Französische Republik.
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] Paris, 9. Jan.
Die stillfriedliche Association der Köche ist den Arbeitsausbeutern und Bourgeoisfreibeutern gefährlicher, als eine donnernde Emeute von drei Tagen und drei Nächten. Da sitzt das Blousenvolk an den
langen Tischen im großen Salon, in behaglicher Wärme und im ambrosischen Duft der prasselnden Bratküche; da kredenzen ihm seine associirten Brüder, die Köche, reinere, wohlschmeckendere, billigere
Speise, als es je im Leben genossen hat, und ohne diese Association auch gar niemals zu genießen bekommen würde. In der Straße Simon le Franc, im Centrum des arbeitsamen Viertels, ist es wahrlich ein
erhebender Anblick, sie zu betrachten, diese Gefährten der Juniinsurgenten, wie sie heute lächelnd ihre wackern Zähne die trefflichen Associationsbraten zermalmen lassen, mit zwölf Sous sich sättigend
und nährend; und bei jedem Bissen und bei jedem Schluck blitzt das dunkle Auge: „jetzt nähren wir uns, ihr reichen Faullenzer, ihr reichen Schufte, und stärken uns materiell und moralisch zum
letzten Strauß mit euch, dann werden wir euch zerbeißen wie dieses Rostbeaf, aber vorher lassen wir euch Ader, reiche Hallunken, unsere Associationen saugen vorher euch ein gut Theil Bluts
aus.“ Und während die Heerdfeuer der republikanischen Speiseanstalten lodern, und die „Bürger Köche“ emsig in ihren weißen Anzügen die „Bürger Gäste“ bedienen (das
Wort Monsieur ist dort unerhört), während ein reicher Restaurant alten Styls nach dem andern die Bude schließt „von wegen Ueberflusses an Geldmangel“, während die Bourgeoisie der
hochgelegenen Finanzregion zähneknirschend und racheschnaubend die unvermeidliche Stromflut der Volksmacht heraufziehen sieht, die dem Wucher ein Ende setzt; während die Zeitung dieser Banditenklasse
„Assemblée nationale“ dumpf wuthheulend wie'n gutgeschulter Räuberhund den Schwanz zwischen die Beine klemmt und die Ohren legt, zum Sprung und Biß in die Gurgel des Volkes
gewärtig: balgen sich die großen Politiker um Ministerportefeuilles. Es ist zum Jauchzen. In 8 Tagen ist Papa Odilon Barrot vielleicht zur Thür herausgeschmissen und Meister Molè und Thiers sitzen
auf der Ministerbank, und bieten die Hand der neuen heiligen Allianz Preußen's, Rußland's und Oestreich's, und schicken dem Jellachich den Ehrenlegionsorden u. dgl. Das Blatt
„Assemlée nationale“ spricht mit Klarheit die Nothwendigkeit aus, die Versammlung nach Hause zu senden, eine neue, ohne Einfluß von republikanischen Emissären und Kommissären Ledrü
Rollins, wählen zu lassen, und dann vermöge des neuen royalistischen Parlaments den Präsidentensessel in einen erblichen Thron für Bonaparte, oder Louis Philipp, oder Henri, zu verwandeln. Während so
die Reaktion sich zusammenrafft, feiert auch die revolutionäre Aktion nicht. Der Franzose Justus hat den auf dem Berliner Demokraten-Congreß ausgesprochenen Gedanken eines großartigen europäischen
Demokraten-Congresses aufgefaßt, in mehreren Klubs und Broschüren besprochen, und schlägt einen politischen, einen artistischen, einen nationalökonomischen, einen wissenschaftlichen unter
Arago's, P. Leroux u. s. w. Auspicien zu berufen vor. Die Gottesgnaden-Congresse in Wien, Verona, Karlsbad haben die Menschheit entehrt; es ist Zeit, durch „Gegen-Congresse sie wieder zu
Ehren zu bringen“, ruft er. —
Bilanz Frankreichs.
(Fortsetzung).
Wir rechnen, dem großen Malthusianischen Doktor Dupin folgend, 4 Mill. Grundbesitzer und Grundpächter (so war es 1831), ferner 1,345,785 Patentinhaber, die runde 35 Mill. Fr. zahlten; im Jahre 1846
waren in Paris 61,341 Patentirte, die über 7 Mill. Fr. zahlten.
3. 627,000 Staatsbesoldete,
4. 213,168 Besitzer der ewigen Rente, d. h. Personen, die, ehe sie den Mutterleib verlassen, bereits Kraft Erbschaftsrecht vom Papa und Großpapa das Privilegium kriegen, über die Arbeitsspeicher und
Schweißschätze der französischen Proletarier zu verfügen, mit einem Wort: zu schmarotzen. Fragt sich, ob solch Parasitismus ein Zeichen von Gesundheit, oder nicht vielmehr mit aller Kunst und Macht
ausgerottet werden muß,
5. 154,875 Staatspensionäre,
6. 104,325 Leute mit Geldkaution erheischenden Aemtern, in Summa 400 Mill. Fr.,
7. 38,350 Inhaber von Lebensrenten,
8. 4 587,862 Inhaber von Hypothekzetteln, zum Belauf von eilf tausend fünf hundert Millionen Fr (anno 1841),
9. 408,482 Inhaber von Sparkassenbücher in der Provinz, zum Belauf von 242,246,182 Fr. laut Hrn. Cunin Gridaines Ministerialbericht von 1843,
10. 173,515 Inhaber von Sparkassenbücher in Paris, zum Belauf von 112,061,915 Fr. laut Hrn. Delesserts Bericht von 1844,
11. Inhaber von Industrie-, Bergwerks-, Eisenbahn-, Fabrik-, Schmelzhüttenakten, unzweifelhaft mehrere tausend Millionen im Total,
12. Inhaber von Bankaktien, oder Co-Associirte von Bankiers u. dgl., im Betrage von etlichen Millionen Fr.
Man würde fehlschießen, folgerte man hieraus etwas anderes als eben das uns längst klar gewordene trübselige Faktum, daß die fetten Bissen auf dieser Tabelle von beweglichen und nicht beweglichen
Schätzen nur denjenigen Herrschaften gehören, welche Kapital genug hatten, um besagte fette Bissen anzukaufen, oder welche Kraft öffentlicher Aemter gewisse Einflüsse auszuüben verstanden haben
Der Reichthum, sowohl der mobile als immobile, hat sich demgemäß zwischen den Fingern einiger weniger Auserkorner koncentrirt. Hierauf haben wir im Verlauf unsrer Betrachtung den Blick noch einmal
später zu lenken. Für jetzt beurkunden wir mit unserm Leser folgende empörende, brutale, aber schrecklich wahre Thatsache:
„Vor wenigen Jahren, und somit heute noch, existiren unter 33
Mill. Bewohner und Bewohnerinnen des gallischen Bodens, nur 3 bis 4000 Familienväter, die mit Fug reich zu nennen, d. h. deren Vermögen größerntheils vor finanziellem und politischem Schiffbruch
gesichert ist.“
Alle übrigen, angeblich Wohlhabenden, stehen Tag und Nacht auf der Wippe, und Hr. Gabriel Dellessert hatte Recht zu sagen, in der 64tägigen Unbesetztheit der Ministerbank im Jahre 1840 seien mehr
Unglücksfälle im Pariser Handel eingetreten, als nach den Aufständen von 1832. Was von Pest, Hunger, Prostitution, Henkerbeil und Kerkergitter, Arbeitsunglück durch die ungebändigte rohe Materie und
Naturgewalt, Strapazen aller Art nicht zu Tode gebracht oder erschüttert wird, das wird von den Schulden angenagt. Die Schulden sind ein schleichendes Gift, das den ganzen Socialkörper durchkriecht
und alle Organe antastet, ausgenommen nur einige wenige Privilegirte. Was die Religiösen einst die Erbsünde, die mystische „Schuld“ von Adam her nannten, das ist heute gar prosaisch und
kalt „die Schulden“ geworden. An ihnen gehen Individuen und die auf Menschen ausbeutung basirten Staatsformen ruhmlos und rettungslos unter. Für diese Untergehenden giebt es weder
Auferstehung noch Erlösung; mögen sie dahinfahren und dem neuen bessern Geschlechte nicht länger Raum und Licht stehlen. Wir haben ihnen gepredigt in Poesie und Prosa, in Rechenexempeln und
Syllogismen, vergebens. Wir haben appellirt an ihre Seele, an ihr Herz, wie an ihre Denkkraft, vergebens. Wir haben ihnen in die Brust gegriffen, dachten wir, wenn wir z. B. ihnen demonstrirten, daß
200,000 Prostituirte in Frankreich existiren unter 17 Millionen weiblicher Individuen, d. h. von je fünf und achtzig Töchtern der französischen Nation, der s. g. großen Nation, der s. g.
Civilisationsnation, muß sich eine prostituiren. Muß — versteht ihr? so wills eure Gesellschaftskonstitution. Denkt euch die privilegirten und unterdrückten Klassen der Nation einen Augenblick
durcheinander fließend, zieht durchs Loos fünf und achtzig Mütter, deren jede einen weiblichen Säugling auf dem Arm trägt, ruft die fünf und achtzig um den gleißenden Satansaltar des Sankt Malthus und
stellt euch auf diesen Altar der systematisirten Sünde und sprecht folgende Worte: „Versammelte Mütter, der heilige Malthus, Gottes Prophet, wie ihr wißt, befiehlt euch, unter euch ein Kind zu
erkiesen, eins von fünf und achtzig, auf daß es geweiht werde als Brandopfer der Prostitution und um die übrigen 89 rein zu erhalten. Amen! Denkt euch, dieses geschehe und denkt euch das Weitere.
Sagt, würden in namenlosem Zorne diese 85 Mütter nicht den großen festen Malthusaltar umstürzen wie einen Milchtopf? Würden sie nicht die Baalspfaffen und Malthusknechte, euch allesammt lebendig
zerreißen in zuckende blutige Fetzen wie fünf und achtzig Löwinnen den Feind ihrer Jungen? Würde nach einer Stunde noch ein Stein auf dem andern stehen im verruchten babylonischen Gebäude der
malthusianischen Politik? Seht, dieser Katastrophe geht ihr entgegen! — Ihr habt nichts hierauf entgegnet. Ihr habt pedantisch die Achseln gezuckt und die Augenbraunen erhoben. Die Katastrophe,
das Kataklysma bricht los über eure verfehmten Schädel, sobald das Volksbewußtsein sich mit Socialismus getränkt haben wird. An jenem Tage gnade euch euer Hergott, denn der unsrige flucht euch und wir
ziehen dann hassend unsre letzte Hand ab von euch, und das jüngste Gericht hebt an. Hütet euch vor den fünf und achtzig Müttern, Malthusianer. Ihr sitzt beim üppigen Mahl und schlürft den schäumenden
Pokal der Ueberlust und des Aberwitzes, und mit einem Rucke auf der Finanzmaschine fallen die Produkte fremder Arbeit euch millionenweise in die Taschen, und die Töchter des arbeitenden Volks werden
bethört durch euer Gold — was eigentlich nichts als ihr eigener und ihrer Brüder Schweiß und Thränen ist — und verkaufen sich, gezwungene Volontärinnen. Wundert euch nicht über die s. g.
socialistischen Frauen; ihr wähnet Orgien des
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Trimalkion zu feiern; wundert euch nicht, wenn manche eurer Bourgeoisfrauen, mit dem doppelten Gesichte begabt, ein Festmahl des Belsazar darin erblicken und die weiße Hand aus der goldenen Wand
hervorfahren mit dem rothen Griffel.
Eine Prostituirte auf 85 Französinnen, wollt ihr wissen, was das heißt? Ihr rechnet gern in Prozenten: das ist 1 3/17 Proc. Und wenn gerade eure Tochter die Zahl 1 3/17 auf der unschuldigen
Stirn trüge? Wie? was würdet ihr zu diesem Prozentchen sagen?
Wir bitten beinah den Leser um Entschuldigung, die Malthusier hier noch einmal angeredet zu haben; es ist dies einen Mohren weiß waschen wollen; der heilige Unwille übermannte uns.
Historische Notizen bieten sich in Menge dar; so findet sich, daß in Paris, der s. g. Welthauptstadt, von drei Sterbenden stets einer im Hospital stirbt. Seit zehn Jahren bekommen von sechs Leuten
fünf ein Begräbniß aus der Mildthätigkeitskasse.
In der Republik Rom waren am Ende nur zweitausend Römer die rem habuere (reich waren). Rom kümmerte sich nicht um die freie, aber arme Plebs, ließ sie in Schulden versinken, und dadurch allein
entstanden in Rom Bürgerkämpfe und Klassenkriege, Todtschlägereien in Masse und endliche Auflösung des Arbeiterstandes, d. h. Zerfallen des antiken Weltstaates.
Wir schreiten jetzt zur Betrachtung der in Frankreich verloren gehenden Kräften. Schon 1790 sagte Liancourt: „Das Mißverhältniß der französischen Bevölkerung mit der von ihr gelieferten
Arbeit ist Hauptquelle der Armuth,“ und Papion 1791 in seinem Mémoire sur la mendicité schrieb: „Arbeitslosigkeit, Elend wäre in den Arbeitsklassen unmöglich, wenn man es dahin
brächte, aus ihnen nicht nur Verfertiger, sondern auch Genießer des durch sie Verfertigten zu machen. Damit alle Welt arbeite, muß offenbar alle Welt genießen.“
Es ist sonnenklar, je menschenreicher ein Land, desto produktenreicher wird es; es schließt seinen Schooß nur der menschlichen Arbeit auf. Schlaraffenländer mit gebratenen Gänsen giebt es nicht.
Arbeit ist die Muskel- und Geisteskraft des Menschen, wodurch er mit den Naturmächten und Naturstoffen handgemein wird, und dadurch entsteht aus dem rohen Boden das Kapital. In Frankreich wohnen auf
einem Quadratkilometer 65 Menschen, in Europa überhaupt nur 25.
Theilen wir die Einwohner unseres Landes in 15 Altersstufen; im Jahre 1846 waren
von 9 Jahren und darunter 3,481,805 mänl. Individuen u. 3,481,806 weibl. |
von 9 Jahren bis 16 2,306,715 mänl. Individuen u. 2,306,716 weibl. |
von 16 Jahren bis 21 1,547,017 mänl. Individuen u. 1,547,018 weibl. |
von 21 Jahren bis 25 1,177,371 mänl. Individuen u. 1,177,372 weibl. |
von 25 Jahren bis 30 1,380,884 mänl. Individuen u. 1,380,884 weibl. |
von 30 Jahren bis 35 1,284,115 mänl. Individuen u. 1,284,115 weibl. |
von 35 Jahren bis 40 1,176,501 mänl. Individuen u. 1,176,502 weibl. |
von 40 Jahren bis 45 1,075,288 mänl. Individuen u. 1,075,288 weibl. |
von 45 Jahren bis 50 957 500 mänl. Individuen u. 957,501 weibl. |
von 50 Jahren bis 55 846,930 mänl. Individuen u. 846,930 weibl. |
von 55 Jahren bis 60 716,998 mänl. Individuen u. 716,998 weibl. |
von 60 Jahren bis 65 578,625 mänl. Individuen u. 578,626 weibl. |
von 65 Jahren bis 70 451,970 mänl. Individuen u. 431,970 weibl. |
von 70 Jahren bis 80 445,700 mänl. Individuen u. 445,700 weibl. |
von 80 und darüber 97,072 mänl. Individuen u. 97,073 weibl. |
Anno 1826 waren 30 Mill. |
im Total. |
Anno 1846 waren 35 Mill. |
im Total. |
[unleserlicher Text]17,500,000 mänl. Individuen u. 17,500,000 weibl. |
Die Geschlechter sind also doch ziemlich gleich numerisch vertreten. Ein Viertel der Einwohnerschaft bestand aus Kindern unter 9 Jahren, und aus Greisen über 65 Jahre.
Veranschauliche der Leser sich dieses in folgenden Tabellen:
Männliche Einwohnerschaft Frankreichs, betrachtet nach ihrer Körperkraft, d. h. Arbeitstüchtigkeit:
1) Kraftblüthe: 7,051,659 Personen von 21 à 50 Jahren. |
2) Mittelkraft: 3,100,945 Personen von 16 à 60 Jahren. |
3) Kraftmangel: 3,317,310 Personen von 9 à 70 Jahren. |
4) Schwäche: 4,024,577 Personen von unter 9 à über 80 Jahren. |
Durch diese 7 Mill. der Kraftblüthe ließe wahrhaftig das französische Gesellschaftskapital sich etwas stärker vermehren als bisher; aber Malthus regierte und regiert, die Socialisten kommen in
Kerker und Bande.
Weibliche Einwohnerschaft Frankreichs, betrachtet nach ihrer Körpergewandtheit, d. h. Arbeitsfähigkeit:
1) Blüthe: 7,641,176 Personen von 16 à 45 Jahren. |
2) Mittel: 3,264,215 Personen von 9 à 16 Jahren und 45 à 50. |
3) Mangel: 1,563,928 Personen von 50 à 60 Jahren. |
4) Schwäche und Ungeschicklichkeit: 5,035,172 Personen von 9 und darunter Jahren und von 60 aufwärts. |
Oder auch so:
1) 7,051,659 männl. und 7,641,176 weibl. Pers., Summa 14,692,835 P. |
2) 3,100,945 männl. und 3,264,215 weibl. Pers., Summa 6,365,160 P. |
3) 3,317,310 männl. und 1,563,925 weibl. Pers., Summa 4,881,238 P. |
4) 4,021,577 männl. und 5,035,172 weibl. Pers., Summa 9,059,749 P. |
Auf 35 Mill. Einwohner kommen demnach 21 Mill. Arbeitsfähiger beides Geschlechts und verschiedenen Alters; 14 Mill. Arbeitsunfähiger. Die 21 Mill. Arbeitsfähiger müssen, wie sich von selbst
versteht und dem gewöhnlichsten Verstande klar ist, aber nicht den Herren Malthusschülern und Professoren des Privilegiums, das Doppelte ihres Bedarfes hervorbringen, nicht nur behufs der 14 Mill.
Nichtarbeitsfähiger, sondern auch um den Gesellschaftsschatz mit wachsender Bevölkerung zu vermehren. Die französische Nation steigt aber durch Ueberschuß der Geburten über die Todesfälle, jährlich um
150 bis 160 Tausend Individuen.
Und was ergiebt sich dabei?
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12
] Paris, 9. Januar.
à l'ordre du jour! l'ordre du jour: die Tagesordnung in der Deputirtenkammer ist an der Tagesordnung! Bei allen Fragen, die einigermaßen in das Fleisch der Verwaltung eingehen,
Tagesordnung! Stellt man das Ministerium zur Rede über seine äußere Politik, über sein Verhältniß zu Malleville, über die Arbeitsfrage, gleich wird Alles in Ordnung gebracht mit der Tagesordnung. Und
diese Kammer will sich erhalten! und zweihundert Mitglieder bilden einen neuen Club (des beaux arts) zur Aufrechterhaltung der Kammer! Was denkt dann der Club des beaux-arts? Wenn es hoch zu stehen
kömmt, so heißt es: die Frage wird einer speziellen Commission zur Ergründung überwiesen! Und die Kammer überträgt einer Commission die Ergründung von Fragen, die gar keiner Lösung mehr bedürfen, die
schon dadurch gelös't sind, daß sie sich aufdringen! Die Frage über die Abschaffung oder Beibehaltung der Artikel 415, 16, und 17 des Code pènal soll einer Commission überwiesen werden! Und
warum handelt es sich in diesen Artikeln? Ueber die Abschaffung oder Beibehaltung der Coalition! d. h. ob Coalition unter Arbeitern geduldet werden solle oder nicht. Grade als wenn man über die
Abschaffung oder Beibehaltung der Revolutionen dekretiren wollte. Grade als wenn man, wie es Lamartine versuchte, den Antagonismus zwischen Bourgeoisie und Proletariat, durch Phrasen vermitteln
wollen!
In keiner Frage hat die Kammer, trotz ihres jetzigen revolutionären Schmollens, mehr ihren bornirten Bourgeoisstandpunkt bekundet, als eben in der Besprechung der Artikel hinsichtlich der
Koalitionen. Hätte sie die Frage verstanden, wäre sie wirklich der Ausfluß der Februar-Revolution, so hätte sie auf der Stelle merken müssen, daß die ganze Februar-Revolution nur ein Ausfluß von
Koalitionen war, sei es daß sich die Koalitionen kund gaben in den einzelnen Kämpfen einer Korporation gegen die Entrepreneurs zur Erlangung eines höheren Salairs, sei es in dem vereinigten Kampfe
mehrerer Korporationen zur Erlangung des Assoziationsrechtes, sei es endlich in dem ganzen Kampfe des vereinigten Proletariats zunächst gegen die politische Herrschaft Guizot's, und in weiterm
Sinne gegen die soziale Herrschaft des durch Guizot vertretenen Kapitals. Aber, wie gesagt, die Kammer sah in dieser Frage nicht, daß es sich um ihre eigene Existenz handelte, und sie blieb auf dem
kleinbürgerlichen Standpunkte stehn. Der geringste englische Proletarier hätte sogar vom Bourgeois-Standpunkte die Frage besser behandelt als der Minister Faucher.
Die erwähnten Artikel unterscheiden zwischen Koalitionen der Arbeiter und Koalitionen der Meister. Die erstern sind nach dem französischen Gesetze von vornherein als Vergehen betrachtet und
bestraft, der aggravirenden Umstände nicht zu gedenken, wo sie mit Gewaltthätigkeit, Drohung u. s. w. begleitet sind. Die Koalitionen unter Meistern konstituiren nur dann ein Vergehen, wenn sie zum
Zwecke haben, den „Arbeitslohn auf eine ungerechte Weise herabzudrücken“. Der Antrag ging dahin, diesen Unterschied im Code pénal abzuschaffen und zwischen Arbeitern und Arbeitgebern
eine vollständige Gleichheit als Prinzip aufzustellen. Der Minister Leon Faucher, der Vertheidiger der freien Konkurrenz, des laisser faire und laisser passer, war gerade derjenige, der den Antrag am
meisten bekämpfte, und auf die alte Fassung der in Frage stehenden Artikel bestand, während Grandin, ein Manufakturbesitzer, die Partei der Arbeiter ergriffen hat. Die ganze Diskussion drehte sich um
die Definition der Koalitionen und um England. Nach Faucher sind die Koalitionen unzertrennlich von Gewaltthätigkeit. Um letztern vorzubeugen, müsse man die Koalitionen verbieten. Diese Verbote
nützten zwar nicht viel; denn in England z. B. sieht man tausende von Arbeitern an einem bestimmten Tage durch ganz England durch die Arbeit einstellen, ungeachtet aller Verbote: aber schon der
„Moral“ wegen müsse man das Verbot aufrecht halten. Als wenn die ökonomische Nothwendigkeit in England nicht allein der „Moral“, sondern der ganzen Politik das Gesetz
gemacht hätte! „In England, sagt Karl Marx in seinem Buche „Misère de la philosophie“, sind die Koalitionen authorisirt durch einen Parlamentsakt, und gerade das ökonomische
System ist's, welches dem Parlament diese Autorisation durch ein Gesetz abdrang.
Als im Jahre 1825 unter dem Ministerium Huskisson das Parlament sich genöthigt sah, die Legislatur abzuändern, um sie in Einklang zu setzen mit einem Zustande der Dinge, wie er aus der freien
Konkurrenz entsprang, sah es sich natürlich auch in die Nothwendigkeit versetzt, alle Gesetze abzuschaffen, welche die Koalitionen der Arbeiter untersagen. Mit der Entwicklung der Industrie und der
Konkurrenz entwickeln sich auch natürlich die Elemente, welche die Koalitionen hervorrufen und begünstigen, und sobald die Koalitionen ein ökonomisches Faktum geworden, werden sie nothgedrungen auch
ein legales Faktum. Der Artikel im Code penal beweist also höchstens, daß die moderne Industrie und die Konkurrenz noch nicht weit genug entwickelt waren zur Zeit der konstituirenden Versammlung und
Napoleons.“
Morin und Carbon treten für die Abschaffung der Artikel des Code penal auf. Sie berufen sich auf das Beispiel Englands, wo die Gesetze gegen die Koalition faktisch abgeschafft seien. Was erwiedert
ihnen Faucher? England müsse sehr dafür büßen. Die Arbeiter verzehrten während der Arbeitseinstellung das mühsam Errungene, nähmen den Arbeitgebern gegenüber eine feindselige Stellung ein, so daß
diese Koalitionen, in weiterm Maße, bald zwei Klassen der Gesellschaft gegenüberstellten, die sich beständig bekämpften. Dieses müsse man verhüten. Also Leon Faucher will den Klassenkampf verhüten,
der in vollem Gange ist; Leon Faucher will sich der revolutionären Bewegung der Arbeiter entgegenstemmen, die gerade mit der industriellen Bewegung gleichen Schritt hält.
„Die Koalitionen,“ sagt Marx in den angeführten Büchern, „nehmen an Ausdehnung und Macht zu mit der Ausdehnung und Entwicklung der Industrie. In England, wo die Industrie am
weitesten ist, finden wir auch die umfassendsten und bestorganisirtesten Koalitionen… Die große Industrie häuft an demselben Orte eine Masse Menschen an; durch die Konkurrenz stehen sie in
ihren Interessen einander gegenüber; durch die Nothwendigkeit, ihr Salair aufrecht zu halten gegen ihren Meister, gewinnen sie ein gemeinsames Interesse, begegnen sich in dem gemeinsamen Gedanken der
Widerstands-Koalition. Die Koalition hat also einen doppelten Zweck, den Zweck, die Konkurrenz der Arbeiter unter sich einzustellen, um der Kapitalistenklasse eine allgemeine Konkurrenz machen zu
können.
Der erste Zweck des Widerstandes ist also die Aufrechterhaltung des Salärs. Im Maße aber, als sich die Kapitalisten ihrerseits vereinigen in einem gemeinsamen Gedanken der Repression, bilden sich
die zuerst vereinzelten Coalitionen in Gruppen, und dem Kapital gegenüber, das immer vereint ist, wird die Aufrechthaltung der Association für sie wichtiger als die des Salärs. In diesem Kampfe
innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft vereinigen und entwickeln sich alle zu einer künftigen Schlacht nöthigen Elemente. Wenn einmal die Assoziation uuf diesen Punkt angelangt ist, erhält sie einen
politischen Charakter.“
In der Februar-Revolution und durch die Februar-Revolution waren die Artikel gegen die Coalition von selbst abgeschaft. Die Partei, welche die Uebertreter hätte zur Strafe ziehen können, war
gestürzt; und in dieser gestürzten Partei befand sich Leon Faucher mit allen seinen Organisationsplänen zur Rettung der Arbeiterklasse.
Die Artikel 415 und 416 konnten Guizot sowenig von dem Sturze retten als Leon Faucher, weil die Coalitionen stärker geworden waren als die Vertheidiger der alten Gesellschaft und die
Organisationspläne der Oekonomen.
In den Koalitionen liegt schon, wie Marx handgreiflich nachweist, die ganze Organisation der Arbeiterklasse, und da dieselbe eben durch die Herrschaft der Bourgeoisie hervorgerufen werden, da die
Koalitionen sich bilden, sich organisiren innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft, und der bürgerlichen Gesellschaft gegenüber, so ist mit dem Sturze der letztern schon die Organisation der neuen
Gesellschaft gegeben. Wenn wir nun den mit seinen Organisationsplänen und mit Guizot gefallenen Faucher plötzlich wieder auf eine Stufe angekommen sehen, wo er an Guizot's Stelle organisiren
und die umgeworfenen Artikel einer Kommissian zur Prüfung übergeben kann, so hängt dieses genau mit den Ereignissen nach der Februar-Revolution zusammen, weil die Arbeiter selbst ökonomisch noch nicht
genug herangebildet waren, und ein großer Theil unter ihnen noch die Illusionen Faucher's theilte. Erst durch die Juni-Insurektion haben die Arbeiter diese Illusionen verloren. Während die
Kommission beschäftigt ist, über die Statthaftigkeit der Koalitionen theoretisch zu statuiren, treten dieselben praktisch in's Leben durch die Assoziationen der Arbeiter, und nehmen tagtäglich
einen drohendern Charakter an.
Nationalversammlung. Sitzung vom 9. Januar. Anfang 2 Uhr. Präsident Marrast.
Fould trägt vor der Tagesordnung darauf an, dem neuen Paragraphen des Reglements Rechtskraft zu geben, welcher die dreimalige Debatte jedes Gesetzentwurfs vor der Abstimmung verordnet.
Marrast: Aehnliche Anträge wurden früher gestellt, Ich konsultirte die Versammlung und sie entschied, daß die Rechtskraft erst eintreten solle, wenn alle neuen Paragraphen des Reglements
votirt sein würden.
Deslongrais unterstützt seinen Freund Fould: Die Reglementsänderungen hängen ja nicht unerläßlich zusammen; es könne also jene wichtige Bestimmung unverzüglich Rechtskraft erhalten.
Bixio, Exminister nimmt das Wort: Das Ausscheiden einiger Minister, beginnt er, sei von Verläumdungen begleitet gewesen. Alle diese Verläumdungen hätten sich als falsche Gerüchte
herausgestellt, darum habe er sie verachtet. Heute aber, wo der Courrier de la Gironde (Bourdeaux) förmliche Anklagen gegen die Exminister erhoben, werde er ihn vor Gericht ziehen. Indem er dieses der
Versammlung anzeige, benutze er diese Gelegenheit, um sie zu versichern, daß die höchste Einigkeit im Kabinet geherrscht habe und daß Hr. v. Maleville neulich die volle Wahrheit gesprochen.
Odilon Barrot bestätigt als Großmeister das Gesagte: Wenn wir irgend etwas zu bedauern hätten, so war es die übertriebene Empfindsamkeit, welche den Redner bewog, dem Beispiel seines
Freundes zu folgen. (Ah! Ah! von der Linken.)
Donatien Marquis legt hierauf der Versammlung Bericht ab über die Wahl Luzian Bonaparte's, Bruder Peters und Canino's, der mit 11,677 Stimmen über den General Arrighi in
Corsika gewählt wurde. Mehrere Protestationen sind eingelaufen, welche beweisen, daß 10jährige Knaben votirten, weshalb der Redner im Namen des Prüfungsausschusses auf Vernichtung der Wahl
anträgt.
Luzian vertheidigt sich.
Trotzdem tritt die Versammlung dem Ausschusse bei und verwirft die Wahl.
Diese Entscheidung verursacht einige Aufregung im Saale und auf der Gallerie.
Die Versammlung nimmt hiernächst ihre eigentliche Tagesordnung (die Arbeit in den Gefängnissen) wieder auf.
Die Debatte war in letzter Sitzung bis Artikel 2 gerückt, der von der Bestimmung (Consumtion) der Gefängnißarbeiten handelt.
Charamaule schlägt vor, nur solche Artikel fabriziren zu lassen, die in's Ausland gehen, oder im Inland nicht fabrizirt werden.
Er findet indeß keine Unterstützung und die Versammlung schreitet zu Artikel 3.
Artikel 3 lautet:
„Die Arbeitsprodukte der Gefangenen sind vom Staate zu konsumiren.“
Man stellt den Antrag: die Worte „so viel als möglich (vom Staate zu konsumiren) hineinzuschreiben.
Wird angenommen.
Grevy zeigt sich in diesem Augenblick a[u]f der Bühne und will im Namen des Justizausschusses seinen Bericht über Rateau's Antrag auf „Auflösung der
Nationalversammlung überreichen.
Von allen Seiten: Vorlesen! Vorlesen! Wenigstens die Conclusionen!
Grevy verliest nach einigem Zögern, gegen welches Deslangrais, der Ungeduldige, protestirt, Conklusionen, welche lauten:
„Der Justizausschuß, in Uebereinstimmung mit dem Legislationsausschuß schlägt der Nationalversammlung vor, den Antrag des Bürgervertreters Rateau nicht in Betracht zu
ziehen.“
Die Debatte wird auf nächsten Freitag angesetzt.
Die Versammlung kehrt zur Gefängnißdebatte zurück, genehmigt die drei letzten Artikel des Entwurfs und hat somit endlich diese lästige Debatte erledigt.
Marrast läßt über das Gesammtgesetz abstimmen. Dasselbe wird angenommen.
Die Sitzung ist wegen des Diner's beim Präsidenten schon um 5 1/2 Uhr geschlossen.