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] Berlin, 6. Dec.
Der „Pr. St.-A.“ enthält heute folgende contrerevolutionäre Schriftstücke:
1) Intermi. Wahlgesetz für die erste Kammer.
Wir Friedrich Wilhelm, von Gottes Gnaden, König von Preußen etc. etc. verordnen in Betreff der ersten Wahlen für die erste Kammer auf den Antrag unseres Staats-Ministeriums, was folgt:
Art. 1. Die erste Kammer besteht aus 180 Mitgliedern, die Wahlbezirke werden nach Maßgabe der Bevölkerung festgestellt.
Es können weder wählen noch gewählt werden diejenigen, welche in Folge rechtskräftigen richterlichen Erkenntnisses den Vollgenuß der bürgerlichen Rechte entbehren.
Art. 2. Für die erste Kammer ist jeder Preuße, welcher das dreißigste Lebensjahr vollendet hat und einen jährlichen Klassensteuersatz von mindestens 8 Thalern zahlt, oder einen Grundbesitz im
Werthe von mindestens 5000 Thalern, oder ein reines jährliches Einkommen von 500 Thalern nachweist, stimmberechtigter Urwähler in derjenigen Gemeinde, worin er seit sechs Monaten seinen Wohnsitz oder
Aufenthalt hat.
Die Aufstellung der Wählerlisten liegt dem Landrathe unter Mitwirkung der Kommunalbehörden ob, in den Städten, die einem Kreisverbande nicht angehören, dem Kommunal-Vorstande. Die Entscheidung über
die dagegen erhobenen Reclamationen erfolgt für die klassensteuerpflichtigen Ortschaften durch die nach der Verordnung vom 17. Januar 1830 (Gesetzsammlung Seite 19) zur Mitwirkung bei der
Klassensteuer-Veranlagung bestimmte Kommission, für die nicht klassensteuerpflichtigen Orte durch eine von den Gemeinde-Behörden zu bildende Kommission.
Art. 3. Je 100 Urwähler wählen einen Wahlmann.
In jeder Gemeinde, welche 200 oder mehr Urwähler hat, erfolgt die Wahl nach Abtheilungen. Die Abtheilungen werden von den Gemeindebehörden in der Art begränzt, daß in einer Abtheilung nicht mehr
als 5 Wahlmänner zu wählen sind.
Hat eine Gemeinde oder eine nicht zu einem Gemeindeverbande gehörende bewohnte Besitzung weniger als 100 Urwähler, so wird dieselbe durch den Landrath mit einer oder mehreren benachbarten Gemeinden
zu einem Wahldistrikte verbunden.
Art. 4. Die Wahlmänner werden aus der Zahl der stimmberechtigten Urwähler der Gemeinde (des Distrikts, der Abtheilung) gewählt. Die etwa nöthig werdenden Ersatzwahlen werden von den ursprünglich
gewählten Wahlmännern vollzogen; jedoch ist an die Stelle jedes Wahlmannes, welcher durch den Tod, durch Wohnorts-Veränderung oder auf andere Weise ausscheidet, sofort ein neuer Wahlmann zu
wählen.
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Art. 5. Die Mitglieder der ersten Kammer werden durch die Wahlmänner nach absoluter Stimmenmehrheit erwählt. Die Wahlbezirke sollen so gebildet werden, daß in jedem derselben 2 oder 3 Mitglieder
der ersten Kammer zu wählen sind.
Sollten sich in einem Wahlbezirke weniger als 1000 Urwähler befinden, so haben letztere die 2 oder 3 Mitglieder der ersten Kammer in 2, beziehungsweise 3 Abtheilungen, deren keine mehr als 500
Urwähler umfassen darf, direkt und ohne Vermittelung von Wahlmännern zu wählen
Art. 6. Die Zahl der in jedem Regierungsbezirke zu wählenden Mitglieder der ersten Kammer weist das anliegende Verzeichniß nach. Die Bildung der Wahlbezirke ist durch die Regierungen zu
bewirken.
Art. 7. Die Zahl der Bevölkerung bestimmt sich überall nach der im Jahre 1846 stattgehabten amtlichen Zählung.
Art. 8. Zum Mitgliede der ersten Kammer ist jeder Preuße wählbar, der das 40ste Lebensjahr vollendet und bereits 5 Jahre lang dem preußischen Staatsverbande angehört.
Art. 9. In den Städten werden die Urwahlen der Wahlmänner durch Beauftragte des Magistrats und da, wo kein Magistrats-Kollegium besteht, des Bürgermeisters geleitet.
Ueber die Leitung der Urwahlen auf dem Lande wird mit Rücksicht auf die bestehende Verschiedenartigkeit der ländlichen Gemeinde-Einrichtungen Unser Staats-Ministerium das Erforderliche in dem über
die Ausführung dieser Verordnung zu erlassenden Reglement (Art. 11) feststellen.
Die Wahlen der Mitglieder der ersten Kammer werden durch von den Regierungen zu bestimmende Wahlkommissare geleitet.
Art. 10. Die Wahl der Mitglieder der ersten Kammer erfolgt durch selbstgeschriebene Stimmzettel nach absoluter Stimmenmehrheit aller Erschienenen.
Art. 11. Die zur Ausführung dieser Gesetzes sonst noch erforderlichen Anordnungen hat Unser Staats-Ministerium in einem zu erlassenden Reglement zu treffen.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Königlichen Insiegel.
Gegeben Patsdam, den 6. Dezember 1848.
(L S.) Friedrich Wilhelm. Graf von Brandenburg. von Ladenberg. von Manteufel. von Strotha. Rintelen. von der Heydt.
Verzeichniß der in den einzelnen Regierungs-Bezirken zu
wählenden Anzahl von Abgeordneten zur ersten Kammer.
Regierungs-Bezirk. Anzahl der Abgeordneten zur 1. Kam. |
Königsberg 9 |
Gumbinnen 7 |
Danzig 5 |
Marienwerder 7 |
Posen 10 |
Bromberg 5 |
Stadt Berlin 5 |
Potsdam 9 |
Frankfurt 9 |
Stettin 6 |
Köslin 5 |
Stralsund 2 |
Breslau 13 |
Oppeln 11 |
Liegnitz 10 |
Magdeburg 8 |
Merseburg 8 |
Erfurt 4 |
Münster 5 |
Minden 5 |
Arnsberg 6 |
Köln 5 |
Düsseldorf 10 |
Koblenz 6 |
Trier 5 |
Aachen 5 |
180 |
2) Wahlgesetz für die 2te Kammer.
Wir Friedrich Wilhelm, von Gottes Gnaden, König von Preußen etc. verordnen in Betreff der Wahlen für die zweite Kammer auf den Antrag Unseres Staats-Ministeriums, was folgt:
Art. 1. Die zweite Kammer besteht aus 350 Mitgliedern. Die Wahlbezirke werden nach Maßgabe der Bevölkerung festgestellt.
Es können weder wählen noch gewählt werden diejenigen, welche in Folge rechtskräftigen richterlichen Erkenntnisses den Vollgenuß der bürgerlichen Rechte entbehren.
Art. 2. Für die zweite Kammer ist jeder selbstständige Preuße in derjenigen Gemeinde, worin er seit 6 Monaten seinen Wohnsitz oder Aufenthalt hat, stimmberechtigter Urwähler, insofern er nicht aus
öffentlichen Mitteln Armen-Unterstützung erhält.
Art. 3. Die Urwähler einer jeden Gemeinde wählen auf jene Vollzahl von 250 Seelen ihrer Bevölkerung einen Wahlmann.
Erreicht die Bevölkerung einer Gemeinde nicht die Zahl von 250 Seelen, so wird die Gemeinde durch den Landrath mit einer oder mehreren zunächst angränzenden Gemeinden zu einem Wahl-Distrikte
vereinigt.
In jeder Gemeinde von mehr als tausend Seelen erfolgt die Wahl nach Abtheilungen, welche die Gemeinde-Behörden in der Art zu begränzen haben, daß in einer Abtheilung nicht mehr als zehn Wahlmänner
zu wählen sind.
Bewohnte Besitzungen, welche nicht zu einem Gemeinde-Verbande gehören und nicht wenigstens 250 Seelen enthalten, werden durch den Landrath behufs der Urwahlen der zunächst gelegenen Gemeinde
zugewiesen.
Art. 4. Die Wahlmänner werden aus der Zahl der stimmberechtigten Urwähler der Gemeinde (des Distrikts, der Abtheilung) gewählt. Die etwa nothwendig werdenden Ersatzwahlen werden von den
ursprünglich gewählten Wahlmännern vollzogen; jedoch ist an die Stelle jedes Wahlmannes, welcher durch den Tod, durch Wohnortsveränderung oder auf andere Weise ausscheidet, ein neuer Wahlmann zu
wählen.
Art. 5. Die Mitglieder der zweiten Kammer werden durch die Wahlmänner (Art. 3) erwählt. Die Wahlbezirke sollen so gebildet werden, daß in jedem derselben mindestens zwei Mitglieder zu wählen
sind.
Art. 6. Die Zahl der in jedem Regierungsbezirke zu wählenden Mitglieder der zweiten Kammer weist das anliegende Verzeichniß nach. Die Bildung der Wahlbezirke ist durch die Regierung zu
bewirken.
Art. 7. Die Zahl der Bevölkerung bestimmt sich überall nach der im Jahre 1846 stattgehabten amtlichen Zählung.
Art. 8. Zum Mitgliede der zweiten Kammer ist jeder Preuße wählbar, der das dreißigste Lebensjahr vollendet hat und bereits ein Jahr lang dem preußischen Staatsverbande angehört.
Art. 9. Die Urwahlen werden in den Städten durch Beauftragte des Magistrats und da, wo kein Magistratskollegium besteht, des Bürgermeisters geleitet.
Ueber die Leitung der Urwahlen auf dem Lande wird mit Rücksicht auf die bestehende Verschiedenartigkeit der ländlichen Gemeinde-Einrichtungen Unser Staatsministerium das Erforderliche in dem über
die Ausführung dieser Verordnung zu erlassenden Reglement (Art. 11) feststellen.
Die Wahlen der Mitglieder der zweiten Kammer werden durch von den Regierungen zu bestimmende Wahlkommissare geleitet.
Art. 10. Die Wahl der Mitglieder der zweiten Kammer erfolgt durch selbstgeschriebene Stimmzettel nach absoluter Stimmenmehrheit aller erschienenen Wahlmänner, und zwar in einem der Hauptorte des
Wahlbezirks.
Art. 11. Die zur Ausführung dieses Gesetzes sonst noch erforderlichen Anordnungen hat Unser Staatsministerium in einem zu erlassenden Reglement zu treffen.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem königl. Insiegel.
(L. S.) Friedrich Wilhelm. Graf v. Brandenburg. v. Ladenberg. v. Manteuffel. v. Strotha. Rintelen. von der Heydt.
Verzeichniß der in den einzelnen Regierungsbezirken zu wählenden
Anzahl von Abgeordneten zur zweiten Kammer.
Regierungsbezirk. Anzahl der Abgeordneten zur 2. Kammer. |
Königsberg 18 |
Gumbinnen 14 |
Danzig 9 |
Marienwerder 13 |
Posen 20 |
Bromberg 10 |
Stadt Berlin 9 |
Potsdam 18 |
Frankfurt 18 |
Stettin 12 |
Köslin 9 |
Stralsund 4 |
Breslau 25 |
Oppeln 21 |
Liegnitz 20 |
Magdeburg 15 |
Merseburg 16 |
Erfurt 7 |
Münster 9 |
Minden 10 |
Arnsberg 12 |
Köln 11 |
Düsseldorf 19 |
Koblenz 11 |
Trier 11 |
Aachen 9 |
350 |