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Art. 61. Dem Könige, so wie jeder Kammer, steht das Recht zu, Gesetze vorzuschlagen.
Vorschläge, welche durch eine der Kammern oder durch den König verworfen worden sind, können in derselben Session nicht wieder vorgebracht werden.
Art. 62. Die erste Kammer besteht aus 180 Mitgliedern.
Art. 63. Die Mitglieder der ersten Kammer werden durch die Provinzial-, Bezirks- und Kreisvertreter erwählt. (Art. 104.) Die Provinzial-, Bezirks- und Kreisvertreter bilden, nach näherer Bestimmung
des Wahlgesetzes, die Wahlkörper und wählen die nach der Bevölkerung auf die Wahl-Bezirke fallende Zahl der Abgeordneten. *)
*) Anmerkung. Bei der Revision der Verfassungs-Urkunde bleibt zu erwägen, ob ein Theil der Mitglieder der ersten Kammer vom Könige zu ernennen und ob den Ober-Bürgermeistern der großen
Städte, so wie den Vertretern der Universitäten und Akademien der Künste und Wissenschaften der Sitz in der Kammer einzuräumen sein möchte.
Art. 64. Die Legislatur-Periode der ersten Kammer wird auf sechs Jahre festgesetzt.
Art. 65. Wählbar zum Mitgliede der ersten Kammer ist jeder Preuße, der das 40ste Lebensjahr vollendet, den Vollbesitz der bürgerlichen Rechte in Folge rechtskräftigen richterlichen Erkenntnisses
nicht verloren und bereits fünf Jahre lang dem preußischen Staatsverbande angehört hat.
Art. 66. Die zweite Kammer besteht aus 350 Mitgliedern. Die Wahlbezirke werden nach Maßgabe der Bevölkerung festgestellt.
Art. 67. Jeder selbstständige Preuße, welcher das 24ste Lebensjahr vollendet, nicht den Vollbesitz der bürgerlichen Rechte in Folge rechtskräftigen richterlichen Erkenntnisses verloren hat, ist in
der Gemeinde, worin er seit sechs Monaten seinen Wohnsitz oder Aufenthalt hat, stimmberechtigter Urwähler, insofern er nicht aus öffentlichen Mitteln Armen-Unterstützung erhält *).
*) Anmerkung. Bei der Revision der Verfassungs-Urkunde bleibt es zu erwägen, ob nicht ein anderer Wahlmodus, namentlich der der Eintheilung nach bestimmten Klassen für Stadt und Land, wobei
sämmtliche bisherige Urwähler mitwählen, vorzuziehen sein möchte.
Art. 68 Die Urwähler einer jeden Gemeinde wählen auf jede Vollzahl von 250 Seelen ihrer Bevölkerung einen Wahlmann.
Art. 69. Die Abgeordneten werden durch die Wahlmänner erwählt. Die Wahlbezirke sollen so organisirt werden, daß mindestens zwei Abgeordnete von einem Wahlkörper gewählt werden.
Art. 70. Die Legislatur-Periode der zweiten Kammer wird auf drei Jahre festgesetzt.
Art. 71. Zum Abgeordneten der zweiten Kammer ist jeder Preuße wählbar, der das dreißigte Lebensjahr vollendet, den Vollbesitz der bürgerlichen Rechte in Folge rechtskräftigen richterlichen
Erkenntnisses nicht verloren und bereits ein Jahr lang dem preußischen Staatsverbande angehört hat.
Art. 72. Die Kammern werden nach Ablauf ihrer Legislatur-Periode neu gewählt. Ein Gleiches geschieht im Falle der Auflosung. In beiden Fällen sind die bisherigen Mitglieder wieder wählbar.
Art. 73. Das Nähere über die Ausführung der Wahlen zu beiden Kammern bestimmt das Wahlausführungsgesetz.
Art. 74. Stellvertreter für die Mitglieder der beiden Kammern werden nicht gewählt.
Art. 75. Die Kammern werden durch den König regelmäßig im Monat November jeden Jahres und außerdem, so oft es die Umstände erheischen, einberufen.
Art. 76. Die Eröffnung und die Schließung der Kammern geschieht durch den König in Person oder durch einen dazu von ihm beauftragten Minister in einer Sitzung der vereinigten Kammern.
Beide Kammern werden gleichzeitig berufen, eröffnet, vertagt und geschlossen.
Wird eine Kammer aufgelöst, so wird die andere gleichzeitig vertagt.
Art. 77. Jede Kammer prüft die Legitimation ihrer Mitglieder und entscheidet darüber. Sie regelt ihren Geschäftsgang durch eine Geschäfts-Ordnung und erwählt ihren Präsidenten, ihre
Vice-Präsidenten und Schriftführer.
Beamte bedürfen keines Urlaubs zum Eintritt in die Kammer.
Durch die Annahme eines besoldeten Staats-Amtes oder einer Beförderung im Staatsdienste verliert jedes Mitglied einer Kammer Sitz und Stimme in derselben und kann seine Stelle nur durch eine neue
Wahl wieder erlangen.
Niemand kann Mitglied beider Kammern sein.
Art. 78. Die Sitzungen beider Kammern sind öffentlich. Jede Kammer tritt auf den Antrag ihres Präsidenten oder von 10 Mitgliedern zu einer geheimen Sitzung zusammen, in welcher dann zunächst über
diesen Antrag zu beschließen ist.
Art. 79. Keine der beiden Kammern kann einen Beschluß fassen, wenn nicht die Mehrheit ihrer Mitglieder anwesend ist.
Jede Kammer faßt ihre Beschlüsse nach absoluter Stimmenmehrheit, vorbehaltlich der durch die Geschäftsordnung für Wahlen etwa zu bestimmenden Ausnahmen.
Art. 80. Jede Kammer hat für sich das Recht, Adressen an den König zu richten.
Niemand darf den Kammern oder einer derselben in Person eine Bittschrift oder Adresse überreichen.
Jede Kammer kann die an sie gerichteten Schriften an die Minister überweisen und von denselben Auskunft über eingehende Beschwerden verlangen.
Art. 81. Eine jede Kammer hat die Befugniß, Behufs ihrer Information Kommissionen zur Untersuchung von Thatsachen zu ernennen.
Art. 82. Die Mitglieder beider Kammern sind Vertreter des ganzen Volkes. Sie stimmen nach ihrer freien Ueberzeugung und sind an Aufträge und Instruktionen nicht gebunden.
Art. 83. Sie können weder für ihre Abstimmungen in der Kammer, noch für ihre darin ausgesprochenen Meinungen zur Rechenschaft gezogen werden.
Kein Mitglied einer Kammer kann ohne deren Genehmigung während der Sitzungsperiode wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung zur Untersuchung gezogen oder verhaftet werden, außer wenn es bei
Ausübung der That oder binnen der nächsten 24 Stunden nach derselben ergriffen wird.
Gleiche Genehmigung ist bei einer Verhaftung wegen Schulden nothwendig.
Jedes Strafverfahren gegen ein Mitglied der Kammern und eine jede Untersuchungs-oder Civilhaft wird für die Dauer der Sitzung aufgehoben, wenn die betreffende Kammer es verlangt.
Art. 84. Die Mitglieder der ersten Kammer erhalten weder Reisekosten, noch Diäten.
Die Mitglieder der zweiten Kammer erhalten aus der Staatskasse Reisekosten und Diäten nach Maßgabe des Gesetzes. Ein Verzicht hierauf ist unstatthaft.
Titel VI.
Von der richterlichen Gewalt.
Art. 85. Die richterliche Gewalt wird im Namen des Königs durch unabhängige, keiner anderen Autorität als der des Gesetzes unterworfene Gerichte ausgeübt.
Die Urtheile werden im Namen des Königs ausgefertigt und vollstreckt.
Art. 86. Die Richter werden vom Könige oder in dessen Namen auf ihre Lebenszeit ernannt.
Sie können nur durch Richterspruch aus Gründen, welche die Gesetze vorgesehen und bestimmt haben, ihres Amtes entsetzt, zeitweise enthoben oder unfreiwillig an eine andere Stelle versetzt und nur
aus den Ursachen und unter den Formen, welche im Gesetze angegeben sind, pensionirt werden.
Auf die Versetzungen, welche durch Veränderungen in der Organisation der Gerichte oder ihrer Bezirke nöthig werden, findet diese Bestimmung keine Anwendung.
Art. 87. Den Richtern dürfen andere besoldete Staatsämter nicht übertragen werden. Ausnahmen sind nur auf Grund eines Gesetzes zulässig.
Art. 88. Die Organisation der Gerichte wird durch das Gesetz bestimmt.
Art. 89. Zu einem Richteramte darf nur der berufen werden, welcher sich zu demselben nach Vorschrift der Gesetze befähigt hat.
Art. 90. Gerichte für besondere Klassen von Angelegenheiten, insbesondere Handels- und Gewerbe-Gerichte, sollen im Wege der Gesetzgebung an den Orten errichtet werden, wo das Bedürfniß solche
erfordert.
Die Organisation und Zuständigkeit der Handels-, Gewerbe- und Militär-Gerichte, das Verfahren bei denselben, die Ernennung ihrer Mitglieder, die besonderen Verhältnisse der Letzteren und die Dauer
ihres Amtes werden durch das Gesetz festgestellt.
Art. 91. Die noch bestehenden beiden obersten Gerichtshöfe sollen zu einem einzigen vereinigt werden.
Art. 92. Die Verhandlungen vor dem erkennenden Gerichte in Civil- und Strafsachen sollen öffentlich sein. Die Oeffentlichkeit kann jedoch durch ein öffentlich zu verkündendes Urtheil ausgeschlossen
werden, wenn sie der Ordnung oder den guten Sitten Gefahr droht.
Auch in Civilsachen kann die Oeffentlichkeit durch Gesetze beschränkt werden.
Art. 93. Bei den mit schweren Strafen bedrohten Verbrechen, bei allen politischen Verbrechen und bei Preßvergehen erfolgt die Entscheidung über die Schuld des Angeklagten durch Geschworene. Die
Bildung des Geschwornen-Gerichts wird durch ein Gesetz geregelt.
Art. 94. Die Kompetenz der Gerichte und Verwaltungs-Behörden wird durch das Gesetz bestimmt. Ueber Kompetenz-Konflikte zwischen den Verwaltungs- und Gerichts-Behörden entscheidet ein durch das
Gesetz bezeichneter Gerichtshof.
Art. 95. Es ist keine vorgängige Genehmigung der Behörden nöthig, um öffentliche Civil- und Militär-Beamte wegen der durch Ueberschreitung ihrer Amtsbefugnisse verübten Rechtsverletzungen
gerichtlich zu belangen.
Titel VII.
Von den Staatsbeamten.
Art. 96. Die besonderen Rechtsverhältnisse der nicht zum Richterstande gehörigen Staatsbeamten, einschließlich der Staats-Anwälte, sollen durch ein Gesetz geregelt werden, welches, ohne die
Regierung in der Wahl der ausführenden Organe zweckwidrig zu beschränken, den Staatsbeamten gegen willkürliche Entziehung von Amt und Einkommen angemessenen Schutz gewährt.
Art. 97. Auf die Ansprüche der vor Verkündigung der Verfassungs-Urkunde etatsmäßig angestellten Staatsbeamten soll im Staatsdiener-Gesetz besondere Rücksicht genommen werden.
Titel VIII.
Von der Finanz-Verwaltung.
Art. 98. Alle Einnahmen und Ausgaben des Staats müssen für jedes Jahr im Voraus veranschlagt und auf den Staatshaushalts-Etat gebracht werden.
Letzterer wird jährlich durch ein Gesetz festgestellt.
Art. 99. Steuern und Abgaben für die Staatskasse dürfen nur, so weit sie in den Staatshaushalts-Etat aufgenommen oder durch besondere Gesetze angeordnet sind, erhoben werden.
Art. 100. In Betreff der Steuern können Bevorzugungen nicht eingeführt werden.
Die bestehende Steuer-Gesetzgebung wird einer Revision unterworfen und dabei jede Bevorzugung abgeschafft.
Art. 101. Gebühren können Staats- oder Kommunal-Beamte nur auf Grund des Gesetzes erheben.
Art. 120. Die Aufnahme von Anleihen für die Staats-Kasse findet nur auf Grund eines Gesetzes statt. Dasselbe gilt von der Uebernahme von Garantieen zu Lasten des Staats.
Art. 103. Zu Etats-Ueberschreitungen ist die nachträgliche Genehmigung der Kammern erforderlich. Die Rechnungen über den Staatshaushalt werden von der Ober-Rechnungskammer geprüft und festgestellt.
Die allgemeine Rechnung über den Staatshaushalt jeden Jahres, einschließlich einer Uebersicht der Staatsschulden, wird von der Ober-Rechnungskammer zur Entlastung der Staats-Regierung den Kammern
vorgelegt.
Ein besonderes Gesetz wird die Einrichtung und die Befugnisse der Ober-Rechnungskammer bestimmen.
Titel IX.
Von den Gemeinden, Kreis-, Bezirks- und Provinzial-Verbänden.
Art. 104. Das Gebiet des preußischen Staates zerfällt in Provinzen, Bezirke, Kreise und Gemeinden, deren Vertretung und Verwaltung durch besondere Gesetze unter Festhaltung folgender Grundsätze
näher bestimmt wird:
1) Ueber die inneren und besonderen Angelegenheiten der Provinzen, Bezirke, Kreise und Gemeinden beschließen aus gewählten Vertretern bestehende Versammlungen, deren
Beschlüsse durch die Vorsteher der Provinzen, Bezirke, Kreise und Gemeinden ausgeführt werden.
Das Gesetz wird die Fälle bestimmen, in welcher die Beschlüsse der Gemeinde-, Kreis-, Bezirks- und Provinzial-Vertretung der Genehmigung einer höheren Vertretung oder der Staats-Regierung unterworfen
sind.
2) Die Vorsteher der Provinzen, Bezirke und Kreise werden von der Staats-Regierung ernannt, die der Gemeinden von den Gemeinde-Mitgliedern gewählt.
Die Organisation der Exekutivgewalt des Staates wird hierdurch nicht berührt.
3) Den Gemeinden insbesondere steht die selbstständige Verwaltung ihrer Gemeinde-Angelegenheiten zu, mit Einschluß der Ortspolizei. Den Zeitpunkt und die Bedingungen des Ueberganges der
Polizei-Verwaltung an die Gemeinden wird das Gesetz bestimmen.
Die polizeilichen Funktionen können in Städten von mehr als 30,000 Einwohnern auf Staatsorgane übertragen werden.
4) Die Berathungen der Provinzial-, Bezirks-, Kreis- und Gemeinde-Vertretungen sind in der Regel öffentlich. Die Ausnahmen bestimmt das Gesetz. Ueber die Einnahmen und Ausgaben muß jährlich wenigstens
ein Bericht veröffentlicht werden.
Allgemeine Bestimmungen.
Art. 105. Gesetze und Verordnungen sind nur verbindlich, wenn sie zuvor in der vom Gesetze vorgeschriebenen Form bekannt gemacht worden sind.
Wenn die Kammern nicht versammelt sind, können in dringenden Fällen, unter Verantwortlichkeit des gesammten Staats-Ministeriums, Verordnungen mit Gesetzeskraft erlassen werden, dieselben sind aber
den Kammern bei ihrem nächsten Zusammentritt zur Genehmigung sofort vorzulegen.
Art. 106. Die Verfassung kann auf dem ordentlichen Wege der Gesetzgebung abgeändert werden, wobei in jeder Kammer die gewöhnliche absolute Stimmenmehrheii genügt.
Art. 107. Die Mitglieder der beiden Kammern und alle Staatsbeamten haben dem Könige und der Verfassung Treue und Gehorsam zu schwören.
Art. 108. Die bestehenden Steuern und Abgaben werden forterhoben, und alle Bestimmungen der bestehenden Gesetzbücher, einzelnen Gesetze und Verordnungen, welche der gegenwärtigen Verfassung nicht
zuwiderlaufen, bleiben in Kraft, bis sie durch ein Gesetz abgeändert werden.
Art. 109. Alle durch die bestehenden Gesetze angeordneten Behörden bleiben bis zur Ausführung der sie betreffenden organischen Gesetze in Thätigkeit.
Art. 110. Für den Fall eines Krieges oder Aufruhrs können die Artikel 5, 6, 7, 24, 25, 26, 27 und 28 der Verfassungsurkunde zeit- und distriktsweise außer Kraft gesetzt werden. Die näheren
Bestimmungen darüber bleiben einem besonderen Gesetze vorbehalten. Bis dahin bewendet es bei den in dieser Beziehung bestehenden Vorschriften.
Uebergangs-Bestimmungen.
Art. 111. Sollten durch die für Deutschland festzustellende Verfassung Abänderungen des gegenwärtigen Verfassungs-Gesetzes nöthig werden, so wird der König dieselben anordnen und diese Anordnungen
den Kammern bei ihrer nächsten Versammlung mittheilen.
Die Kammern werden dann Beschluß darüber fassen, ob die vorläufig angeordneten Abänderungen mit der deutschen Verfassung in Uebereinstimmung stehen.
Art. 112. Die gegenwärtige Verfassung soll sofort nach dem ersten Zusammentritt der Kammern einer Revision auf dem Wege der Gesetzgebung (Art. 60 und 106) unterworfen werden.
Das im Artikel 52 erwähnte eidliche Gelöbniß des Königs, so wie die vorgeschriebene Vereidung der beiden Kammern und aller Staatsbeamten erfolgen sogleich nach vollendeter Revision (Artikel
107).
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Königlichen Insiegel.
Gegeben Potsdam, den 5. Dezember 1848.
Friedrich Wilhelm.
Graf von Brandenburg. von Ladenberg. von Manteuffel. von Strotha. Rinteln. von der Heydt.
Patent, betreffend die Zusammenberufung der Vertreter, vom 5. Dezember 1848.
Wir Friedrich Wilhelm, von Gottes Gnaden, König von Preußen etc. etc.
haben durch Unsere Verordnung vom heutigen Tage die zur Vereinbarung einer Staatsverfassung berufene Versammlung
aufgelöst. Zugleich haben Wir, in det Absicht, Unser getreues Volk sogleich der von demselben ersehnten Segnungen der verheißenen konstitutionellen Freiheit theilhaftig werden zu lassen, die Regelung
der letzteren nicht von dem in ferner Aussicht stehenden Ergebniß der Vereinbarung mit einer anderweitigen Volksvertretung abhängig machen wollen, dieselbe vielmehr durch die heute von Uns vollzogene
Verfassungs-Urkunde dauernd gesichert. Bei der Feststellung dieses Staatsgrundgesetzes ist der von der Regierung vorgelegte Entwurf, welcher nach Maßgabe der von der Verfassungs-Kommission der zur
Vereinbarung berufenen Versammlung ausgegangenen Vorschläge, und der übrigen Vorarbeiten derselben, sowie in gebührender Berücksichtigung der Beschlüsse der deutschen Nationalversammlung in Frankfurt
a. M., modifizirt wurde, zum Grunde gelegt worden. Wir glauben Uns daher der zuversichtlichen Hoffnung hingeben zu dürfen, daß jene Verfassung den Wünschen Unseres getreuen Volkes entsprechen werde.
Im Art. 110 ist überdies eine Revision auf dem Wege der Gesetzgebung durch die nächste Volksvertretung vorbehalten. Unmittelbar nach erfolgter Revision werden Wir die von Uns verheißene Vereidung des
Heeres auf die Verfassung veranlassen. Der Vorbehalt der Revision der Verfassung gewährt zugleich die Möglichkeit, die Verfassung des preußischen Staates mit dem im Ausbau begriffenen deutschen
Verfassungswerke in Einklang zu bringen.
Wir verordnen nunmehr, daß die nach der Verfassungs-Urkunde ins Leben zu rufenden Kammern am 26. Februar 1849 in Unserer Haupt- und Residenzstadt Berlin sich versammeln. Zu diesem Zwecke haben am
22. Januar k. J. sämmtliche Urwähler im ganzen Staate zur Wahl der Wahlmänner, am 5. Februar k. J. die letzteren zur Wahl der Mitglieder der zweiten Kammer, am 29. Januar die zur Theilnahme an den
Wahlen für die erste Kammer berechtigten Wähler zur Wahl von Wahlmännern, endlich am 12. Februar k. J. die Letzteren zur Wahl der Mitglieder der ersten Kammer zusammenzutreten.
Die Rücksicht auf die Unseren Ministern aufgetragene Vorbereitung der den Kammern vorzulegenden, in der Verfassungs-Urkunde vorbehaltenen und sonstigen dringlichen Gesetzentwürfe und der
Zeitaufwand, welchen die Wahl-Operationen erheischen, gestatten nicht, Uns früher mit den Vertretern Unseres Volkes zu umgeben.
Wir erwarten übrigens mit Zuversicht, daß bis zum Zeitpunkte der Versammlung der Kammern die Herrschaft des Gesetzes in Unserer Haupt- und Residenzstadt durch den guten Sinn der Bürger der
letzteren völlig wiederhergestellt sein und den freien Berathungen der Volksvertreter daselbst alsdann Nichts im Wege stehen wird.
Wir wollen jedoch die Uns besonders am Herzen liegende Hebung des Wohlstandes der ländlichen Bevölkerung, so wie die, keinen Aufschub duldende, Befriedigung mehrerer anderer, durch ein dringendes
Zeitbedürfniß hervorgerufener Wünsche Unseres getreuen Volkes, unter jener nothwendigen Verzögerung nicht leiden lassen, und werden daher mehrere Gesetze unter dem Vorbehalt der Genehmigung der
zunächst zusammentretenden Kammern in kürzester Zeit zur Publikation bringen, unter Anderem:
1) eine Verordnung über die interimistische Regulirung der gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse in
der Provinz Schlesien;
2) eine Verordnung über die Einführung des mündlichen und öffentlichen Verfahrens mit Geschwornen in Untersuchungssachen;
3) eine Verordnung über Aufhebung des bäuerlichen Erbfolgegesetzes in Westfalen;
4) eine Verordnung über Aufhebung der Privatgerichtsbarkeit und des eximirten Gerichtsstandes, sowie über die anderweitige Organisation der Gerichte;
5) eine Verordnung, betreffend die Aufhebung der Cirkular-Verfügung vom 26. Februar 1799 und die Abänderung der Injurienstrafen.
Der nächsten Volksvertretung werden zur Berathung vorgelegt werden:
1) ein Gesetz, betreffend das Recht der Eltern zur Bestimmung der Religion ihrer Kinder;
2) ein Gesetz über Regulirung der Mühlenabgaben;
3) ein Gesetz über die Verpflichtung der Gemeinden zum Schadenersatz bei Tumulten;
4) ein Gesetz über Aufhebung der Grund- und Klassensteuer-Befreiungen und wegen Einführung einer allgemeinen Grundsteuer;
5) ein Gesetz über die Einkommensteuer;
6) eine neue Ablösungsordnung und ein Gesetz, betreffend die unentgeldliche Aufhebung verschiedener Lasten und Abgaben;
7) eine Gemeindeordnung;
8) eine Kreis-, Bezirks- und Provinzialordnung;
9) eine Verordnung, betreffend die Aufhebung einiger Ehehindernisse;
10) eine Verordnung über die Form der Eide.
Da die in der Verfassungs-Urkunde bestimmte Wahl der ersten Kammer durch die Kreis-, Bezirks- und Provinzial-Vertreter wegen des noch nicht erfolgten Erscheinens der Kreis-, Bezirks- und
Provinzialordnung gegenwärtig noch nicht ausführbar ist, so haben Wir ein provisorisches Wahlgesetz *)
zur Bildung der ersten Kammer für das erste Jahr der nächsten Legislatur vollzogen.
Wir geben Uns nunmehr der Hoffnung hin, daß die von Uns verliehene Verfassung unter Gottes Segen zum größeren Ruhme des Vaterlandes beitragen und das, durch eine Geschichte von Jahrhunderten
begründete, Band gegenseitiger Anhänglichkeit zwischen Unserem Königl. Hause und Unserem getreuen Volke noch fester knüpfen, so wie die Wohlfahrt und Freiheit des letzteren dauerhaft begründen
werde.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Königl. Insiegel.
Gegeben Potsdam, den 5. Dezember 1848.
Friedrich Wilhelm.
Graf v. Brandenburg. v. Ladenberg. v. Manteuffel. v. Strotha. Rintelen. von der Heydt.