Deutschland.
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*
] Köln, 6. Januar.
Die Rücksendungen des im März aus Preußen fortgeschafften Silbers dauert fort. Täglich kommen Kisten mit Silber an, die theils via Frankfurt a. M., theils via Deutz von der hiesigen Post aus
expedirt werden. Die Fässer, worin das königl. preuß. Silber bei seiner Heimkehr verpackt ist, haben 2 Fuß Länge und 1 Fuß Höhe. Sie sind mit einem Flechtwerk von Stricken umgeben und alle von der
nämlichen Beschaffenheit. Der Absender ist nicht in Erfahrung zu bringen, da in unserer Stadt neue Frachtbriefe gegeben werden. Bei der im preußischen Staatsschatz herrschenden Ebbe, bei den Kosten
für die bevorstehenden Wahlen in Preußen, und der im Gange befindlichen Kaiserfabrikation in Frankfurt werden diese Kistchen gerade zur rechten Zeit eintreffen. Die „N. Rh. Ztg.“ machte
im Juni darauf aufmerksam, daß die Ende März begonnene königl. preuß-Gold- und Silberauswanderung noch in gedachtem Monat fortdauerte. Wir waren auch diesmal die Ersten, welche von der Lösung des
Zaubers Kunde gaben.
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68
] Köln, 6. Jan.
Die preußischen Unteroffiziere vom 27. Regimente haben gestern Abend, 1 Uhr, wieder eine Kroaten-Scene im Stollwerk'schen Kaffeehause aufgeführt. Bürger aus Köln saßen ruhig an einem Tisch
und tranken Wein. Das genirte unsere pommerschen „Brüder“ und es entstand ein wahres Gemetzel. Einer von den Unteroffizieren lief nach der Kaserne und kam mit 17 Mann Verstärkung zurück,
die alle ihre blanken Säbel unter dem Mantel trugen. Also nach 1 Uhr ziehen Soldaten ungehindert aus der Kaserne, um Ruhe und Ordnung zu stiften, nämlich über ruhige Bürger herzufallen? Am andern
Morgen fanden sich noch allerhand preußische Ueberreste im Saale, z. B. Säbel, Helm und sogar ein ganzer Preuße, der lebendig und wohlerhalten unter dem Komptoir gefunden wurde, während Hr.
Stollewerk, an seiner Stichwunde leidend, das Bett hütet. Der gefundene Preuße ist auf die Kommandantur abgeliefert worden. Natürlich wird man den Herren Preußen, nachdem sie von den großmüthigern
Bürgern die Effekten, i. e. die Beweisstücke zurück erhalten haben, einige Stellen aus der Neujahrsgratulation von Potsdam vorlesen, unter Anderm: „Ich kannte Meine Armee — wo Ich rief,
stand sie bereit, in voller Treue, in voller Disziplin. (Sogar um 1 Uhr in der Nacht mit ihren schamhaft unter den Mänteln verborgenen Säbeln.) Ferner: „Ueberall hat die Armee ihre Pflicht
gethan.“ (Also auch bei Stollwerk und in Schweidnitz).
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065
] Dahlen (Kreis Gladbach), 5. Jan.
Während man anderwärts durch Militärgewalt die Volksversammlungen unterdrückt, wendet man in unserm Kreise andere Mittel an, um das Volk dieses Rechtes zu berauben. Seit einiger Zeit fanden in
Gladbach häufig Volksversammlungen statt, welche meist von Männern der arbeitenden Klasse besucht wurden. Ihre Tendenz entsprach vollkommen ihrer Benennung. Diese Volksversammlungen suchte man auf
jede Weise zu verdächtigen und das Volk von dem Besuche derselben abzuhalten. Allein dies hatte nur zur Folge, daß die Masse der Theilnehmer immer größer wurde. Endlich konstituirte sich auch ein
Bürgerverein, der ein einiges, freies, mächtiges Deutschland, und ein in Deutschland aufgehendes, freies, durch eine volksthümliche Verfassung (etwa die oktroyirte?) gekräftigtes Preußen will; der
ferner die Beschlüsse der sogenannten deutschen Nationalversammlung als für ganz Deutschland maßgebend anerkannte und ein unbedingtes Sich-Unterordnen der Einzelstaaten unter dieselben verlangte; die
Rechte und Freiheiten (welche?) des Volkes gegen Versuche von Oben oder Unten, dieselbe zu schmälern, wahren und vertreten will und jeden Austausch der politischen Meinungen innerhalb der hier
ausgesprochenen Grundprinzipien zuläßt (wie gütig!). An der Spitze dieses Vereines steht ein mit liberalen Phrasen um sich werfender, sage ein sehr konservativer Dr. Med., der sich besonders um
Durchsetzung der Beschlüsse bemühte.
Nachdem man im Geheimen alle Mittel erschöpft hatte, die Volksführer zu verdächtigen, wurde vorigen Sonntag von einem unserer beiden Geistlichen, bei denen das Licht der Aufklärung noch wenig
Eingang gefunden, das Volk von der Kanzel herab vor den Volksversammlungen und dem Lesen demokratischer Blätter gewarnt und diejenigen, welche öffentlich demokratische Reden hielten, als die größten
Feinde des Volkes bezeichnet, weil sie die Religion zu unterdrücken beabsichtigten etc.
Allein solche plumpe und perfide Mittel werden statt ihren Zweck zu erreichen, nur dazu dienen, dem Volke Gelegenheit zu geben, seine wahren Freunde von seinen falschen unterscheiden zu
lernen.
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067
] Münster, 4. Jan.
Der Buchhändler Wundermann ist heute seiner politischen Haft entlassen, nachdem er ohne allen Grund seit Publikation der Verfassung darin festgehalten war. Derselbe hat sofort den Justizminister
ersucht, den Gerichtsstand für die Mitglieder des Kriminal-Senats und des Stadtgerichts zu bestimmen, um gegen dieselben eine Entschädigungsklage wegen ungesetzlicher Haft erheben zu können
Die Geschichten von hier sollen in Berlin gewaltig Aufsehen machen. (Wirklich! O nicht doch!) — Schade wäre es, wenn sie ein baldiges Ende nähmen. Der Augiasstall ist noch lange nicht
ausgefegt. Ergötzlich ist folgende Geschichte:
Ein Richter wird, so erzählt man sich, rücksichtlich der Schritte gegen Temme u. s. w. bedenklich gemacht, worauf er entgegnet: Ei was, der Justizminister Rintelen hat in einer großen
Privat-Gesellschaft selbst feierlich erklärt, daß die Steuerverweigerer der Nationalversammlung geköpft zu werden verdienten. Dies soll beim Auditeur Frech vorgekommen sein.
Der Richter hat gemeint, man könne die Kongreßmitglieder nicht bestrafen, wenn nicht auch die Urheber bestraft würden. Moralisch mag der Mann nicht Unrecht haben — aber die königl.
preußische Logik!
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*
] Berlin, 5. Jan.
Die „Neue Preußische Zeitung“ vervollständigt ihr Sündenregister durch die freche Lüge: Hr. Schlinke, Vorstand des Rustikalvereins für Schlesien, habe die Kasse bei seinem
Verschwinden mitgenommen. Die „N. Pr. Ztg.“ kann sich noch immer nicht trösten, daß Schlinke dem Breslauer Inquisitoriat abhanden gekommen. Die brave Kreuzritterin, die von
Extraordinariis lebt, sucht natürlich den Demokraten dieselbe Stellung zu den Vorstandskassen zu geben, die sie selbst der Staatskasse gegenüber „mit Gott für König und Vaterland“
behauptet.
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*
] Berlin, 6. Jan.
Um das neue gottbegnadete „konstitutionelle“ Leben in seiner ganzen Herrlichkeit zu erfassen, braucht man nur Wrangel-Manteuffelsche Edikte, wie folgendes ist, zu lesen:
„Der Herr Oberbefehlshaber der Truppen in den Marken hat auf Ew. Wohlgeboren Antrag die Suspension der von Ihnen redigirten Zeitschrift „der Publicist“ zurückgenommen,
so daß der weitern Herausgabe dieser Zeitschrift Nichts mehr entgegensteht. Das Polizeipräsidium ist jedoch beauftragt, Ew. Wohlgeboren vor allen Angriffen der Behörden und ihrer Maßnahmen bei
Vermeidung sofortigen Wiedereintritts der Suspension zu verwarnen. Das Polizeipräsidium kann daher in Ew. Wohlgeboren eignem Interesse nur Vorsicht anempfehlen.
Berlin, den 21. Dezember 1848.
Königliches Polizeipräsidium, v. Hinkeldey.“
An den Königl. Kriminalgerichts-Aktuarius Herrn Thiele.
Ungeachtet der wiederholten Warnungen, ja der schreckendsten Beispiele, ist es bis jetzt leider nicht gelungen, die Ordnung auf eine zuverläßliche Weise zu sichern; es mußten im Gegentheile
schärfere Maßregeln gegen jene Unheilstifter ergriffen werden, die jeder Behörde Hohn lächeln, jedes Gesetz mit Füßen treten.
Da nun aber die Erfahrung gelehrt hat, daß ein großer, ja der größere Theil der Eingeborenen Wiens durch Anstiftung fremder Emissäre irre geleitet und zu Handlungen verführt worden sind, die man
früher dem gemüthlichen Wiener kaum hätte zumuthen können, so wird befohlen, daß alle Fremde, Ausländer sowohl, als nach Wien nicht zuständige Inländer, wenn sie sich nicht vollkommen
über ihre gesellschaftliche und politische Haltung und über die Nothwendigkeit ihres Aufenthaltes ausweisen können, von Wien sich entfernen. Diejenigen, die es wagen sollten, dieser
Verfügung neuerdings zu trotzen und ohne der von der betreffenden Behörde auszustellenden Aufenthaltskarte betreten würden, müßten sich selbst die strengste Behandlung zuschreiben, die ohne alle
Rücksicht gegen sie eingeleitet würde.
Wien, den 31. December 1848.
Von der k. k. Central-Untersuchungs-Commission.
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121
] Wien, 2. Januar.
Gestern Abend wurde Folgendes veröffentlicht:
Sie können daraus entnehmen, welche angenehme Position der „Ausländer,“ so heißt, Notabene, jeder Deutsche, hier hat. Die Bourgeoisie, welche allerwärts, insbesondere aber hier, das
verächtlichste Gesindel an Verächtlichkeit übertrifft, stellt in ihrer viehischen Bornirtheit und Charakterlosigkeit den Ausländer seit lange schon mit dem Verbrecher in gleiche Linie, und die
gegenwärtige Verordnung, die diese Bourgeois mit dem Titel „gemüthlicher Wiener“ schmeichelt, ist gewiß nicht im Stande, ihre Ansichten zu verbessern.
Diese Bourgeoisie ist gemeiner als die gemeinsten Polizeibüttel. Man sagt, die sich hier aufhaltenden Magyaren höheren Rangs und die Polen sollen vorzugsweise mit der Verordnung gemeint sein. So
viel ist gewiß, dieselbe verräth eine beispiellose Gespensterfurcht und ist die Fortsetzung zu dem Weldenschen Klubdokumente. Das immer noch zweifelhafte Endresultat des Kampfes in Ungarn und die
Bedrängnisse von allen Seiten sind der innere Grund zu der Verordnung. Die Polizei bietet nebenbei alles auf, die Thaten nach den Wünschen Weldens zu fabriziren. So hat dieselbe in der Nacht vom 31.
auf den 1. am Stabstockhause einen Krawall hervorzurufen sich bemüht, ohne daß aber das Volk in die Falle gegangen. Wäre irgend etwas wahres an den Behauptungen Weldens und der
Untersuchungskommission, so würde man gewiß nicht verfehlt haben, die ergriffenen Individuen vors Neuthor zu führen. Die ergriffenen Individuen waren indessen stets Polizeispione, die man zum Krawall
angestellt hatte. Auch in Ihre Zeitung sind neulich Behauptungen übergegangen, als ob Proletarier sich den Kanonen genähert hätten, um dieselben in den Graben zu werfen, oder zu vernageln. Solche
Behauptungen können nur von Korrespondenten herrühren, die noch dummer sind, als die brutalen östreichischen Polizeispione. (Das sind sie auch!)
In den Vorstädten wird immer noch mit Kanonen patrouillirt. Die Polizeiverordnung über die Presse steht zwar im krassesten Widerspruche mit den kaiserl. Entschließungen vom 14. und 15. März, allein
dergleichen Abnormitäten sind hier so alltäglich, daß sich niemand, nicht einmal Hr. Kuranda, geschweige die andern Standrechtsblätter, darüber aufhalten. Die meisten Journale haben in Folge dieser
saubern Verordnung bis zu diesem Augenblicke noch nicht erscheinen können. Die Kölner Zeitung, ein hier bisher unbeachtetes Blatt, scheint sich den hiesigen Markt mit Gewalt öffnen zu wollen. Die
morastige Gesinnung dieses Blattes ist bei uns allerdings höchst empfehlenswerth, allein ihr Konkurrent „Presse“ verdirbt ihr den Markt doch allzustark. Diese „Presse“ hat
eine Neujahrsbude aufgeschlagen, deren gemeine Profitwüthigkeit die edle Kölnerin leider noch nicht zu erreichen das Talent gehabt hat. Lesen Sie diese Boutique-Inschrift und seien Sie versichert,
daß, wenn in Oesterreich auch alles durcheinander fällt, doch etwas ganz gewiß Herr bleibt: „die beispielloseste Juden-Gemeinheit.“ (Die beiliegende Annonce, mit welcher wir unser Blatt
nicht besudeln wollen, beweist allerdings, wie sehr unser Korrespondent Recht hat.)
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61
] Wien, 2. Jan.
Ich habe Ihnen einen neuen sogenannten Siegesbericht mitzutheilen. (Wir theilten seinen Inhalt gestern in der ersten Ausgabe von 189 mit.)
Das Militär soll durch die sein einigen Tagen noch gestiegene Kälte ganz ungeheuer leiden. Viele Soldaten erfrieren, Ich begreife kaum, wie die Fortsetzung der Operationen ferner möglich ist.
— Jellachichs Sieg muß ziemlich resultatlos gewesen sein, so daß Perczel sich ihn vielleicht ebenfalls beimessen wird. Ein Schlachtfeld voll Todter! das scheint die Hauptwahrheit und das
Hauptresultat des Berichts zu sein. Nach Wunsch geht es in Ungarn auf keinen Fall, sonst wüßte man anders zu deklamiren. Doch mit den einmarschirten Türken und Russen im Bunde kann Ungarns Schicksal
nicht zweifelhaft sein.
Längs der sächsisch-schlesisch-böhmischen Grenze soll à la Rußland ein Anti-Revolutions-Kordon gezogen, und auswärtige Zeitungen, die jetzt schon an 36 fl. C. M. Stempelgebühr bezahlen, noch
höher besteuert werden; alles zu Ehre und Ruhm der s. g. östreich. Freiheit.
Die wahnsinnige Furcht der Polizei mag Ihnen folgendes humoristische Anekdötchen zeigen.
Ein Knabe ließ Theelöffel durch ein Kanalgitter auf dem Graben (eine der elegantesten Straßen Wiens) fallen, und erhebt darüber ein mitleiderregendes Jammern. Menschen drängten sich lautlos
(Sprechen heißt Strang) um ihn und glotzten auf das Gitter. Ein Spaßvogel aber bemerkte einem Spion, im Kanal seien Demokraten. Sofort wird Militär und Polizei requirirt, das Kanalgitter umzingelt,
der Junge als Demokratenfütterer gepackt und eine Untersuchung angestellt, deren Resultat ungemein kothig gewesen sein soll.
Die Bourgeoisie ist gegen die Gewerbefreiheit eingekommen, weil sie das Proletariat produzire. Der Reichstag in Kremsier, als bloser „Hans Jörgel“ oder „Schuselka“ zu
theuer, soll nun durchaus einbalsamirt werden. — Das Ministerium verfolgt den mit Rücksicht auf Umstände, Mittel und Zeitgeist wahnsinnigen Gedanken, zu Stande zu bringen, was einem Metternich
mißlungen ist. Es glaubt, man bedürfe dazu weiter nichts, als des Terrorismus der brutalsten Gewalt. Das Ministerium will die öster-
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reichischen Völker, die sich doch sehr gut in Deutsche, Polen, Italiener und Magyaren trotz der 100 heraufbeschworenen Natiönchen verselbständigen lassen, in eine einzige habsburgische Heerde
verwandeln. Mit Rücksicht hierauf spricht die „Presse“ den unglaublichen Unsinn aus: „Oesterreich hat die Krisis der letzten Monate überstanden; (!!!) es geht der Einheit
entgegen.“ — Ich weiß nicht, ob sie das Linsengemüse dieser „Presse“ täglich verdauen müssen, wie ich; man wird krank davon. Heute wüthet sie wider die
„
auftauchenden Volksblätter“; über die schöne Censurhandhabung verliert sie nicht nur keine Silbe, sondern sie druckt die Verordnung nicht einmal ab.
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@facs | 1026 |
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24
] Olmütz, 1. Jan.
Wie man das Proletariat zu verleumden sucht, möge Ihnen folgende Stelle einer Korrespondenz aus Brünn, Oesterreichs Manchester, beweisen, die der Korrespondent von Olmütz enthält:
„Mit dem sogenannten Proletariat macht man sich hier manche Sorge. Wie aber die Kosten und Mühe, die man auf künstliche, im Ganzen wenig produktive Beschäftigung der theils arbeitslosen,
theils arbeitsscheuen Individuen verwendet, gelohnt werden, davon zwei Beispiele. Neulich wurde in einer hiesigen Schenke eine Gesellschaft spät in der Nacht von der Sicherheitsbehörde beim
Färbelspiele überrascht; die Spielenden waren Mitglieder der auf allgemeine Kosten mit Erdarbeiten unterhalb des Spielbergs beschäftigten Arbeiterpartien!! — In der Fabrik des Hrn. P. wurde
eine Bestellung auf Stoffe nach einem neuen Muster gemacht. Herr P. vertheilte die Arbeit nach der hier üblichen Weise. Die Arbeiter aber weigerten sich, weil man bei diesem neuen Muster zu viel
Aufmerksamkeit verwenden müsse. Als der Fabrikant ihnen bemerkte, er müsse in diesem Falle die Arbeit andern geben, die sich bereitwilliger finden würden, remonstrirten sie gewaltig dagegen und
argumentirten: er dürfe das nicht, er sei als Fabriksherr verpflichtet, sie zu beschäftigen und zu erhalten; sie wollten nur diese Arbeit nicht, weil sie zu viel Aufmerksamkeit erheische.
Man sieht hieraus, daß, so wie nicht alles Gold ist was glänzt, auch nicht alles Noth und Arbeitslosigkeit ist, was dafür ausgegeben wird. Zum Theil ist die verkehrte Auffassung der
Arbeiter-Verhältnisse Schuld daran. Um nur ja nicht hinter Paris zurückzubleiben, hat man fast künstlich zu dem bestehenden Vagabonden-Proletariat ein Arbeiter-Proletariat geschaffen. Man sucht die
mit Arbeit auf allgemeine Kosten zu Unterstützenden auf, statt daß es in der Natur der Sache läge, daß der Arbeiter die Arbeit suche, man gewöhnt die Leute durch gut bezahlte Scheinarbeit ans
Nichtsthun und ruft Arbeitsscheu und Unzufriedenheit mit ihrer frühern Arbeit hervor, bei der sie sich zwar etwas mehr, aber mit Fleißanwendung verdienten“!!!
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@facs | 1026 |
Olmütz, 31. Dezbr.
Ein mysteriöser Todesfall machte hier Aufsehen. Der hiesige böhmische Translator, P. Kinsky, wurde auf seiner Kellertreppe todt gefunden. An seinem Körper ist keine Spur einer Gewaltthat sichtbar,
allein die Kellerschlüssel, die er gehabt haben mußte, um das neben ihm verschüttet gefundene Getränk zu holen, fanden sich im verschlossenen Zimmer seiner Wohnung, deren Fenster mit dem
priesterlichen Talare des Todten verhangen (die Wohnung liegt im Erdgeschosse) und ein Schrank erbrochen gefunden wurde.
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X
] Breslau, 4. Jan.
Das neue Jahr bringt uns zur Aufregung Anlaß genug. Ob wir noch aufzuregen sind, ist eine andre Frage, welche nur die Zeit entscheiden kann. Sie kennen die Vorgänge auf dem Stadthause am 20.
November. Ueber diese ist nun eine Untersuchung eingeleitet. In Folge jener Vorgänge werden zugleich die heftigsten Debatten über die „Auflösung der Bürgerwehr“ geführt. Sollte dieser
Schritt vor den Wahlen geschehen, so wäre dies für dieselben ungemein günstig, da hierdurch auch die Halben und Unentschiednen zur Demokratie hinübergenöthigt würden. Das Resultat der Wahlen scheint
hier übrigens fast unzweifelhaft. Die demokratische Partei wird auch diesmal siegen.
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@facs | 1026 |
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15
] Altona, 2. Januar.
Nachträglich muß ich Ihre Leser doch mit den Heldenthaten der Bourgeoisie und Büreaukratie, welche bei der Verhaftung Th. Bracklow's stattfanden, bekannt machen. Th. Bracklow wurde
bekanntlich, als er sich in die Versammlung des vaterländischen Vereins begeben wollte, verhaftet. Seine Gesinnungsgenossen, die Mitglieder des genannten Vereins) erhielten alsbald Kunde davon, und
sandten eine Deputation, der sich die übrigen Mitglieder anschlossen, an den Oberpräsidenten ab.
Wie zu erwarten, hatten sich inzwischen auch außer den Vereinsmitgliedern, deren Zahl sich auf 600 belaufen mag, auf den Straßen (namentlich aber auf dem Rathhausmarkte und um das Rathhaus) viele
Menschen versammelt; dem Zuge zum Oberpräsidenten schlossen sich aber besonders Viele an.
Bracklow war auf's Rathhaus, später auf die gegenüberliegende Wache geführt worden; der Oberpräsident befand sich auf dem Rathhause. Die Deputation traf ihn hier und brachte ihr Anliegen:
Bracklow möge seiner Haft entlassen werden, vor, erbot sich auch 7 Bürgen, bis zum andern Morgen, wo eine Caution beschafft werden solle, zu stellen. Der Oberpräsident, ein Graf Reventlow-Criminil gab
aber den Bescheid: Bracklow solle gegen eine Caution von 1000 Thalern frei werden, 7 Bürgen könnten aber nicht angenommen werden.
Die Logik dieses Bescheides der gräflichen Gnaden war: Sieben von der bürgerlichen Kanaille sind keine 1000 Thaler werth; Bracklow wurde also nicht entlassen.
Inzwischen wurde die Bürgerwahr allarmirt, weil sich immer größere Menschenmassen sammelten, welche die Freilassung Bracklow's ungestüm verlangten. Als daher das Gedränge immer größer wurde,
und Seine gräflichen Gnaden von demselben unangenehm berührt wurde, gaben hochdieselben Befehl, den Pöbel für seine Frechheit und Verletzung der Ehre des gräflichen Geblüts ein wenig zu
maltraitiren.
Obgleich nun gewöhnlich die Herren des mitteralterlichen Plunders und der Büreaukratie sich auf dem Vinke'schen Rechtsboden herumtreiben, so machte doch diesmal Excellenz eine rühmliche
Ausnahme. Unsere Landesversammlung, die uns im Jahre 1848 mit der neuen Verfassung, im Uebermaaß ihres Liberalismus und ihrer Besonnenheit, noch ein Wahlgesetz mit Census bescheerte (hört!), bedachte
uns desgleichen mit einem — Aufruhrgesetz. Ohne nun dieses Gesetz verlesen zu lassen, welches dreimal geschehen soll, ehe von der bewaffneten Macht Gebrauch zur Herstellung der Ruhe gemacht
werden darf, ließ doch der Herr Oberpräsident die Bürgerwehr gegen die Tumultanten (?!) einschreiten. Die Bürgerwehr größtentheils der Bourgeoisie angehörend (denn nur diese hatte sich in Folge des
Generalmarsches eingefunden) freuten sich, daß sich endlich eine Gelegenheit darbot, gegen die keine bestehenden Verhältnisse anerkennenden Demokraten, ihren Unmuth auszulassen, und zeigte der Welt,
daß die loyale Stadt Altona durch sie gewiß nicht in den Geruch der Wühlerei kommen könne, daß sie vielmehr die Stütze der Verfassung und des Thrones sei. Namentlich hat sich ein gewisser
Bäckermeister Ockershausen, der einst bei der Anwesenheit Christians VIII. in Altona, bei der Empfangnahme desselben sagte: Stützen sich Eure Majestät auf mich, so haben sie eine gute Stütze (der gute
Mann ist nämlich sehr groß und korpulent), als Hauptmann einer Kompagnie ausgezeichnet. Mit gefälltem Bajonnet ging sie gegen die wehrlose Menge an, und brachte als Zeugen ihres Heldenmuthes, einem
der beim Rathhause Versammelten eine gefährliche Verwundung im Kopfe, einem Andern eine in der Hand bei, Wie aber Viele durch das Gedränge zu Boden geworfen waren, versuchte sie sich auch im Gebrauch
des Kolbens, und schlug auf die an der Erde liegenden Menschen, wie ein Drescher auf die vor ihm liegenden Garben los. Den Heldenthaten der Bourgeoisie, die als Reserve ein Bataillon Linieninfanterie
hatte, konnte unmöglich der unbewaffnete, friedliebende Pöbel (?) wiederstehen: die Freilassung Bracklow's mußte also unterbleiben.
Leider soll diesen todesmuthigen (?) Kämpfern, für das angestammte Fürstenhaus und die Bourgeois-Verfassung, die Freude ihres Sieges vergällt worden sein, durch — die Jäger der Bürgerwehr,
welche indignirt über das Benehmen ihrer Collegen, ob über die Menschlichkeit oder die Tollkühnheit derselben, weiß ich nicht, glaube aber ersteres annehmen zu dürfen, mit diesen bald handgemein
geworden wären. Diese wurden aber auch bald besänftigt, und so ging dieser, in den Annalen der guten Stadt Altona, ewig denkwürdige Tag, ohne weiteres Blutvergießen, blos mit einigen Verhaftungen,
vorüber. Die Bourgeoisie hat sich aber auch ein Denkmal gesetzt, an dem sich die Enkel derselben, in spätern Jahren, der Heldenthaten ihrer Väter erfreuen können.
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@facs | 1026 |
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125
] Glücksstadt, 3. Jan.
Ein neuer politischer Agitator, Missionär, Emissär oder wie man ihn sonst nennen mag, ist hier aufgetaucht; sein Wirken ist aber so geheimnißvoll, daß dasselbe hier noch wenig bekannt und gewürdigt
worden. Es ist der Prinz Friedrich von Nöer, der Bruder des Herzogs von Augustenburg, „der tapfere, unerschrockene, kühne“ Feldherr (??), der beim Ausbruch der hiesigen Revolution (?)
die „unvertheidigte“ Festung Rendsburg einnahm. Dieser Prinz von Nöer sucht Propaganda für mittelalterliche Formen und die gute, alte Zeit der Feudalherrschaft zu machen. So hat er unter
anderm vor längerer Zeit in einer 1 1/2 bis 2 Stunden von hier gelegenen Ortschaft, Namens Steinburg, eine Bauernversammlung gehalten, die ganz im Geheimen von den Bauernvorstehern und Vollmachten auf
verschiedenen Ortschaften und Dörfern angesagt war, zu der aber Niemand kommen durfte, von dem man irgendwie Opposition erwartete.
Wörtlich kann ich Ihren Lesern nicht wiedergeben, was die prinzliche Hoheit den Bauern vordeklamirte; Ihre Leser würden es auch nicht gut verstehen, da es eine prinzlich nöerische Sprache führte.
Ich bringe es daher in gewöhnlichem deutsch. Der verkörperte Aristokratismus salbaderte folgendermaßen: In der letzten Zeit, lieben Leute, haben im Lande solche Ungeheuer, die man Demokraten nennt,
ihr Haupt erhoben. Diese wollen alles Bestehende über'n Haufen werfen (mir wollen sie meine Apanage und sonstigen Vorrechte und Anmaßungen entziehen), vor allem wollen sie Alles
„theilen“! Sie glauben weder an Gott noch an den Himmel. Aber nicht bloß durch Worte suchen sie den historischen (Vinke'schen) Rechtsboden unterzuminiren, sondern sie haben sich
auch der Presse bemächtigt. Ihr seht nun, daß, wenn diese Wühler die Oberhand bekämen, ihr auch von euerm sauer zusammengescharrtem und erwuchertem Vermögen abgeben müßtet, daher muß euer Streben
dahin gerichtet sein, daß ihr die Bestrebungen dieser gottlosen Kreaturen zu Schanden macht und alle die Leute unterstützt, welche vorzüglich sich dieses Streben zur Aufgabe gemacht haben. (Wie ich z.
B.) Ihr wißt, daß mein Streben von jeher war, die guten Sitten und den alten Plunder aufrecht zu erhalten, auch jetzt will ich diesem Streben Opfer bringen (kleine, um keine größere zu erleiden), und
zu dem Ende eine Zeitung, die euch interessante Geschichten (vom Reichstheater, dem Schauplatz der Polizeispitzel, Ex-Unterstaatssekretäre, der Bassermann's, der Komödianten von Sanssouei u. s.
w.) und Aneckdoten bringen soll. Hauptsächlich soll dadurch den Zügellosigkeiten der Presse entgegengewirkt werden, und hoffe ich daher von Euch, daß ihr mich hierin unterstützt.
Die Bauern von der väterlichen Fürsorge des nöerischen Prinzen hingerissen, versprachen es.
Mit Spannung sehen wir dem Erscheinen dieser schleswig-holsteinischen Feudal-Kreuzritterin entgegen, und würden wir den unersetzlichen Verlust bedauern, der nicht bloß Schleswig-Holstein, sondern
auch das übrige Deutschland, vor allem aber die Nachwelt dadurch erleiden würde.
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@facs | 1026 |
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103
] Aus Schleswig-Holstein, 1. Jan.
Als Beitrag zur Geschichte des „Boninismus“ und der Militärdiktatur in Schleswig-Holstein muß ich Sie doch mit den Machinationen bekannt machen, die unter dem Militär zur Absendung
von loyalen Adressen an Bonin, betrieben werden. Aehnlich wie beim 4ten Bataillon ist man bei den andern Truppentheilen verfahren. Im 4ten Jägerkorps haben sich aber 2 Kompagnien für die Entfernung,
bei der Frage, ob sie Bonin behalten wollten ausgesprochen, 2 Kompagnien erklärten dagegen, daß ihnen die militärische Tüchtigkeit Bonins zu wenig bekannt wäre, sollten sie aber nach seinem letzten
Auftreten urtheilen, so würden sie sich für seine Entfernung erklären. Trotz alledem und alledem hat das Offizierkorps dem etc. Bonin mitgetheilt, das 4. Jägerkorps wünsche sein Hierbleiben.
Im 3. Jägerkorps und 10. Linienbataillon hat man aber gar nicht erst gefragt, sondern das Offizierkorps hat eine Adresse (in jedem Truppentheil) zu Stande gebracht, dem Bonin zugeschickt und
nachher erst der Mannschaft gesagt: Leute! wir haben in eurem Namen den General Bonin gebeten, daß er bleiben möge, ihr werdet damit einverstanden sein!
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@facs | 1026 |
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43
] Aus Schleswig-Holstein, 4. Jan,
Es cirkulirt das Gerücht, unsere starke, einheitliche (?) deutsche Reichsverweserschaft habe in ihrem friedliebenden Eifer für das Wohl Schleswig-Holsteins den Waffenstillstand gekündigt. In
Verbindung hiermit stehen die Truppenbewegungen nach dem Norden, die stattfinden und noch stattfinden sollen; ebenso die Gerüchte über Ankunft von Reichspolizeitruppen aus den Raubstaaten.
Im Widerspruch damit steht aber die Bestätigung vom Abschluß einer Postkonvention zwischen den Herzogthümern und Dänemark, und das unter wohlunterrichtet seinwollenden Autoritäten kursirende
Gerücht von der nahebevorstehenden Publizirung des Friedens.
Wie ich Ihnen schon neulich bemerkte, daß wir wahrscheinlich den zweiten Akt des Drama's „Organisirter Volksverrath“ zu erwarten hätten, so scheint mir das grade durch diese
sich widersprechenden Gerüchte hervorzugehen. Wenn nämlich das Gerücht von dem nahebevorstehenden Friedensabschluß gegründet ist, so sind die Reichspolizisten von der vorsorglichen Reichsverwesung
blos hierher geschickt um das Volk, wenn es seine Freude gar zu laut über den glorreichen (??) Frieden äußern, und diese Freude vielleicht durch Demonstrationen, Krawalle, Katzenmusiken u. s.
w. Luft machen sollte, zu beschwichtigen und ihm vielleicht einen zeitgemäßen Aderlaß beizubringen.
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@facs | 1026 |
Frankfurt, 5. Januar.
Die „Deutsche Zeitung“ theilt unter diesem Datum Folgendes mit: „Gestern Abend verbreitete sich das Gerücht, Hr. Bunsen sei zu einer Besprechung in Berlin und Frankfurt auf
Befehl der preußischen Regierung von London abgereist. Wir haben dieses Gerücht bei näherer Nachforschung bestätigt gefunden. Hr. Bunsen wird etwa am 8. in Berlin eintreffen und kurze Zeit darauf sich
nach Frankfurt begeben, um sich hier über die Instruktionen für die dänische Friedensunterhandlung mit dem Reichsministerium zu verständigen. Wie wir vernehmen, wird Hr. Syndikus Banks von Hamburg,
der sich schon einige Wochen hier aufhält und sehr thätigen Antheil an den jetzt außerordentlich beschleunigten Vorarbeiten im Ministerium nimmt, eine wichtige Mission am Orte der
Friedensunterhandlungen selbst übernehmen.“ Dann ist gerade die rechte Sippschaft zusammen, um die Pläne des gottbegnadeten Königthums und der mit ihm verbündeten Versammlung in Frankfurt zum
lange (seit des preußischen Herrn Wyldenbruck's Note) vorbereiteten Abschluß zu bringen.
Französische Republik.
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@facs | 1026 |
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68
] Paris, 5. Januar.
Miroslawski ist von Sicilien aufgefordert worden, den Oberbefehl über die Truppen bei dem aufs Neue bevorstehendem Kampfe gegen den Henker von Neapel zu übernehmen.
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@facs | 1026 |
Paris, 5. Jan.
Gegen Cabet ist auf Grund der mannigfachen Klagen seiner Ikarier die Kriminaluntersuchung eingeleitet. [unleserlicher Text]ein Zweifel, daß er von jeder Theilnahme an den verübten Betrügereien freigesprochen
wird.
— Fast alle Minister unter Louis Philippe befinden sich jetzt in Paris. Wir sahen bereits Cunin-Gridaine, Dumont, Hebert, Trezel und Jayr. Hr. Guizot wird morgen erwartet.
— Man versichert, daß Reyneval statt Oudinots nach Petersburg als Gesandter gehe.
— National-Versammlung. Sitzung vom 5. Januar. Anfang 3 Uhr. Präsident Marrast.
Froussard (von der Linken) ergreift nach Verlesung des Protokolls das Wort, um gegen die Auffassung der Stenographen des Moniteur zu protestiren. Nicht er, sondern der Minister habe der
National-Versammlung die Absicht untergeschoben, die organischen Gesetze nicht mehr votiren zu wollen‥…
Stimmen zur Rechten: Ah bah! Zur Tagesordnung! Keine Zeitverluste!
Stimmen zur Linken: Sprechen Sie!
Marrast: Bürger Froussard verlangte das Wort über eine Protokollberichtigung. Artet aber sein Vortrag in prinzipielle Diskussion aus, dann entziehe ich ihm das Wort.
Das Protokoll wird angenommen.
Froussard: Ich bitte noch einmal um das Wort, um Interpellationen an das Ministerium zu richten. (Oh! Oh!)
Marrast: Sie haben das Wort.
Froussard: Bürger Repräsentanten! Sie wissen, daß gestern der Bürger Jerome Bonaparte als Invalidengouverneur angestellt wurde. Es fand daselbst eine große Parade statt, der Exkönig von
Westphalen hielt eine Rede, welche die Invaliden mit dem Rufe: Es lebe der Kaiser! begrüßten und worauf Jerome Bonaparte mit dem Rufe: Es lebe Frankreich! und nicht mit dem Rufe: Es lebe die Republik!
antwortete. Dies sei unkonstitutionell und er stelle das Ministerium wegen jenes Vorfalles zur Rede.
Odilon-Barrot (mit verächtlichem Tone): Ich frage Sie, ob die Sache wohl der Rede werth ist? Allerdings fand gestern die Installirung des Genannten statt, aber die Hrn. Changarnier und Petit
wohnten ihr bei, eben so der Minister des Kriegs. Keiner von ihnen fand sich zu Klagen veranlaßt. Ich glaube nicht, daß dieser Gegenstand verdient, den Lauf Ihrer Debatte zu unterbrechen.
Die Versammlung geht zur Tagesordnung.
Planot (Charente) reicht seine Demission ein, weil er das Mandat der National-Versammlung als erloschen betrachtet.
Marrast: Ich benachrichtige die Versammlung, daß der Prüfungsausschuß der Verantwortlichkeit des Präsidenten und der Minister seine Arbeit vollendet hat. Eben so wird der Ausschuß, der das
Staatsrathgesetz prüft, seine Arbeit am nächsten Dienstag der Versammlung vorlegen. (Beifall).
Hiernach nimmt die Versammlung die gestern abgebrochene Debatte über die Arbeit in den Gefängnissen wieder auf.
Gayot und Schoelcher nehmen an der Debatte Theil und halten ziemlich ausführliche Vorträge über die Zuchthäuser in Clairveaux, Troyes u. s. w.
Marrast unterbricht die Gefängnißdebatte, um der Versammlung das Resultat der in den Büreaus vorgenommenen Erneurungswahlen von sechs Vizepräsidenten und drei Schreibern anzuzeigen.
Dieses Resultat ist folgendes:
Zu Vizepräsidenten wurden gewählt, 1) General Bedeau mit 583 Stimmen, 2) Corbon mit 403 Stimmen, 3) Gaudchaux mit 413 Stimmen, 4) Havin mit 371 Stimmen, 5) de Lamoriciere mit 413 Stimmen, 6)
Billault mit 377 Stimmen.
An der Wahl hatten 656 Glieder Theil genommen. Die meisten Stimmen erhielten sonst 1) Vivien 283, 2) Remusat 203, 3) Bixio 304 Stimmen.
Zu Schreibern wurden gewählt: Pean mit 420, Frederic Degeorge mit 378 und Richard mit 321 Stimmen.
Aus diesem Resultate geht hervor, daß die Rue de Poitiers, d. h. das jetzt streng geschiedene katholisch-royalistische Lager auch nicht einen einzigen Kandidat durchsetzte.
Der Sieg der Cavaignac-Marrast-National-Partei ist vollständig.
Nach dieser Proklamirung des Büreaupersonals nimmt die Versammlung die Gefängnißdebatte wieder auf, die sich bis 6 Uhr hinzieht, ohne wesentliches Interesse zu bieten, wenn man einige
Randoing'sche und Lamoricier'sche Aufschlüsse über die Soldaten Arbeiter (Handwerkskompagnieen) abrechnet.
Der erste Artikel des Kommissions- (nicht Regierungs) Entwurfs geht durch und die Debatte wird auf morgen verschoben.
Die Sitzung schließt um 6 Uhr.
Donaufürstenthümer.
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Von der moldauischen Grenze, 18. Dez.
Der Oberbefehlshaber des fünften Armeekorps, General Lüders, läßt durch das moldauische Regierungsblatt bekannt machen:
„Daß Se. Maj. der Kaiser aller Reußen, in beständiger Sorgfalt für das Wohl der Fürstenthümer Moldau und Walachei, die das Glück haben des Schutzes des russischen Kaiserthums sich zu
erfreuen, denselben ein Darlehen von 300,000 Silberrubel vorzuschießen allergnädigst befohlen. Dieses Geld soll zur Bezahlung jener Lebensmittel verwendet werden, welche die Verpflegung der kais.
russ. Truppen in Zukunft erheischen würde und welche um die allerbilligsten Preise nach einer festzustellenden Taxe angeschafft werden sollen. Anlangend aber die Art und Weise der von den beiden
Fürstenthümern zu leistenden Rückzahlung sowohl der ihnen dargeliehenen 300,000 Silberrubel als auch anderer der kais. russ. Regierung verursachten Kosten, so behalten sich Se. Maj. der Kaiser vor das
nöthige hierüber später zu verfügen.“
Dieses verhängnißvolle Darlehen soll durch Verpfändung eines Theils der Staatseinkünfte sichergestellt werden. Die Stimmung welche dieser neue Protektionsakt verursacht hat, läßt sich am besten
durch das bekannte: „Timeo Danaos et dona ferentes“ ausdrücken. Aufgedrungene Wohlthaten sind wahrlich nicht geeignet das mit Recht verlorene Vertrauen wieder zu gewinnen. Die den
Fürstenthümern aufgebürdete Erhaltung eines russ. Armeekorps ist ebenso verderblich als ungerecht:
verderblich, da mehrjähriger Mißwachs, die Rinderpest und Heuschrecken, die in den letzten 3
Jahren diese Länder heimgesucht, das Verbot der Geldausfuhr aus Oestreich sowohl als auch aus Rußland, endlich die Cholera, die in dieser Gegend mit beispielloser Wuth aufgetreten, und die 14
[1027]
jährige Satrapenwirthschaft Michael Sturdzas die Bewohner dieser unglücklichen Länder an den Bettelstab gebracht haben;
ungerecht, weil es nur zu bekannt ist, daß Rußland die Besetzung dieser
Länder absichtlich herbeiführt, daß die Moldau zur Zeit ihrer Besetzung der größten Ruhe und Ordnung sich erfreute, und daß die Besetzung der Walachei durch russ. Truppen trotz der feierlichsten
Fürsprache Fuad Effendi's und Omer Paschas erfolgte. Dem Traktat von Unkiar Skelessi zufolge sollen die russ. Truppen auf Kosten der Pforte erhalten werden, so oft sie vor der letzteren würden
zu Hülfe gerufen werden.
Wenn nun die Behauptung der russ. Cirkularnote v. 19. l. J.: daß die bewaffnete Intervention Rußlands in den Donaufürstenthümern auf Verlangen der Pforte stattgefunden, keine diplomatische Fiction
ist, warum werden denn die Interventionskosten nicht von der Pforte getragen, sondern den Fürstenthümern aufgebürdet? Ungerecht ist dieses Verfahren auch deßhalb, weil es auch dem blödesten Auge
erkennbar, und durch unverhohlene Aeußerungen russ. Oberoffiziere außer Zweifel gesetzt ist, daß die ungewöhnliche Anhäufung russ. Truppen in den Donaufürstenthümern mit dem magyarisch-kroatischen
Bürgerkrieg und den übrigen Planen der östreichischen Kamarilla in engster Verbindung gestanden. Es handelte sich ja um nichts geringeres als um den Durchmarsch eines zweiten, des unter Murawiew
stehenden Armeekorps, welches auf Ungarn sich losstürzen sollte, wozu in den Fürstenthümern auch schon die nöthigen Vorbereitungen getroffen waren.
Daß gleichwohl die unglücklichen Donaufürstenthümer zur Erhaltung der russ. Truppen verurtheilt werden, während die des rechtmäßigen Landesherrn ganz auf Kosten des letztern unterhalten werden, ist
eine um so schreiendere Verletzung des Völkerrechts als die russ. Intervention gegen den Willen der Pforte erfolgt ist, und ich wiederhole es, gegen den Willen und trotz der feierlichsten Verwahrungen
derselben hartnäckig fortgesetzt wird. Die walachische Volkserhebung kann der russ. Intervention keineswegs zur Rechtfertigung dienen; denn die in den Fürstenthümern zusammengezogene türkische
Streitmacht war für jeden Fall mehr als hinreichend. Zudem haben die Walachen, wie ich Ihnen längst vorausgesagt, nie daran gedacht, sich gegen die Pforte aufzulehnen oder gar einen ungleichen Kampf
mit Rußland und der Türkei zu wagen. Der blutige Zusammenstoß in Bucharest widerlegt meine Behauptung nicht.
Jedermann weiß ja daß derselbe von Duhamel absichtlich herbeigeführt worden, um die Berichte Suleiman Paschas Lügen zu strafen, für die Besetzung der Walachei gegen den Willen der Pforte und gegen
die in Konstantinopel stattgehabte ausdrückliche Verabredung einen Vorwand zu gewinnen und um die Türken und Walachen gegen einander zu erbittern. Nein, nicht um Ruhe und Ordnung wiederherzustellen,
die niemals größer gewesen als seit der Flucht Duhamels und Kotzebues aus Bucharest, überschwemmte Rußland diese unglücklichen Provinzen mit so großen Truppenmassen. Es wollte vielmehr die Moldauer
und Walachen wegen ihrer Annäherung an die Pforte züchtigen, zwischen den Donaufürstenthümern und ihrem rechtmäßigen Landesherrn eine Scheidewand errichten, den Besitz der Donaumündungen befestigen,
ohne welche nach Duhamels Versicherung die russ. Niederlassungen am schwarzen Meer ganz werthlos sein würden, endlich den durch die Ungeschicklichkeit und Leidenschaftlichkeit seiner Prokonsuln
gestörten Russifizirungsprozeß und im Fall der Noth auch die Plane der östreichischen Kamarilla thatkräftig unterstützen. Deßwegen wollen auch die Einmärsche frischer Truppen noch immer nicht
aufhören. Deßwegen werden die wiederholten Aufforderungen der Pforte zur Räumung der Fürstenthümer mit Hohn beantwortet. Deßwegen wurden in der Moldau fast alle die den Muth gehabt bei ihrem
rechtmäßigen Landesherrn gegen die Schandherrschaft Sturdza's Beschwerde zu führen oder dem türkischen Kommissar Talaat Effendi ihre Aufwartung zu machen, mit Verbannung oder Hausarrest
bestraft und der härtesten Behandlung unterworfen, und dies ohne Untersuchung und ohne Richterspruch. Deßwegen werden die Güter der letztern rein ausgeplündert und ihre Häuser in
Spitäler und Kasernen verwandelt. Deßwegen wurde der leider zu früh verstorbene Erzbischof der Moldau mit Absetzung und Verbannung bedroht. Hr. v. Duhamel beging sogar die Unvorsichtigkeit die
Theilnahme des greisen Erzbischofs an der der Pforte zu Händen Talaat Effendis überreichten Beschwerdeschrift und an der von dem letztern ertheilten feierlichen Audienz öffentlich und unter Ausstoßung
plumper Drohungen eine Infamie zu nennen. Deßwegen ward der Bischof von Roman seiner Diözese beraubt und in ein Kloster verbannt, wo er der schändlichsten Behandlung preisgegeben ist. Deßwegen mußte
ein anderer Bischof, der treffliche Justin, ins Ausland flüchten. Deßwegen werden die gegründetsten Klagen des Landes nicht berücksichtigt und die schändlichsten Mißbräuche Sturdza's und seiner
Helfershelfer geduldet, ja sogar in Schutz genommen. Deßwegen ward die gesammte Intelligenz, die im Ausland erzogene jüngere Generation, mit einem Wort die Blüthe und Hoffnung des Landes ohne
Untersuchung, ohne Richterspruch geächtet, auf das schändlichste mißhandelt und größtentheils ins Exil geschleppt oder zur Flucht ins Ausland gezwungen. Deßwegen werden in der Walachei, trotz der von
der Pforte erlassenen Amnestie, zahllose Verhaftungen vorgenommen, und dies trotz der feierlichsten Verwahrungen der darüber im höchsten Grade entrüsteten Pforte und der kräftigsten Einsprache ihrer
Kommissare.
Wie groß und wahr die vom Grafen Nesselrode in der berühmten Cirkulardepesche behauptete «entente cordiale» zwischen Rußland und der Türkei sein mag, erhellt schon aus der notorischen
Thatsache, daß Fuad Effendi seinerseits mehrere blindergebene Anhänger Rußlands verhaften ließ, um die Freilussung der von Duhamel verhafteten unschuldigen Anhänger der Pforte zu bewirken. Da Fürst
Sturdza während seiner 14jährigen Regierung die Moldau systematisch ausgeplündert und alle Staats- und Gemeindekassen schamlos geleert hat, so hat für die zur Verpflegung der russ Truppen willkürlich
und ohne die geringste Preisbestimmung für die den Grundherren weggenommenen landwirthschaftlichen Erzeugnisse (mit Ausnahme der Pächter seiner ungeheuren Privatländereien und seines ihn an Habsucht
noch übertreffenden Sohnes Gregor, „des privilegirten Klostergüterpächters und Bauernschinders“) Niemand bisher auch nur die geringste Vergütung erhalten. Dieselbe soll daher einem
kürzlich vom St. Petersburger Kabinet herabgelangten Befehle zufolge durch Erhöhung der bestehenden Landessteuern um zwei Zehntel ihres gegenwärtigen Vertrages möglich gemacht werden. Ein Zehntel soll
von den Grundherren, die bisher ganz steuerfrei gewesen, das andere von dem ohnehin vielfach und unglaublich bedrückten Bauernstand entrichtet werden.
Bedenkt man daß der moldauische und walachische Bauer keinen Grund und Boden eigenthümlich besitzt, und gleichwohl dem Grundherrn zahllose Frohndienste leisten, einen großen Theil des Jahres am
Straßenbau — meist auf den Privatgütern des Hospodars — unentgeldlich arbeiten, alle Zufuhren für die Palastbauten des Hospodars, sowie für die russischen Truppen ebenfalls unentgeltlich
besorgen und außerdem alle übrigen Staatslasten allein tragen muß, so kann man nicht umhin die dieser unglücklichen Menschenklasse auferlegte Steuererhöhung für eine himmelschreiende Ungerechtigkeit
zu erklären und aus tiefstem Herzen zu beklagen. Diese Maßregel ist außerdem eine Verletzung des Réglement organique, dem zufolge die Landessteuern ohne vorläufige Genehmigung Rußlands und der
Pforte nicht erhöht werden dürfen. Daß die letztere in diesem Fall gar nicht befragt worden, unterliegt keinem Zweifel. Dürfte man in der Politik von Gerechtigkeit sprechen, so würden wir keinen
Augenblick anstehen zu erklären, daß es weit gerechter gewesen wäre die Verpflegung der russischen Truppen dem kolossalen Vermögen aufzuerlegen, welches der Hospodar während seiner vierzehnjährigen
Verwaltung zusammengeplündert und das ohne Uebertreibung auf vier bis fünf Mill. Dukaten angeschlagen werden kann. Eine Mill. Dukaten beträgt bloß der 14jähr. Reservefonds, der, dem Reglement zufolge,
aus dem nach Deckung des ordentlichen Staatsaufwands verbleibenden Ueberschuß der Staatseinkünfte hätte gebildet werden sollen. Eine 1/2 Mill Dukaten beträgt die 14jährige Getreideausfuhrsteuer, die,
dem Reglement gemäß, rechtlich gar nicht bestehen darf. Von allen diesen Geldern findet sich in den Landeskassen nicht ein Para. Im Bewußtseyn des schändlichen Ursprungs seiner enormen Schätze, hat
der Hospodar den größeren Theil davon bei Rothschild angelegt, von dem er 3 höchstens 4 Procent bezieht, während ihm im Inlande bei hypothekarischer Sicherheit ein dreimal höherer gesetzlich
anerkannter Zinsfuß zu Gebot stand. Dieser notorische Umstand allein genügt schon um die Schändlichkeit der Titel außer Zweifel zu setzen auf welche Sturdza's ungeheure Gelderwerbungen sich
gründen. Die Verhaltung desselben zur Zurückzahlung der Staatsgelder, die er ganz rechtswidrig sich zugeeignet hat, und die Verwendung dieser Summen zur Erhaltung der russischen Truppen würde daher
nur ein Akt der Gerechtigkeit seyn und zur Versöhnung der Gemüther unendlich viel beitragen, während die von Rußland verfügte Steuererhöhung in dieser schweren, geldarmen Zeit die allgemeine Noth und
Erbitterung nur steigern kann.
[(A. Z.)]
Amerika.
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[
XX
] New-York, 17. Dez.
Die Einwanderung war dieses Jahr in Amerika sehr stark. Im Hafen von New-York kamen vom 1. Januar bis 30. November 182,189 Einwanderer an; auf den Monat November, wo die Einwanderung in früheren
Jahren blos noch ganz unbedeutend war, kamen dieses Jahr 23,575 Pers.; wenn wir hierzu noch die Einwanderer in Philadelphia und Baltimore rechnen, in welchen beiden Städten besonders häufig die
deutschen Bauern landen, so kann man die Menge von Arbeitskräften, welche Europa hierdurch entgehen, begreifen. Im Staate Pennsylvanien hat das deutsche Element durchweg die Oberhand. Dasselbe scheint
der Fall zu werden in den jungen Staaten Wiskonsin und Illinois. Hauptsächlich sieht man in der letzten Zeit viele junge kräftige Handwerker ankommen. Unter den Eingewanderten bemerken wir ferner
einen Rothschild. Die amerikanischen Blätter tragen ihm schon überall zur Herstellung einer „Entente cordiale“ Heirathen mit amerikanischen Ladie's an. Rothschild
seinerseits ermangelt nicht, den Lion auf den Maskenbällen zu spielen. Die Amerikaner schmeicheln sich mit Bestimmtheit, daß dieser Rothschild, der sich durch Vermittlung seines hiesigen Agenten
Belmont sehr in den Handels- und Geldverhältnissen der neuen Welt umgesehen, derselben jetzt seine europäischen Blutgelder zuwenden wolle. Es werde dies ein gutes Beispiel geben, und die europäischen
Kapitalisten ermuntern das „halbbankerotte“ Europa zu verlassen und die United States zum Schauplatz ihrer Thätigkeit zu machen. Im 16. Jahrhundert gingen die sauer verdienten deutschen
Pfennige zum Ausbau der Peterskirche nach Rom, und im 19. Jahrhundert will man dem deutschen Volke seine Dukaten stehlen zum Fortbau des amerikanischen Geldtempels.
An Lockspeisen für ankommende deutsche Glücksritter, von den Amerikanern spottweise „Greens“ (Grüne) genannt, fehlt es natürlich hier nie. So lese ich eben wieder: „Freistätte
für die Unterdrückten Europa's.“ Es werden in diesem Aufrufe Deutsche aufgefordert, eine amerikanische Seestadt, Preston an der [unleserlicher Text]rraussasa-Bay in der südlichsten Gegend von Texas
begründen zu helfen, welche Seestadt New-Orleans und Galveston später ersetzen solle, da ersteres wegen seiner ungesunden Lage in Rückgang, und letzteres aus ähnlichen Gründen nicht emporkommen könne.
Der Grund und Boden gehört dort natürlich schon weit und breit den Spekulanten. Unsre menschenfreundlichen Landsleute ermangeln natürlich nicht, durch jahrelange Entbehrungen ihrerseits den Boden der
Spekulanten in Werth zu bringen. Dieser Tage geht das erste Schiff dahin ab. Weil sie im Staate New-York nicht das Eldorado gefunden, das sie sich in Europa versprachen, meinen sie es gewiß dort zu
finden. Der bitterste Spott auf die leichtgläubigen Deutschen ist bei derart Geschichten immer, daß solche Aufrufe an die Europäer blos in deutscher Sprache abgefaßt sind.
Mit dem Aufhören des gelben Fiebers hat dieses Spätjahr eine ebenso gefährliche Krankheit, „das Goldfieber,“ um sich gegriffen. In allen Städten der Vereinigten Staaten sind ungeheuer
viele Krankheitsfälle dieser Art vorgekommen. Wer ein paar hundert Dollars zusammenbringen kann, um diese Reise zu machen, packt ohne Weiteres auf nach dem neuen Palästina, nach Californien. In
New-York sind 7000 Personen zur Fahrt per Dampfboot angemeldet, welche Fahrt sehr theuer ist und auf 500—600 Dollars kommt. Man fährt per Dampfboot bis an die Landenge von Panama, durchreist
diese mit Maulthieren etc., und setzt auf der andern Seite die Reise mit Dampfbooten wieder weiter fort. Der californische Goldsand ist von der Größe von Fruchtkörnern bis zur Größe einer Faust, wird
von den Flußbetten bis zu den höchsten Gipfeln der Berge gefunden, er soll mit etwas Asbest vermischt sein, und wird vorbehaltlich der Auslösung vorläufig vom dortigen Gouvernement bei Zahlung der
Eingangszölle angenommen. In Folge der Geldindustrie sind die Lebensmittel ungeheuer im Preise gestiegen; ein Pfund Schweinefleisch 2—3 Dollars, eine Schaufel kostet 14 Dollars, und so alles
Uebrige im Verhältniß, das den europäischen Goldjägern zur Notiz. Die Regierungsnachrichten von Californien lauten ganz fabelhaft: Familienväter in San Francisco verließen ihre Familien ohne alle
Fürsorge, so daß die Regierung genöthigt war einzuschreiten, Soldaten desertirten von ihrer Besatzung, und abgehen wollende Schiffe konnten um 100 Doll. Monatsgeld und Kost keine Matrosen mehr
bekommen.
New-York gleicht zur Zeit in vielen Beziehungen einer europäischen Weltstadt. Die berühmte Musikbande von Gungl aus Berlin, sowie die Musikgesellschaft „Saxonia“ aus Dresden geben
hier mit Beifall Konzerte, jedoch mit ganz mittelmäßigen pekuniärem Erfolg. Von einer feinen Musik versteht der Amerikaner nichts; wenn nicht die Pauken tüchtig darein wettern, so macht es bei ihm
keinen Effekt. Der Sohn des alten „Strauß“ aus Wien wird auch nebst Musikbande hier erwartet. Die Cholera herrscht beständig noch in der hiesigen Quarantaine; es kommen immer mehr
Sterbfalle von dem aus Havre angekommenen Schiffe „New-York“ vor. In der Stadt sind noch keine Fälle vorgekommen; auch sind die Aerzte nicht einig, ob es die asiatische Cholera sei.
Für deutsche Löschung deutschen Durstes ist in New-York durch etwa 400 deutsche Wirthschaften wohl gesorgt. Ein hier vor einigen Wochen in kaiserlicher Uniform angekommener österreichischer
Oberstlieutenant „Burgthal aus Wien“ hat die Zahl auch durch eine bescheidene Kneipe vermehrt. Derselbe versicherte, vor ungefähr 3 Monaten Metternich bei seiner Hieherreise einen Besuch
abgestattet zu haben; dieser sei sehr betroffen gewesen, ihn auf dieser Reise zu sehen, da jetzt doch bald wieder ihre Zeit komme; er will auch bei Metternich eine Proskriptionsliste gesehen
haben, für den Fall seiner Rückkehr nach Wien. — Die durch die jüngsten Wahlen ans Ruder kommende Whigparthei erhebt jetzt schon, nachdem sie nur durch Intriguen der verschiedensten Art ihre
Wahlen durchgesetzt hatte, kühn das Haupt. Webster verkündet in Boston laut, man müsse das Kapital beschützen, um die Arbeit bezahlen zu können.
Die Hauptmaßregeln, die sie durchzusetzen suchen werden, werden sein: hohe Eingangszölle und eine im Interesse einer kleinen Minorität geleitete Nationalbank. Die Ultrawhigs sind trotz Allem
verstimmt und traurig, daß keine Möglichkeit vorhanden, ihr leuchtendes Gestirn, Henry Clay, zu der Präsidentenwürde zu erheben. Es scheint jedoch zwischen Clay und Taylor eine Annäherung
stattgefunden zu haben; wenigstens haben sie sich gegenseitig auf ihre Landsitze eingeladen. Die (sogenannte) demokratische Partei hatte bis zum letzten Augenblick auf den Staat Pennsylvanien
gerechnet (mit 26 Stimmen); durch dessen Verlorengehen ging die Wahlschlacht verloren. Andere Hauptursachen des Mißkredits der demokratischen Partei scheinen zu sein: Die Eigennützigkeit der Führer,
die ein wohlorganisirtes Aemterjägerkorps bildeten. Die Bildung der Partei des alten Fuchses van Buren (Freibodenpartei, d. h. Partei für von Sklavenarbeit befreiten Boden), welche durch das Gespenst
der Einführung der Sklaverei in die von Mexiko abgetretenen Landstriche für sich Propaganda größtentheils aus den Reihen der demokratischen Partei macht; das kräftige Emporblühen einer
Geldaristokratie in den größern Städten — dieß Alles hat die Nothwendigkeit der Reorganisation der demokratischen Partei klar gemacht und es schlagen die Philadelphier Demokraten hiefür
folgende Punkte vor: Gesetzliche Beschränkung des öffentlichen Landes, welches an einzelne Individuen verkauft werden darf. Unentgeldliche Verleihung eines unveräußerlichen Stück Landes an wirkliche
Einsiedler. Wahl aller Beamten durch das Volk. Schutz der Arbeit gegen die Uebergriffe und Verschwörungen des Kapitals. Verbot der Bankprivilegien an Einzelne und Privatgesellschaften. — Diese
Bestimmungen sind größtenthels dem Programme der Nationalreformer entnommen, welche für sich allein noch keinen entscheidenden Einfluß besitzen, weil die große Mehrzahl, wenn gleich augenscheinlich
immer mehr in sociale Abhängigkeit kommend, doch noch nicht in dem Maaße materiell schlecht gestellt ist, als bei uns in Europa. Hätte die demokratische Partei diese Forderungen vor der Wahl auf ihre
Banner geschrieben, so wäre sie wahrlich nicht dem Sklavenhalter aus Louisiana (Taylor ist Besitzer von mehr als 200 Sklaven) unterlegen, welcher zwar als ein rüstiger Krieger, aber als nichts
weniger, als ein tüchtiger Staatsmann allgemein betrachtet wird.
Mit Freude bemerke ich, daß von den Neuankommenden immer die „Neue Rheinische Zeitung“ als alte Freundin begrüßt wird; sie wird, z. B. im Hotel Shakespeare gehalten, es ist das ein
Gasthof, dessen Wirth als entschiedener Sozialdemokrat auch außerdem, La Reforme und Le Peuple etc. etc. hält. Ueberhaupt kann man das Hotel Shakespeare allen Deutschen als den ordentlichsten Gasthof
empfehlen.
Die deutsche Schnellpost bringt neuerdings beinahe alle ihre europ. Nachrichten aus der Neuen Rhein. Ztg., obgleich deren Kölner Korrespondent die „Rothen“ aus voller Seele haßt;
sonst wird sie ungemein schlecht redigirt. Die New-Yorker Staatszeitung ist gegenwärtig von deutsch. Blättern am meisten verbreitet. Außerdem noch der New-Yorker Demokrat mit van Burentendenz.
— Von in engl. Sprache erscheinenden Blättern bringt die „Daily Tribune“ seit einiger Zeit freisinnige Korrespondenzen von Henry Brisbane aus Europa; in Bezug auf Amerika huldigt
sie Whig-Grundsätzen. — Das verbreitetste Blatt in Amerika ist der hier erscheinende „The Herald;“ er ist der Beherrscher von Amerika; was er will, muß geschehen; er steht
„über“ den Parteien und rühmt sich, diese nicht nothwendig zu haben, weil er ein dem Präsidenten gleiches Einkommen habe (er erscheint in 28000 Exemplaren).
Vor einigen Tagen brannte das erste hiesige Theater, das „Park-Theater“ ab; es erreichte ein Alter von 22 Jahren, was noch keinem hiesigen Theater passirt sein soll; ihr
durchschnittliches Alter wird auf 6 Jahre geschätzt. — Im Monat November waren 65 Brände in New-York, was so ziemlich die monatliche Durchschnittszahl ist. — Mit den ersten Strahlen der
Frühlingssonne bin ich jedenfalls wieder in Deutschland.
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Köln, 1. Januar 1849.
Hierher gekommen, um verschiedenes einzukaufen, ging ich gestern Nachmittag nach der Glöcknergasse, um einen Brief nach Italien zur Post zu bringen. Von da begab ich mich mit meiner Tochter weiter
der Schildergasse, dem Neumarkt zu, um von da aus durch die Peters- und Poststraße über die Bach nach der Eulengartengasse beim Perlengraben zu einer Näherin zu gehen, die meiner Tochter ein Kleid zu
machen hatte. In der Quirinstraße fühlte ich ein gewisses Bedürfniß, und da ich an dem Hause des Seilers Guilleaume eine kleine Pforte offen sah, die zu einem Abtritt führte, ging ich, Niemand sehend,
hinein, um auf demselben meine Nothdurft zu verrichten. Kaum darauf erschien ein junger Mensch von circa 14 — 15 Jahren und frägt, was ich da machte, ich erwiederte ihm, das sähe er wohl, und
müsse mich entschuldigen, daß ich von der Gelegenheit im Vorbeigehen Gebrauch gemacht hätte, denn ich dürfe mich als ordentlicher Mann nicht auf öffentlicher Straße niedersetzen. Der Junge geht
hierauf zurück in's Haus, und gleich nachher tritt eine Frau Guilleaume hervor und erlaubt sich die gemeinsten Reden und schilt mich gar einen gemeinen Menschen. Ich erwiederte ihr, daß mir so
etwas noch nie vorgekommen sei, und daß ich noch lange keine Gemeinheit darin sähe, und es mir zu gering sei, ihr die Antwort so zu geben, wie sie es wohl verdiene. Damit nahm ich meine Tochter, die
auf der Straße stand, wieder bei der Hand und ging meinen Weg weiter. Durch das Gebrüll der so bescheidenen Dame waren unterdeß 2 Polizeisergeanten hervor getreten, die sich bei ihr nach dem
Vorgefallenen informirten. Das Weibsbild hatte zu Lügen seine Zuflucht genommen und angegeben, ich hätte sie geschimpft, was ganz und gar nicht der Fall gewesen. Man verfolgte uns nun und griff mir
auf öffentlicher Straße auf die Brust und hieß mich sofort ihnen zum Polizei-Commissar, der dem etc. Guilleaume vis à vis wohnte, zu folgen, was ich anfangs unter meiner Würde hielt. Da ein Grobian
dieser Leute aber so weit ging, mich auf die Brust zu stoßen und auszusagen, ich hätte mich Grobheiten gegen die Frau eines sehr geachteten Bürgers, der sich viel um die Stadt verdient gemacht
— bedient, folgte ich ihnen, um nicht weiter molestirt zu sein. Beim Commissar angekommen, hieß es:
Wie ist ihr Name?
Antwort: Wilhelm Schwarz.
Wo sind sie her?
Antwort: Aus Barmen.
Was ist ihr Gewerbe?
Antwort: Kaufmann.
Was thun sie denn hier?
Antwort: Ich kaufe hier Waaren ein.
Wie heißen die Polizei-Commissaire in Barmen?
Antwort: Kemper; der Name des zweiten ist mir entfallen.
Wie der Bürgermeister?
Antwort: Wir haben ein Bürgermeisteramt, aber keinen Bürgermeister in diesem Augenblick.
Wie nennt sich ihr Landrath?
Antwort: Bredt.
Nun wurde mir angedeutet, daß ich kein Recht gehabt hätte, bei dem etc. Guilleaume auf den Abtritt zu gehen und gefragt, ob ich mich durch Papiere (?) legitimiren könne, denn ich hätte mich durch
Scheltworte gegen die Frau Guilleaume vergangen, habe sie gemeine Dirne genannt, er müsse mich sonst einsperren lassen. Meine Antwort war, daß ich mich sehr gut zu legitimiren wisse, und es bedürfe
hier keiner Papiere, er möge nur Jemand zu meinem Gastwirth Hrn. Johann Gottfried Schmidt am Thurnmarkt, zu Hrn. Wilh. Thom am Holzmarkt oder in die Eulengartengasse zu Hosenträgerverfertiger Holkott
schicken, dann werde man das Gesagte vernehmen. Da hieß es denn, nehmen sie diese Sergeanten mit in die Eulengartengasse und legitimiren sich da. So mußte ich, von diesen Rothkragen gefolgt, meine
Straße wandern, und auf solche infame Weise molestirt, meinem mir bekannten Geschäftsfreund ins Haus treten, um mich weiter auszuweisen, und endlich von den Menschen entledigt zu werden.
Das nenne ich Freiheit, Bürgersinn und Schutz in unserm deutschen Vaterlande für die Steuern, die man für die Beamten und das Militär zu opfern hat.
(Folgt die Unterschrift).
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Es ist uns heute folgendes Schreiben zugegangen, das wir zur Rüge gegen den betreffenden Posthalter hiermit veröffentlichen. Es lautet:
„Unter dem gestrigen übersandte ich dem Posthalter Liriba in Oberstein den Betrag mit 1 Thlr. 17 Sgr. für das 1. Quartal 1849 Ihrer Zeitung.
„Der Posthalter schickt mir das Geld mit dem Bemerken zurück, ich könne nur auf ein halbes Jahr abonniren und betrage der Abonnementspreis 3 Thlr. 29 Sgr. halbjährig.
„Sie benachrichtigen Ihre Leser, Bestellungen auf die „Neue Rheinische Zeitung“ für das 1. Quartal wolle man baldigst machen, man bezahlt dafür 1 Thlr 17 Sgr. auf allen
preußischen Postanstalten, incl. Traggeld und Porto.
Die Postanstalten im s. g. Fürstenthum Birkenfeld sind, so viel mir bekannt, preußische Postanstalten. Unbegreiflich ist es mir daher, wer dem Posthalter in Oberstein die Befugniß ertheilt hat,
vierteljährige Bestellungen zurückzuweisen und den Betrag um 12 Sgr. 6 Pf., resp. 25 Sgr. zu erhöhen.“
„Will man etwa den Handwerkern und Aermeren das Lesen der öffentlichen Blätter unmöglich machen, welche leichter 1 Thlr. 17 Sgr. augenblicklich aufzubringen vermögen wie 3 Thlr. 4 Sgr.,
resp. 3 Thlr. 29 Sgr. Es wäre dies wohl möglich und die gute alte Partei scheint kein irgend nur mögliches Mittel zu scheuen, um ihre Zwecke zu erreichen.
„Ich halte es im Interesse Ihres Blattes und in dem des Publikums, Sie von Obigem in Kenntniß zu setzen, habe übrigens auch das Ober-Postamt in Kreuznach davon in Kenntniß gesetzt und um
Aufklärung gebeten.
Hochachtungsvoll unterzeichnet F. Emmermann, Oberförster Winterhauch bei Oberstein, den 31. Dezember 1848.“
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Erklärung.
Die Unterzeichneten wurden, in Folge der von obenher dekretirten allgemeinen „Demokratenverfolgung“ von dem Instruktionsgerichte zu Coblenz mit einem Vorführungsbefehle von p. Gärtner
unterfertigt, bedacht. Unter den Gründen, auf welche dies gerichtliche Verfahren basirt ist, befindet sich die Anschuldigung, daß wir zu einem Diebstahle verleitet hätten. Wir sehen darin ein Mittel
der Gerichtsbehörde, unsere Auslieferung, als die gemeiner Verbrecher, aus dem Asyle der französischen Republik zu erwirken.
Daß unsere Namen, durch eine solche juristische Begründung eines Vorführungsbefehles, mit dem Prädikate „Diebe“ befleckt werden, das scheint dem Coblenzer Untersuchungsgericht keine
Besorgniß zu erwecken. Uns dagegen kann dies denjenigen Leuten gegenüber, welchen wir nicht näher bekannt, keineswegs gleichgültig sein, weshalb wir den von dem Instruktionsgericht angezogenen
Diebstahl und die Verleitung zu demselben vor der Oeffentlichkeit auseinandersetzen, besonders deshalb, weil unser Vorführungsbefehl und der in naher Aussicht stehende Steckbrief sich aller Motivirung
unserer Anschuldigung enthalten.
Die Cochemer Wehrmannschaft fand bei dem neulichen bedrohlichen Conflicte der Krone mit der National-Versammlung alle Veranlassung, sich mit Munition zu versehen und sich auf einen heranbrechenden
Kampf vorzubereiten. Einige Leute verfertigten Patronen — gewiß ein löbliches Geschäft in seinen Tagen — und nahmen sich einige halbvermoderte, unnütze Actenrollen, welche auf dem
Klostergebäude dem Staube preisgegeben, lagen. Dieser höchst patriotische Raub soll auf unsere Anstiftung geschehen sein, — welch' ein Verbrechen in den Augen einer Justizbehörde, welche
den Auftrag hat, massenweise Verhaftungen an den Demokraten vorzunehmen!
Wir bitten höflichst die Redactionen demokratischer Blätter, vorstehende Erklärung aufzunehmen.
Sierck, den 28. December 1848.
Jacob Himmen.
Anton Peretti.
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@facs | 1028 |
Köln.
In hiesiger Stadt lebte einmal ein Kappesbauer, der hatte wenig Verstand aber desto mehr Geld. Einst gerieth er in einem Weinhause mit einem wenig oder gar nicht Begüterten in einen heftigen
Disput, wurde aber, wie man zu sagen pflegte, garstig auf den Topf gesetzt. Als er sich gar nicht mehr zu helfen wußte, hub er folgendermaßen an: „Höt ens, ich maag mich nit mieh met üch
disputeeren, dovör sit ehr mer vill zo domm, un hat mer och noch lang nit Geld genoog!“ Grad wie dieser dumme Kappesbauer, benimmt sich der große Schwanbeck dem kleinen Wächter gegenüber.
„Du bist mir viel zu dumm, und hast mir auch noch lange nicht Abonnenten genug!“, und doch hört wahrlich mehr Verstand dazu, sich ein Tausend, und wär' es auch nur ein halbes
Tausend Abonnenten in 6 Monaten zusammen zu schreiben, als 17,000 auseinander zu sprengen. Die Anerkennung des weisen Joseph Dumont, das ist der Prägstock, der dem großen Schwanbeck den Werth gab,
worauf er sich mit knabenhaftem Dünkel bläht. Ich glaube, wenn der Wächter — was er nicht thun wird — dem Schwanbeck, um ihm seine Verachtung zu erkennen zu geben, in's Antlitz
spuckte, Herr Schwanbeck würde es den Leuten zeigen, und mit Lachen sagen: „Häh, seht einmal! Der Wächter hat mir in's Angesicht gespuckt, und hat noch keine 1000 Abonnenten.“
(Der Wächter am Rhein.)
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@facs | 1028 |
Jülich, den 3. Januar 1849.
„Sage mir, mit wem Du umgehst, so sage ich Dir, wer Du bist.“
Der Gefreite Böckmann, 1. Comp. 8. Reserve-Bataillons, war mit noch zwei Kameraden auf seiner Stube mit Lesen der „Neuen Rheinischen Zeitung“ beschäftigt, als Sergeant Dressen
eintrifft und ihnen befiehlt, sich auf Stube Nro. 37 zu begeben, wo der Herr Compagnieführer Premier-Lieutenant Loewen der Compagnie ein Neujahrsgeschenk des Königs vortragen wolle.
Dressen geht rasch weg und meldet dem Herrn Loewen das Lesen der „Neuen Rheinischen Zeitung.“ Als jetzt Böckmann und Genossen eintreten, um das gottbegnadigte Neujahrsgeschenk in
Empfang zu nehmen, war der Herr Loewen sehr erzürnt. („Kein Wunder, ein Glückwunsch des Königs und die Neue Rheinische Zeitung! Dies konnte der gute Mann nicht ertragen“) Loewen zu
Böckmann: „Sie waren mit der Lektüre beschäftigt; Sie lesen also noch immer immer das Schandblatt, diese Rheinische Zeitung! das niederträchtige Blatt, es sind alles niederträchtige Leute,
Canaillen, die das Schweineblatt lesen, in diesem Teufelsblatt sind Lügen enthalten, die ein ehrlicher Mann zu widerlegen sich schämt!
Schade nur, daß ich's nicht verhindern kann, es zu lesen! (Ei, warum denn nicht? Herr Lieutenant, ein preußischer Lieutenant darf Alles.) Ja, ich muß dulden, daß dies Werkzeug aller
Canaillen sogar noch in der Kaserne meiner Compagnie gilesen wird! (O welcher Dulder, wahrhaftig auch unser Mitgefühl regt sich, Herr Lieutenant!) Das hat leider die allgemeine Volksstimme verlangt.
Aha! eine Merzversprochenschaft! Sage mir, mit wem Du umgehst, so sage ich Dir, wer Du bist!“ (Vielleicht auf sich selbst beziehend. ((Vorpahl, Dressen etc.)) Herrlicher
Umgang!)
Jetzt ertheilte er das herrliche Neujahrsgeschenk, indem er die kölner Tante hervorzog, welche es enthielt (der „Neuen Rheinischen Zeitung“ war's vom Kriegsminister, Hrn
Strotha, für's Feuilleton übersandt worden; dort stand's) und fügte hinzu: Seht, Leute, dies ehrliche Blatt, les't Ihr's nur, es wird mich sehr freuen, wenn Ihr Euch damit
beschäftiget; der König freut sich sehr über sein getreues Heer, dessen Heldenthaten ganz Europa bewundert. (Wer kennt nicht die Heldenthaten der preußischen Soldateska von Posen, Berlin, Schweidnitz,
Coblenz, Trier, Düsseldorf etc, etc.?
Zu Böckmann gewandt sagte er noch: Freundchen, merken Sie sich's, wenn ich Sie treffe, daß sie die Leute aufwiegeln (belehren), so werde ich Sie nach der ganzen Strenge des Gesetzes
bestrafen. (Ja, Herr Lieutenant; ganz wohl, Herr Lieutenant; wird bald aufhören, Herr Lieutenant!)
@type | jAnnouncements |
@facs | 1028 |
Deutsches Kaffehaus.
Erste große karnevalistische Abend-Unterhaltung.
Heute Sonntag den 7. Januar 1849.
Programm.
- 1) Carnevalistische Ouvertüre.
- 2) Festmarsch.
- 3) Lied: „Hanswurstens Hauptquartier.“
- 4) Närrischer Strauß-Walzer.
- 5) Quodlibet-Ouverture.
- 6) Lied-Erlaß des Hanswursten.
- 7) Rheinmarsch.
- 8) Lied ohne Text.
- 9) Lied: „Dä Urgelsmann“
- 10) Fastelerums-Galopp.
- 11) Vereinigungsmarsch u. s. w.
Es dient hiermit zur Nachricht, daß jeden Sonn- und Feiertag bis Karneval, Abends 8 Uhr eine karnevalistische Abend-Unterhaltung stattfindet. Für Musik, Lieder, Getränke, Speisen und sonstige
Erfrischungen ist bestens gesorgt. — Entre 5 Sgr. — Damen frei. — Anfang 8 Uhr.
Franz Stollwerck.
Daß ich mit einer großen Auswahl sächsischer Kanarienvögel welche den Schlag haben, angekommen bin, bei Gastwirth Jos. Schumacher, im Schloß Bensberg Heumarkt Nr. 68. eine Treppe
hoch.
Friedrich Schröder.
GeselligerCuniberts Bau-Verein.
Morgen Abend 7 Uhr bei Herrn Nakatenus Eigelstein.
Rosenfarbenes Blau-Montags-Kränzchen.
Bei Herrn W. Lölgen, Hochpforte Nr. 8. Heute Montag den 8. Abends 7 1/2 Uhr.
Im festlich dekorirten Saale.
Zweite General-Versammlung.
Motto:
O, hör' uns Fürst! der Freiheit erstes Lallen —
Nein, lasset die feurigen Bommen erschallen
Piff, paff, puff! so hör' ich's gern
Ich und mein Haus, wir dienen dem Herrn.
Sprach's und eine himmlische, sanfte Zähre rann von ihrem Lilienangesicht — der thränenschweren Königin und Landesmutter, der Freude. — Weine, weine, weine nur nicht, ich
— stelle mich nicht auf den Rechtsboden, ich stelle mich nicht auf den Revolutionsboden, ich stelle mich auf den Boden — der Leiterkahr — der Equipage seiner königl. Hoheit
— stammverwandt; halte fest mein Vaterland — denn auf den Straßen wächst Gras, die — Schwerter haarscharf geschliffen, die Kugeln im Gewehr. — Ach, in der Heimath
ist's so schön — Süch, ens wo[unleserlicher Text]tne Plaatekopp, drieht hä sich nit we nän Dopp; näh — Meinen tapfern Funken in Linie und Landwehr: Glöcksillig Neujohr! — Kaum sin Lööchtemann
un Dreck boor bei mer an der Döhr eruhs, kütt — Freiheit und Republik — die Kugel mitten in der Brust, die Stirne — Bekränzt mit Laub den lieben — decken Ohs —
welcher nach Bonn geführt wurde, um — dem dortigen Professorenmangel abzuhelfen — Soll ein Mitglied des hiesigen Bürgervereins zum Verfasser haben — Bürgerverein —
Preußenverein — Bürgerlich-Kammeradschaftlich — Ohne dies Trifolium giebts kein wahres Gaudium — Schon sank der Allgemeinen Kraft und Hoffen, so vieler Heil in einem
einz'gen Mann — Doch das Große kann nicht untergehn — so sieh die Paradoxen, Hanswurst schwingt nicht die Pritsche mehr, er wird sich mit dir boxen — O Mohder, de
Finke sin duht, doch —
So lang der Rhein die Stadt bespült,
Die stets der Freude Wall,
So lang ein Herz noch Kölnisch fühlt
Besteht der Karneval.
Minoriten Reparatur Bau-Verein.
Bei Jüsgen, jeden Dienstag Abend Versammlung.
Turnverein zu Köln.
Die statutenmäßige Turnrathssitzung welche am Montag den 1. Januar hätte stattfinden sollen und des Neujahrtages halber unterblieb, findet morgen Montag den 8. Abends präcis 7 1/2 Uhr im Turn-Lokal
statt.
Köln, 7. Januar 1849.
Der Turnrath.
Ger. Salm, frischer Schellfisch, Kabliau, bei Veith Lintgasse 1.
Ferd. Freiligraths neuere politischen und socialen Gedichte.
1 Bdchen. 8. eleg. geh. Preis 15 Sgr. sind so eben erschienen und in allen Buchhandlungen, die Exemplare bestellten, vorräthig.
Fl. Schuster St. Louis.
Dieselben sind auch in Köln auf der Expedition der „Neuen Rhein. Ztg.“ zu haben.
Berlin: Oekonomie-Administratoren — Wirthschafts-Inspektoren — Forst- und Domainen-Beamte — Rentmeister — Secretaire — Oberkellner —
Braumeister — Fabrik-Aufseher — Pharmaceuten — Buchhalter- und Handlungs-Commis (für Banquier-, Comptoir-, Fabrik-, Manufactur-, Schnitt-, Material-, Reise- und sonstige
Geschäfte) können sehr gute und dauernde, mit hohem Gehalt verbundene Stellen erhalten, und wollen sich baldigst wenden an die Agentur des Apothekers Schulz in Berlin, Alexanderstrasse Nr.
63.
Ein Kapital von 14,000 Thaler wird gegen 1. hypothekarische Sicherheit gesucht.
Der Werth des Grund-Vermögens, welches die Darlehnssucher als Pfandobjekt anbieten, beträgt mindens 65,000 Thlr. Alle näheren Aufschlüsse über die Vermögens-Verhältnisse der Darlehnssucher ertheilt
bereitwilligst der unterzeichnete Notar.
Neuerburg, im Landgerichtsbezirke Trier, 12. Dezember 1848.
Pütz, Notar in Neuerburg.
Central-Verein für Auswanderung.
Bei dem für nächstes Frühjahr voraussichtlich großen Andrange der Auswanderer zu den Hafen-Städten dürften sich die Ueberfahrtspreise nach den überseeischen Ländern nicht nur wesentlich steigern,
sondern auch die Schiffsgelegenheiten sehr gesucht werden.
Wir haben uns deßhalb veranlaßt gesehen, uns schon jetzt Schiffe 1. Klasse zur Abfahrt von Bremen am 1. und 15. März k. J. zu sichern und sind dadurch im Stande, feste Kontrakte zu sehr mäßigen
Preisen abzuschließen
Indem wir Auswanderer hierauf aufmerksam machen, bemerken wir, daß die näheren Bedingungen, so wie der Prospektus des Vereins in unseren Geschäfts-Lokalen und auf allen unseren Agenturen
unentgeltlich entgegen genommen werden können.
Köln, Hof Nr. 20, Düsseldorf, Hohestraße Nr. 914, den 29. Nov. 1848.
J. A. Roeder.
Ch. Fremery.
L. Spiegelthal.