[1047]
Beilage zu Nr. 193 der Neuen Rheinischen Zeitung.
Organ der Demokratie.
Freitag 12. Januar 1849.
[Deutschland]
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[Fortsetzung] principiell-politischer Bildung. Die badische Demokratie weiß zum größten Theil nicht, was sie will.
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[ 83 ] Göttingen, 7. Januar.
Unser liebes Königreich Hannover ist in vollem Wahlkampfe begriffen; denn die Wahlen für die Kammern finden in den nächsten Tagen statt. — Hier in unserer Musenstadt haben die Wahlagitationen schon seit längerer Zeit einen festen Charakter angenommen. Man unterscheidet deutlich drei Parteien. Die eine bilden die Professoren und Beamten mit ihrem Schweife von Privatdocenten, Universitätsverwandten, lehenspflichtigen Bürgern u. dergl.; ihr vornehmthuender, phrasenreicher Führer ist der „constitutionelle Club“. Einen bestimmten Canditaten hat diese Partei nicht aufzustellen gewagt. Eine zweite Partei unter der Führung des Dr. Ellissen u. Cons. (um den unbedeutenden „Bürgerverein“ zu übergehen) sammelt sich, bisher in der Bürgerversammlung, jetzt besonders im „Mayrevier“ und im Bürgerverein, welcher letztere dadurch eine starke Dosis demokratischer Purganzen erhalten hat; sie besteht aus den „honetten“ Republikanern aus der Bürgerschaft. Der Dr. Ellissen ist von dieser Partei als Candidat aufgestellt. Wir lassen den Talenten dieses Mannes (der mit kindischer Freude sich bei jeder Gelegenheit als Republikaner hinstellt) volle Gerechtigkeit widerfahren; aber sein höchst schwankender Charakter, den seine bedeutende Beredsamkeit nicht gut macht, läßt ihn zum Candidaten der demokratischen Partei unfähig erscheinen. — Die ziemlich zahlreiche dritte Partei, die mit dem Titel „die Rothen“ belegt zu werden pflegt, kann es dem Dr. Ellissen und seiner Suite mit Recht nicht vergessen, daß diese, um ihre Wahlpläne zu vollführen, ein so wohlthätiges Institut, wie die Bürgerversammlung, in die Luft gesprengt haben — wohlthätig, insofern es doch wenigstens durch sie den echten Demokraten möglich war, die adressenfreundlichen Bourgeois aus ihrer politischen Schläferei aufzurütteln und ihnen von Zeit zu Zeit ein frisches feuriges Wort über die Gegenwart und unsere Stellung zuzurufen. — Nächstens mehr über die hannoverschen Verhältnisse und die Wahlresultate.
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[ 84 ] Kiel, 6. Januar.
Zu den Opfern des „Preußenthums“ id est „unbedingter soldatischer Gehorsam“, sind neuerdings mehrere hinzu gekommen. Ihren Lesern wird es vielleicht erinnerlich sein, daß zur Zeit des Bekanntwerdens des schmachvollen, dem entschiedenen Volkswillen hohnsprechenden Waffenstillstandes (im Anfang Septembers) die Soldaten des 5. Bataillons den preußischen Offizieren, die in dem Bataillon angestellt waren, gegenüber zeigten, daß sie nicht blos Soldaten, vulgo Maschinen, sondern something more seien. In den servilen Bourgeois-Blättern las man damals, daß ein gewisser Kriege und andere Wühler die Soldaten zu diesem Schritte verleitet hätten. Unter dem Vorgeben nämlich, als sollten über Eckernförde nach Kiel rückende Preußen die Landesversammlung, von welcher man sicher erwartete, daß sie den Waffenstillstand nicht annehmen und sonst entscheidende Schritte unternehmen würde, auseinander sprengen, verweigerten nicht blos Soldaten, sondern Unteroffiziere und Feldwebel den Gehorsam — ja! man flüstert sich in die Ohren, daß selbst ein Compagniechef daran Theil genommen — und wollten nicht ausmarschiren. Die darauf eingeleitete Untersuchung hat sich bis jetzt hingeschleppt, hauptsächlich um zu erfahren, ob die Soldaten aus Selbstbewußtsein gehandelt, oder ob Andere (die Wühler) sie über diesen Cardinalpunkt aufgeklärt hätten.
Von Civilpersonen wurde auch ein Literat Springborn *)Aller Menschlichkeit hohnsprechend, muß der sich hier nur in Untersuchung befindende Springborn, bei der grimmen hier herrschenden Kälte, im Kerker kampiren, ohne daß derselbe geheizt wird. dem man die Ehre anthat, als Urheber (da man Kriege nicht belangen konnte) zu bezeichnen, eingesteckt.
Man vermuthete nun allgemein, daß die Untersuchung niedergeschlagen werden würde; selbst diejenigen, welche man als die Hauptgravirten hier behalten, die aber immer auf freien Füßen waren, waren der Meinung. Da plötzlich in der Nacht vom 5. zum 6. werden sie aus ihren Quartieren geholt und das Urtheil ihnen publicirt, das bei 10 auf Zuchthausstrafe lautete. Von diesen 10 soll einer 10 Jahre, 2 jeder 8 Jahre, 6 jeder 6 und einer 3 Jahre unter Mördern, Dieben, Betrügern etc. vegetiren. Andere sind auf die Festung gekommen. Unter jenen Zehn „befindet sich ein Feldwebel“.
Was man bei den Subalternen vermuthete, geschah nur bei dem Compagniechef, — gegen diesen schlug man die Untersuchung nieder.
Daß das Urtheil so Knall und Fall publicirt wurde, war ein Boninischer Geniestreich. Die Soldaten von dem in Kiel cantonirenden 6ten Bataillon hatten unter andern schon geäußert, sie würden keine Henker ihrer Kameraden abgeben. Dieses muß den Säbelhelden der Reaction wohl bekannt gewesen sein; denn auch vom 6ten Bataillon wurde Nachts ein Commando ganz in der Stille mit voller Bepackung nach dem Hause des Commandirenden beordert, ohne daß diesen der Zweck und die Ursache bekannt war. Darauf wurden sie in der Frühstunde um die Stadt nach dem Bahnhofe geführt und fanden hier besagte 10 vom 5ten Bataillon vor. Es wurde ihnen dann mitgetheilt, daß sie als Bedeckung Jener dienen sollten und darauf ging es um 7 Uhr mit dem ersten Train fort.
Das wären also wieder Zehn, die Du unschädlich gemacht, wieder zehn Opfer um Deine Stellung zu sichern, General, Diktator Bonin. Fahre nur so fort, rufe ich wie Simon von Trier dem schwarz-gelben Schmerling, Ritter vom sublimirten Bundestag, zu dem das Blut der Gemordeten in Frankfurt emporschreit, — fahre so fort, Deine Thaten werden Dir nachfolgen.
Schweiz.
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Waadt. Lausanne, 3. Jan.
Der Staatsrath hat heute zu seinem Präsidenten Hrn. Delarageaz und Hrn. Blanchenay zu seinem Vizepräsidenten erwählt.
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Wallis.
Der an die Stelle des «Journal du Valais» getretene »Courier du Valais» widerlegt die Nachricht von der Aufhebung des Hospizes auf dem St. Bernhard. Im Interesse der Gastfreundschaft, welche dort auch ferner geübt werden solle, habe sich die Regierung genöthigt gesehen, der Verschleppung der Stiftungsgüter von Seite der dortigen Mönche entgegenzutreten.
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Bern, 6. Jan.
Bundesrath Franscini beschäftigt sich sehr eifrig mit den Vorarbeiten für Einrichtung einer eidgenössischen Hochschule und soll damit bereits so weit vorgerückt sein, daß eine Vorlage an die beiden Räthe vielleicht schon in deren nächster Sitzung erfolgt.
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Aus Genf
hören wir, daß Dufour nach Paris abgereist ist, um L. Napoleon zu besuchen. Seine Reise soll nur den Zweck haben, dem Präsidenten der französischen Republik zu seiner Erwählung Glück zu wünschen.
Belgien.
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[ X ] Brüssel, 10 Januar.
Der todtgesagte und beweinte, wiederauferstandene und steckbrieflich verfolgte Dr. Wilhelmi ist in Belgien mit dem constitutionellen Eldorato bekannt geworden. Wegen Mangels andrer, als der gewöhnlichen Flüchtlingsausweise wurde er verhaftet. Seim Berufen auf die Verfassung, nach welcher jeder Verhaftung ein schriftlicher Verhaftsbefehl vorausgehen oder spätestens binnen 24 Stunden folgen muß, nach welcher jedem den belgischen Boden betretenden Fremden Sicherheit seiner Person und Güter gewährt ist, half nichts; er wurde ins Gefängniß gesetzt Nach hundertfach erhobenen Protesten eröffnete man ihm endlich am sechsten Tage seiner Haft, daß er unter Militärbedeckung mittelst der Eisenbahn zur französischen Grenze gebracht werden solle.
Wir begreifen ganz die Größe der Furcht der Regierung vor den unabweislichen Früchten ihrer massenhaften Sünden, die soweit geht, daß sie durch die Anwesenheit dieses einzigen Flüchtlings, der nicht nach Frankreich gehen, sondern zu Brüssel einer schriftstellerischen Thätigkeit leben wollte, ihrer Sicherheit Gefahr drohen sah. Sie hat diese ängstliche Besorgniß in dem Tedesco'schen Prozesse ja genügsam bewiesen. Aber, wäre Belgien nicht der „konstitutionelle Musterstaat“, wir müßten ob der Niederträchtigkeit erstaunen, daß sie den Dr. Wilhelmi nach Eröffnung jenes Beschlusses ohne irgend eine Mittheilung des Grundes weitere 4 Tage bis zum Vollzuge jener Maaßregel in Haft ließ, wir müßten ob der Gewissenlosigkeit erstaunen, daß sie diesem Dr. Wilhelmi, der Seitens der belgischen Regierung keines Vergehens bezüchtigt werden konnte, ohne einen vernünftig denkbaren Grund während viertägiger Haft im Gefängniß sein Geld zu verzehren zumuthete. Aber der „konstitutionelle Musterstaat“ befindet sich in so großen finanziellen Bedrängnissen, daß die Gefängnisse als Einkommquellen zur Erhaltung der sog. „belgischen Nationalität“ ausgebeutet werden müssen. Man fängt die Fremden ein, 1) um der heiligen Allianz seine Devotion zu beweisen und 2) um sie auszuplündern.
Das sind die Garantien dieser Belgischen Verfassung, welchem Königl. Preuß. Spießbürgerthum in seiner Kurzsichtigkeit und Unerfahrenheit bejubelt, das sind die Freiheiten und Rechte, mit welchen eine gottbegnadete Aristokratie das preußische Volk beglücken will.
Italien.
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[ 68 ] Rom, 30. Dcbr.
Gestern Nachmittag 4 Uhr ist das die römische Constituante einberufende Dekret der obersten Junta publicirt worden. Hundert und ein Kanonenschüsse vom Kastell S. Angelo und das Geläut sämmtlicher Glocken begrüßten das wichtige Ereigniß. Das Volk war enthusiasmirt. Der heutige „Contemporaneo“, nachdem er die Publikation der Junta abgedruckt hat, ruft aus: Es lebe das Recht des Volkes! es lebe die Constitution des römischen Staats! Muth, Ausdauer, Freiheit und Nationalität! das ist das Gelübde Aller! Wer wird es jetzt wagen, dem römischen Volke eine Bedingung der Dienstbarkeit aufzuerlegen? Wer wird uns das Recht verweigern, Italiener zu sein?
Der Oberst Luigi Masi ist zum Commandanten der Civica ernannt worden.
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[ 68 ] Gaeta, 25. Dcbr.
Der Pabst hat heute das ganze diplomatische Corps, den russischen Gesandten mit inbegriffen, zum Pantoffelkuß zugelassen. Der König von Neapel hat ihm für eine Messe 600,000 Dukaten, die Königin von Spanien, ebenfalls für eine einzige Messe, 500,000 Colonnaten auszahlen lassen. Das sind allerdings Honorare, die den Pantoffel wieder auf den Strumpf bringen können!
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[ 68 ] Turin, 5. Jan.
Die Militair-Regierung der Lombardei sagt der „Couriere mercantile“, hat so eben die Ausweisung jedes piemontesischen Unterthanen aus der Lombardei dekretirt. Ein genuesischer Kaufmann, der in Handelsgeschäften nach Mailand gegangen war, erhielt Befehl, die Stadt in vierundzwanzig Stunden zu verlassen. Der Termin wurde „aus Gnade“ zwar um das Doppelte verlängert, doch sagte man ihm: „Von jetzt an werden wir mit den Piemontesen nur vermittelst der Kanonen correspondiren! Zu Mailand stehen alle Truppen schlagfertig, als sollte es in der nächsten Stunde zur Schlacht gehen. Alle Communikation zwischen Piemont und der Lombardei ist unterbrochen. Die Briefpost zwischen Mailand und Genua geht nicht mehr. Radetzki hat jeden persönlichen Verkehr mit Piemont untersagt, nur der Waaren-Transit ist noch nicht verboten. Die Ausführung von Gold und Silber aus den lombardisch-venetianischen Staaten, sofern es einen Werth von 100 Gulden übersteigt, ist gleichfalls durch ein Radetzki'sches Dekret prohibirt worden. Das piemontesische Hauptquartier befindet sich jetzt zu Alessandria, wo man den König erwartet und wo General Guaglia, Exkommandant der National-Garde von Genua, bereits eingetroffen ist, um die Stadt in Vertheidigungszustand zu setzen.
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[ 68 ] Verona, 27. Dezbr.
Nach einem vorgestern erlassenen Dekret des Generallieutenants Gerhardi sollen sämmtliche lombardisch-venetianische Unterthanen, welche die Lombardei ohne Erlaubniß verlassen haben, in die außerhalb Italien dienenden östreichischen Regimenter enrolirt werden. Diejenigen, welche gegen Oestreich gedient haben, sind des Hochverraths schuldig und können niemals als Kriegsgefangene betrachtet werden. Solchen, die das Land verlassen haben und wieder zurückkehren wollen, ist eine Frist von sieben Wochen zugestanden.
Französische Republik.
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[ 17 ] Paris, 9. Jan.
Die stillfriedliche Association der Köche ist den Arbeitsausbeutern und Bourgeoisfreibeutern gefährlicher, als eine donnernde Emeute von drei Tagen und drei Nächten. Da sitzt das Blousenvolk an den langen Tischen im großen Salon, in behaglicher Wärme und im ambrosischen Duft der prasselnden Bratküche; da kredenzen ihm seine associirten Brüder, die Köche, reinere, wohlschmeckendere, billigere Speise, als es je im Leben genossen hat, und ohne diese Association auch gar niemals zu genießen bekommen würde. In der Straße Simon le Franc, im Centrum des arbeitsamen Viertels, ist es wahrlich ein erhebender Anblick, sie zu betrachten, diese Gefährten der Juniinsurgenten, wie sie heute lächelnd ihre wackern Zähne die trefflichen Associationsbraten zermalmen lassen, mit zwölf Sous sich sättigend und nährend; und bei jedem Bissen und bei jedem Schluck blitzt das dunkle Auge: „jetzt nähren wir uns, ihr reichen Faullenzer, ihr reichen Schufte, und stärken uns materiell und moralisch zum letzten Strauß mit euch, dann werden wir euch zerbeißen wie dieses Rostbeaf, aber vorher lassen wir euch Ader, reiche Hallunken, unsere Associationen saugen vorher euch ein gut Theil Bluts aus.“ Und während die Heerdfeuer der republikanischen Speiseanstalten lodern, und die „Bürger Köche“ emsig in ihren weißen Anzügen die „Bürger Gäste“ bedienen (das Wort Monsieur ist dort unerhört), während ein reicher Restaurant alten Styls nach dem andern die Bude schließt „von wegen Ueberflusses an Geldmangel“, während die Bourgeoisie der hochgelegenen Finanzregion zähneknirschend und racheschnaubend die unvermeidliche Stromflut der Volksmacht heraufziehen sieht, die dem Wucher ein Ende setzt; während die Zeitung dieser Banditenklasse „Assemblée nationale“ dumpf wuthheulend wie'n gutgeschulter Räuberhund den Schwanz zwischen die Beine klemmt und die Ohren legt, zum Sprung und Biß in die Gurgel des Volkes gewärtig: balgen sich die großen Politiker um Ministerportefeuilles. Es ist zum Jauchzen. In 8 Tagen ist Papa Odilon Barrot vielleicht zur Thür herausgeschmissen und Meister Molè und Thiers sitzen auf der Ministerbank, und bieten die Hand der neuen heiligen Allianz Preußen's, Rußland's und Oestreich's, und schicken dem Jellachich den Ehrenlegionsorden u. dgl. Das Blatt „Assemlée nationale“ spricht mit Klarheit die Nothwendigkeit aus, die Versammlung nach Hause zu senden, eine neue, ohne Einfluß von republikanischen Emissären und Kommissären Ledrü Rollins, wählen zu lassen, und dann vermöge des neuen royalistischen Parlaments den Präsidentensessel in einen erblichen Thron für Bonaparte, oder Louis Philipp, oder Henri, zu verwandeln. Während so die Reaktion sich zusammenrafft, feiert auch die revolutionäre Aktion nicht. Der Franzose Justus hat den auf dem Berliner Demokraten-Congreß ausgesprochenen Gedanken eines großartigen europäischen Demokraten-Congresses aufgefaßt, in mehreren Klubs und Broschüren besprochen, und schlägt einen politischen, einen artistischen, einen nationalökonomischen, einen wissenschaftlichen unter Arago's, P. Leroux u. s. w. Auspicien zu berufen vor. Die Gottesgnaden-Congresse in Wien, Verona, Karlsbad haben die Menschheit entehrt; es ist Zeit, durch „Gegen-Congresse sie wieder zu Ehren zu bringen“, ruft er. —
Bilanz Frankreichs.
(Fortsetzung).
Wir rechnen, dem großen Malthusianischen Doktor Dupin folgend, 4 Mill. Grundbesitzer und Grundpächter (so war es 1831), ferner 1,345,785 Patentinhaber, die runde 35 Mill. Fr. zahlten; im Jahre 1846 waren in Paris 61,341 Patentirte, die über 7 Mill. Fr. zahlten.
3. 627,000 Staatsbesoldete,
4. 213,168 Besitzer der ewigen Rente, d. h. Personen, die, ehe sie den Mutterleib verlassen, bereits Kraft Erbschaftsrecht vom Papa und Großpapa das Privilegium kriegen, über die Arbeitsspeicher und Schweißschätze der französischen Proletarier zu verfügen, mit einem Wort: zu schmarotzen. Fragt sich, ob solch Parasitismus ein Zeichen von Gesundheit, oder nicht vielmehr mit aller Kunst und Macht ausgerottet werden muß,
5. 154,875 Staatspensionäre,
6. 104,325 Leute mit Geldkaution erheischenden Aemtern, in Summa 400 Mill. Fr.,
7. 38,350 Inhaber von Lebensrenten,
8. 4 587,862 Inhaber von Hypothekzetteln, zum Belauf von eilf tausend fünf hundert Millionen Fr (anno 1841),
9. 408,482 Inhaber von Sparkassenbücher in der Provinz, zum Belauf von 242,246,182 Fr. laut Hrn. Cunin Gridaines Ministerialbericht von 1843,
10. 173,515 Inhaber von Sparkassenbücher in Paris, zum Belauf von 112,061,915 Fr. laut Hrn. Delesserts Bericht von 1844,
11. Inhaber von Industrie-, Bergwerks-, Eisenbahn-, Fabrik-, Schmelzhüttenakten, unzweifelhaft mehrere tausend Millionen im Total,
12. Inhaber von Bankaktien, oder Co-Associirte von Bankiers u. dgl., im Betrage von etlichen Millionen Fr.
Man würde fehlschießen, folgerte man hieraus etwas anderes als eben das uns längst klar gewordene trübselige Faktum, daß die fetten Bissen auf dieser Tabelle von beweglichen und nicht beweglichen Schätzen nur denjenigen Herrschaften gehören, welche Kapital genug hatten, um besagte fette Bissen anzukaufen, oder welche Kraft öffentlicher Aemter gewisse Einflüsse auszuüben verstanden haben
Der Reichthum, sowohl der mobile als immobile, hat sich demgemäß zwischen den Fingern einiger weniger Auserkorner koncentrirt. Hierauf haben wir im Verlauf unsrer Betrachtung den Blick noch einmal später zu lenken. Für jetzt beurkunden wir mit unserm Leser folgende empörende, brutale, aber schrecklich wahre Thatsache:
„Vor wenigen Jahren, und somit heute noch, existiren unter 33 Mill. Bewohner und Bewohnerinnen des gallischen Bodens, nur 3 bis 4000 Familienväter, die mit Fug reich zu nennen, d. h. deren Vermögen größerntheils vor finanziellem und politischem Schiffbruch gesichert ist.“
Alle übrigen, angeblich Wohlhabenden, stehen Tag und Nacht auf der Wippe, und Hr. Gabriel Dellessert hatte Recht zu sagen, in der 64tägigen Unbesetztheit der Ministerbank im Jahre 1840 seien mehr Unglücksfälle im Pariser Handel eingetreten, als nach den Aufständen von 1832. Was von Pest, Hunger, Prostitution, Henkerbeil und Kerkergitter, Arbeitsunglück durch die ungebändigte rohe Materie und Naturgewalt, Strapazen aller Art nicht zu Tode gebracht oder erschüttert wird, das wird von den Schulden angenagt. Die Schulden sind ein schleichendes Gift, das den ganzen Socialkörper durchkriecht und alle Organe antastet, ausgenommen nur einige wenige Privilegirte. Was die Religiösen einst die Erbsünde, die mystische „Schuld“ von Adam her nannten, das ist heute gar prosaisch und kalt „die Schulden“ geworden. An ihnen gehen Individuen und die auf Menschen ausbeutung basirten Staatsformen ruhmlos und rettungslos unter. Für diese Untergehenden giebt es weder Auferstehung noch Erlösung; mögen sie dahinfahren und dem neuen bessern Geschlechte nicht länger Raum und Licht stehlen. Wir haben ihnen gepredigt in Poesie und Prosa, in Rechenexempeln und Syllogismen, vergebens. Wir haben appellirt an ihre Seele, an ihr Herz, wie an ihre Denkkraft, vergebens. Wir haben ihnen in die Brust gegriffen, dachten wir, wenn wir z. B. ihnen demonstrirten, daß 200,000 Prostituirte in Frankreich existiren unter 17 Millionen weiblicher Individuen, d. h. von je fünf und achtzig Töchtern der französischen Nation, der s. g. großen Nation, der s. g. Civilisationsnation, muß sich eine prostituiren. Muß — versteht ihr? so wills eure Gesellschaftskonstitution. Denkt euch die privilegirten und unterdrückten Klassen der Nation einen Augenblick durcheinander fließend, zieht durchs Loos fünf und achtzig Mütter, deren jede einen weiblichen Säugling auf dem Arm trägt, ruft die fünf und achtzig um den gleißenden Satansaltar des Sankt Malthus und stellt euch auf diesen Altar der systematisirten Sünde und sprecht folgende Worte: „Versammelte Mütter, der heilige Malthus, Gottes Prophet, wie ihr wißt, befiehlt euch, unter euch ein Kind zu erkiesen, eins von fünf und achtzig, auf daß es geweiht werde als Brandopfer der Prostitution und um die übrigen 89 rein zu erhalten. Amen! Denkt euch, dieses geschehe und denkt euch das Weitere. Sagt, würden in namenlosem Zorne diese 85 Mütter nicht den großen festen Malthusaltar umstürzen wie einen Milchtopf? Würden sie nicht die Baalspfaffen und Malthusknechte, euch allesammt lebendig zerreißen in zuckende blutige Fetzen wie fünf und achtzig Löwinnen den Feind ihrer Jungen? Würde nach einer Stunde noch ein Stein auf dem andern stehen im verruchten babylonischen Gebäude der malthusianischen Politik? Seht, dieser Katastrophe geht ihr entgegen! — Ihr habt nichts hierauf entgegnet. Ihr habt pedantisch die Achseln gezuckt und die Augenbraunen erhoben. Die Katastrophe, das Kataklysma bricht los über eure verfehmten Schädel, sobald das Volksbewußtsein sich mit Socialismus getränkt haben wird. An jenem Tage gnade euch euer Hergott, denn der unsrige flucht euch und wir ziehen dann hassend unsre letzte Hand ab von euch, und das jüngste Gericht hebt an. Hütet euch vor den fünf und achtzig Müttern, Malthusianer. Ihr sitzt beim üppigen Mahl und schlürft den schäumenden Pokal der Ueberlust und des Aberwitzes, und mit einem Rucke auf der Finanzmaschine fallen die Produkte fremder Arbeit euch millionenweise in die Taschen, und die Töchter des arbeitenden Volks werden bethört durch euer Gold — was eigentlich nichts als ihr eigener und ihrer Brüder Schweiß und Thränen ist — und verkaufen sich, gezwungene Volontärinnen. Wundert euch nicht über die s. g. socialistischen Frauen; ihr wähnet Orgien des [1048] Trimalkion zu feiern; wundert euch nicht, wenn manche eurer Bourgeoisfrauen, mit dem doppelten Gesichte begabt, ein Festmahl des Belsazar darin erblicken und die weiße Hand aus der goldenen Wand hervorfahren mit dem rothen Griffel.
Eine Prostituirte auf 85 Französinnen, wollt ihr wissen, was das heißt? Ihr rechnet gern in Prozenten: das ist 1 3/17 Proc. Und wenn gerade eure Tochter die Zahl 1 3/17 auf der unschuldigen Stirn trüge? Wie? was würdet ihr zu diesem Prozentchen sagen?
Wir bitten beinah den Leser um Entschuldigung, die Malthusier hier noch einmal angeredet zu haben; es ist dies einen Mohren weiß waschen wollen; der heilige Unwille übermannte uns.
Historische Notizen bieten sich in Menge dar; so findet sich, daß in Paris, der s. g. Welthauptstadt, von drei Sterbenden stets einer im Hospital stirbt. Seit zehn Jahren bekommen von sechs Leuten fünf ein Begräbniß aus der Mildthätigkeitskasse.
In der Republik Rom waren am Ende nur zweitausend Römer die rem habuere (reich waren). Rom kümmerte sich nicht um die freie, aber arme Plebs, ließ sie in Schulden versinken, und dadurch allein entstanden in Rom Bürgerkämpfe und Klassenkriege, Todtschlägereien in Masse und endliche Auflösung des Arbeiterstandes, d. h. Zerfallen des antiken Weltstaates.
Wir schreiten jetzt zur Betrachtung der in Frankreich verloren gehenden Kräften. Schon 1790 sagte Liancourt: „Das Mißverhältniß der französischen Bevölkerung mit der von ihr gelieferten Arbeit ist Hauptquelle der Armuth,“ und Papion 1791 in seinem Mémoire sur la mendicité schrieb: „Arbeitslosigkeit, Elend wäre in den Arbeitsklassen unmöglich, wenn man es dahin brächte, aus ihnen nicht nur Verfertiger, sondern auch Genießer des durch sie Verfertigten zu machen. Damit alle Welt arbeite, muß offenbar alle Welt genießen.“
Es ist sonnenklar, je menschenreicher ein Land, desto produktenreicher wird es; es schließt seinen Schooß nur der menschlichen Arbeit auf. Schlaraffenländer mit gebratenen Gänsen giebt es nicht. Arbeit ist die Muskel- und Geisteskraft des Menschen, wodurch er mit den Naturmächten und Naturstoffen handgemein wird, und dadurch entsteht aus dem rohen Boden das Kapital. In Frankreich wohnen auf einem Quadratkilometer 65 Menschen, in Europa überhaupt nur 25.
Theilen wir die Einwohner unseres Landes in 15 Altersstufen; im Jahre 1846 waren
von 9 Jahren und darunter 3,481,805 mänl. Individuen u. 3,481,806 weibl.
von 9 Jahren bis 16 2,306,715 mänl. Individuen u. 2,306,716 weibl.
von 16 Jahren bis 21 1,547,017 mänl. Individuen u. 1,547,018 weibl.
von 21 Jahren bis 25 1,177,371 mänl. Individuen u. 1,177,372 weibl.
von 25 Jahren bis 30 1,380,884 mänl. Individuen u. 1,380,884 weibl.
von 30 Jahren bis 35 1,284,115 mänl. Individuen u. 1,284,115 weibl.
von 35 Jahren bis 40 1,176,501 mänl. Individuen u. 1,176,502 weibl.
von 40 Jahren bis 45 1,075,288 mänl. Individuen u. 1,075,288 weibl.
von 45 Jahren bis 50 957 500 mänl. Individuen u. 957,501 weibl.
von 50 Jahren bis 55 846,930 mänl. Individuen u. 846,930 weibl.
von 55 Jahren bis 60 716,998 mänl. Individuen u. 716,998 weibl.
von 60 Jahren bis 65 578,625 mänl. Individuen u. 578,626 weibl.
von 65 Jahren bis 70 451,970 mänl. Individuen u. 431,970 weibl.
von 70 Jahren bis 80 445,700 mänl. Individuen u. 445,700 weibl.
von 80 und darüber 97,072 mänl. Individuen u. 97,073 weibl.
Anno 1826 waren 30 Mill.
im Total.
Anno 1846 waren 35 Mill.
im Total.
[unleserlicher Text]17,500,000 mänl. Individuen u. 17,500,000 weibl.
Die Geschlechter sind also doch ziemlich gleich numerisch vertreten. Ein Viertel der Einwohnerschaft bestand aus Kindern unter 9 Jahren, und aus Greisen über 65 Jahre.
Veranschauliche der Leser sich dieses in folgenden Tabellen:
Männliche Einwohnerschaft Frankreichs, betrachtet nach ihrer Körperkraft, d. h. Arbeitstüchtigkeit:
1) Kraftblüthe: 7,051,659 Personen von 21 à 50 Jahren.
2) Mittelkraft: 3,100,945 Personen von 16 à 60 Jahren.
3) Kraftmangel: 3,317,310 Personen von 9 à 70 Jahren.
4) Schwäche: 4,024,577 Personen von unter 9 à über 80 Jahren.
Durch diese 7 Mill. der Kraftblüthe ließe wahrhaftig das französische Gesellschaftskapital sich etwas stärker vermehren als bisher; aber Malthus regierte und regiert, die Socialisten kommen in Kerker und Bande.
Weibliche Einwohnerschaft Frankreichs, betrachtet nach ihrer Körpergewandtheit, d. h. Arbeitsfähigkeit:
1) Blüthe: 7,641,176 Personen von 16 à 45 Jahren.
2) Mittel: 3,264,215 Personen von 9 à 16 Jahren und 45 à 50.
3) Mangel: 1,563,928 Personen von 50 à 60 Jahren.
4) Schwäche und Ungeschicklichkeit: 5,035,172 Personen von 9 und darunter Jahren und von 60 aufwärts.
Oder auch so:
1) 7,051,659 männl. und 7,641,176 weibl. Pers., Summa 14,692,835 P.
2) 3,100,945 männl. und 3,264,215 weibl. Pers., Summa 6,365,160 P.
3) 3,317,310 männl. und 1,563,925 weibl. Pers., Summa 4,881,238 P.
4) 4,021,577 männl. und 5,035,172 weibl. Pers., Summa 9,059,749 P.
Auf 35 Mill. Einwohner kommen demnach 21 Mill. Arbeitsfähiger beides Geschlechts und verschiedenen Alters; 14 Mill. Arbeitsunfähiger. Die 21 Mill. Arbeitsfähiger müssen, wie sich von selbst versteht und dem gewöhnlichsten Verstande klar ist, aber nicht den Herren Malthusschülern und Professoren des Privilegiums, das Doppelte ihres Bedarfes hervorbringen, nicht nur behufs der 14 Mill. Nichtarbeitsfähiger, sondern auch um den Gesellschaftsschatz mit wachsender Bevölkerung zu vermehren. Die französische Nation steigt aber durch Ueberschuß der Geburten über die Todesfälle, jährlich um 150 bis 160 Tausend Individuen.
Und was ergiebt sich dabei?
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@facs1048
[ 12 ] Paris, 9. Januar.
à l'ordre du jour! l'ordre du jour: die Tagesordnung in der Deputirtenkammer ist an der Tagesordnung! Bei allen Fragen, die einigermaßen in das Fleisch der Verwaltung eingehen, Tagesordnung! Stellt man das Ministerium zur Rede über seine äußere Politik, über sein Verhältniß zu Malleville, über die Arbeitsfrage, gleich wird Alles in Ordnung gebracht mit der Tagesordnung. Und diese Kammer will sich erhalten! und zweihundert Mitglieder bilden einen neuen Club (des beaux arts) zur Aufrechterhaltung der Kammer! Was denkt dann der Club des beaux-arts? Wenn es hoch zu stehen kömmt, so heißt es: die Frage wird einer speziellen Commission zur Ergründung überwiesen! Und die Kammer überträgt einer Commission die Ergründung von Fragen, die gar keiner Lösung mehr bedürfen, die schon dadurch gelös't sind, daß sie sich aufdringen! Die Frage über die Abschaffung oder Beibehaltung der Artikel 415, 16, und 17 des Code pènal soll einer Commission überwiesen werden! Und warum handelt es sich in diesen Artikeln? Ueber die Abschaffung oder Beibehaltung der Coalition! d. h. ob Coalition unter Arbeitern geduldet werden solle oder nicht. Grade als wenn man über die Abschaffung oder Beibehaltung der Revolutionen dekretiren wollte. Grade als wenn man, wie es Lamartine versuchte, den Antagonismus zwischen Bourgeoisie und Proletariat, durch Phrasen vermitteln wollen!
In keiner Frage hat die Kammer, trotz ihres jetzigen revolutionären Schmollens, mehr ihren bornirten Bourgeoisstandpunkt bekundet, als eben in der Besprechung der Artikel hinsichtlich der Koalitionen. Hätte sie die Frage verstanden, wäre sie wirklich der Ausfluß der Februar-Revolution, so hätte sie auf der Stelle merken müssen, daß die ganze Februar-Revolution nur ein Ausfluß von Koalitionen war, sei es daß sich die Koalitionen kund gaben in den einzelnen Kämpfen einer Korporation gegen die Entrepreneurs zur Erlangung eines höheren Salairs, sei es in dem vereinigten Kampfe mehrerer Korporationen zur Erlangung des Assoziationsrechtes, sei es endlich in dem ganzen Kampfe des vereinigten Proletariats zunächst gegen die politische Herrschaft Guizot's, und in weiterm Sinne gegen die soziale Herrschaft des durch Guizot vertretenen Kapitals. Aber, wie gesagt, die Kammer sah in dieser Frage nicht, daß es sich um ihre eigene Existenz handelte, und sie blieb auf dem kleinbürgerlichen Standpunkte stehn. Der geringste englische Proletarier hätte sogar vom Bourgeois-Standpunkte die Frage besser behandelt als der Minister Faucher.
Die erwähnten Artikel unterscheiden zwischen Koalitionen der Arbeiter und Koalitionen der Meister. Die erstern sind nach dem französischen Gesetze von vornherein als Vergehen betrachtet und bestraft, der aggravirenden Umstände nicht zu gedenken, wo sie mit Gewaltthätigkeit, Drohung u. s. w. begleitet sind. Die Koalitionen unter Meistern konstituiren nur dann ein Vergehen, wenn sie zum Zwecke haben, den „Arbeitslohn auf eine ungerechte Weise herabzudrücken“. Der Antrag ging dahin, diesen Unterschied im Code pénal abzuschaffen und zwischen Arbeitern und Arbeitgebern eine vollständige Gleichheit als Prinzip aufzustellen. Der Minister Leon Faucher, der Vertheidiger der freien Konkurrenz, des laisser faire und laisser passer, war gerade derjenige, der den Antrag am meisten bekämpfte, und auf die alte Fassung der in Frage stehenden Artikel bestand, während Grandin, ein Manufakturbesitzer, die Partei der Arbeiter ergriffen hat. Die ganze Diskussion drehte sich um die Definition der Koalitionen und um England. Nach Faucher sind die Koalitionen unzertrennlich von Gewaltthätigkeit. Um letztern vorzubeugen, müsse man die Koalitionen verbieten. Diese Verbote nützten zwar nicht viel; denn in England z. B. sieht man tausende von Arbeitern an einem bestimmten Tage durch ganz England durch die Arbeit einstellen, ungeachtet aller Verbote: aber schon der „Moral“ wegen müsse man das Verbot aufrecht halten. Als wenn die ökonomische Nothwendigkeit in England nicht allein der „Moral“, sondern der ganzen Politik das Gesetz gemacht hätte! „In England, sagt Karl Marx in seinem Buche „Misère de la philosophie“, sind die Koalitionen authorisirt durch einen Parlamentsakt, und gerade das ökonomische System ist's, welches dem Parlament diese Autorisation durch ein Gesetz abdrang.
Als im Jahre 1825 unter dem Ministerium Huskisson das Parlament sich genöthigt sah, die Legislatur abzuändern, um sie in Einklang zu setzen mit einem Zustande der Dinge, wie er aus der freien Konkurrenz entsprang, sah es sich natürlich auch in die Nothwendigkeit versetzt, alle Gesetze abzuschaffen, welche die Koalitionen der Arbeiter untersagen. Mit der Entwicklung der Industrie und der Konkurrenz entwickeln sich auch natürlich die Elemente, welche die Koalitionen hervorrufen und begünstigen, und sobald die Koalitionen ein ökonomisches Faktum geworden, werden sie nothgedrungen auch ein legales Faktum. Der Artikel im Code penal beweist also höchstens, daß die moderne Industrie und die Konkurrenz noch nicht weit genug entwickelt waren zur Zeit der konstituirenden Versammlung und Napoleons.“
Morin und Carbon treten für die Abschaffung der Artikel des Code penal auf. Sie berufen sich auf das Beispiel Englands, wo die Gesetze gegen die Koalition faktisch abgeschafft seien. Was erwiedert ihnen Faucher? England müsse sehr dafür büßen. Die Arbeiter verzehrten während der Arbeitseinstellung das mühsam Errungene, nähmen den Arbeitgebern gegenüber eine feindselige Stellung ein, so daß diese Koalitionen, in weiterm Maße, bald zwei Klassen der Gesellschaft gegenüberstellten, die sich beständig bekämpften. Dieses müsse man verhüten. Also Leon Faucher will den Klassenkampf verhüten, der in vollem Gange ist; Leon Faucher will sich der revolutionären Bewegung der Arbeiter entgegenstemmen, die gerade mit der industriellen Bewegung gleichen Schritt hält.
„Die Koalitionen,“ sagt Marx in den angeführten Büchern, „nehmen an Ausdehnung und Macht zu mit der Ausdehnung und Entwicklung der Industrie. In England, wo die Industrie am weitesten ist, finden wir auch die umfassendsten und bestorganisirtesten Koalitionen… Die große Industrie häuft an demselben Orte eine Masse Menschen an; durch die Konkurrenz stehen sie in ihren Interessen einander gegenüber; durch die Nothwendigkeit, ihr Salair aufrecht zu halten gegen ihren Meister, gewinnen sie ein gemeinsames Interesse, begegnen sich in dem gemeinsamen Gedanken der Widerstands-Koalition. Die Koalition hat also einen doppelten Zweck, den Zweck, die Konkurrenz der Arbeiter unter sich einzustellen, um der Kapitalistenklasse eine allgemeine Konkurrenz machen zu können.
Der erste Zweck des Widerstandes ist also die Aufrechterhaltung des Salärs. Im Maße aber, als sich die Kapitalisten ihrerseits vereinigen in einem gemeinsamen Gedanken der Repression, bilden sich die zuerst vereinzelten Coalitionen in Gruppen, und dem Kapital gegenüber, das immer vereint ist, wird die Aufrechthaltung der Association für sie wichtiger als die des Salärs. In diesem Kampfe innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft vereinigen und entwickeln sich alle zu einer künftigen Schlacht nöthigen Elemente. Wenn einmal die Assoziation uuf diesen Punkt angelangt ist, erhält sie einen politischen Charakter.“
In der Februar-Revolution und durch die Februar-Revolution waren die Artikel gegen die Coalition von selbst abgeschaft. Die Partei, welche die Uebertreter hätte zur Strafe ziehen können, war gestürzt; und in dieser gestürzten Partei befand sich Leon Faucher mit allen seinen Organisationsplänen zur Rettung der Arbeiterklasse.
Die Artikel 415 und 416 konnten Guizot sowenig von dem Sturze retten als Leon Faucher, weil die Coalitionen stärker geworden waren als die Vertheidiger der alten Gesellschaft und die Organisationspläne der Oekonomen.
In den Koalitionen liegt schon, wie Marx handgreiflich nachweist, die ganze Organisation der Arbeiterklasse, und da dieselbe eben durch die Herrschaft der Bourgeoisie hervorgerufen werden, da die Koalitionen sich bilden, sich organisiren innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft, und der bürgerlichen Gesellschaft gegenüber, so ist mit dem Sturze der letztern schon die Organisation der neuen Gesellschaft gegeben. Wenn wir nun den mit seinen Organisationsplänen und mit Guizot gefallenen Faucher plötzlich wieder auf eine Stufe angekommen sehen, wo er an Guizot's Stelle organisiren und die umgeworfenen Artikel einer Kommissian zur Prüfung übergeben kann, so hängt dieses genau mit den Ereignissen nach der Februar-Revolution zusammen, weil die Arbeiter selbst ökonomisch noch nicht genug herangebildet waren, und ein großer Theil unter ihnen noch die Illusionen Faucher's theilte. Erst durch die Juni-Insurektion haben die Arbeiter diese Illusionen verloren. Während die Kommission beschäftigt ist, über die Statthaftigkeit der Koalitionen theoretisch zu statuiren, treten dieselben praktisch in's Leben durch die Assoziationen der Arbeiter, und nehmen tagtäglich einen drohendern Charakter an.
Nationalversammlung. Sitzung vom 9. Januar. Anfang 2 Uhr. Präsident Marrast.
Fould trägt vor der Tagesordnung darauf an, dem neuen Paragraphen des Reglements Rechtskraft zu geben, welcher die dreimalige Debatte jedes Gesetzentwurfs vor der Abstimmung verordnet.
Marrast: Aehnliche Anträge wurden früher gestellt, Ich konsultirte die Versammlung und sie entschied, daß die Rechtskraft erst eintreten solle, wenn alle neuen Paragraphen des Reglements votirt sein würden.
Deslongrais unterstützt seinen Freund Fould: Die Reglementsänderungen hängen ja nicht unerläßlich zusammen; es könne also jene wichtige Bestimmung unverzüglich Rechtskraft erhalten.
Bixio, Exminister nimmt das Wort: Das Ausscheiden einiger Minister, beginnt er, sei von Verläumdungen begleitet gewesen. Alle diese Verläumdungen hätten sich als falsche Gerüchte herausgestellt, darum habe er sie verachtet. Heute aber, wo der Courrier de la Gironde (Bourdeaux) förmliche Anklagen gegen die Exminister erhoben, werde er ihn vor Gericht ziehen. Indem er dieses der Versammlung anzeige, benutze er diese Gelegenheit, um sie zu versichern, daß die höchste Einigkeit im Kabinet geherrscht habe und daß Hr. v. Maleville neulich die volle Wahrheit gesprochen.
Odilon Barrot bestätigt als Großmeister das Gesagte: Wenn wir irgend etwas zu bedauern hätten, so war es die übertriebene Empfindsamkeit, welche den Redner bewog, dem Beispiel seines Freundes zu folgen. (Ah! Ah! von der Linken.)
Donatien Marquis legt hierauf der Versammlung Bericht ab über die Wahl Luzian Bonaparte's, Bruder Peters und Canino's, der mit 11,677 Stimmen über den General Arrighi in Corsika gewählt wurde. Mehrere Protestationen sind eingelaufen, welche beweisen, daß 10jährige Knaben votirten, weshalb der Redner im Namen des Prüfungsausschusses auf Vernichtung der Wahl anträgt.
Luzian vertheidigt sich.
Trotzdem tritt die Versammlung dem Ausschusse bei und verwirft die Wahl.
Diese Entscheidung verursacht einige Aufregung im Saale und auf der Gallerie.
Die Versammlung nimmt hiernächst ihre eigentliche Tagesordnung (die Arbeit in den Gefängnissen) wieder auf.
Die Debatte war in letzter Sitzung bis Artikel 2 gerückt, der von der Bestimmung (Consumtion) der Gefängnißarbeiten handelt.
Charamaule schlägt vor, nur solche Artikel fabriziren zu lassen, die in's Ausland gehen, oder im Inland nicht fabrizirt werden.
Er findet indeß keine Unterstützung und die Versammlung schreitet zu Artikel 3.
Artikel 3 lautet:
„Die Arbeitsprodukte der Gefangenen sind vom Staate zu konsumiren.“
Man stellt den Antrag: die Worte „so viel als möglich (vom Staate zu konsumiren) hineinzuschreiben.
Wird angenommen.
Grevy zeigt sich in diesem Augenblick a[u]f der Bühne und will im Namen des Justizausschusses seinen Bericht über Rateau's Antrag auf „Auflösung der Nationalversammlung überreichen.
Von allen Seiten: Vorlesen! Vorlesen! Wenigstens die Conclusionen!
Grevy verliest nach einigem Zögern, gegen welches Deslangrais, der Ungeduldige, protestirt, Conklusionen, welche lauten:
„Der Justizausschuß, in Uebereinstimmung mit dem Legislationsausschuß schlägt der Nationalversammlung vor, den Antrag des Bürgervertreters Rateau nicht in Betracht zu ziehen.“
Die Debatte wird auf nächsten Freitag angesetzt.
Die Versammlung kehrt zur Gefängnißdebatte zurück, genehmigt die drei letzten Artikel des Entwurfs und hat somit endlich diese lästige Debatte erledigt.
Marrast läßt über das Gesammtgesetz abstimmen. Dasselbe wird angenommen.
Die Sitzung ist wegen des Diner's beim Präsidenten schon um 5 1/2 Uhr geschlossen.
Großbritannien.
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[ * ] London, 9. Januar.
Die Goldminen von Californien geben fortwährend zu den mannigfachsten Reflektionen und Muthmaßungen Anlaß. Abgesehen davon, daß es den Amerikanern lieb sein wird, durch den Sand des Sakramento Flusses in wenigen Jahren die Kosten des Mexikanischen Krieges gedeckt zu sehen, ist die Sache namentlich dadurch von Wichtigkeit, daß sie bei richtiger Exploitation, dem ganzen Welkverkehr leicht einen unerwarteten Umschwung geben könnte.
Gold in den Händen der Nord-Amerikaner, in ein bei weitem anderes Ding, als Gold in den Händen der Spanier. Wenn die letztern, trotz aller Schätze die sie einst aus der neuen Welt herüberschleiften, dennoch arm und einflußlos wurden, so haben die Nord-Amerikaner bei ihrer Energie und bei ihrer rastlosen Thätigkeit, wahrlich Chance genug, in Zukunft der Welt noch mehr zu imponiren, als man es vielleicht bisher voraussah.
Gold ist ein schönes Metall und wenn der Ertrag der kalifornischen Minen zusammen mit dem des Ural, einst so bedeutend werden sollte, daß wir ohne große Kosten unsre Tassen und Schüsseln aus Gold statt aus Porzellan machen können, so werden wir uns nicht darüber zu beschweren haben. Doch geben wir uns diesen glänzenden Illutionen einstweilen noch nicht hin. Den nächsten Einfluß werden die Sakramento-Ufer auf den Handel und Wandel haben. Nicht, daß man sich in Zukunft, statt Wechseln und Papiergeld, Goldklumpen zurollen wird, nein, die ganze Goldwäsche wird nur den Vortheil haben, daß sie eine Masse bisher noch dürftiger Leute, in Reiche verwandelt und ihnen Gelegenheit gibt, tausenderlei Unternehmungen zubeginnen, die eben nur mit Gold durchzusetzen sind, und Waarenzu kaufen und zu konsumiren, die man nur gegen Gold in Empfang nimmt.
Wie die Amerikaner im Jahre 1846 durch das Korn der Missisippi-Ufer etwa 40 Millionen Pfund Sterling aus dem hungrigen England zogen, und dadurch, daß sie diese Summe, wenigstens theilweise, für den Einkauf von britischen Manufaktur-Artikeln anlegten, der ganzen Industrie plötzlich neuen Schwung verliehen und eine hereinbrechende Krise fast um ein ganzes Jahr aufhielten, so wird vielleicht schon in den nächsten Monaten das Gold des Sacramento-Flusses in ähnlicher Weise wirken, und der europäischen Industrie belebend unter die Arme greifen.
Mit dem Golde des Ural baut der Kaiser Nikolaus seine Eisenbahnen; auf den Eisenbahnen sendet er das Getreide nach allen Häfen von Petersburg bis Odessa, und gegen das Getreide bezieht er alle Artikel der civilisirten Welt, von der einfachen Stecknadel an bis zu der komplizirten Lokomotive.
Ebenso die Amerikaner. Schon jetzt legen sie, wenn sie mit dem Schwerte in der Faust zu neuen Eroberungen vordringen, gleich hinter sich die Schienen, um schon nach mehreren Monaten die Heimath mit der neugewonnenen Erde zu verbinden.
Was werden sie erst beginnen, wenn ihnen das Gold Kaliforniens dabei zu Hülfe kommt? Um die Produkte jener unermeßlichen Flächen des fernen Westens in den Handel hineinziehen, werden sie das stille Meer in Kurzem mit dem atlantischen Ocean durch Eisenbahnen in Verbindung bringen, sie werden sich Bahn durch die Landenge von Panama brechen, Dampfschiffe bauen, Kanäle graben und schon nach wenigen Jahren dem Verkehr der Kontinente eine Straße anweisen, die in New-York ihren Mittelpunkt hat, und alle bisherigen Wege verlassen und vergessen machen wird.
Rußland und Amerika! Russisches Gold und russisches Korn. Amerikanisches Gold und amerikanisches Korn. Eine Zeit lang werden wir noch von beidem profitiren, bis die Industrie auch in jenen Ländern einheimisch geworden, plötzlich der unsern die Spitze bietet und den Tag unsres Falls bezeichnet.
Von den Menschenmassen, die jetzt aus allen Theilen der Vereinigten Staaten nach Californien stürzen, kann man sich kaum eine Idee machen. Dutzende von Expeditionen sind dahin unterwegs. Einige gehen nach San Francisco in Californien um das Kap Horn herum; andere nach Chagres und von da durch die Landenge von Panama; noch andere wählen den Weg durch Missouri nach dem stillen Ocean. In New-York liegen 31 Schiffe nach Californien in Ladung; in Philadelphia 17; in Boston 9; in Portland 2; in Baltimore 7; in New-Orleans 11 u. s. w. Alles dies ist aber noch nichts. In Pittsburg, Louisville, Cincinnati, Albani und in vielen andern Städten haben sich Gesellschaften gebildet, und 10 bis 12,000 Menschen bewegen sich oft in eieer Kolonne nach dem Lande der Glückseligkeit. Wenn man wenig annimmt, so reisten in den letzten drei Wochen an die 50 Tausend Menschen ab.
Der kürzeste Weg nach dem El Dorado geht von Fort Independance in Missouri, durch den Feather River und die Rocky Mountains — ungefähr 1800 Meilen. Der zweite geht nach Chagres und überland nach Panama. Nach Chagres reis't man von New-York und Philadelphia per Dampf in 14, per Segelschiff in 22-30 Tagen. Durch die Landenge hat man 52 Meilen, in der größesten Hitze, und 3500 Meilen lang ist die Fahrt zur See durch das stille Meer nach San Francisco. Von da reis't man denn in 5-6 Tagen in's Land hinein zu den Ufern des Sacramento-Flusses. Eine dritte Route führt um das Kap Horn, ist 17,000 Meilen lang und dauert 5 Monate. Jedenfalls ist sie billiger und sicherer als die über Panama. Das Passagiergeld um das Kap kostet 100 bis 350 Dollars; durch Panama 500 bis 700 Dollars.
Nicht aus den Vereinigten Staaten allein, sondern auch aus Mexico ist die Einwanderung fortwährend im Steigen. Wahrscheinlich werden sich die Bewohner anderer Theile Amerika's ebenfalls bald aufmachen. Ja, von den Sandwich-Inseln und von andern Niederlassungen des stillen Meeres darf man Zuzug erwarten.
Um die ganze Reise zu erleichtern, hat sich dann auch bereits in New-York eine Gesellschaft gebildet, die sofort mit dem Bau einer Eisenbahn durch die Landenge von Panama beginnen wird und im Januar 1851 damit fertig zu werden gedenkt.
Redakteur en chef: Karl Marx.