Französische Republik.
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] Paris, 10. Jan.
(Schluß.) Wenn Guizot in seiner Einleitung sagt, daß er sich selbst vergißt, so wird jedoch der Leser jeden Augenblick an ihn erinnert. Wenn Guizot im Laufe der Entwicklung nachzuweisen
sucht, daß die Staaten, welche in die Demokraten d. h. nach Guizot „die Entladung der ganzen menschlichen Natur mit ihren guten und bösen Leidenschaften“ hereingebrochen, deshalb
gefallen, weil die Regierung ihre Schuldigkeit nicht gethan, weil es ihr an Festigkeit gefehlt, im Kampfe der guten und schlechten Leidenschaften, die erstern festzuhalten und die letztern zu
bekämpfen, so ist man jeden Augenblick geneigt zu fragen: und warum ist Guizot gefallen? Oder aber nimmt er seinen Fall als ein fait accompli an, und datirt das Hereinbrechen der Demokratie von dem
Siege der Februar-Revolution an? Recht! dann wäre also die paix sociale dasjenige, welches von nun an ein fait accompli noch werden soll. Wie wird aber die paix sociale ein fait accompli? Guizot zeigt
es durch Beispiele: Mitten in der Entladung der demokratischen Leidenschaften, mitten „in dem kranken Zustande“ kommt irgend ein Napoleon, ein Genie, das mit Gewalt Ordnung und Ruhe
herstellt. „Das war das große Verdienst des Despoten“, daß er nach innen die Ruhe und nach außen die Nationalität hergestellt hat. Als man in der Kammer den Minister Guizot
interpellirte, warum er 1815 die Sache Napoleons, die Sache der nationalen Ehre verlassen und in Gent zur Restauration der Bourbonen intriguirt habe, antwortete er, weil er den Fall Napoleons
voraussah. Also Napoleon hatte damals die „paix sociale“ gebracht und Guizot verließ ihn, ehe er fiel, weil er seinen Fall voraussah, weil er einen Andern kommen sah, der eine andere
„paix sociale“ bringen konnte. Wir sehen, daß, wenn wir selbst auf der moralischen Grundlage des Herrn Guizot stehen bleiben, wir zunächst immer einen Intriguanten, einen moralischen
Intriguanten entdecken, dessen Sieg über die schlechten Leidenschaften darin besteht, daß er ihnen andere substituirt, daß er an ihre Stelle andere Leidenschaften setzt, die gleichbedeutend mit den
erstern, d. h. eben so schlecht sind.
Das anfängliche Schlechte, das war die Windhose, die Guizot über's Meer geschleudert hat. Guizot ist über dem Meer; er kann die Windhose nicht wegläugnen: die Windhose ist das fait accompli.
Das anfänglich Schlechte ist das Gute geworden. In der Demokratie, welche mit der Windhose das Gute und Schlechte hereingebracht, handelt es sich, das erstere festzuhalten und das letztere zu
verbannen. Napoleon, der Kaiser, indem er als Despot auftritt, erreicht dieses Ziel: und derselbe Guizot hat nothwendig, um sich und seine Vergangenheit zu retten, Napoleon zu verläugnen, nachdem er
ihn 1815 verrathen hatte. Aber warum wählt der unglückliche Guizot auch das Beispiel Napoleon's? Warum erinnert er an diese unglücklichen Rückerinnerungen? Etwa, weil ein Neffe des Kaisers
Präsident der Republik geworden? Sicherlich, der austère intriguant ist lächerlich geworden, das schlimmste, was Einem in Frankreich passiren kann. Er hätte besser gethan, sich an dem Beispiel
Washington's zu halten, der die eigentliche Bedeutung der paix sociale so gut gekannt haben soll, weil er gewußt habe, daß man nicht „von unten nach oben regiert“. Wir
seh'n, Guizot wird immer bestimmter im Feststellen der „paix sociale“: die schlimmen Leidenschaften ist das „unten“, und dagegen müsse man von oben aus reagiren.
Fast sollte man glauben, einen Hansemann-Camphausen sprechen zu hören. Guizot kann nicht leiden, daß man von sozialer Brüderlichkeit spricht. „Nichts führe mehr die Völker ihrem Abgrunde zu,
als mit Worten sich abzahlen zu lassen“. Es muß heißen:
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„paix sociale“. Wird die Republik sociale diese „paix sociale“ geben können? Guizot ist sehr besorgt darüber; und warum? Weil neben der Republik das Wort démocratique
steht, und der Mann, der eben noch so sehr darauf bestand, sich nicht mit Worten zahlen zu lassen, frägt in vollem Ernste: „Hat man je gehört, daß die vereinigten Staaten sich demokratische
Republik genannt haben?“ Gervinus und sein Anhang werden Guizot sublim finden: die Franzosen finden den austère intriguant mehr als absurde. Das Wort démocratique, meint Guizot, hätte in
Amerika auf die Ausschließung der Angesehnern und Reichen hindeuten können, und Washington, als man ihn um die Wahl der Offiziere befragte, habe ja ausdrücklich gesagt: Nehmt als Offiziere nur
Gentlemen, das sind die sichersten und die fähigsten. Nach dieser philologischen Erörterung kommt eine sogenannte philosophische über denselben Gegenstand. Nur in einem Punkt ist Guizot mit uns
einverstanden, daß die Fahne der demokratischen Republik keine andere sein kann als sozialer Krieg. Wenn aber für Guizot sozialer Krieg französischer Bürgerkrieg bedeutet, so heißt dagegen der soziale
Krieg in der Sprache der französischen Demokraten Weltkrieg: Krieg der verbündeten Demokraten aller Nationen gegen die vereinigte Bourgeoisie.
Haben die französischen Rothschilds nicht ihre Häuser in London und Wien, und ist das Interesse aller dieser Rothschilds in den verschiedenen Ländern direkt entgegengesetzt den Interessen der
Proletarier? Aber Guizot will den „sozialen Frieden“ und nicht den sozialen Krieg, und was steht der Feststellung des sozialen Friedens im Wege? Die soziale Republik! Die soziale
Republik ist für Guizot eine Staatsform die nicht neu und allenthalben, wo man versucht habe, sie einzuführen, sei sie gescheitert. Wie der Handel, die Industrie, die Produktionsweise mit dem
politischen Staate zusammenhängt, davon kein Wort. Die Politik ist für ihn etwas ganz unabhängiges, und es handelt sich blos darum, die beste politische Form jedesmal herauszufinden, um sie sofort als
Staatsform „einzuführen.“ Als wenn nicht die Politik grade das Heraustreten, die Spitze alles sozialen Lebens wäre! Als wenn nicht die Entwickelungsstufe, auf welcher in einem Staate der
Handel, die Industrie, überhaupt die Produktion angelangt ist, eine ganz bestimmten Politik, einer ganz bestimmten Verwaltungsform entspräche? Ist dann die politische Staatsform vielleicht etwas
anderes als die Gesammtverwaltung aller verschiedenen sozialen Stellungen? Und Herr Guizot spricht von der Einführung des Sozialismus, von der Einführung des Kommunismus, von der Einführung der
sozialen Republik, die schon zu wiederholten Malen in Afrika im Mittelalter, im Alterthum versucht worden und jedesmal gescheitert sei. Die soziale Republik, sagt Guizot weiter, ist die
Gleichberechtigung aller zur Glückseligkeit. Die Sozialisten und Kommunisten stellen als erste Bedingung dieser Glückseligkeit gleiche Berechtigung an den Genüssen des Lebens, gleiche Berechtigung an
den irdischen Gütern auf, welche zur Befriedigung der Bedürfnisse dienen. Falsch! die Sozialisten und Kommunisten vergessen die himmlischen Güter, sie vergessen Gott; die soziale Republik führt zum
Chaos; sie ist die Entwürdigung des Menschen, und darum unmöglich. Guizot entwickelt und begründet diese Wahrheit, wie er sagt, auf philosophischem Wege, und wird vielleicht deshalb wieder sehr
steigen in den Augen der Deutschen; die Engländer fahren fort ihm seine Unwissenheit im Handel, Industrie und Schiffahrt vorzuwerfen. Diese Unwissenheit tritt erst recht hervor, wenn Guizot auf die
nähere Klassifizirung der Franzosen eingeht. Es gibt zwar keine Klassen bei den Franzosen, wie Guizot behauptet, da ja die erste Revolution schon allen Klassenunterschied abgeschafft habe. Aber es
gibt noch einen Unterschied zwischen Armen und Reichen, es gibt noch 1) Franzosen, die blos von ihrem Kapital leben, ob mobiles oder immobiles, ob industrielles oder agrikoles Kapital, 2) Franzosen,
die genöthigt sind, dieses Kapital in eigener Person zu exploitiren, 3) Franzosen, die von ihrer Arbeit leben, ohne Kapital noch Grundeigenthum. Alle diese Personen sind nach Guizot gleich berechtigt,
da ja für alle und auf alle das Civilrecht anwendbar sei, da ja alle durch dieselben Rechte regiert würden, da folglich alle gleich seien vor dem Gesetze. Wie aber das französische Kapital von dem
englischen, wie das englische von dem Weldmarkte und der Konkurrenz abhängig, wie überhaupt die Kapitalien mit den Hypotheken, den Staatssch., wie die Staatssch. mit der Industrie, dem Ackerbau, wie
dann der Ackerbau und die Industrie am Ende wieder mit den auswärtigen Märkten zusammenhängen, darauf geht Guizot nicht ein. Aber worauf Guizot eingeht, das ist 1) der Sinn, der sich allenthalben für
das Grundkapital, für die Erde zu erkennen gibt, und dann wird er ganz idyllisch, ganz geßnerisch gestimmt, und vergißt, wie das idyllische, wie das geßnerische Kapital einem unter den Füßen
weggezogen werden kann, durch die bloße Einwirkung des industriellen Kapitals; wie dann alle Vorliebe zur Erde einem verbittert werden kann, trotz aller Verwandtschaft, welche die Erde, der
Grundbesitz mit dem Schöpfer der Erde, und mit Gott und mit der Natur haben kann. Wann er dann 2) auf die Arbeit übergeht, die ohne Kapital betrieben wird, so unterscheidet er die intellektuelle
Arbeit von der Handarbeit. Was die intellektuelle Arbeit anbetreffe, so müsse man anerkennen, daß die Männer der Intelligenz ersten Grades nicht besonderlich zugenommen hätten, und hierunter versteht
Guizot sich selbst, während die zweite Stufe der Intelligenz sich allenthalben vermehrt habe.
Hätte Guizot Adam Smith studirt, so wüßte er, daß ein Gelehrter von einem Handarbeiter sich nicht mehr unterscheidet, als ein Pudel von einem Windspiele, und daß der alleinige Unterschied einzig
und allein durch das Kapital, d. h. durch die einfachen verlorenen Arbeitstage bestimmt werde, welche der Pudel resp. der Gelehrte auf seine Erziehung zum Windspiele hat verwenden können. Wie dem aber
auch sein mag, so bemerkt Guizot, daß täglich mehr die Liebe zum Grundbesitze, die Liebe zum patriarchalischen Leben, zu den virgilischen Freuden steige, während die englischen Oekonomen gerade mit
der größten Klarheit darthun, daß dasjenige Land, in welchem sich dieser Guizot'sche Trieb kund thut, zu den übrigen Ländern in einem untergeordneten Verhältnisse stehe. Wenn man überhaupt die
kleinbürgerlichen Ansichten Guizot's hier mit dieser Klarheit auseinandergesetzt sieht, so frägt man sich mit Aerger, wie ein solcher Mann so lange Jahre Minister Frankreichs sein konnte? O,
die Engländer hatten Recht! So lange Guizot in ideologischer Sprache die Interessen der französischen Rothschild's vertrat, in so weit diese rothschild-französischen Interessen mit den
englisch-rothschildschen Interessen zusammentrafen, lobten sie den französischen Gelehrten.
Wenn aber die französischen Interessen mit den englischen in Widerspruch geriethen, und der französische Gelehrte in seiner Bornirtheit sich ideologisch-philosophisch widersetzte, wie ein wahrer
deutscher Gelehrte mit seinem tète carrée, dann schrieen die Engländer: O, der Tölpel! er versteht nichts von Handel, Industrie, Kolonieen und Staatsschuld und steht an der Spitze
Frankreichs!
Die Gegenwärtige Schrift ist der Tod Guizot's; dann sie deckt seine Schwäche, seine Unwissenheit in ihrer ganzen Blöse auf! Nach Guizot's Meinung ist das Grundkapital, die Erde, das
sicherste, dasjenige, welches den Menschen am meisten an Gott, an die Welt, an das Universum bände; deshalb müsse es auch am meisten berücksichtigt werden. Wenn man bedenkt, daß die Kapitalisten und
Wucherer fast alle Grundbesitzer mit allen, den Grundbesitzern eigenen, idyllischen Freuden in ihrer Tasche haben, so wird man ganz irre an Guizot, wenn man liest, wie bei dem Grundbesitz der Mensch
immer Angesicht Gottes stände, wie Gott es sei, der über die Jahreszeiten, über Sonne und Wetter verfüge etc. etc. Wahrhaftig, man verzeiht ihm gerne die Geschlachteten von Buzancais, um mit desto
größerer Wuth erfüllt zu werden gegen diejenigen, welche wussten, was es für Bewandniß mit allen diesen Dingen hat und diesen Guizot an die Spitze setzte. Wie Guizot mit dem Grundeigenthume verfährt,
so verfährt er mit der Arbeit. Die Grundursache des Elendes ist der Müßiggang. Wie der Müßiggang mit dem Weltmarkt zu sammenhängt, wie die Industrie gezwungen ist, durch die Phase der Prosperität und
der Krise durchzugehen, und den Arbeiter auf's Pflaster zu werfen, das alles ist dem Herrn Guizot fremd! Und dieser Mann ist Minister gewesen! Und dieser Mann will wieder Minister werden und
nach Paris zurückkommen, und die „paix sociale“ begründen. Wtll man nun noch wissen, was die „paix sociale“ ist?
Es ist die Verurtheilung der Demokratie, und so lange wir in der Demokratie, in dem Chaos bleiben, ist jede Regierung, ob Monarchie, ob Republick, unmöglich? Und die Regierung Guizot's,
dieses Mannes des beschrankten, bornirten, patriarchalischen Lebens möglich gewesen! O Schade über Frankreich und seine Rothschild's. Schade über das Bourgeois-Frankreich! Aber die Rache naht
heran: das Proletarier-Frankreich sieht seine alten Männer zurückkommen; es läßt sie ruhig ihre „Systeme“ wieder ganz bloß aufstellen, um ihre Systeme und ihre Personen die blos ohne
Unterstützung des Kapitals und der Armen dastehen, mit einem Schlage vernichten zu können. Frankreich, endigt Guizot, bedarf noch der Hulfe vor Gott, um gerettet zu werden. Nein! Nein, der Gott, den
Guizot meint, ist Guizot! Nun wohl! Guizot, komm herüber nach Frankreich und rette Frankreich! Armer Tropf, der keinen Handel noch Wandel versteht, und keinen Rothschild, keinen Louis Philipp mehr
hat.
— National-Versammlung. Sitzung vom 12. Januar. Concordiaplatz, die Brücke und Quats sind mit Volksgruppen gefüllt, durch welche die Pariser Gardiens aber leicht dringen. Von äußerer
Militairmacht sieht man nichts, doch sind einige Kompagnien ins Innere des Sitzungsgebäudes gelegt, um sich gegen Handstreiche zu schützen. Auf den Galerien ist längst kein Plätzchen mehr zu haben,
alle sind überfüllt. Um 2 Uhr nimmt Marrast den Präsidentenstuhl ein und das Protokoll wird verlesen. Die Bänke sind stark besetzt, es mögen wohl über 800 Deputirte anwesend sein.
An der Tagesordnung befindet sich zunächst ein Additionalparagraph zur gestetgen [unleserlicher Text] für fremdes Salz.
Turk stellt den Antrag, den Schutzzoll gegen deutsche Salzzufuhr um 1 Fr. per 100 Kilo. zu er[unleserlicher Text]en, um die heimische Produktion zu schützen.
Passy, Finanzminister, sagt: Es existiere bereits ein Schutzzoll von 50 Cent, dieser [unleserlicher Text] hinreichend.
Die Versammlung verwirft den Antrag.
Favreau, Luneau und Crespel de la Touche beantragen eine Erhöhung von 4 und resp. von 4 1/2 Fr. auf raffinirte Salze.
Talon, Leremboure und Ra[unleserlicher Text]doing unterstützen und bekämpfen diese Erhöhung, aber die Versammlung schenkt ihren Vorträgen kein Gehör.
Marrast: Es ist unmöglich, daß die Diskussion bei der herrschenden Unaufmerksamkeit fortdaure. Ich schlage vor, dieselbe auf morgen zu vertagen. (Ja! Ja!) Der nächste Gegenstand an der
Tagesordnung ist der Rateau'sche Antrag auf Auflösung der National-Versammlung.
Zum Verständniß der Leser bemerken wir, daß Rateau's Antrag lautet:
1. die National-Versammlung am 19. März aufzulösen;
2. die nächsten Kammerwahlen für den 4. März auszuschreiben;
3. nur noch das Wahlgesetz und das Gesetz Behufs Einsetzung des bekannten Staatsrathes jetzt zu votiren.
Es schlägt 3 1/4 Uhr.
Deseze erhält zuerst das Wort: Mitglied der Minorität des Ausschusses, der den Rateau'schen Antrag prüfte, glaube ich Ihnen die Gründe auseinander setzen zu müssen, welche diese
Minorität bestimmten, den Antrag zu unterstützen. Diese Gründe lassen sich in zwei Klassen theilen. Erstens wandte man uns ein, daß der Antrag die Verfassung verletze. Dieses sei aber irrthümlich.
Der Redner tritt in eine lange Deduktion, um zu beweisen, daß der Artikel 115 der Verfassung keineswegs verletzt werde.
Zweitens wandte man uns ein, jetzt auseinandergehen, hieße sein Mandat verrathen! Diese Leute sagen, die Constituante habe ihr Werk noch lange nicht geendet, kaum begonnen. (Ja! Ja! Nein!) Was hat
eine Constituante zu thun? Das Verfassungswerk. Wohlan, das unsrige ist vollendet. Sie muß also der gesetzgebenden Kammer Platz machen. ‥‥
Stimme zur Linken: Beweisen Sie doch, daß sie alle konstituirenden Enwürfe erledigt!
Deseze: Eine Aufgabe war die Verfassung zu machen!
Der Redner verliert sich abermals in langen Betrachtungen, durch die er zu beweisen sucht, daß die Versammlung keineswegs den Auftrag hatte, alle sogenannten organischen Gesetze zu berathen.
Endlich, ruft er nach Herzahlung aller Gründe, könnt Ihr doch bei der allgemeinen Volksstimme nicht bleiben. Alle Wahlkörper (Oh! Oh!) verlangen Eure Auflösung; ein mächtiger Volksstrom wälzt sich bis
zu Euch heran und ruft Euch zu: Geht auseinander. (Starke Unterbrechung vom Berge.) Aus allen diesen Gründen votire ich für den Rateau'schen Antrag.
Pierre Bonaparte (Bruder Canino's): Ich nehme das Wort, um den Antrag zu bekämpfen. Daß ich dies thue, geschieht, weil ich die Stabilität unsrer republikanischen Einrichtungen
wünsche.
Der Redner beweist unter starkem Applaus der Linken, daß er den Antrag für reaktionär halte. Jeder solle fest auf seinem Sitz aushalten.
Dieser Antrag erntet stürmischen Beifall zur Linken.
Montalembert besteigt die Bühne.
Ich befand mich, beginnt Montalembert ironisch, zeitlebens in der Opposition, d. h. in der Minorität, und wenn dann die Zeit kam, daß die Majorität fiel, sagte ich nicht zu ihnen: Gehet von hinnen,
sondern: Gehen wir von hinnen. Dieser Fall ereignet sich auch heute. (Allgemeines Gelächter.) Ich sehe mich in Gegenwart von drei Parteien 1. eine Minorität, die um jeden Preis fort will. Sie hat
viele Gründe, hauptsächlich die Hoffnung, wieder zurück zu kehren. Die 2. Fraktion, ebenfalls Minorität, möchte zu jedem Preise bleiben, weil sie sicher ist, nicht mehr zurück zu kehren. Eine 3
Fraktion endlich hat keinen Entschluß; sie wird aber den Ausschlag geben: zu ihr ist es vorzüglich, an die ich mich heute wende.
Nach dieser sarkastischen Einleitung beginnt die eigentliche Rede. Das Haupt der katholischen Partei beleuchtet die Bedeutung der Wahl des 10. December und frägt dann die Linke, wer ihr denn das
Recht gebe, gegen diese Volksstimme zu intriguiren? (Lärm.)
Ihr bewaffnetet das Volk mit dem allgemeinen Stimmrecht, und es hat Euch am 10. geantwortet. Beugt Euch also. Cavaignac's schönster Tag, schließt Montalembert seine einstündige
Exepktoration, sei nicht der Junitag, an dem er die Gesellschaft (soll heißen Bourgeoisie) gerettet, sondern der Tag, an dem er diese Staatsgewalt niedergelegt (Agitation).
Billault: Der Vorredner sagte unter Anderem, es bedürfe vor Allem der Aufrichtigkeit in der Diskussion. Wohlan, mein Gewissen hat keine Bange vor dem Spruch des öffentlichen Stimmrechts. Das
Recht der National-Versammlung ist unbestreitbar. Als wir in die Verfassung schrieben, daß wir die organischen Gesetze noch votiren würden, als wir am 11. December diese Gesetze noch speziell
bezeichneten, zeichneten wir unsere Bahn und ihr Ziel selbst vor. Unser Recht ist unbestreitbar. Was hat sich denn seit dem 10. December ereignet? Der Präsident und sein Ministerium haben ein Programm
erlassen (der Redner liest beide Programme und knüpft ziemlich lange Kritiken daran, welche zeigen sollen, daß principiell kein Unterschied zwischen der Majorität der Versammlung und den
ministeriellen Ansichten, sowie dem Präsidenten bestehe). Da sie also prinzipiell einig seien, so sehe er keinen Grund zur Auflösung vor dem Votum aller organischen Gesetze. Sein Wunsch geht auf
Stabilirung der Republik. Das Petitionsfieher sei ein künstliches. Wer bewirkt diesen Petitionssturm durch das ganze Land? Gerade diejenigen, die sich Conservateurs nennen! (Beifall.)
Odilon Barrot, keine Spur von Unwohlsein, erklärt, daß er den Gedanken der Regierung auf diese Rede zu erkennen geben werde. Dieser Gedanke besteht in der Erklärung, daß mit der
National-Versammlung keine Zukunft möglich (Stürmische Unterbrechung). Nach Barrot wird die Debatte wahrscheinlich vertagt. (7 Uhr.)