Deutschland.
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*
] Köln, 28. Nov.
Seit dem März haben sich die Herren Konstitutionellen unter sich und mit den Demokraten über den Wahlmodus, über Wahlfähigkeit und Wählbarkeit, wie über das Zwei-Kammersystem u. dgl.
herumgezankt.
Mit Eintritt des Ministeriums Manteuffel-Brandenburg sind diese Fragen alle gelöst. Aus einem seiner aufrichtigsten Organe, der „Ehren-Kreuzritterin,“ (vom 26. Nov.) ersehen wir, daß
künftig die Wahlen klassenweise vor sich gehen, in den Städten nur sogenannte „Bürger,“ auf dem Lande nur Wirthe mit „Anspannung“ wählen sollen. Wie wird die erste
Kammer zusammengesetzt werden? Bleibt es etwa bei den 8000 Thlr.-Männern? Die Antwort gibt uns die Potsdamer Kamarilla in folgendem Satze:
„Man bilde doch aus den Prinzen des Hauses, den Häuptern der mediatisirten Fürsten- und Grafenfamilien, aus den Oberbürgermeistern der größesten Städte, den Rektoren der
Landes-Universitäten, mit Zugabe einiger andern Notabeln, etwa einer Anzahl Oberlandesgerichts-Präsidenten, des Präsidenten der Akademie der Wissenschaften, der wirklichen Generale der
Kavallerie und Infanterie eine erste Kammer, so wird man wirklich ein heilsames Gegengewicht in den politischen Verhältnissen haben.“
Die erste Kammer das Prinzip des erblichen, „großen Grundbesitzes und der Notabilität,“ für die zweite Kammer „das Prinzip der organischen Gliederung nach
Interessen.“ „Denn,“ heißt es in dem leitenden Artikel weiter, „mit dieser Art Repräsentation, wie wir sie in diesem Frühjahr erhalten haben, kann kein Mensch
regieren, ohne sich durch ihre Unverschämtheit und Unwissenheit immer von Neuem zu gewaltsameren Staatsmaßregeln hingedrängt zu sehen.“ Der ganze Artikel schließt mit den Worten: „denn
mit einem solchen destillirten Quark von Verfassung kann kein Mensch regieren.“
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Z
] Düsseldorf, 26. November.
Wie die Reichskommissare nach Berlin, so sind auch hierhin einige Regierungs- und Oberregierungsräthe gekommen, um zu untersuchen und wo möglich die Zerwürfnisse zu schlichten, welche im hiesigen
Regierungskollegium vorgekommen sind. Es ist in der That hier ein arges Durcheinander. Die Stadt legt Protest gegen den durch Nichts begründeten Belagerungszustand ein, die ausgeschiedenen
Regierungsräthe arbeiten ein Promemoria über Gesetzlosigkeit aus, die Bürgerwehr wird ohne Ursache entwaffnet, das Gericht fordert den Chef vor seine Schranken, dieser klagt gegen Drigalski und
Spiegel, dieser wieder kann mit seinen Entgegnungen nicht durchkommen und droht der Stadt mit — Enterbung etc. etc. Nur Einer steht über all dies Treiben erhaben, unantastbar, in eiserner
Stärke, der Bürger und Kommunist General Drigalski; ihn erhebt der Belagerungszustand über die gewöhnliche Sphäre, er ordnet, befiehlt und so wird es ausgeführt, und damit abgemacht.
Die Triebfeder der hiesigen Begebnisse ist, wie Sie wissen, der Herr v. Mirbach, ehedem unser Censor.
Gestern Abend läßt der Regierungspräsident Spiegel einen Theil der Gemeinderäthe zu sich bitten, und beginnt mit seinem süßen „liebster Herr N. N.“ eine Eröffnung zu machen, deren
Mittelpunkt die Drohung ist, die hiesige Regierung, die hiesige Garnison, die hiesigen Kasernen, nein, die Kasernen doch nicht, die müssen hier bleiben, — müssen verlegt werden. (Vermuthlich
nach Elberfeld.) Doch aber fährt Herr Spiegel fort, könnten diese Maaßregeln noch rückgängig gemacht werden, wenn die gutgesinnten Bürger, welche doch hier überwiegend seien, Gewähr leisten wollten
für Aufrechthaltung der Ordnung und Schutz der Regierung. —
Die Bürger d. h. die wenigen, die es bis jetzt hörten, schütteln die Köpfe und meinen, es wäre besser gewesen, wenn wir nie eine königl. preuß. Regierung hier gesehen hätten. Nun, verschiedene
Ansichten! Gerüchte sagen, daß man sich viele Mühe gewisser Seits gebe, die Anklagepunkte, weshalb wir im Belagerungsstande sind, auch motiviren zu können. So soll — ich spreche nur dem Gerücht
nach — ein hier schon genannter Herr bei den Postbeamten gewesen sein, um, in Hinsicht des fragl. Eindringens der Bürgerwehr in das Postgebände, günstige Antworten zu — hören. Das
Zeugenverhör wird uns darüber Gewißheit geben, die ich Ihnen vielleicht bald mittheilen kann. — Vorige Nacht wurde wieder ein Mann von Soldaten schwer verwundet.
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X
] Berlin, 27. November.
Neuer Gewaltstreich!
Verhandelt, Berlin, 27. November, 1/2 1 Uhr im Lokale bei Jaroschewitz.
In der Morgensitzung der in dem Hotel Mylius sich versammelnden Fraktion Abgeordneter der Nationalversammlung und in Anwesenheit von etwa achtzig Mitgliedern derselben, wurde durch den Wirth, Herrn
Mylius, die Nachricht gebracht, daß die Straße militärisch setzt sei, und daß die Soldaten soeben die Kupferhüte auf die Gewehre setzten, daß ferner ein Major das Verlangen stellte, und zwar
„im Namen des Gesetzes,“ in den Saal geführt zu werden.
Es wurde hierauf von vielen Seiten bemerkt, daß man nicht nöthig habe, hierauf eine besondere Antwort zu ertheilen.
Nach einiger Zeit drang ein Major, dem eine Anzahl Soldaten, Gewehr am Fuß, folgten, dem Anschein nach einige dreißig Mann, geführt von mehreren Lieutenants, in das Zimmer, und der Major richtete
die Aufforderung an die Versammlung im Namen des Gesetzes das Lokal sofort zu verlassen.
Der Abgeordnete Jacoby nahm das Wort und fragte den Major: Was wollen Sie?
Major: Ich komme im Namen des Gesetzes.
Jacoby: Im Namen welches Gesetzes?
Major: Im Namen des höchsten Gesetzes!
Jacoby: Von welchem Gesetze sprechen Sie?
Major: Ich spreche im Namen des konstitutionellen Gesetzes.
Jocoby: Ich kenne kein Gesetz, welches uns verbiete uns am Tage in einem Gasthofe einzufinden.
Elsner: Selbst die Proklamation des Herrn Wrangel enthält nichts von einem derartigen Verbote. Wir sind kein Klubb.
Major: Das geht mich nichts an, ich handle im Auftrage meiner Behörde.
Jacoby: Wie ist Ihr Name?
Major: Ich bin der Major, Graf Blumenthal.
Jacoby: Wer hat Ihnen den Auftrag gegeben?
Major: (Nach einer Pause) Meine vorgesetzte Behörde.
(Verschiedene Stimmen): Nennen Sie die Behörde!
Major: (Nach einer Pause.) Meine Herren! Setzen Sie mich nicht in Verlegenheit.
Jacoby: Nun, so erkläre ich Ihnen, Sie handeln nicht im Namen des Gesetzes, sondern im Namen der Gewalt, und es ist traurig, daß die Soldaten zu solchen Gewaltthaten gemißbraucht werden.
Major: Meine Herren, ich handele meinem Auftrage gemäß.
Jacoby: Ich wiederhole Ihnen, daß Sie lediglich kraft der Gewalt handeln. Sie sind verantwortlich für dieselbe und Alle, welche Ihnen den Auftrag gegeben; Sie werden seiner Zeit zur Rechenschaft
gezogen werden.
Major: Ich bitte mir nun alle Papiere aus, die hier liegen.
Verschiedene: Das ist unser Eigenthum, und Niemand kann Ihnen das Recht geben, unser Eigenthum anzugreifen.
Major: Die Papiere werden Ihnen zurückgegeben werden.
Anwandter: Unter allen Umständen können Sie diese Papiere nur nach Aufnahme eines Verzeichnisses nehmen, thun Sie es nicht, so rauben Sie.
Borchardt: Mindestens müssen Sie diese Papiere versiegeln.
Major: Meine Herren! es kann ja Einer von Ihnen mit auf die Kommandantur gehen, da kann das Alles geschehen.
Jacoby: Auf diese Weise können uns Papiere weggenommen, oder verbrecherische Papiere untergeschoben werden.
Der Major griff hierauf nach einem Pack Druckpapier, und ersuchte einen der ihm zunächst stehenden Abgeordneten einen entfernten, auf dem Tische liegenden, Stoß Druckpapier ihm zuzustellen. Dies
wurde verweigert. Nur die Gewalt, wurde entgegnet, walte hier: Nehmen Sie die Papiere selbst und konstatiren Sie dadurch den Raub.
Der Major ergriff darauf auch diese Papiere.
Rüdiger (— ein Greis — zu den Soldaten gewendet, weinend): Freunde, ich habe auch Söhne unter Euch und Ihr wollt hier die Väter des Landes mit Gewalt vertreiben? Stecht oder schießt
mich nieder!
Einige: Laßt sie die Gewalt anwenden, wir weichen nicht.
Simon: Meine Herren, die Gewalt ist consummirt.
Viele zugleich: Gehen wir aus einander, die Gewalt ist consummirt.
Es entfernten sich hierauf die Anwesenden und fanden vor dem Hause und in dessen Nähe einige Kompagnien aufgestellt.
Vorgelesen, genehmigt, unterschrieben.
H. Simon. M. Elsner. Berends. Dr. Jacoby. D'Ester. Anwandter. Borchardt. Reuter. Schulz. (Wanzleben). Keiffenheim. Thiede.
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103
] Berlin, 28. Nov.
Wie es der Klub Brünneck, der sich auf den Rechtsboden stellt, verantworten will, in nicht beschlußfähiger Anzahl einen so wichtigen Beschluß wie die Einberufung der Stellvertreter zu fassen, das
mögen solche Rechtsgelehrte wie Simons und Reichensperger verantworten.
Gestern erließ Wrangel, der Diktator Berlins, einen Befehl, welcher in den heutigen Zeitungen enthalten ist, wonach Niemand den Mitgliedern der Nationalversammlung in seinem Hause eine Versammlung
oder Berathung gestatten darf. Der Befehl ist so abgefaßt, daß den Restaurateuren selbst verboten ist, mehr als einen Abgeordneten in seinem Zimmer speisen zu lassen. Auf diesen Befehl gestützt ließ
Wrangel gestern Abend noch mehrmals die Gäste aus Mylius Hotel und andern Orten vertreiben, obgleich dieser Befehl erst heute morgen publizirt wurde. Bemerkenswerth bleibt dabei, daß man zur
Vertreibung der äußersten Linken aus Mylius Hotel stets Soldaten verwendete, während die andern Fraktionen durch Konstabler und Polizei-Offizianten zersprengt wurden.
Heute Nacht um 12 Uhr drangen einige Hundert Soldaten in die Druckerei von Ed. Krause, in der Lindenstraße 81, ein, nahmen die daselbst sich vorfindenden Druckschriften, nämlich ein Bericht der
Nationalversammlung und ein Aufruf derselben „An das Volk,“ welcher eben in 5000 Abzügen gedruckt war, mit sich fort und zerstörten sämmtliche Pressen, Alles par ordre de Mufti.
Verhaftungen und Ausweisungen der Demokraten sind noch an der Tagesordnung.
In Folge dieser barbarischen Verfolgung haben die Abgeordneten beschlossen, den Sitz ihrer Versammlung nach einer andern Stadt zu verlegen, wo noch das Gesetz herrscht und kein Diktator
„eigenmächtig“ Befehle erlassen kann. Im Bureau der Nationalversammlung ist heute Alles verpackt worden.
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*
] Berlin.
Nachstehend lassen wir die Rede des Abgeordneten Waldeck vom 25. October, betreffend die vorzugsweise Berathung des Verfassungs-Entwurfes, abdrucken.
Meine Herren! Ich glaube, wir können diesen Anträgen zunächst den Beschluß der hohen Versammlung entgegensetzen vom 22. September. Damals hat die Versammlung sich dahin erklärt, daß wöchentlich
zwei Tage der Verfassungs-Urkunde gewidmet werden sollen, die übrigen Tage aber anderen Gesetzes-Vorlagen, welche später bestimmt bezeichnet werden. Diese Gesetzes-Vorlagen sind geordnet nach der
Priorität, welche die Versammlung für angemessen hielt. Wir sind jetzt bei einer der wichtigsten Gesetzes-Vorlagen dieser Art, bei dem Gesetze über Aufhebung bäuerlicher Lasten; dann folgt das Gesetz
über die Grundsteuer und über die Weinmoststeuer. Alles Gesetze von dem höchsten Interesse, von höherem Interesse, als die Erlassung der Verfassung.
Meine Herren! Ich werde dies auseinandersetzen. Wenn wir die vier oder fünf Tage, welche wir dem ersten Paragraphen der Verfassungs-Urkunde gewidmet haben, einen Paragraphen, wobei das Land vor der
Hand gar nicht interessirt ist, dem Lastengesetze gewidmet hätten, so würden wir viel weiter vorgeschritten sein, und Sie werden zugeben, daß wir durch das Lastengesetz das Land anders beruhigt
hätten, als durch Feststellung dieses Paragraphen der Verfassung. Der prinzipielle Gegensatz, der sich hier immer geltend gemacht hat, der in jenen Petitionen, auf welche der vorige Redner Bezug
genommen, vorherrschend ist, dieser prinzielle Gegensatz taucht auch jetzt wieder auf; diesen Gegensatz hat sowohl die Verfassungs-Kommission, als diese hohe Versammlung durch die That vollständig
entschieden. Derselbe besteht darin, daß ein Theil der Bevölkerung, aber ich darf wohl behaupten, ein geringer, unsere Mission für vollendet hält, wenn wir die Verfassungs-Urkunde gemacht
haben, daß ein noch viel geringerer Theil wünscht, daß wir nichts Anderes machen möchten, als die Verfassungs-Urkunde, überzeugt, daß, wenn wir nichts mehr gemacht haben, als dieses Gerüst, ganz gewiß
bis zu dem Zeitpunkte, wo die neue Versammlung zusammentritt, die alten Zustände eben so wiederkeheen würden, wenigstens sehr leicht könnten, als wir dies beim Vereinigten Landtag erlebt haben.
— Also, meine Herren, was ist die Aufgabe, die uns obliegt? Sie besteht darin, daß wir organische Zustände schaffen, nicht bloß die Verfassung, dieses Gerüst für die künftige Ausübung der
politischen Gewalten, sondern eine wirkliche Organisation des Landes.
Worin besteht diese? Sie besteht darin, daß die älteren unpassenden Zustände und unpassenden Gesetze hinweggeräumt werden, und gerade das ist das dringendste, denn Niemand fängt einen Neubau
an, ohne daß er den alten Schutt hinweggeräumt hat; zweitens besteht diese darin, daß die ganze Verwaltung schon jetzt im Interesse der Neuzeit organisirt werde. Die Klagen über schreiende Mißbräuche,
die von allen Seiten zu uns kommen — ich kann annehmen, daß ich taglich drei oder vier derartige Adressen erhalte aus allen Theilen der Monarchie — diese Klagen betreffen gar nicht das
Papier, die Verfassungs-Urkunde, sondern den unendlichen Druck, worunter das Land liegt, in diesem Konflikte der alten Zustände mit den neuen, den Druck z B. der Exekution wegen Kosten von
General-Kommissionen, den Druck unter der Handhabung veralteter Gesetze, unter den Verhaftungen, die stattfinden auf Grund solcher veralteten Gesetze, den Druck unter den Behörden, die dem jetzigen
Zustande nicht entsprechen, das ist eilig, das ist dringend; daß Sie organisiren, das ist viel, viel dringlicher, als daß wir dasjenige feststellen, was wir in der Verfassung allerdings demnächst
feststellen können und feststellen werden, und wozu ja schon Alles vorbereitet ist. Vom ersten Titel werden Sie dies Alle zugeben, beim zweiten Titel ist es ebenso; denn diejenigen Volksrechte, welche
praktischer Natur sind, interessiren das Volk nicht mehr, sie sind schon gegeben vor der Verfassung, durch Gesetze, deren Sie genießen. Was die übrigen Rechte betrifft, so enthält der zweite Titel
Grundsätze, z. B. über das Verhältniß des Staats zur Kirche, über die Wehrverfassung. Das sind abstrakte Normen, die das Volk nicht anders interessiren, als wenn Sie das erfüllen, was die
Verfassungs-Kommission in ihrem Bericht für die Aufgabe der hohen Versammlung erklärt hat, wenn Sie die Wehrverfassung, die Gemeindeverfassung, die Kreisbezirks-Verfassung, das Unterrichtsgesetz
selbst gegeben haben, so daß diese Gesetze, was möglich ist, gleich unmittelbar in Anwendung treten. Alles dies ist viel eiliger als die Verfassung. Gehen Sie nun auf die Quellen der Petitionen
zurück, die in Bezug genommen sind; einzelne Vereine und Personen möchten uns lieber gleich nach Hause schicken. Ich habe solche Adresse gelesen aus dem Ravensberg'schen, welche von einem
Landrath zur Unterschrift herumgeschickt ist. So weit gehen freilich die meisten dieser Bittsteller nicht, aber sie möchten uns doch so bald als möglich los sein, denn sie sind überzeugt, wenn wir mit
der Verfassung fertig sind, so wird es ihnen viel leichter werden, Alles zum Alten zurückzuführen. Es sind die Preußenvereine, von denen solche Petitionen ausgehen, und Sie wissen, was dies zu
bedeuten hat.
Ich habe zufällig den Beweis in Händen. Ich habe vorgestern aus Warendorf eine Adresse bekommen, mit Unterschriften der angesehensten Bewohner versehen. Kaufleute, Justizkommissare, mit einem Wort,
eine ganze Reihe von Unterschriften, die sich dahin aussprechen:
„Ein durch die Agenten der Direktion der preußischen Renten-
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Versicherungs-Gesellschaft hier und vielleicht überall verbreitetes Cirkular sucht im Namen der patriotischen Vereine Unterschriften zu einer Adresse an eine hohe National-Versammlung, Behufs
Beschleunigung des Verfassungswerkes.
„Die unterzeichneten Urwähler des Kreises Warendorf können ein solches Unternehmen nur höchst mißbilligen, weil sie nicht allein in der Vollendung des Verfassungswerkes, sondern eben so
wesentlich in der Feststellung der durch freie Verfassung bedingten organischen Gesetze die Aufgabe erkennen, die eine hohe National-Versammlung zu lösen hat.
Warendorf, den 15. Oktober 1848.
(Unterschriften.)
Das Volk ist also in der Stadt Warendorf in Westphalen zu der Einsicht gekommen, daß wir ganz etwas Anderes zu thun haben, als blos die Verfassung zu machen, und daß das Andere, was wir zu thun
haben, eiliger ist, als die Verfassung. Sie entnehmen hieraus zugleich die Quelle der Petitionen, und es wird Sie nicht mehr wundern, wenn auf solche Weise bei Verbreitung gleichlautender Petitionen
eine Masse Unterschriften kommen. Sie werden aber von der andern Seite die große Zahl der Bittschriften berücksichtigen, die von allen Seiten ankommen und dringend dahin gehen, den alten Schutt
hinwegzuräumen Sie werden also auch allen den sehr wichtigen Gesetzen, die zu diesem Zweck schon jetzt für die Tagesordnungen vorliegen, so wie den anderen Gesetzen, die nothwendig folgen müssen, z.
B. das Gesetz über die Wehrverfassung, über die Geschworenen, über den Unterricht Ihre Beistimmung nicht versagen. Sie werden diese Gesetze nicht beeinträchtigen wollen. Sie werden wahrlich das
Gesetz, wodurch die unpassendsten Bestimmungen, welche die Presse jetzt knechten, weggeräumt werden sollen, nicht verzögern wollen. Wie sehr Sie aber allen diesen Gesetzen entgegentreten würden, wenn
Sie den Hauptantrag annähmen, das wird Ihnen sofort klar sein, denn es bleiben dann nur zwei Tage in der Woche außer der Verfassung übrig. Der eine Tag ist den Petitionen gewidmet, und ich würde es
nicht für verantwortlich halten, daß wir diesen Tag ausfallen lassen, denn es sind auch unter diesen Petitionen manche, die Berücksichtigung verdienen, so daß wir diesen Theil des Geschäftsreglements,
dem Lande gegenüber so handhaben müssen, daß wenigstens jetzt endlich der Tag für die Petitionen beobachtet wird. Gehen Sie davon aus, so bleibt nur ein einziger Tag für die Gesetze übrig. Nun haben
Sie aber die Erfahrung gemacht, daß stets dringende Anträge, sei es von der einen, sei es von der anderen Seite, gemacht werden, diese werden nie fehlen, sie können nicht fehlen, denn ihre
Nothwendigkeit liegt in der jetzigen Organisation der Zustände. Wollte ich z. B. alle diejenigen Anträge machen, wozu ich von vielen Seiten des Landes aufgefordert werde, weil die Leute einsehen, daß
mit Petitionen nichts auszurichten ist; wollte ich diese meist begründeten Anträge alle stellen, so würde die Zeit gar nicht ausreichen, und ich kann versichern, Sie würden doch nichts Unwesentliches
gethan haben, wenn Sie darauf eingingen.
Ihre Aufgabe besteht ferner darin, ein wachsames Auge über die Verwaltung zu haben, und das können Sie nicht haben, wenn Sie sich absichtlich verschließen wollen, den Stimmen gegenüber, die sich
erheben, um die Rechte des Landes zu schützen. Es ist also meines Ermessens unthunlich, in dieser jetzigen gefährlichen Zeit, wo das ganze Land mit Aufregung und Spannung hierher blickt, noch mehr
Tage so festzustellen, daß an denselben ausschließlich nichts geschehen soll, als die Berathung der Verfassung. Jetzt haben wir zwei Tage dazu anberaumt, und dieser Beschluß mag gehandhabt werden. Es
würde nicht gerechtfertigt sein, wenn man diese Ausschließlichkeit noch weiter ausdehnen wollte; es würden die wichtigen Gesetze, die uns vorliegen, es würde das Interesse des Landes, welches
verlangt, daß seine Vertreter ein wachsames Auge auf die Verwaltung haben, dadurch leiden. Wenn nun der Antrag der Abgeordneten Sperling und Bredt einen Tag nachläßt; so sind meiner Ueberzeugung nach
auch drei Tage schon zu viel; denn dies entzieht den wichtigen Gesetzen, die uns vorliegen, dann dem Geschwornengesetz und dem Gesetze wegen Organisation der Gerichte und des Heeres, welche gewiß
nicht fehlen werden, die Berathung. Es vergrößert überdies die Gefahr, in die wir uns begeben, daß man es wirklich wagen möchte, uns nach Hause zu schicken; denn wie leicht wäre es möglich, daß die
Verfassung eher fertig würde, als der organische Grundbau selbst, ehe wir mit dem Hinwegräumen des alten Schuttes fertig werden, der nothwendig erst beseitigt werden muß, bevor die Verfassung in ein
kräftiges Leben treten kann. Meiner Ansicht nach müssen die nothwendigen organischen Gesetze vor der schließlichen Annahme der Verfassung erledigt sein. Dies ist auch die Ansicht, welche in dem
Berichte der Verfassungskommission ausgesprochen ist. Nehmen Sie diese Ansicht an, so ist von den wichtigen Gesetzen eines so eilig wie das andere, und alle sind eiliger, als der Schlußstein, die
Verfassung. Die Verfassung interessirt als künftiges Gerüst für die Repräsentation das Land jetzt noch gar nicht, sondern erst dann, wenn die künftigen Wahlen ausgeführt werden. Die Grundrechte
interessiren dieselben auch nicht, denn die eigentlichen Grundrechte sind bereits gegeben. Daß wir, um zu geben, was noch fehlt, alle unsere Kräfte anstrengen, weiß das Land. Das ist ein absichtliches
Verkennen, wenn von einer Seite her unsere Wirksamkeit mißkannt wird. Wir sind es uns bewußt, daß wir uns einer vollen Thätigkeit gewidmet haben. Ich ersuche Sie, verwerfen Sie die beiden Anträge, und
lassen Sie uns bei dem Beschlusse bleiben, den wir, wohl überlegt, gefaßt haben.
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@facs | 0832 |
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*
] Berlin, 28. Novbr.
Folgende Bekanntmachung zeigt, auf welch prächtigem konstitutionellen Boden die Märzerrungenschaften weiter entwickelt werden.
Nachdem die Wiedereröffnung der Nationalversammlung am heutigen Tage in Brandenburg stattgefunden hat, kann der Zusammentritt einzelner Abgeordneter, welche sich jener Versammlung nicht
angeschlossen haben, zu Berathungen am hiesigen Orte während des Belagerungszustandes ferner nicht geduldet werden.
Indem ich dies zur öffentlichen Kenntniß bringe, weise ich zugleich sämmtliche Inhaber öffentlicher Gastlokale innerhalb des dem Belagerungszustande unterworfenen Bezirks hierdurch gemessenst an,
solche Zusammenkünfte bei sich auf keine Weise zu dulden, und werde jedes Lokal, wo dergleichen dennoch vorkommen, sofort und für die Dauer des Belagerungszustandes gänzlich schließen lassen.
Angebliche Nichtkenntniß der Eigenschaft der Versammelten als Abgeordneter, wird hierbei als Entschuldigung nicht zugelassen werden. Ebenso sollen auch anderweite Privatlokale, welche von Abgeordneten
etwa zu ihren Zusammenkünften besonders gemiethet werden möchten, derselben Maßregel unterworfen sein.
Berlin, den 27. Nov. 1848.
Der Oberbefehlshaber der Truppen in den Marken.
(gez.) v. Wrangel.
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X
] Brandenburg, 28. Novbr. Klub Brünneck.
Auch heute sind die Tribünen schon früh besetzt; das Publikum, wie gestern.
Bald nach 11 Uhr erschienen die Minister sämmtlich im Ueberrock. Kaum sind sie eingetreten, so tritt Brünneck an sie heran; Brandenburg, Ladenberg, Strotha hören ihm eifrig zu,
während Manteuffel mit andern Deputirten konferirt. — Das Gespräch wird immer lebhafter; Baumstark demonstrirt, Brandenburg hört mit einem unbeschreiblich öden und leeren
Gesichtsausdruck zu; Reichensperger gestikulirt sehr eindringlich — man sieht ihn mit höchst schwieriger bedenklicher Miene die Achseln zucken. — Manteuffel, der mit dem neu
eingetretenen Hansemann und Harkort konferirt, macht ein grimmig verbissenes Gesicht. Allmählig ziehen sich diese kleinere Gruppen zu einem einzigen größeren Klub zusammen, in welchem es
außerordentlich aufgeregt hergeht und nur eigentlich die Minister passiv und schweigend sich verhalten.
Um 11 1/2 Uhr erklärt der Präsident v. Brünneck die Sitzung für eröffnet. Er will, von mehreren Seiten privatim dazu aufgefordert, das Protokoll vom 9. November vorlesen lassen;
Reichensperger protestirt dagegen, da die Versammlung nicht vollzählig sei; nach kurzer Debatte wird das Protokoll der gestrigen Sitzung verlesen und angenommen.
Präs. v. Brünneck: „Es sind mehrere Urlaubsgesuche eingegangen“ — ein halblautes Gelächter läßt sich in einem Theile des Saales hören; die Majorität ergreift
Verzweiflung, Angst und Schrecken, als sie durch dieses neue Manoeuvre die Zahl der Getreuen noch mehr bedroht sieht; Reichensperger eilt stürmisch auf das Bureau und spricht einige Worte mit
dem Präsidenten.
Brünneck: Es wird so eben der Antrag gestellt, die Versammlung auf eine Stunde zu vertagen, damit die Abgeordneten über wichtige Mittheilungen, die uns demnächst zugehen werden, sich
vertraulich besprechen können. — Viele Abgeordnete verlangen lebhaft den Namensaufruf — Bewegung und Unruhe; fast Lärm im Dom zu Brandenburg.
Pelzer trägt darauf an, man möge genau daran halten, daß sich die Abgeordneten schriftlich um das Wort melden müßten, damit die Versammlung dem Lande zeige, daß sie wie in Berlin, so auch in
Brandenburg die Rechte des Volkes, nicht minder aber die Rechte der Krone wahre.
Fleischer: „Ich bitte, wenn uns von irgend einer Seite ein Novum (Strotha sieht bei diesem Worte ganz erstaunt seine Kollegen an) zugehen sollte, dies vor der Abstimmung über die
Vertagung mitzutheilen.
Die Versammlung beschließt, ohne darauf einzugehen, die Vertagung auf eine Stunde. — 12 Uhr.
Die königliche Botschaft enthält eine neue weitere Vertagung bis zum 11. Dezember, wie man sagt, um die Stellvertreter einzuberufen und resp. Neuwahlen zu veranstalten; ein Theil der Versammlung
ist damit doch nicht so ganz zufrieden, und besteht darauf, daß die Versammlung wenigstens selbst die Vertagung ausspreche, da die Herren der Regierung das Recht einer einseitigen Vertagung nur als
Anhang zu der nach ihrer Meinung nothwendigen Verlegung gestatten. — Die Abgeordneten treten zu einer vertraulichen Besprechung im Casino zusammen, in Folge deren das Ministerium die königl.
Botschaft zurückzieht.
Um 1 1/2 Uhr wird die Sitzung wieder eröffnet, die Minister fehlen. Der Namensaufruf wird veranstaltet; neu zugetreten sind Bergmann und Thüm; der Name „von
Vincke“ wird vom Schriftführer Daniels zweimal gerufen, aber vergeblich.
Während der Zählung bemerkt der Abg. Dahne, in dem stenographischen Bericht vom 15. November sei er als anwesend angeführt; er müsse jedoch berichten, daß er sowohl wie sein Freund
Tietze jener Sitzung nicht beigewohnt hätten. — Bewegung in der Versammlung. — Brünneck: „Wir kennen einen solchen Bericht nicht; die Sache muß also auf sich
beruhen.“
Das Resultat der Stimmzählung ist, daß 159 Abgeordnete anwesend sind.
Brenner erklärt, daß nach seiner Ueberzeugung mehrere Abgeordnete anwesend sein müßten, da er mit einigen derselben hierher gefahren sei, die heute hätten eintreten wollen. Thun
schließt sich dem gestrigen Proteste Dahn's an; Bremer bemerkt, mit ewigen Protesten komme man nicht vorwärts.
Der Antrag, die Sitzung bis morgen zu vertagen wird gestellt. — In demselben Augenblicke treten die Minister herein.
Simons motivirt als Antragsteller seinen Antrag auf Vertagung; ob morgen derselbe Zustand noch sein werde, könne er nicht übersehen. Er kündigt außerdem für Donnerstag den Antrag an, daß die
Versammlung das Ministerium ersuchen möge, für die abwesenden Abgeordneten die Stellvertreter einzuberufen.
Ministerpräsident Brandenburg: „Ich bitte um das Wort.“ — Dann liest derselbe: „Die so eben verlesenen Anträge stimmen mit dem Wunsche der Regierung, das Werk der
Vereinbarung der Verfassung baldigst zu beginnen, überein; wenn also die Versammlung sich bis morgen 11 Uhr vertagen will, so hat die Regierung dagegen nichts zu erinnern.“ (Bravo und Zischen.)
— Die Vertagung bis morgen 11 Uhr wird mit großer Majorität beschlossen. Schluß 2 1/4 Uhr.
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@facs | 0832 |
Erfurt.
Wir erhalten so eben Einsicht in einen Privatbrief aus Erfurt, welcher erschreckende Details über die furchtbare Erbitterung gibt, mit welcher am 24. d. gekämpft wurde. — „Auf dem
Anger, wo der Kampf am längsten dauerte, ist es entsetzlich zugegangen. — Viele Menschen sind buchstäblich zerhackt worden. Von Soldaten sind zwanzig und etliche gefallen; darunter neun
Kürassiere. Auf Seiten der Bürger mehr als hundert. Der Parteihaß war so mächtig, daß ein Bürger den andern erschoß. Am Abend fuhr man die Todten auf Leiterwagen fort. Von dem Fanatismus des Volkes
giebt es ein Beispiel, daß, unweit von unserem Hause, ein einzelner Mensch mit einem Brecheisen auf eine Compagnie Soldaten losging. — Er wurde natürlich mit Kolben zu Boden geschlagen
etc.
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@facs | 0832 |
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] Breslau, den 27. Nov.
Gestern Nachmittag sollte auf dem Neumarkt eine Volksversammlung stattfinden. Plakate ohne Unterschrift hatten dazu eingeladen. Von Seiten der Demokraten wurde vor der Einladung, als von der
reactionären Parthei ausgehend, gewarnt. Natürlich fanden sich aber doch eine Menge Menschen ein, die sich bald wieder zerstreut hätten, wenn nicht der schwarzweiße Landwehrverein (der, aus wenig
Mitgliedern bestehend, nicht mit dem zahlreichen demokratischen Landwehrverein zu verwechseln ist) angerückt wäre. Ein gewisser Paul v. Nimptsch, ein berüchtigtes Werkzeug des schlesischen Adels- und
Beamtenthums, hatte sich an die Spitze gestellt. Es währte nicht lange, so war der Zweck dieser saubern Klique — Hervorrufung eines Krawals — wenigstens theilweise erreicht. Es kam
alsbald zu einer großartigen Prügelei, von der die Knochen der tapfern Streiter „mit Gott für König und Vaterland“ noch längere Zeit zu berichten wissen werden. Ohne das kräftige
Einschreiten des demokratisch gesinnten Anger-Bataillons der Bürgerwehr konnte der Plan der Schwarzweißen — Herbeiziehung des Militärs — gelingen. Diesmal aber hatten Hr. Nimptsch und
seine Schaar wieder pour le Roi de Prusse gearbeitet.
Zum Schluß bemerke ich noch daß dieser schwarzweiße Landwehrverein sich dem kürzlich hier aufgeschossenen Reactionspilze — dem Verein für „Gesetz und Ordnung“ —
angeschlossen hat!
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@facs | 0832 |
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*
] Stettin, 27. Nov.
Die „Osts.-Z.“ theilt folgendes Faktum mit:
„Am Sonnabend hatte man in das Fenster der Parterrewohnung des Kaufmanns Guido Fuchs auf der Lastadie von Außen einen Kanonenschlag gelegt; derselbe wurde angezündet und zertrümmerte das
Fenster. Vor dem Hause standen viele Landwehrmänner. Allgemein hieß es: Hr. Fuchs schießt auf die Landwehrmänner! Die Leute entdeckten indeß in Zeiten den Zusammenhang. Man sieht, mit welchen Mitteln
gearbeitet wird.
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@facs | 0832 |
Königsberg, den 20. Nov.
Der Aufenthalt des jetzt wohl schon weltbekannten Abgeordneten von Fischhausen, des Fleischermeisters Pieper, am hiesigen Orte gab Anlaß zu einigen ärgerlichen Auftritten. In der Janatzischen
Conditorei gerieth er in einen politischen Streit und führte eine Schlägerei herbei, bei welcher einer seiner Gegner so bedrängt wurde, daß er durch die Küche und über den Hof fliehen mußte. Gegen den
Redacteur eines hiesigen Lokalblattes (Fliegende Blätter), in welchem er mehrmals persiflirt war, versuchte er ein gefährliches Attentat in dessen Wohnung, und veranlaßte später einen großen Auflauf
vor dem Hause des von ihm Angegriffenen, indem er in Aerger und Schimpferei über das Mißlingen seiner Absicht ausbrach. In einigen anderen öffentlichen Lokalen gerieth er ebenfalls mehrfach mit Gästen
über politische Fragen in Conflict und bald war er in den paar Tagen seines Aufenthaltes hier so bekannt und beliebt, daß er sich nirgends mehr sehen lassen konnte, ohne verhöhnt, haranguirt oder
sonst wie genirt zu werden. Da schickte er sich zur Abreise nach seinem Domizil Fischhausen an. Es war aber die Zeit und die Art seiner Abreise bekannt geworden und als er sich auf dem Posthofe
einfand und den Postwagen besteigen wollte, hatte sich bald ein Haufen von 5 bis 600 Menschen eingefunden, der einen großen Lärm gegen den unglücklichen Volksvertreter machte, ihn vielfach verhöhnte,
mehrfach seinen Spitznamen Pieper-pack-em ausrief, Schimpfwörter ausstieß und vielleicht gar zu Thätlichkeiten übergegangen wäre, wenn Pieper sich nicht entfernt hätte. Er begab sich bis vors Thor und
wollte hier in den Postwagen einsteigen, aber auch das war bald bekannt geworden. Der ganze nun wohl auf 800 Menschen angewachsene Haufen verfolgte ihn bis vors Steindammer Thor, Pieper lief bis
Conradshof und suchte hier Schutz. Allein der verfolgende Haufen zog auch bis hierher und immer unter entsetzlichem Geschrei und Gelärme ihm nach, füllte den ganzen vor dem Gasthause befindlichen
Garten und verlangte stürmisch die Auslieferung des Verfolgten. Es gelang diesem indeß durch die Küche über den Hof, über Hecken und Zäune zu entkommen. Er floh glücklich unbemerkt bis Carlsruhe und
soll hier in den Postwagen eingestiegen und somit den drohenden Händen seiner Verfolger entkommen sein. Er dürfte schwerlich wieder Königsberg mit seiner Gegenwart zu beehren versuchen.
[(Elb.
Anz.)]
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@facs | 0832 |
Mislowitz, 26. Nov.
An unserer Grenze, etwa eine Meile von hier, bivouaquiren gegenwärtig 12,000 Mann Russen mit 40 Geschützen; ebenso sind an der galizischen Grenze etwa 10,000 Mann aufgestellt.
Was das Leben in Polen selbst anbelangt, so kann ich nur erwähnen, daß alles beim Alten geblieben; ein Kaufmann, der noch vor Kurzem einen Kanonier fragte, wie viel Schüsse in der Minute abgefeuert
werden können, wie stark das dorten aufgestellte Corps sei etc., wurde nach erfolgter Anzeige sofort auf echt russische Weise mit 50 Hieben regalirt und mußte ferner noch eine bedeutende Geldstrafe
zahlen. Alles Waffentragen und schon deren Besitz ist noch fortwährend, wie Ihnen wohl bekannt, aufs strengste untersagt, selbst die Sensen müssen nach vollendeter Ernte wieder an die Behörden
abgeliefert werden, und sogar bis auf die Messer, welche die Fleischer gebrauchen, erstreckt sich die russische Obsorge, diese dürfen blos eine bestimmte Länge und durchaus keine scharfe Spitze haben.
Sie werden hieraus ersehen, daß Alles noch vollständig beim Alten geblieben ist. Von russischen Offizieren welche sich tagelang in den Gasthäusern bei ihrem Thee und Branntwein herum sielen, ist
durchaus nichts zu erfahren, sei es nun die Furcht vor Denunciation oder daß sie selbst, als willenlose Maschinen, nicht wissen, was mit ihnen vorgenommen wird.
Im Innern des Landes dauert, wie ich aus sicherer Quelle erfahren, der Militär-Despotismus in seiner größten Blüthe fort, Fürst Paskewitsch und Polizeiminister Abramowicz gehen in ihren Maßregeln
Hand in Hand und bieten alles auf, den Fremden besonders ihre zärtliche Fürsorge fühlen zu lassen. So weit erstreckt sich die russische Besorgniß, daß jetzt in den etwa noch gestatteten auswärtigen
Zeitschriften nicht mehr wie früher die gefährlichen Stellen mit Druckerschwärze überzogen, sondern gleich ganz herausgeschnitten werden und der Besteller für sein schweres Geld manchmal blos ein
kleines Stückchen Zeitung erhält; bei der Visitation an der Grenze wird auf's strengste darauf gehalten, daß unter den zum Einpacken der Effekten verwandten Papieren nicht etwa alte
Zeitungsblätter sich befinden, alle Bücher der Reisenden werden ohne Ausnahme zurückbehalten und der Besitzer derselben verfällt schwerer Strafe, wenn irgend eines davon den russischen Censur-Gesetzen
zuwider lauft.
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@facs | 0832 |
[
121
] Wien, 26. Nov.
Aus unserer standrechtlichen Tagespresse, die zum Theil selbst ein ultrabestialisches Henkeramt ausübt, über welches sogar das kroatische Militär seinen Abscheu auszusprechen beginnt, und woran nur
die vollständigste Verthierung der Bourgeois Vergnügen findet, werden Sie nur die nach der Verstummung der Hingerichteten redigirten Urtheile gewahr, niemals aber Umstände der Hinrichtung. Mehrere
Hinrichtungen, zuletzt aber die des Dr. Jellinek, sind zu einem wahren Greuel entartet. Es war noch dunkel am Morgen, als er mit Becher hingerichtet wurde. Letzterer stürzte sofort todt nieder,
während Jellinek nur schlecht getroffen zusammensank und, sich in seinen Qualen windend, das entsetzlichste Todesgeschrei ausstieß. Die Soldaten hatten entweder gezittert, oder in der Dunkelheit
schlecht gezielt. Der kommandirende Offizier hatte Noth, sie zu bewegen, dem Jellinek nun hinterher noch den Garaus zu machen. Dies geschah dann in der Weise, daß Jellinek, am Boden ringend, durch
wiederholte Schüsse und Bajonnettstöße, endlich getödtet wurde. Ich habe keine ruhige Nacht mehr seit solchen Scenen, denn alle meine Träume sind Blut und Entsetzen. Wenn Sie sich erinnern wollen, daß
der Radikalismus des Radikalen vornehmlich doch nur in Phrasen bestanden, und daß insbesondere Dr. Jellinek kaum eine radikale Ader besaß, so ist die Hinrichtung dieser Märtyrer kaum begreifbar, wenn
nicht die Motive zum Urtheil hinlänglich zu erkennen gäben, wer vor dieser Gewalt ein Verbrecher ist. — Auch Blum dachte nichts weniger, als an seinen Tod. Er kam wie ein Unwetter über ihn.
Blum hätte gerne noch länger gelebt. Der Pardon, den er in der Brigittenau dreimal nachsuchte, ward ihm aber dreimal versagt. So ließ er sich die Augen verbinden, kniete nieder und verröchelte. Wie
gesagt, die Tagespresse verschweigt solche standrechtlichen Einzelheiten; sie kennt kein Mitleid. — Was Fröbel anlangt, so hat seine Broschüre: „Wien, Deutschland und Europa,“ die
man jetzt erst in volle Rücksicht genommen, selbst Windischgrätz mit ihm ausgesöhnt. Die „Presse“ und „Wiener Zeitung“ preisen, um ihrerseits Fröbel schon jetzt ihre
Reverenz zu bezeigen und ihm einige Genugthuung zu geben, in ihren heutigen Nummern diese Schrift dem Publikum unbedingt an; ja, die Wiener Zeitung hatte dies schon im Laufe des Oktober gethan.
Windischgrätz ist mit Jellachich heute zur Armee nach Ungarn abgegangen, und hat die standrechtlichen Zügel der Regierung ad interim an Welden übertragen. Schon gestern reichte der Gemeinderath
deshalb eine unterthänigste Adresse ein, worin er sich über das beispiellos milde Walten des Fürsten ausspricht, und unglaublich devote Verheißungen macht. Veranlassung dazu hatte neben der Abreise
die sogenannte Aufhebung des Standrechts und Verwandlung in ein bloses Militärgericht gegeben. Mißtrauische, die sich übrigens irren können, wollen in dieser Gnadenbezeigung nur einen Lockvogel
erkennen, etwa verborgene Individuen zum Vorschein bringen zu helfen. Jedenfalls wollen sie erst die Tagesereignisse unter Welden, der noch rücksichtsloser sein soll, als Windischgrätz, abwarten,
bevor sie Zutrauen gewinnen: Andererseits spricht man von einer baldigen Amnestie.
Der erste Antrag, welchen das neue Ministerium Schwarzenberg-Stadion vor den gefesselten Prometheus Oesterreich's nach Kremsier bringen wird, soll dahin lauten, daß der Reichstag erkläre,
die Armee habe sich um das Vaterland verdient gemacht. Unter Latour ist dieser Antrag zweimal durchgefallen, darum wird er diesmal um so gewisser angenommen werden. Er soll den festen Grundstein des
neuen Ministeriums bilden, für welches „die Presse“ vor Entzücken stets aufjauchzt, indem sie es hundertmal auf jeder Seite „ein starkes“ nennt. Sie sehen, die Presse zeigt
viel politischen Scharfblick, wenn sie weiß, daß 100,000 Mann mit 300 Kanonen in der That ministeriell stark genug sind, einige arme Demokraten im Stadtgraben niederzuschießen.
Nicht nur Wien, sondern fast alle Städte Oesterreich's werden à la Paris befestigt, um für die Zukunft jede Erhebung unmöglich zu machen. Die abgelieferten Waffen sind darum auch nicht
in's Zeughaus, sondern in's Neugebäude gebracht worden. Dieses liegt vor der St. Marxer Linie, auf der Straße nach Ungarn, zwischen Simmering und Wien. Windischgrätz hat daraus bereits
ein Fort de Vincennes machen lassen, und die Arbeiten werden fortwährend mit ungeheurer Thätigkeit fortgesetzt. Um die dortigen Blockhäuser liegt eine bedeutende Militärmacht, (großentheils zer-
[0833]
[unleserlicher Text]pte Kroaten) und ein unendlicher Waffen- und Schießvorrath ist hingeschafft worden. Civilisten, die sich dorthin verlieren, werden von dem Militär mit mißtrauischen Blicken beobachtet; es fürchtet
die demokratischen Schnüffler. Wie ich höre, sollen rund um Wien solche Zwingburgen angelegt werden. Wir werden überhaupt in Europa bald überall petits Paris und petits Cavaigna's die Hülle und
Fülle zu bewundern bekommen.
Der Redakteur Häfner von der Constitution, so heißt's, soll in Ollmütz zu Geständnissen abgefoltert werden, die er darum nicht machen kann, weil er keine zu machen hat. Man spricht von
schnöden Mißhandlungen, die man ihm anthut. Straßen, Kaffee's Gasthäuser, Läden, Gewölbe u. s. w. sind noch immer unleidlich, wo nicht gefährlich. Gesicht und Sprache sind dort immer ganz
sichere Verräther für den Fremden, der kein „Wienersch“ redet. Sogleich heißt's: „Aha, wieder ein fremder Republikaner!“
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@facs | 0833 |
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*
] Wien, 26. Nov.
Windischgrätz geht mit Jellachich heute zur Armee nach Ungarn ab; die Magyaren werden morgen von 5 Seiten zugleich angegriffen werden. Von ihrem Sieg oder ihrer Niederlage hängt für Oesterreich
begreiflicherweise ebensoviel ab, wie für Deutschland von dem Siege oder der Niederlage Berlin's.
Blum's Leiche ist aus dem Josephinum, wo sie lag, von seiner Frau fortgenommen worden. Sie wird nach Leipzig gebracht werden.
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24
] Wien, 25. Nov.
Der Gemeinderath macht bekannt, daß von jetzt an bei den sogenannten Nothstandsbauten nur noch unter Verantwortlichkeit und auf Rechnung von Bauunternehmern brodlose Arbeiter beschäftigt werden.
Dabei sind aber sechs Kategorien gänzlich ausgeschlossen, z. B. männliche Personen unter 18, ledige Frauenspersonen unter 30 Jahren etc. Wie groß die Noth unter den Arbeitern und welcher Mangel an
Beschäftigung, zeigte sich in einer der letzten Sitzungen des Gemeinderaths, wo Professor Förster berichtet, daß sich bei der Arbeiter-Kommission bereits 24,000 Personen um Beschäftigung angemeldet
haben. An den Gemeinderath laufen wiederholt Denunziationen wegen verborgener Waffen ein. Die Wienschleuse wird abgelassen werden, weil man im Flußbett viele Waffen vermuthet. Ein Seitenstück zu den
offiziellen Märzverlusten des Militärs in Berlin bietet der hier erschienene amtliche Nachweis über den Verlust der Truppen in den Gefechten bei Wien und Schwechat (gegen die Ungarn) vom 26. bis 31.
Oktober. Er wird nämlich auf bloß 56 Offiziere, 949 Mann und 68 Pferde an Todten und Verwundeten. Wer's glaubt, wird selig; wer aber seinen Unglauben laut äußern wollte, den würde man sofort
beim Kragen packen und sofort standrechtlich behandeln. Doch nein, nicht standrechtlich, blos noch kriegsrechtlich! Denn Bandit Windischgrätz erklärt in einer von gestern aus Schönbrunn datirten
Proklamation, daß, da bisher an den gefährlichsten der eingezogenen Aufrührer die gefällten Standrechtsurtheile vollzogen worden, bei den noch Uebrigen das „ordentliche kriegsrechtliche
Verfahren“ Platz greifen soll. Wegen dieser Proklamation erläßt der aus Italien genugsam berüchtigte Welden, Gouverneur von Wien, seinerseits eine Proklamation, in welcher er die Erwartung
ausspricht, „daß dieser Akt der Gnade allgemeine Anerkennung finden, dankbar gewürdigt und daß selbst noch der kleine Theil der übelgesinnten Bevölkerung hierin eine Aufforderung
finden werde, den Weg des Gesetzes und der Ordnung wieder zu betreten, auf dem das Prinzip des Rechts gepaart (sic) ihnen die sie wieder aufrichtende Hand darbieten solle.“ Darauf mag sich Hr.
Welden und der andere Kumpan verlassen, daß ihnen dieser Hohn, den sie in den ebengedachten Proklamationen zu ihren bisherigen Mordthaten hinzufügen, genau vermerkt werden wird, bis zum Tage der Rache
und Vergeltung. Die Wiener Zeitung bringt heute die Nachricht vom Erschießen Dr. Becher's und Jellinek's. Unter den Gründen ihres Todesurtheils prangt auch der, daß sie „die
Proklamation des Herrn Feldmarschalls herabgewürdigt und für ungesetzlich erklärt haben.“ Danach müßte denn auch der Reichstag — mit Ausnahme der weggelaufenen Deputirten —
erschossen werden; denn der Reichstag hat die nämliche Proklamation gleichfalls für ungesetzlich erklärt.
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@facs | 0833 |
Ulm, 23. Nov.
Ueber die Flucht Fenner's erfahren wir aus seinem Munde folgendes: Nachdem er am 8. in Wien einer Haussuchung glücklich entgangen, wurde er in einen fingirten Buchhändler-Ballen gepackt, der
an einen Herrn in St. Pölten addressirt war, welcher unter den dortigen Schwarzgelben oben an steht. Von St. Pölten flüchtete er bis Linz, wozu er, der Gefahren wegen und da er blos Nachts marschiren
konnte, nicht weniger als 11 Tage brauchte. In Linz nahmen sich die Demokraten seiner an und eskortirten ihn bis Salzburg. Als dort seine Anwesenheit ruchbar geworden, besetzte ein Theil der
Salzburger Bürgerwehr das Gasthaus und ließ, um jede Gefahr von ihm abzuwenden, Niemanden das Haus betreten. Eine komische Scene mag es für Fenner gewesen seyn, als im Postwagen zwischen Augsburg und
Ulm ein Offizier die Rede auf Fenner brachte, mit aller Macht über ihn loszog und er natürlich begeistert in die Suade des Offiziers einfiel. Vermehrt wurde das Komische dieser Unterredung noch
dadurch, daß der Offizier Fenner ganz genau zu kennen behauptete. Möglich wäre das schon, da letzterer durch Abnahme seines Bartes ziemlich unkenntlich geworden ist.
[(Ulm.
Schn.)]
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@facs | 0833 |
[
!!!
] Frankfurt, den 28. November.
Sitzung der National-Versammlung.
Präsident Riesser eröffnet um 1/2 10 die Sitzung mit den Worten: Meine Herren, ich ersuche Sie die Verlesung des Protokolls mit etwas mehr Ruhe anzuhören, da gestern der Vorleser das selbst
gesagt hat, er selbst könne vor Lärm nichts davon verstehen Das Protokoll wird genehmigt. Präsident theilt mit, daß die der Commission für R. Blums Todtenfeier eine Meinungsverschiedenheit
stattfindet, von der die Commission aber will, daß man diese Meinungsverschiedenheit nicht aus Parteirichtungen herleite. Darin ist die Commission einverstanden, daß dem durch gesetzwidrige Tödtung zu
früh dahingeschiedenen Abgeordneten ein Andenken zu veranstalten sei. Die Meinungsverschiedenheit sei erstens formell, die Commission wolle von der Nationalversammlung wissen, ob sie (die Commission)
competent sei, die Feier nach ihrem Willen zu bestimmen? (Hahahaha!) Diese Frage will Riesser erst entschieden wissen, dann kämen die andern Meinungsverschiedenheiten — hierauf erhebt sich ein
ekelhafter Streit über die Theilnahme des Publikums an dieser Feier. Man fürchtet sich vor der zu großen Theilnahme.
Wigard erklärt, die Linke werde sich an dieser Debatte nicht betheiligen. Die Versammlung beschließt endlich mit 241 Stimmen gegen 156, die Commission soll nicht kompetent sein, sondern erst
der Versammlung Bericht vorlegen und die Versammlung wird über dies vorgelegte Programm beschließen. (Also ein Mißtrauensvotum für die Commission: Riesser, Raveaux, Müller aus Würzburg, Wigard.)
Riesser erstattet also den Bericht über dies Programm. Zu einer Kirchenfeier hat man sich geeinigt. Drei Mitglieder haben sich für einen Zug des Parlaments vom Sitzungslokale nach der
Katharinenkirche mit Anschluß der städtischen Behörden, Corporationen etc. ausgesprochen. (Unter den drei Mitgliedern sind Raveaux und Wigard.)
Zusatz-Anträge 1): über die ganze Feier zur Tagesordnung überzugehen, weil es eine unpassende Demonstration gegen die österreichische Regierung sei. (Diesen Antrag stellen und unterstützen die
Ehrenmänner: Osterrath, Radowitz, Lassaulx, Beda Weber, Welker, Grävell, Linde, Sepp u. s. w.) Der Antrag wird verworfen.
2) Die Feier so lange aufzuschieben, bis die Reichscommissäre über die Blumsche Angelegenheit berichtet hätten. Auch dieser ehrenwerthe Antrag (unterstützt von denselben Herren) wird verworfen.
Die kirchliche Feier wird angenommen. Der Zug und alles Uebrige werden (!) nicht (!) genehmigt. Hierauf treten Raveaux und Wigard mit ebenso deutlichen als braven Erklärungen aus der
Commission aus. Es werden zwei andere Mitglieder erwählt werden. Aber die Feier wird wohl banquerott machen.
Gravenhorst interpellirt den Handelsminister und Blumröder den Justizminister. Beide werden später antworten.
Folgt ein dringlicher Antrag von Esterle aus [unleserlicher Text]alavese, wie folgt:
Es wolle die hohe Nationalversammlung beschließen:
Das Ministerium werde aufgefordert, aus Gründen der Gerechtigkeit und Humanität, im Interesse der Ehre Deutschlands und im Interesse einer unglücklichen Nation — mit allen ihm zu Gebote
stehenden Mitteln, sich zu verwenden, damit in den lombardisch-venezianischen Provinzen:
1) Die Militärherrschaft durch die Civilregierung ersetzt werde.
2) Daß die Zusicherungen Seiner Majestät des Kaisers von Oesterreich, sowie die übrigen Verträge geachtet und vollzogen werden, und daher die nach denselben unzuläßige, auf Privatpersonen verhängte
Strafe ber gezwungenen Contributionen oder der Güterconfiscation sofort zurückgenommen werde.
3) Daß sobald als möglich ein billiger und ehrenvoller Friede geschlossen werde.
Der Antrag wird nicht als dringlich erkannt, und geht an den Interpellations Ausschuß. (Wohl zu schlafen!)
Drei Abgeordnete zeigen ihren Austritt an. Hierauf geht man zur Tagesordnung, der Berathung über den Entwurf „das Reichsgericht“ über.
Die Diskussion über Paragraph 2 wird fortgesetzt mit Siemens, welcher gegen den §. spricht, zu dem er eine große Anzahl Anträge gestellt hat. Cnyrim spricht für den Entwurf. von Soiron spricht
noch als Berichterstatter, er verweist fast alle abändernden Anträge zum Entwurf auf die 2. Lesung Soiron spricht 3/4 Stunden, man wird ganz irre!
Abgeordnete Fischer, Siemens, Bernhardi u. s. w. stellen den präjurdiziellen Antrag, die Abstimmung über das „Reichsgericht“ bis Donnerstag zu vertagen. Der Antrag wird verworfen.
Folgt die Abstimmung.
Der Entwurf „das Reichsgericht“ wurde folgendermaaßen angenommen.
§. 1.
„Die dem Reiche zustehende Gerichtsbarkeit wird durch ein Reichsgericht ausgeübt“
§. 2.
Zur Zuständigkeit des Reichsgerichts gehören:
a) Streitigkeiten zwischen der Reichsgewalt und den Einzelstaaten, über den Umfang ihrer Befugnisse.
b) Streitigkeiten aller Art, politische und rechtliche zwischen den einzelnen deutschen Staaten gewillkürte Austräge sind nur zulässig, insoweit durch die Entscheidung der Streitfragen ein
Reichsinteresse nicht beruhrt wird.
c) Streitigkeiten über Thronfolge, Regierungsfähigkeit und Regentschaft in den einzelnen Staaten.
d) Streitigkeiten zwischen der Regierung des Einzelstaates und dessen Volksvertretung, über die Gültigkeit oder Auslegung der Landesverfassung oder wegen Nichtvollziehung ihrer Bestimmungen.
e) Klagen der Angehörigen eines Einzelstaates gegen die Regierung desselben wegen Aufhebung, Verletzung oder verfassungswidriger Veränderung der Landesverfassung.
f) Klagen der Angehörigen eines Einzelstaates gegen die Regierung desselben, sowie gegen die Reichsregierung wegen erlittener Verletzung eines der dem deutschen Volke gewährleisteten Grundrechts.
(Dieser Passus ist eingeschaltet nach einem Antrag von Schreiner [Linke und Centren.])
g) Klagen gegen den Reichsfiskus.
h) Klagen gegen deutsche Staaten, wenn die Verflichtung, dem Anspruch Genüge zu leisten, zwischen mehreren Staaten zweifelhaft oder bestritten ist, desgleichen, wenn die Verpflichtung mehrere Staaten
zugleich trifft.
i) Strafgerichtsbarkeit über die Anklagen gegen die Reichsminister, wegen Verletzung der Reichsverfassung, sowie wegen aller im Gesetz über die Verantwortlichkeit der Reichsminister genannten
Verbrechen.
k) Strafgerichtsbarkeit über die Anklagen gegen die Minister der Einzelstaaten wegen Verletzung der Reichs- oder Landesverfassung.
l) Strafgerichtsbarkeit in den Fällen des Landes- und Hochverraths gegen das Reich.
m) Beschwerden wegen verweigerter oder gehemmter Rechtspflege, wenn die landesgesetzlichen Mittel der Abhülfe erschöpft sind.
n) Streitigkeiten zwischen der Reichsversammlung oder den gesetzgebenden Körpern des Reiches unter sich und der Reichsregierung, welche die Auslegung der Reichverfassung betreffen, wenn die
streitenden Theile sich vereinigen, die Entscheidung des Reichsgerichts einzuholen.
§. 3.
Ueber die Frage, ob der Fall zur Entscheidung des Reichsgerichts geeignet sei, erkennt einzig und allein das Reichsgericht selbst. (Antrag von Knyrim.)
§. 4
Ueber die Einsetzung und Organisation des Reichsgerichts, über das Verfahren und die Vollziehung der reichtsgerichtlichen Entscheidungen und Verfugungen wird ein besonderes Gesetz ergehen.
Als Zusatzparagraph wird angenommen:
„Die Worte „mit Urtheilsfallung durch Geschworene“, sind in diesem ganzen Theile der Verfassung wegzulassen, und die nähere Bestimmung darüber in die Reichsgerichtsordnung zu
verweisen.“
Dieser Zusatz wurde mit 211 Stimmen gegen 171 genehmigt.
Giskra beantragt morgen Sitzung zu halten. (Centren: Nein! Nein!) Donnerstag ist nehmlich Todtenfeier für Rob. Blum und Freitag Buß- und Bettag. Man beschließt mit schwacher Majorität morgen
Sitzung zu halten.
Tagesordnung: 1) ein längsterwarteter Bericht des österreichischen Ausschusses. 2) Bericht über Aufhebung der Flußzölle. 3) Bericht über die rückständigen mährischen Wahlen. 4) Bericht über die
Beschwerden der Seegelschiffahrt etc.
Schluß der Sitzung um 1/2 4 Uhr.
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@type | jArticle |
@facs | 0833 |
[
X
] Karlsruhe, 28. Nov.
Im Laufe der letzten Woche entdeckte ein Wachtmeister bei der Artillerie in Gottesaue vor der Bettstelle des Korporals Schritels ein Heckerbild. Er verwarnte den Sch. und ersuchte
ihn, das Bild verschwinden zu machen. Sch. achtete nicht der sorglichen Mahnung. Kurz darauf stürmt Hauptmann Großmann in das Zimmer des Sch., bemerkt den falschen Heckerfetisch und gebietet
dem Sch. in barschem, heftigem, standesrechtlichem Militärkommandotone das Bild auf der Stelle zu beseitigen. „Es ist eine Schande,“ ruft der große Hauptmann Großmann aus,
„es ist eine Schande,“ wiederholt er in erhöhtem Stimmtone, „es ist eine Schande,“ brüllt der große Großmann zum drittenmale, „es ist eine Schande für einen
Soldaten, ein derartiges Bild zu kaufen und in seinem Zimmer aufzuhängen.“ „Kaufen Sie,“ fuhr er patriarchalisch ermahnend fort, „kaufen Sie dafür den Großherzog u.
dgl.“ Der Korporal Sch. erwiedert: „er wisse nicht warum? Das fragliche Bild sei ein Bild wie ein anderes Bild und dazu ein ganz unschuldiges Bild.“
Einstweilen entfernt sich also Großmann knurrend aus Sch.'s Zimmer und das Heckerbild bleibt auf seinem Platze.
Einige Tage darauf nimmt Oberst Schuberg (früher Schuhknecht) Zimmervisitation vor. Sch. erhält Wind davon und verbirgt seinen Heckerfetisch.
Als die Reihe der Visitation an des Korporals Zimmer kdmmt, ruft der große Hauptmann Großmann mit allen Zeichen des Entsetzens: „Hier in diesem Zimmer Herr Oberst ist es.“
Der Oberst findet es aber nicht. Das Zimmer war so leer von Bildern, wie das Allerheiligste im Tempel Salomonis. Und der „edle“ Hauptmann sprach: „An dieser
Bettstelle hier hat es gehangen und dieser da (auf Sch. zeigend), ist der Mann.“ Also sprach Großmann.
Die Moral von der Geschichte war, daß der Korporal Sch. zu zwei Tagen Dunkelarrest und der erwähnte Wachtmeister wegen vernachläßigter alsbaldiger Anzeige zu vier Tagen Zimmerarrest
verurtheilt wurde.
Das ist das große Ebentheuer von dem erschrecklichen Kampfe des Hauptmanns Großmann mit dem Heckerbilde. Großmann verdient in feiner Reichsdenkmünze verewigt zu werden.
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@facs | 0833 |
Mannheim, den 25. Nov.
Nachdem bei dem bekannten Kriegszustande unserer Stadt die Bürgerwehr aufgelös't worden, ist nunmehr nach 7 Monaten mit einer Reorganisation derselben begonnen worden. Die Offizierswahlen
haben bereits stattgefunden, wobei in allen 10 Fähnlein die von der Volkspartei in Vorschlag gebrachten Kandidaten jedesmal mit weit überwiegender Stimmenmehrheit durchgesetzt wurden.
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@facs | 0833 |
[
*
] Mainz, 28. Nov.
Während sonst die Sontagssitzungen des demokratischen Vereins von preußischen Soldaten, namentlich in letzter Zeit, überaus zahlreich besucht waren, ließ sich in der am Sonntag abgehaltenen Niemand
von diesen bisherigen Gästen sehen. Sie blieben nicht freiwillig aus. Es war den Unteroffizieren und Soldaten der Besuch der Vereinssitzungen ausdrücklich verboten worden. Die Hrn. Offiziere wollten
indeß ganz sicher zu Werke gehen, daß ja keins von ihren Schäflein ferner vom liberalen Gift angesteckt werde. Zu diesem Zweck waren am Sonntage mehrere Feldwebel und Unteroffiziere am Eingang zum
„Frankfurter Hof“ — dem Sitzungslokale — aufgestellt, die jeden Soldaten, der Theil nehmen wollte, zurückwiesen.
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@type | jArticle |
@facs | 0833 |
Triest, 21. Nov.
Caorle soll von den Venetianern genommen worden sein, was auch sehr wahrscheinlich, da die Cernirung Venedigs nur sehr unvollkommen ist und von den schwachen Kräften, die in den jetzigen
Verhältnissen dazu verwendet werden können, auch nicht besser gehandhabt werden kann.
@type | jAnnouncements |
@facs | 0834 |
Civilstand der Stadt Köln.
12. u. 13. Nov.
Geburten.
Joh. Martin, S. v. Peter Pilgram, Dampfschiffmaschinist, Weberstr, Arnold, S. v. Jacob Ossendorf, Karrenbinder, Hundsg. — Wilh. Heinr. Hub., S. v. Theod. Thelen, Kfm., Schilderg. —
Anna Maria, T. v. Anton Burrenkopf, Gärtner, Achterstr. — Lambert, S. v. Jos. Schwaab, Anstr. und Glaser, unter Gottesgn. — Franc. Gertr. Cathar., T. v. Nicol. Anton Hammenstede,
Stempel-Fiskalats-Assistent, Mittelstr. — Anna Maria, T. v. Ferd. Brandt, Plattirer, Johannstr. — Joh., S. v. Joh. Efferen, Tagl., unter Kalenh. — Gottfr. Franz Leon. Hub., S. v.
Leon. Jos. Odendall, Kfm., Thurnm. — Cathar., T. v. Heinr. May, Fuhrm., Catharinengr. — Joh. Ferdin., S. v. Joh. Bröhl, Kleidermacher, Kupferg. — Joh Heinr. Hub., S. v. Math.
Loosen, Rothgerber, Rothgerberbach. — Ein unehelicher Knabe.
Agnes, T. v. Friedr. Bernard, Schneider, Mariengarteng. — Anna Margar. Sib., T. v. Lamb. Kübbeler, Schneider, Malzmühle. — Wilh., S. v. Joh. Esser, Schneider, Marienablaßpl. Maria
Louise Barb., T. v. Wilh. Schumacher, Zuckerarb., Machabäerstr. — Jacob, S. v. Christ. o. Berg, Schuster, Ketteng. — Heinr. Apol., S. v Christ. Schwamborn, Lackirer und Vergolder,
Steinweg. — Joh. Heinr., S. v. Joh. Heinr. Klein, Tagl., Thieboldsg. — Elisab. T. v. Jos. Offermann, Fuhrm., Altengr. — Paul, S. v. Ludw. Creutz, Wollsortirer, Römerg. —
Christ., S. v Serv. Thelen, Schiffer, Thürmchensw. — Ein unehel. Mädchen.
Sterbefälle.
Leon. Anton Funck, 6 T. alt, Josephspl. — Wilh Klein, Schneider, 38 J. alt, verheir., Mörserg. — Ther. Abelshausen, Wittwe Prang, 84 J. alt. Weberstr. — Joh. Lövenich, Tagl, 24
J. alt, unverh., alte Mauer am Bach. — Anton Schmitz, Schiffbauer, 78 J. alt, verheir., Salzg. — Margar. Probst, Wittwe Iven, 82 J. alt, Minoritensp.
Anna Maria Völker, 7 J. alt, Poststr. — Joh. Ludw Grenzheuser, 1 J. 4 M. alt, Brand. Maria Sib. Bollig, 6 J. 5 M. alt, Mühlenbach. — Anna Carol. Joseph. Sophia R[unleserlicher Text]nnen, 1 J. 6 M. alt,
Berlich.
Den 23. und 24. Nov.
Geburten.
Theod., S. v. Peter Münch, Faßb., unter Kranenb. — Anna Maria, T. v. Ferd. Worbertz, Theaterzettelträger, Spinnmühleng. — Christ. Jacob. Julie, T. v. Pet. Joh. Peters, Musiklehrer,
Dominikanern. — Cäc. Carol., T. v. Peter Dreis, Spezereih., Peterst. — Anna Hel. Cathar., T. v. Joh. Jos. Remmer, Dekorationsmaler, Steinweg. — Cathar., T. v. Christ. Wirtz,
Schuster, Waidm. — Anna Maria Hubert., T. v. Peter Joseph Kemp, Schreinerm., Komödienstr.
Bertha, T. v. Wilh. Nottberg, Gastw., Trankg. — Joh. Peter, S. v. Math. Scherrer, Steinh., Sterneng. — Hilar., S. v. Hil. Pütz, Gärtner, Kayg — Franz, Jos. Heinr., S. v. Franz
Wilh. Heinr. Kallen, Kfm. Marzellenstr. — Karl Jos. Hub, S. v. Tilm. Hennes, Schlosserm., Blaub. — Anna Maria, T. v. Casp. Steinborn, Tagl., Frankenthurm. — Ein unehel.
Mädchen.
Sterbefälle.
Anna Gertr. Zimmer, geb. Röder, 51 J. alt, Blindg. — Carol. Auguste Vollhase, 1 J. 11 M. alt, Glockeng. — Urs. Haas, 1 J. 5 M. alt, Josephstr. — Everh. Forsbach, ohne Gew., 51
J. alt, unverh., Hoseng. — Christina Jouy, 7 J. alt, Altengr.
Christ. Sassel, Bierbr., 31 J. alt, verheir., Ursulastr. — Egid. Ortmann, Tagl., 22 J. alt, unverh., Severinstr. — Elisab. Jung, 78 J. alt, unverh., am Hof. — Herm. Julius
Bock, 4 W. alt, Glockenring. — Franc. Maubach, 66 J. alt, unverh., Minoritensp. — Joh Georg Wagener, Schneiderlehrl., 21 J. alt, unverh., gr. Griechenmarkt. — Agnes Bismann, 1 J.
10 M. alt, Friesenwall. — Ein unehel. Mädchen.
Heiraths-Ankündigungen.
(26.) Bern. Hub. Backes, Miethkutscher, Heumarkt und Gertr. Brig. Bilck, Gereonskl.
Vom 25. November 1848.
Geburten.
Pet. Paul Conr., S. v. Conr. Jacob Weingärtner, Dampfschifffahrts-Expedient, Peterstr. — Anna Emma Henr., T. v. Friedr. Rüdiger Bombardier, Entenpf. — Joh. Christ., S. v. Paul Phil.
Aug. Lange, Drechsler, kl. Griechenm. — Cathar., T. v. Jacob Evertz, Kleidermacher, Weißbütteng. — Cathar., T. v. Joh. Kempf, Maurer, Thieboldsg. — Friedr. Aug., S. v. Aug.
Boecker, Tischlerges., Glockenring. — Gertr, T. v. Joh. Bapt. Cosmann, Schuhm., kl. Spitzeng. — Ein uneheliches Mädchen.
Sterbefälle.
Arnold Normand, Hauskn., 47 J. alt, verheir., Johannstr. — Cathar. Grub, Wittwe Böttger, 58 J. alt, Cäcilienstr. — Wilh. Wittfeld, Nagelschm., 17 J. alt, Eigelstein — Andr.
Tuchscherer, Schiffkn., 67 J. alt, verheir., Rothenberg. — Wilhelm. Hubert. Emans, 2 J. 2 M. alt, Severinstr. — Jacob Dethier, 10 J. 10 M. alt. Ursulapl. — Ein unehel. Knabe.
Heirathen.
(24.) Christ. Friedr. Wilh. Schulze, Eisenbahn-Bremser, v. Rathenow, und Anna Cathar. Berends von Iversheim.
Jacob Schell, Büttenmacher, v. hier, und Maria Louise Heusser, v. Frankfurt a. M. — Jacob Nicolai, Priv.-Sekr, v. Geich, und Anna Gertr. Apol. Risisch, v. Cochem. — Joh. Schumacher,
Bäcker, v. Rheindorf, und Joh. Cathar. Gentgen, v. Düren. — Jacob Linz, Rheinarb., und Christ. Zimmermann, beide v. hier. — Karl Aug. Friedr. Ferd. Dürre, Priv.-Sekr., v. Stettin, und
Anna Maria Magdal. Genz, v. hier. — Heinr. Karl de la Motte Fouquet, Renter, v. hier, und Anna Joh. Cord. Brünninghausen, Wittwe Feltmann, v. Zülpich. — Joh. Pet. v. Schoenebeck,
Zuckerarb., v. Windhagen, u. Anna Gertr. Boß, v. Mersch. — Ludw. Kertell, Weinw., v. Bingen, u. Barb. Wirtz, v. hier. — Wilh. Koch, Fuhrm., v. Paffrath, u. Maria Cathar. Reich, v.
Luxemburg.
Anzeigen.
Schifffahrts-Anzeige.
Köln, 30. November 1848.
Angekommen: H. Jansen von Amsterdam mit 3813 Ctr. M. Oberdahn von Mannheim.
In Ladung: Nach Ruhrort bis Emmerich Wwe. Joh. Linkewitz. Nach Düsseldorf bis Mülheim an der Ruhr L. Ducoffre. Nach Andernach und Neuwied J Krämer u. H. Schumacher. Nach Koblenz, der Mosel
und Saar Jos. Zeiler. Nach der Mosel, nach Trier und der Saar J. M. Hain. Nach Mainz Ant. Bender. Nach dem Niedermain Seb. Schulz. Nach dem Mittel- und Obermain M. Roth. Nach Worms und Mannheim Wwe.
A. Dunk., Nach Heilbronn F. Müssig. Nach Bingen A. Hartmann. Nach Kannstadt und Stuttgart L. Hermann.
Nach Rotterdam Kapt. Cösen Köln Nr. 15.
Nach Amsterdam Kapt. Kalfs Köln Nr. 2.
Rheinhöhe am 30 Nov. 9′ 6″.
Eine Frau sucht Arbeit für halbe und ganze Tage Zu erfahren Breitstraße Nr.70.
Bekanntmachung.
Die durch die Allerhöchste Verordnung vom 24. Mai d. J. (Gesetz-Sammlung Nr. 29 pro 1848 und Bekanntmachung des Kön. General-Post-Amts vom 23. d. Mts. in 319 der Kölnischen Zeitung vom heutigen
Tage) erlassene Bestimmung:
daß die Preußischen Post-Anstalten bei Aufgabe von Briefen oder Brief-Adressen auf Verlangen baare Zahlungen in kleinen Beträgen, bis zu 25 Thalern einschließlich,
zur Wieder-Auszahlung an einen bestimmten Empfänger im Bereiche des Preußischen Post-Verwaltungs-Bezirks anzunehmen verpflichtet sein sollen,
wird vom 1. Dez. d. J. bei sämmtlichen Königl. Post-Anstalten zur Ausführung kommen.
In Köln wird dieses Geschäft durch die Ober-Post-Kasse in den vorgeschriebenen Dienststunden, mit Ausnahme der Stunden von 1 bis 3 Uhr Nachmittags besorgt werden.
Köln, den 29. November 1848.
Der Ober-Post-Direktor, Rehfeldt.
Dienstag den 5. Dezember d. J., Vormittags 11 Uhr, soll im Lokale der königlichen Polizei-Direktion hierselbst die Gestellung der zum Transport marschunfähigen Civil-Arrestanten und armen
Reisenden erforderlichen Fuhren pro 1849 öffentlich unter den bei der unterzeichneten Behörde einzusehenden Bedingungen an den Mindestfordernden bedungen werden.
Köln, den 24. Nov. 1848.
Der interim. Polizei-Direktor, Geiger.
Bekanntmachung.
Auf Grund des Gemeinderaths-Beschlusses vom 23. d. Mts. wird hiermit zur öffentlichen Kenntniß gebracht, daß die im hiesigen Hafen zur Erhebung kommende Gebühr für Geriß und Kohlen vom 1. Jan. 1849
an von 5 auf 2 1/2 Centimes pro Centner ermäßigt ist.
Köln, den 24. November 1848.
Der kommiss. Ober-Bürgermeister, Graeff.
Bekanntmachung.
Die zweiundzwanzigste Verloosung der stadtkölnischen Obligationen findet Dienstag den 5. Dezember d. J. Vormittags 10 Uhr, im Rathhause hierselbst Statt, und werden die gezogenen Nummern demnächst
öffentlich bekannt gemacht werden.
Köln, 28. Nov. 1848.
Der kommiss. Ober-Bürgermeister, Graeff.
Bekanntmachung.
Dem handeltreibenden Publikum zur Nachricht, daß für die auf der Köln-Mindener Eisenbahn transportirten und in Schalden von Deutz nach Köln gebrachten Güter eine Ermäßigung
des Werftgeldes | von 5 auf 3 Centimen, |
des Krahnengeldes | von 4 auf 2 Centimen, |
des Waagegeldes | von 4 auf 2 Centimen, |
| zusammen auf 7 Centimen |
pro Centner genehmigt worden ist und mit dem 1. Januar 1849 in Kraft treten soll.
Köln, den 27. November 1848.
Für den abwesenden Hafen-Kommissar.
Der Hafenmeister, Schlaegel.
Bekanntmachung.
Am Samstag den 21. Dezember, Vormittags 9 Uhr, ollen im Lokale des Gastwirthes Heinzen zu Mondorf, sunterhalb der Siegmündung, etwa 25 Schock Faschinen Faßreifenholz und 150 Bürden einjährige
Weiden, welche auf der Insel Kemper-Wehrt geschnitten sind, so wie etwa 50 bis 60 Schock Faschinen vierjähriges Weidenholz, 5 Schock Kopfweidenholz und einige Klafter Pappelnbrandholz, welche in den
königlichen Waarden bei Rheidt gehauen sind, öffentlich an den Meistbietenden verkauft werden.
Die Bedingungen des Verkaufs werden im Termine vor dem Ausgebote vorgelesen werden.
Köln, 23. November 1848.
Der Wasserbau-Inspektor, Schwedler.
Kölnische Dampfschleppschifffahrts-Gesellschaft.
Die Herren Aktionäre werden hierdurch benachrichtigt, daß am Mittwoch den 27. k. M. Dezember eine weitere Ratenzahlung von 15pCt. auf die neuen Aktien im Tempelhause hier Statt findet, wobei die am
2. Januar 1849 fälligen Zins-Coupons unserer Aktien und Obligationen schon in Zahlung angenommen werden.
Da die Quittungen über diese Ratenzahlung auch die Beträge der ersten und zweiten Einzahlung umfassen, so sind die früher ertheilten Bescheinigungen zurück zu geben.
Köln, 25. November 1848.
Die Direktion.
L. Th. Rautenstrauch. Niethen, Sub-Direktor.
Köln-Mindener Eisenbahn.
Wir beabsichtigen, die Beförderung der Passagiere unserer Bahn und ihres Gepäcks nach und von dem Bahnhofe zu Deutz von und nach jedem Punkte der Städte Deutz und Köln mittelst Omnibus und
Droschken auf die Dauer von drei Jahren, vom 1. Januar 1849 ab, im Wege der Submission an denjenigen Fuhr-Unternehmer zu vergeben, welcher bei dem nachzuweisenden Besitze der erforderlichen und
geeigneten Fuhrwerke und Pferde etc., die nach unserem Ermessen annehmbarsten Bedingungen stellt.
Unternehmungslustige haben ihre desfallsigen ausführlichen Offerten bis spätestens den 5. Dezember d. J. in unserem Geschäfts-Büreau (große Sporergasse hierselbst) abzugeben, wo auch die
allgemeinen Bedingungen zu erhalten sind. — Die abgegebenen Offerten bleiben für die Submittenten bis zum 20. Dezember d. J. bindend.
Köln, den 18. November 1848.
Die Direktion.
Rheinische Eisenbahn-Gesellschaft.
Der Inhaber der Dividenden-Scheine Nr. 4 von den Stamm-Aktien unserer Gesellschaft Nr. 5381 bis 5385 hat uns die Anzeige gemacht, daß ihm dieselben abhanden gekommen seien, und hat daher auf die
Mortifikation dieser Papiere bei uns angetragen.
Auf Grund des §. 22 der Statuten der Gesellschaft, fordern wir demnach den gegenwärtigen Besitzer jener Dividendenscheine hierdurch auf, längstens binnen zwölf Monaten von heute ab, entweder
dieselben an uns einzuliefern oder seine etwanigen Rechte auf dieselben geltend zu machen.
Nach Ablauf der in dem citirten Paragraphen des Statuts festgesetzten Frist werden jene Dividendenscheine, falls sie nicht eingeliefert oder die Rechte darauf nicht geltend gemacht worden sind,
öffentlich für nichtig und verschollen erklärt, und an deren Stelle dem Inhaber der Stamm-Aktien Nr. 5381-5385 neue Dividendenscheine Nr. 4 ausgefertigt werden.
Köln, 23. November 1848.
Die Direktion. Hirte, Spezial-Direktor.
Aus dem Tagebuch eines Demagogen.
1. Der unsterbliche Korporalstock.
Früher glaubten die absoluten Regierungen den erwachten Volksgeist durch Kongresse beschwören zu können, — jetzt suchen sie die verhaßte Freiheit durch Belagerungszustände und Verkündigung
des Martialgesetzes zu unterdrücken. Nach dem Vorgange des Wütherichs Alba-Windischgrätz betrat diesen Weg auch das Ministerium des Hochverraths in Berlin. Unter dem Vorwande, Ruhe und Ordnung
wiederherzustellen, verscheucht diese Schrekkensregierung die Ruhe und Ordnung aus ihren letzten Schlupfwinkeln und gräbt sich ihr eigenes Grab.
2. Es geschieht nichts Neues unter der Sonne.
Als Bonaparte der seinen absolutistischen Tendenzen unbequemen Direktorial-Verfassung überdrüßig war, ließ er die versammelten Räthe durch seine Grenadiere auseinander jagen und die
Volksrepräsentation wurde in einem Augenblick unter Trommelschlag aufgehoben (tel est uotre bon plaisir).
3. Beitrag zur österreichischen und preußischen Kabinetspolitik.
Als noch der deutsche Bundestag bestand schloß Preußen sich durchaus der österreichischen Politik an, wodurch sich die Präponderanz dieser beiden Großmächte den übrigen deutschen Bundesstaaten auf
eine sehr druckende und gehässige Weise fühlbar machte. Diese Bedrückung und Unterdrückung traf die heiligsten Volksrechte und äußerte sich vornämlich durch die despotischen Maßregeln gegen die
Demagogen, durch die ängstliche Beaufsichtigung der Universitäten, durch die unerhörte Beschränkung der Preßfreiheit, durch das beharrliche Ignoriren des dreizehnten Artikels der Bundesakte, welcher
allen deutschen Staaten Konstitutionen verheißt u. s. f. So entstand bei den Deutschen eine entschiedene Abneigung gegen den Bundestag, wie der allgemeine Jubel über seine Auflösung bewiesen hat. Aber
die Sympathie zwischen der österreichischen und preußischen Regierung dauert leider noch immer fort. Kaum hat der österreichische Kaiser den Reichstag nach Kremsier verlegt und Wien, unter dem
Vorwande, die dort herrschende Anarchie zu unterdrücken, durch alle Schrecken des Militärdespotismus heimgesucht, so findet auch der König von Preußen sich veranlaßt, die National-Versammlung nach
Brandenburg zu verlegen und den General Wrangel mit 25,000 Mann Polizeitruppen und 200 Feuerschlünden in Berlin einrücken zu lassen. Die Kanonen haben ein nachdrückliches Wort mitzusprechen. Sie sind
der preußischen Devise zufolge die ultima rerum ratio — das letzte Auskunftsmittel.
Wo bleibt da die konstitutionelle Freiheit, welche dem Volke nicht verkümmert werden soll?
Bekanntmachung.
Am zweiten Dezember 1848, Vormittags elf Uhr, sollen auf dem Marktplatze in der Apostelnstraße zu Köln, verschiedene Hausmobilien und Küchengeräthe und ein Laden nebst Theke versteigert werden.
Der Gerichtsvollzieher, Brochhausen.
Im Verlage der Unterzeichneten erscheint seit dem 1. Oktober d. J. Demokratische Zeitung.
Herausgegeben von einer Anzahl entschiedener Volksmänner, unter Mitwirkung vieler Parlaments-Mitglieder der Linken.
Wöchentlich ein Bogen in Folio. Abonnementspreis vierteljährlich nur 54 Kr. — Die Tendenz des Blattes erhellt schon aus dem Namen und ist noch deutlicher aus den Probenummern zu ersehen, die
durch alle Buchhandlungen und Postämter zu beziehen sind.
Neu eintretende Abonnenten erhalten die erschienenen Nummern nachgeliefert. — Die bisherigen Abonnenten des eingegangenen Struve'schen Zuschauers, machen wir vorzüglich auf das
Blatt aufmerksam.
Neustadt a. H.
A. H. Gottschick's Buchhdlg.
Neuerfundene Briefcouverts mit Metallverschluß die unmöglich zu öffnen sind.
Per Dutzend 5 Sgr., bei Abnahme von 100, angemessenen Rabatt, bei Joseph Sachs aus
Frankfurt a. M., im neuen Laden, Obenmarspforten 21 A gegenüber dem Jülichsplatz. Bestellungen von außerhalb werden franco erbeten.
Eine stille Familie sucht eine Wohnung von 4-5 Zimmern, Küche am liebsten im Hinterhaus.
In Ladung in Antwerpen nach der Havannah.
Die spanische Brick „Corazon de Maria“, Abfahrt Ende Dezember.
Man wende sich an die Schiffsmakler C. Grisar, W. J. Marfily und A. C. Retsin.
Im neuen Laden, Obenmarspforten, gegenüber dem Jülichsplatz werden verkauft:
Regenschirme in schwerster Seide von 2 Thlr. 10 Sgr. bis 3 1/2
Thlr.
Zeugschirme von 22 Sgr. bis 1 Thlr. 15 Sgr.
Gebrauchte Schirmgestelle werden in Zahlung genommen. Reisetaschen mit starken Bügeln von 25 Sgr. bis 2 1/2 Thlr.
Gestrickte Unterhosen und Jacken von 15 Sgr. bis 1 Thlr. 10 Sgr.
Cravatten in Atlas und Lasting von 7 Sgr. bis 1 Thlr.
Atlas, Shawls und Schlipse von 25 Sgr. bis 1
Thlr. 10 Sgr.
Wollene Herrenshawls von 8 Sgr. bis 20 Sgr. Foulards, bunte Taschentücher, Gummihosenträger u. s. w.
Ferner werden billig verkauft:
Feines Tuch und Buckskin zu Hosen, die Elle 20 Sgr. oder 1 Thlr. 15 Sgr. Westenstoffe, neueste geschmackvollste Muster, die Weste von 8 Sgr. bis
1 1/2 Thlr.
Schlafröcke und Hausröcke von 2 Thlr. bis 6 Thlr.
Winterpalletos vom stärksten Düffet zu 3 Thlr. 20 Sgr. bis 5 1/2 Thlr. Abd-el-Kader zu 5 Thlr. bis 7
Thlr.
Bournusse in gutem Tuch von 6 Thlr. bis 12 Thlr.
Alle Sorten Handschuhe von 2 Sgr. bis 15 Sgr.
NB. Die Waaren werden wirklich so billig verkauft wie die Preise angegeben sind.
Joseph Sachs aus Frankfurt a. M., im Hause des Hrn. J. M. Farina.
Obenmarspforten, gegenüber dem Jülichsplatze.
Rum von 10 bis 26 Sgr. das Quart.
Punsch-Sirup à 25 Sgr. die Flasche.
Schöne Kastanien. Emmenthaler Schweizer-Käse.
Westphäl. Butter etc. etc. zu billigen Preisen bei A. J. Baurmann Sohn, Breitstraße Nro. 45.
Verkauf dreier Pianoforte's.
Von 120 Thlr., 110 Thlr. und 90 Thlr.
Domhof Nr. 13 bei Späner
Die Restauration und baierische Bierwirthschaft Herzogstraße Nr. 4 wird bestens empfohlen.
C. Hackhausen.
Demokratische Gesellschaft.
Versammlung heute Freitag den 1. Dezember, Abends 7 Uhr bei Wwe. Eiser, Komödienstraße.
Derjenige wohlbekannte Herr, welcher am Montag Abend in der Bierbrauerei, bei Herrn Becker Schildergasse einen grünkarirten Regenschirm mit einem schwarzen verwechselte, wird
ersucht, selbigen im Laufe dieser Woche gegen den seinigen im besagten Lokale wieder umzutauschen, widrigenfalls ich ihn namhaft machen werde.
Zimmer mit Möbeln nebst Frühstück à 6 Thlr. per Monat Herzogstraße Nro. 4 in der Restauration von C. Hackhausen.
Ein guter Mittagtisch für Abonnenten 4 Sgr. Höhle Nr. 15.
Eine Magd gesucht, Obenmarspforten Nr. 10.
Ein Küfer-Kellner gesucht, bei Halin in der Börse.
Omnibus-Fahrten zwischen Köln, Bergheim und Jülich.
Während der Winter-Periode 1848-49 vom 1. November c. ab.
Von Köln nach Bergheim.
Morgens gegen 7 und 10, Nachmittags gegen 4 Uhr.
Von Köln nach Jülich.
Morgens gegen 10 Uhr.
Von Bergheim nach Köln.
Morgens gegen 7, Nachmittags gegen 1 und 5 Uhr.
Von Jülich nach Köln.
Morgens gegen 10 1/2 Uhr.
Ein Junge wird gesucht, der im Stande ist Kommissionen zu verrichten.
Ein solider Schreiber sucht dringend Beschäftigung durch die Exp. dies. Z.