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Ein politischer Prozeß.
(Schluß.)
Die Legion überschritt die Gränze, doch ohne Kampf, und keineswegs in feindseliger Absicht, sie war nicht einmal mit Munition versehen. Vallender sagt uns wenigstens, daß er zwar einen Säbel und
zwei ungeladene Pistolen, jedoch keine Munition gehabt habe. Da sie die Ueberzeugung gewonnen, daß die Republik kein Terrain auf dem deutschen Boden gefunden hatte, gingen sie zurück. Auf diesem
Rückzuge wurden sie von Würtembergern attakirt und ein großer Theil, unter ihnen Vallender, gefangen. Von seiner Waffe hatte er keinen Gebrauch gemacht. In Bruchsal setzte die badische Regierung eine
Untersuchungskommission nieder. Diese entließ diejenigen, welche aus andern deutschen Bundesstaaten waren, nach ihren heimathlichen Behörden; ob mit der Requisition dieselben zur Untersuchung zu
ziehen, ist aus den desfallsigen Aktenstucken nicht einmal ersichtlich. Daher ist es denn auch gekommen, daß einige Kollegen Vallenders von den betreffenden Bürgermeistern ohne Weiteres in Freiheit
gesetzt wurden. Vallender ist zur Untersuchung gezogen und er ist vielleicht der Einzige von der ganzen Herweghschen Schaar, welcher vor Gericht gestellt wird. Der Großherzog von Baden hat nämlich am
15. August v J. Amnestie erlassen. Vallender war am 10. August von Bruchsal weggeführt, befand sich nicht mehr auf badischem Territorium, als die Amnestie erlassen wurde; aber er war noch auf dem
Transport, noch keine Untersuchung war gegen ihn hier eingeleitet; ob aus diesem Grunde nicht schon eine Freilassung erfolgen mußte, kann ich vor Ihnen nicht erörtern. Die in Preußen gebrachten
Individuen sind wegen Mangels an Beweisen für den Thatbestand und die Thäterschaft außer Verfolgung gesetzt. Vallender allein ist übrig geblieben, weil er offen und ehrlich das, was er gethan hat,
eingestanden, wozu er um so eher überging, da er wahrlich nicht ahnen konnte, daß wegen desjenigen, was er in Baden gethan, er in Preußen hätte angeklagt werden können.
In der That, meine Herren, auch ich begreife nicht, wie es zu der Anklage hat kommen können. Ich muß gestehen, daß es mir nicht einmal hat gelingen wollen, die Anklage auch nur zu verstehen. Sie
geht nämlich dahin:
„daß Vallender ein Attentat begangen habe, dessen Zweck war, die Verfassung und Regierung des Großherzogthums Baden und des deutschen Bundes umzustürzen und zu
verändern.“
Ist dieses eine Anklage oder sind es deren zwei? Ist die Verfassung und die Regierung des Großherzogthums Badens darin identisch genommen mit der des deutschen Bundes oder nicht? Kommt es bei
dieser Anklage eigentlich auf das Großherzogthum Baden oder auf den deutschen Bund an? Diese Frage habe ich bei der dunkeln Fassung des Anklage-Antrags nicht beantworten können; und es will mir fast
vorkommen, als ob diese dunkle Fassung ein Beweis dafür wäre, daß bei der Abfassung des Anklage-Urtheils und des Anklage-Aktes über das Verbrechen, worauf die Anklage gerichtet werden sollte, ein
klares Bild nicht vorgeschwebt hat.
Heute hören wir nun aus dem Vortrage des öffentlichen Ministeriums und der Frage, wie sie Ihnen vorgelegt werden soll, daß es sich von einer einzigen Anklage handelt, daß dabei von dem merkwürdigen
Gedanken ausgegangen wird, daß ein Angriff auf die Verfassung Badens auch schon einen Angriff auf die Verfassung des deutschen Bundes enthalte. Könnten Sie sichs erklären, daß ein Preuße in Preußen
angeklagt wird, in einem fremden Staate gegen einen fremden Staat, ein Attentat begangen zu haben? Unser Strafgesetzbuch schweigt davon; unser Strafgesetzbuch droht einem Attentat gegen unsern eignen
Staat, eine Strafe, um fremde Staatsverfassungen kümmert es sich nicht. Durch eine Kabinetsordre vom 30. Juni 1820 sind in Betreff von Verbrechen, welche im Auslande begangen sind, einige Paragraphen
des allgemeinen pr. L.-R. und der pr. Kriminalordnung eingeführt. Von diesen Paragraphen sagt kein Einziger, daß ein Attentat gegen die Verfassung eines andern Staates ein Verbrechen sei; der
angeführte § 98 der Kriminalordnung sagt sogar ausdrücklich:
„Wann die Handlung des Angeschuldigten diesseitigen Unterthans nur nach den auswärtigen und nicht nach den hiesigen
Gesetzen strafbar ist, so findet weder Untersuchung noch Bestrafung statt.“
Eine Kabinetsordre vom 28. Oktober 1836 hat zwar ein Attentat gegen die Verfassung des deutschen Bundes für strafbar erklärt. Baden ist aber nicht der deutsche Bund. Es liegt der Anklage hier die
unglückliche Identifizirung des deutschen Bundes mit einem zu dem deutschen Bunde gehörigen Staat zum Grunde.
Es wird doch wohl nicht bestritten werden können, daß, wenn Sie über Verletzung der badischer Verfassung Recht sprechen sollen, der Inhalt der badischen Verfassung Artikel vor Artikel bewiesen
werden muß. Was würden Sie antworten, wenn irgend Einer vor Ihnen angeklagt würde, die Verfassung in China oder in der Türkei verletzt zu haben? Sie würden antworten: Nicht schuldig, denn was gehen
uns die Türken an. Was würden Sie antworten, wenn man Sie fragte, ist Lamartine oder sonst Einer schuldig, ein Attentat gegen die konstitutionelle Verfassung Frankreichs verübt zu haben; Sie würden
antworten: Nicht schuldig, denn was gehen uns die Franzosen an. Was würden Sie antworten, wenn ein Dritter angeklagt wäre, in Rußland gegen den Absolutismus des Czars als Attentäter aufgetreten zu
sein, Sie wurden antworten: Nicht schuldig, denn was gehen uns die Russen an. Sie würden sagen, es ist nicht zu verlangen, daß wir uns mit diesen fremden Verfassungen beschäftigen sollen, hiezu führt
aber das Prinzip, daß man sich um die Verfassung fremder Staaten bekummern soll. Daß Baden mit Preußen in einem Bunde sich befindet, ist ganz gleichgültig; mit Rußland besteht auch ein Bund, die
heilige Allianz, und Niemand wird behaupten, daß deshalb Rußland für uns aufgehört hat, Ausland zu sein, und wir deshalb verpflichtet wären, die russische Verfassung zu studiren.
Nun, meine Herren, versuchen Sie einmal die badische Verfassung, d. h. wie sie um Ostern 1848 bestand, zu konstruiren. Bedenken Sie aber, daß damals die Revolution bereits auf Deutschland gewirkt
hatte. Gerade in Baden hatte sie am ersten, am meisten gewirkt. Mit der Verfassungsurkunde und den in sie eingegriffen habenden Bundesbeschlussen kommen wir natürlich im April nicht mehr aus. Alle bis
dahin ins Leben gerufenen Errungenschaften, alle von der badischen Regierung ausgegangenen Versprechungen gehoren dazu. Versuchen Sie aus diesem Chaos eine Verfassung zu konstruiren; allgemeine
Volksbewaffnung, freies Vereins- und Versammlungsrecht, Preßfreiheit, Gleichheit aller Religionsgesellschaften, Aufhebung aller Standesunterschiede etc. waren Versprechenschaften; dem deutschen Bunde
hatte die badische Regierung, dem Drängen des Volkes nachgebend, den Gehorsam gekundigt, ihm erklärt, daß die Karlsbader und andere Beschlusse in Baden nicht mehr geachtet werden würden. Also Alles
war damals am Umstürzen; die badische Regierung mit.
Ich frage Sie daher ganz einfach:
„Was war denn im April 1848 die Verfassung Badens?“
und können sie von meiner Schaar, welche nach Baden herüberging, und sich hier der Freiheit und der Demokratie zur Disposition stellte, behaupten, daß sie überhaupt nur die Absicht hatte, die
damals bestehende Verfassung umzustürzen. Ich glaube nicht, behaupte vielmehr, daß die damalige Verfassung Badens so breite Grundlagen, so demokratische Anlagen hatte, daß man von jener
deutschen demokratischen Legion eher sagen kann, sie hatte den Zweck die Verfassung gegen allenfalsige Reaktion und Contrerevolution zu schützen, als sie
umzustürzen.
Und hiemit — das ist der Kern der Sache — fällt der ganze erste Theil der Anklage in sein Nichts zusammen, sie ist bodenlos, wir haben für sie keinen Rechtsboden. Allein meine
Herren es kommt noch ein anderer Grund hinzu, warum der erste Theil der Anklage keinen Boden hat. Wenn es nämlich auch feststände, daß Vallender die Absicht gehabt hätte, die Verfassung des
Großherzogthums Baden zu verändern, so müßte noch dargethan werden, daß er zur Pealisirung dieses Zweckes ein Attentat begangen habe. Nicht jede Handlung deren Zweck die Veränderung einer
Verfassung ist, ist auch ein hochverrätherisches Attentat. Sonst kämen wir dahin, daß keine Verfassung in gesetzlicher Weise verändert werden könnte, was doch wahrlich das Schlimmste von
der Welt wäre. Eine Verfassung darf nicht undveränderlich sein. Ein Attentat ist nur dann vorhanden, wenn die Han[d]lung an sich Anwendung einer ungesetzlichen Gewalt ist. Deshalb sagt auch die
Anklage:
„ist Karl Vallender schuldig, an einem bewaffneten Einfall in das Großherzogthum Baden Theil genommen etc.“ also mit andern Worten ist Vallender bewaffnet in's Großherzogthum
Baden eingefallen. Auch diese Frage muß verneint werden. Die Legion ist nicht schlagfertig, nicht kämpfend, nicht mit gefalltem Bajonette, nicht unter dem Donner der Kanonen und sich als Feinde
ge[unleserlicher Text]irend eingefallen. Einige derselben hatten Waffen; Allein es ist nicht ungesetzlich die Waffe zu tragen. Volksbewaffnung war zugebilligt, jeder Deutsche konnte Waffen tragen. So lange von der Waffe
kein hochverrätherischer Gebrauch gemacht wird, liegt kein Attentat vor. Ist nun etwas dergleichen, ist von Vallender der Gebrauch von Waffen erwiesen? Antwort Nein; von einem bewaffneten Einfall und
einem dadurch verübten Attentat kann also keine Rede sein, ebenso wenig wie es Ihnen einfallen würde von einem Einfalle zu reden, wenn jene Freischaaren nach Schleswig-Holstein gegangen wären, um sich
dem General Wrangel zur Disposition zu stellen.
Aus diesen Gründen können Sie schon nicht annehmen, daß ein Attentat gegen die Verfassung des Großherzogthums Baden verübt ist. Die Anklage erfordert aber noch mehr; Sie werden durch die eine
Frage, welche Ihnen ungetheilt vorgelegt wird, auch noch ferner gefragt, ob der Zweck des Attentats war die Verfassung des deutschen Bundes umzustürzen.
Ja, meine Herren, es ist kaum glaublich. Der deutsche Bund, dessen quitt zu sein (?) wir herzlich froh sind, ist es, der uns durch die Anklage wieder vorgeführt wird. Es ist das Leichenbegängniß
eines Körpers, den wir alle zu Grabe getragen haben, welcher aus der Anklage uns entgegen duftet. Schon deshalb stehen der Anklage eine Legion von Gründen entgegen, deren vorzügliche etwa folgende
fünf sind.
1) Der deutsche Bund hat niemals eine Verfassung gehabt,
2) sollte eine Verfassung bei ihm angenommen werden dürfen, so war es die republikanische,
3) ganz gewiß hat daher Vallender, so wie die ganze demokratische Legion nicht daran gedacht, an die Stelle der republikanischen Verfassung eine andere, etwa eine monarchische zu setzen,
4) der deutsche Bund bestand um Ostern vorigen Jahres faktisch nicht mehr, und
5) er besteht jetzt nicht mehr. —
Ich sage, der deutsche Bund hat niemals eine Verfassung gehabt, wie ist es daher möglich, ein Attentat gegen seine Verfassung zu begehen? Das Wort Verfassung hat im Staats- und Strafrecht einen
bestimmten Begriff; es setzt einen Staat voraus, eine Verbindung, in welcher der Einzelne seine Souveränetät aufgegeben und einer Staatsgewalt unterworfen hat. Dieses Kriterium fehlte beim deutschen
Bund. Die einzelnen dazu gehörigen Staaten blieben souverän. Es steht daher bei den bewährtesten Publizisten fest, daß die Bundesakte keinen Bundesstaat, sondern nur einen Staattenbund geschaffen hat.
Bei diesem kann eben so wenig wie z. B. bei der heiligen Allianz von einer Verfassung die Rede sein. Auch darauf kommt es nicht an, daß die Kabinetsordre vom 28. Oktbr. 1836 eine solche Verfassung
voraussetzt. Die Natur der Dinge kann dadurch nicht verändert werden. Sollte aber beim Bunde eine Verfassung angenommen werden können, so würde diese Verfassung doch nur eine republikanische genannt
werden können. Bekanntlich wurden die Bundestagsbeschlüsse in engeren oder Plenarsitzungen gefaßt, wenn gleich die größeren Staaten mehrere Stimmen hatten. Das nenne ich Republik, freilich aber
keine besonders empfehlenswerthe, da die Fürsten die Urwähler und die Deputirten (Gesandten an ihr Mandat gebunden waren.
Präsident: Herr Vertheidiger, Sie schweifen zu sehr ab, es kann nicht gestattet sein, förmliche Vorlesungen zu halten.
Vertheidiger. Ja wohl, meine Herren Geschwornen, ich will davon abbrechen, es bedarf keiner Vorlesung. Aber, meine Herren, ich halte es für nöthig, daß wir eine Anklage, wie die heutige,
gehörig beleuchten, gründlich und nach allen Seiten. Es ist heute das erste Mal, daß in diesen Mauern ein politischer Prozeß öffentlich verhandelt wird. Die Arbeit ist ungewohnt, es ist
nothwendig, daß wir uns üben. Wir sind in unserem Vaterlande noch nicht fertig mit der Feststellung unserer Staatszustände; die Parteien stehen sich schroff einander gegenüber, und je nachdem das eine
oder das andere System am Ruder ist, werden die verschiedensten Richtungen sich auch vor Ihnen geltend machen. Sie, meine Herren, sind die Inhaber der dritten Staatsgewalt, der richterlichen. Ihre
Aufgabe ist es dann, festzuhalten an der Verfassung, und allenfallsige Ueberschreitungen der gesetzgebenden oder exekutiven Gewalt durch Ihre Urtheile in ihre Schranken zurückzuweisen. Deshalb meine
ich, dürfen Sie heute schon Ihren Richterstuhl nicht verlassen, ohne daß vorher durchgesprochen ist, welche Grunsätze von der heutigen Anklage als die richtigen mit nach Hause genommen werden
können.
Sie sollen heute darüber urtheilen, ob ein Attentat gegen die Verfassung des deutschen Bundes begangen. Es gehörte gewiß wohl zur Sache, ob und welche Verfassung der Bund hatte. Können Sie
annehmen, daß, falls die Verfassung des deutschen Bundes eine republikanische war, die Republikaner, zu denen ja Vallender gehört haben soll, die Absicht gehabt hätten, diese Verfassung umzustoßen?
ich glaube nicht, daß sie daran gedacht haben, aus diesem Bund einen monarchischen Bundesstaat zu machen.
Bestreiten muß ich übrigens die Behauptung der Staatsbehörde, daß Vallender in der Voruntersuchung die Absicht, die Verfassung des deutschen Bundes umzustürzen, eingestanden hat.
Ich gehe zu dem fernern Vertheidigungsgrund über, darin bestehend, daß um Ostern 1848 der deutsche Bund factisch nicht mehr bestand und deshalb gegen ihn auch kein hochverrätherisches Attentat mehr
begangen werden konnte. Sie erinnern sich, daß damals allgemein gesagt wurde, der deutsche Bund sei eine Leiche. So war's auch. Ein Attentat gegen eine Leiche ist nicht denkbar. Sie wissen, daß
damals sich längst das Vorparlament in Frankfurt gebildet, und die Zügel in die Hand genommen hatte. Das Leben des Bundestages daneben, war nur ein Scheinleben. Auch die deutschen Regierungen hatten
den deutschen Bund in seinen Grundvesten erschüttert, namentlich auch in Baden und Preußen. Baden hatte gleich Anfangs März die wichtigsten Bundestagsbeschlüsse aufgehoben, und Preußens König am 21.
März den deutschen Bundesstaat und die schwarz-roth-goldene Fahne proklamirt. Wer kann also behaupten, daß damals der Bundestag noch eine factische Existenz hatte. Man wende nicht ein, daß rechtlich
der Bund noch bestand, denn dann würde am Ende auch für den deutschen Bund kein Rechtstitel aufzufinden sein Es kommt aber endlich auch nicht einmal darauf an, ob der deutsche Bund damals nicht mehr
bestand, es genügt, daß derselbe jetzt nicht mehr besteht. Wie würde es Ihnen vorkommen wenn man in der Republik Frankreich wegen eines Attentats auf das früher bestandene constitutionelle Königthum
Anklage erheben wollte? Wir alle haben den deutschen Bund umgestürzt, Volk und Fürsten haben dieses Werk vollbracht. Welch ein Anachronismus! heute wegen Attentats gegen den deutschen Bund Anklage zu
erheben! Wir wären ja alle Complicen; woher sollen da noch die Richter geholt werden. Solche Grundsätze werden dahin führen, daß der Vertheidiger sich selbst vertheidigen, der Ankläger sich selbst
anklagen, der Richter sich selbst verurtheilen müßte. Nein, meine Herrn, dazu werden Sie nicht übergehen; sich selbst werden Sie nicht verdammen. Die Gegenwart nicht die Vergangenheit hat Rechte.
Oberprokurator: Ich will nicht in denselben Fehler verfallen, wie der Herr Vertheidiger, und Sie meine Herren mit einer Auseinandersetzung über die Frage behelligen, ob ein Attentat gegen
die Verfassung des Großherzogthums Baden in Preußen strafbar sei oder nicht; über diese Frage zu entscheiden, ist nicht Sache der Geschwornen, sondern des Assisenhofes. Aber freilich, dann wurde der
Herr Vertheidiger keine Gelegenheit gehabt haben, schöne Reden halten zu können. Wenn der Vertheidiger den Untersuchungsbehörden Vorwürfe gemacht und ich diese Vorwürfe nicht auf mich persönlich
beziehen mag, so muß ich jene Behörden gegen diese Vorwürfe durch die entschiedene Behauptung in Schutz nehmen, daß diese nur ihre Pflicht gethan haben. Der Herr Vertheidiger hat die Behauptung
aufgestellt, der Angeklagte habe nicht gestanden, daß es seine Absicht gewesen, die Verfassung des deutschen Bundes umzustoßen; der Herr Vertheidiger hätte besser gethan, dieses nicht zu behaupten;
ich bin genothigt, diese Behauptung durch Verlesung der betreffenden Stelle des Vernehmungsprotokolls zu widerlegen. Es heißt dort (liest vor):
„ich muß gestehen, daß es meine Absicht
war, in ganz Deutschland die Republik einzuführen und in Baden den Anfang zu machen.“
Wenn ferner der Herr Vertheidiger erklärt, daß er trotz vieler Mühe sich nicht habe deutlich machen können, worauf eigentlich die Anklage sich stütze, und daß er sie überhaupt nicht begreife, so
hat der Herr Vertheidiger wohl nicht an das Gesetz vom 28. October 1836 gedacht, wiewohl ich zugeben will, daß dieses Gesetz nicht sehr klar ist. (Sehr schlimm!)
Zum Schluß will ich im Interesse des Angeklagten mir noch eine Bemerkung erlauben. Es ist nämlich sehr wohl möglich, daß viele von Ihnen die politischen Ansichten des Herrn Vertheidigers nicht
theilen und ich befürchte (oh!), daß deshalb vielleicht die Vertheidigung dem Angeklagten eher schädlich gewesen sein könnte. Dieses wird und kann aber auf Ihre Entscheidung keinen Einfluß haben, und
ich ersuche Sie selbst, in dieser Beziehung von der Vertheidigung abzusehen. (Gelungen!)
Vertheidiger: Zuvörderst statte ich dem öffentlichen Ministerium meinen Dank dafür ab, daß dasselbe meiner Rede das Epitheton „schön“ beigelegt hat, wenn aber das öffentliche
Ministerium zu verstehen gegeben hat, daß ich nur, um schöne Reden zu halten, Fragen erörtert, welche nicht vor Sie gehören, so ist dieses der Vorwurf einer Eitelkeit, von der ich mich frei fühle.
Sicherlich wäre dieser Vorwurf besser unterblieben. Persönliche Vorwürfe habe ich weder dem öffentlichen Ministerium noch einer sonstigen Behörde gemacht; einer Kritik muß sich doch wohl jede Anklage
unterwerfen. Meine Sprache ist, hoffe ich, nicht die Sprache der Eitelkeit, sondern nur die der Ueberzeugung gewesen, sie kam aus dem Herzen; die Sprache des öffentlichen Ministeriums ist dagegen die
der Gereiztheit und Empfindlichkeit. Die Vorwürfe, welche mir in der Replick des öffentlichen Ministeriums gemacht sind, habe ich nicht verdient. Eher habe ich mich zu beklagen; wohl hätte ich Ursache
gehabt, mir über die einzelnen Bemerkungen Act zu erbitten, wovon ich jedoch aus Schonung abgesehen habe.
Oberp.: Ich verlange keine Schonung; Sie können ja noch Act nehmen.
Verth.: Es ist jetzt zu spät!!
Pr.: Herr Vertheidiger, ich bitte davon abzugehen. Sie haben jedenfalls dadurch Veranlassung gegeben, daß Sie zuerst persönlich geworden sind.
Verth.: Herr Präsident, das Ersuchen mäßig zu sein, will ich gern hinnehmen; wenn indeß in Ihren Bemerkungen ein Verweis für mich liegen soll, so würde ich auf die Entscheidung des
Assisenhofs provociren müssen.
Pr.: Mein Herr Vertheidiger, einen Verweis habe ich nicht ertheilen wollen.
Verth.: Meine Herren Geschwornen! Die vom öffentlichen Ministerium vorgelesene Stelle des Geständnisses des Angeklagten beweist die Richtigkeit meiner Behauptung, daß er von dem Umsturz der
Verfassung des deutschen Bundes nicht gesprochen. Auch wenn alle Bundesstaaten Republiken wären, könnte die Verfassung des deutschen Bundes dieselbe bleiben. Es hat endlich am Schluß seiner Replick
das öffentliche Ministerium noch die Besorgniß ausgesprochen, daß Sie aus Abneigung gegen die von mir entwickelten politischen Ansichten gegen den Angeklagten gestimmt werden könnten. Ich traue Ihnen
einen solchen Servilismus nicht zu. Nehmen Sie zu den schon vom öffentlichen Ministerium angeführten Vertheidigungsgründen die meinigen vielmehr hinzu. Ich hätte geglaubt, daß mir kein Unterricht im
Vertheidigen gegeben zu werden braucht. Ich weiß selbst, wie ich zu vertheidigen habe. Am wenigsten werde ich mir den Vertreter des öffentlichen Ministeriums zum Lehrmeister nehmen. Sie, meine Herren,
versichere ich, daß meine Rede länger und noch schöner geworden wäre, wenn ich nicht unterbrochen wäre.
Pr.: Angeklagter! haben Sie noch etwas zu bemerken.
Ang.: Ich bitte darauf Rücksicht zu nehmen, daß ich neun Monate lang verhaftet war, und meine Gesundheit dabei gänzlich geopfert ist.
Der Präsident resumirte darauf die Sache; das Publikations-Gesetz vom 28. October 1836 spielte eine kleine Rolle dabei.
Die Geschwornen sprachen neun gegen drei, den Angeklagten Vallender frei. —