[0815]
Beilage zu Nr. 154 der Neuen Rheinischen Zeitung.
Organ der Demokratie.
Dienstag 28. November 1848.
Deutschland.
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[ 103 ] Berlin, 26. Nov.
Nachdem Grabow vorgestern mit allen Fractionen der Nationalversammlung unterhandelt und sich mit ihnen über die Bedingungen zur Ausgleichung des Conflicts mit der Krone verständigt hatte, begab er sich gestern nach Sanssouci zum Könige, wo er während der ganzen Nacht bis heute Morgen gearbeitet haben soll. Nach zuverlässigen Nachrichten soll es Grabow endlich gelungen sein, den König zu überzeugen, daß kein anderer Weg vorhanden sei, als die Ernennung eines neuen Ministeriums, welches die Verfassung mit der Nationalversammlung zu vereinbaren habe. Grabow machte dem König begreiflich, daß sich das ganze Land gegen eine octroyirte Verfassung erheben werde, daß auch das Frankfurter Parlament sich dagegen erklären müsse, deren Zuneigung er nicht verscherzen dürfe, wenn er deutscher Kaiser werden wolle. Dieser Grund soll gezogen, und den König bewogen haben auf den Vorschlag Grabows einzugehen und ein neues Ministerium zu ernennen. Man spricht von Camphausen, auch von Gagern, welcher heute Morgen als Reichs-Commissar hier angekommen ist. —
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Stralsund Sonntag den 19,
früh am Vormittage, war die Landwehr des Stralsunder Regierungsbezirks zur Einkleidung dorthin berufen. Die Wehrmänner aus Stadt und Land hatten wohl sämmtlich sich eingefunden, verweigerten jedoch einstimmig die Einkleidung, eh' sie den Grund ihrer Einberufung wüßten, auf Grund der §§. des Gesetzes und brachten stürmische Hoch's aus auf die Nationalversammlung. Der Major erklärte seine Unbekanntschaft mit dem Zweck der Einberufung und suchte durch Zureden und Vorstellungen die Wehrmänner zu bereden, hielt es jedoch für gut, nachdem er auf dem Platze herumgedrängt worden war, schleunigst zu retiriren und erschien nicht wieder daselbst. Die Wehrmänner bewegten sich nun nach dem Zeughause, um einige sich darin befindende Cameraden herauszurufen, wurden, in Massen andrängend, von den Stammgefreiten und Wachmannschaften mit Bayonetten empfangen, drängten aber diese in eine höhere Etage hinauf. Bei diesen Scenen wurden die Schilderhäuser umgeworfen und zerschlagen; die Stücke schleuderte man gegen die Fenster des Zeughauses, wobei aus dem versammelten Volke Biele durch Steinwürfe secundirten. Unterdeß erschien ein Hauptmann der Reserveabtheilungen auf dem Platze und schien die aufmarschirte Bürgerwehr zum Einschreiten gegen die Wehrmänner aufzufordern, was von den Angeredeten energisch zurückgewiesen wurde. Auf allen Seiten von Wehrmännern umringt und umdrängt, zog er den Degen, um sich zur Retirade den Weg zu bahnen. Bei dieser Gelegenheit soll er durch Hiebe einige Bürgerwehrmänner verwundet haben, worauf man Schläge gegen ihn führte ihm die Spitze vom Helm schlug, und er schleunig in ein Hotel sich flüchten mußte. Die Bürgerwehr besetzte sofort das Zeughaus, als ein Artilleriemajor zu Pferde sich durch die Landmänner Bahn zu brechen suchte. Die Gequetschten und Verwundeten darüber empört, bedeckten sein Pferd mit Schlägen; der Offizier gab demselben sofort die Sporen und suchte freies Terrain zu gewinnen. Kurze Zeit hernach erschien Artillerie zu Pferde ohne Geschütz und rückte mit gezogener Waffe gegen die Wehrmänner an. Dieselbe wurde aber, und namentlich der Commandeur, der Befehl zum Einrücken ertheilte, dergestalt mit Würfen empfangen, daß er abschwenken ließ und abritt. Während nun die Wehrmänner in der aufgeregtesten Stimmung sich gruppirten, rückte eine Abtheilung Reserve mit gefälltem Bayonett im Schritt an, und wurde mit Hurrah empfangen. Die Landwehrmänner umringten sie drängten sich zwischen die Glieder und suchten auf diese Weise die Bayonette abzuwehren; dennoch schien von Seiten der Soldaten durchaus keine Neigung vorhanden, ernstlich anzugreifen, vielmehr sah sich das Militär genöthigt, sich wieder zurückzuziehen, besonders da die Bürgerwehr, zwischen Landwehr und Militair protestirend sich drängte. Die Wehrmänner einigten sich darauf, nach Hause zurückzukehren, jedoch sich Nachmittags zuvor noch auf dem Platze zu versammeln. Die Greifswalder, wenigstens ein Theil von ihnen, setzten noch erst den Feldwebel von ihrem Vorhaben in Kenntniß, was dieser zu notiren sich bereit erklärte. Die Bewohner der Stadt waren während dieser Scenen sehr aufgeregt, begrüßten und bewillkommten überall die Wehrmänner aufs Freundliche und bewirtheten sie aufs Beste. Nachmittags gegen 5 Uhr verließen sie darauf in Massen die Stadt, um nach allen Richtungen hin in ihre Heimath zurückzukehren.
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Erfurt, 24. Nov.
Nachdem die aufwieglerische Rotte, welche der Dr. Stockmann in Bibra um sich gesammelt hatte, durch seine Verhaftung ihres Führers beraubt, mit leichter Mühe zersprengt worden war, versuchte die Umsturzpartei heute hier eine Schilderhebung, welche aber an dem vortrefflichen Geiste und an der unerschütterlichen Treue und Tapferkeit der Truppen vollständig gescheitert ist. Die Einkleidung von zwei Kompagnien des hiesigen Landwehrbataillons mußte da den Vorwand und die Veranlassung darbieten, obgleich die Landwehrleute sich dem erhaltenen Befehle gemäß gestellt hatten und zur Einkleidung ganz bereit waren. Sie haben sich daher auch bei dieser Schilderhebung in keiner Weise betheiligt. Dagegen hat leider ein Theil der hiesigen Bürgerwehr, nachdem auch ihre Führer sich außer Stande erklärt hatten, mit der Bürgerwehr die Ordnung wieder herzustellen und die Ruhe zu erhalten, bei dem ersten Einschreiten der Truppen auf dieselben wiederholt geschossen und sogleich mehrere Soldaten getödtet und verwundet. In dem hierauf entstandenen Kampfe, bei welchem auch eine Schaar mit geraden Sensen auf langen Stangen sich betheiligte, welche heute erst vertheilt worden sind, hat es auf beiden Seiten Todte und Verwundete gegeben. Um 3 Uhr Nachmittags war indessen die vollständige Niederlage der Aufrührer schon entschieden. Es sind von denselben bis heute Abend 102 Individuen verhaftet, unter denen sich auch die Person befindet, welche die Sensen vertheilt hat. Die Festung und Stadt sind in Belagerungszustand erklärt und für morgen ist die Ablieferungs der Waffen angeordnet.
[(Magdb. Z.)]
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[ * ] Magdeburg, 25. November.
In Herzberg an der Elster sollte vor einigen Tagen das 3te Bat. des 32. Landwehr-Regiments eingekleidet werden. Die Mannschaften weigerten sich aber unter Berufung auf das Gesetz über die Bestimmung der Landwehr entschieden, dem Befehl Folge zu leisten. Nach sehr stürmischen Auftritten gingen sämmtliche Landwehrmänner aus einander und nicht ein Einziger ließ sich einkleiden.
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[ 121 ] Wien, 24. Nov.
Gestern Morgen beim Tagesgrauen sind Dr. Becher und Dr. Jellinek, Redakteure des Radikalen, vor dem Neuthor standrechtlich erschossen worden.
In den Straßen und auf den Wällen, überall noch immer Militärhaufen; den ganzen Tag über Trommelgetön und Patrouillen.
Die Werbung à 10 Fl. Handgeld soll nicht den besten Erfolg haben, und es müssen mithin auf andere Weise Radetzky Truppen verschafft werden.
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[ * ] Kremsier, 22. November.
Heute erste Sitzung des österreichischen Reichstags in unserm erzbischöflichen Palais. Smolka wurde wider Erwarten beim 2. Scrutinium abermals zum Präsidenten erwählt. Sein czechischer Rival, Strobach, hatte 7 Stimmen weniger. Meyer (a. Brünn) u. Losser (a. Salzburg) wurden Vicepräsidenten. Die Czechen fielen also mit ihren Kandidaten durch. Hierauf erzählte Schuselka die Erlebnisse des Reichstages in Wien seit dem 6. Oktober. Die nächste Sitzung wird auf den 25 dieses anberaumt.
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Frankfurt, 24. Nov.
Der Fr. O.-P.-A.-Ztg. nach hat der Erzherzog-Reichsverweser die Entlassung des Unterstaatssekretärs, Hrn. Bassermann, nicht angenommen.
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Frankfurt, 25. Nov.
Gestern Abend hat eine große Anzahl von Abgeordneten der vereinigten Klubs der Linken: Donnersberg, Deutscher Hof, Nürnberger Hof und Westend-Hall, sich zum Behuf kräftigen Zusammenwirkens für das Recht und die Freiheit des deutschen Volks als Verein unter dem Namen März-Verein konstituirt; die Abgeordneten Raveaux aus Köln, v. Trützschler aus Dresden und Eisenmann aus Nürnberg zu Vorsitzenden, Spatz aus Frankenthal zum Schatzmeister, Max Simon aus Breslau, Raus aus Mähren und Wesendonck aus Düsseldorf zu Schriftführern gewählt. Die Mitglieder des linken Centrums: Würtemberger Hof, sind ebenfalls zum Beitritt eingeladen.
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Mainz, 24. Novbr.
Die Truppen vom 28. preußischen Infanterieregiment, welche heute nach der preußischen Rheinprovinz abgehen sollten, sind auf Gegenbefehl hier geblieben. Dagegen werden morgen früh 900 Mann Preußen, wie wir hören, von Bingen aus rheinabwärts gehen. — Den Unteroffizieren und Soldaten der hiesigen preußischen Garnison soll heute das fernere Besuchen des demokratischen Vereins verboten worden sein.
[(F. J.)]
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[ * ] Darmstadt, 24. Novbr.
Gestern Abend gab es viel zu sehen und zu hören. Die schönsten Nachtständchen und gräuliche Katzenmusiken wechselten mit einander. Die Konzertgeber waren lauter „vaterländisches“ Militär, die in solcher Weise mehreren Offizieren ihre Ansichten über das politische Verhalten dieser Vorgesetzten kund zu geben beschlossen hatten. Es wäre damit wahrscheinlich Alles zu Ende gewesen, wenn die Soldaten, als sie von der in Gegenwart einiger Tausend Zuhörer abgehaltenen musikalischen Soiree, nicht die Kaserne verschlossen gefunden hätten. Dieser Umstand war Ursache, daß jetzt Fenster und Thüren zertrümmert wurden. Der Abend schloß mit der Befreiung eines verhafteten Soldaten durch seine Kameraden.
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[ * ] Tilsit, 21. November.
Selbst hier, an der östlichsten Grenze Deutschlands, hat die von der Nationalversammlung in Berlin ausgesprochene Steuerverweigerung die bereitwilligste Zustimmung gefunden. Eine Kommission der hiesigen Kommunalbehörden hat sich nach Gumbinnen mit dem Auftrage begeben, von der dortigen Regierung bestimmte Antwort zu fordern, ob sie auf Seiten des hochverrätherischen Ministeriums Manteuffel-Brandenburg oder der Nationalversammlung zu stehen gesonnen ist. Im ersteren Falle wird die Stadt Tilsit die Ausführung der Steuerverweigerung selbst übernehmen.
Italien.
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[ * ]
Die Mailänder Zeitung vom 15. Nov. bringt eine neue Liste von Personen, welche durch das Plünderungsdekret Radetzky's ausgezogen werden sollen. Montecuculi hatte inzwischen den Tribunalrath Pedersani von Verona nach Mailand kommen lassen, und dieser hatte dem Marschall offen erklärt, in den Annalen Oesterreichs sei ein so infames Gesetz noch nicht vorgekommen, und wenn Radetzky es nicht widerrufe, so werde er, Pedersani, nach Olmütz gehen, in der festen Gewißheit, daß der Kaiser den Schandbefehl des Marschalls umstoßen werde. Daraufhin glaubte man am 18. Nov., Radetzky habe das Dekret bereits zurückgezogen; doch hieß es, er wolle es ersetzen: 1) durch eine additionelle Steuer von 4 Centimes auf den Thaler; 2) durch eine Steuer auf das Kapital; 3) durch 4 Millionen auf den Handel; 4) durch eine andere Steuer, welche sich auf eine der Besteuerung der Emigrirten gleichkommende Grundlage stützen werde.
Radetzky hat eine neue Aushebung aller jungen Leute von 20 bis 25 Jahren befohlen. Die Meisten derselben irren in Italien oder in der Fremde herum, und um sie zur Rückkehr zu zwingen, bedroht der Marschall ihre Eltern und Verwandten mit Gefängniß und andern Strafen.
Auf den Herzog von Modena, der Radetzkys' Raubsystem in seinem Ländchen nachahmt, ist geschossen worden. Die Kugel hat übrigens ihr Ziel verfehlt, und nur den Begleiter den Herzogs, den Major Guerra, verwundet.
Zu Turin fanden am 19. Nov. Demonstrationen für den Krieg Statt. Zahllose Massen umstanden das Ministerium mit dem Rufe: Krieg! Krieg! Nieder mit dem Ministerium! Es lebe die Constituante!
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Rom, 16. Nov. 9 Uhr Nachm.
Ein Aufstand fand Statt, der nach etwa dreistündigem Kampf 8 1/2 Uhr endete. Das Aeußere des päbstlichee Palastes ist von Kugeln durchlöchert; die Todten scheinen nicht sehr zahlreich zu sein; der Kampf scheint besonders zwischen den Schweizern und dem Volk, zu welch letzterem mindestens ein Theil der Linientruppen hielt, stattgefunden zu haben. Zu Ministern sind ernannt: Mamiani für das Aeußere, Galletti Inneres und Polizei, Lunati Finanzen, Sterbini Handel und öffentliche Arbeit, Campello Krieg, Rosmini Präsidentschaft und öffentlichen Unterricht, Sereni Gnaden und Gerechtigkeit. Wegen der Berufung der Constituante, Vollziehung der Kammerbeschlüsse über den Unabhängigkeitskrieg und andern Forderungen des Volks erklärte der Pabst, er stelle die Entscheidung hierüber ganz der Deputirtenkammer anheim. Um 6 Uhr war der Quirinal vollkommen belagert; 6000 Civici und Linientruppen standen vor ihm geschaart; die Kanonen waren auf sein Hauptthor gerichtet, das Volk stellte dem Pabst ein Ultimatum, das er binnen einer Stunde zu bewilligen habe, sonst werde der Pallast genommen und außer seiner Person Alles niedergemacht.
[(A. Z.)]
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[ ** ] Turin, 17. November.
Hr. Bianchi Giovini, Redakteur der Opinione, ist in Anklagestand versetzt und vor Gericht citirt wegen folgender Beschuldigungen: 1. Beleidigung der geheiligten Person des Königs, indem er ihr Eigenschaften zuschrieb, welche Verachtung und Mißvergnügen gegen sie zu erregen geeignet sind; 2. auf die geheiligte Person des Königs den Tadel und die Verantwortlichkeit für die Handlungen seiner Regierung übertragen zu haben; 3. die Lombarden und Venetianer aufgereizt zu haben, die durch die Gesetze vom 11. und 27. Juli errichtete Union zu brechen, sich von dem Königreich zu trennen, um einen andern Staat zu bilden und sich einer andern Regierung zu überliefern.
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[ ** ] Bologna, 18. November.
Die von Garibaldi für Venedig bestimmte Kolonne ist bereits in Faenza durchpassirt und muß den 16. in Ravenna eingetroffen sein.
Belgien.
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[ * ] Brüssel, 26. Nov.
Die belgische Begnadigung ist über die Verurtheilten von Risquons-Tout ergangen. Die über Spilthorn, Mellinet, Tedesco, Bailliu, Guelton, Coopmans, Mathieu, Calonne und Perrin verhängte Todesstrafe oder lebenslängliche Verurtheilung ist in 20jährige Einsperrung in die Citadelle von Huy verwandelt worden; Delestre, Derudder, Carnel, Jouannin, Nouhel, Bacten, Bourgeois, Declerck sind von des Königs Gnade zu 15jähriger Einsperrung verurtheilt worden. So verfährt das Musterland Belgien.
Französische Republik.
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[ 19 ] Paris, 23. Nov.
Unter den vielerlei Karikaturen auf den „Prinzen“ Napoleon ziehen besonders drei an allen Schaufenstern das pariser Volk an. Auf der einen sieht man einen „mit Reliquien bedeckten“ Esel, vor ihm eine Menge Bauern, die voll Bewunderung die Nachtmützen abziehen, und darunter die Unterschrift: „Und dies ist das Volk, welches sich für das erste der Erde hält!“ Die zweite zeigt abermals einen Esel mit dem dreieckigen Hut des Kaisers, hinter ihm das wohlwollende Antlitz des russischen Czaren, und zur Seite Herrn E. v. Girardin, der markschreierisch die „Presse“ schwingt und ausruft: „Man kann ihn dreist fragen, er antwortet nicht.“ Angenehme Bescheidenheit, die ihn vortheilhaft vor dem Esel Bileams auszeichnet. Das dritte Bild läßt denselben Esel schauen, diesmal vor dem Präsidentenstuhl; Herr Thiers hat ihn bei den langen Ohren gefaßt, und sucht ihm nach dem Stuhl zu ziehen, wogegen ihn zwei andere Biedermänner beim Schwanz zurückzuziehen bemüht sind; diese beiden Gestalten gleichen zum Erstaunen dem General Cavaignac, dem unter der Anstrengung seine Mütze in den Nacken gerutscht ist, und dem Präsidenten der National-Versammlung, Armand Marrast, der in schwarzen Hosen und Tanzschuhen, mit einer Zopfperücke und Rittmeister-Schnurbart voll Eifer aus Mund und Nase schnauft; der Esel selbst hat mit schmerzvoller Geberde das Maul geöffnet und rechtfertigt vollkommen die Unterschrift dieser Darstellung Pauvre bête!
Der arme bête Napoleon der mit seinem „Namen“ und mit Nichts als seinem „Namen“ alle übrigen Bedürfnisse zu ersetzen glaubt, hat in der That schwer an den „Reliquien“ zu tragen, mit denen er belastet ist. Weil sein Oheim dem Ager der Revolution die Siebenmeilenstiefel stahl, glaubt der „kleine Prinz mit dem großen Namen“ etwa, es genüge für ihn, ein Zwerg zu sein, um ebenfalls in die Stiefel zu fahren? Aber der Kaiser hat der Welt noch eine andere „Reliquie“ hinterlassen, als den „Namen“ und die Stiefeln, auf deren Erbschaft der prätendirte Däumling Anspruch macht.
Indem der Kaiser in Frankreich die Revolution unterdrückte, trug er sie zugleich in das übrige Europa. Und der Londoner Constabler!
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[ 17 ] Paris, 23. Nov.
Die „Assemblée Nationale“, vielleicht das frechste aller Reaktionsblätter, bewies in einem Leitartikel: „Robert Blum sei mit Fug und Recht, als ein unverbesserlicher Demagog, hingerichtet worden.“ Der „Constitutionnel“ stimmt bei, und höhnt obendrein, Blum habe ja „auch“ Contremarken an der Theaterthür zu Leipzig einst feil geboten; das „auch“ bezieht sich auf Hebert, den Redakteur des Père Duchene von 1793, mit dem Blum in den Augen des stets geistreichen, in Vergleichungen unübertrefflichen Thiersjournals Aehnlichkeit hat. Hierauf hat Dr. Handvogel gebührend erwidert: „Männer wie der deutsche Märtyrer stehen zu hoch, als daß der Constitutionnel an sie hinauf reichen könnte.“ Daß dies „Schmutzblatt in Folio“, wie der unermüdliche Klubpräsident Bernard (von Carcassone) es öffentlich zu nennen pflegt, auf Deutschlands Demokratenpresse ergrimmt, ist wohl natürlich; der in „La Reforme“ übergegangene Artikel der N. Rhein. Zeitung gegen Thiers den nationalökonomischen Schriftsteller, hat böses Blut gesetzt. Alle Pariser- und Provinzial-Thiersblätter poltern, Auch „La Corsaire“ schäkert heute: „Die N. Rhein. Zeitung treibt Plagiat, sie schreibt Hrn. E. de Girardin ab, wenn sie keine Steuern mehr, als Motto wählt.“ Ungemein erheiternd ist das sauersüße Schmollen, womit der „Constitutionnel“ und „La Patrie“ heute den ihnen sonst so lieben „edeln“ Radetzky behandeln; „er hat eine Zwangssteuer auf die mailändischen Reichen gelegt, wodurch er sie ruinirt, und wahrlich nicht zum wahren Vortheil Oestreichs;“ mit tückischem Seitenblick fügen beide Reaktionsblätter hinzu: „wir begreifen jedoch keineswegs das Geschrei gewisser Journale darüber; denn was wollen unsere Herren Socialisten anders, als durch progressive Steuern, durch die Tausend-Millionen-Steuer, durch Cambon's System, ganz wie der alte Marschall es thut, die Besitzenden arm machen? Wir bitten diese Herren, etwas sich zu mäßigen in ihrem Gram und Grimm, es wäre schon im Interesse ihrer Doktrin, oder der Komödie, die sie aufführen. Kämen sie je an's Ruder, dann würden sie uns wie eine eroberte Provinz behandeln.“ Der „Corsaire“ brachte neulich, wie er sagte, aus „bestunterrichteter deutscher Feder“ ein langes angenehmes Feuilleton, worin ganz ernsthaft Jellachich mit Ritter Bayard „der Sophien's hohe Gunst genieße,“ Radetzky mit Nestor, Windischgrätz mit Achill verglichen wird; nichts übersteige des mailändischen Siegers Weisheit, des Bändigers von Prag Energie, des „genialen Banus“ schnellkräftigen, poetischen Schwung. „La Presse“ liefert wieder lehrreiche Vorträge von Herrn Alexander Weill (von Straßburg); z. B. heute erfährt Deutschland: „die Abstimmung der Steuerverweigerung ward durch die Linke erschlichen; sie stieß Geschrei aus und übertäubte somit die Opponenten. Entzöge der König diesen Herren die Habeas-Corpus-Acte, es wäre nicht weniger als billig; in der That, der Pr. Staatsanzeiger hat vollkommen Recht, wenn er der Nationalversammlung die Ermächtigung, Steuern zu weigern, rund weg abspricht; ein Büdget ist ihr ohnehin nie vorgelegt worden, und sie ist jetzt offenbar in Rebellion gegen das Staatshaupt.“ Hauptquelle für das Girardin'sche Blatt und das Journal des Debats ist bekanntlich des Hofkomödianten Schneider „N. Preuß. Zeitung“, und als diese neulich in einem hiesigen Demokratenblatt l'infame gazette du gibet (die niederträchtige Galgenzeitung) genannt ward, nahm sich der stets gerechte Constitutionnel ihrer an. Es versteht sich, daß dieser „in Moder und Eiter zerfallenden“ Presse (um den etwas scharfen, doch richtigen Ausdruck des „Peuple Souverain“ zu gebrauchen) mit Erfolg die kräftige Demokratenpresse opponirt; „La Reforme“ gab oft Berichte über Berlin und den dortigen Demokratenkongreß; das Lyoner „Peuple souverain“ bringt in seiner Nummer vom „27. Brumaire Jahr LVII, christlicher Aera 17. November 1848“ folgenden Leitartikel: „Die preußische Revolution. Unsere Augen sind bisher von dem Drama jenseit des Rheines abgezogen worden durch unsere innere Plackereien und das Herannahen der Präsidentenwahl. Bei uns zu Lande bläst man zum Rückzuge, scheint's, aber in Preußen wandelt die Revolution den Riesenschritt. Der König hat nur noch dem Namen nach Macht, die Reaktion steift sich vermessen auf das Heer und glüht vor Sehnsucht, der Freiheit den Hals zu brechen. Die Wiener Vorgänge haben ihr den Kamm geschwellt, und am Ende wird auch Friedrich Wilhelm jubeln, wenn ein preußischer Windischgrätz in seine Krone ihm ein Sträußlein flicht, wie das was heute an der des Ferdinand von Habsburg schimmert. Allein bei solchem wüsten Mordspiel gewinnt man nicht immer; zumal wenn die Sache ernsthaft, gesetzkräftig, wie in Preußen, geschieht; dort steht die Partie für die Reaktion weit schlechter, als in Oesterreich. Heute handelt sich's nicht mehr um Verhindern des Abmarsches von ein paar Regimentern, um Abbrechen einiger Privilegien, um Auslöschen einiger Mißbräuche. Nein, die Königsmacht hat der Nationalvertreterschaft frech den Handschuh ins Gesicht geschleudert, und diese hat den Handschuh kühn aufgehoben. Ein Thron mit Liniensoldaten einerseits, eine Nation mit Bürgerwehr auf der andern: Da ist der Ausfall nicht schwer vorher zu sehen. Wir hoffen, die preußische Constituante wird in dem Augenblicke, wo unsere Feder dies schreibt, Abrechnung halten, und Europa wird bald eine Zwingherrschaft weniger, eine Volksherrschaft mehr zählen. Ei ihr lieben Reaktionäre Frankreichs! wie fröhlich ihr [0816] hüpftet und in die Hände klatschtet, als das heroische Wien zusammenkrachte und Jellachich, der Barbar, seine Orgien anhub. Jetzt, werthe, Herren, eilt, singet schnell den letzten Vers eures Tedeums, tanzt schnell den letzten Tanz, denn bald wird euer Orchester verstummen vor den Tönen der deutschen Sturmglocken und Siegeslieder, und die Demokraten Italiens, Polens, Deutschlands, Frankreichs und der ganzen Welt werden sich die Hand geben. Der Triumph der preußischen Demokraten ist der Sieg der Freiheit bei allen Nachbarn. Und Frankreich wird, bei Gott! diesem erhabenen Schauspiel nicht träge zusehen. Es wird kühn und pflichtgetreu sich erheben, wie im Wogenschwall seine Regierer mit sich reißen und nöthigenfalls — verschlingen. Nein, tausendmal nein, die französische Republik darf nicht müßig Gewehr im Arm dabei stehen; die Aristokraten geben uns ein Beispiel: jetzt, nach Wien's Opferung, umzingeln sie Berlin, dann gehts nach Italien, dann nach der Schweiz, dann nach Frankreich. Vergessen wir nie die alte Strophe: „Die Franzosen werden überall und jederzeit das frevelnde Königthum in die ewige Nacht hinabstoßen, und Frieden und Freiheit dem Erdkreise geben.“ Die Fourrieristische Democratie pacifique thut jetzt Buße für ihre Albernheit, vor zwei Monaten im Jellachich einen „großen Mann“ gesehen zu haben. Sie und La Reforme eröffneten bereits eine Subskription für Robert Blum's Familie, dessen Andenken auf dem letzten Sonntagsbankett die kräftigsten Toaste und Reden gehalten wurden. Bernard (von Carcassone in seinem Klub am Montparnaß hat den Vorschlag einer Nationalsteuer von einem Sou für die Hinterbliebenen des Freiheitsmärtyrers adoptiren lassen. Das Freiligrathsche Gedicht auf ihn steht in französisch Prosa in acht Zeitungen, und wird noch in Versen übertragen; ebenso das auf Wien. Das „Journal des Debats“ höhnt, es meint die französischen Demokraten hätten selber Geldnoth, doch mitten in diesem Höhnen zuckt das ehrlose Mammons- und Wuchererblatt gar seltsamlich mit den gelben Lügenlippen, es wittert Morgenluft — und wenn es heute im Leitartikel auf die „frechen Lumpendemagogen Berlins,“ auf die „ultra demokratischen rothen Assisen des Kongresses,“ auf die „atheistische Opposition die die preußische Linke gegen den Titel: von Gottes Gnaden macht“ schimpft, so ist das doch eigentlich nur Flitterputz um des Pudels Kern zu verhüllen, und dieser Kern ist eine melancholische Reflexion über Finanzverhältnisse „ohne die ja heute zu Tage nichts zu machen“ meint das Ehrenblatt. Und das eben ist das Famose bei der Geschichte, selbst der Expair und Goldluchs Armand Bertin wird seit seinem Junisiege immer düstrer wenn er das leise Erzittern des einst so soliden Finanzbodens verspürt, und kein Mittel, keins auf weiter Welt, weiß ihn wieder zu louisphilippistischer Sicherheit zurückzuführen. Daher die an Epilepsie und Katalepsie grenzende Tollwuth seiner Kaste, als das berühmte blanqui'sche Wort durch Paris kursirte: „unsere hohe Bourgeoisie lebt vom Kredit und im Kredit, reibt ihn durch fortwährende Agitation diesen Nervenstrang durch, bis er immer dünner wird und endlich reißt ‥‥“
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[ 12 ] Paris, 23. Nov.
Immer noch Cavaignac und Louis Napoleon. Darum dreht sich Alles. Dem Anscheine nach ist der Kampf entsponnen zwischen der arabischen Kappe und dem kaiserlichen Hute, der Wahrheit nach zwischen der Revolution und der Contrerevolution; die Contrerevolution in der Gestalt des Republikaners Cavaignac, die Revolution in der Gestalt des kaiserlichen Louis Napoleon. Je mehr die arabische Kappe sinkt, je höher steigt der kaiserliche Hut. Dieses Mal ist die Kappe dermaßen dem Hrn. Cavaignac eingedrückt worden, daß er wohl schwerlich sich vom Schlage erholen kann. Er selbst hat die Initiative der Interpellationen in der Kammer ergriffen: er selbst sah sich genöthigt, seine Ankläger, die Mitglieder der alten Exekutiven zur Rede zu stellen über die Anschuldigung, die Juni-Insurrektion hervorgerufen zu haben, und dieses Alles, um seine Präsidentschaft zu retten. Marie und Lamartine waren nicht anwesend und der Skandal wird nächste Woche zur Oeffentlichkeit kommen. Cavaignac, sagen wir, repräsentirt die Contrerevolution.
Die Juni-Insurgenten sind von Cavaignac zum Kampfe provozirt worden, um besiegt zu werden. Mit der Niederlage Juni's in Frankreich siegt ganz in Deutschland die Contrerevolution, so wie mit Februar die Revolution anfing. Mit dem Belagerungsstande in Paris kamen die Belagerungsstande über Deutschland, aber in einem weit kläglichern, erbärmlichern Zustande. Die guten Bourgeois lassen sich in Deutschland entwaffnen mit einer Bereitwilligkeit, die einem im Herzen wohl thut. Die Pickelhauben lassen sich muthig die Bürgergewehre ausliefern, weil die rothen Hosen von repulikanischen Hanswürsten und arabischen Hengsten kommandirt werden. Die Revolution, sagen wir, wird vom kaiserlichen Louis Napoleon repräsentirt, d. h. von allen denjenigen, welche Louis Napoleon dem Cavaignac und der Kammer entgegenhalten. Schon daß Louis Napoleon ein ernstlicher Kandidat werden kann, schon der daß ein Mann, bisheran nur durch seine drolligen Abentheuer bekannt ist, ein Mann, der bisheran, sei es als Konstabler, brannte, seine Armee in Bewegung zu setzen, sei es als Prätendent, die Flügel des verschollenen Adlers, daß ein solcher Mann die Stimmenmehrheit zu erhalten die größten Chancen hat — das Alles zeigt, daß die Franzosen mit jedem beliebigen Wege, durch jede beliebigen Mittel aus ihrer Innobilität herausbrechen wollen, daß sie der Belagerungszustände müde sind, und nur darauf sinnen, die Schranken zu brechen, welche eine engherzige Bourgeois-Politik ihnen entgegensetzt. Mit dem Sturze Cavaignac's ist die Contrerevolution gestürzt. Mit dem Sturze Cavaignac's stürzen Windischgrätz und Brandenburg-Manteuffel und etwas anders noch, ich wag' es nicht zu sagen. Und etwas andres noch!
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@facs0816
[ 12 ] Paris, 24. Nov.
Die Franzosen lachen — die Franzosen weinen: sie lachen über die deutschen Zustände resp. Belagerungszustände, sie lachen über den passiven Widerstand — dessen tiefe — „philosophisch-politische“ Bedeutung sie gar nicht zu fassen vermögen. Sie weinen über ihre eigenen Zustände, über Cavaignac und das republikanische Leichengewand. Seitdem der Belagerungszustand über Berlin verhängt ist, schämen sich die Franzosen, ihn länger in Paris zu dulden. Seitdem die preußische Soldateska die preußischen Bürger allenthalben unter Belagerungszustand setzt, und das Land mit Belagerungszuständen umspannt hält, seitdem Brandenburg ein Cavaignac werden will und die preußischen Stadtkommandanten den französischen Ton anzunehmen drohen, weigern sich die Franzosen, länger als Vorbild dienen zu wollen, und Cavaignac steht verlassener als je. Er möge auf den König von Preußen zählen, sowie der König von Preußen früher auf ihn gezählt. So viel steht fest, daß er auf die Franzosen und die französische Armee nicht mehr zählen kann. Die Soldaten sehen ein, daß er sie im Juni-Kampfe gegen ihre eigenen Brüder geführt hat, und erklären in den öffentlichen Klubs, daß sie ihren Irrthum bereuen. Alles wendet sich von Cavaignac ab, und der heutige Tag, wo abermals die Interpellationen stattfinden über die Vorfälle im Juni wird ihn völlig tödten Die besiegte Juni-Insurrektion ist siegreicher als jemals. Die Arbeiter ziehen in großen Haufen wieder durch die Straßen, und tragen selbst den Sieg in den Clubs der Montagnard's davon, wo die Kandidatur Ledru-Rollin's besprochen wird. Ledru-Rollin, heißt es, est trop tard! Raspail oder Barbes! Die Arbeiter wissen zwar recht gut, daß sie ihren Kandidaten nicht durchsetzen können! Aber gleichviel! sie wollen ihre Gesinnung auf die eine oder andere Weise kund thun, und da es einmal fest steht, daß Napoleon jedenfalls die Majorität erhalten wird, durch die ungeheure Menge Bauern, da ferner Napoleon alles Mögliche bedeuten kann, so wollen sie, die Arbeiter, durch ihre Stimmen den Bauern weiter nichts sagen als: Lies Napoleon und sage Raspail. Ledru-Rollin kommt zu spät! Das ist der Ruf der Arbeiter. Von den Constituanten zu den Feuillanten; von den Feuillanten zu den Girondins; von den Girondins zu Danton; von Danton zu Robespierre!
Während die Franzosen an Robespierre, resp. Napoleon und Raspail angelangt sind, stehn die Deutschen am passiven Widerstand stille. Der passive Widerstand, das possierlichste, was es für den Franzosen geben kann. Ich soll mich in meinem Widerstand passiv verhalten. Wenn mich mein Feind umwerfen will, soll ich die Hände in der Hose behalten, statt sie gegen meinen Feind zu gebrauchen. Die Deutschen dagegen behaupten, daß die Franzosen gar nicht verstehen können, was das heißt: passiv Widerstand leisten, die Hände in der Hose stecken lassen und die Steuern verweigern. Passiver Widerstand! das ist ein Wort, wie Gemüth, wie Wehmuth, wie Heimath, das ist eins von den vielen deutschen Wörtern, die sich nicht in's französische übersetzen lassen, und woran die deutschen Sprachlehrer in Paris zu Grunde gehn, wenn es sich darum handelt, deren Bedeutung den Franzosen anschaulich handgreiflich zu machen. Passiver Widerstand und deutsches Gemüth! Die Hände in der Hose stecken lassen, und kein Geld, keine Steuern bezahlen!
„Mann mit zugeknöpfter Tasche,
Dir thut Niemand was zu leide“!
Die Hände in die Hosetasche stecken, sie hartnäckig, stierköpfig in der Hosetasche lassen, trotzig-steif in dieser Stellung beharren wie ein Stockdeutscher, ein Stockpreuße, das ist die eigentliche Bedeutung des passiven Widerstandes, und in meiner Uebersetzung mußte ich den Franzosen andeuten, daß diese Stellung des Deutschen das eigentliche tète--carrée sei. Nun wurde ich verstanden. Der passive Widerstand des tète-carrée! Es käme jetzt bloß noch darauf an, hinter jeden Bauer eine Schildwache zu stellen, um ihm die Hände aus der Hose zu reißen.
Wenn französische Soldaten, französische Gensd'armen und Munizipalgardisten, wie neulich, die Waffen gegen das Volk ergreifen, so hauen ihnen die Franzosen die Hände ab. Es ist dies der aktive Widerstand; es ist dieses ein peremptorisches Mittel, um perfide, vom Volke genährte Hände unschädlich zu machen. Die Deutschen nehmen keine derartige Amputation vor. Sie verfahren methodischer; sie unterbinden den kranken Theil, mittelst einer Ligatur ziehen tagtäglich den Bindfaden mehr zu, berauben ihn tagtäglich mehr der ihm zufließenden Lebenssäfte, bis er verfault, verdörrt abfällt. Insofern gleichen die Deutschen den Türken weit mehr als den Franzosen: denn auch die Türken, obgleich sie gewöhnlich gleich mit dem Messer bei der Hand sind, zögern doch, wenn es sich um die Absonderung eines auswüchsigen Theils handelt. Nach der Aussage der Aerzte soll dieses Verfahren, obgleich langsamer wirkend, doch vor dem spätern Wiedererscheinen des Uebels sichern!
— Sitzung der National-Versammlung vom 25. November.
Der Zudrang von Menschen ist unendlich; allgemeine Spannung.
Cavaignac verlangt Aufklärungen über die Aeußerungen Ledru-Rollins und Garnier-Pages. Es handle sich von persönlichen Verläumdungen.
Barthelemy St. Hilaire liest die hierauf bezuglichen Stellen, welche den General Cavaignac beschuldigen, die von der exekutiven Kommission angeordneten Maßregeln zur Verhutung und Bekampfung der Juni-Ereignisse nicht getroffen zu haben, aus dem alleinigen Grunde, die exekutive Kommission zu stürzen, und sich das Oberkommando übertragen zu lassen. Statt die Konstruktion der Barrikaden zu verhindern, wie es die Exekutiv-Kommission wollte, habe Cavaignac die Barrikaden eine solche Ausdehnung gewinnen lassen, daß er ganz Paris absichtlich in die kritischste Lage versetzte. Ferner habe Cavaignac alle Truppen absichtlich von Paris fern gehalten, und die Garnison von Paris bedeutend geschwacht.
Cavaignac: Die Regimenter, die er aus Paris entfernt habe, hätten meistens nur aus Rekruten bestanden; in Paris sei nur für 14 Regimenter Platz in den verschiedenen Kasernen gewesen, indem die Mobilgarde die meisten in Beschlag genommen hätte. Was den Vorwurf anbeträfe, er habe die Befehle der exekutiven Kommission nicht ausgeführt, so beruhe dieses auf einen Irrthum. Er (Cavaignac) habe Befehle von jedem Mitgliede der exekutiven Kommission insbesondere erhalten, und diese Befehle seien gewöhnlich widersprechend gewesen, so daß, wenn er dem Einen gehorcht, dem andern nicht hatte gehorchen können. Er könne nicht läugnen, daß er Paris habe verlassen wollen; aber er habe es verlassen wollen mit der Armee und der National-Versammlung, um darauf Paris mit den aus den Provinzen angekommenen Nationalgarden neuerdings anzugreifen.
Bixion erklärt, daß Cavaignac die Republik gerettet und keineswegs die Ansicht gehabt habe, sich einen blutigen Weg zur Präsidentschaft zu bahnen.
Garnier-Pages: Er habe viel zu erwidern, und verlange, daß die Sitzung eine Stunde suspendirt werde.
Die Versammlung beschließt um 8 Uhr die Fortsetzung der Debatte.
Abendsitzung vom 25. November.
Barthelemy St. Hilaire spricht an die Stelle von Garnier-Pages. Er habe Cavaignac nicht des Verraths beschuldigen wollen; seine Absicht sei nur, die exekutive Kommission von der auf ihr lastenden Anklage freizusprechen.
Cavaignac dringt auf neue Erklärungen. Er will auch vom Vorwurf der Unvorsichtigkeit nichts wissen.
Garnier-Pages spricht von den verführerischen Anträgen, die ihm und St. Hilaire gemacht worden seien, ihm sei die Präsidentschaft der Versammlung und St. Hilaire das Portefeuille des öffentlichen Unterrichts angeboten worden. Aber er wolle einmal nichts wissen von Cavaignac Wir beide, Cavaignac und ich, wir sind nur etwas durch unsere Brüder. Cavaignac sei ein undankbarer Mensch; er (Pages) sei der erste gewesen, der sogar die Fehler des Generals an der Tribüne vertheidigt habe. Die Republik hänge nicht von einem einzigen Manne, von einem Soldaten ab.
Cavaignac. Die Anträge der Portefeuille haben am 28. Juni stattgefunden, also nach den Juniereignissen.
Landrin. Der Vorwurf gegen Cavaignac ist ungerecht. Die Kommission war mit Impotenz geschlagen; dies war der Grund ihres Zurückzugs, nicht der Ehrgeiz Cavaignac's.
Garnier-Pages. Am 22. Juni wollte die exekutive Kommission sich zurückziehen. Da sei Cavaignac gekommen und habe erklärt, daß sie dieses zum Wohle des Landes nicht dürfe.
Ledru-Rollin beschuldigt Cavaignac, daß er, gegen den Wunsch der Kommission, keine Truppenmacht in Paris konzentrirt habe.
General Bedeau geht in taktische Erläuterungen ein.
Cavaignac spricht von der Trennung, die obgewaltet habe und noch obwaltet zwischen ihm und Ledru-Rollin.
Lagrange spricht von den schmählichen Ausfällen der Presse auf Cavaignac.
Der Präsident läßt über folgende Tagesordnung abstimmen i[unleserlicher Text]
Die National-Versammlung beharrend in ihrem Beschlusse vom 28. Juni 1848, daß der General Cavaignac wohl um das Vaterland verdient habe, schreitet weiter zur Tagesordnung.
Die Anzahl der Stimmenden 537.
Der Antrag ist mit 503 Stimmen gegen 34 angenommen.
Schweiz.
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@facs0816
Edition: [Friedrich Engels: Abdankung Raveaux' – Verletzung der Schweizer Grenze, vorgesehen für: MEGA2, I/8. ]
[ ** ] Bern, 23. Nov.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
Großbritannien.
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@facs0816
[ * ] London, 25. Nov.
Lord Melbourne ist gestern 1/4 nach 6 Uhr auf seinem Landsitz Brocket Hall in Herfordshire gestorben. Am 15. März k. J. würde er 70 Jahre alt geworden sein.
Portugal.
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@facs0816
[ * ] London, 25. Nov.
Die Nachrichten, welche die gestern mit dem Dämpfer Madrid zu Southampton angekommene portugiesische Post mitgebracht hat, sind von keiner Erheblichkeit. Die öffentliche Ruhe war ungestört geblieben, doch sah man demnächst einer ministeriellen Krise mit ziemlicher Bestimmtheit entgegen. Man hielt das Ministerium Saldanha nur für ein Uebergangsministerium, und glaubte, daß der wachsende Einfluß der Gebrüder Cabral es in nicht zu langer Frist zu Gunsten des Conde de Thomar über den Haufen werfen würde.
Afrika.
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[ * ] London, 24. Novbr.
Neuesten, gestern mit dem Schiffe Mary Anne vom Kap der guten Hoffnung empfangenen Nachrichten zufolge, hatte Sir Harry Smith am 21. September eine Proklamation erlassen, worin er die Kolonie benachrichtigte, daß die Insurrektion der Boers nunmehr gründlich unterdrückt sei.
Amerika.
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[ * ] London, 24. Nov.
Nach einer sehr stürmischen und deßwegen etwas längern Fahrt ist das Dampfpacket Severn mit der gewöhnlichen westindischen und mexikanischen Post gestern zu Southampton eingetroffen. Es hat keine Baarschaften zur Auszahlung der mexikanischen Dividende mitgebracht, was bereits an der Börse von gestern Nachmittag ein Weichen der Course von maxikanischen Bons zur Folge hatte.
Die wichtigste politische Nachricht, welche wir mit der Severn empfangen, ist die Bestätigung des bereits früher über die Verein. Staate gemeldeten Aufstandes zu Tampiko. Die Ursache dieser Erhebung ist in den schweren Steuern zu suchen, welche die Centralregierung dem Handel auferlegt hatte. Mit der Verweigerung dieser Steuern nahm die Insurrektion ihren Anfang. Bis jetzt ist sie durchaus siegreich gewesen. Das Volk, nachdem es sich mit der Nationalgarde vereinigt hatte, schlug die Regierungstruppen aus der Stadt, in deren Nähe die letztern sich jetzt verschanzt haben und vor Eintreffen einer vom Sitze der Regierung erwarteten Verstärkung keine weitern Schritte gegen die Insurgenten wagen. Es lebe die Steuerverweigerung — diesseits und jenseits des Oceans!
In Jamaika war Alles ruhig, auf Porto Riko jedoch fürchtete man einen Sklavenaufstand und hatte deswegen allen Verkehr mit St. Domingo aufgehoben, da man glaubte, die freien Neger von Hayti würden ihren Brüdern von Porto Riko eventuell zu Hülfe kommen. — Die Handelsberichte von den westindischen Inseln bieten wenig Neues. Im Ganzen war das Geschäft allenthalben mehr oder weniger gedrückt. Die Erndteaussichten ließen sich im Durchschnitt günstig an.
Aus Yukatan meldet der „Honduras Observer“, daß die Regierungstruppen, zusammen etwa 14,000 Mann, alle Städte und Dörfer, welche in die Hände der Indianer gefallen waren, mit Ausnahme der entferntern wieder genommen haben. Gegen 30,000 Indianer haben sich seit der Wiedereinnahme von Vallidolid, Tekax und Peto mit den Regierungstruppen vereinigt. Die mexikanische Republik unterstützte Yukatan, als einen Theil ihres Territoriums, monatlich mit 15,000 Dollars. Außerdem hatte die Regierung amerikanische Freiwillige hingeschickt, und ließ weitere zu New-Orleans werben.
In Guatemal (Central-Amerika) ging alles drunter und drüber. In der Stadt die Anarchie, vor ihr die Insurrection. Serapio Cruz, der Anführer der Insurgenten, hielt sie eingeschlossen und verlangte ein Lösegeld von 100,000 Dollars, widrigenfalls eine viertägige Plünderung über die Stadt verhängt werden sollte. Diese bot 50,000 Dollars, was nicht angenommen wurde, so daß man bei Abgang der Briefe jeden Augenblick fürchtete, jene Drohung verwirklicht zu sehen.
In Caraccas (Venezuela) scheint die Ruhe nicht weiter gestört worden zu sein.
Die brasilianischen Berichte reichen bis zum 6. Oktbr. und melden einen Ministerwechsel zu Rio Janeiro. Das neue Ministerium ist conservativ. Sein Präsident, Visconde de Olinda, und der Minister des Innern, Visconde de Montealegre, waren beide Regenten während der Minorität des Kaisers. Auch für Bahia und Pernambuco sind neue Präsidenten und Polizeichefs ernannt worden. — Von Rosas sah man einer Kriegserklärung entgegen.
[Leserbriefe]
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Für den demokratischen Central-Ausschuß in Berlin sind bei der Expedition dieser Zeitung ferner eingegangen:
1 Thlr. 15 Sgr. aus Krähwinkel im Kreise Lübeck. — 1 Thlr. zur Förderung der Volksfreiheit, von einigen in C. bei Solingen. — 1 Thlr. für einen Dolch, um Blums Mörder aus der Welt zu schaffen, von R. in Solingen.
Zusammen 580 Thlr. 23 Sgr. 2 Pf. und 48 Kreuzer.
Köln, den 27. Novbr. 1848.
Von der Expedition gestempelte Listen liegen zur Unterzeichnung offen bei:
A. Steintraßer, Perlenpfuhl;
Halin, Börse;
Hamspohn, Freischütz, Hochstraße;
Ciser, beim Eingange während der Volksversammlungen;
J. Obladen, Streitzeuggasse;
Stollwerk, Schildergasse.
Wir fordern die Kölner Bürger hierdurch auf's dringendste auf, den Centralausschuss in Berlin durch Geldmittel sofort zu unterstützen, da ohne Geld es durchaus nicht möglich ist, kräftig aufzutreten.
Wir nehmen Beiträge gerne entgegen.
Köln, den 17. November 1848.
Die Expedition der „Neuen Rheinischen Zeitung.“
Handelsnachrichten.
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Der Gerant: Korff.
Druck J. W. Dietz, unter Hutmacher 17.