsrecht von der Reichsregierung oder der Regierung eines Einzelstaates
für einzelne Bezirke zeitweise außer Kraft gesetzt werden; jedoch nur unter folgenden Bedingungen: 1) die Verfügung muß in jedem einzelnen Fall von dem Gesammtministerium des Reichs oder Einzelstaates
ausgehen; 2) das Ministerium des Reiches hat die Zustimmung des Reichstages, das Ministerium des Einzelstaates die des Landtages, wenn dieselben zur Zeit versammelt sind, sofort einzuholen. Wenn
dieselben nicht versammelt sind, so darf die Verfügung nicht länger als 14 Tage dauern, ohne daß dieselben zusammenberufen und die getroffenen Maßregeln zu ihrer Genehmigung vorgelegt werden. Weitere
Bestimmungen bleiben einem Reichsgesetz vorbehalten. Für die Verkündigung des Belagerungszustandes in Festungen bleiben die bestehenden gesetzlichen Vorschriften in Kraft. Minoritätserachten I. Diesem
Paragraph möge folgende Fassung gegeben werden: Im Falle des Krieges oder Aufruhrs können die Bestimmungen der Grundrechte über Verhaftung, Haussuchung und Versammlungsrecht nur von dem
Gesammtministerium des Reiches oder des Einzelstaates für einzelne Bezirke zeitweise außer Kraft gesetzt werden. In einem solchen Fall ist die Zustimmung des Reichstages oder gesetzgebenden Körpers
des Einzelstaates ohne Verzug einzuholen. Erfolgt diese Zustimmung nicht, so ist die verhängte Maßregel aufzuheben. Weitere Bestimmungen bleiben einem Reichsgesetze vorbehalten. Für die Verkündigung
des Belagerungszustandes in Festungen bleiben bis zur Erlassung dieses Gesetzes die bestehenden gesetzlichen Vorschriften in Kraft. (H. Simon. Zell Wigard. Schüler. Gülich. Römer. Tellkampf. Rießer.
Ahrens. Mittermaier. Schreiner.) Minoritatserachten II. Zusatz. § 7a Bei dringender Gefahr im Falle eines Krieges oder Aufruhrs, wenn die regelmäßige Wirksamkeit der obrigkeitlichen Gewalten oder
der Gerichte thatsächlich gehemmt ist, darf das Kriegsrecht für bestimmte Bezirke verkündigt werden. Die Verkündigung des Kriegsrechts geht von dem Gesammtministerium des Reichs oder des Einzelstaates
aus. Sie bedarf der Genehmigung des Reichstags, beziehungsweise Landtags. Ist der Reichstag, beziehungsweise Landtag, nicht versammelt, so muß die Berufung desse[l]ben zu sofortigem Zusammentreten
zugleich mit der Verkündigung des Kriegsrechts erfolgen. Die Verkündigung des Kriegsrechts gewährt der in dem betreffenden Bezirke fungirenden höchsten Militärbehörde innerhalb dieses Bezirkes 1) die
gesammte Executivgewalt; 2) das Recht, den gesetzlichen Gerichtsstand zu bestimmen; 3) das Recht, den Gerichten die Befugniß, Todesurtheile zu fällen, einzuräumen; 4) das Recht, die Bestimmungen der
Grundrechte über Verhaftung, Haussuchung und Versammlungsrecht außer Kraft zu setzen. Die Dauer des kriegsrechtlichen Zustandes hängt von den durch den Reichstag, beziehungsweise Landtag, genehmigten
Bestimmungen der Reichs- oder Landesregierung ab. Bestimmungen über die Formen der Verkündigung des Kriegsrechts und über das Verfahren bleiben der Reichsgesetzgebung vorbehalten. Bis zum Erlaß dieser
Gesetze bleiben die geltenden Vorschriften in Kraft. (Beseler. Soiron. Briegleb. Droysen. Waitz. Dahlmann. Deiters. Jürgens).
Französische Republik.
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[
12
] Paris, 31. Jan.
Der vorgestrige Tag wird erst klar durch den heutigen: heute stellt es sich erst heraus, daß ganz Paris geschwängert war von Verschwörungen und Verschwornen. Nicht eine Verschwörung schwebte
über Paris; es gab eben so viele Verschwörungen als es Parteien gibt, und alle diese Verschwörungen umschlangen sich ringförmig und durchschnitten sich kreuzförmig, und dieses kreuzförmige
Durchschneiden und ringförmige Umwinden war Schuld, daß keine einzige Verschwörung zum Ausbruche, keine einzige Partei zum Losschlagen kam. Die Verschwörer waren von Verschwornen, und die Verschwornen
von neuen Verschwörern umgeben. Die Kammer war der Hauptsitz, das Generalquartier der Verschwörer. Die Verschwörungen innerhalb der Kammer wiederholten sich in unendlichen Kreisen außerhalb der
Kammer; und so sehen wir Verschwörer und Verschworne nebeneinander eingepreßt von Verschwornen und Verschwörern.
Jedes der verschiedenen Feldlager, die Kammer, der Platz der Revolution, die Boulevards und St. Cloud bildeten eben so viele Schichten, deren jede die verschiedenen Elemente der Parteien in sich
schloß. Fangen wir mit der Kammer an. Gestern kam bekanntlich die Existenz der Kammer in der Kammer selbst zur Frage: es handelte sich darum über den Rateau'schen Antrag abzustimmen; die Kammer
hatte zu entscheiden, ob sie sich auflösen oder fortbestehn sollte. Die Kammer besteht aus der Partei „der Reform“ und „des Nationals“, die mit dem Fortbestehn der Kammer
das Fortbestehn der Republik verbindet. Diese Partei steht dem Ministerium und dem Präsidenten feindselig gegenüber. Damit ist aber keineswegs gesagt, daß die andere Hälfte der Kammer fest mit dem
Ministerium halte. Wie die erste Hälfte der Kammer, so zerfällt die letztere Hälfte wenigstens in zwei andere Hälften, deren jede ihre verschiedenen Interessen verfolgt. Gleichzeitig mit der Frage
über die Auflösung der Kammer fällt die Frage über die Auflösung der Clubs und die Frage über die Reorganisation der Mobilgarde zusammen. Die Auflösung der Clubs ist fraglich, die Auflösung der
Mobilgarde gewiß. Die Mobilgarde war auf ein Jahr organisirt; es war dies die Garde, die damals nach der Februar-Revolution gebildet worden zur Aufrechthaltung der Republik, weil es eben darauf ankam,
neben der Armee, die sich im Februae neutral, wenn nicht feindselig bewies, eine andere Armee zu besolden, deren Existenz mit der Existenz der Republik zusammenhing. Die Mobilgarde bestand
großentheils aus den sogenannten „Bohemiens“ von Paris, d. h. aus Burschen von 17 Jahren, die ohne bestimmte Beschäftigung alles zu unternehmen bereit waren, und eben so wohl zu
Barrikadenkämpfern als Anti-Barrikadenkämpfern verwandt werden konnten. Die „honnette Republik“ des Nationals bildete sie zu honnetten Republikaner-Soldaten heran, und da sie durch die
Disciplin und ihre 30 Sous Löhnung an ein regelmäßiges Leben angehalten wurden, so begreift man, wie das Soldaten-Leben für sie ein förmlicher Stand, ein förmliches Gewerbe wurde, für das sie ihr
Leben einzusetzen um so bereitwilliger waren, als das Gewerbe ihnen ein angenehmes, leichtes Leben verschaffte. Sie waren förmlich die Aristokraten der Soldaten, so wie die Anhänger des National die
Aristokraten der Republikaner waren. Zwischen National- und Mobilgarde bestand ein enges Band: das Band der „honetten Republik.“ Ein Bohemien, der Mobilgardist, ein Marrast, der
Deputirter ward — ist das nicht für den Einen wie für den Andern dasselbe Loos? Die Mobilgarde hat für die Kammer mit ihrem Leben eingestanden: aber die Kammer war weiter nichts als die Partei
des Nationals, die am stärksten darin vertreten war. Und nun soll die Kammer zu derselben Zeit aufgelöst werden, wie die Mobilgarde! War das nicht für beide die Auflösung der Republik, die Vernichtung
ihres Lebens, ihrer Existenz? Freilich waren auch in der Mobilgarde Arbeiter und frühere Soldaten. Da nun aber die Mobilgarde ihre Offiziere selbst erwählte und letztere durch ihre Ueberlegenheit
gewöhnlich zu Offizieren gewählt werden, so standen sie schon dadurch den Offizieren der Armee gegenüber in einem exceptionellen und folglich feindlichem Verhältnisse. Aber immer noch waren die
Offiziere das einzige Band, wodurch die Mobilgardisten in Verbindung treten konnten mit den Arbeitern. Die Arbeiter nun, die im Juni der Mobilgarde und der Kammer, d. h. der Partei des Nationals,
feindselig gegenüberstanden, sahen sich durch die in Frage gestellte Auflösung ihrer Clubs in ein anderes Verhältniß gesetzt. Die Arbeiter waren es hauptsächlich, welche die Revolution gemacht und
welche das revolutionäre Element vertraten. Wie die Mobilgarde waren sie anfänglich militärisch organisirt in ihren Ateliers nationaux. Nach der Juni-Niederlage und nach Aufhebung des
Belagerungszustandes organisirten sie sich in den öffentlichen und geheimen Associationen und den Clubs. Mobilgarde, Clubs und Kammer — Alles das ward zu gleicher Zeit in Frage gestellt, und zu
gleicher Zeit mußte sich zwischen diesen unvereinbaren, unversöhnbaren Elementen eine Wechselwirkung herausstellen; die durch das wunderbare Ministerium Barrot zu Stande kam. Wir haber also zuvörderst
4 Feldlager, Barrot und Changarnier mitgezählt, und zwischen allen diesen Feldlagern und Parteien spielen noch andere Elemente durch, wie legitimistische, kaiserliche und orleanistische.
Sonntag Abend hatte die Mobilgarde verschiedene Versuche gemacht, sich Waffen und Munition zu verschaffen. In Courbevoie und Neuilly kannte die Exaltation keine Grenzen mehr. Eine Delegation von
ihnen ging sogar auf das Bureau der Reforme, wo sie von H. Rèbeyrolles und Roche empfangen wurden — und gerade dieser Schritt veranlaßte die Verhaftung des Herrn Roche. Aber das Hauptlager
der Mobilgarde war Saint Cloud, eine Stunde von Paris. Hier stand sie bereits schlachtfertig gerüstet und unerschrocken wie im Juni. Wenn 2 Tage vorher Changarnier den Bataillonschefs in seiner
militärischen Sprache erklärt hatte, er ließe sie niedersäbeln bei der geringsten Bewegung, die sie machte, so war er jetzt im Begriff sie niederkartätschen zu lassen durch die Geschütze und Truppen,
welche er auf's andere Ufer von Paris aus hin befördern ließ. Sonderbares Schicksal! die Mobilgarde sah sich demselben Schicksal Preis gegeben, welches sie im Juni den Arbeitern bereitet hatte.
Und worauf vertraute sie in diesem Augenblicke? Was gab ihr die Stärke, allen Drohungen zu widerstehn? gerade die Arbeiter, gerade die Clubs, die sie im Juni niederschossen, und die Kammer, zu deren
Vertheidigung sie ihr Blut vergossen hatten, die Kammer verrieth sie: die Arbeiter blieben an ihrem Flecke, bis zum Augenblicke, wo ihre Chefs arretirt wurden. Die Mobilgarde in Saint Cloud verlangte
die Herausgabe der arretirten Chefs und die Zurücknahme des Dekrets in Bezug auf ihre Reorganisirung.
Ihr gegenüber, am andern Seineufer, stand, wie gesagt, eine furchtbare Truppenmacht mit Artillerie aufgepflanzt. Es wäre ihr ein Leichtes gewesen, die Mobilgarde niederzuschmettern; statt dessen
ließ man sich in Unterhandlungen ein, die nicht weniger als 5 Stunden dauerten, und die keinen andern Zwrck hatten, als die Mobilgarden zu bewegen, von jedem insurrektionellen Versuche abzustehen. Was
ging in derselben Zeit in der Kammer vor? An demselben Tage, wo sie, gleich der Mobilgarde, über ihre Existenz berathen sollte, hatte Changarnier außerhalb der Kammer eine furchtbare Truppenmacht
aufgestellt, angeblich zur Sicherstellung der parlamentarischen Unterhandlungen. Nun hat niemand anders über diese Sicherstellung zu wachen, als der Präsident der Versammlung, als eben Herr Marast.
Nun war zweitens die Kammer ja nicht im Geringsten gefährdet, da ja eben die Clubs und die Mobilgarde sich für die Kammer und gegen ihre Auflösung ausgesprochen. Hatten nicht alle drei einen
gemeinsamen Feind in der reaktionären Partei, die auf ihrer aller Auflösung gedrungen? Und war dieser gemeinsame Feind nicht derselbe Changarnier, der, obgleich nicht einmal Minister, mehr ist als
alle 3 Präsidenten zusammengenommen, mehr als der Präsident der Republik, mehr als der Präsident des Ministeriums, und mehr als der Präsident der Nationalversammlung, des armen Vice-Präsidenten Boulay
nicht zu gedenken. Aber innerhalb der Kammer war eine Partei, die mit Changarnier vollkommen einverstanden war, und die um jeden Preis einen Staatsstreich herbeizuführen wünschte. Diese Partei bestand
aus Royalisten aller Art, und ob der Staatsstreich kaiserlich, ob er königlich, ob legitimistisch, ob orleanistisch, — ob Barrotisch ausgefallen wäre, gilt hier gleichviel; jedenfalls wäre er
Chargarnierisch ausgefallen: das heißt Changarnier wäre Herr und Meister der Dinge gewesen, und was Changarnier ist, werden wir später sehen. Dem Staatsstreich der Regierung gegenüber, der jedenfalls
Barrot und Napoleon gestürzt haben würde, wollte die Kammer ihrerseits einen parlamentarischen Streich ausführen. Sie interpellirte Odilon Barrot über die Truppenmacht, wodurch sie, die Kammer, wie in
einer ehernen Mauer eingeschlossen, nicht mehr frei berathen könnte, Barrot allein hatte zu antworten, er allein hatte das Gesetz übertreten, und mit ihm der verantwortliche Präsident Napoleon. Hätte
Marrast sich nicht in diesem Augenblicke in's Mittel gelegt und behauptet, er habe einen Brief in der Nacht von Changarnier erhalten, worin dieser ihn von den militärischen Maßregeln in
Kenntniß setzte, daß dieser Brief ihm aber erst gegen Morgen eingehändigt worden, weil man ihn im Schlaf nicht habe stören wollen, ich sage, hätte der verrätherische Marrast sich nicht durch diese
offenbare Lüge in der Gegenpartei einen Freund schonen wollen, so hätte der Sturm in der Kammer begonnen, um von da sich wellenförmig fortzupflanzen durch die eherne Mauer um die Kammer hindurch bis
auf die Straßen von Paris. Clubs, Mobilgarde und ein großer Theil der Nationalgarde waren bereit, der Kammer zu Hülfe zu eilen. Schon aus den Verhaftungen geht hervor, auf welche fürchterliche Gewalt
Changarnier gestoßen wäre, wenn er seinen Staatsstreich ausgeführt hätte. Wer stand an der Spitze der Clubs? Alton Shee der Expair, der Barrikadenkämpfer vom Februar, der mit 46 andern Chefs der
„republikanischen Solidarität“ verhaftet worden. Wer stand an der Spitze der Nationalgarde?
[1164]
Der Colonel Fourestier, der berühmtc Maler, der ungeachtet des ausdrücklichen Befehls Changarnier's, an seinem Posten zu verweilen, der Kammer sagen ließ, daß er zu ihrer Verfügung stände. Auch
er ist verhaftet worden.
Der Staatsstreich, den man von Seiten des Ministeriums auszuführen gedachte, sollte weiter nichts als eine Reaktion zur Folge haben. Welche Form diese Restauration annehmen konnte, war noch
zweifelhaft; aber um sie zu Wege zu bringen, mußten der republikanische Theil der Kammer, so wie die Clubs und Assoziationen mit einem Schlage geschlagen werden. Changarnier hatte, wie gesagt, die
Mission, militärische Exekution; hinter Changarnier stand Leon Faucher, der Minister des Innern, der Mann, der bei der Assoziations- und Clubsfrage bereits geschlagen, der Mann, der am meisten in
seiner Ministerehre gekränkt worden und zu Allem bereit war, um sich zum „praktischen“ Minister hinaufzuschwingen. Dem Leon Faucher zur Seite stand Odilon Barrot, der verschwiegene
Biedermann, der dem Leon Faucher es überließ, eine Proklamation an die Pariser zu richten, um sie auf eine Juni-Schlacht gefaßt zu machen und eine andere an die Departements, worin er den Sieg über
die Juni-Insurgenten zur Beruhigung der Provinzen anzeigte. Hinter Leon Faucher und Barrot kommen alle die monarchisch-rothen Nüancen, welche den Sieg Changarnier's auszubeuten, sich
vorbehielten.
Die Exekution scheiterte, weil die Kammer sich selbst exekutirte. Da wo man auf Widerstand zu stoßen hoffte, fand man die größte Bereitwilligkeit. Die Partei des Nationals hatte mehr Furcht vor
einer Juni-Schlacht als das Ministerium, als die Legitimisten und Orleanisten. Ein Theil der Nationalgarde, die Kleinbürger, die Mobilgarde und die wohlorganisirten Assoziationen mit Männern, wie
Alton Shee und Forestier, waren die Juni-Insurgenten geworden. Und die Partei, die Tages vorher noch gegen die Kammer gedonnert, wie das Journal des Debats, als sie am folgenden Tage den furchtbaren
Widerstand sah, da, wo sie Beistand erwartet, und das feige Nachgeben da, wo sie auf Widerstand zu stoßen glaubte, lenkte plötzlich ein. Sie erschrickt vor der raschen Auflösung der Kammer und das
Journal des Debats ist das erste, welches ermahnt, doch ja langsam zu Werke zu gehen und noch solange zusammenzubleiben, bis Alles geregelt ist.
Cavaignac oder Changarnier ist das nicht ganz dasselbe? War Cavaignac nicht der von allen Parteien der Reaktion gepriesene Mann, und wenn das Land ihn hätte gewähren lassen, wäre er es nicht
gewesen, der selbst ohne König die Franzosen zur Ruhe gebracht hätte? Freilich wären Leon Faucher und Barrot und die Boneparte und die Thiers und Molé in zweiter Linie nicht aufgekommen. Aber wenn
die hohe Bourgeoisie andere Ideologen gefunden, die eben so gut, mit Hülfe Cavaignac's ihre Interessen moralisch und physisch verwalten konnten, wäre sie nicht gerne den Kontrakt eingegangen?
Und hatte nicht Cavaignac bereits einen Lobredner im J. des Deb. gefunden? Ein Odilon-Barrot mag allerdings glauben, daß er seiner selbst wegen da sei, aber die Bourgeoisie duldet ihn nur deßhalb,
weil er das Beschönigungsblättchen von Leon Faucher, und weil Leon Faucher selbst wieder das Aushängeschild Changarnier's, und Changarnier wieder das, was Cavaignac ist, sein soll: Pulver und
Blei gegen das Proletariat, ob es in Form von Clubs oder von Juni-Insurgenten erscheint. Was die Bourgeoisie verdrießt, das ist eben, daß Changarnier noch nicht geworden, was er sein soll, daß
Changarnier an seinen Füßen eine Last wie Barrot und Napoleon, und vor sich ein Stück „Berg“ wie die Kammer hat. Gestern sollte Changarnier sich zu Cavaignac hinaufarbeiten, und der
Streich mißglückte; aber Changarnier ist geblieben, das ist die Hauptsache.
Man lese nur, welche Lobreden das „Debats“ dem Changarnier ertheilt, wie es mit Achtung von seinen hohen militärischen Eigenschaften spricht, und weiter unten sogar mit tiefem
Bedauern von dem Unwohlsein der „Königin Maria Amalia“, während der König Louis Philipp früher immer der Exkönig hieß.
Wenn nun aber faktisch Changarnier durch seine hohen militärischen Eigenschaften, durch die strategische Entwickelung seiner Truppen in der Kammer gesiegt hat, so hat er moralisch unterlegen
außerhalb der Kammer, vor dem vereinigten Proletariate‥ Die Kammer nimmt ihre Revanche, indem sie eine enquète über die Vorfälle verlangt. „Wir alten Republikaner“, sagt
Guinard, „die seit 30 Jahren über die Republik wachten, wir werden doch einem Leon Faucher zur Seite noch ferner darüber wachen dürfen.“
Das vereinigte Proletariat aber hat die Juni-Niederlage zu rächen, und es hat in diesem Augenblick seine schlimmsten Feinde, die Mobilgarde zu Freunden, denn auch sie sind zu Proletariern
herabgesunken.
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Paris, 31. Jan.
Der Moniteur widerlegt die Behauptung, daß man dem Präsidenten vorgestern zugerufen habe: Nieder mit den Ministern! und daß er geantwortet: Ihr sollt Andere haben etc.! „Sie können auf uns
zählen, rief man vielmehr von allen Seiten; Muth! wir wollen Sie unterstützen!“ Solchergestalt seien die Gefühle jener Volksmenge gewesen, welche sich herbeidrängte, ihm die Hände drückte (!!)
und ihm die lebhafteste und wahrste Ergebung zu erkennen gab.
Der National, heute gegen das Barrotkabinet ganz besonders aufgebracht, behauptet dagegen, man habe dem Hrn. Bonaparte nicht nur: Nieder mit dem Ministerium! sondern auch: Nieder mit Thiers! Es
lebe die Republik! zugerufen. Einer seiner Redaktoren könne dies bezeugen.
— Die Scenen der letzten Tage (sagt Cavaignac's Organ Le Credit) haben dem von allem liberalem Einflusse gänzlich abgesperrten Präsidenten Bonaparte die Augen geöffnet. Wie wir hören,
ist folgender Plan im Werke: Die Nationalversammlung wird bei der zweiten Deliberation den Rateauschen Antrag verwerfen, dagegen aber im Laufe der Amendementsdebatten die Zahl der organischen Gesetze
herabsetzen. Dufaure tritt demnächst an Leon Faucher's und Vivien an Lacrosse's Stelle. Lamoriciere würde den alten General Rullieres im Kriegsministerium ersetzen.
— „An den Redakteur des Moniteur.
Gestern (29.) war ich bereits aus der Sitzung gegangen, als man zum Votum über den Rateauschen Antrag schritt. Ich glaubte, das Votum würde erst am nächsten Tage stattfinden. Es bedarf wohl keiner
Erklärung, daß ich für die Conklusionen gestimmt haben würde, die Grevy im Namen der Commission stellte, deren Mitglied und Schreiber zu sein ich die Ehre hatte.
Paris, 30. Jan. 1849.
(gez.) Peter Napoleon Bonaparte.“
— Armand Lefebre, bisher in Karlsruhe, ist nach München versetzt.
— Die Bergpartei hat sich nicht begnügt, das Ministerium in Anklagestand zu setzen, sondern sie hat gestern noch die Einleitung einer parlamentarischen Untersuchung (wofür die
Nationalversammlung so eben, Mittags, im Begriff ist, 15 Commissionsglieder zu ernennen) durchgesetzt. Das wird wieder einen schönen Skandal absetzen.
— Die Abbaye ist mit Gefangenen aller Gattungen überfüllt; ebenso die Conciergerie. Selbst Alton Shee, Stadtgardiens und Mobilgardenoffiziere wurden neuerdings verhaftet.
Die Soldaten kampiren unter Holzschuppen. in dem Invalidenviertel und legen kaum beim Essen das Gewehr aus den Händen. Aus Orleans, Blois etc. führen uns die Eisenbahnen immer neue Truppen zu.
Hr. v. Bugeaud verließ Paris und eilte zur Alpenarmee, um im Falle des Gelingens des Staatsstreichs mit zwei Divisionen die neue Ordnung der Dinge zu schützen und uns den lahmen Heinrich
einzukartätschen! Da nun der Streich mißlungen, so herrscht große Bestürzung in allen Sälen des Faubourgs St. Germain.
Nachschrift. So eben nimmt die Polizei beim Maler Perigon die Porträts des Frohsdorfer Königspaares weg. Entsetzlich!
— Die Pariser Arbeiter machen sich bereits über die Januarposse lustig. Sie singen schon die Carmagnole wie folgt:
„Leon Faucher s'était promis
De faire égorger tout Paris!
Mais son coup a manqué,
Grâce à nos canoniers!
(Anspielung auf Guinard, den braven Chef der Stadtartillerie.)
General *** sagte zu seinen Soldaten und Mobilgardisten in der Kaserne Rue de Reuilly (Fauburg St. Antoine), als er die Patronen austheilen ließ: „Kinder! denkt an den Juni und macht
keine Gefangene!“ Mit andern Worten: schießt Alles nieder.
— Gourgaud, der neue Oberst der 1. Legion, erläßt an seine Löwen eine Proklamation, in welcher das Wort „Republik“ nicht vorkommt und von der Nothwendigkeit einer starken
Regierung mit weiser Freiheit (Lieblingsausdruck Louis Philipps) die Rede ist. Hr. Gourgaud könnte leicht wieder nach St. Helena zurückkehren.
— Je aufmerksamer man die Journale und Verhandlungen der Nationalversammlung liest, desto klarer stellt sich die Ueberzeugung heraus, daß sich Faucher und Barrot von den Royalisten auf die
tölpelhafteste Weise ins Bockshorn jagen ließen. Man höre den „Courrier de la Gironde“ vom 27. Jan. (Bordeaux):
„Hört, hört, ihr Departements! Man konspirirt in Paris gegen die Republik. Man will Alles vernichten: die Volkswahl vom 10. Decbr., den (Pairs)gerichtshof in Bourges und Eure Petitionen
gegen die Nationalversammlung. In den Klubs werden die Regimenter abgetheilt, bei den Banketten Revuen abgenommen, Pulver und Blei aufgekauft und unter der Angabe, damit zu handeln, große Magazine mit
dem Aushängeschilde Association fraternelle angelegt. Schon bereitet der lange dürre Menschenschlächter mit dem Galeerensklavengesicht die zweirädrigen Karren, auf welche seine Opfer zur Richtstätte
gefahren werden. Da er aber seine Henkersknechte noch nicht zahlreich genug sieht, so schreit er in der Nationalversammlung fortwährend nach Amnestie, um durch die Juniräuber seine Armee zu
vermehren. (Armer Lagrang!) Aus der Präfektur sind Reisepässe gestohlen worden, welche die Ausflüge gewisser Clubisten genügend bemänteln sollen. Hoffentlich wir das Ministerium die Explosion dieser
Conspiratinon nicht abwarten, sondern die Glieder ergreifen, sobald es die Fäden in der Hand hat. Unsere Generäle kennen die Geometrie dieser Conspirationswähler; man entsinnt sich ihrer Prozession zu
Gunsten Polens, Italiens oder der Junigefangenen mit weißen Frauenzimmern; ihre Bankette mit Klingelbeuteln und Gotteskasten zum Ankauf von Pulver und Blei … Keine Sommationen und Feuer! So
lautet die Antwort der Staatsgesellschaft. Die Kanone ist jetzt ratio ultima legum.“
Ein zweites Pröbchen aus dem Courrier de la Somme (Amiens) lautet:
„‥‥ Die Bluthunde wollen sich zuerst auf die Bank stürzen und in kleinen Abtheilungen sofort gegen alle Bankierhäuser losrücken. Alle Kassen sollen geraubt, Alles
niedergemetzelt werden, was sich ihnen in den Weg stellt. Das Loosungsgeschrei soll heißen: „Tod allen Reichen!“ Jedes Haus, aus dem ein Schuß fällt, wird angezündet; kein Erbarmen darf
stattfinden; die Todesstrafe sei permanent. Wer sein Haus nicht durchsuchen lasse, werde in den Hof geschleppt und füselirt.“
Man wird sich hieraus die Angst erklären, mit der man dem 29. Januar entgegen sah. — Girardins „Presse“ nennt diesen Tag mit Recht: eine Insurrektion ohne Insurgenten.
— National-Versammlung. Sitzung vom 31. Januar. Anfang 1 1/4 Uhr. Präsident Marrast.
Viele Deputirte verlassen eben erst die Abtheilungssäle, in denen die Kommissionswahl für die Parlamentsuntersuchung der Montagskomödie zu heftigen Debatten Veranlassung gab.
Taschereau, der Intrigant, beschwert sich, daß man beim gestrigen Antrage auf Verordnung einer parlamentarischen Untersuchung nicht die vorgeschriebenen Reglementsförmlichkeiten beobachtet
hätte. In dem Dringlichkeitsantrage müsse eine Darstellung der Begründungen vorangehen. Dies sei nicht geschehen. Solchen Formfehlern müsse in Zukunft vorgebeugt werden.
Nun beginnt die gewöhnliche Petitionsprozession. Denjoy, St. Gaudens und ein Dutzend Andere uberreichen eine Menge Bittschriften für und gegen die Auflösung.
Es kommt dabei wie üblich zu beißenden Aeußerungen über die mehr oder weniger große Zahl der Unterschriften. Inmittels zieht Marrast die monatlichen Abstimmungen durchs Loos. Nach Vollendung dieser
Operation verlangt Vivien das Wort.
Vivien: Im 13. Bureau erhob sich ein Protest gegen die Commissariatswahl für die Parlamentsuntersuchung, weil die Formlichkeiten nicht beobachtet wor[d]en seien. Jeder
Dringlichkeitsvorschlag müsse zunächst an den betreffenden Ausschuß verwiesen werden. Dies sei nicht geschehen, mithin das Reglement verletzt worden. Darum werde protestirt.
Marrast (mit sichtlicher Genugthuung): Die Form sei in der That nicht beobachtet worden. (Marrast präsidirte gestern nicht, sondern Billault).
Perree, Stourm, Deslongrais und Gent streiten sich eine Weile, ob Dringlichkeit überhaupt verlangt worden?
Marrast liest den Tarrasschen Antrag vor, in welchem die Dringlichkeitserklärung ausdrücklich verlangt wird.
Billault erklärt, daß er dieses übersehen habe und entschuldigt sich.
Deslongrais (der ewige Schreier) schwingt sich auf die Bühne und beantragt, alle Wahlen (von denen, beiläufig gesagt, über die Hälfte im Sinne des Berges ausfielen) zu vernichten.
(Tumult).
Heckeren, Denjoy, v. Lasteyrie folgen sich rasch auf der Bühne und halten heftige Vorträge, um das Reglement zu retten.
Die Versammlung läßt jedoch die Beschwerden fallen und schreitet, die vorgenommenen Kommissionswahlen anerkennend, zur Tagesordnung.
Vesin (dicht vom Berge) verlangt, ehe man zur Tagesordnung schreitet, vom Präsident zu wissen, warum der Antrag Ledru-Rollins und Consorten, auf Criminalisirung des Ministeriums, noch nicht
auf der Tagesordnung stehe? Ist etwa der Antrag zurückgezogen? Warum keine Dringlichkeit?
Ledru-Rollin: Die Anklage ist keineswegs zurückgezogen; die Antragsteller werden vielmehr morgen neue Klagepunkte gegen das Ministerium richten. (Oh! Oh! zur Rechten.) Wir bestehen darauf,
und drucken unser Erstaunen aus, daß der Präsident den Antrag noch nicht den Büreaus vorlegte.
Marrast (bitter): Ich kann dies ohne die Versammlung zu befragen nicht thun.
Stimmen: So thun Sie dies jetzt!
Marrast (tiefe Stille): Ich bringe hiermit die Frage zur Abstimmung: ob der Antrag Ledru-Rollins und Consorten auf Vdrsetzung der Minister in Anklagezustand in die Büreaus verwiesen werden
soll oder nicht? Mögen alle diejenigen, die dafür sind, aufstehen! (Es erhebt sich fast die ganze Linke.) Und die dagegen sind. (Es erhebt sich die Rechte und ein Theil des Centrums).
Marrast (mit den Schreibern berathend): Das Votum ist zweifelhaft. (Ah! Ah! Sensation.)
Stimmen rechts: Abstimmung durch Stimmzettel!
Dies geschieht. Es stimmen 708. Davon 250 für die Ueberweisung und 458 gegen dieselbe.
Marrast: In Folge dessen überweist die Versammlung den Antrag nicht an die Büreaus. (Agitation links. Triumph rechts).
Martin Bernard (vom Berge) eilt auf die Bühne, schlägt mit der Faust wüthend auf die Brustwehr und erzwingt sich Gehör. Er erzählt die Verhaftung des Beamtenpersonals der Solidarité
republicaine, bei der auch 25 Deputirte betheiligt seien und will die Gründe dieses Verfahrens wissen.
Ledru-Rollin unterstützt ihn.
Barrot und Baroche erwidern, daß die Maßregel rein gerichtlicher Natur sei und man die Untersuchung abwarten müsse.
Die Versammlung geht zur Tagesordnung (zum Billaultschen Büdgetantrage) über.
Billaults Antrag lautet:
Artikel 1.
„Der National-Versammlung ist zuförderlichst ein Bericht über das vom Finanzministerium zu entwerfende Büdget der Staatseinnahmen vorzulegen, welches demnächst durch ein
Spezialdekret zu regeln.“
Artikel 2.
„Einen Monat nach Veröffentlichung dieses Spezialdekrets hat das Finanzministerium einen Entwurf des Büdgets der Staatsausgaben vorzulegen, welches mit der Ziffer der
Einnahme im Einklange stehe.“
Passy, Finanzminister, bekämpft den Antrag eine Stunde lang. Goudchaux's Büdget stellt ein Defizit von 5[unleserlicher Text]5 Millionen heraus. Das meinige wird dasselbe um 200 Millionen vermindern, so
daß es nur 355 Millionen betrage. Die HH. Deseimeries und Billault glauben durch Gehaltsabzüge und sonstige Ersparnisse das Defizit um 339 Millionen zu vermindern. Dies hieße den ganzen Statsdienst
desorganisiren. Darum bekämpfe er den Antrag.
Billault vertheidigt ihn. Seine Gründe sind folgende: a. das System der innern Staatsverwaltung sei zu komplizirt; b. das System unserer Politik nach Außen sei zu abscheulich, und c. das
System der Regierung in Bezug auf Staatsbauten sei schlecht.
Stourm unterstützt seinen Freund Billault. Verwerfe man seine Vorschläge, so breche der Bankerott herein.
Die Versammlung schreitet zur Abstimmung und verwirft Billaults Antrag mit 397 gegen 390 Stimmen. (Agitation).
Roucher frägt Billault, ob er den Minister des Aeußern nicht interpelliren wolle?
Billault ist aber schon abwesend und die Versammlung geht um 6 1/4 Uhr ziemlich aufgeregt aufgeregt auseinander.