Deutschland.
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*
] Köln, 20. Dez.
Der gegen die Neue Rheinische Zeitung eingeleitete Prozeß kam heute vor die Assisen. Herr Dr. Marx, Redakteur en chef, und Herr Korff, Gerant der N. Rh. Ztg., und Herr Engels,
waren die Beschuldigten. Letzterer war abwesend. Die Klage lautete auf Beleidigung des Oberprokurators Zweiffel und Verläumdung von Gensd'armen. Der Prozeß wurde wegen eines Nullitätsgrundes
ausgesetzt.
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21
] Elberfeld, 19. Dez.
Im Bureau der Bergisch-Märkischen Eisenbahn arbeitete als Diätarius Hermann Reinhard. Nachdem im hiesigen Turnverein der Plan zu einer „Blumsstiftung“ angeregt worden, theilte
Reinhard eine in Bezug hierauf in Umlauf gesetzte Subskriptionsliste einem Kollegen im Bureau mit. Sobald der Bureauchef von solchem hochverrätherischen Gebahren seines Untergebenen Kenntniß erhalten,
machte er betreffenden Orts zur Abwendung der schrecklichen Gefahr alsbald Anzeige. Die Herren Realschul- und Eisenbahndirektor Egen, königlich preuß. Professor und der Spezialdirektor Liebrecht
verfügten die sofortige Entlassung des Diätarius, der durch die Vorzeigung jener Subskriptionsliste ja hinreichend anarchischer Bestrebungen überführt war. Hr. Egen, der seiner Zeit als Oberlehrer in
Soest bereits seines groben und anmaßenden Wesens wegen sprichwörtlich geworden, beherrscht das ganze Eisenbahndirektorium. Sein Hauptfach ist Mathematik und in der Finanzkunde bewährt er sich
täglich. Er genießt ein sehr hohes Gehalt und hat bereits ein hübsches Vermögen gesammelt, während seine nächsten Verwandten sich darbend in den untersten Schichten des Proletariats bewegen. Vor 13
Jahren schien ihn der kleine Gott mit der Augenbinde besiegt zu haben; er verlobte sich mit einer reichen Wittwe. Als aber die Vormundschaft der Kinder derselben auf Ausschluß der Gütergemeinschaft
drang, trat der königl. Herr Professor vom Verlöbniß zurück. Es ist übrigens nicht zu befürchten, daß er noch viele Maßregelungen im Eisenbahnpersonal vornimmt, da es keinem Zweifel unterliegt, daß
sein Freund, der im Ofen der Contrerevolution neugebackene Minister von der Heydt ihm sehr bald einen größern Wirkungskreis anweisen wird. Noch mehrere andere gutgesinnte Muckerthaler sollen berufen
sein, die preußische Staatsmaschine wieder in bessern Gang bringen zu helfen. Glück auf!
Unser einstweiliger Landrath, Regierungsassessor Bredt, der brave Bredt, der sich stets vom Verdachte der Demokratie engelrein zu halten wußte, soll jetzt dafür büßen, daß er sich gegen die
Verlegung der Nationalversammlung ausgesprochen. Die Buße wird in seiner Nichtwiedererwählung bestehen. Für die 1. Kammer ist der Hr. Minister v. d. Heydt, für die 2. der Geheimrath Simon ausersehen.
Die Fabrikarbeiter stimmen natürlich wie der Sklavenbesitzer vorschreibt. Uebrigens nimmt das Proletariat auf unglaubliche Weise zu. Der Gemeinderath sucht durch Erhöhung der Gemeindelasten den
täglich größer werdenden Riß zuzustopfen. Man spricht auch von einer sehr bedeutenden Summe, die man aus der Sparkasse zu diesem Zwecke entnommen habe. Die Besitzer von Sparkassenbüchern hätten, wenn
dies der Fall ist, die tröstliche Aussicht auf ein gleiches Schicksal mit den Pariser Sparern. Wie groß die wirkliche Gemeindeschuld der Stadt ist, soll übrigens nur wenigen Eingeweihten im
Gemeinderath bekannt sein. Sollte Hr. v. d. Heydt nicht Rath zu schaffen wissen, er, der noch im Frühjahre in einer zahlreichen Volksversammlung erklärte: Ei ja, Vertrauen! Die Zeit des Vertrauens ist
vorüber!
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70
] Münster, 18. Dez.
Es ist eine jener Infamien und perfiden Lügen der servilen Presse, den westphälischen Congreß, welcher hier am 18. und 19. Nov. abgehalten wurde, einen Demokratenkongreß zu nennen. Die Feiglinge,
welche mit ihrem Constitutionalismus Reißaus nahmen, möchten nun auch noch die etwaigen üblen Folgen ihrer schmählichen Niederlage den Demokraten aufbürden. Es scheint daher nothwendig, ein für
allemal festzustellen, daß der westphälische Congreß kein demokratischer, sondern ein konstitutianeller Congreß war, ein Congreß, der keinen andern Zweck hatte, als die sogenannten
„Märzerrungenschaften,“ die konstitutionelle Monarchie auf breitester Grundlage gegen das kontrerevolutionäre Ministerium zu vertheidigen. Es handelte sich auf diesem Congresse weder um
die rothe, noch um die blaue, noch um die grüne Republik, sondern lediglich darum, die Vereinbarungsversammlung zu unterstützen.
Diese Vereinbarungsversammlung stand auf konstitutionellem Boden und wurde auseinandergejagt, weil sie den Adel und die Orden abschaffen und die Feudallasten unentgeldlich aufheben wollte, und weil
man sich nach der Wiener Katastrophe stark genug fühlte zum Gegenschlag. Voilà tout.
Die schöne Idee des Konstitutionalismus ist die Theilung der Souveränetät, die halbe Volkssouveränetät, die Vereinbarungstheorie. Aber auch mit der ganzen Volkssouveränetät steht man noch auf
„konstitutionellem Rechtsboden.“ Man braucht zu dem Ende ja nur die belgische Verfassung ganz abzuschreiben, und man hat die Volkssouveränetät wenn auch nur als Phrase. Nunwohl,
der westphälische Congreß hat nicht einmal das Prinzip der Volkssouveränetät in entschiedener Weise anerkannt, ein Beweis, daß er noch nicht einmal „demokratisch-konstitutionel“ war.
Wenn dieser Congreß demunerachtet Beschlüsse faßte, welche sich ganz brav auf dem Papier ausnehmen, so war das wahrlich nicht viel mehr als das Wenigste, was man von einer Fusion aller
Bewegungsparteien, den Manteuffeliaden gegenüber, erwarten könnte.
Wenn es vor dem preußischen 18. Brumaire (9. Nov.) eine Staatsverfassung gab, so fand dieselbe in der von der Krone feierlichst anerkannten Vereinbarungstheorie war der „alte
Rechtsboden“. Dieser alte Rechtsboden wurde nicht schon am 9. Nov., sondern erst am 5. Dez. durch die oktroyirte Charte „umgewälzt“. Der westphälische Congreß trat schon am
18. Nov. für diesen alten Rechtsboden in die Schranken. Jetzt wirft man seine „Urheber und Theilnehmer“ in die Gefängnisse und klagt sie an: eine „Umwälzung“ der
Staatsverfassung unternommen zu haben.
Welcher Staatsverfassung? der vom 5. Dez.?
Wär's nicht so verdammt gescheidt,
So wäre man versucht, es herzlich dumm zu nennen.
Die Geschichte kennt kein Beispiel von einer schamloseren Weise, dem gesunden Menschenverstande und dem Rechtsgefühle ins Gesicht zu schlagen.
Schließlich einige Details über diesen unglücklichen westphälischen Congreß.
Es waren vertreten:
Bürgervereine 9; Volksversammlungen 10; demokratische 14, Volksvereine 7 zusammen 21; konstitutionelle Vereine 20; Städtische und Landgemeinden 8; 68 Vereine und Körperschaften.
Unter den Vertretern gab es:
Justizkommissare 6, Assessoren 5, Referendare 12, Regierungsräthe 1, Offiziere a. D. 5, Aerzte 8, Gutsbesitzer 19, Stadtverordnete 7, Kaufleute 20, Theologen 2, Oekonomen 16, Gewerbsleute 14,
Lehrer 6, Landleute 33, zusammen 154 Mitglieder.
Von diesen 154 Mitgliedern sind bis jetzt 13 im alten Gefängniß zu Münster eingesperrt und 6 werden steckbrieflich verfolgt.
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68
] Berlin, 18. Dez.
Den Eigenthümern der Zeitungshalle ist nun vom Polizeipräsidenten die definitive Erklärung zugegangen, das Wiedererscheinen ihres Blattes könne vor Aufhebung des Belagerungszustandes keinesfalls
gestattet werden, vielmehr habe der Polizeipräsident strengen Befehl, etwaige Versuche der Veröffentlichung zu unterdrücken. Die Eigenthümer des Blattes wollen den Versuch machen, dasselbe einstweilen
nach irgend einem kleinen, mehr als zwei Meilen von Berlin, also außerhalb des Belagerungszustandes, belegenen Orte überzusiedeln.
Von einer Anzahl Mitglieder des Central-Bezirksvereins wird folgende, zur Ueberreichung an das Ministerium bestimmte Petition, Behufs Sammlung von Unterschriften aus der Bürgerschaft
Berlin's, heute in Umlauf gesetzt: „Von einem hohen Staatsministerium ist es als eine Nothwendigkeit erachtet worden, Berlin in Belagerungszustand zu erklären. Fünf lange Wochen lastet
diese Maßregel auf unserer Stadt, und mancherlei Anordnungen lassen uns mit Grund befürchten, daß ihr Endziel nicht nahe sei. Nach der Erklärung Eines hohen Ministeriums ward jene Maßregel nur zur
Herstellung gesetzlicher Ruhe und Ordnung ergriffen; nirgends war es ausgesprochen, daß sie zur Entehrung der Bewohner Berlin's verfügt sei. Die Unterzeichneten können in der überflüßigen
Fortdauer eines solchen Zustandes nur eine unverdiente Beschämung und Erniedrigung finden. Ueberdies legt ihnen die angeordnete Wahl der Wahlmänner die Pflicht auf, durch freie Versammlungen
diejenigen Kandidaten kennen zu lernen, denen sie vertrauensvoll ihr Mandat zur Wahl von Deputirten übertragen dürfen. Unmöglich kann ein hohes Ministerium die Fortdauer eines unfreien
Zustandes zur freien Wahl für geeignet und gerecht halten.
Die Unterzeichneten fühlen sich daher zu dem gehorsamsten Gesuch veranlaßt:
„„Ein hohes Staatsministerium wolle das Aufhören des Belagerungszustandes von Berlin hochgeneigtest
in möglichst kurzer Frist verfügen.““
Wir wollen den naiven Bittstellern die baldige Erfüllung ihres Gesuchs von Herzen wünschen; denn auch wir sind der Ansicht, daß die Wahlen Berlin's eine ganz speziell-politische Bedeutung
haben, und daß es daher nothwendig ist, im Vollbesitz der unbeschränktesten Agitationsfähigkeit für diese Wahlen zu sein. Aber wir können doch nicht umhin, die Bittsteller auf ihre Naivetät aufmerksam
zu machen. Eben weil das Ministerium die politische Wichtigkeit der Berliner Wahlen ganz so gut erkennt als die demokratische Partei, hält es den Belagerungszustand in der Hauptstadt aufrecht, wird
ihn aufrecht erhalten, bis zur Agitation keine Zeit mehr ist, d. h. bis ein oder zwei Tage vor Zusammentritt der Urwähler. Damit hat es die Kräfte der Gegenpartei gelähmt, ohne doch die Möglichkeit zu
einem Protest, wegen in Unfreiheit vorgenommener Wahlen zu lassen. Man sieht, das Kabinet Manteuffel bleibt sich in seinem perfiden und hinterlistigen Verfahren vom Größten bis zum Kleinsten treu. Wir
glauben aber gut unterrichtet zu sein, wenn wir ihm voraussagen, daß trotz aller seiner Ränke und Pfiffigkeiten, so wie trotz der Bajonette die Wahlen in Berlin, wenn nicht ganz, doch in überwiegender
Majorität demokratisch ausfallen werden. Die demokratische Partei befolgt hier das Virgilsche Flectere si nequeo superos, Acheronta moveto und sucht sich den von den Gegern ihr gegebenen Spottnamen,
„der Wühler“, durch angestrengte geheime Thätigkeit in den Bezirken ehrlich zu verdienen.
Der Maschinenbauer-Verein, in dessen Innern schon seit längerer Zeit mannigfache Spaltungen und Zerrüttungen sich bemerkbar machten, hat sich jetzt förmlich aufgelöst, weil bei den, in den letzten
Wochen gepflogenen Berathungen über die Einrichtung einer Kranken- und Sterbekasse und die dadurch nöthig gewordene Modificirung des Statuts eine Einigung der verschiedenen weit auseinandergehenden
Meinungen nicht erzielt werden konnte. Eine neue Organisation kann aus den unleugbar kräftigen Elementen, welche in dem bisherigen Maschinenbauer-Verein existirten, etwas Tüchtiges schaffen, jedoch
nur unter der Bedingung, daß der zukünftige Verein eben so sehr die sociale Thätigkeit der Arbeiter-Coalition gegen die Meister, als die rein politische, sich zur Aufgabe stelle.
Mit wie auffallender Unverschämtheit die Bureaukratie seit Einsetzung des Cabinet Brandenburg-Manteuffel wieder das alte Unwesen ihres Nepotismus treibt, davon mag der Umstand zeigen, daß die
Decker'sche Geheime Ober-Hofbuchdruckerei gestern eine Brochüre unter dem Titel: „Die Allerhöchsten Erlasse vom 5. Dezember 1848 und die Wahl-Reglements der ersten und zweiten
Kammer“, veröffentlicht hat, ohne daß diese letzteren amtlichen Dokumente, welche für die Wahlen von der größten Wichtigkeit sind, da durch sie die Wahlgesetze erst die nothwendige
Vervollständigung erhalten, vorher in irgend einem amtlichen Organ Platz gefunden hätten. Beide Reglements datiren vom 8. Dezember. § 4 des Reglements zur Ausführung des Wahlgesetzes für die zweite
Kammer bestimmt, es solle in jeder Gemeinde von der Ortsbehörde sofort ein namentliches Verzeichniß „aller nach Art. 1 u. 2 des Wahlgesetzes vom 6. d. M. und Art. 67 der Verfassungs-Urkunde
stimmberechtigten Wähler“ aufgestellt werden. Es wird auch in diesem Wahlreglement noch immer, die nothwendige Interpretation des Wortes „selbstständig“ vermißt.
In Folge einer jener Prügelscenen zwischen Soldaten der Garderegimenter und der Linie, deren wir früher erwähnt und bei welcher die Garde der angreifende Theil gewesen, ist ein Tagesbefehl des
Königs speziell an die Garde gerichtet und an die ganze hiesige Garnison mitgetheilt worden ungefähr folgenden Inhalts: „Die Garde solle sich durchaus nicht einbilden, sie sei um irgend etwas
besser als die gewöhnliche Linie, vielmehr stehe sie mit derselben ganz im gleichen Range; wenn sie Tressen trage, so sei dies bloß ein äußerer Glanz, den sie ihrer speziellen Garnisonirung in den
Residenzen zu verdanken habe; werde sie sich aber
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nochmals solcher Ueberhebungen gegen die Linie zu Schulden kommen lassen, so solle sie durch Verlust der Treffen bestraft werden.“!!
Von den vielversprochenen Segnungen, welche die durch den Belagerungszustand hergestellte „gesetzliche Ruhe und Ordnung“ für Handel und Gewerbe mit sich bringen sollte, verspüren
unsere Kaufleute und Kleinhändler bisher noch nichts. Im Gegentheil sind die Klagen über den sehr schlechten Ausfall des Weihnachtsgeschäftes allgemein. Nur die sehr geringe Anzahl von
Geschäftszweigen, welche von den vornehmern Almosenempfängern, den Herren Garde-Lieutenants u. s. w. ihren Haupterwerb beziehen, scheinen zu floriren und sind dafür natürlich Hohen und Allerhöchsten
Personen sehr dankbar. So hat auch Herr Kranzler, der Hof-Conditor des Prinzen von Preußen und Inhaber des bekannten Lokals an der „politischen Ecke“, seit einigen Tagen wieder
den Muth, mit dem am 19. März abgenommenen königl. Wappen zu prangen.
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*
] Berlin, 18. Dez.
Der „Preuß. Staats-Anzeiger“ theilt mit, daß sich die Mitglieder der Oberlandesgerichte zu Ratibor, Bromberg und Münster an den König und resp. den Justizminister mit der Bitte
gewandt haben, zu bewirken, daß v. Kirchmann, Gierke und Temme nicht bei ihnen eintreten, sondern daß denselben, wo möglich, ein anderer Wirkungskreis angewiesen werde.
Zugleich druckt das Blättchen die von den reaktionswüthigen Justizleuten an Kirchmann etc. erlassenen Schreiben mit, die zur Genüge beweisen, daß das Volk in seinen Märztagen zu allererst
einige Schock Beamte aus den Justizkollegien hätte auf Reisen schicken sollen. Auch folgender Brief ist gar eine üble Illustration der Zustände „mit Gott für König und Junkerschaft“:
„Ew. Hochwohlgeboren haben leider dem Ihnen im Namen der Mitglieder des ersten Senats des Geh. Ober-Tribunals ausgesprochenen Wunsche:
sich bis auf Weiteres von den Sitzungen dieses Senats fernzuhalten,
nicht Folge geleistet. Dies hat ein Zusammentreten der Mitglieder aller vier Senate des Kollegiums nöthig gemacht, damit wir uns über die nun zu treffenden Maßregeln vereinigten
Wenn ich Ihnen das Ergebniß dieser Besprechung mitzutheilen habe, so meine ich, Sie vor Allem daran erinnern zu müssen, mit welcher kollegialischen Freundlichkeit Sie von uns Allen bei Ihrem
früheren Eintritt in das Kollegium aufgenommen worden sind. Sie mögen daran ermessen, in welchem Grade wir eine geänderte Lage der Dinge wichtig zu nehmen uns verpflichtet fühlen, welche uns die
Nothwendigkeit einer Auflösung dieses Verhältnisses als unerläßlich erscheinen läßt
In einer anderen Stellung haben Sie sich zu Ansichten bekannt und diese mit Beharrlichkeit durchzuführen gesucht, welche mit den Auffassungen, die wir über Recht, Pflicht und Treue haben und
unbedingt festhalten werden, in dem Maße entschieden und schroff im Widerspruche stehen, daß es uns, wie Ihnen, nur auf das Aeußerste peinlich sein könnte, eine Gemeinschaft äußerlich fortzusetzen,
die innerlich nicht mehr besteht.
Ich soll Sie daher auf einstimmiges Verlangen sämmtlicher Mitglieder des Kollegiums, mit Ausnahme des nicht zugezogenen Präsidenten Bornemann, dringend auffordern und ersuchen, Ihrerseits Schritte
zu thun, welche zur Auflösung dieser Gemeinschaft führen können.
Zu dieser dringenden Aufforderung sind wir aber verpflichtet, nicht allein und nicht hauptsächlich in Rücksicht auf unsere Person, auch nicht blos in Rücksicht auf Sie selbst, sondern vor Allem in
Beziehung auf den höchsten Gerichtshof, dem wir angehören. Vor Gott und Menschen sind wir schuldig, mit allen Kräften dafür zu sorgen, daß diesem Gerichtshofe das Vertrauen und die Achtung des Landes
erhalten werde. Das wäre aber unmöglich, wenn irgendwie die Vermuthung Anhalt erhielte, daß in demselben Ansichten Eingang oder auch nur Nachsicht gefunden hätten, bei denen man nicht ohne Grund,
Recht und Gerechtigkeit, die man in Anspruch nimmt, gefährdet finden würde.
Berlin, den 16. Dezember 1848.
(gez.) Mühler.“
An des Königl. Geheimen Ober-Tribunal-Raths Herrn Dr. Waldeck Hochwohlgeboren.
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*
] Wien, 15. Dezember.
Die Geldnoth geht hier schon ins Unendliche. Nicht allein daß die Einguldennoten schon in 8 Theile zerschnitten werden, es werden auch schon von Privaten Noten zu 10 und 20 Kreuzer ausgegeben. Was
für Unheil daraus entstehen muß, wenn Jedermann Papiergeld ausgiebt, ist leicht zu bestimmen. Jeder Kaufmann schreibt auf ein Stück Papier: gut für 10 oder 20 Kreuzer, drückt sein Siegel bei —
und giebt diese Zettel seinen Kunden statt Münze. Wie diesen papiernen Wirren abzuhelfen sei, ist ein Räthsel, das der geübteste Finanzmann nicht zu lösen vermag.
Es sind gestern wiederum Truppen in die Gegend von Krems abgegangen. Die Bauern wiedersetzen sich dort der Rekrutenaushebung. Das Militär soll sie nun zu Paaren treiben.
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15
] Wien, 15. Dezember.
Zur Beleuchtung des hier von Windischgrätz und Konsorten befolgten Verfahrens wie der zu Frankfurt vorgebrachten unverschämten Lügen und „schwarzgelben“ Bemäntelungen mag folgendes
aus vorigem Monat datirende Aktenstück einen Platz finden:
„Es ist mit Genehmigung Sr. Durchlaucht des Herrn Feldmarschalls Fürsten zu Windischgrätz die ex offo Stellung aller paß- und ausweislosen Individuen eingeleitet worden, so fern sie nach
ihrer persönlichen Stellung im Staatsverbande mit Rücksicht auf die Rekrutirungsvorschriften der Militär- und Landwehrpflicht unterworfen sind; es wurde aber zugleich befohlen, vorzugsweise diesem
Verfahren diejenigen zu unterziehen, welche Mitglieder der akademischen Legion waren, dann jene Individuen des Proletariats, welche sich theils in die Mobilgarde einreihen, theils den
National-Garden-Bat. als Kämpfer zuweisen ließen. — Diese Maßregel ward angeordnet, gleich mit jenen Individuen in Ausführung zu bringen, die von der Militär-Untersuchungs-Kommission theils als
unbedenklich, theils als bedenklich entlassen werden oder auch schon entlassen worden sind. — Weil aber nicht alle diese der Assentirungs-Kommission vorzuführenden Individuen die
Tauglichkeit zum Gewehrstande haben, so haben Se. Durchtlaucht befohlen, daß jene unter ihnen, welche diese Eignung nicht haben, für das Fuhrwesen und als Krankenwärter in die Militärspitäler
assentirt und abgeführt werden sollen. — Es sollen aber nach der ausgesprochenen Willensmeinung Sr. Durchlaucht sowohl die zum Fuhrwesen oder als Krankenwärter zu assentirenden, als auch die
für den Feuerwehrstand assentirten und aus obangedeuteten Kategorien Auszuhebenden nur für die Armee in Italien abgegeben werden. — Hiernach wäre das Geeignete zu verfügen, und es wird das k.
k. niederösterreichische Generalkommando angegangen, die bereits Assentirten für die in Italien liegenden Truppenkörper zu widmen und dahin zu disponiren u. s. w.
Wien, am 17. November 1848.
Von der Centralkommission der k. k. Stadtkommandantur.
Frank. G. M.“
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*
] Wien, 15. Decbr.
Verurtheilung folgt auf Verurtheilung; Beweise sind überflüssig; ein Paar Spione mit ihren Aussagen genügen. Die schönste standrechtliche Erfindung besteht aber im „Zusammentreffen der
Umstände“, wie abermals aus folgender Kundmachung sich ergiebt:
„Wenzel Blaszek, aus Podiebrad in Böhmen gebürtig, 27 Jahre alt, katholisch, ledig, Schneidergeselle, ist durch Zusammentreffen der Umstände überwiesen, am 27., v. M in einem hiesigen
Branntweinhause politische Reden gefährlichen Inhaltes gegen die gesetzliche Ordnung geführt zu haben, welche auf die Anwesenden einen verderblichen Eindruck zu machen geeignet waren. Da aber wegen
Herstellung des Beweises die zum Standrecht erforderliche gesetzliche Frist überschritten war, wurde er der ordentlichen kriegsrechtlichen Behandlung unterzogen, und durch Einhelligkeit der Stimmen zu
sechswöchentlichem Stockhausarrest in Eisen, unter Verschärfung durch Fasten bei Wasser und Brod einmal in jeder Woche, verurtheilt. Welches Erkenntniß heute kundgemacht und in Vollzug gesetzt worden
ist.
Wien, den 14. Dezember 1848.“
Ferner ist Karl Pfaul, Fleischhauergeselle, wegen Aeußerungen in einem Gasthause gegen den Kaiser und die „hohe Generalität“ zu 8jähriger Schanzarbeit in schweren Eisen
verurtheilt worden. Das beliebte „durch Zusammentreffen der Umstände“ fehlt diesmal in der offiziellen Kundmachung.
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X
] Breslau, 18. Dez.
(Fernerer Bericht über den Bürgerwehrkongreß.) Die gestrige Nachmittagssitzung begann mit einem sehr erfreulichen Faktum. Engelmann präsidirt nicht; statt seiner führt Pfeiffer den Vorsitz,
hoffentlich hat dieser gelernt, wie man nicht präsidiren soll.
§. 6 der Vorlage lautet: „Der Oberst muß dem Ehrengerichte unterworfen sein.“ Walesrode wünscht: „jeder Offizier soll demselben unterworfen sein.“ Angenommen wurde die
Vorlage.
§. 7 der Vorlage bestimmt: „Das angenommene Straf- und Gerichtsverfahren darf den Grundsätzen der Geschwornengerichte nicht widersprechen.“ Der Satz ist klar, aber „die
wächserne Nase des Gesetzes“ (Meyer) schauspielert einige Gemeinplätze und wiederholt seine gestrige Rede. Sämmtliche Redner sind einverstanden mit der Vorlage, wenn das Wort
„angenommen“ gestrichen wird, doch — gesprochen muß werden; sie haben den politischen Durchfall und wollen ihre Waare rasch los werden. Die Abstimmung ergab das erwartete
Resultat.
§. 8 verfügt: „Dienstenthebung oder Aufhebung der Bürgerwehr darf nur durch Kabinetsordre wegen Verweigerung der im §. 1 des Gesetzes der Bürgerwehr auferlegten Pflichten
erfolgen.“
Massen von Anträgen kommen, jeder bringt seine Waare zu Markte; oft werden nur einzelne, unbedeutende Worte verändert. Salbungsvolle Reden ertönen im Saale, in manchen wird die deutsche
Gründlichkeit empfohlen. „Vater, in deine Hände empfehle ich meinen Geist,“ beten die Zuhörer und Referenten; denn wenn diese Gesellschaft noch Gründlichkeit empfiehlt, dann wird sie
sicher ganz unergründlich werden.
Viele Redner, besonders Cirves aus Oppeln, sagen es unverholen, die Absicht der Regierung sei, die Bürgerwehr nur aufzulösen, um den beliebten Belagerungszustand zu verhängen. Er stellt den Antrag:
„Die Bürgerwehr ist unauflöslich.“ Mätze sprach sehr energisch für die nämliche Forderung; es stand auch ihre Annahme um so mehr zu erwarten, als Mätze's Rede eine wirklich
gediegene zu nennen war. Da bekam eine Minorität Furcht und Zittern, sie rief: „Meine Herren, wenn Sie diesen Antrag annehmen, so proklamiren Sie die Revolution; systematisch suchte diese
Minorität durch persönliche Bemerkungen, die Wirkung der Mätze'schen Rede abzuschwächen. Als letztes Rettungsmittel schob sie einen Antrag auf Vertagung der Abstimmung bis morgen vor. Die
Majorität ging darauf ein — damit man sich diesen wichtigen Antrag beschlafen könne!
Abends ergötzte sich die Gesellschaft im Theater. Es wurde das Stück aufgeführt: „Ein Minister aus dem Volke.“ Bei den Worten: „das Bürgerthum, und nochmal das Bürgerthum, muß
herangezogen werden,“ brach großer Applaus los.
Die „souveräne“ Bourgeoisie hatte trotz ihres Beschlafens heute, den 17., noch nicht die Gewißheit, daß die Auflösung beschlossen werden würde, sie trat also nochmals vor und
verlangte die nochmalige Debatte, voran als muthiger Kämpfer Walesrode! Der Kongreß ging darauf ein, denn — man kann ja nicht wissen! Die Anträge überstürzen sich wieder. Als besonderes
Curiosum hebe ich folgendes Amendement hervor: „Das Institut der Bürgerwehr ist unauflöslich.“ Es (das Amendement) rührt her von — Walesrode. Er hat große Furcht vor der
„Anarchie,“ und meint, sie werde sofort entstehen, wenn man die Bürgerwehren nicht aufheben könnte durch Gesetze. Er klammert sich fortwährend nur an das Wort „Institut.“
Renitente Bürgerwehren müssen jedoch aufgehoben werden können. So kann man die Bürgerwehren jeder Gemeinde einzeln aufheben. Aber — das „Institut,“ die „Idee“
ist doch gerettet!! Mänels (Thüringen) Rede war eine Erquickung; sie entwickelte klar, es handle sich hier nur um das Prinzip, und diesem gemäß darf die Bürgerwehr nicht aufgelöst werden. Den Eindruck
suchte Walesrode zu vernichten durch allerlei Syllogismen und Trugschlüsse. Die Frage: Kann die Bürgerwehr einzelner Gemeinden oder Kreise aufgelöst werden? wurde mit 5 gegen 43 Stimmen verneint.
Merkwürdiger Weise und mit seltener Konsequenz stimmte auch Walesrode mit „nein.“ Die meisten Berliner, die es wahrhaftig an Redseligkeit nicht fehlen ließen, enthielten sich der
Abstimmung. Auch die Frage: Kann die Bürgerwehr einzelner Gemeinden oder Kreise zeitweise aufgelöst werden? wurde mit 35 gegen 21 Stimmen verneint. Die „wächserne Nase des Rechts,“ Hr.
Meyer, enthielt sich bei allen namentlichen Abstimmungen stets der Abstimmung. Die Frage: „Kann die Bürgerwehr einzelner Gemeinden oder Kreise zeitweise ihres Dienstes enthoben werden? wurde
mit 46 gegen 5 Stimmen bejaht.
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24
] Breslau, 16. Dezember.
Er kam heute zu einem Arbeiterauflauf vor'm Ziegelthor, wo sich das Häuschen befindet, in welchem von den städtischen Beamten Arbeitsscheine ausgetheilt werden. Viele Arbeiter drängten sich
herzu. Sie wurden von der herbeigerufenen Bürgerwehr, gegen welche einige Steine flogen, durch einen Bajonettangriff zurückgedrängt. Es wurden mehrere Arbeiter bedeutend verwundet. Gegen unbewaffnete
Arbeiter zeigte die hiesige Bürgerwehr überhaupt noch jedesmal großen Muth, wenn sie Arbeitern in Uebermacht entgegenstand. Von anderweitigem Muth hat sie bisher aber noch nicht die mindeste Probe
abgelegt.
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@facs | 0938 |
Schweidnitz, 13. Dezember.
An die Direktion des hiesigen Correktionshauses soll höheren Orts die Anfrage ergangen sein, ob Raum da sei, um etwa 100 Tumultuanten unterzubringen. Da aber die Lokalitäten dieses Hauses alle
besetzt, ja fast überfüllt sind, so müßte natürlich eine verneinende Antwort erfolgen. Eine schöne Aussicht das, für die zu Versorgenden!
Gestern früh sind 2 Kompagnien des hier garnisonirenden Glatzer Landwehr:Bataillons in die Umgegend von Freiburg marschirt, um, wie es heißt, einigen dortigen Dorfgemeinden die formelle und
materielle Ungültigkeit des Steuerverweigerungsbeschlusses praktisch zu insinuiren.
[(A. Od.-Ztg.)]
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@facs | 0938 |
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*
] Elbing, 15. Dezember.
Bom Abgeordneten Philipps ist eine Ansprache an seine Wähler erschienen, worin er unter Anderem sagt:
„Nach den Verheißungen, die von der Krone im März gegeben und die ausdrücklich im April von dem zweiten vereinigten Landtage für das Land und Namens desselben acceptirt wurden, sollte
Preußen ein konstitutioneller Staat sein. Von diesem Augenblicke an war also die gesetzgebende Gewalt zwischen der Krone und dem Volke getheilt, es war der Anspruch auf diese Gewalt ein Recht des
Volkes, und an diesem Rechte mußten seine Vertreter festhalten. Das Ministerium war daher nicht befugt, die Versammlung der Volksvertreter ohne deren Zustimmung zu vertagen, zu verlegen oder
aufzulösen.
„Es war daher vollständig konsequent und richtig, Nichts weiter als ein einfaches Festhalten an dem konstitutionellen Prinzip, daß die National-Versammlung diesem Ansinnen keine Folge
gab.
„Diejenigen, welche das Verfahren der National-Versammlung am 9. November tadeln, und sagen, das Ministerium — denn nur zwischen dem verantwortlichen Ministerio und der Versammlung
der Volksvertreter wird in einem konstitutionellen Staate der Streit geführt — habe die Vertagung angeordnet, und deshalb hätte man Folge leisten müssen, die beweisen dadurch, daß sie nicht auf
konstitutionellem Boden stehen, sondern daß sie die Wiederherstellung des absoluten Staates wollen. Wenn Jemand di[e]s offen sagt, so ist dies zwar ein, nach meiner Meinung unheilvolles Prinzip, aber
es ist dann ein offen ausgesprochener Grundsatz. Wenn er aber sagt, daß er konstitutionell sei, so täuscht er entweder sich oder Andere.
„Was nun das weitere Verfahren nach dem 9. November anbetrifft, so berufe ich mich einfach auf die Autorität des Fürsten Solms, des Marschalls des vereinigten Landtags, den wahrlich Niemand
für einen Demokraten halten wird. Er sagt in seiner, in diesen Tagen herausgegebenen kleinen Schrift, „geschichtliche Anmerkungen“ betitelt:
„Das Wesen der
konstitutionellen Regierungsform ist nicht darin zu finden, daß man künftig nicht mehr von der allgemeinen Ständeversammlung, sondern nur von den Kammern oder der Volksvertretung zu reden hat; der
Name thut auch hier wenig zur Sache. Das Wesen dieser Regierungsform liegt vielmehr in dem Rechte der Bewilligung und folglich auch der Verweigerung des jährlich erforderlichen Staatsbedarfs, und in
den Folgen, welche aus diesem Recht natürlicher Weise herfließen.
„Man hat der Nationalversammlung den Vorwurf gemacht, sie habe das Verfassungswerk verzögert. Ich bin mit den Arbeiten der verschiedenen Commissionen vermöge der amtlichen Stellung, mit
welcher mich die Nationalversammlung beehrt hatte, genau bekannt, und kann daher auch genaue Auskunft darüber geben. Schon während der Arbeiten der Commission, welche den — größtentheils jetzt
in die octroyirte Verfassungs-Urkunde aufgenommenen — Verfassungsentwurf ausarbeitete, überzeugten sich die Mitglieder derselben, daß es durchaus nothwendig sei, gleichzeitig mit der Verfassung
diejenigen Gesetze für das Land in das Leben zu rufen, ohne welche die Verfassung gar nicht auszuführen ist. Bestärkt wurden wir hierin noch durch den Blick in die tiefen Leiden des Volks. Man
überzeugte sich, daß es durchaus nothwendig sei, den unglücklichen Verhältnissen des Landmannes, des Handwerkerstandes, der ungerechten und ungleichmäßigen Besteuerung abzuhelfen, daß man eine genaue
Einsicht in die Finanz-Verhältnisse sich verschaffen, daß die Gemeindeordnung, als Fundament der Verfassung, dieser vorausgehen müsse u. s. w. Die zu diesem Zweck niedergesetzten Commissionen haben
rüstig gearbeitet. Man war in der Berathung der Verfassung es fielen die ersten Schläge gegen das Gebäude der Bevorrechtung. Aber die Versammlung wurde an weiterer Berathung durch Bajonnette
gehindert, unsere Arbeiten mögen sogar von den Soldaten bei ihrem Eindringen in das Schauspielhaus zerstört worden sein. Man hat ihnen dieselben wenigstens Preis gegeben Manches ist aber erhalten.
Dahin gehört der Bericht der Finanzkommission über den Staatshaushalt, der Bericht der Commission über die Handwerkerverhältnisse u. s. w. Einiges hiervon ist schon im Druck erschienen, Anderes wird
später erscheinen.
Bei allen diesen Schritten hat die National-Versammlung nur das Wohl des Volkes im Auge gehabt, nur den Wunsch, dem armen Manne zu helfen.“
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] Frankfurt, 18. Dezember.
Sitzung der National-Versammlung.
Tagesordnung: Präsidentenwahl. Fortsetzung der Berathung über den Entwurf „der Reichstag.“ (Art. 8, § 20 ff.)
Man schreitet zur Wahl des Präsidenten.
Die Stimmen kommen in sehr schnurriger Weise aus der Urne. Sie sind getheilt in Simson von Königsberg, Kirchgessner und (!) v. Schmerling (!). Dem letzteren geben die Oesterreicher ihre Stimmen
Nach vollendeter Wahl hatte Simson aus Königsberg 181 Stimmen, Kirchgessner 128, und Schmerling 93, Simon aus Breslau 2, v. Trützschler 2, Dahlmann 1.
415 stimmten im Ganzen. Die absolute Majorität beträgt 208. Simson erreichte dieselbe nicht.
Man schreitet zu einer engeren Wahl zwischen Simson und Kirchgessner. Die Spannung ist bei Verlesung der Namen ungemein groß und steige[r]t sich dadurch, daß Kirchgessners (des Kandidaten der
Linken) Namen sehr oft ertönt.
Bei vollendeter zweiter Wahl hatte Simson aus Königsberg 215 Stimmen, Kirchgessner 214, v. Soiron 1, v. Schmerling 10. Die absolute Stimmenmehrheit ist 222. Simson hat dieselbe abermals nicht
erreicht. Ungeheure Sensation und tumultuose Pause. Man erschöpft sich eine Zeit lang in fruchtlosen Theorien, eine neue und sichere Wahlart zu erfinden, da (obschon unausgesprochen) die Vermuthung
entsteht, daß mehr Wahlzetttel aus der Urne hervorgegangen, als Deputirte im Hause sind.
Die Rechte, zumal Hr. v. Vinke, ist innig erbittert. Die Linke spaziert munter im Haus auf und ab. Denken Sie, der Kandidat der Linken hat nur eine Stimme weniger erhalten als der Kandidat der
Rechten. Die Oesterreicher haben sich aus Bosheit mit der Linken verbunden.
Endlich genehmigt man eine v. Vinke vorgeschlagene Wahlart durch Namensaufruf. Jeder Abgeordnete muß bei Nennung seines Namens selbst zur Tribüne gehen und seinen Zettel vor den Augen des Bureaus
in die Urne werfen.
Man schreitet also zur dritten Wahl. Es macht den komischen Eindruck eines Casperle-Theaters, wie jeder Abgeordnete auf die Tribüne steigt, und wieder verschwindet. Bei dem Namen Engel stürzen
beide Engel (es giebt deren 2 im Hause) auf die Tribüne, worauf das Haus ein himmlisches Gelächter erhebt.
Resultat der dritten Wahl: Simson von Königsberg 233 Stimmen; Kirchgessner 223; v. Schmerling 3; verlorene Stimmen 2.
G[e]stimmt haben 461, die absolute Majorität ist 231, Simson von Königsberg übersteigt dieselbe also um 2 Stimmen (!!). Die Wahl eines ersten Vizepräsidenten an Simons Stelle wird bis zum 1. Januar
1849 vertagt. Bis zu Simsons Zurückkunft aus Berlin präsidirt Beseler weiter. Derselbe verliest ein Schreiben des Erzherzogs Johann vom 17. Dezember an die National-Versammlung. Es enthält die
offizielle Ernennung Gagerns zum Präsidenten des Ministerraths, Minister des Aeußern und interimistischen Minister des Innern.
Gagern (der Ministerpräsident) legt mit gerührter Stimme und einigen einhüllenden Staatsweisheitsphrasen der Versammlung sein Ministerprogramm vor, er nennt es eine Antwort auf das
österreichische Ministerprogramm.
Die vier Punkte desselben, welche unter Tumult und Mißbilligung angehört werden, lauten wörtlich:
1) Bei der Natur der Verbindung Oestreichs mit außerdeutschen Ländern, beschränkt
sich für jetzt und während des Provisoriums die Pflicht der Reichsgewalt darauf, das bestehende Bundesverhältniß Oestreichs zu Deutschland im Allgemeinen zu erhalten. Es ist aber das
Sonderverhältniß Oestreichs anzuerkennen, wonach es anspricht in den zu errichtenden deutschen Bundesstaat unter Bedingungen, die die staatliche Verbindung der deutschen und nicht deutschen
östreichischen Bundestheile alterniren, nicht einzutreten.
2) Oestreich wird also nach den bis jetzt durch die Nationalversammlung gefaßten Beschlüssen, wodurch die Natur des Bundesstaates bestimmt worden ist, als in den zu errichtenden Bundesstaat, nicht
eintretend zu betrachten sein.
3) Oestreichs Union-Verhältnisse zu Deutschland mittelst einer besondern Unionsakte zu ordnen und darin all die verwandtschaftlichen, geistigen, politischen und materiellen Bedürfnisse nach
Möglichkeit zu befriedigen, welche Deutschland und Oestreich von jeher verbunden habe, und in gesteigertem Maße verbinden können, bleibt der nächsten Zukunft vorbehalten.
4) Da Oestreich zu dem von der provisorischen Centralgewalt repräsentirten Deutschland, zwar in einem unauflöslichem Bunde steht, in den Bundesstaat aber nicht eintritt, so ist die Verständigung über
alle gegenseitige, sowohl bereits bestehende als künftige Bundespflichten und Rechte auf gesandschaftlichem Wege einzuleiten und zu unterhalten.
5) Die Verfassung des deutschen Bundesstaates, deren schleunige Beendigung im beiderseitigen Interesse liegt, kann jedoch nicht Gegenstand der Unterhandlung mit Oestreich sein.
Gagern beantragt das Urtheil der Versammlung über dies Programm und demgemäß zuvörderst die Begutachtung desselben durch einen Ausschuß.
Präsident Beseler schlägt hierzu den sogenannten Biedermannschen Ausschuß vor.
Rösler von Oels: In vorliegendem Programm sei Oesterreich als nichtdeutscher Staat betrachtet, es sei also nicht das Verhältniß eines deutschen Staats zur Centralgewalt festzustellen. Dies
letztere aber sei die Aufgabe des Biedermannschen Ausschusses; also müßte für die vorliegende Sache ein anderer Ausschuß gewählt werden. Er schlägt den Verfassungsausschuß vor. (Beifall).
Venedey beantragt augenblickliche Verwerfung des Ministerprogramms vom Hause selbst. Deutschland, sagt er, wird durch dasselbe getheilt. (Furchtbarer Beifall von der zur Majorität gewordenen
Minorität des Hauses). Wenn das Programm angenommen würde, so will ich keinen Augenblick länger hier sitzen. (Wiederholter lang anhaltender Beifall).
Reitler aus Prag will dem s. g. Oesterreichischen Ausschuß zur Begutachtung dies Programm vorlegen, welches Deutschland wie ein zweites
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Polen zerstückeln und Rußland in die Arme werfen will. (Neuer Sturm von Beifall).
Plathner von Halberstadt (der preußische Assessor) glaubt nicht, daß jetzt die Zeit sei, Gefühle auszusprechen. (Links: Pfui! und furchtbarer Tumult.) Er schlägt den Biedermannschen Ausschuß
vor. (Links Zuruf: Weil Oesterreich Ausland ist!) Plathner frägt unter Andern die stürmende Linke: wollen Sie geradezu den Krieg? worauf mit einem energischen Jawohl geantwortet wird!
Wesendonk: Zu dem Biedermann'schen Ausschuß sei gar kein Vertrauen vorhanden. Derselbe bestehe fast ganz aus Mitgliedern der früheren (glorreichen!) Majorität. Er schlägt den
vereinigten Oesterreichischen und Verfassungs-Ausschuß vor.
Hartmann aus Oesterreich erklärt das Minister-Programm für ein Verbrechen und sagt, wir werden uns, fein — oder grob, nicht aus Deutschland heraus schmeißen lassen. Ich beantrage
einfache Tagesordnung über das vorgelegte Programm (Beifall und Gelächter).
Reichensperger schlägt den Oesterreichischen Ausschuß vor.
v. Vinke den Biedermann'schen.
Buß aus Freyburg findet in seiner ultramontanen Weisheit, daß die Versammlung bei der Trennungsfrage angelangt ist (ei! ei!). Er will den Oesterreichischen Ausschuß.
Löw aus Calbe kommt endlich auf die vernünftige Idee, einen neuen Ausschuß zu wählen.
Wichmann (Stockpreußischer Assessor) ist wegen der heutigen Gestaltung der Parteien gegen einen neuen Ausschuß (aha!). Er schläg den Internationalen vor; links ruft einer:
warum nicht lieber den Schulausschuß?
Beseler (der Professor) [Schluß, Schluß!] sieht gar keine Nothwendigkeit zu einem neuen Ausschuß (links Tumult und höhnische Unterbrechung). Nachdem der Präsident Herrn Beseler Ruhe
verschafft hat, erklärt dieser mit sehr blassem Gesicht, man denke ja gar nicht daran, die Stellung zu Oesterreich, wie sie in §. 2 und 3 der Verfassung ausgesprochen, zu ändern (eine Stimme:
Lüge!). Schließlich erklärt er sich für den Biedermann'schen Ausschuß.
Giskra für einen neuen Ausschuß, am allerwenigsten für den internationalen, denn noch sei für Deutschland Oesterreich nicht verloren, und so Gott wolle, soll es auch nicht für Deutschland
verloren gehen!
Graf Deym (ein Oesterreichischer Aristokrat, der auf der äußersten Rechten sitzt) ganz wie Giskra. — Hierauf wird die Debatte geschlossen. Die Begutachtung des vorgelegten Programs,
durch alle vorgeschlagenen bestehenden Ausschüsse wird, und zwar immer mit einer Majorität von circa 60 Stimmen verworfen. Hieraus mögen Sie die merkwürdige Umwandlung unseres Parlaments
deutlich erkennen. Nach einigem Streit geht das Program an die Abtheilungen, um durch einen neugewählten Ausschuß begutachtet zu werden. Nach allen Auspicien wird es mit dem neuen Ministerium
stürzen.
Schließlich verlangt die Majorität von heute auf die morgige Tagesordnung: Fortsetzung der zweiten Lesung der Grundrechte und es geschieht also! — Schluß der Sitzung halb vier
Uhr.
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Frankfurt, 18. Dezember.
Die österreichischen Abgeordneten zur deutschen Reichsversammlung sind zum größten Theil aus den verschiedenen Parlamentsklubs, denen sie bisher angehörten, ausgetreten, um sich zu einer rein
österreichisch-landsmannschaftlichen Partei im Hotel Schröter um v. Schmerling zu vereinigen. Diese Fraktion soll bereits 74 Mitglieder zählen. Vom kaiserl. österreichischen Kabinette ist gestern eine
Zuschrift an das Reichsministerium eingegangen. Sie enthält die Erklärung, daß das österreichische Ministerium seine ferneren Beziehungen mit der deutschen Centralgewalt durch sein Ministerium des
Auswärtigen fortsetzen werde.
Gestern hat das Auseinander treten nach Nationalitäten wirklich begonnen. Den Anfang scheinen die Oesterreicher des Kasinos gemacht zu haben. Die ganze Nationalversammlung erscheint heut in 2 große
Gruppen getheilt, und das Angeben der Stimmen bei der Präsidentenwahl ist eigentlich nichts als ein Votiren für Preußen oder Oesterreich. Es gibt im Augenblicke scheinbar keine eigentliche Majorität,
doch wird sich die Sache sehr bald ändern, da die Opposition (126 Stimmen der linken Gruppen incl. Westendhall) mit den etwa 90 Stimmen betragenden Oesterreichern bei der Wahl Kirchgeßner's im
Einverständnisse handelt.
[(D. Ztg.)]
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Frankfurt, 18. Dez.
In einer Danksagung des kön. preuß. Obersten und Kommandeurs des 38. Infanterieregiments, von Brandenstein, an den Senat und die Bürgerschaft der Stadt Frankfurt heißt es: „Möge das
blutige Band, welches an jenem Tage (18. Sept.) deutsche Bürger und deutsche Krieger so enge verbunden, unauflösbar sein und die Anarchie aus Ihrer welthistorischen Stadt auf ewige Zeiten
verbannt bleiben!“ Der Wunsch des Hrn. Obersten mag aus einem ganz frommen Herzen gekommen sein; aber mir graut's doch vor dieser Blutsverwandtschaft!
[(Rh.- u.
M.-Z.)]
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] Lörrach, 15. Dezember.
Die Gemeinheit der Anhänger des Ministeriums Beck hat sich gestern wieder einmal in Weik recht schlagend dokumentirt. Ein politischer Flüchtling, Hauptmann Seiler, hatte sich bisher im
Innern des Landes verborgen gehalten und wollte jetzt verkleidet sich über die Gränze nach Frankreich begeben. Aber einige Bourgeois hatten ihn erkannt und denunzirten ihn. Er wurde ergriffen und von
den Truppen, nachdem sie ihn in ihrer Gewalt hatten, auf's Viehischste mißhandelt. Jene Bourgeois und diese Soldateska passen herrlich zu einander!
Französische Republik.
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17
] Paris, 18. Dezbr.
Der „Citoyen“ von Dijon ruft in einem merkwürdigen Artikel: „Die Orgie ist im schönsten Gange; die Mörder Michel Ney's, die Legitimisten, tauschen rührenden
Händedruck mit denen, die für sie nach dem Sturz des Kaisers nur Räuber der Loire waren, und allen schmutzige Begierden, alle läppische Firlefanzereien, alle Hofschranzereien spannen die Segel auf.
Die Republik konnte nicht diese Herrschaften befriedigen; dafür muß sie büßen! Da ist der Girardin, den Bonaparte zum Polizeiminister oder Postdirektor (o weh!) machen wird, ein biederer Mann, rastlos
und keck, ein guter Freund des Nordens, seit aus Petersburg so mancher Windstoß ihm schwere Rubel zugeführt hatte. Da hüpft der Genoude, der Mann des heiligen Henri V., er hat im Süden Bresche
geschossen. Da ist ist der Thiers, im alten Constitutionnel, der seine baumwollene Mütze in den Graben geworfen und Sturm läuft. Und oben steht Victor Hugo, des Kaisers Lautenschläger, steht Cremieux,
der abtrünnige republikanische Justizminister, steht Molé, der greise Verräther, Denjoy, der jesuitistische Advokat von Bordeaux, Falloux der Legitimist, Maleville, die edle Seele, (hat er nicht
Aussicht auf ein Portefeuille, da er es ist, der dem gefangenen Louis Bonaparte in Ham die schönsten Opernmädchen per Extrapost zuschickte?), kurz alle Notabilitäten der guten alten Ordnung. Es ist
ein teuflisches Schauspiel, die miserabeln Wichte, alle moralisch und meist auch finanziell längst bankerutt geworden, zu sehen, wie sie tänzeln und sich verbeugen bis zum gewichsten Fußboden oder bis
in den Straßenkoth, wie sie ängstlich emporhopsen nach der Futterleiter im Stall der Monarchie. Beim allmächtigen Gotte, dies entwürdigt unsre Nation vor allen andren. Aber Muth, Freunde! die
Demokratie w[i]rd nimmer deshalb untergehen. Wir schwören auf ihren Sieg mehr als je, wir wissen, daß die heilige Sache der unterdrückten Armen, der Hungrigen und Frierenden nicht fallen kann. Seht,
Prinz Louis ist der letzte Buchstabe im A-B-C der Volksfeinde, ist der letzte Fehlgriff der Revolution. Wohl hat das Volk, das souveräne, ihn erkoren, aber nicht zum Heil der Reichen und Junker; das
Volk, selbst das bonapartistische Landvolk, wird wie ein Eber wuthschnaubend sich gegen den Prinzen umwenden, sobald er die Administration in die Hände der Elenden der alten Zeit fallen läßt, in die
Hände der Beutelschneider von St. Berain und Gouhenans-Minenkompagnie, der Ritterschaft von der bourbonischen Lilie, kurz jener Eidbrecher, die seit Waterloo den Kaiser verriethen. Man sagt, der Prinz
führe den Kredit zurück, schaffe die Thoreinnehmer ab, erniedrige die Abgaben, und gebe dem Volke die eintausend Millionen wieder, die ihm zu einer gewissen Epoche entwandt wurden. Wenn er also ein
Washington wird, desto besser für unser Land. Aber wenn der Proletarier merkt, daß die Bettelsäcke immer noch so sauer zu schleppen sind, wie früher, wenn er fuhlt, daß Legitime und Philipisten sich
mit ihm nur ein höllisches Spiel erlaubten: — — dann, ja dann nehmt euch in Acht vor der Bombe — — und macht Platz der Justiz des enttäuschten Volks. Die
Revolution beginnt von der Stunde, wo Bonaparte proklamirt wird. Bisher war es ein Vorspiel des Revolutionsdramas. Vergißt er das Kaiserthum, denkt er nur an das Konsulat, gut, so geht sie in
Frieden vor sich. Wo nicht : so nicht (si non : non). General Cavaignac hielt in seiner Hand das Wohl und Wehe Frankreichs, Europas, der Welt; und er ließ sich albern genug seiner Rolle
entkleiden. Er konnte der Heiland des Proletariats sein, er zog es vor, der Heiland einiger Männer vom vollen Bauche zu werden; so möge denn sein Name der Vergessenheit anheimfallen, und ein zweiter
Marius setze er sich auf Karthago's Ruinen, um nachzugrübeln über die Vergänglichkeit alles Irdischen. Er stand hoch, er trug ein Riesenschwert, aber er drehte seine Spitze gegen das gute
Recht, darum stürzte er elendiglich sammt dem Schwerte. Der Armselige ließ die Demokratie von 1848 guillotiniren durch einen Triangel von seiner sublimen Erfindung, durch die sogenannte Concentration,
zu Gunsten der Bourgeoisie, und diese, die ihm Kränze flocht am Tage nach der Junischlacht, hat ihn heute hinterrücks erdolcht. O Cavaignac, Cavaignac! wie gränzenlos hast du dich blamirt! Die Truppen
hast du nicht demokratisirt, die Bourgeoisie nicht gedämpft, das Arbeitsvolk nicht den Krallen des Kapitals entzogen. Ein Thrasybul von Athen konntest durch Amnestie sein, und
mußt jetzt dein Haupt tief und immer tiefer bücken, du stolzer Sikamber (ironische Anspielung auf Chlodwig) nicht unter dem Eichen- und Lorbeerkranze, sondern unter dem schwülen Drucke des dich
schlagenden Gewissens; gehe, geh' in ein Kloster‥‥ laß dir Haar und Bart scheeren, geh'!“
Der „Constituant,“ ein sehr tüchtiges toulouser Blatt, bringt wieder eine Reihe sachkundiger Aufsätze über Deutschlands Demokratie: „Die 36 Szepter der 36 deutschen
Zwingmeister brechen, dieser Söldner des Czaren, heißt das Szepter des Czaren selbst zerschmettern. Sie haben, wie ein Berliner Volksredner sich etwas scharf aber richtig ausdrückte, als noch kein
Wrangel die dortige Zunge gelähmt hatte, die Sporenstiefel des Czaren geküßt, wie einst die Napoleon's. Bei Gott, diese Misere muß enden. Unsre französische Demokratie muß begreifen,
daß, nachdem sie achtzehn Jahre vergeblich Polen beseufzte, ihm nur dadurch zu helfen ist, daß sie sich innig an die deutsche Demokratie anschließt. Zwischen Vogesen und Karpathen fließen fünf breite,
tiefe Ströme und liegt der Kontinent, den Deutsche bewohnen. Deutschland ist das große Gehirn Europa's und Frankreich sein Herz und seine Lunge; befreit das Gehirn, und Blut und Athem werden
regelmäßiger gehen. Seit sechs Jahren ruft Deutschlands Demokratie: kein Heil ohne die Gallier, und sprachen diese Wahrheit in den zu Paris von Dr. Marx und Dr. Ruge erschienenen deutsch-französischen
Jahrbüchern aus. Was könnte wohl heute die französische Demokratie abhalten, der deutschen Schwester die Hand reichend, gegen die Erzfeinde im Osten zu ziehen und zu rufen: kein Heil ohne die
Germanen!
Frankreich hat jetzt die Republik; sie ist schlecht, erbärmlich schlecht, diese Bourgeoisrepublik, aber das allgemeine Stimmrecht ist da, und auf diesen Felsen wird es dereinst seine Kirche bauen;
um diesen Felsen steht die französische Demokratie geschaart und donnert den Thronprätendenten und deren Kammerknechten zu: „malheur à qui la touche.“ (Wehe dem der Hand daran legt).
Burlesk ist die ernsthafte Miene des Spießbürgerthums, welches schon Samstag in einem vertraulichen Konventikelchen von Börsenmännern die Frage aufwarf: ob Bonaparte nicht lieber sofort zum erblichen
Kaiser zu machen? Daß er um eine russische Prinzessin anhält, „scheint gewiß;“ die Rheingränze à la Thiers, Knebelung der Presse und Klubs, das versteht sich alles von selbst.“
Der pauvre diable wird in drei Monaten viel abgenutzter sein als Cavaignac.“
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@facs | 0939 |
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12
] Paris, den 18. Decb.
Wir haben uns nicht getäuscht: Die Wahl Napoleons, bekennt Dufaure laut, ist ein zweiter 24. Februar für die Bourgeoisie. Was war der 24. Februar? Die Niederlage der Bourgeoisie durch das
Pariser Proletariat, das keineswegs auf diesen Sieg vorbereitet war. Zu dem kannte es seine Führer noch nicht, und theilte außerdem noch die Illusionen der kleinen Bourgeosie über eine zu
ermittelnde Vereinbarung. Der Sieg entschlüpfte ihm unbewußt aus den Händen: darum kamen die Männer des geschlagenen Regimes sobald wieder aus ihren Verstecken zum Vorschein. Was ist der zweite 24.
Februar? Die Niederlage der Bourgeoisie durch das Proletariat der Provinz und die Bauern. So lange die Presse nur Ziffern gruppirte, laß man nichts aus dieser Zahlen-Musik als Napoleon. Jetzt kommt
der Text. Und wie lautet der Text? In fast allen Departements. wo die Arbeiter und Bauern für Napoleon stimmten, geschah diese Abstimmmung massenweise unter dem Rufe: Keine Steuern mehr auf das Volk!
Nieder mit den Reichen! Diese Nachricht, die jetzt erst fast gleichzeitig aus allen Provinzen eintrifft, da man vorab sich nur die Ziffern mit dem Telegraphen schicken ließ, wirft den Schrecken in
Paris und macht erblassen selbst die heißesten Anhänger Napoleon's.
Die Bourgeosie hat einen zweiten Schlag erhalten, von dem Proletariat in Masse, und an diesem Schlage scheitert alle Staatsklugheit. Was zu thun? Das Budget ist überladen, und die Finanznoth, die
früher gerade der Vorwand zur Vermeidung des Krieges war, zwingt jetzt die Franzosen, den Krieg als das einzige Rettungsmittel zu betrachten.
Zwei Bänke sind jetzt öde und leer, daß es wirklich Mitleidserregend ist, wenn man an den früheren Zudrang denkt: Cavaignac sitzt einsam und verlassen da, und Lamartine, der den Kelch menschlicher
Bitterkeit geleert, soll, wie es allgemein heißt, sich aus dem politischen Leben zurückziehen. Man versichert sogar, daß er diese Tage seine Entlassung als Deputirter geben werde. Will er vielleicht
eine Geschichte der Jakobiner schreiben?
Napoleon ist weiter nichts als der Neffe des Kaisers. Er ist weder General noch Advokat, weder Militär noch Civil; ja, er ist nicht einmal Nationalgardist; als neugewordener Franzose mag er wie
jeder andere Krämer als Gemeiner die gewöhnlichen Dienste zu thun seit einigen Manaten genöthigt sein; aber er hat keinen Grad als Oberst; und die Oberst-Uniform war die beliebte Uniform, in welcher
Louis Philipp sich in die Deputirten-Kammer begab, um die Thronrede abzuhalten. Napoleon also hat keinen goldbestickten Rock, noch einen Rock mit Epauletten. In welcher Gestalt also wird er sich in
die Kammer begeben, um als Präsident den Eid auf die Constitution zu leisten.
Vom Napoleonischen Hute kunn natürlich keine Rede mehr sein, seitdem er den Präsidentenhut gewonnen hat. Es bliebe demnach weiter nichts übrig, als der schwarze Frack und der Filzhut. Nun gut, da
man schon dafür gesorgt hat, daß für den künftigen Präsidenten wenn er seine Antrittsrede hält, ja nichts da sei, das auch nur im entferntesten an den Thron erinnern könnte, so mag dieses ein sehr
passendes Kostüm sein. Während also die republikanische Bourgeoisie das Bestehen der Republik immer nur noch an die Abwesenheit des Thrones knüpft, reihen die republikanischen Proletarier, welche den
verbrannten Thronsessel längst vergessen, ihr Fortbestehen, an die Vernichtung von ganz andern Dingen an.
Bei jeder Gelegenheit zeigen sie ihre Ueberlegenheit über die eingerostete Bourgeoisie. Ein Beispiel nur: durch die Aufhebung des Wahlcensus sind bekannter Weise die französischen Arbeiter zu den
Functionen des Jury zugelassen. Vorige Woche also saßen die Blousenmänner als Geschworne. Wie nun die Sitzung beginnen sollte, standen die Arbeiter auf und erklärten, daß sie keine 15 Tage sitzen
könnten, ohne Verdienst. Ihr Vorrath reiche höchstens auf einige Tage. Der Präsident bemerkte mit seiner amtswürdigen Miene, daß, da sie neue Rechte erlangt, sie auch neue Pflichten zu erfüllen
hätten. Das Wort „neu,“ das Zugeständniß von diesen so lange vorenthaltenen Rechten, wodurch der Präsident ihrer Eitelkeit zu schmeicheln hoffte empörte die stolzen Franzosen; und nun
noch gar bei der Unterscheidung von Recht und Pflicht, konnten sie sich eines ironischen Lächeln's nicht enthalten. „Ihr habt uns in die Unmöglichkeit versetzt diese Rechte auszuüben,
weil ihr sie uns so lange entzogen, und Pflichten haben wir keine, so lange wir nicht das Recht auf Arbeit haben; selbst das Zugeständniß dieses Rechtes könnte uns nicht mehr den Verlust ersetzen, den
wir durch die lange Entbehrung desselben gelitten. Doch gleich viel, weil wir das Recht einmal haben, als Geschworne zu sitzen, so wollen wir es behaupten und wir verlangen daher, daß unsere Namen in
die Rolle für die nächste Session eingetragen werden.“ Die nächste Session dachten sie, kann Vieles geändert und ihnen die Möglichkeit verschaft haben, 14 Tage ohne Arbeit zu existiren, ohne zu
darben. Der Präsident mußte ihrem Gesuche nachkommen. —
Das alte französische Blut hat gesprochen: es hat sich gegen die Stagnation ausgesprochen, durch eine Hindeutung auf die Vergangenheit und eine Protestation gegen die Gegenwart: Bruch mit dem
Frieden; Thätigkeit um jeden Preis, Thätigkeit nach Außen, der Bourgeoisie zum Trotze, welche befreundet ist mit der Bourgeoisie aller fremden Nationen.
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12
] Paris, 18. Dezember.
Als die Kandidatur Napoleons auftauchte, sagten wir, daß jede der verschiedenen Parteien ihm eine besondere Seite abgewinnen würde, daß Napoleon alles bedeute, nur nicht Napoleon, daß mit einem
Worte diese Kandidatur, die einseitigste Vielseitigkeit, die meisten Chancen vereinigte. Was wir vom Kandidaten sagten, gilt noch mehr vom Präsidenten: der einfältigste Mann hat die vielfältigste
Bedeutung erhalten; und diese Bedeutung geht erst recht hervor auf der einen Seite aus den Parteien, die jetzt Louis Napoleon definiren, indem sie ihre Wünsche und Anforderungen laut werden lassen,
auf der andern Seite aus Louis Napoleon, der die Parteien definirt, indem er sich mit Ministern umgiebt, welche ihre Sache vertreten sollen. Was die Wünsche und Anforderung der Parteien betrifft, so
ist dies vorläufig Nebensache; gehen wir vorerst auf Napoleon ein, und seine „zukünftigen Minister,“ welche der Ausdruck der Parteien sein sollen. Wer wird zuerst genannt? der
pathetische Odilon-Barrat, der „doch endlich einmal Ministerpräsident werden wird,“ wie spöttelnd „die Debats“ meinen:
Odilon-Barrot, der einmal schon in den Februartagen eine ganze Stunde lang Minister war, und auf hohem Rosse über die Boulevards dahin ritt, um diese frohe Botschaft dem Volke zu verkünden, damit
es ablasse von fernerem Kampfe. Aber das Volk lachte über den Barrot, wie er sich in vollem Ernste eine solche Wichtigkeit beilegen konnte; es lachte über den Mann des passiven Widerstandes, der dem
Volke weiter nichts als kleine Wahlreformen zu geben hatte. Der ausgelachte, verschollene Odilon-Barrot, der in seinen größten Glanztagen, in seinem heftigsten Pathos, immer eine widerwärtige
Erscheinung war, ist die einzige Notabilität im neuen Ministerium. Die andern, das ist so politischer Nachwuchs, ministerielles Unterfutter, wie unter Guizot die Trezel's und Jayr, die Niemand
vor ihrem Eintritt ins Ministerium kannte. Hat einer nur einigermaßen etwas von alten ministeriellem Stoffe in sich, wie z. B. Remusat, so thut er vornehm-spröde, ohne deshalb die Herablassenheit so
weit zu treiben, daß er mit Stiefeln und Sporen ins neue Ministerium eintreten wolle.
Napoleon ist ein armer Mann, der plötzlich reich geworden ist, und nun gerne Noblesse an seiner Tafel haben möchte. Aber die Noblesse selbst hütet sich, sie schickt Leute ihres Gelichters hin, um
so durch Stellvertreter ihm die ersehnte Ehre anzuthun: Alles zum Heil und Wohl des Vaterlandes.
Passy soll nach langem Weigern sich endlich entschlossen haben, das Finanzministerium anzunehmen. Madame Fould wäre beinahe Frau Ministerin geworden. Fallour hat das Ministerium des Unterrichts nur
auf die dringenden Vorstellungen Montalemberts angenommen. Mit einem Worte, es ist dies, wie die Debats bemerken, ein Ministerium der Dei minores.
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Paris, 18. Dez.
Die Kommission der Nationalversammlung, die sich mit Prüfung der Wahlprotokolle beschäftigt, hat die Prüfung von etwa 60 Departements erledigt. Hoffentlich wird sie morgen ihren Bericht abstatten
und der Präsident übermorgen proklamirt werden.
Die Kommission hat einige Tausende von Stimmzetteln, welche nur die Namen „Louis Napoleon“ oder „Louis Bonaparte“ trugen, und deshalb annullirt wurden, dennoch als
gültig erkannt.
Cavaignac hat außer dem Departement der Rhonemündungen fast nirgends die Majorität erhalten.
[0940]
— Die „Presse“ gibt folgendes Hauptresultat bis Mitternacht:
Es stimmten für Louis Napoleon Bonaparte 5,300,000. |
Es stimmten für Cavaignac 1,320,000. |
— Im Lager der Bonapartisten herrscht Zwietracht. Man kann sich über Bildung eines neuen Ministeriums nicht einigen. Die Einen sagen: Wir wollen keinen Thiers. Die Andern sagen: Wir wollen
Thters, aber nicht seine Strohmänner. Bis Postschluß verlautete, daß Bixio für den Handel auserkoren sei, da Fould ganz austritt und Passy die Finanzen behält.
— Die „Estaffette“ meldet: Bugeaud's Ernennung zum Oberbefehlshaber der Alpenarmee sei rein nominell, da diese Armee aufgelöst würde. (???)
— Oudinot, bisheriger Befehlshaber der Alpenarmee, erklärt in fast allen Morgenblättern, daß er weder den Gesandtschaftsposten in Petersburg, noch das Kriegsportefeuille annehme, sondern
sich in dem Falle ganz den Parlamentsgeschäften widmen würde, wenn man ihm das Oberkommando abnehme.
— Um die Person des neuen Präsidenten wird unendlich viel intruigirt. Die Wärmsten seiner zahlreichen „Freunde“ rathen ihm sogar, „den Eid auf die Verfassung nicht zu
leisten“ und sich sogleich zum Kaiser ausrufen zu lassen. Doch soweit geht man am Place St. Georges nicht. Der Prinz wird ruhig schwören.
— Das Schloß von St. Cloud wird dem neuen Präsidenten der Republik als Sommersitz angewiesen.
— In den elysäischen Feldern schlagen die Zimmerleute bereits die Gerüste zu der nächstjährigen großen Industrieausstellung auf.
— In den Buch- und Bilderläden weht der Wind schon wieder bedeutend kaiserlich. Cavaignac, Proudhon und die unsterblichen Präsidialbilder haben längs den Boulevards, in der Vivienstraße, im
Palais National und der Rue de Coq etc. den bekannten Kaiserbildern wieder Platz gemacht.
— Im Gymnase-Theater soll jetzt eine neue kommunistische Posse: „Nieder mit der Familie!“ oder die Banketsucht, Glück machen. Sauvage sagt in einer Kritik darüber im Moniteur:
Es gibt in Paris Thiere, welche die Nachahmungssucht in noch höherm Grade besitzen als der Affe, nämlich die Theater-Direktoren. Das Beispiel der Vaudeville-Theaters am Börsenplatz mit
Proudhon's „Eigenthum ist Diebstahl!“ wirkt ansteckend.
— Der von der Freiburger demokratischen Regierung in's Gefängniß geworfene Bischof Marilly ist, wie das Univers meldet, im Schlosse Divonne auf französischem Boden angekommen.
— Das sterbende Kabinet will seine Hand an die Klubs nicht legen. Die geschlossenen Klubs öffnen sich von Neuem. Vorgestern Abend schritt der gefürchtete Barbes'sche Klub de la
Revolution zur Bildung seines neuen Comité's, in welches Hervé, Thoré, Texier du Motteu, Dambel, Gouache etc. gewählt wurden. Das Präsidium dieses Klubs bleibt dem gefangenen Gründer
vorbehalten. Bürger Bernard, der „wandernde“ Klubbist, geht aus aus einem Klub in den andern, von einer Barriere zur andern, um das demokratische Feuer zu unterhalten.
— Nationalversammlung. Sitzung vom 18. December. Anfang 2 Uhr. Präsident Marrast. Die Bänke sind übervoll.
Rolland nimmt gleich nach dem Protokoll das Wort, um den Justizminister zur Rede zu stellen. Er erzählt, daß das Journal de Cambray einen Aufsatz gebracht, der die neue Verfassung der
Republik und die Nationalversammlung auf das Empörendste behandele. Dieser Aufsatz sei von der Gazette de France abgedruckt worden und enthalte unter Anderem die Phrase, daß der Nationalvertretung an
dem Tage von den Pariser Klubs Zwang angethan worden sei, wo sie (4. Mai) die Republik vom Peristyle ihres Lokals herab proklamirt habe etc. etc.
Marie, Justizminister, erwidert, daß auch er von dem Ton dieses Aufsatzes betroffen gewesen sei und daß er die gerichtliche Verfolgung der Gazette verordnet habe. An der Justiz sei es, das
Ihrige zu thun.
Gent, aus Avignon, besteigt dann — wegen seiner Duellwunde den Arm noch in der Binde tragend — die Bühne, um den Minister des Innern wegen der Polizeimaaßregeln zur Rede zu
stellen, die er gegen die Reunions Elektorales ergriffen, indem er ihnen einen Polizeikommissarius beigestellt, der alle Vorträge überwache. Dies sei gegen die Verfassung; die Bürger hätten das freie
Vereinsrecht, das sie vor allen Dingen zu Besprechungen über Deputirtenwahlen benutzen müssen, die in Folge der Erhebung Bonapartes zum Präsidenten nächstens wieder eintreten. Der Minister habe sich
erlaubt, selbst das Centralwahlkomite zu schließen. Er frage hiermit, ob der Minister laut Artikel 16 oder 19 des berüchtigten Klubgesetzes hiefür ein Recht habe. (Ja, Ja! Nein, Nein!)
Dufaure, Minister des Innern, hält eine lange Gegenrede zur Unterstützung seiner Maaßregel. Der Ausdruck Reunion Elektorale sei nur ein Aushängeschild zur Bemäntelung der Propaganda. Diese
Wahlversammlungen seien nichts weiter, als die alten Klubs, in denen die Anarchie gepredigt werde. (Widerspruch vom Berge) So lange die Präsidentenwahl vorlag, habe die Regierung nicht einschreiten
wollen, um volle Wahl und Diskussionsfreiheit zu sichern. Jetzt aber glaube sie nur im Interesse der Beschlüsse der Nationalversammlung zu handeln, wenn sie einen Polizeibeamten beiordne. Der
betreffende Fall gegen das Central-Comite wird dann vom Minister gerechtfertigt. (Beifall zur Rechten und auf der Ebene.)
Joly: Der Minister verwirrt die Frage. Es handele sich darum zu wissen: war jenes Wahlkomite eine öffentliche oder partikulare Versammlung? Ich sage, es war letzteres, der Minister handelte
also willkürlich und beging ein Attentat gegen die Volkssouveränetät. (Oh, oh! Allons donc! Zum Schluß! zum Schluß!)
Die Versammlung kehrt zur Tagesordnung, zur Beholzungsfrage „im Interesse des Proletariats“ zurück.
Die Versammlung beschließt nach verworrener Debatte, den ganzen Plan dem Finanzausschusse zuzuweisen.
Lagrange (vom Berge), beschwört wiederholt die Kammer, die Amnestiefrage doch spätestens morgen auf die Tagesordnung zu setzen.
Wird abermals mit 367 gegen 189 Stimmen verworfen.
20 Departements haben ihre Protokolle noch nicht eingesandt. Die Sitzung wird um 5 3/4 Uhr geschlossen.
@type | jAnnouncements |
@facs | 0940 |
Civilstand der Stadt Köln.
Den 14. u. 15. Dez. 1848.
Sterbefälle.
Anna Gert. Wolff, Wittwe Schallenberg, 63 J. alt, Rothgerberb. — Adele v Myrbach-Kempen, geb. v. Relbeld, 43 J. alt, Mauritiussteinw. — Joh. Bern. Esser, Doctor der Philosophie und
Proto-Vicar des Domstifts, 77 J. alt, Laurenzpl. — Agnes Jülich, 3 J. 2 M. alt, Himmelreich. — Christian Graf, 18 T. alt, Entenpf. — Ein unehel. Mädchen.
Jos. Sturm, ohne Gew., früher Bäcker 72 J. alt, Wittwer, Waidm. — Hub. Arn. Herbrand, ohne Gew., 68 J. alt, verheir. Hochstr. — Maria Anna Franzen, 80 J. alt, unverh. Cäciliensp.
— Anna Agnes Theod. Vendel, 5 J. 1 M. alt, Cäcilienstr. — Maria Cathar. Nettesheim, 1 J. 2 M. alt, Entenpf.
Heiraths-Ankündigungen.
(17.) Conrad Heinr. Holstein, Kfm., Hochstr., und Juliane Cathar. Daniels Wittwe Hembsch, Perlengr. — Theod. Friedr. Wilh. Schmitz, Schreinerm., kl. Telegraphenstraße., und Maria Thenee,
Wittwe Gräfer, Schnurg. — Anton Nonnen, Bäckerm., Ursulapl., und Maria Cathar. Jos. Reetz, Eigelst. — Joh. Kirschbaum, Bierbr., Eigelst., und Christ. Bosgard, unter Kranenb. —
Gottfr. Paeffgen, Tagl., Weichserhof, und Anna Gilles, Weichserhof, früher zu Hasenfeld. — Ferd. Herm. Laue, Sergeant, seit kurzem zu Braunsfels, früher Blankenheimerhof-Kaserne, und Eva
Firnich, Mauritiussteinw. — Joh. Aloys Knour, Schneiderm., Antonitern, und Anna Clara Weber, Perlenpf. — Heinr. Bredestyn, Steinh., Severinstr., u. Cathar. Schmitz, Josephstr. —
Heinr. Koch, Stuckaturer, Engg, und Elisab. Neuhausen, Engg., früher zu Geilenkirchen. — Lamb. Brand, Schneider, zu Brühl u. Anna Rosa Margar. Schmidt, Kattenbug. — Peter Rumpen,
Musiklehrer, Probsteig., und Maria Clara Jos. Longerich, Klingelp. — Joh Dahlen, ohne Gew., Wittwer, am Hof, und Elisab. Hartmann, vor den sieben Burgen. — Anton Hambach, Tischlerges.,
Catharinengr., und Helena Meyer, Schnurg. — Jacob Klüster, Schusterm., Entenpfuhl, und Anna Maria Kürten, Kammacherg. — Christ. Millard, Schreiner, und Elisab. Schleuer, beide
Klapperg.
Den 16. Dezember 1848.
Geburten.
Mich., S. v. Joh. Adolph Baurmann, Schuhmacher, Glockenring. — Maria Hubert Adelh. Elisab., T. v. Bal. Reinartz, Dachdeckerm., Waisenhausg. — Louise, T. v. Heinr. Jos. Scheffen,
Eisenbahnarb., Eigelstein. — Elis., T. v. Joh. Jüssen, Tagl, gr. Witschg. — Friedr. Wilh. Hub., S. v. Franz Wilh. Fischer, Zuckersiiderm., Follerstr. — Joh. Heinr., S. v. Theod.
Wallraf Zuckerarb., Machabäerstr. — Christ., S. v. Mich. Büttgen, Zimmerges., Achterstraße. — Joh. Pet., S. v. Joh. Jos. Krusius; Goldarb., Malzmühle. — Ein unehel. Knabe.
Sterbefälle.
Sophia Demling, 5 W. alt, Hochstr. — Herm. Jos. Witmius, 8 W. alt, Perlengr. — Louis Emanuel, 1 J. 4 M. alt, Biberstr., — Heinr. Büren, Ulanen-Unteroffizier, 39 J. alt,
unverh., Garn.-Lazar. — Cathar. Brandenberg, 3 W. alt, Thieboldsg. — Gertr. Fischer, 11 J. alt, Löhrg. — Agnes Thelen, 6 T. alt, Tempelst.
Heirathen.
Bern. Hub. Buckes, Miethkutscher, und Gertr. Brig. Bilck, beide v. hier. — Wilh. Brewer, Lohndiener, Wittwer, und Anna Maria Ode, beide v. hier. — Ant. Ferd. Aug. Büssien,
Unteroffizier, v. Ehrenbreitstein, und Agnes Just. Piscator, v. Bonn.
Schifffahrts-Anzeige.
Köln, 20. Dezember 1848.
Abgefahren: G. Weidner nach Koblenz. P. Kohlbecher nach der Saar.
In Ladung: Nach Ruhrort bis Emmerich Wwe Wb. Jac. Schaaff. Nach Düsseldorf bis Mülheim an der Ruhr A. Meyer. Nach Andernach und Neuwied Pet. Gies u. M. Pera. Nach Koblenz, der Mosel und G.
Weidner. Nach der Mosel, nach Trier und der Saar. Nach Bingen H. Harling. Nach Mainz Val. Pfaff. Nach dem Niedermain. Nach Worms und Mannheim A. Rauth. Nach Heilbronn H. Staab.
Nach Rotterdam Kapt. Breynks Köln Nr. 21.
Nach Amsterdam Kapt. Berns Köln Nr. 4.
Rheinhöhe am 20. Dez. 6′ 11″.
Lizitation.
In der gerichtlichen Theilungssache der Wittwe und Kinder von Heinrich Burbach, wird das Haus Weißbüttengasse Nr. 15 hiesiger Stadt sammt Hofraum, Garten und Hintergebäude Donnerstag den 28.
d., Nachmittags 3 Uhr, vor dem unterzeichneten, hierzu kommittirten Notar und auf dessen Schreibstube, woselbst Expertise und Heft der Bedingungen einzusehen sind, einer öffentlichen Versteigerung
ausgesetzt und dem Meistbietenden definitiv zugeschlagen werden.
Köln, den 16. Dezember 1848. Fier.
Auszug.
Durch Urtheil des Königlichen Landgerichts zu Köln vom neunzehnten Dezember dieses Jahres, ist zwischen der zu Köln wohnenden Maria Magdalena Radermacher, Ehefrau des zu Köln wohnenden frühern
Möbelhändlers nunmehr gewerblosen Johann Heinrich Bungartz Klägerin, vertreten durch den unterzeichneten, zu Köln wohnenden, Advokat-Anwalt Commer, gegen ihren genannten Ehemann Johann Heinrich
Bungartz, Verklagter, vertreten durch den zu Köln wohnenden Advokat-Anwalt Böcker, die Trennung der Güter ausgesprochen worden.
Köln, den 20. Dezember 1848.
Für die Richtigkeit des Auszuges: Commer, Advokat-Anwalt.
Gemälde-Versteigerung à tout prix.
Heute Donnerstag den 21. Dezember und die folgenden Tage, Morgens 10 Uhr, Versteigerung einer bedeutenden Anzahl Gemälde, worunter mehrere von großen Meistern. — Dieselben
werden ohne weiters dem Höchst- und Letztbietenden zugeschlagen. Die Versteigerung findet in der Wohnung des Antiquars J. G. Späner, Domhof Nr 13 Statt.
Holz-Verkauf.
Am Freitag den 29. d. M., Morgens 9 Uhr, sollen bei dem Wirthen Overlöper zu Eppinghoven aus den Waldungen des Rittersitzes Wohnung:
- 1) 80 Nrn. Eichenbäume von
besonderer Schwere und Länge,
- 2) 43 Nrn. Schlagholz mit Eichenbäumen und Eichen-Heistern vermischt,
- 3) 39 Nrn. Schlagholz,
öffentlich auf Kredit gegen Bürgschaft verkauft
werden. Der Privatförster Boll weist den Kauflustigen das Holz auf Verlangen näher an.
Haus Wohnung bei Dinslaken, 14. Dez. 1848.
Van Koolwyk, Rentmeister.
Ein Ackerland-Versteigerungs-Protokoll aus hiesiger Gegend von 2500 Thaler wird zu übertragen gesucht. Die Exp. sagt wer.
Berichtigung.
In den Heiraths-Ankündigungen der Köln. Zeitung befindet sich mein Gewerbe unrichtig angegeben, es muß anstatt Bierbrauer Barbier heißen.
Köln, den 20. Dezember 1848.
J. Kirschbaum.
VAN EETEN & Cmp. in Antwerpen.
Nachfolger des Herrn JULES VAN EETEN.
Bureau zur Beförderung Auswanderer nach Amerika.
Regelmässige Schifffahrt zwischen Antwerpen und New-York für Passagiere und Güter, durch schöne Kupferbodene u. kupferfeste gut seegelnde Dreimast-Schiffe, deren Namen zur Zeit werden angezeigt
werden.
Die Abfahrten von Antwerpen sind auf den 1., 10. und 20. jeden Monats bestimmt, und nehmen vom 1. März 1849 Anfang.
Diese Gesellschaft übernimmt den Transport der Auswanderer nach Amerika mit oder ohne Beköstigung für jede oben erwähnte Abfahrt während 1849, und liefert auch Contrakte für alle Plätze ins innere
der Vereinigten Staaten per Eisenbahn und Dampfschiffe, und expedirt ebenfalls Schiffe naeh Baltimore, New-Orleans, Galveston, Rio-Grande, Rio-Janeiro etc.
Nähere Nachricht ertheilen auf frankirte Anfragen die Herren VAN EETEN et Comp. in Antwerpen, und alle Agenten dieser Gesellschaft in Deutschland.
Antwerpen, den 18. December 1848.
VAN EETEN et Comp
NB. Man wünscht noch einige respektable Agenten, welche im Stande sind eine genügende Caution zu stellen.
Im neuen Laden, Obenmarspforten, gegenüber dem Jülichsplatz, werden verkauft:
Feinstes Tuch und Buckskin neueste Dessins, die ganze Hose 2 bis 4 1/2 Thlr. Westenstoffe, neueste Muster von 8 Sgr. bis 1 3/4 Thlr. Winterpaletots in Düffel zu 3 Thlr.
20 Sgr. bis 5 1/2 Thlr. Bournousse in feinem Tuch von 8 bis 14 Thlr. Unterhosen und Unterjacken von 15 Sgr. bis 1 1/2 Thlr. Cravatten in Atlas und Lasting, Herren-Shwals in
Atlas, Seide und Wolle, Schlipse in allen Sorten, viereckige, schwerseidene Tücher zu äußerst billigen Preisen.
Regenschirme in schwerer Seide von 2 Thlr. 10 Sgr. bis 3 Thlr. 15 Sgr. Zeugschirme, 22 Sgr. bis 1 Thlr. 15 Sgr.
Gebrauchte Schirmgestelle werden in Zahlung genommen
Alle Sorten Handschuhe von 2 Sgr. bis 15 Sgr.
Die Waaren werden wirklich so billig verkauft, wie die Preise angegeben sind, Joseph Sacks aus Frankfurt a. M., im Hause des Herrn Johann Maria Farina, gegenüber dem
Jülichsplatz.
Kartoffel-Pfannenkuchen auf ächt westpfälische Art, so wie Gans mit Kastanien, Haasenbraten und Ragout, Schellfische u. s. w., heute Samstag Abend bei Friedrich Knipper, im Pfälzerhof,
Appellhof Nro. 17.
Täglich frische trockene Hefe bei Weiler unter Gottesanaden Nr. 9.
Gasthof-Empfehlung.
Hiermit die ergebene Anzeige, daß ich meine Restauration derartig eingerichtet habe, daß, anstatt der bisher bestandenen table d'h[unleserlicher Text]te, resp. Abonnenten-Tisches, wie in andern großen Städten
täglich von 12 bis 2 Uhr Mittagsessen a la carte, zu billigem Preise verabreicht wird. Gleichzeitig empfehle ich meine Gastwirthschaft, gute und billige Weine, so wie meine Abends-Restauration
auf's beste.
Köln, den 15. Dezember 1848.
Friedrich Knipper, im Pfälzerhof, Appellhofplatz Nro. 17.
Annonce.
Zwei junge Männer, beide von sanftem Charakter, dem gebildeten Stande angehörig, welche in dem festen Glauben, daß Deutschland einer sehr unglücklichen Zeit entgegengehe, in Amerika sich in
Gesellschaft mehrer deutschen Familien niederzulassen wünschen, suchen jeder eine Lebensgefährtin, welche sich entschließen kann. Wohl und Wehe mit ihnen zu theilen; am liebsten Töchter vom Lande mit
einigem Baarvermögen. Freie Briefe nimmt die Expedition dieser Zeitung an. Verschwiegenheit ist selbstredend.
Börse bei Halin.
Heute Mittag und Abend große Harmonie.
H. Halswick,Bude Nro. 9 auf dem Altenmarkt.
Empfiehlt sich mit seinen Artikeln zu Weihnachtsgeschenken. Unter diesen befinden sich Pfeifenköpfe und Schnupftabaksdosen mit dem wohlgelungenen Portrait Robert Blum's.
Konzessionirtes Vaudeville-Theater.
Heute Donnerstag den 21. Dezember 1848:
Zweite Gastdarstellung des Hrn. Scheele.
Nr. 777.
Posse in 1 Akt von Lebrun.
Hierauf: Die Mäntel oder der Schneider aus Lissabon.
Lustspiel in 2 Akten von Blum.
- *** im 1. Stück der Pfeffer
- *** im 2. Stück der Balthasar
Hr. Scheele als Gast.
Entree 10 Sgr. à Person, wofür Getränke verabreicht werden.
Kassa-Eröffnung 6 Uhr.
Anfang 7 Uhr.
Franz Stollwerck.