Französische Republik.
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19
] Paris, 23. Nov.
Unter den vielerlei Karikaturen auf den „Prinzen“ Napoleon ziehen besonders drei an allen Schaufenstern das pariser Volk an. Auf der einen sieht man einen „mit Reliquien
bedeckten“ Esel, vor ihm eine Menge Bauern, die voll Bewunderung die Nachtmützen abziehen, und darunter die Unterschrift: „Und dies ist das Volk, welches sich für das erste der Erde
hält!“ Die zweite zeigt abermals einen Esel mit dem dreieckigen Hut des Kaisers, hinter ihm das wohlwollende Antlitz des russischen Czaren, und zur Seite Herrn E. v. Girardin, der
markschreierisch die „Presse“ schwingt und ausruft: „Man kann ihn dreist fragen, er antwortet nicht.“ Angenehme Bescheidenheit, die ihn vortheilhaft vor dem Esel Bileams
auszeichnet. Das dritte Bild läßt denselben Esel schauen, diesmal vor dem Präsidentenstuhl; Herr Thiers hat ihn bei den langen Ohren gefaßt, und sucht ihm nach dem Stuhl zu ziehen, wogegen ihn zwei
andere Biedermänner beim Schwanz zurückzuziehen bemüht sind; diese beiden Gestalten gleichen zum Erstaunen dem General Cavaignac, dem unter der Anstrengung seine Mütze in den Nacken gerutscht ist, und
dem Präsidenten der National-Versammlung, Armand Marrast, der in schwarzen Hosen und Tanzschuhen, mit einer Zopfperücke und Rittmeister-Schnurbart voll Eifer aus Mund und Nase schnauft; der Esel
selbst hat mit schmerzvoller Geberde das Maul geöffnet und rechtfertigt vollkommen die Unterschrift dieser Darstellung Pauvre bête!
Der arme bête Napoleon der mit seinem „Namen“ und mit Nichts als seinem „Namen“ alle übrigen Bedürfnisse zu ersetzen glaubt, hat in der That schwer an den
„Reliquien“ zu tragen, mit denen er belastet ist. Weil sein Oheim dem Ager der Revolution die Siebenmeilenstiefel stahl, glaubt der „kleine Prinz mit dem großen Namen“
etwa, es genüge für ihn, ein Zwerg zu sein, um ebenfalls in die Stiefel zu fahren? Aber der Kaiser hat der Welt noch eine andere „Reliquie“ hinterlassen, als den „Namen“
und die Stiefeln, auf deren Erbschaft der prätendirte Däumling Anspruch macht.
Indem der Kaiser in Frankreich die Revolution unterdrückte, trug er sie zugleich in das übrige Europa. Und der Londoner Constabler!
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17
] Paris, 23. Nov.
Die „Assemblée Nationale“, vielleicht das frechste aller Reaktionsblätter, bewies in einem Leitartikel: „Robert Blum sei mit Fug und Recht, als ein
unverbesserlicher
Demagog, hingerichtet worden.“ Der „Constitutionnel“ stimmt bei, und höhnt obendrein, Blum habe ja „auch“ Contremarken an der Theaterthür zu Leipzig einst feil
geboten; das „auch“ bezieht sich auf Hebert, den Redakteur des Père Duchene von 1793, mit dem Blum in den Augen des stets geistreichen, in Vergleichungen unübertrefflichen
Thiersjournals Aehnlichkeit hat. Hierauf hat Dr. Handvogel gebührend erwidert: „Männer wie der deutsche Märtyrer stehen zu hoch, als daß der Constitutionnel an sie hinauf reichen
könnte.“ Daß dies „Schmutzblatt in Folio“, wie der unermüdliche Klubpräsident Bernard (von Carcassone) es öffentlich zu nennen pflegt, auf Deutschlands Demokratenpresse ergrimmt,
ist wohl natürlich; der in „La Reforme“ übergegangene Artikel der
N. Rhein. Zeitung gegen Thiers den nationalökonomischen Schriftsteller, hat böses Blut gesetzt. Alle Pariser- und
Provinzial-Thiersblätter poltern, Auch „La Corsaire“ schäkert heute: „Die N. Rhein. Zeitung treibt Plagiat, sie schreibt Hrn. E. de Girardin ab, wenn sie
keine Steuern
mehr, als Motto wählt.“ Ungemein erheiternd ist das sauersüße Schmollen, womit der „Constitutionnel“ und „La Patrie“ heute den ihnen sonst so lieben
„edeln“ Radetzky behandeln; „er hat eine Zwangssteuer auf die mailändischen Reichen gelegt, wodurch er sie ruinirt, und wahrlich nicht zum wahren Vortheil Oestreichs;“ mit
tückischem Seitenblick fügen beide Reaktionsblätter hinzu: „wir begreifen jedoch keineswegs das Geschrei gewisser Journale darüber; denn was wollen unsere Herren Socialisten anders, als durch
progressive Steuern, durch die Tausend-Millionen-Steuer, durch Cambon's System, ganz wie der alte Marschall es thut, die Besitzenden arm machen? Wir bitten diese Herren, etwas sich zu mäßigen
in ihrem Gram und Grimm, es wäre schon im Interesse ihrer Doktrin, oder der Komödie, die sie aufführen. Kämen sie je an's Ruder, dann würden sie uns wie eine eroberte Provinz behandeln.“
Der „Corsaire“ brachte neulich, wie er sagte, aus „bestunterrichteter deutscher Feder“ ein langes angenehmes Feuilleton, worin ganz ernsthaft Jellachich mit Ritter Bayard
„der Sophien's hohe Gunst genieße,“ Radetzky mit Nestor, Windischgrätz mit Achill verglichen wird; nichts übersteige des mailändischen Siegers Weisheit, des Bändigers von Prag
Energie, des „genialen Banus“ schnellkräftigen, poetischen Schwung. „La Presse“ liefert wieder lehrreiche Vorträge von Herrn Alexander Weill (von Straßburg); z. B. heute
erfährt Deutschland: „die Abstimmung der Steuerverweigerung ward durch die Linke
erschlichen; sie stieß Geschrei aus und übertäubte somit die Opponenten. Entzöge der König diesen Herren
die Habeas-Corpus-Acte, es wäre nicht weniger als billig; in der That, der Pr. Staatsanzeiger hat vollkommen Recht, wenn er der Nationalversammlung die Ermächtigung, Steuern zu weigern, rund weg
abspricht; ein Büdget ist ihr ohnehin nie vorgelegt worden, und sie ist jetzt offenbar in Rebellion gegen das Staatshaupt.“ Hauptquelle für das Girardin'sche Blatt und das Journal des
Debats ist bekanntlich des Hofkomödianten Schneider „N. Preuß. Zeitung“, und als diese neulich in einem hiesigen Demokratenblatt l'infame gazette du gibet (die niederträchtige
Galgenzeitung) genannt ward, nahm sich der stets gerechte Constitutionnel ihrer an. Es versteht sich, daß dieser „in Moder und Eiter zerfallenden“ Presse (um den etwas scharfen, doch
richtigen Ausdruck des „Peuple Souverain“ zu gebrauchen) mit Erfolg die kräftige Demokratenpresse opponirt; „La Reforme“ gab oft Berichte über Berlin und den dortigen
Demokratenkongreß; das Lyoner „Peuple souverain“ bringt in seiner Nummer vom „27. Brumaire Jahr LVII, christlicher Aera 17. November 1848“ folgenden Leitartikel:
„
Die preußische Revolution. Unsere Augen sind bisher von dem Drama jenseit des Rheines abgezogen worden durch unsere innere Plackereien und das Herannahen der Präsidentenwahl. Bei uns zu
Lande bläst man zum Rückzuge, scheint's, aber in Preußen wandelt die Revolution den Riesenschritt. Der König hat nur noch dem Namen nach Macht, die Reaktion steift sich vermessen auf das Heer
und glüht vor Sehnsucht, der Freiheit den Hals zu brechen. Die Wiener Vorgänge haben ihr den Kamm geschwellt, und am Ende wird auch Friedrich Wilhelm jubeln, wenn ein preußischer Windischgrätz in
seine Krone ihm ein Sträußlein flicht, wie das was heute an der des Ferdinand von Habsburg schimmert. Allein bei solchem wüsten Mordspiel gewinnt man nicht immer; zumal wenn die Sache ernsthaft,
gesetzkräftig, wie in Preußen, geschieht; dort steht die Partie für die Reaktion weit schlechter, als in Oesterreich. Heute handelt sich's nicht mehr um Verhindern des Abmarsches von ein paar
Regimentern, um Abbrechen einiger Privilegien, um Auslöschen einiger Mißbräuche. Nein, die Königsmacht hat der Nationalvertreterschaft frech den Handschuh ins Gesicht geschleudert, und diese hat den
Handschuh kühn aufgehoben. Ein Thron mit Liniensoldaten einerseits, eine Nation mit Bürgerwehr auf der andern: Da ist der Ausfall nicht schwer vorher zu sehen. Wir hoffen, die preußische Constituante
wird in dem Augenblicke, wo unsere Feder dies schreibt, Abrechnung halten, und Europa wird bald eine Zwingherrschaft weniger, eine Volksherrschaft mehr zählen. Ei ihr lieben Reaktionäre Frankreichs!
wie fröhlich ihr
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hüpftet und in die Hände klatschtet, als das heroische Wien zusammenkrachte und Jellachich, der Barbar, seine Orgien anhub. Jetzt, werthe, Herren, eilt, singet schnell den letzten Vers eures Tedeums,
tanzt schnell den letzten Tanz, denn bald wird euer Orchester verstummen vor den Tönen der deutschen Sturmglocken und Siegeslieder, und die Demokraten Italiens, Polens, Deutschlands, Frankreichs und
der ganzen Welt werden sich die Hand geben. Der Triumph der preußischen Demokraten ist der Sieg der Freiheit bei allen Nachbarn. Und Frankreich wird, bei Gott! diesem erhabenen Schauspiel nicht träge
zusehen. Es wird kühn und pflichtgetreu sich erheben, wie im Wogenschwall seine Regierer mit sich reißen und nöthigenfalls — verschlingen. Nein, tausendmal nein, die französische Republik darf
nicht müßig Gewehr im Arm dabei stehen; die Aristokraten geben uns ein Beispiel: jetzt, nach Wien's Opferung, umzingeln sie Berlin, dann gehts nach Italien, dann nach der Schweiz, dann nach
Frankreich. Vergessen wir nie die alte Strophe: „Die Franzosen werden überall und jederzeit das frevelnde Königthum in die ewige Nacht hinabstoßen, und Frieden und Freiheit dem Erdkreise
geben.“ Die Fourrieristische Democratie pacifique thut jetzt Buße für ihre Albernheit, vor zwei Monaten im Jellachich einen „großen Mann“ gesehen zu haben. Sie und La Reforme
eröffneten bereits eine Subskription für Robert Blum's Familie, dessen Andenken auf dem letzten Sonntagsbankett die kräftigsten Toaste und Reden gehalten wurden. Bernard (von Carcassone in
seinem Klub am Montparnaß hat den Vorschlag einer Nationalsteuer von einem Sou für die Hinterbliebenen des Freiheitsmärtyrers adoptiren lassen. Das Freiligrathsche Gedicht auf ihn steht in französisch
Prosa in acht Zeitungen, und wird noch in Versen übertragen; ebenso das auf Wien. Das „Journal des Debats“ höhnt, es meint die französischen Demokraten hätten selber Geldnoth, doch
mitten in diesem Höhnen zuckt das ehrlose Mammons- und Wuchererblatt gar seltsamlich mit den gelben Lügenlippen, es wittert Morgenluft — und wenn es heute im Leitartikel auf die „frechen
Lumpendemagogen Berlins,“ auf die „ultra demokratischen rothen Assisen des Kongresses,“ auf die „atheistische Opposition die die preußische Linke gegen den Titel:
von
Gottes Gnaden macht“ schimpft, so ist das doch eigentlich nur Flitterputz um des Pudels Kern zu verhüllen, und dieser Kern ist eine melancholische Reflexion über Finanzverhältnisse
„ohne die ja heute zu Tage nichts zu machen“ meint das Ehrenblatt. Und das eben ist das Famose bei der Geschichte, selbst der Expair und Goldluchs Armand Bertin wird seit seinem
Junisiege immer düstrer wenn er das leise Erzittern des einst so soliden Finanzbodens verspürt, und kein Mittel, keins auf weiter Welt, weiß ihn wieder zu louisphilippistischer Sicherheit
zurückzuführen. Daher die an Epilepsie und Katalepsie grenzende Tollwuth seiner Kaste, als das berühmte blanqui'sche Wort durch Paris kursirte: „unsere hohe Bourgeoisie lebt vom Kredit
und im Kredit, reibt ihn durch fortwährende Agitation diesen Nervenstrang durch, bis er immer dünner wird und endlich reißt ‥‥“
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12
] Paris, 23. Nov.
Immer noch Cavaignac und Louis Napoleon. Darum dreht sich Alles. Dem Anscheine nach ist der Kampf entsponnen zwischen der arabischen Kappe und dem kaiserlichen Hute, der Wahrheit nach zwischen der
Revolution und der Contrerevolution; die Contrerevolution in der Gestalt des Republikaners Cavaignac, die Revolution in der Gestalt des kaiserlichen Louis Napoleon. Je mehr die arabische Kappe sinkt,
je höher steigt der kaiserliche Hut. Dieses Mal ist die Kappe dermaßen dem Hrn. Cavaignac eingedrückt worden, daß er wohl schwerlich sich vom Schlage erholen kann. Er selbst hat die Initiative der
Interpellationen in der Kammer ergriffen: er selbst sah sich genöthigt, seine Ankläger, die Mitglieder der alten Exekutiven zur Rede zu stellen über die Anschuldigung, die Juni-Insurrektion
hervorgerufen zu haben, und dieses Alles, um seine Präsidentschaft zu retten. Marie und Lamartine waren nicht anwesend und der Skandal wird nächste Woche zur Oeffentlichkeit kommen. Cavaignac, sagen
wir, repräsentirt die Contrerevolution.
Die Juni-Insurgenten sind von Cavaignac zum Kampfe provozirt worden, um besiegt zu werden. Mit der Niederlage Juni's in Frankreich siegt ganz in Deutschland die Contrerevolution, so wie mit
Februar die Revolution anfing. Mit dem Belagerungsstande in Paris kamen die Belagerungsstande über Deutschland, aber in einem weit kläglichern, erbärmlichern Zustande. Die guten Bourgeois lassen sich
in Deutschland entwaffnen mit einer Bereitwilligkeit, die einem im Herzen wohl thut. Die Pickelhauben lassen sich muthig die Bürgergewehre ausliefern, weil die rothen Hosen von repulikanischen
Hanswürsten und arabischen Hengsten kommandirt werden. Die Revolution, sagen wir, wird vom kaiserlichen Louis Napoleon repräsentirt, d. h. von allen denjenigen, welche Louis Napoleon dem Cavaignac und
der Kammer entgegenhalten. Schon daß Louis Napoleon ein ernstlicher Kandidat werden kann, schon der daß ein Mann, bisheran nur durch seine drolligen Abentheuer bekannt ist, ein Mann, der bisheran, sei
es als Konstabler, brannte, seine Armee in Bewegung zu setzen, sei es als Prätendent, die Flügel des verschollenen Adlers, daß ein solcher Mann die Stimmenmehrheit zu erhalten die größten Chancen hat
— das Alles zeigt, daß die Franzosen mit jedem beliebigen Wege, durch jede beliebigen Mittel aus ihrer Innobilität herausbrechen wollen, daß sie der Belagerungszustände müde sind, und nur
darauf sinnen, die Schranken zu brechen, welche eine engherzige Bourgeois-Politik ihnen entgegensetzt. Mit dem Sturze Cavaignac's ist die Contrerevolution gestürzt. Mit dem Sturze
Cavaignac's stürzen Windischgrätz und Brandenburg-Manteuffel und etwas anders noch, ich wag' es nicht zu sagen. Und etwas andres noch!
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12
] Paris, 24. Nov.
Die Franzosen lachen — die Franzosen weinen: sie lachen über die deutschen Zustände resp. Belagerungszustände, sie lachen über den passiven Widerstand — dessen tiefe —
„philosophisch-politische“ Bedeutung sie gar nicht zu fassen vermögen. Sie weinen über ihre eigenen Zustände, über Cavaignac und das republikanische Leichengewand. Seitdem der
Belagerungszustand über Berlin verhängt ist, schämen sich die Franzosen, ihn länger in Paris zu dulden. Seitdem die preußische Soldateska die preußischen Bürger allenthalben unter Belagerungszustand
setzt, und das Land mit Belagerungszuständen umspannt hält, seitdem Brandenburg ein Cavaignac werden will und die preußischen Stadtkommandanten den französischen Ton anzunehmen drohen, weigern sich
die Franzosen, länger als Vorbild dienen zu wollen, und Cavaignac steht verlassener als je. Er möge auf den König von Preußen zählen, sowie der König von Preußen früher auf ihn gezählt. So viel steht
fest, daß er auf die Franzosen und die französische Armee nicht mehr zählen kann. Die Soldaten sehen ein, daß er sie im Juni-Kampfe gegen ihre eigenen Brüder geführt hat, und erklären in den
öffentlichen Klubs, daß sie ihren Irrthum bereuen. Alles wendet sich von Cavaignac ab, und der heutige Tag, wo abermals die Interpellationen stattfinden über die Vorfälle im Juni wird ihn völlig
tödten Die besiegte Juni-Insurrektion ist siegreicher als jemals. Die Arbeiter ziehen in großen Haufen wieder durch die Straßen, und tragen selbst den Sieg in den Clubs der Montagnard's davon,
wo die Kandidatur Ledru-Rollin's besprochen wird. Ledru-Rollin, heißt es, est trop tard! Raspail oder Barbes! Die Arbeiter wissen zwar recht gut, daß sie ihren Kandidaten nicht durchsetzen
können! Aber gleichviel! sie wollen ihre Gesinnung auf die eine oder andere Weise kund thun, und da es einmal fest steht, daß Napoleon jedenfalls die Majorität erhalten wird, durch die ungeheure Menge
Bauern, da ferner Napoleon alles Mögliche bedeuten kann, so wollen sie, die Arbeiter, durch ihre Stimmen den Bauern weiter nichts sagen als: Lies Napoleon und sage Raspail. Ledru-Rollin kommt zu spät!
Das ist der Ruf der Arbeiter. Von den Constituanten zu den Feuillanten; von den Feuillanten zu den Girondins; von den Girondins zu Danton; von Danton zu Robespierre!
Während die Franzosen an Robespierre, resp. Napoleon und Raspail angelangt sind, stehn die Deutschen am passiven Widerstand stille. Der passive Widerstand, das possierlichste, was es für den
Franzosen geben kann. Ich soll mich in meinem Widerstand passiv verhalten. Wenn mich mein Feind umwerfen will, soll ich die Hände in der Hose behalten, statt sie gegen meinen Feind zu gebrauchen. Die
Deutschen dagegen behaupten, daß die Franzosen gar nicht verstehen können, was das heißt: passiv Widerstand leisten, die Hände in der Hose stecken lassen und die Steuern verweigern. Passiver
Widerstand! das ist ein Wort, wie Gemüth, wie Wehmuth, wie Heimath, das ist eins von den vielen deutschen Wörtern, die sich nicht in's französische übersetzen lassen, und woran die deutschen
Sprachlehrer in Paris zu Grunde gehn, wenn es sich darum handelt, deren Bedeutung den Franzosen anschaulich handgreiflich zu machen. Passiver Widerstand und deutsches Gemüth! Die Hände in der Hose
stecken lassen, und kein Geld, keine Steuern bezahlen!
„Mann mit zugeknöpfter Tasche,
Dir thut Niemand was zu leide“!
Die Hände in die Hosetasche stecken, sie hartnäckig, stierköpfig in der Hosetasche lassen, trotzig-steif in dieser Stellung beharren wie ein Stockdeutscher, ein Stockpreuße, das ist die eigentliche
Bedeutung des passiven Widerstandes, und in meiner Uebersetzung mußte ich den Franzosen andeuten, daß diese Stellung des Deutschen das eigentliche tète--carrée sei. Nun wurde ich verstanden. Der
passive Widerstand des tète-carrée! Es käme jetzt bloß noch darauf an, hinter jeden Bauer eine Schildwache zu stellen, um ihm die Hände aus der Hose zu reißen.
Wenn französische Soldaten, französische Gensd'armen und Munizipalgardisten, wie neulich, die Waffen gegen das Volk ergreifen, so hauen ihnen die Franzosen die Hände ab. Es ist dies der
aktive Widerstand; es ist dieses ein peremptorisches Mittel, um perfide, vom Volke genährte Hände unschädlich zu machen. Die Deutschen nehmen keine derartige Amputation vor. Sie verfahren
methodischer; sie unterbinden den kranken Theil, mittelst einer Ligatur ziehen tagtäglich den Bindfaden mehr zu, berauben ihn tagtäglich mehr der ihm zufließenden Lebenssäfte, bis er verfault,
verdörrt abfällt. Insofern gleichen die Deutschen den Türken weit mehr als den Franzosen: denn auch die Türken, obgleich sie gewöhnlich gleich mit dem Messer bei der Hand sind, zögern doch, wenn es
sich um die Absonderung eines auswüchsigen Theils handelt. Nach der Aussage der Aerzte soll dieses Verfahren, obgleich langsamer wirkend, doch vor dem spätern Wiedererscheinen des Uebels sichern!
— Sitzung der National-Versammlung vom 25. November.
Der Zudrang von Menschen ist unendlich; allgemeine Spannung.
Cavaignac verlangt Aufklärungen über die Aeußerungen Ledru-Rollins und Garnier-Pages. Es handle sich von persönlichen Verläumdungen.
Barthelemy St. Hilaire liest die hierauf bezuglichen Stellen, welche den General Cavaignac beschuldigen, die von der exekutiven Kommission angeordneten Maßregeln zur Verhutung und Bekampfung
der Juni-Ereignisse nicht getroffen zu haben, aus dem alleinigen Grunde, die exekutive Kommission zu stürzen, und sich das Oberkommando übertragen zu lassen. Statt die Konstruktion der Barrikaden zu
verhindern, wie es die Exekutiv-Kommission wollte, habe Cavaignac die Barrikaden eine solche Ausdehnung gewinnen lassen, daß er ganz Paris absichtlich in die kritischste Lage versetzte. Ferner habe
Cavaignac alle Truppen absichtlich von Paris fern gehalten, und die Garnison von Paris bedeutend geschwacht.
Cavaignac: Die Regimenter, die er aus Paris entfernt habe, hätten meistens nur aus Rekruten bestanden; in Paris sei nur für 14 Regimenter Platz in den verschiedenen Kasernen gewesen, indem
die Mobilgarde die meisten in Beschlag genommen hätte. Was den Vorwurf anbeträfe, er habe die Befehle der exekutiven Kommission nicht ausgeführt, so beruhe dieses auf einen Irrthum. Er (Cavaignac)
habe Befehle von jedem Mitgliede der exekutiven Kommission insbesondere erhalten, und diese Befehle seien gewöhnlich widersprechend gewesen, so daß, wenn er dem Einen gehorcht, dem andern nicht hatte
gehorchen können. Er könne nicht läugnen, daß er Paris habe verlassen wollen; aber er habe es verlassen wollen mit der Armee und der National-Versammlung, um darauf Paris mit den aus den Provinzen
angekommenen Nationalgarden neuerdings anzugreifen.
Bixion erklärt, daß Cavaignac die Republik gerettet und keineswegs die Ansicht gehabt habe, sich einen blutigen Weg zur Präsidentschaft zu bahnen.
Garnier-Pages: Er habe viel zu erwidern, und verlange, daß die Sitzung eine Stunde suspendirt werde.
Die Versammlung beschließt um 8 Uhr die Fortsetzung der Debatte.
Abendsitzung vom 25. November.
Barthelemy St. Hilaire spricht an die Stelle von Garnier-Pages. Er habe Cavaignac nicht des Verraths beschuldigen wollen; seine Absicht sei nur, die exekutive Kommission von der auf ihr
lastenden Anklage freizusprechen.
Cavaignac dringt auf neue Erklärungen. Er will auch vom Vorwurf der Unvorsichtigkeit nichts wissen.
Garnier-Pages spricht von den verführerischen Anträgen, die ihm und St. Hilaire gemacht worden seien, ihm sei die Präsidentschaft der Versammlung und St. Hilaire das Portefeuille des
öffentlichen Unterrichts angeboten worden. Aber er wolle einmal nichts wissen von Cavaignac Wir beide, Cavaignac und ich, wir sind nur etwas durch unsere Brüder. Cavaignac sei ein undankbarer Mensch;
er (Pages) sei der erste gewesen, der sogar die Fehler des Generals an der Tribüne vertheidigt habe. Die Republik hänge nicht von einem einzigen Manne, von einem Soldaten ab.
Cavaignac. Die Anträge der Portefeuille haben am 28. Juni stattgefunden, also nach den Juniereignissen.
Landrin. Der Vorwurf gegen Cavaignac ist ungerecht. Die Kommission war mit Impotenz geschlagen; dies war der Grund ihres Zurückzugs, nicht der Ehrgeiz Cavaignac's.
Garnier-Pages. Am 22. Juni wollte die exekutive Kommission sich zurückziehen. Da sei Cavaignac gekommen und habe erklärt, daß sie dieses zum Wohle des Landes nicht dürfe.
Ledru-Rollin beschuldigt Cavaignac, daß er, gegen den Wunsch der Kommission, keine Truppenmacht in Paris konzentrirt habe.
General Bedeau geht in taktische Erläuterungen ein.
Cavaignac spricht von der Trennung, die obgewaltet habe und noch obwaltet zwischen ihm und Ledru-Rollin.
Lagrange spricht von den schmählichen Ausfällen der Presse auf Cavaignac.
Der Präsident läßt über folgende Tagesordnung abstimmen i[unleserlicher Text]
Die National-Versammlung beharrend in ihrem Beschlusse vom 28. Juni 1848, daß der General Cavaignac wohl um das Vaterland verdient habe, schreitet weiter zur Tagesordnung.
Die Anzahl der Stimmenden 537.
Der Antrag ist mit 503 Stimmen gegen 34 angenommen.