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Leben und Thaten
des berühmten Ritters Schnapphahnski.
Drittes Buch. — Kapitel III.
Von Rom kehrte unser Ritter zurück nach Berlin. Er trat jetzt bei weitem anders auf als früher, denn die Herzogin hatte ja alle Schwierigkeiten seines Daseins aus dem Wege geräumt. Herr von
Schnapphahnski konnte sich nicht nur wieder auf der Straße sehen lassen, nein, er hatte auch wieder Zutritt zu den besten Kreisen und allerhöchsten Ortes stand er von Neuem sehr gut angeschrieben. Zu
allen diesen Errungenschaften kam jetzt noch die Huld des Pabstes und der Nimbus, den ihm die ganze italienische Reise verlieh — in der That, es gab nicht leicht einen Menschen, der in so
kurzer Zeit mehr auf den Strumpf gekommen wäre, als unser Ritter.
Alles drängte sich an ihn heran, um ihn zu protegiren und um von ihm protegirt zu werden. So machte man Schnapphahnski z. B. zum Direktor eines großen industriellen Unternehmens; eine Stellung, die
er dadurch geschickt zu seinem Vortheile zu benutzen wußte, daß er die ganze Anlage auf den Namen einer der höchstgestellten Personen des Landes taufen ließ, und sich natürlich dadurch die besondere
Gunst derselben sicherte. Vor allen andern war es aber stets die Herzogin, die unserm Ritter getreu blieb. Sie konnte nicht mehr ohne ihn leben. Ging er von seinen Gütern nach Berlin, so folgte sie
ihm; reiste sie nach Berlin, so mußte er ihr folgen. Schnapphahnski beutete diese Anhänglichkeit ganz in seinem Interesse aus. Wenn die Herzogin nämlich ihrue Liebling nach Berlin einlud, so weigerte
er sich gewöhnlich ihrem Rufe zu folgen, unter dem Vorgeben: seine Vermögensverhältnisse zwängen ihn, den Luxus, den er als Er (!) in Berlin machen müsse, zu vermeiden und auf dem Lande zu
bleiben. Dies Argument konnte dann stets nur auf eine Weise aus dem Wege geräumt werden, nämlich durch baare Zahlung. Regelmäßig schickte ihm die Herzogin für eine vierwöchentliche Reise nach
Berlin 20,000 Thaler; allermindestens 10,000 Thaler.
Die Herzogin war reich genug, um allen ihren, wie allen Launen ihres Ritters genügen zu können. Denn, wie wir früher schon erzählten, hatte sie nicht nur, mit Ausnahme von 80,000 Francs Revenue,
welche an die Gemahlin des Grafen C., die vermeintliche Tochter des alten T. gingen, das ganze Vermögen jenes berüchtigten französischen Diplomaten geerbt, sondern auch noch seit 1839 den Besitz der
sämmtlichen Güter ihrer ältern Schwester angetreten.
Diese ihre älteste Schwester, welche wir schon früher als die Erfinderin der berühmten schwarzen Haartinktur erwähnten, war nämlich plötzlich gestorben. Ob sie, wie die alte Mars, eben an der
Tinktur starb: haben wir nie ergründen können. Die Mars, die viele Jahre lang an unsäglichen Kopfschmerzen litt, soll nämlich dadurch zu Grunde gegangen sein, daß die Tinktur allmählig durch die Poren
in das Innere des Körpers drang, und diesen langsam vergiftete.
Genug, die alte Herzogin starb und ihr Tod erregte große Sensation, da man die Herzogin allgemein für unsterblich hielt.
Es ist nicht zu verwundern, wenn die englische Aristokratie, bei ihrer gesunden, vernünftigen Lebensweise, in den meisten Fällen ein wahrhaft alttestamentliches Alter erreicht; wenn aber der
lasterhaftere französische oder deutsche Adel sich bis in die achtzig oder neunzig versteigt, so heißt dies wirklich dem lieben Gotte einen Streich spielen.
Die Herzogin hatte sich, wie gesagt, den Tod länger vom Halse zu halten gewußt, als dies die kühnsten Sterndeuter für möglich hielten. Ein fünfzigjähriges Genießen, im weitesten Sinne des Wortes,
hatte vergeblich an ihrem schönen Körper gerüttelt. Vom Jahre 1800 bis 1819 zu drei verschiedenen Malen vermählt, wiegte sie nicht nur nebenbei die glänzendsten Persönlichkeiten der damaligen Zeit
— darunter auch den damals jugendlich reizenden, jetzt gefallenen Fürsten M. auf ihrem Schooße: nein, sie wußte auch noch bis in die dreißiger Jahren hinein eine solche Virtuosität zu
behaupten, daß ihr endlicher Tod, in der That durchaus unvermuthet kam und als ein sonderbares Faktum in der galanten Welt betrauert wurde.
Einmal mit ihren irdischen Resten unter der Erde, verfielen ihre irdischen Besitzungen über der Erde, den hinterlassenen tiefbetrübten Schwestern, und zwar in der Weise, daß die
zweite und die dritte Schwester, auf jene Besitzungen, als auf das Majorat des schon längst verstorbenen Vaters, des Herzogs von K., noch vor der jüngsten Tochter, der von uns so genau
geschilderten Herzogin von S., Anspruch machen konnten.
Die zweite Schwester, die Herzogin von H. und die dritte, die Herzogin von A., lebten aber in zu wenig vortheilhaften Umständen, als daß sie den Besitz des verschuldeten Majorats hätten antreten
können und verkauften ihre Ansprüche daher an die jüngste Schwester, an unsere Herzogin von S., eine Abtretung, die gehörigen Ortes bestätigt wurde, und durch ihre eigenthümlich mittelalterige Form
seiner Zeit viel Furore in der juristischen Welt machte.
Die Freundin unseres Ritters, nachdem sie so alle Güter der Familie ihren sonstigen Besitzungen hinzugefügt hatte, richtete sich dann in S. eine Art von Hofstaat ein, die Crème der Aristokratie
um sich versammelnd und abwechselnd da und in Berlin lebend, im besten Einverständniß mit einem Herrn und einer Dame, deren hohe Stellung es nus verbietet, mehr Worte über dieses Verhältniß fallen zu
lassen.
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Die Erlebnisse unsres Ritters gewinnen inzwischen auch ein so allgemeines Interesse, daß wir ihm wirklich unsre ausschließliche Aufmerksamkeit schuldig sind.
Nach der bei der Herzogin gemachten Erobrung, nach der italienischen Reise und nach der Wiedererlangung einer Stellung in der Berliner Gesellschaft, beginnt nemlich, wie wir bereits bemerkten, die
politische Laufbahn unsres Helden.
Schnapphahnski: Politiker! Sollte es möglich sein! Aber unser Held ist zu Allem fähig. Deswegen auch zur Politik.
Die ewig denkwürdige Epoche der Provinzial-Landtage, mit ihren großen Erfolgen: Der Emancipation der Nachtigallen u. s. w. ging zu Ende. Das Patent des 3 Februar 1847 erschien und am 11. April
eröffnete Se. Majestät der König von Preußen, mit einer Rede „ohne Gleichen,“ „ohne Beispiel“ den Vereinigten Landtag.
Es verstand sich von selbst, daß der politische Ehrgeitz aller gesellschaftlichen Klassen durch dieses Ereigniß in die lebendigste Bewegung gerieth und es konnte nicht ausbleiben, daß auch unser
Ritter von diesem Fieber angesteckt, das Bedürfniß fühlte, dem Vaterlande einmal als großer Mann gegenüber zu treten.
Die Herzogin hatte unsern Helden oft darauf aufmerksam gemacht, daß er sich à tout prix in die Politik hineinstürzen müsse. Die Krautjunkerei pure et simple, die der Ritter bisher trieb, konnte
natürlich der ausgezeichneten Dame wenig gefallen. Sie war geistreich genug, um zu begreifen, daß die compakte, hausbackene Liebe erst dann ihren rechten Reiz erhält, wenn sie mit den „strong
emotions“ des öffentlichen Lebens Hand in Hand geht. Einen Krautjunker zu umarmen, einen harmlosen schönen Wasserpolacken, dessen Abentheuer, so wunderlich sie auch sein mogten, doch keineswegs
den Horizont des schon oft dagewesenen passirten: konnte ihr unmöglich auf die Dauer genügen.
Die Herzogin war zu sehr, an den Umgang mit weltgeschichtlichen Persönlichkeiten gewöhnt, als daß sie nicht in unserm Ritter, außer dem bel homme auch noch den Politiker, den Staatsmann, den Redner
zu umfangen gewünscht hätte. Ihre in diesem Sinne gemachten Andeutungen waren denn auch unserm Helden nicht entgangen, und wenn ihn schon seine eigne Eitelkeit zu einer politischen Karriére trieb,
so sah er schließlich nur einen doppelten Nutzen, wenn er daran dachte, daß ihn auch der geringste Erfolg immer vertheilhafter mit der Herzogin verbinden würde.
Du willst als Staatsmann auftreten — — sagte Schnapphahnski daher eines Morgens zu sich selbst, indem er den Kopf auf die Hand stützte — Eh bien! und er besann sich auf Alles,
was er je von berühmten Rednern gehört, gesehen und gelesen hatte. Die Alten lagen unserm Helden zu fern. Ein Römer und Schnapphahnski — — der Ritter fühlte, daß er nie ein Römer werden
würde.
Ohne Weiteres wandte er sich daher der neuen Zeit zu und gewiß würde er sich der Heroen der Constituante und des Konvents erinnert haben, wenn er nicht bei dem Gedanken an diese
„blutrünstigen Ungeheuer“ ein solches Herzklopfen bekommen hätte, daß er sich schleunigst der allerneuesten Zeit zuwandte — — da war unser Ritter zu Hause! Denn bis in die
kleinsten Details hinein war ihm das parlamentarische Leben der Franzosen und Briten gegenwärtig.
Sollst du ein Montalembert werden, hinreißend durch Beredtsamkeit, imponirend durch altadlige Kühnheit und unterjochend durch jene mystisch-katholischen Wendungen, die wie ein riesiger Trauerflor
seiner Rede nachwallen? Oder ein Laroch[unleserlicher Text]jaquelin, lebendig, auf seinem Thema reitend wie auf geflügeltem Rosse, frech und herausfordernd, sarkastisch-witzig und erobernd durch die ritterliche Keckheit
eines ungebändigten Edelmanns? Oder sollst du Lamartine nachahmen, bald vornehm durch die Nase sprechen und bald in blumenreichen Redensarten dich ergießen, von der Vorsehung säuseln und durch den
Namen Gottes Effekt zu machen suchen; ja, historische und literarische Reminiszensen auskramen und deine Zuhörer mit dir fortziehen in das rosenduftende Paradies der Rhetorik, wo da wenige praktische
Wege und Stege sind, aber desto mehr weiche Mooshügel, Palmen, Trauerweiden und ähnliche wohlfeile dichterische Gegenstände? Oder sollst du dir den Hrn. Guizot zum Muster nehmen, den kalten
tugendhaften Mann, oder gar den kleinen, bethörenden Thiers, der sich wie eine Schlange auf die Tribüne hinaufwindet und so allerliebst von Allem spricht, was er weiß und was er nicht weiß —
—? Unser Ritter wurde immer tiefsinniger.
Aber auch die Geister des britischen Parlaments stiegen vor unserem Helden herauf. Sollst du dich naiv ausdrücken wie der alte Wellington? Sollst du den Rufer im Streit, den Lord Stanley spielen?
Sollst du dich Lord Campbell nähern und behaupten, du sei'st ein großer Rechtsgelehrter? oder sollst du dir gar Henry, den unvergleichlichen Lord Brougham zum Vorbild nehmen? Das wäre eine
Rolle!
Ja, und im Unterhaus, wen nimmst du dir da zum Muster? Sollst du ein Sir Robert Peel, in weißer Weste und im blauen Frack, vor deine Zuhörer treten, jetzt die Rechte feierlich erhebend, und jetzt
rasselnd die grüne Papierdose schlagend? Oder sollst du wüthen wie Roebuck, der ewige Krakehler, oder die Interessen der Tory's vertreten wie ein Lord George oder ein Ferrand? O göttlicher Lord
George, der du aus dem Jockey-Klub kamst und im Parlamente dich erhobst, als der Erste deiner Partei, o, wenn ich dir nicht gleichen kann, so laß mich wenigstens deinem Freunde Disraeli ähnlich sehn,
wenn er im Wirbelwinde der Beredsamkeit seine Feinde zu Boden wirft, ihren alten Ruhm entwurzelnd und tabula rasa machend mit ihrem ganzen Einfluß!
Was sind die Lorbeeren der Literatur, was die Lorbeeren des Schlachtfelds gegen die Lorbeeren der Tribüne!
Staunen soll man, wenn ich mich einst erhebe! Schnapphahnski, o Schnapphahnski! was steht dir bevor! In wenigen Worten wirst du z. B. bei irgend einer Debatte auseinandersetzen, wie es eigentlich
gar nicht von Nöthen sei, so vielen herrlichen Reden noch die deine folgen zu lassen, und wie nur die Wichtigkeit des vorliegenden Gegenstandes dich zu einigen einfachen Bemerkungen veranlassen