Deutschland.
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] Köln, 8. Jan.
Als Herr Becker wegen des Komplotts, jenem niedlichen Phantasiestücke eines juristischen Don-Quixottes, in Untersuchung war, stellte die Anklage die Behauptung auf, er habe den Beschluß der
Volksversammlung im Eiser'schen Saale vom 20. September v. J. zum Drucke befördert.
Becker gab die Richtigkeit dieses Umstandes zu. Bekanntlich löste sich die ganze Complottsgeschichte in blauen Dunst auf und Becker wurde freigesprochen. Gegen E. Dronke und K. Schapper wurde die
Untersuchung, gegen die Art. des Strafgesetzbuches gesündigt, auch die Hochlöbliche Nationalversammlung in Frankfurt beleidigt zu haben, nicht ohne Aufwand von Scharfsinn fortgesetzt und Becker als
Zeuge eidlich darüber vernommen, von wem er das Concept des Volksbeschlusses erhalten, dann aber heute constituirt
beschuldigt, den betreffenden Beschluß zum Drucke
befördert und dadurch diejenigen Mitglieder der Nationalversammlung, welche für die Genehmigung des Dänischen Waffenstillstandes gestimmt haben, verläumdet zu haben.
Man muß einräumen, daß das öffentliche Ministerium in Cöln es versteht, seine Mittel zu finden, um Angeschuldigte zu überführen. Becker hatte eingestanden, den Beschluß dem Drucker übergeben zu
haben. Lag hierin ein Vergehen, so mußte er sofort constituirt werden. Dann konnte er nicht als Zeuge gegen Andere in derselben Sache eidlich vernommen werden. Das wäre aber freilich weniger
vortheilhaft gewesen.
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] Köln, 3. Januar.
Aus gut unterrichteter Quelle wird uns versichert, daß Hr. Oberprokurator Zweiffel in einen Appellationsrath verwandelt ist? Gnade oder Ungnade?
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] Berlin, 6. Januar.
Die brave „Galgenzeitung“ legt wie die übrigen Organe der Brandenburg-Manteufel fast täglich ein fliegendes Blatt „An die Urwähler“ bei. Diese Wahlsächelchen gehen von
dem berüchtigten Wahlkomité „mit Gott für König und Junkerschaft“ aus. Das neueste Blättchen dieser Art ist wieder famos geworden. Einige Stellen werden es zeigen. So heißt es u. a. in
Betreff des „Centralkomités für volksthümliche Wahlen“ und seiner Wirksamkeit:
„Die Vereine schicken wieder ihre Dremmler und Kundschafter herum, oder halten Versammlungen, oder vertheilen Schriften und sammeln auch Geld ein — Gebt kein Geld für
solche Schufte etc.“
Ferner heißt's: „Die neue Verfassung giebt uns schon so viel Freiheiten, daß wir noch gar nicht wissen, ob das Alles rechte Freiheiten sind und wie wir damit fertig werden sollen,
viel weniger, daß wir noch neue Freiheiten dazu gebrauchen könnten.“
Eine 3. Stelle lautet:
„Denn bedenkt einmal, die Verfassung hat schon jetzt viele Freiheiten, die mehr für Spitzbuben als für ehrliche Leute sind; so steht darin, daß Niemand in ein fremdes Haus dringen darf. Die
Diebe und Rebellen kehren sich nicht daran: sie dringen auch heute noch in die Häuser; aber ihr und die Polizei dürft nicht überall in die Häuser dringen. Das nennen sie
„Habeas-Corpus-Akte“, oder auf Deutsch: „Stehlen darf ein Jeder, aber ein Hundsfott, wer das Seine wieder haben will.“ Eine zweite Freiheit ist das freie Vereinsrecht, wozu
die ordentlichen Leute wenig Zeit haben, die aber den Aufwieglern trefflich zu Statten kommt, um die Einfältigen zu verführen und Unruhe im Lande zu erregen. Eine dritte Freiheit ist die Verheirathung
ohne Trauung, Civilehe nennen sie es, weil sie immer einen hübschen Namen für ihre schlechten Sachen gebrauchen.“
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Reichenbach (in Schlesien).
In diesen Tagen erschien auf dem in unserer Nähe gelegenen Gute des Baron Seherr-Thoß, Olbersdorf, ein Offizier mit 300 Mann (!), um auf den früher dort lebenden Hrn. v. Wyttenburg (einen
Demokraten) zu fahnden. Man untersuchte auf das Gewissenhafteste alle Gemächer, Boden, Keller, selbst Betten ließ man nicht ungeschont und trotzdem fanden alle 300 nicht Einen! Wenn diese gefährlichen
Kriegsübungen noch lange so fortgehen, so können wir sicher sein, dem Feinde einst eine treffliche Armee entgegenstellen zu können.
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Warmbrunn, 31. Dez.
Zum Jahresschluß will ich Ihnen heut noch eine Probe von der neuen preußischen Freiheit mittheilen. Die beiden demokratischen Vereine in Hirschberg und Warmbrunn hatten für heut Nachmittag 2
Uhr eine Feier zum Gedächtniß des gemordeten Blum im Schönfeld'schen Gartensaal veranstaltet. Eben wollte nach dem Schluß desselben der Lehrer Wander das Eröffnungswort der Feier
sprechen, als der Kreislandrath Hr. Graf zu Stolberg, der mit dem im ganzen Kreise herumreisenden und in seiner Weise „Ruhe und Unordnung“ pflegenden Verweser des
Landrathamtes, Hrn. v. Grävenitz, erschienen war, vor ihn herantrat und die Worte an ihn richtete: „Ich frage hier das Fest-Comité, mit welcher Befugniß es die Feier eines Mannes
veranstaltet, der als Rebell durch Urtheil und Recht in Wien gerichtet worden ist?“ Wander erwiderte: „Die Versammlung findet auf Grund des Vereinigungsrechtes statt, für einen
Abgeordneten des deutschen Volkes, in dem wir keinen Rebellen, sondern einen Mann erkennen, der sich unsterbliche Verdienste um die deutsche Nation erworben hat.“ Es entstand nun ein heftiger
Redekampf; die Erregung war groß. Nachdem Conrad und Elsner und mehrere Andere gesprochen hatten, richtete Wander die Worte an den Landrath: „Ich ersuche Sie, die Versammlung auf
Grund eines vorhandenen Gesetzes und mit Anführung des bestimmten Paragraphen für ungesetzlich zu erklären, oder die Feier nicht weiter zu stören.“ Er erklärte, „daß er einen
solchen Paragraphen nicht anführen könne, denn es gäbe keinen, daß er aber dennoch die Feier nicht dulden wolle! Er werde da bleiben, weil er dies als Beamter für seine Schuldigkeit
erachte, und nur der Gewalt weichen.“ An eine würdige Fortsetzung der Feier war unter solchen Umständen, in solcher Aufregung nicht zu denken. Das versammelte Volk verlangte in
höchster Entrüstung die „Feier“; da aber Militär in Menge hingestellt war, und dem Comité nicht unbekannt sein mag, daß man Unruhen zu provociren scheint, um Veranlassung zu nehmen,
während der bevorstehenden Wahlperiode uns mit einem Belagerungszuständchen zu beschenken, so wurde die Blumfeier für geschlossen erklärt, nachdem zuvor von Wander ein feierlicher Protest gegen
diesen Eingriff in ein feierlich garantirtes Recht ausgesprochen und die Aufnahme eines Protokolls beschlossen worden war, die auch durch Conrad erfolgt.
[(A. Od.-Ztg.)]
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@facs | 1033 |
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] Erfurt, 5. Jan.
In Folge des bereits erwähnten Konflikts zwischen Reichstruppen und Bürgerschaft in Gotha, sind erstere in dieser Stadt noch um 2 Kompagnien vermehrt worden. Diese Maßregel des General-Majors v.
Holtzendorf, welcher bekanntlich über die Thüringer Reichstruppen das Ober-Kommando führt, ruft unter vielen Gothaer Bewohnern gegen ihre königl. sächsische Besatzung noch eine größere Erbitterung
hervor, und dies um so mehr, als um Verlegung genannter Truppen nachgesucht worden. Trotz der Erfurter Emeute ist dieses Land noch der Art demokratisirt, daß fast sämmtliche Wahlen in diesem Sinne
ausfallen. Nicht nur die Landtage, sondern auch die Stadtbehörden werden meistens aus demokratischen Elementen zusammengesetzt. In Langsfeld (bei Eisenach) sind in diesen Tagen sämmtliche Stadträthe,
mit Ausnahme eines Einzigen, der ein Schenkwirth ist, aus Fabrikarbeitern (der Eichel'schen Fabrik) gewählt worden. In Gotha ist die verfassunggebende Versammlung (aus 21 Deputirten bestehend)
überwiegend radikal zu nennen. Dieselbe hat das Jagdrecht und mehrere Reallasten unentgeldlich aufgehoben. Daß sie vor Beendigung ihrer Arbeit weder vertagt noch aufgelöst werde, dies hat der
Landesfürst ihr feierlich versprochen, oder besser versprechen müssen. In der gestrigen geheimen Sitzung hat sie über eine bedeutende Reduzirung der Civilliste zu beschließen angefangen; doch aber
dürfte dieser Gegenstand, wie wir aus guter Quelle mittheilen können, zwischen Fürsten und Volk eine Differenz herbeiführen, die folgenreich zu werden droht.
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] Wien, 4. Jan.
Windischgrätz hat Israel abermals einen Beweis seiner milden Gesinnung gegeben. Zwei zu 12 und 10 Jahren Festung in Eisen verurtheilte Israeliten, die sich an den Oktoberereignissen betheiligt
hatten, wurden nach der Festung Theresienstadt transportirt. Auf dem Wege dahin läßt man den einen mit Namen Powa entweichen und sendet den zweiten Namens Padovani angeblich aus, den Entwichenen
wieder aufzusuchen. Die Zeitungen berichten darüber nun wie folgt: „Se. Durchlaucht Fürst Windischgrätz haben sich bewogen befunden, dem politischen Sträfling Padovani wegen seines
lobenswerthen Benehmens bei der Entweichung des Pova, seine Strafe gänzlich nachzusehen.“ Der eigentliche Grund ist, daß er, zu Robert Blum und Fröbel gesperrt, Spionendienste that und später
gegen letztern einen den östreichischen Standrechtlern höchst angenehmen Schmähbrief verfaßte oder wenigstens unterschrieb. Daher seine Begnadigung.
Dennoch sind die Kurse wieder gesunken, nachdem der Staat gestern aufhörte, angeblich für's Ausland seine eigenen Papiere aufzukaufen. Aber Israel soll durchaus geködert werden. Darum
verbreitet man heute auch das Gerücht, Pesth und Ofen, Komórn u. s. w. seien genommen. Alvensleben ist hauptsächlich darum verurtheilt worden, weil er ein Preuße ist. Was er gethan —
und das Urtheil bekennt fast, daß er nichts verschuldet —, das hat hier Jeder gethan.
In welcher Weise hier die Fremdensäuberung geschieht, wird Ihnen nachstehender Polizeiartikel zeigen:
„Wer Wien in den Oktobertagen gesehen hat, der konnte die augenscheinlichste Ueberzeugung gewinnen, welche Masse von fremden Individuen und Vagabunden aus allen Provinzen hierher gezogen
wurden, um von den Wohlthaten der glorreichen Revolution Antheil zu nehmen. Ein lustiges Lagerleben, gute Bezahlung, Ueberfluß an Wein und Nahrung, gemeinschaftliches Bivouak mit dem weiblichen
leichten Korps, vollkommene Willkühr im Thun und Lassen und ähnliche Annehmlichkeiten, welche glänzende Anziehungspunkte für alle Freunde eines regellosen Lebenswandels und ungezwungener Sitte! Sehr
schwer und nur mit vieler Anstrengung ist es nun möglich, Wien von derartigen fremden Elementen zu reinigen, und es sind diesfalls die verschiedenartigsten Anordnungen erflossen. Alle Fremden, welche
nach Wien nicht heirathszuständig sind, und welche sich nicht über ihre völlige Unbedenklichkeit, Erwerbsmittel und Bestimmung am hiesigen Platze ausweisen können, sollen von Wien entfernt werden.
Eben so wurden sämmtliche Paß-Obrigkeiten der übrigen Provinzen angewiesen, nur jenen Individuen nach Wien und nach Niederösterreich einen Paß auszustellen, welche sich mit der Zusicherung eines
bestimmten Erwerbes für den Ort, wo sie hin wollen, ausweisen können. Alle Individuen, welche in Nieder-Oesterreich betroffen werden, und sich seit 14 Tagen über einen bestimmten Erwerb nicht
ausweisen können, sollen zwangsweise entfernt werden. Die in Folge dieser Anordnungen aus Wien und Niederösterreich Ausgewiesenen sollen vor Ablauf 1/2 Jahres keinen neuen Paß zur Rückkehr erhalten.
Wenn auch Mancher durch eine solche Maßregel vielleicht hart getroffen wird, so ist deren Nothwendigkeit durch die gegenwärtigen Zeitverhältnisse hinlänglich begründet.“
Das Denunciationswesen hat der Stadt bis zu diesem Augenblicke bereits 173,000 fl. C.-M. gekostet.
Die Zeitungen beleuchten seit gestern den Entwurf der Grundrechte, der in Kremsier nun zur Debatte kommt, und greifen ex mandato namentlich den §. 1 derselben an, worin es heißt: „Alle
Staatsgewalten gehen vom Volke aus und werden auf der in der Constitution festgesetzten Weise ausgeübt.“ Auch fahren dieselben fort, das ausländische Deutschland auf eine wahrhaft wahnsinnige
Weise zu begeifern. Der „Lloyd“ nannte die preußische Nationalversammlung letzthin eine Versammlung vagirender Schauspieler.
Man fühlt sehr gut, daß, wenn Deutschland demokratische Institutionen erhält, der Dalai-Lamaismus Oesterreichs zur Unmöglichkeit wird. Alle österreichischen Kräfte arbeiten deßhalb im Auslande
unablässig darauf hin, die Demokratie lächerlich und verächtlich zu machen. Die absolutistischen Bestrebungen Frankreichs und seiner entende cordiale mit Oestreich werden dabei fortwährend in den
Vordergrund gestellt; so daß das Volk in der That die französische Regierung für den Ausbund aller Niederträchtigkeit halten muß.
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@facs | 1033 |
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] Wien, 4. Jan.
Die Verhandlungen des hiesigen Gemeinderaths hatten es kürzlich mit dem Budget der Stadt zu thun. Die Ausgaben sind ungeheuer, blos die Lokalpolizeiauslagen belaufen sich auf 250,933 Fl. C. M.
jährlich. Das gemeinderäthliche Mit-
[1034]
glied Brodhubee bemerkte hierzu, daß diese Auslagen, da das Erforderniß für die noch bestehende Militär-Polizeiwache hierin nicht mitbegriffen ist, als sehr bedeutend angesehen werden müssen, und daß
insbesondere das Erforderniß für die Sicherheitswache per 173,000 Fl. auffallend hoch sei. Es stelle sich heraus, daß Ein Mann dieses Wachtkörpers 100 Fl. C. M. koste, und daß das ganze Institut fast
ein Viertel des ordentlichen städtischen Einkommens aufzehre.
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@facs | 1034 |
Prag, 3. Jan.
In der letzten Sitzung der Slowanska Lipa veranlaßte ein Antrag, sich wegen einer bessern Stellung der niedern Geistlichkeit zu verwenden, eine heftige Debatte, und fiel bei der Abstimmung durch.
Interessant waren die Debatten über einen Antrag Liblinsky's, einen neuen Slawenkongreß zusammen zu rufen. Nachdem Wenige, selbst von der Ultrapartei, heftig dagegen aufgeteeten waren, wurde
beschlossen, die Mitglieder des Slawenkongresses vom Junius aufzufordern, ihr unterbrochenes Werk (?) zu vollenden. Im Jahr 1849 tritt der nächste Kongreß der Slowanska Lipa in Prag zusammen. Die
Bevölkerung Prags hatte sich an dem Kongresse nur sehr wenig betheiligt, und die Slowanka selbst ist mit den Resultaten sehr unzufrieden.
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34
] Darmstadt, 4. Januar.
(Verhandlungen der zweiten Kammer).
Von den Anträgen, welche heute eingebracht wurden, hat nur einer ein allgemeineres Interesse, der von den Abgeordneten Schenck, Wernher, Gölzenleuchter, K. Zöpperitz und von Riedesel eingebrachte,
das demnächstige Oberhaupt von Deutschland betreffend. Er lautet:
„In Betreff der Lage des deutschen Vaterlandes beantragen wir folgende Erklärung der Ständeversammlung an die
Staatsregierung: die Stände des Großherzogthums Hessen werden es mit großer Freude begrüßen, wenn bei endlicher Feststellung der deutschen Verfassung Preußen an die Spitze von Deutschland gestellt
werde.“
Preußen an die Spitze von Deutschland! d. h. Friedrich Wilhelm IV. (Erb-?) Kaiser von Deutschland, ganz Deutschland in Belagerungszustand! Die Bourgeoisie hat eine wahre Sehnsucht nach diesen
gesegneten Zuständen, nachdem ihre Großmama Wassermann eine so malerische Schilderung von dem wieder beruhigten Berlin entworfen hat. Der einzige Vortheil, den uns dieses moderne Kaiserthum vielleicht
brächte, wäre der, daß die Frankfurter Schönredner endlich einmal noch Hause geschickt würden.
Auf der Tagesordnung ist die Berathung über das Wahlgesetz, Artikel 5 u. f. f. Artikel 5 bestimmt:
„Zum Abgeordneten für die 2. Kammer wählbar ist jeder hessische Staatsbürger, der am
Tage der Eröffnung, oder wenn die Wahl später erfolgt, am Tage der Wahl sein 30. Lebensjahr zurückgelegt hat.“
Die Majorität des Ausschusses hatte sich mit dem Entwurfe einverstanden erklärt, die Minorität (Zitz und Mohr) beantragte die Feststellung des Alters auf 25 Jahre. — Volhard überbietet das
Ministerium an hessen-darmstädtischem Patriotismus, indem er verlangt, daß jeder Gewählte das Staatsbürgerrecht schon 3 Jahre genossen haben müsse. Hiergegen opponirt sogar Wernher von Nierstein, der
sich das Ding noch gefallen ließe, wenn Hr. Volhard seinen Vorschlag wenigstens auf Nichtdeutsche (Barbaren) beschränkt hätte. — Lehne wünscht den Zusatz: „und wenigstens seit dem 8.
März 1848 im Großherzogthum wohnt“, damit die zu Wählenden mit der (Großherzoglich Hessen-Darmstädtischen!!!) Neuzeit bekannt seien.
Zitz und Hillebrand sprechen für das Alter von 25 Jahren, da doch regelmäßig Aeltere gewählt würden (?), wie aus den Beispielen von Frankfurt, Berlin u. s. w. (aus denen das Volk hoffentlich ein
für allemal gelernt hat, wie es nicht wählen muß) hervorgehe. Ausgezeichneten Talenten aber solle man schon früher den Eintritt gewähren. Hillebrand spricht noch insbesondere den Wunsch aus, daß in
die künftige Kammer junge Männer gewählt würden, die noch nicht durch einseitiges Interesse beherrscht würden.
Heldmann stellt ein Amendement auf 21 Jahre. — Eine solche exorbitante Forderung findet der Reichs-Unterstaats-Sekretariats-Kandidat Reh „völlig unbegreiflich“. Das
Sprüchwort sage: „30 Jahre ein Mann“, und (es hat doch sein Gutes, wenn man in der Jugend dazu angehalten ist, Sprüchwörter auswendig zu lernen, wie weiland Sancho Pansa ebenfalls
erfahren) dies Sprichwort habe seine tiefere psychologische Bedeutung (!!). Die menschliche Bildung sei eine fortschreitende und namentlich falle dies in's Alter bis zum 30. Jahre. (Man merkt,
daß Herr Reh dieses Alter bereits überschritten hat.)
Es wird nach Schluß gerufen, und nachdem der Minister mit dem „liberalsten Sinne“ der hohen Kammer noch einige andere Staaten als nachahmungswürdige Beispiele aufgestellt hat, in
denen ebenfalls das 30. Lebensjahr Gesetz sei, und in einigen sogar noch ein Census obendrein, wird wirklich der Schluß beschlossen. Heldmann zieht seinen Antrag zurück, der Antrag der Minorität wird
mit 26 gegen 17 Stimmen verworfen, und darauf der ursprüngliche Entwurf mit 42 gegen 1 Stimme (Heldmann) angenommen.
Artikel 6 des Entwurfes lautet:
„Zum Abgeordneten der ersten Kammer wählbar ist jeder hessische Staatsbürger, der am Tage der Eröffnung der Kammer, oder wenn die Wahl später erfolgt,
am Tage der Wahl 1) das 40. Lebensjahr zurückgelegt hat, und 2) entweder hundert Gulden ordentliche direkte Steuern bezahlt, oder fünfzig Gulden ordentliche direkte Steuern bezahlt und zugleich nach
zurückgelegten Universitätsstudien und bestandener Prüfung fünf Jahre lang sich im Besitze eines Staats-, Kirchen- oder Schulamtes, oder der Advokatur oder der ärztlichen Praxis befunden
hat.“
Die Majorität des Ausschusses beantragt:
„Zum Abgeordneten der ersten Kammer wählbar ist jeder hessische Staatsbürger, der am Tage der Eröffnung der Kammer, oder wenn die Wahl später
erfolgt, am Tage der Wahl das 40. Lebensjahr zurückgelegt hat.“
Der Abgeordnete Krug hat einen sehr komplizirten Separatantrag mit verändertem Zensus; Mohr und Zitz endlich verlangen, daß das Alter auf 30 Jahre festgesetzt werde.
Heldmann spricht gegen jede Beschränkung der passiven Wahlfähigkeit durch Alter oder Zensus, und will jeden volljährigen Staatsbürger zur ersten Kammer wählbar. — Behlen würde diesen Antrag
unterstützen, wenn Heldmann seinen ersten Antrag nicht zurückgezogen hätte. (Heiterkeit.)
Der ursprüngliche Entwurf findet nur wenig Vertheidiger. Reh tritt wieder für das höchste Alter in die Schranken, er scheint vor der Jugend (selbst vor der dreißigjährigen) eine außerordentliche
Furcht zu haben. Den Zensus betreffend, hält er die „Sicherung der Besitzenden gegen die Nichtbesitzenden“ allerdings für sehr nöthig, findet aber diese Rücksicht gewahrt durch den schon
früher gefaßten Beschluß, welcher für die „aktive Wählbarkeit zur ersten Kammer eine Steuer von 20 Fl.“ bestimmt.
Auch Wernher von Nierstein ist für 40 Jahre, als „das gereiftere Alter.“
Herr Jauch, der Vielbewanderte, stellt einen sehr passenden Vergleich an zwischen dem kleinen Nordamerika und dem großen Hessen-Darmstadt. Aber Wunder über Wunder! Die Kammer entscheidet ungeachtet
mit 25 geges 18 Stimmen für das Amendement Mohr, Zitz. Im Uebrigen tritt sie dem Antrage der Majorität des Ausschusses bei.
Art. 7 wird mit einer Modifikation nach dem Antrage des Ausschusses angenommen, und heißt:
„Mitglied der ersten oder zweiten Kammer kann derjenige nicht sein, welcher 1) nach Art. 16
der Verfassungs-Urkunde in der Ausübung seines Staatsbürgerrechts gehindert ist; 2) wegen Diebstahls, Betrugs, Unterschlagung, Fälschung oder Meineids, oder 3) wegen eines sonstigen, im Straf- oder
Militärgesetzbuche genannten Verbrechens oder Vergehens (das Duell jedoch ausgenommen) zu Dienstentsetzung oder Korrektionshaus-Strafe auf ein Jahr oder länger rechtskräftig verurtheilt
ist.“
In Bezug auf Punkt 2 und 3 war diesmal der Regierungsentwurf noch besser gewesen, der es wenigstens der jedesmaligen Entscheidung der Kammern überlassen wollte, ob eine Verurtheilung des Amtes
eines Volksvertreters unwürdig mache; aber der deutsche Spießbürger hegt eine so gründliche Verachtung gegen alle diejenigen, welche sich gegen seine Bourgeois-Moral versündigen, daß er hier gar
keinen Zweifel obwalten lassen will. — Ein Antrag Mohr's und Zitz's, Minister und Ministerialbeamte für wahlunfähig zu erklären, ward mit 24 gegen 17 Stimmen abgelehnt.
Die übrigen Artikel sind von minderer Wichtigkeit; sie wurden fast ohne Diskussion und mit geringen Modifikationen nach der Vorlage des Ausschusses bis zu Art. 27 angenommen.
Schließlich bemerkt noch der Abgeordnete Cretzschmar, daß das Versammlungsrecht (durch die Güte der Centralvolkszertreter) 5 Stunden (Meilen) um Frankfurt beschränkt; man möge das Ministerium
ersuchen, daß sich dieses bei der Centralgewalt verwende, daß für die Vorberathung der hessischen Landtagswahlen das Versammlungsrecht wieder vollständig hergestellt werde. — Wenn die
Sicherheit des deutschen Reiches und Großmama Wassermann's Gespensterfurcht das nur dulden???
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@facs | 1034 |
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] Hamburg, 4. Jan.
Das Produkt der Hamburgischen Revolution, die konstituirende Versammlung, hat ihre Thätigkeit begonnen. Wir hatten gestern die achte Sitzung, in welcher endlich die definitive Geschäftsordnung
angenommen wurde. Die übrigen Sitzungen sind nämlich mit eben so ekelhaften als langweiligen Debatten über einen Eid ausgefüllt worden. Die Leutchen konnten lange nicht Eins werden, ob sie den Eid
leisten sollten oder nicht. Einige wollten und wollen noch ihn nicht leisten, weil sie glauben, ein Gewissen zu haben. Die Radikalen sagten ganz richtig, wir leisten ihn oder wir leisten ihn nicht
— c'est toujours la meme chose! Nur keine Vereinbarung mit dem Senate, nicht erst anfragen, wie der Eid gemeint sei. Die Leute hatten ganz Recht; aber was ist gegen eine Sorte von
Menschen zu machen, die man Doktrinärs nennt (und noch dazu gegen Hamburger Doktrinärs!) Hamburg ist voll von dieser Race. Glauben Sie ja nicht, daß sich Hamburg mit seinen Frankfurter Deputirten
erschöpft hat; im Gegentheil, wir besitzen mindestens noch ein Dutzend Heckscher (unmöglich; so schlimm kann's um die biedere Hammomia nicht stehen!) in unsern Mauern. Die Heckschers der
Constituante wollen also vereinbaren; der Senat hat sie ablaufen lassen und der Eid ist geleistet worden. Das Ding hat mich amüsirt. Hundert und einige sechszig Mitglieder plapperten in allen Tonarten
die Worte her: „Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe,“ es ging wie geschmiert. Wahrlich, noch nie gab's eine solche ergötzliche Komödie als diesen Abend, und das war gut; hätte
die „konstituirende“ Versammlung auch kein anderes Verdienst, es müßte doch volle Anerkennung finden.
Soll ich Ihnen jetzt von den Fraktionen sprechen? Es giebt eine große Fraktion (zum großen Theile aus den Doktrinärs) und viele Fraktiönchen. Die letzteren gehören der äußersten Rechten und der
Linken an. Letztere zerfällt in verschiedene Theile. Der eine bildet die politische Linke. Zu dieser sind die Herren Trittau, Marr, Tischler Martens, Julius Campe (der Buchhändler) und Andere zu
zählen. Die Leute glauben, das Volk hat Brod, wenn man ihm eine Verfassung, Geschwornengericht, freie Presse u. s. w. giebt. Noch ein Theil der Linken nennt sich die sociale Partei. Hier scheint noch
sehr viel Naivetät zu herrschen und sehr viel Gott, Himmel und Gemüth. Der Führer heißt Dr. Rei. Alleinstehend in diesem Theile des Hauses sind Loine und Hagen. Ersterer hatte die Schwachheit, den Eid
nicht leisten zu wollen, letzterer ist rother Republikaner.
An der Spitze der Doktrinärs steht der Präsident der Versammlung Dr. Baumeister, eine verbesserte Auflage von Heckscher. Man kann übrigens von ihm sagen, daß er das Centrum ist.
Was die bisherige Wirksamkeit dieser Constituante betrifft, so reduzirt sie sich auf Null; was die zukünftige anlangt, so werden wir wohl einen großen und einen kleinen Rath bekommen. Die Namen
ändern sich, die Sachen bleiben dieselben, das ist die alte Geschichte.
Daß wir wieder nach Frankfurt gewählt haben, werden Sie wissen. Eine Anzahl Radikaler wollte demonstriren und stimmte ür Heinzen, die Börse, im Verein mit den Liberalen und einigen sogenannten
Radikalen wollten ebenfalls demonstriren und wählten feinen Hamburger Kaufmann, einen Freihandelsmann. Daß die Börse den Sieg davon trug, versteht sich von selbst. Uebrigens haben von 40,000 Wählern
nur 9000 gewählt.
Der Freihandel ist nach wie vor das liebe Kind der Hamburger. Wer hier Glück machen will, muß sich zum Freihandel bekennen. Er kann dann selbst Literat sein. Der Freihandel vereinigt alle Herzen,
das Bekenntniß zu demselben ist die beste Einführungskarte in die großen Eßklubs, welche die Matadore unserer Börse so oft wie möglich veranstalten. Im Freihandel begegnen sich bei uns alle
politischen Ansichten, und während sich sonst die Patrioten und die Radikalen, die Heuler und die Wühler wie bissige, wilde Bestien gegenüberstehen, reichen sie sich im Freihandel freundlich,
brüderlich die Hand. Die Reaktion und der Fortschritt wollen dasselbe — das ist das Resultat der Hamburgischen Revolution.
Die Vereine schlafen nachgerade bei uns ein, und noch dazu ohne jeglichen Belagerungszustand. Man hätte erwarten können, daß die Constituante sie zu neuer Thätigkeit anspornen würde; aber nichts da
— die Vereine bekümmern sich gar nicht um die Constituante. Ich fürchte, es geht ihnen, wie der Mehrzahl der Hamburgischen Bevölkerung.
Das Wichtigste für Hamburg dürfte zunächst die Bewegung in Schleswig-Holstein sein. Daß eine solche existirt, ist gewiß. Sogar in Altona wird man demokratisch. Die Bürgergarde ist gespalten und
wäre neulich bei der Verhaftung Bracklow's beinahe schon in einen gegenseitigen Kampf gerathen. Das Gescheuteste wäre freilich, wenn sie vereint die Regierung wegjagten und die Preußen
obendrein. Eine nord-albingische Republik ist unbedingt dasjenige, was der Demokratie für ganz Deutschland vor der Hand am Besten nutzen wurde. Wahrlich, nicht der Däne ist euer gefährlichster Feind,
Ihr Schleswig-Holsteiner!
Die Bank von Hamburg hat noch immer nahe an hundert Millionen. Unsere Bourgeoisie ruht von den Strapatzen des vorigen Jahres aus. Die Arbeiter hoffen auf Paris. Diese Hoffnung, dieses Sichverlassen
auf Andere, dieses Abwarten ist's, was der Reaktion einstweilen gewonnen Spiel giebt.
Französische Republik.
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@type | jArticle |
@facs | 1034 |
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12
] Paris, 7. Jan.
Die Franzosen werden immer gründlicher; sie wollen der Geschichte immer mehr auf die Spur kommen. Der Uebergang von Louis Philipp zu Napoleon, mit allen Zwischenvorfällen kommt ihnen immer noch so
überraschend vor, daß sie sich nicht genug ergehen können in historischen Rückerinnerungen und in neue historische Forschungen. So erfahren wir heute aus der Reforme neue Thatsachen zur Ergänzung der
erwähnten aus der „Liberté“.
Im Jahre 1839 nämlich war das Haus Orleans in großen Nöthen. Diesen Augenblick benutzte der Prinz, um durch seine Agenten Schritte zu versuchen bei Thiers, Clauzel, Berryer, Mauguin und
Excelmanns.
Um nur von Thiers zu sprechen, so äußerte er sich damals daß im Falle das Haus Orleans fiele, er keinen bessern Auswe[g] sähe, als die Proklamation des Prinzen, sei es als Kaiser, sei e[s] als
König. Diese Aeußerung, wohl verstanden, ging seinem Eintritt ins Ministerium voran, und die gestrige Erzählung war nur der Schluß von dem, was wir heute nachzuholen haben. Thiers erklärte also, daß
ungeachtet dieser seiner Meinung, er doch nicht geneigt sei, in irgend eine Verschwörung einzutreten, oder ihr auch nur im mindesten Vorschub zu leisten. Käme es jedoch so weit, daß die herrschende
Dynastie (die Orleans) stürze, so könne man auf ihn und auf seinen Beistand rechnen. Der Sinn der damals gegebenen Antwort kann nicht bestritten werden, und man citirt sogar den Namen Eines seiner
Getreuen, der mit der Ueberbringung derselben beauftragt war. Die kaiserliche Kamarilla sah in derselben eine Art „moralischer Complicität“, diplomatisch ausgedrückt und versprach sich
Wunder von ihr. Sie verfolgte ihre Manövre mit einem steigenden Eifer.
Im December desselben Jahres überfiel die Polizei Louis Philipps eine ganze kaiserliche Clique; die Papiere, welche bei den Agenten des Prinzen sich vorfanden, wurden dem Gerichte übergeben; Hr.
Zangiacomi war damals Untersuchungsrichter, und unter andern Personen, die in die Untersuchung verwickelt wurden, fanden sich die Namen Barginet, Durand, Crouy-Chanel etc. Unter den Papieren fanden
sich Briefe vor von der kompromittirendsten Natur; sie kamen nicht alle von London, sondern hatten noch eine weit größere Reise gemacht. Da erst merkte Thiers, wie schlecht die Intrigue, welcher er
Gehör geschenkt hatte, geleitet war, und es that ihm herzlich leid.
Indessen nahte der erste Mai heran, und die Ernennung des Hrn. Thiers als Präsident des Ministeriums gab der bonapartistischen Partei frohen Muth. Neue Agenten wurden zum Hrn. Thiers abgesandt und
brachten die früher versprochene „moralische Complicität“ in Anregung. Thiers wies sie ab; aber die Agenten kamen immer wieder und erinnerten immer von Neuem Thiers an seine alten
Versprechungen. Die Polizei und Louis Philipp erhielten Wind von diesen Besuchen. Die Ruhe Thiers und Philipps waren gestört; da beschloß denn ersterer den bonapartistischen Plänen ein Ende zu machen,
indem er sie auf die gestern erzählte Weise scheitern ließ.
Sarrut und Dupont sind in der heutigen Sitzung um diesen Gegenstand geschlichen, wie die „Katze um den heißen Brei“, und die ganze heutige Sitzung hat sich um die „geheimen
Aktenstücke“ dermaßen klar und offen gedreht, daß wer Ohren hatte, blinder Weise in denselben lesen konnte. Sarrut war einer der Angeklagten von 1839; ein Verschwörer, der damals den
„Namen Bonaparte gebrauchen wollte, um die Bourbonen, und mit den Bourbonen alle Throne zu stürzen.“ Sarrut hatte vom Prokurator der Republik die Herausgabe der Aktenstücke verlangt, die
sich auf die damalige Verschwörung bezogen. Auf alle seine dringenden Forderungen habe man beständig geantwortet: Es existire keine Spur mehr von diesen Aktenstücken. Er will wissen, wo sie
hingekommen sind; er will wissen, ob die Geschichte von Boulogne nicht von der Polizei angezettelt worden.
Die bonapartistische Verschwörung von 1839 war nur die Vorläuferin von 1840, wo die Expedition von Boulogne Statt fand. Er, Sarrut sei ein wahrer Verschwörer gewesen; und wenn er damals
freigesprochen worden, so sei das eine Ungerechtigkeit von Seiten des Prokurators und anderer Personen gewesen, welche oft die Mitschuldigen frei ließen, um die wahren Schuldigen zu treffen. Da er
überzeugt gewesen sei, daß seine Freisprechung nur eine Lockspeise gewesen sei, um die Boulogner Expedition zu beschleunigen, so habe er sich von letzterer, als von der Polizei und andern
hervorgerufen, ferngehalten. Hätte man damals die Aktenstücke gekannt, hätte man die wahren Verschwörer verurtheilt in 1839, so hätten die falschen Verschwörer im Jahre 1840 die Ruhe des Landes nicht
bedroht. Er, Sarrut verlange zu wissen, wo die Aktenstücke geblieben sind. Aber was Sarrut zu wissen verlangt, ist lange nicht so gefährlich, als was Dupont de Bussac wissen will. Er will wissen,
warum Malleville abgetreten, und warum man auch dem Louis Napoleon
seine Aktenstücke verweigert habe. Napoleon habe Interessen, unter den Schmeichlern diejenigen zu kennen, die ihn in 1840
verrathen haben. Weder Mallevilles
[1035]
noch Fauchers friedfertige Reden können den Eindruck verwischen, welchen diese Anklagen auf die ganze offizielle Welt von Thiers bis zu Barrot, von Louis Philipp bis zu Louis Napoleon verworfen. Alle
sind „blamirt“. Sogar der Kaiser von Rußland kömmt nicht rein weg. Er hat sich an der Geschichte von 1839 und 1840 betheiligt, wie dies aus der Intervention des Herrn von Medèm
hervorgeht, und Herr Sarrut verweist auf den damaligen Moniteur Genug, nach des Herrn von Mallevilles Versicherung ist der Aktenstoß noch da; er ist in sicherem Gewahr, unter Schloß, Riegel und
Siegel, und vielleicht erfahren wir später mehr davon. Für den Augenblick nehmen wir zu Akten 1) den Brief Napoleons, der sich in der „Patrie“ jetzt ganz mitgetheilt findet und 2) den
Brief Sarruts in Bezug auf das Verschwinden der ihn betreffenden Aktenstücke. Der erste Brief bezieht sich auf die Cartons, welche Napoleon von Malleville zurückverlangt, und den wir bereits
stückweise, wie derselbe ins Publikum nach und nach gekommen, mitgetheilt haben.
Derselbe lautet in seinem Zusammenhange folgendermaßen:
Eliseum, den 27. Dez.
Herr Minister!
„Ich habe den Polizeipräfekten gefragt, ob er nicht manchmal Berichte über die Diplomatie erhalte; er hat mir bejahend geantwortet und hinzugefügt, daß er Ihnen gestern die Kopie einer
Depesche über Italien zugesandt habe. Die Depeschen, wie Sie begreifen werden, müssen mir zugeschickt werden, und ich muß Ihnen meine Unzufriedenheit über Ihre Verzögerung, mir sie mitzutheilen,
aussprechen. Ich bitte Sie ebenfalls, mir die 16 Kartons zu schicken, die ich Ihnen abverlangt habe: ich will sie Donnerstag haben.
Ich kann ferner nicht damit einverstanden sein, daß der Minister des Innern die Artikel redigiren will, die mich persönlich betreffen: dies geschah nicht unter Louis Philipp und das darf nicht
sein. Auch habe ich seit einigen Tagen keine telegraphische Depeschen erhalten, überhaupt merke ich, daß die Minister, die ich ernannt habe, mich behandeln wollen, als ob die famöse Konstitution von
Sieyès noch in Kraft wäre; aber ich werde es nicht dulden.
Empfangen Sie, Herr Minister etc.
Bonaparte.
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[
P.P.
]
Ich vergaß, Ihnen zu sagen, daß zu St. Lazarre noch 80 Frauen festsitzen, von denen eine einzige nur vor das Kriegsgericht gestellt ist. Sagen Sie mir, ob mir das Recht zusteht, sie in Freiheit
setzen zu lassen; in diesem Falle werde ich gleich die nöthigen Befehle dazu geben.“
Die Auflösung ist in der Kammer, sie ist im Ministerium, weil die Auflösung in Napoleon ist. Die Auflösung in Napoleon ist aber weiter nichts als die Lösung der in Napoleon enthaltenen,
verschiedenen Theile; und diese Lösung hat bereits begonnen mit der Ablösung des napoleonischen, des kaiserlichen Goldgehalts, wie er sich in der Boulogner Geschichte kund that, und wie er den andern
Elementen Napoleons beigemischt ist. Dieser napoleonische Goldgehalt, der Name Napoleon, welcher die Kette, das bindende Element war, unter denen die andern Stoffe zusammen traten, ist frei geworden,
hat sich gelöst, und die Folgen liegen klar da. So sehr der „National“ einerseits erfreut ist über die heutige Scene in der Kammer, so fürchtet er die Rückwirkung davon auf die Auflösung
der Kammer. Letztere wird von allen Seiten gedrängt, auseinanderzugehen. Der National, dem von seinen Plätzen in der Regierung nichts geblieben, als die Bänke in der Kammer, fürchtet für die letzten
Reste seiner Existenz.
Wie sehr dieselbe aber bedroht ist, geht daraus hervor, daß in den Bureaus der Deputirtenkammer, wo die Unterrichtsfrage besprochen wurde, Hr. Achilles Fould sich weigerte, an den Arbeiten der
Kommission Theil zu nehmen, weil dieselben nur dazu dienen könnten, durch die Dauer, welche sie erheischten, die Dauer der Kammer zu verlängern. Nur durch die Auflösung der Kammer könne das
„gestörte Zutrauen und der gestörte Kredit“ zurückkehren.
Also Napoleon hat auch den Kredit nicht wiedergebracht, so wenig wie vor Napoleon Cavaignac, so wenig wie vor Cavaignac die exekutive Kommission, und so wenig wie vor der Kommission die Kammer. Von
der Kammer im April hoffte Fould die Rückkehr des Kredits; jetzt hält er an der Auflösung derselben, nachdem er durch alle Vermittlungen durchgezogen ist. Die Bourgeoisie hat den Kopf verloren, mit
ihren beständigen Vertröstungen auf die Rückkehr des Kredits. Barrot steht verlassen da, aber unerschütterlich wie einer, und sein treues Organ, das Siecle, beklagt sich über Thiers und Mole, die sich
aufsparen wollten für eine künftige Restauration. Haltet Euch nur ministeriell rein, Thiers und Mole, wie Ihr es thatet vor dem Sturze Guizots, als Ihr so sorgfältig vermiedet, Euch in Banketts
einzulassen. Heute halten wir wieder am 24. Febr., d. h. an Odilon-Barrot, demselben Manne, der Louis Philipps letztes Rekursmittel war. Aber wir gehen rückwärts in der Geschichte; vor Barrot am 23.
Febr. halten, nun dann halten wir wieder am Volke, an der neuen Februarrevolution, die Alles hinwegspült, was an die alte Geschichte erinnert.
Die Visite Marrasts, versichern die Debats, hat einen spontanen Charakter; der Präsident hat ihn nicht gerufen; sondern er ist aus freien Stücken zu ihm hingegangen, um ihm unter Bedingung die
Stütze des Nationals anzubieten. Der Präsident soll sich geweigert haben, darauf einzugehen.
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[
17
] Paris, 5. Januar.
Bilanz Frankreichs.
Die sogenannte Kleinbourgeoisie, von der die liberalen wie die republikanischen Ideologen ein Aufhebens machen, als vermochte sie allein wie ein Atlas die Himmelssäulen der Republik Frankreich zu
tragen, besteht also, beim Licht beschaut, aus nicht mehr als 1 1/2 Millionen Bürger, d. h. etwa nur 300-320,000 Familien, die in einer halben Gchäbigkeit herumwandeln, aber von Schulden verfolgt wie
die Maus von der Katze. Diese Säulen sind äußerst zerbrechlich, wehe einer Republik, die sich nur auf sie stützt. Die kleine Bourgeosie zahlt eine meist zwischen 50 und 199 Fr. fallende Abgabe.
Kategorie 4 und 5: Wohlergehen und Reichthum, aber nicht mehr als 770,000 Individuen. Das ist traurig, aber es ist wahr.
In den glücklichen Regierungszeiten Louis XVIII. und Karl X., d. h. der lieblichen Restauration, in der die Nation sich aber ganz und gar nicht restaurirt hat, gaben diese Kategorien dem Lande
92-107,000 Wähler; in Louis Philipps Zeit stieg ihre Summe auf 166 und 238,000. Lächerlich wäre es, wollte man Reichthum und Wohlergehen anderswo suchen. Außer den 171,000 Wählern von 1835 waren unter
den 770,000 Leuten dieser Kategorien, woraus die Familienkreise jener 171 tausend Wähler bestanden, noch andre Bürger, die nicht politische Rechte übten wegen ihres Alters oder sonst einer Ursache;
wir wollen also gerecht sein und von den 770,000 Glücklichen abziehen:
1. die Kinder unter 9 Jahren, etwa 1/6;
2. die Mädchen und Knaben von 9-20 Jahren, etwa 1/5;
3. vom Reste die Frauen, etwa 1/2.
Was denn 240,000 als Summe der Bürger zwischen 21 und 80 Jahren giebt, mit andern Worten, nur 240,000 Männer regierten das 33 Mill. zählende französische Volk. Man kann nämlich nicht sagen, daß die
reichen Frauen und die Kinder der Reichen regiert haben.
Es tummelten sich also auf unserm Boden 240,000 Herren zu Fuß, Pferde und Wagen, denen die übrigen Franzosen und Französinnen dienten. Diese 240,000 Herren, von 20 bis 80 Jahren, kommandirten als
reiche, frei sich bewegende Personen, die Börse, die Bank, die Großindustrie, die Oberämter, das große Eigenthum in Stadt und Ländereien, die Rente des Staats; diese 240,000 waren die wahrhaft
„goldene Schaar“ und regierten mit Gold und Flinten wie ihre Vorfahren schon vor Jahrhunderten. Sie hatten fette Pfründen ohne Arbeit und das gefiel ihnen, scheint es, gar herrlich.
Uebrigens ist die Summe der schuldenfreien Personen dieser Kategorie geringer, als man wähnen möchte. Und nur 531 zu Paris, nur 4253 im ganzen Lande, war die Summe der 2000 à 7000 Fr. betragenden
Abgabesätze, so daß nur 3000 schuldenlose wahrhaft Reiche existirten unter 33 Millionen Franzosen, oder Ein Reicher auf 11,000 Nichtreiche. Ist das nicht malthusianisch erbaulich? Louis Philipp nannte
das ein wachsendes Wohlergehen. Dies Wachsthum war etwas langsam, aber immer noch reißend schnell genug in den Augen des Malthusianer Thiers, der sich glücklich schätzt, wenn er Frankreich wieder auf
dem Punkte angelangt sieht, wo die Miethen in den Häusern des Boulevard zwischen Madelenenkirche und Chaussee d'Antin nicht unter 5000 Fr. sinken. Hienach bemißt ein Thiers den Wohlstand der
Nation Was soll man mit Leuten dieses Schlages anfangen?
Wenden wir uns zum beweglichen Eigenthum, welches freilich bisher nur sehr unvollständig taxirt wurde. Indessen ergeben die Statistiken, daß 1835 die durch Erbschaft, Schenkung und Abtretung
übertragenen beweglichen und unbeweglichen Güter 2,474,177,592 Fr. betrugen, nämlich die Immobilien:
durch Erbschaft 989,953,683 Fr. |
durch Schenkung 235,333,999 Fr. |
durch Abtreten 1,248,889,949 Fr. |
Total 2,474,177,592 Fr. |
ferner Mobilien:
durch Erbschaft 559,572,591 Fr. |
durch Schenkung 283,735,053 Fr. |
durch Abtreten 407,159,763 Fr. |
Total 1,250,187,107 Fr. |
Wobei zu erwähnen, daß die zwei Milliarden Immobilien und die Milliarde Mobilien etwa den Durchschnittsbelauf der Totaltransmissionen beider Arten von Eigenthum während des Jahrzehnts 1825 bis 1835
darstellen. Die thörichte Spießbürgerlichkeit der jetzigen Generation ärgert sich gelb und grun, wenn der Socialphilosoph ihrem Besitzbestande in die Karte schaut, sie nennt das eine abscheuliche
Naseweisheit. Warum schimpft sie nicht auch naseweis die Chirurgen und Aerzte, welche, den Patienten untersuchend, das Inventarium seiner Gebrechlichkeiten und Gebrechen, die Juristen, welche des
Angeklagten Lebenswandel und Verbrechen zu Papier nehmen? Wahrhaftig, je mehr man sich mit dieser unerquicklichen, verd[unleserlicher Text]eyten, abergläubischen Generation, die den Uebergang hergiebt zu einer bessern
zukünftigen, herumschlagen muß, desto ekelhafter wird sie dem Beobachter. Indessen er darf den hohen Muth nicht verlieren. Und so denn frisch aufs Neue her zum Werke.
Man könnte meinen, nach obigen Ziffern betrüge der Werth der Mobilien etwa die Hälfte der Immobilien. Dazu wäre erforderlich, daß diese wie jene gleich schnell von Hand zu Hand gingen. (Im J. 1840
schloß man 5 1/2 Million Notariatsakte und Kaufkontrakte.) Folglich wäre der Totalwerth der Mobilgüter 22 bis 24,000 Millionen, laut den Berechnungen der Statistiker, die die Immobilgüter auf 45 bis
48,000 Millionen abschätzen.
Aber das deucht uns ganz verkehrt; wir meinen im Gegentheil, der Werth der Mobilien sei weit größer, als der der Immobilien. Der Reichthum eines Landes besteht im nackten Boden und den
Appropriationen dieses Bodens, letztere wachsen ins Unendliche, denn sie umfassen alle Arbeitsfrüchte des Menschen. Gesetzbuch und Fiskus unterscheiden aber unter den Arbeitsprodukten; sie nennen
Immobilien nicht nur den nackten Boden, sondern auch die Häuser, und der Werth der Bodenprodukte und der Betrag der Hausmiethe sind in den Augen des Gesetzkundigen Immobileinkünfte für die
Besitzenden. Sobald jedoch der Besitzende nicht direkt sein Feld bestellt, und sein Haus mit dem Recht der Untervermiethung vermiethet, sobald der Besitzende einen Pächter oder Untervermiether hat,
dann thut sofort, in den Augen des Gesetzes, eine ganz andre Reihe von Thatsachen sich auf. Z. B. ein Grundbesitzer vermiethet für 10,000 Fr. an einen Pächter ein grundsteuerloses Landstück, oder ein
städtischer Eigenthümer vermiethet ein grundsteuerfreies Haus um 5000 Fr. mit dem Recht des Untervermiethens, dann bedeuten jene Summen die Rente des immobilen Pachtlandes, des immobilen Hauses. Zieht
jedoch der Pächter und der Untermiether 1000 Fr. oder 500 Fr. Gewinnst, dann ist diese neue Summe ein Gewinnst für diese neuen Ausbeutenden, und zwar ein Gewinnst von Mobilien, als ein Produkt der
Industrie des Pächters und Untermiethers. Wir sagen also:
Die Mobilienwerthe bestehen in: 1. Gewinnsten aus Vermiethungen aller Art; 2. Gewinnsten aus Wiederverkauf, Wiedervermiethung, wodurch ein neues Kapital entsteht, was man fonds de commerce nennt
und dessen ungeheure Wichtigkeit im Handel anerkannt ist, besonders in Städten; 3. Gewinnsten des Großhandels und der Fabriken; 4. Gewinnsten des Geldhandels, d. h. Wechselns, der Bank, der dem Staat
vorgestreckten Gelder; 5. Gewinnsten der Kapitale die in Kommandite, in eine Unternehmung gesteckt sind: in Bergwerke, Eisenbahnen, Industrie u. s. w. Endlich Gewinnste aus Kapitalen die in
Staatsrenten, Hypotheken u. dgl. niedergelegt sind.
Klar ist, daß in der Blüthezeit des Handels und der Industrie, das diese Gewinnste vorstellende Kapital sich in kolossalen Summen entfaltet. Noch gehören dazu die Werthe der Kleidungen,
Hausgeräthe, Arbeitsinstrumente der Miethenden, die Kunstgegenstände, Bibliotheken, kurz alles was nicht speziell immobiles Eigenthum ist. Ferner die Honorare der s. g. freien Professionen, die
Gehälter der Beamten, Direktoren, Contremaitres u. s. w. Man darf also auf zehn Milliarden über den Immobilreichthum, den Mobilarreichthum in blühenden Epochen taxiren. Und auch das ist noch zu
wenig.
Die reichern Grundherrn sind fast jedesmal auch die reicheren Mobilbesitzer und umgekehrt. Denn um Kapital zu erzeugen, d. h. den Sparpfennig bei Seite legen zu können Jahr für Jahr, nachdem man
das Nothwendige und das Angenehme und den Luxus sogar befriedigt hat, dazu muß man mehr als man eben gebraucht, besitzen. Der reiche Grundeigenthümer weiß daher sein Spargeld in Staatsrenten,
Hypotheken, Kommanditen u. s. w. anzulegen, oder in Industrieaktien (als „Portefeuillekapital“); anderseits immobilisirt nicht selten der reiche Kapitalist seinen Ueberschuß in
Grundstücken die er für billigen Preis einem halbtodten Besitzer abschacherte oder sonst wie ersteht.
Schon kommen ganze Aktenstöße erschlichener und erlogener Petitionen um schleuniges Auflösen der Nationalassemblée aus den entlegenen Provinzen an. Doch bezeigt mindestens die Halbscheid der
Assemblée keine Neigung in diesem Augenblick dazu. — Die Unterminirung des offiziellen Bodens geht rüstiger als je; seitdem die Tyrannen wieder die Februarerrungenschaften von außen her
abnagen, schlägt die Flamme nach innen. Dem „Verein der Polenfreunde“, dessen ich erwähnte, und worin viele Montagnemitglieder, tritt das Comite des deutschen pariser Vereins bei;
desgleichen des unter Pierre Leroux's Vorsitz sich konstituirenden „Propagandavereins für ganz Europa“. Bei letzterm betheiligt sich Proudhon mit allen seinen Mitredactoren des
„Peuple“ und die Klubspräsidenten. Unterweilen rast die Reaktion und mancher ihrer Giftpfeile trifft; z. B. ist Dameth, Chef der Solidaritätsassociation und Professor socialer
Volksvorträge, trotz aller Legalität so eben „als geheimer Spieler“ in Ermanglung anderer Gesetzparagraphen zu 3 Monaten und 800 Fr. verurtheilt worden, weil er eine öffentliche
Lotterieausspielung von Kunstsachen im Klub zu Gunsten der Junigefangenen hielt. — Aber Muth, die Vergeltung naht!
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@type | jArticle |
@facs | 1035 |
[
17
] Paris, 7. Jan.
Das demokratische Polen-Comité von Paris hat durch seinen „Klub Polski“ abermals seine Sympathie für uns in einem Briefe an die fourieristische Demokratie pacifique bezeugt;
„Bürger Redakteur, wir kommen, mit Schmerz und Theilnahme ein Wort zu sprechen zum Gedächtniß des deutschen Freiheitsmärtyrers Robert Blum. Das Sachsenvolk, unser alter Freund, ist auch durch
die Wiener Verträge gekränkt worden. Wir haben jetzt keine Thränen, aber wohl unser Blut zu vergießen auf dem Grabe des Gemordeten und legen diesen Immortellenkranz auf ihn nieder. Szarycinski;
Marcellus Szuchorsky, Sekretär.“
Die „Demokratie pacifique“ hat zu frühern Beiträgen für Blum's Familie so eben wieder 25 Francs erhalten. Das in französische Verse (von Herrn Woinez) übersetzte Gedicht
auf Blum's Tod macht bei den Banketten große Wirkung, viel gefällt die Strophe:
Mais patience! l'heure à la fin sonnera,
Où sur l'autel voilé de noir, la vengeresse
Des larmes et du sang des traitres se teindra,
A son tour, sans pitié pour leur scélératesse,
Et ce moment sauveur, le temps l'apportera …
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@facs | 1035 |
Paris, 7. Januar.
Der „Moniteur“ bringt endlich eine offizielle Darstellung der Schulrevolte in Saint Cyr, in Folge deren 72 Schüler ihren resp. Regimentern einverleibt wurden. Aus diesem Aktenstück
geht hervor, daß der Oberst jener berühmten Militairschule durch sein barsches Benehmen die allgemeine Empörung in der Nacht vom 19 zum 20. Dezbr. hervorgerufen hatte. Die Verstoßung jener 72 Schüler
ist übrigens nur provisorisch und sollen sie bei guter Führung und verdoppeltem Fleiß wieder in ihre Grade eingeführt werden können.
— Wir meldeten gestern, daß starke Truppenabtheilungen nach den Batignolles und Bercy dirigirt wurden, um die Weinhändler zur Ordnung zu zwingen, welche ihre Vorräthe nicht mehr von den
Zoll- oder Douanen-Beamten durchsuchen lassen wollten. Die Morgenblätter bringen lange Details über jene Vorfälle. Aus ihnen geht hervor, daß die Ankunft der Truppen, der Anblick der Bajonnette eine
furchtbare Gährung hervorrief und die Erbitterung statt zu beschwichtigen sehr steigerte. Der Präfekt, der Prokurator der Republik, umgeben von seinen Substituten und dem Untersuchungsrichter begaben
sich an Ort und Stelle und fragten die erbitterte Bevölkerung, warum sie sich empöre? Wir wollen kein Exercice (Recht des Zollbeamten, zu jeder Stunde in die Keller und sonstigen Privatgebäulichkeiten
zu dringen) mehr dulden, weil es unmenschlich; sondern wir wollen die Weinsteuer per Abonnement (in Pausch und Bogen) bezahlen. Als der Präfekt und der Untersuchungsrichter ihnen bedeutete, daß sie
dafür nicht den Weg der Rebellion, sondern den Weg der Petition hätten einschlagen sollen, so rief die Menge: Wir haben schon zu oft petitionirt, aber niemals bekamen wir Antwort. Wir schlossen daher
unsere Magazine und verweigerten die Inventarisirung unserer Vorräthe, bis unsere Anträge gehört würden.
Der Prokurator stellte ihnen vor, daß die Weinsteuer die Hauptquelle der Pariser Gemeindeeinkünfte bilde, welche gerade jetzt mehr als jemals in Anspruch genommen würden und daß man sich wenigstens
vorläufig noch der Ausübung des Exercice's unterwerfen solle. Die anderen Punkte sollten sofort gehörigen Orts geregelt werden. Zureden hilft, sagt das Sprüchwort und die Menge gestattete, daß
die Steuer- oder Thorzollbeamten unter dem Schutz der Bajonnette die Inventarisirung vornehmen durften. Aber viele Thüren mußten gesprengt werden, mancher Weinhändler war nicht zu Hause und arge
Verletzungen des Eigenthums sind verübt worden, welche große Erbitterung nach sich ziehen werden. Die Truppen sind zwar gegen 6 Uhr Abends wieder heimgekehrt, ohne daß Blut geflossen wäre; aber eine
unbeschreibliche Gährung herrscht vor den Barrieren unter den dortigen Kleinbürgern, deren Haupterwerbszweig der Weinbetrieb ist und deren Klagen das Ministerium früher oder später anhören muß, so
sehr es sich auch bei der allgemeinen Finanznoth gegen jede Verringerung der Staatseinnahme stemmen möge.
— Proudhon, der lebensgefährlich am hitzigen Fieber darnieder lag, ist in der Genesung begriffen. Sein Journal „Le Peuple“ zeigt an, daß er bald wieder den Sitzungen der
Nationalversammlung beiwohnen werde.
— Von den Februarministern Louis Philipps haben bereits fünf ihre Karte beim Präsidenten Bonaparte abgegeben.
— In den Ministerien wird ein Plan zur Aenderung des gesammten Postwesens ausgearbeitet.
Großbritannien.
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@facs | 1035 |
[
*
] London, 6. Januar.
Der 5 Januar hat uns wie gewöhnlich die Staatsrechnungsablage und die Ex- und Importlisten des Handelsamts gebracht. In wenigen Zahlen finden wir darin die Resultate des Staatshaushaltes und des
ganzen britischen Handels zusammengedrängt. Nach den großen Ereignissen des vergangenen Jahres sind diese Aufstellungen von ungewöhnlichem Interesse. In den Staatsausgaben und Einnahmen sind freilich
durch die zurückhaltende Stellung, welche England dem Kontinente gegenüber beibehielt, wenig Veränderungen vorgegangen und der Einfluß, den die Abschaffung der Korngesetze auf die Staatseinnahme
hatte, dürfte daher einzig und allein einer ausführlichern Besprechung werth sein. Anders ist es mit den Export- und Importlisten des Handels, die recht eigentlich die Vergangenheit wiederspiegeln und
natürlich zu den verschiedensten Reflektionen Anlaß geben. Beschäftigen wir uns zuerst mit der Staatsrechnungsablage.
Wir können uns darüber sofort die deutlichste Idee machen, wenn wir die Resultate des 5. Januars von 1846 bis 1849 miteinander vergleichen, denn wie unsern Lesern bekannt ist, wurden in dieser
Periode die jüngsten, großen kommerziellen und Finanz-Maßregeln des Staates getroffen. Diese vergleichende Aufstellung wäre wie folgt:
Einnahmen des Staates in 1845 L. 50,508,887 |
Einnahmen des Staates in 1846 L. 47 656,161 |
Einnahmen des Staates in 1847 L. 48,684,418 |
Einnahmen des Staates in 1848 L. 47,616,878 |
Einnahmen des Staates in 1849 L. 48,492,583 |
Es geht also daraus hervor, daß die Einnahme bis 1849 im Vergleich mit der von 1845 um 2 Millionen abgenommen hat, daß sich dagegen im Vergleich mit 1848 eine Zunahme von etwas mehr als einer
halben Million zu Gunsten des Jahres 1849 herausstellt. Die Details dieser Zunahme beruhen in den Customs und in der Excise, indem für Eingangsrechte 914,062 L.; für Excise 1,101,394 L. mehr
eingingen. Der Stempel verringerte sich dagegen um 848,698; ein Umstand der dadurch leicht zu erklären ist, daß der Handel überhaupt, namentlich aber die Spekulation in Eisenbahnen im vergangenen
Jahre abnahm. Die Einkommensteuer ist um 103,436 L. kleiner, was an und für sich eine geringfügige Summe ist, die aber nichts destoweniger beweißt, daß die Handelskrise und die darauf folgenden
Ereignisse einen gewissen Einfluß auf die zahlungsfähigen Individuen der Mittelklasse hatten. Die Post-Einnahme fiel um 88,000 L., was sich aus denselben Gründen erklärt.
Wenn man die Abnahme von der Zunahme abzieht, so stellt sich indeß wie gesagt, doch noch ein Saldo von 1/2 Million zu Gunsten von 1849 heraus, und es versteht sich von selbst, daß man dieses
Resultat auf's freudigste willkommen heißt; namentlich in einem Augenblick, wo die Einnahme anderer Staaten sich so gewaltig verringert.
Die Freihandelspartei sieht in diesem Steigen der Einnahme nur eine Rechtfertigung der getroffenen Finanz- und Handelsmaßregeln, während die Protektionisten mit vollem Rechte darauf aufmerksam
machen, daß diese ganze Zunahme durch die Mehreinfuhr von Korn hervorgebracht wird, welche freilich zum Nachtheil der britischen Agrikultur trotz der verringerten Einfuhrzölle, dem Staate mehr als
sonst einbrachte.
Interessanter als die Details der Staatsrevenue sind die Listen des Handelsamts, deren Resultate sich in folgender Aufstellung resümiren:
Export für 11 Monate bis 5. Dez. 1846 47,579,413 L. |
Export für 11 Monate bis 5. Dez. 1847 47,345,354 L. |
Export für 11 Monate bis 5. Dez. 1848 42,158,194 L. |
Der Export britischer Manufakturen u. s. w. verringerte sich also im letzten Jahre um reichlich 5 Millionen, eine Abnahme, die natürlich in dem aufgeregten Zustande des Kontinents während der
Monate Februar bis Oktober ihren besten Grund hat. Nicht vergessen muß man indeß, daß die Geldkrise von 1847 dieser Abnahme des Unternehmungsgeistes schon bedeutend vorgearbeitet hatte, und daß,
selbst wenn alles auf dem Kontinente ruhig geblieben wäre, die Summe des Exports von 1848 schwerlich die der frühern Jahre erreicht haben würde.
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@type | jArticle |
@facs | 1035 |
[
*
] London, 6. Januar.
Nach dem „Mining Journal“ ergiebt sich aus einer Vergleichung der Eisen- Produktion und Konsumtion im 18. und 19. Jahrhundert, daß Großbritannien produzirte:
im Jahr 1730 17,000 Tonnen à 1015 Kil. |
1788 68,000 Tonnen |
1827 690,000 Tonnen |
1839 950,000 Tonnen |
1845 1,550,000 Tonnen |
Ungefähr der dritte Theil der ganzen Produktion wird ausgeführt.
Beinahe ebenso überraschend ist die Abnahme des Preises oder der Produktionskosten.
Der Preis einer Tonne Gußeisen verhielt sich in den Jahren 1826, 1827 und 1848 wie die Zahlen 88, 58, 39, so daß der Preis im vorigen Jahre unter die Hälfte desjenigen von 1827 gefallen war.
Der Werth der britischen Eisenproduktion kommt, wenn die Verarbeitung zu geschmiedetem Eisen inbegriffen ist, der jährlichen Ausbeute aller Gold- und Silbergruben Amerika's
gleich.
@type | jAnnouncements |
@facs | 1036 |
Civilstand der Stadt Köln.
Den 4. u. 5. Januar 1849.
Geburten.
(3.) Cathar. und Maria, Zwill. v. Heinr. Zottmann, Güterbegleiter, Thürmchensw. — Christ. Jos., S v. Christ. Gaul, Holzhändl., Bollwerk.
Peter Jos., S v. Nicol. Finck, Maurer, Thieboldsg. — Sophia, T. v. Joh. Klos, Schuhmacher, Altengraben. — Wilh. Aug., S. v. Martin Aug. Jahn, Musikus, Telegraphenstr. — Joh.
Karl, S. v. Jacob Friedr. Münze, Zimmermann, Follerstr. — Joh., S. v. Wilh. Gladbach, Gemüsegärtner, Klingelpütz. — Anna Maria, T. v. Gerh. Kremer, Gasarb, Perlengr. — Emma. T. v.
Theod. Koch, Stahldrechsler, Ursulapl. — Henr. Wilhelm., T. v. Heinr. Kortmann, Anstr., Mauritiussteinw. — Ein unehel. Knabe.
Paul Herm. Jos. Hub., S. v. Herm. Jos. Riehm, Handlungsdiener, Nächelsg. — Peter Jos., S. v. Franz Jacob Engel, Schuhm., Waidmarkt. — Anna Christ., T. v. Joh. Schall, Leinenklauderer,
kl. Sandkaul. — Joh. Adam, S. v. Math. Jansen, Tagl., unter Kranenbäumen. — Theod. Herm., S. v. Karl Gottl. Ferd. Koch, Gasarb., Nächelsg. — Peter, S. v. Christ. Wichterich,
Eisenbahnbremser, Weideng. — Anna Franc. Wilhelm., T. v. Joh. Jos. Schlösser, Kfm., Bollwerk. — Ein unehel. Knabe.
Sterbefälle.
Anton Eichholtz, ohne Gew., 49 J. alt, unverh. unter Hutmacher. — Karl Friedr. Wilke, 3 J. alt, Carthäuserwall. — Anna Cathar. Uber, 14 T. alt, Weiherstr. — Cathar. Schmitz, 2
M. alt, Bayenstr.
Gottfr. Bismann, Tagl., 44 J. alt, verheir., Magdalenastr. — Cathar. Moll, 27 J. alt, unverh., unter Hutmacher. — Wilh. Husbeck, ohne Gew., früher Schreiner, 41 J. alt, verheir.,
Eulengarteng. — Anna Gertr. Koch, 1 J. 1 1/2 M. alt, unter Kranenb. — Maria Joh. Jos. Nickel, Wittwe Schmitz, 72 J. alt, Höhle. — Margar. Henseler, 46 J. alt, unverh.,
Schilderg.
Heirathen.
(5.) Math. Anton Rink, Gerichtschreiber, v. Aldenhoven, und Agnes Fritz, v. Eykamp. Heinr. Herm. Krause, Buchhalter, v. Hersfeld, und Hubert. Cathar. Stollwerck, v. hier.
Heiraths-Ankündigungen.
(7.) Alb. Jos. Krupp, Schiffkn., Thurnm., und Gudula Schmitz, Bolzeng. — Theod Schildgen, Schreinermeister, Wittwer, Lohrg., und Agnes Mohr, gr. Griechenm. — Karl Hubert Jos.
Windhoff, Conditor, Elisenstr, und Carol. Louis[e] Elisab. Riemenschneider, Nömerthurm. — Heinr. Go[tt]fr. Heymanns, Schlosserges, Telegraphenstr., und Anna Cathar. Körstgen, Schwertnerg
— Hub. Hermans, Tagl., Catharinengr., und Maria Cathar. Host, Mechtildisstr. — Christ. Jos. Tripp, Schreinerges., und Gertr. Müller, beide Machabäerstr. — Karl Eduard Focke, Kfm.,
zu Bremen, und Clara Doroth. Sophia Juliana Neuhaus, zu Köln. — Emil Hugo Jul. Wosche, Art.-Sergeant, und Helena Margar. Elisab. Peters, beide St. Apernstr. — Math. Schaefer, Kutscher,
Streitzeugg., und Anna Maria Fuck, Glockeng. — Joh. Herriger, Ackerer, zu Merheim, und Anna Maria Gertr. Esser, vor den sieben Burgen.
Bekanntmachung.
Der dahier verstorbene Rentner Heinrich Mehl hat eine Stiftung von 500 Thalern errichtet und bestimmt, daß die Revenuen davon unter arme Mitglieder seiner Familie, welche sich dem Studium widmen
oder eine Profession erlernen, vertheilt werden.
Wir bringen dies zur öffentlichen Kenntniß und fordern die Berechtigten zugleich auf, ihre Ansprüche auf den Stiftungsgenuß unter Nachweisung ihrer Unvermögenheit bis zum 15. Februar c. bei uns
anzumelden.
Köln, den 2. Januar 1849.
Der Verwaltungsrath der Studien-Stiftungen.
Verkaufs-Anzeige.
Am 11. Januar 1849, Vormittags 11 Uhr, sollen durch den Unterzeichneten auf dem Markte in der Apostelnstraße zu Köln, mehrere Mobilar-Effekten, als: Tische, Stühle, Lehnbänke, 1 Schrank, 1 Sopha,
verschiedene Bilder, 2 Oefen nebst Röhren, eine Partie Champagner-Gläser u. s. w., öffentlich meistbietend gegen gleich baare Zahlung verkauft werden.
Der Gerichtsvollzieher, Hey.
In meinem Verlage ist erschienen, und vorräthig in Köln bei A. Baedecker und M. Lengfeld: Meine Rede vor dem Geschwornengericht zu Köln, am 23. Dez 1848 von Andreas
Gottschalk.
Preis 2 1/2 Sgr.
Die Vertheidigungsrede des Hrn. Dr. Gottschalk wurde bekanntlich durch den Präsidenten des Gerichtshofes abgeschnitten, indem dieser den Angeklagten aufforderte sich bei der Sache zu halten,
worauf dieser erklärte, seine Vertheidigung, bei gefährdeter Redefreiheit, nicht mehr fortsetzen zu wollen. Es erscheint nun hier die ganze Rede zum erstenmal vollständig und genau, indem ihr der
durch jenen Umstand weggebliebene Schluß vom Verfasser beigefügt ist. Die immense politische Bedeutung jenes ganzen Prozesses sichert dieser meisterhaften Vertheidigungsrede das allgemeine Interesse
des Publikums.
W. Sulzbach.
Patent Gummi-Ueberschuh zum billigsten Preise bei J. A. Fischer, Höhle Neo. 2—.
Auf der Marzellenstraße sind 3 möblirte Zimmer nebst Keller und Speicher zu vermiehen. Wo sagt die Exped.
Nachdem gegen folgende Personen:
1) Tagelöhner Franz Joseph Kuhlmann, geboren zu Munster den 18. Dezember 1806, welcher vor etwa 14 Jahren nach Holland ausgewandert,
2) Maurer Anton Rickmann, zuletzt wohnhaft zu Münster, welcher vor ungefähr 16 Jahren nach Belgien in den Krieg gezogen,
3) Kötter Johann Caspar Spinker, geboren im Kirchspiele Rinkenrodde, Gerichtsbezirk Münster, den 11. April 1795, welcher im Jahre 1813 oder 1814 zum fremdherrlichen Militärdienst ausgehoben
worden,
4) Galanteriehändler Caspar Heinrich Wörmann, geboren am 1. Oktober 1798, zu Obergöllenbeck bei Bielefeld, welcher sich etwa im Jahre 1836 von seinem Wohnorte Münster entfernt hat, ohne ein Ziel
seiner Reise anzugeben,
von Seiten der zurückgelassenen Verwandten und resp. Ehefrauen, welche seit der Entfernung der vorgenannten Personen aus den königlichen Landen von deren Leben und Aufenthalte keine Nachricht erhalten
haben, auf Todeserklärung angetragen ist, so werden die vorgenannten Personen, so wie die von ihnen etwa zurückgelassenen unbekannten Erben hiermit aufgefordert, sich bei dem unterzeichneten Gerichte
oder in der Registratur desselben schriftlich oder persönlich zu melden und weitere Ausweisung zu erwarten, spätestens aber in dem auf den 17. Oktober 1849, Vormittags 11 Uhr, vor dem Deputirten Herrn
Referendar Dahlmann angesetzten Termine zu erscheinen, widrigen Falls die Todeserklärung ohne Weiteres erfolgen wird.
Münster, den 4. Dezember 1848.
Königl. Land- und Stadtgericht.
Der Wächter am Rhein ruft auch im Laufe des Jahres 1849 sein Halt-wer-da in die Stadt, und bespricht die öffentlichen Verhältnisse mit besonderer Anknüpfung an die
Verhältnisse in Köln. Er gibt demjenigen, dem die Zeit nicht gestattet, größere Blätter aufmerksam durchzulesen, Gelegenheit, sich vom Stande der Sachen in der Kürze zu unterrichten. Seine Farbe ist
diejenige der Demokratie. Zwar gehört er nicht zu der extremsten Richtung, das aber, was er für Recht erkennt, verficht er deshalb mit nicht minderer Entschiedenheit. Seine Wachtstube bringt
Kunstberichte, namentlich auch Theaterberichte, Gedichte, Erzählungen u. s. w.
Er erscheint wöchentlich 3 Mal, Sonntag, Mittwoch und Freitag. Der Abonnementspreis beträgt per Quartal in Köln 15 Sgr. pränumerando, auf inländischen Postämtern 18 3/4 Sgr. Man kann in Köln selbst
auf 1 Monat zu 5 Sgr. abonniren. Einzelne Blätter kosten 1 Sgr.
Die stets zunehmende Abonnentenzahl, verbunden mit dem billigen Preise der Einrückungsgebühren, 6 Pf. für die Zeile der drittel Spalte, macht ihn für Anzeigen stets geeigneter.
Deutscher Privat- und Familien-Gasthof, London, Nr. 38 Finsburysquare, J. F. Klein, beehrt sich, seinen Freunden und Bekannten in Deutschland anzuzeigen, daß er den obigen, schon
seit einigen Jahren auf das vortheilhafteste bekannten, in einem der vorzüglichsten, angenehmsten und gesundesten Theile der Stadt, dicht bei der Bank, der Börse und den Comptoirs der Großhändler und
Banquiers gelegenen Gasthof für alleinige Rechnung übernommen hat, und empfiehlt sich zu fernerem geneigten Zuspruch, unter der Versicherung, daß Zimmer, deutsche und aufmerksame Bedienung, Kost und
Billigkeit der Preise nichts zu wünschen übrig lassen sollen.
Zuverlässige und der fremden Sprachen mächtige Lohnbediente sind stets zur Begleitung der Herren Fremden bereit.
Man bittet, die Hausnummer Nr. 38 besonders genau zu beachten.
Eine baierische Bierbrauerei auf das Beste eingerichtet, steht im nördlichen Westphalen zu verkaufen. Diese Bierbrauerei setzt alljährig 1500 Ohm ab, wovon 300 in der eigenen
Schenke verzapft werden.
En gros erhält die Brauerei für 1 Ohm 6 Thlr. und für den Seidelen-Detail 1 Sgr. 3 Pf. bei dem Preise der Gerste von 28 Sgr. per 1 Berliner Scheffel. Näheres zu erfragen bei
der Expedition auf frankirte Briefe.
Herrenkleider werden gewaschen und reparirt, Herzogstraße Nr. 11.
Benachrichtigung an Auswanderer.
Am 1. und 15 eines jeden Monats, vom 1. März bis Ende November, expedirt der Unterzeichnete von den besten, schnellsegelnden, zum Transport von Passagieren erbauten und eingerichteten Seeschiffen,
in der Klasse A1. stehend, nach New-York, Baltimore, Philadelphia etc., wie im Frühjahre und Herbste nach New-Orleans.
Nähere Auskunft über Preise und Bedingungen, Namen der Schiffe und Kapitaine ertheilt der zum Abschluß von Ueberfahrts-Verträgen bevollmächtigte Haupt-Agent F. H. Schlicher, Schildergasse
Nr. 85 in Köln.
Bremen, im Januar 1849.
J. H. P. Schröder.
Holz-Verkauf in der königl. Oberförsterei Kottenforst.
Aus nachbenannten Schlägen sollen folgende Holzquantitäten öffentlich versteigert werden:
1. Im Forstrevier Wormersdorf.
Donnerstag den 11. Januar d. J., Vormittags 9 Uhr, im
Forsthause zu Wormersdorf.
Tombergerbusch: Etwa 10 Stück Eichen-Nutzholz; 4 Klafter dergl. Nutzholz; 45 Klafter Eichen- und Buchen-Brennholz, und 145 Schock Reiser-Wellen.
Daselbst:
Desgl. 15 Klafter Eichen-Brennholz und 119 Schock Reiser-Wellen.
Hellenberg: Das im Schlage befindliche Eichen-Lohholz, abgeschätzt zu 25 Klaftern in 14 Loosen und 143 Schock
Reiser-Wellen.
2. Im Forstrevier Schönwald.
Dienstag den 16. Januar d. J., Vormittags 9 Uhr. im Gasthofe zum Heideweg zu Endenich.
Obere Greishecke: Ungefähr 80 Klafter
Aspen-Brennholz und 78 Schock Reiser-Wellen.
Merler Viehweide: 2 Stück Eichen-Nutzholz; 51 1/2 Klafter Eichen- und gemischtes Brennholz und 32 Schock Reiser-Wellen.
Verbrannte: Etwa 21
Stück Eichen-Nutzholz; 11 Klafter Eichen- und Buchen-Brennholz und 15 Schock Reiser-Wellen.
3. Im Forstrevier Buschhoven.
Freitag den 19. Januar d. J., Vormittags 9 Uhr, im
Forsthause zu Buschhoven.
An der Dünstekover Viehtrifft ober der Kölnischen Straße: Ungefähr 40 Stück Eichen-Nutzholz; 18 Klafter Eichen- und gemischtes Brennholz und 130 Schock Reiser-Wellen;
sodann das im Schlage befindliche Lohholz in 6 Loosen.
4. Im Forstrevier Venne.
Dienstag den 23. Januar d. J., Vormittags 9 Uhr, im Gasthofe zum Heideweg zu Endenich.
Dickenbogen: Etwa 8 Stück Eichen-Nutzholz; 220 Klafter Eichen-,
Buchen- und gemischtes Brennholz und 120 Schock Reiser-Wellen.
Donnerstag den 25. Januar d. J., Vormittags 9 Uhr, im Gasthofe zum Heideweg zu Endenich.
Daselbst: Desgl. 200 Klafter
Eichen-, Buchen- und gemischtes Brennholz und 130 Schock Reiser-Wellen.
5. Im Forstrevier Hardt.
Dinstag den 30. Januar d. J., Vormittags 9 Uhr, auf dem Forsthause Hardt.
An der Eremitage: Ungefähr 215 Stück Eichen-Nutzholz; 40 Klafter Eichen- und
Buchen-Brennholz und 190 Schock Reiser-Wellen.
Endenich bei Bonn, 12. December 1848.
Der Oberförster Riesen.
Mühlen-Versteigerung.
Am Donnerstag den 18. Januar nächsthin, Morgens um 10 Uhr, wird Herr Mühlenbesitzer Keuffer zu Saarburg seine oberhalb Trassem an dem wasserreichen Leuckbache gelegene, sogenannte
„oberste Neumühle, welche zwei Mahlgänge und einen Oelgang enthält, sammt Scheune Stallung und den um dieselbe befindlichen Wiesen, Gärten und Ackerländereien, das Ganze einen Flächenraum von
31 Morgen 150 Ruthen umfassend, gegen einen fünfjährigen Zahlungs-Ausstand in dieser Mühle selbst öffentlich versteigern.
Trier, den 18. Dezember 1848.
Der Notar, Funck.
Ein Arbeiter wünscht eine Stelle für Kommissionen zu verrichten.
Entenpfuhl Nr. 86F.
Täglich frische trockene Hefe bei Weiler unter Gottesgnaden Nr. 9.
Echter Westfälischer, Gütersloher Pumpernikel ist fortwährend zu haben bei Weiler unter Gottesgnaden Nr. 9.
Unser Geschäfts-Lokal befindet sich jetzt große Witschgasse Nr. 13.
A. & L. Isaac.
Wohnungs-Veränderung.
Ich wohne jetzt Hochpforte Nr. 22—.
Dr. Boisserée.
Rother und weißer Wein per Quart 2 1/2 Sgr. in und außer dem Hause, bei Franz Brückmann, Zollstraße Nr. 5—.
Wein-Verkauf außer dem Hause.
Reingehaltener Moselwein per Quart 2 und 2 1/2 Sgr.
Johannisstraße Nr. 48.
Ein Bäckerlehrling gesucht, am liebsten ein Stadtkundiger. Die Exp. sagt wo.
Regelmäßige Dampf-Schifffahrt zwischen Antwerpen und Hull und vice versa, durch das englische Dampfboot: „Rob Roy.“
Abfahrt von Hull, Mittwoch Nachmittag.
Abfahrt von Antwerpen, Sonnabend Nachmittag.
Nähere Auskunft ertheilen John-Foster, belgischer Konsul in Hull.
Charles Grisar et W. J. Marsily in Antwerpen.
Mosel-Dampfschifffahrt.
Täglicher Dienst.
Vom 1. November c. an fahren unsere Schiffe nur viermal wöchentlich und zwar: von Trier Montags, Mittwochs, Freitags und Samstags, Morgens um 5 Uhr von Koblenz Dienstags, Donnerstags, Samstags und
Sonntags Morgens um 6 Uhr.
Trier, den 23. Oktober 1848.
Die Direktion.
Konzessionirtes Vaudeville-Theater.
Heute Mittwoch den 10. Januar 1849: Zweite Gastdarstellung des Herrn Fr. Engelken.
Ich bleibe ledig.
Lustspiel in 3 Akten, von Blum.
Hierauf: Das Fest der Handwerker.
Vaudeville-Posse in 1 Akt von Angely.
*** Hr. Engelken im 1. Stücke Graf Biberstein | als Gast |
Hr. Engelken im 2. Stücke Keuck |
Entree 10 Sgr. à Person, wofür Getränke verabreicht werden.
Kassa-Eröffnung 6 Uhr.
Anfang 7 Uhr.
Franz Stollwerck.