Deutschland.
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Edition: [Karl Marx: Die Frankfurter Versammlung, vorgesehen für: MEGA2, I/8.
]
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] Köln, 22. Nov.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
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] Köln, 22. Nov.
Gestern sollten die Herren Karl Marx, Karl Schapper und Schneider II. wegen des Aufrufs Namens des rheinischen Kreisausschusses der Demokraten (Nr. 147 der N. Rh. Ztg.) vor dem Instruktionsrichter
erscheinen. Man sprach allgemein davon, daß eine sofortige Verhaftung der Vorgeladenen beabsichtigt werde. So unwahrscheinlich dies auch vielen Rechtskundigen vorkam, nahm das Volks-Comité doch
Veranlassung, sich darüber durch eine Deputation bei dem Herrn Oberprokurator Zweiffel Gewißheit zu verschaffen. Derselbe gab die erwartete Erklärung, daß gegen die Vorgeladenen kein Verhaftsbefehl
nachgesucht sei und daß ein solcher möglicherweise nur dann eintreten dürfe, wenn der Aufruf Rebellion herbeiführe; weil dann das Vergehen der Vorgeladenen gegen §. 209, 217, (welches jetzt
nur vor's Korrektionellgericht gehöre), zum Verbrechen würde. — Die Deputirten sprachen übrigens entgegen der Ansicht des Herrn Oberprokurator, daß nach der bezeichneten
Gesetzesstelle der Erscheinungsbefehl hätte erfolgen müssen, die Ansicht aus, daß für jetzt, wo die Nationalversammlung in Berlin als die einzige gesetzliche Behörde in Preußen dastehe, vor
Allen gegen diejenigen Beamten und Behörden, welche den Beschlüssen der Nationalversammlung gewaltthätig entgegenträten oder dazu aufforderten, — wie dies in jüngster Zeit durch den
Oberpräsidenten Eichmann in Koblenz geschehen sei, — sofort eingeschritten werden müsse.
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] Köln, 22. November.
Eine große Volksversammlung in der Reitbahn bei Wego hatte am 19. d. Mts. ein entschiedenes Mißtrauensvotum gegen den hiesigen Stadtrath beschlossen.
Dasselbe wurde gestern durch eine Deputation aus der Volksversammlung bei Eiser dem provisorischen Oberbürgermeister Gräff (eine derm davongelaufenen Deputirten) überbracht, mit dem Antrage auf
sofortige Zusammenberufung des Stadtraths. Derselbe kommt heute deshalb zusammen und wird der Volksversammlung, — die sich deshalb bis heute Nachmittag 2 Uhr vertagte, seine Erklärung abgeben.
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] Köln, 21. Nov.
Einem Erscheinungsbefehle gemäß, begab sich heute Nachmittag unser Mitbürger Schneider II. zum Instruktionsrichter. Das Verhör währte nicht lange. Beim Schluß desselben zeigte sich zugleich,
daß das Gerücht von einem angeblich vorliiegenden Verhaftsbefehl ungegründet war.
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Köln, 20. Nov.
Unsere „Kölnische Zeitung“ ist ein konstitutioneller Staat im Kleinen, der in diesem Augenblicke wie der preußische in lauter Noth und Aengsten schwebt. Die Sophistik will ihm am Ende
doch nicht mehr aushelfen. Das Prinzip von der Theiiung der Gewalten erhält gerade durch dies mächtige Blatt das glänzendste Armuthszeugniß. Hr. Dumont, der Großmufti, der das konstitutionelle Prinzip
gern in einen Dumontschen Absolutismus umkehren möchte, weiß nicht mehr, woran er ist. Sein Premier, Hr. Brüggemann, schwebelt zwischen Himmel und Erde, bald ein wenig demokratisirend, bald wieder der
Alleinherrschaft zuneigend. Mein lieber Hr. Brüggemann, wo ist denn eigentlich Ihr Rechtsboden? In Oestreich haben Sie jedenfalls einen andern wie in Preußen. C'est selon. Sie wollen sich
möglich erhalten. Wer ist der Polizeiminister? Siehe da! ebenfalls Hr. Brüggemann. Er maßregelt alle anarchischen Bestrebungen, besonders die von unten; mit denen von oben verfährt er glimpflicher.
Denn er will sich möglich erhalten. Die kleinen Diebe hängt man, die großen läßt man laufen.
In das Auswärtige theilen sich Hr. Wolfers und Hr. Schwanbeck. Die armen Teufel sind von Natur besser, als sie sich zeigen. Nur Schade, daß sie mit ihren Talenten Wucher treiben. Der Kultusminister
ist v. Schücking. Nun bei Gott, sein Feuilleton ist ein schöner Kultus. Ein Bischen Romantik, ein Bischen Liberalismus, ein Bischen blaustrümpfige Schöngeisterei, aber alles so flau, so matt, so
farblos wie möglich. Das Finanzministerium ist zweifelsohne der beste Theil. Es liegt in den Annoncen. Hr. Dumont hat seine schönsten Fonds aus verrätherischen Adressen. Wo ist das Kriegsministerium?
Es existirt nicht. Hr. Dumont ist zufrieden, wenn man seinen konstitutionellen Staat in Frieden läßt. Aber wie wird es ihm ergehen, wenn einmal die Demokratie siegt? Ich fürchte, daß dann das
Ministerium Brüggemann seine Entlassung erhält.
[(Düss. Ztg.)]
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] Düsseldorf, 22. Nov.
So eben wird unsere Stadt in Belagerungszustand erklärt. Die Bürgerwehr ist aufgefordert, heute Nachmittag um 2 Uhr die Waffen abzuliefern. Truppenabtheilungen stehen auf allen Plätzen. Die
Ankündigungs-Plakate scheinen schon viele Tage vorher gedruckt zu sein, da das Datum mit Dinte ausgefüllt ist.
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103
] Berlin, 15. Nov.
Ruhe, die tiefste Ruhe herrscht in der ganzen Stadt. Die Abholung der Waffen geht ihrem Ende nahe. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird der Belagerungszustand binnen einigen Tagen aufgehoben werden
und das Gesetz wieder in Kraft und Wirksamkeit treten. Zur Zeit herrscht noch die Willkür. Wrangel läßt verhaften und Niemand findet sich, der die Verhafteten richten will. Die Militär-Auditeurs,
welche die Kriegsgerichte bilden sollten, haben ihre eigene Kompetenz für unzulässig erklärt und alle Gefangene dem Kriminalgericht überwiesen. Das Kriminalgericht findet den Grund der Verhaftung für
nicht strafbar und entläßt die Gefangenen.
Hr. Milde soll seinen Wiedereintritt in die Versammlung dem Präsidenten Unruh angezeigt haben. Schlagende Gründe haben, wie man sagt, diesen Schritt des ehrenwerhen Abgeordneten veranlaßt. (Sein
Erlebniß im Bahnhof zu Liegnitz!)
Die Steuerverweigerung scheint unserer Regierung doch fühlbare Sorge zu machen. Geld, Geld, das bewegt die ganze Welt. Ohne Geld kann man keine Armee auf dem Kriegsfuß erhalten; und deshalb nimmt
die Regierung das Geld, wo sie es nur bekommen kann. Die großen Baarvorräthe der Bank, obgleich Privateigenthum, sind zum größten Theil schon längst nach der Citadelle in Magdeburg in Sicherheit
gebracht. Gestern und heute soll man noch fortgeschafft haben, was nur möglich war. Der hiesige Kassenverein hat aus diesen Gründen Angst bekommen, er fürchtete, daß man auch bei ihm nehme, was man
finde, und forderte deshalb heute alle die, welche mit ihm in Verbindung stehen, auf, ihr Guthaben abzuholen.
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103
] Berlin, 20. Nov.
Die Contrerevolution hat durch den unerwarteten passiven Widerstand Berlins ihre ganze Energie verloren. Ihr Plan war auf gewaltsame Maßregeln berechnet. Jetzt weiß sich nun die Contrerevolution
gar nicht zu helfen. Sie weiß nicht, ob sie mit der Nationalversammlung weiter gehen, oder ob sie dieselbe auflösen soll. So viel man auch von einem neuen Ministerium sprach, scheint man es doch noch
länger mit dem alten versuchen zu wollen. Auch will man den 27sten ruhig abwarten und sehen, wer sich in Brandenburg zur Sitzung der Nationalversammlung einfinden wird. Wie wir vernommen haben, werden
diejenigen Abgeordneten, welche sich dort einfinden werden, sogleich eine unterthänige Bitte an Se. Majestät richten, die Versammlungen wieder in Berlin stattfinden zu lassen, und Majestät wird Alles
in Gnaden genehmigen. Doch liegt noch eine ganze Woche dazwischen und wer weiß, was bis dahin sich ereignen kann. Von Breslau erwartet man heute Abend oder morgen die Nachricht von der Einsetzung
einer provisorischen Regierung. Es ist Thatsache, daß der Oberpräsident Pinder, weil er sich für die Nationalversammlung erklärt hat, seines Amtes entsetzt worden ist. Das Ministerium hat
bereits gestern die Stelle kommissarisch besetzen lassen. Man spricht vom Baron Schleinitz als Nachfolger Pinder's. Man hofft hier, daß Breslau mit sich nicht wird spaßen lassen und daß
es den Militärmaßregeln des Ministeriums aktiven Widerstand entgegensetzen wird.
Die neue Wache, zwischen dem Zeughause und der Universität, wird mit einem eisernen Gitter umgeben, um die Soldaten außer jede Berührung mit dem Volke zu bringen. Diese eisernen Gitter erhalten
eine so tiefe und breite Grundlage, daß heute alle Vorübergehende erstaunt dabei stehen blieben und sich einander fragten, ob dies etwa die versprochene Verfassung auf breitester Grundlage werden
solle.
Mehrere, im Laufe der letzten Woche, willkürlich von den Solverhaftete Personen sind, nach mehrtägiger Haft, ohne auch nur einmal verhört worden zu sein, heute wieder entlassen worden.
In der Decker'schen Geheimen-Ober-Hofbuchdruckerei wird ein Aufruf an das preußische Volk, welcher jedoch keine Namensunterschrift trägt, in 170,000 Exemplaren gedruckt, um im ganzen Lande
verbreitet zu werden.
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20
] Berlin, 20. Nov.
Diejenigen, welche nicht glauben, daß die Kamarilla im Stande sei, noch länger auf ihrem Willen zu bestehen, reden von einer in nächsten Tagen mit Bestimmtheit zu erwartenden Transaction. Man nennt
sogar schon allgemein den Fabrikanten des neuen Ministeriums — jenen edelsinnigen, hochherzigen „Dombauer“, dessen „Wiege am Webestuhl stand“ und als seinen
Assistenten den „Uebergangsminister“ Camphausen. Beckerath und Camphausen sollen also Manteuffel und seine Bedienten Brandenburg und Wrangel beerben; „der Schild der Krone“
soll sich nun auch einmal als „Schild des Volks“ blamiren und wie einst von der Revolution zur Constitution, so jetzt von der Contre-Revolution, dem Belagerungszustande, zur
Constitution, und das zur „wahren“, „aufrichtigen“, „treuen“ Constitution, den Uebergang machen. Herr Camphausen scheint zur Transaction geboren. — In
wiefern dieses Gerücht mit dem andern von der Octroyirung einer Charte in Widerspruch steht, sehen wir noch nicht. Gerade eine octroyirte Charte und zwar die des Hrn. Camphausen, gerade eine solche
mit einem solchen Ministerium, wäre sie nicht (in den Augen der Regierung wenigstens) der beste Brei für unsere ruhemüthigen Weißbierphilister? — Wir geben übrigens wenig auf diese Gerüchte.
Die Hofpartei wird entweder „mit Ehren“ fallen, oder sich nur halten, indem sie sich auf die lächerlichste Weise kompromittirt. Die Krone hat zwischen dem materiellen und moralischen
Sturze kein Drittes mehr zu wählen.
Wie sehr übrigens Wrangel und Brandenburg nur Bedienten Manteuffels sind, zeigt eine Unterredung des Redakteurs der Nationalzeitung mit Wrangel. Jener sagte diesem unter Anderm, daß er ihn wegen
Schadenersatz verklagt habe, da er ohne Befehl der Regierung handle, worauf Wrangel erwiderte, daß er nicht selbstständig, sondern nur auf Befehl der Ministers Manteuffel agire. —
Kostbare Geschichte! Einer schiebt's immer auf den Andern!
Die Entwaffnung geht auch in den übrigen Stadtvierteln ruhig ihren Gang. Niemand widersetzt sich, doch werden viele Waffen versteckt, so daß Berlin doch nicht gänzlich unbewaffnet ist. —
[0788]
Gestern sind wieder über 10,000 Mann Soldaten in der Umgegend einquartirt worden und es wird noch immer mehr erwartet. Das Militärkommando will hier ganze Häuser miethen, um die neu ankommenden
Truppen hineinzulegen. Der Dienst des Militärs ist sehr erschwert; besonders geplagt ist die 3te Jägerabtheilung, die auf dem Plateau des Schlosses bivouakiren muß; ferner das Franz- und
Alexander-Regiment.
Verhaftungen und Ausweisungen finden noch immer Statt. Bei erstern zeigt sich die Brutalität des Unteroffiziers gewöhnlich in voller Glorie. Bierwirthe, die über 10 Uhr geöffnet haben, werden ohne
Weiteres sammt den Gästen fortgeschleppt und 24 Stunden eingesperrt. — Dem Buchdrucker Fähndrich, welcher die Bekanntmachung des Ass. Wache hatte drucken lassen, zerstörten die Soldaten, welche
zu seiner Verhaftung abgeschickt waren, was sie in seiner Wohnung und Druckerei nur fanden. Aber das nicht allein, sie stahlen ihm seine goldene Tabatière, einen Brillantring und 50 Thlr.,
die Fähndrich in der Eile der Flucht zu sich zu stecken versäumt hatte. — Auch „preußische Ehre“!
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14
] Berlin, 20. Nov.
Der Belagerungszustand hat schon viel von seiner anfänglichen Romantik verloren. Die Menagerie hinter den Schloßgittern zählt weniger Zuschauer, die Klubs auf den Straßen haben aufgehört, der
Eckenwitz ist ganz verschwunden und die größte Kühnheit der Gamins beschränkt sich jetzt auf das dumpfe Jodeln des berühmten: „Was ist des Deutschen Vaterland???“ Hr. Wrangel lebt wie
ein Pascha im Schlosse und 2500 Trabanten umgeben ihn. Der gute Mann wußte vor 8 Tagen noch nicht, daß seit dem März die Censur aufgehört habe. Bei Gelegenheit des Verbots der Zeitungen motivirte er
diese Maßregel dadurch, weil die bisherigen Censoren ihre Pflicht nicht erfüllt hätten. Seine Censoren erfüllen ihre Pflicht. Wie es möglich wurde, die tapfre Berliner Bürgerwehr zu zwei Drittheilen
zu entwaffnen, darüber kursiren interessante Berichte, die einen Blick thun lassen in das ekelhafte Treiben der großen, mittelmäßigen und kleinen Bourgeois. Nur einige Beispiele. Der Besitzer vieler
Miethwohnungen kann die Zeit nicht erwarten, seine Waffe abzugeben, aber er will nicht der Einzige sein, sondern geht zu seinen Miethsleuten, die in der Kreide stehen, und erläßt ihnen 5 - 10 Thlr.
vom Miethzins, falls sie ebenfalls die Waffen abgeben. Viele sind durch Drohungen wegen Denunziation oder durch Weibergeheul verführt worden, eine Menge wurde wirklich denunzirt, theils aus alter
Feindschaft, theils aus Nahrungsneid. Die Konkurrenten konkurrirten in der Bosheit. Von den Maschinenbauern hat man etwa die Hälfte der Waffen bekommen. Diese klugen Leute erklärten zuletzt, nachdem
die Philister vorangegangen waren in der Waffenabgabe, daß sie nicht Willens seien, für diese Elenden die Kastanien aus dem Feuer zu holen. Uebrigens muß ich bemerken, daß es wohl keinem Zweifel
unterliegt, daß jeder tüchtige Berliner, dem es Ernst ist mit der Freiheit, sich nicht gänzlich hat entwaffnen lassen.
Unser Aller Augen sind nun gespannt auf die Provinzen gerichtet. Schlesien erweckt starke Hoffnungen, gleichfalls Sachsen und Pommern. Aber die Rheinprovinz?
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14
] Berlin, 20. Nov.
Am vorigen Montage erhielt die bäuerliche Deputation von Glogau Audienz in Potsdam, und wurde nach dem Motive ihrer Widersetzlichkeit befragt. Sie antwortete: Daß die Nationalversammlung im Rechte
sei — worauf eine allerhöchste Person erwiederte: „Ach was, darum handelt es sich ja nicht — kennen Sie nicht die Revolutionsgeschichte von 1792 — man will mich meiner
Krone berauben, man will es mir machen wie jenem — und darum — —“ Die Bauern wissen zum Glück auch ohne tiefes Studium der Geschichte, wo Barthel den Most holt. Sie sind
unbekehrt und unüberzeugt wieder heimgegangen,
Die Sessel und Bänke des Sitzungslokals der Nationalversammlung im Schauspielhause werden heute fortgenommen und zur Eisenbahn gefahren, die sie nach Brandenburg besorgt. Die Bänke werden sie also
dort hinbekommen, aber schwerlich die Menschen, welche hier darauf saßen.
Gestern Nacht wurden 23 Kompagnien Soldaten von hier nach Schlesien geschafft. Die Mannschaften sind aus den hiesigen Regimentern genommen.
Simon von Breslau, der bisher in der Frankfurter Versammlung war, ist dort ausgetreten und gestern in die hiesige Versammlung eingetreten.
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24
] Berlin, 19. Nov.
Ein Aufruf an das Volk ist, von den einzelnen Abgeordneten unterzeichnet, an die Wahlkreise abgegangen. Die Zahl der einlaufenden Zustimmungsadressen und der ankommenden Deputationen wächst mit
jedem Tage. Der letzte gedruckte Bericht der Petitionskommission macht allein 478 eingelaufene Adressen namhaft und bemerkt am Schluß, daß nach der Abfassung dieses Berichts bereits 105 neue
Adressen übergeben sind, unter denen eine Zustimmungsadresse des Landtags von Oldenburg sich befindet.
Das Archiv der Nationalversammlung mit über 12,000 Petitionen aus allen Theilen des Landes ist theils verbrannt, theils zerrissen. Das Ministerium hatte sich geweigert, es aus den Händen der
Soldaten dem Präsidenten der Nationalversammlung zu übergeben.
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*
] Berlin, 20. Nov.
Der Magistrat in Görlitz hat den Beschluß der Nationalversammlung über die Steuerverweigerung durch ein Plakat zur Kenntniß der Einwohnerschaft gebracht. Er legt den Beschluß dahin aus, daß nur die
Ablieferung der königlichen Steuern an die Centralkassen des Staates ausgesetzt bleiben solle, bis der Konflikt beseitigt ist. In Folge dessen hätte das k. Landrathsamt in Veetretung der k.
Kreissteuerkasse, das k. Hauptsteueramt und die Landsteuerkassenverwaltung nicht nur ihre Bestände dem Magistrate zur Verwahrung übergeben, sondern sich auch verpflichtet, die eingehenden Steuern
allwöchentlich zur Aufbewahrung abzuliefern.
In Waldenburg sind am 17. November die Staatskassen mit Beschlag belegt und das Steueramt mit Bürgerwehr besetzt worden. Kein Pfenning Steuer wandert eher nach Berlin, als bis die
Nationalversammlung es beschließen wird. Es werden von den Gemeinden Vertrauensmänner gewählt und dem Landrathsamtsverweser zur Seite gestellt werden. *)
Aus der Decker'schen Geheimen Oberhofbuchdruckerei geht eine anonyme Flugschrift in die Provinzen, welche dem Volke zwei Neuigkeiten offenbart: Steuerverweigerung und rothe Republik sei
dasselbe, und die Krone sei es gewesen, die vor 35 Jahren den Staat gegen den übermächtigen Außenfeind gerettet habe.
Der Oberappellations-Senat des Kammergerichts ist dem von uns mitgetheilten Beschlusse des Instruktions- und Kriminalsenats mit großer Mehrheit beigetreten.
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121
] Wien, 16. Nov.
Unter dem Standrechte, wie es hier ausgeübt wird, gibt es immer nur eine und dieselbe Thatsache zu berichten, die Thatsache der Verhaftung, des Verhörs und Erschießens.
Auf Blum's Hinrichtung und Fröbel's unbedingte Freilassung, die nach einer Verurtheilung zum Strange just unter dem Galgen erfolgte, indem eine kaiserliche Begnadigungsbotschaft
gerade noch zur rechten Zeit angekommen sein soll, betraten andere Märtyrer die Schaubühne vor dem Neuen Thor, bis Entsetzen und Theilnahme der Bevölkerung endlich heute durch die am Morgen um 9 Uhr
geschehene Erschießung des provisorischen Oberkommandanten der Nationalgarde, Messenhauser, ihren Höhepunkt erreichen mußten. Messenhauser ist blos das dienende Organ des Reichstagsausschusses und
Gemeinderathes gewesen, ohne sich erhebliche Selbstständigkeiten erlaubt zu haben; zudem hatte er die Großmuth, sich freiwillig zu stellen; dennoch aber wurde ihm am 13. Morgens 9 Uhr ein
schmachvolles Todesurtheil verkündet. In der vorangegangenen kriegsrechtlichen Untersuchung wurde nämlich der Thatbestand festgestellt, daß Messenhauser den bewaffneten Aufruhr in Wien und Umgegend
durch Plakatr und Aufgebote zum Landsturm befördert, daß er selbst nach der Verhängung des Belagerungszustandes über Wien durch Plakate die k. k. Truppen zum Treubruch zu verleiten (?) sowie durch
terroristische Befehle (?) Wien bis auf's Aeußerste zu vertheidigen versuchte; daß er sogar nach abgeschlossener Kapitulation mit dem Windischgrätz die Bevölkerung veranlaßte, den bewaffneten
Widerstand gegen die k. k. Armee fortzusetzen und insbesondere durch die Erlassung zweier Bülletins über das siegreiche Fortschreiten der Ungarn, die Aufrührer zum Wortbruche reizte und die Anarchie
bis auf die äußerste Gränze wies, welcher sämmtlicher Punkte der Inhaftirte überwiesen und geständig war. In Folge dessen wurde Messenhauser zum Tode durch den Strang verurtheilt, welches Urtheil am
dritten Tage nach der Publikation an ihm vollzogen werden wird.“ Herr Windischgrätz milderte den Strang in eine Kugel, welcher Messenhauser mit unverbundenen Augen und auf eigenes Kommando zum
Feuern denn auch erlag. Die Bevölkerung hatte vergeblich auf Begnadigung gewartet. — Womit Blum's und Fröbel's Urtheile Urtheile motivirt waren, werden Sie aus der Wiener Zeitung
gesehen haben, und wird letztrer nicht verfehlen, mit dem wider ihn beobachteten Verfahren allgemein bekannt werden zu lassen. Schrecken und Entsetzen sind unter diesen Umständen und bei der alle
Schamlosigkeit übersteigenden Denunziationswuth und gemeinen Spionage so groß und allgemein, daß jeder seinen neuen Lebenstag als eine neue Geburt, als ein Geschenk des Standrechts betrachten kann, um
abermals darüber zu erschrecken. Wie das Volk im Beginn des Kampfes seine Errettung durch die Ungarn gehofft und von ihren Siegen geträumt, so hofft es sie jetzt, gewiß aber noch vergeblicher, von
Frankfurt, Berlin, Deutschland, Frankreich u. s. w. Es ist ein Jammer zum Ansehen, wenn man weiß, wie eitel vor der Hand auch diese Hoffnungen sind. Eine andere Hoffnung ist auch die, daß der gütige
Kaiser, um sich als Erlösungsengel beim Volke wieder zu Ansehen zu bringen, im Interesse der Monarchie und Dynastie noch vor Zusammentritt des Reichstags in Kremsier am 22. endlich die Initiative
ergreifen und eine versöhnende Proklamation erlassen wird. Allein auch dies hängt begreiflicherweise gar sehr von den Vorgängen in Berlin ab, da man den Vorstellungen der deutschen Central-Ohnmacht
nach dem derselben bereits erwiesenen Respekt schwerlich Folge geben wird. Aus Ungarn wird man durchaus nichts zuverläßiges hier gewahr. General Bem, der in einem Sarge Windischgrätz entschlüpft sein
soll, kommandirt, wie verlautet, einen Theil der ungarischen Armee. Die wieder in ihre Lebenselemente zurückgekommenen Schwarzgelben preisen in Hosiannah's die Milde und Vortrefflichkeit des
Fürsten, der sie in integrum restaurirt hat. Wie die Zeitungen aussehen und reden, das bedarf wohl keiner Worte. Einige derselben überbieten in Racheschnauben Alles, was jemals gedruckt worden ist,
und nur die „Presse“ hält einen einigermaßen würdigen Ton, und empfiehlt sogar Milde als politische Nothwendigkeit.
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@facs | 0788 |
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121
] Wien, 17. Nov.
Ueber Messenhauser's Hinrichtung verlautete gestern noch dieses. Man sagte, sie sei 24 Stunden zu früh geschehen, weil Windischgrätz eine kaiserliche Begnadigung gefürchtet und darum die
Vollstreckung des Urtheils wider dessen Inhalt (?) habe beschleunigen lassen. Als Messenhauser's Verurtheilung nämlich bekannt wurde, thaten sich an 300 Gardisten zusammen, um bei Windischgrätz
um Gnade zu flehen. Derselbe ließ ihnen jedoch bedeuten, er würde sie, wenn sie sich Schönbrunn, wo er jetzt wohnt, näherten, wegen standrechtswidriger Zusammenrottung verhaften lassen. Diese Drohung
bewirkte, daß eine Deputation sich sofort auf den Weg nach Olmütz zum Kaiser machte, um von ihm den Pardon zu erwirken; und um nun auch diesen zu vereiteln, soll Messenhauser's Hinrichtung,
statt heute, schon gestern vollzogen worden sein. Selbst Offiziere wußten nicht anders, als daß dieselbe erst heute geschehen solle und daß sie nun anticipando des Urtheils schon gestern vorgenommen
wurde, kann daher nicht verfehlen, eine gewaltige Entrüstung unter der Bevölkerung hervorzubringen. Messenhauser selber war nur auf den Freitag vorbereitet. Er schlief, als sich gestern schon der
Geistliche bei ihm zum letzten Gang präsentirte. Der Profoß, welcher vor seiner Thüre Wache stand, ein Italiener, wollte den Geistlichen durchaus nicht vorlassen und mußte erst durch seinen
Vorgesetzten dazu gezwungen werden. Von dem Geistlichen aus dem Schlafe geweckt, sprang Messenhauser erschreckt mit der Frage auf, was er denn jetzt schon wolle, er solle ihn ruhen lassen oder Ihm die
Wahrheit sagen. Der Geistliche entschuldigte sich mit Ausflüchten, da trat der zur Exekution kommandirte Offizier ein und ersuchte Messenhauser, zu folgen. Messenhauser berief sich auf die bewilligte
Frist, an welcher noch 24 Stunden fehlten, und veranlaßte den Offizier, bei Windischgrätz sich einen andern Befehl zu holen, weil der gegebene auf einem Irrthum beruhen müsse. Der Offizier war bald
zurück mit der Versicherung, der Befehl sei der rechte gewesen. So geschah die Exekution. — In diesem Augenblick (9 Uhr Morgens) wird der ungarische Unterstaatssekretär Pulsky, Kossuth's
rechter Arm, in Wien erschossen. Bezirkskommandant Braun soll, wie man versichert, der nächste sein; sein Verbrechen ist, daß er am 6. Oktober hat Allarm schlagen lassen. Nächtlicher Weile sollen noch
immer ganze Transporte gen Hetzendorf hingeführt und dort en masse gerichtet werden; es sollen meistens unglückliche Legionäre und Proletarier sein. Wer weiß, wie lange dies noch dauern wird! Soviel
ist gewiß, am Frankfurter Parlament werden wir unsern Perseus nicht finden. Die Rache, welche die Kamarilla durch ihre unbarmherzigsten Werkzeuge an dem Wiener Volke nehmen läßt, verwundert nicht
mehr, denn sie bewirkt weit Größeres; aber daß das Frankfurter Parlament den Antrag Wiesner's, um Erbarmen für die Wiener Freiheitskämpfer, mit Hohngelächter aufgenommen und zurückgewiesen hat,
darin erkennt das Volk von Wien nichts als die vollendetste Bestialität. Wer wird einem Windischgrätz Nachsicht, Erbarmen, Einhalt zumuthen können, wenn er sieht, daß selbst die Vertreter des
deutschen Volks ihn unterstützen? Mir scheint, Windischgrätz sehnt sich nach einem neuen Verzweiflungsaufstand der Bevölkerung, um ein neues Recht auf die dem Hyänensystem widerstrebenden Köpfe zu
bekommen.
Tausenau soll von Kossuth zur Belebung des dortigen Aufstandes und zur Schwächung des von dort aus wider Ungarn gerichteten Angriffs nach Schlesien gesendet, aber ergriffen worden. Dann wird ihm
unfehlbar das Schlimmste geschehen.
Die Juden haben ein gutes Geschäft bei der Eroberung gemacht. Was die Kroaten raubten und stahlen, haben nämlich meist jüdische Demokraten für ein Spottgeld erhandelt. Der Kommunismus der Kroaten
brachte natürlich noch mehr ein als die gewöhnliche Zeitungsdemokratie. Daß die Juden im Besitz aller — denn man sieht fast gar keine mehr — von den Kroaten nicht fortgeschleppten
Zwanziger sind, unterliegt keinem Zweifel. Ich kenne eine Jüdin, die ihre 80,000 Fl. in Zwanzigern verborgen hält. Da die Geldkrisis nicht ausbleiben kann und nöthigenfalls gerade durch die Juden noch
heraufbeschworen werden wird, so werden sie solche Kapitalien zu verzehnfachen wissen. Die Militärdiktatur hat alle öffentlichen Gebäude durchsuchen lassen, um Individuen und Waffen zu finden, nur die
Judensynagoge, wo, wie man sagt, das ganze demokratische Israel sein Asyl aufgeschlagen, ist verschont geblieben. Wie erklären Sie sich diese indulgence?
Die Basteien Wiens und seine Linien sind stark verpallisadirt und mit nach innen, wie nach außen gerichteten Kanonen bespickt worden, um wider Unvorhergesehenes vorbereitet zu erscheinen. Seit
Windischgrätz's Einzug sind die Proletarier und Legionäre fast gänzlich unsichtbar geworden, so daß wegen Mangels der ersten, die Arbeit ungemein vertheuert ist. Wohin sie gekommen, ist nur zu
wahrscheinlich. Ihre Posten, die sonst am 3ten Tage nach der Abend-Absendung hier eintrafen, brauchen jetzt über 5 Tage; die Ablieferung geschieht ad libidum der Briefträger und Polizei.
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@facs | 0788 |
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*
] Wien, 17. Nov.
Die heutige Wiener Zeitung veröffentlicht in ihrem amtlichen Theile das standrechtliche Urtheil über Messenhauser. Es lautet wie folgt:
Wenzel Messenhauser, zu Proßnitz in Mähren geboren, 35 Jahre alt, katholisch, ledig, Schriftsteller, ist in der mit ihm abgeführten kriegsrechtlichen Untersuchung durch sein Geständniß bei
erhobenem Thatbestande überwiesen, daß er in der Eigenschaft als provisorischer Oberkommandant der Wiener Nationalgarde, den bewaffneten Aufruhr in Wien, dessen Umgebung, und in mehreren Provinzen
durch Plakate und Aufgebote zum Landsturm eingeleitet habe; daß er selbst nach Kundmachung des Belagerungszustandes über die Stadt Wien nebst Vorstädten und Umgebung; mittelst der Proklamation Sr.
Durchl. des Hrn. Feldmarschalls Fürsten zu Windischgrätz vom 20. und 23. Okt. d. J. — durch einen weitern Aufruf vom 25. Okt. und dessen Nachtragsbefehl vom nämlichen Tage zum Aufruhr gegen die
zur Herstellung der Ruhe und Ordnung von Sr. Maj. dem konstitutionellen Kaiser gegen Wien entsendeten Truppen angereizt, und diese zum Treubruch zu verleiten versucht; daß er ferner durch einen
terroristischen Befehl die äußerste Vertheidigung Wiens gegen die anrükkenden Truppen angeordnet, und sonach den bewaffneten Widerstand auch thätigst fortgesetzt; daß er sogar nach abgeschlossener
Kapitulation wegen Uebergabe der Stadt an den Hrn. General Feldmarschall am 30. Okt. Mittags zwei Bülletins über das angebliche siegreiche Vorschreiten der schon am 28. Okt. angekündigten Heeresmacht
der Ungarn in zahlreichen Abdrücken verbreitet, und dadurch den Bruch der abgeschlossenen Kapitulation herbeigeführt habe.
Es ist demnach Wenzel Messenhauser durch kriegsrechtliches Urtheil vom 11., kundgemacht am 14. Nov. d. J. in Folge der angeführten Proklamationen in Verbindung mit dem Art. 62. §. 4 des
Milit. Strafgesetzbuches zum Tode durch den Strang kondemnirt, das Urtheil aber am 16. d. M. um 8 1/2 Uhr Morgens in dem hiesigen Stadtgraben durch Erschießen mit Pulver und Blei vollzogen worden.
Wien am 16. Nov. 1848.
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!!!
] Frankfurt, 20. November.
Sitzung der National-Versammlung. Tagesordnung: 1. Berichterstattung über den Rappardschen Antrag (s. vor. Sitzung). Der Präsident und der Ausschuß, dem dieser Bericht zugewiesen war, beschlossen
nämlich, trotzdem daß Rappard und Genossen ihre Anträge zurücknahmen, über diese Anträge zu berichten. 2. Artikel VII. und VIII. der Verfassung. Vicepräsident Riesser präsidirt.
Vor der Tagesordnung.
Max Simon interpellirt noch einmal wegen der österreichischen Gesetzwidrigkeiten, die eine wahre Verhohnung der Centralgewalt seien.
Ludwig Simon (von Trier) interpellirt den Minister, ob es wahr sei, daß die Centralgewalt die in und um Berlin stehenden Truppen zur Zeit eines blutigen Konflikts für Reichstruppen erklären
werde, und daß Wrangel die Ernennung bereits in der Tasche habe, welche ihn, sobald er es für angemessen erachtet, zum Reichsfeldherrn macht?
Pattai interpellirt den Minister des Innern nochmals wegen der gesetzwidrigen Verhaftungen und gewaltsamen Pressungen zum Militär in Wien.
Forster von Blünfeld interpellirt eben so wie Simon von Trier den Kriegsminister, und fügt noch hinzu, ob es wahr, daß 15,000 Mann Hannoveraner auf Befehl der Centralgewalt bereit seien,
nach Berlin zu gehen?
Dietsch von Annaberg: In Erwägung, daß der Minister Schmerling die Erschießung Blums mit den Worten beurtheilte: „Wer sich in Gefahr begiebt, kommt darin um,“ und daß die
Centralgewalt den letzten Rest ihres Ansehens einbüßt, wenn der in der Blumschen Angelegenheit gefaßte Beschluß nicht durchgeführt wird, frägt den Minister des Innern, welche Maßregeln zur Ausführung
dieses Beschlusses getroffen?
Der Kriegsminister Peucker antwortet Herrn Förster von Hünfeld und allen ähnlichen Interpellanten (s. oben Förster und L. Simon) mit einem lauten entschiedenen Nein! (Bravo!) Minister
Schmerling tritt dieser Erklärung bei.
R. v. Mohl auf eine Interpellation von Rösler aus Oels, wegen 50 ungarischer Husaren, welche sich nach Preußen geflüchtet haben (frühere Sitzung). Das Reichsministerium hat die preußische
Regierung aufgefordert, diese Soldaten nicht auszuliefern, bis die österreichische Regierung die Erklärung der Straffreiheit abgegeben hat. Letztere Regierung ist durch die Reichskommissäre
aufgefordert worden, diese Straflosigkeit auszusprechen.
Auf Interpellationen von Wesendonk und Wichmann wegen Nichtpublicirung und willkürlicher Publicirung der Reichsgesetze in Oesterreich und Preußen. Der Minister giebt in seiner Antwort vollkommen
zu, daß diese Publicirung allerdings nur sehr unvollkommen und ahmählig vor sich geht. In Berlin habe Bassermann dies ins Reine bringen sollen, er habe aber dazu keine Gelegenheit gehabt.
v. Breuning denuncirt von der Tribüne aus einen Journalisten, welcher auf der Gallerie über einen Bescheid des Hrn. v. Schmerling gelacht hat. (Links: Pfui! Rechts: Bravo!)
Löw aus Posen zeigt einen Bericht im Namen des Ausschusses für die österreichischen Angelegenheiten an. Die Anträge der Majorität des Ausschusses (von 10 Mitgliedern)
lauten:
„Die National-Versammlung soll der Centralgewalt auftragen, daß sie die Beschlüsse vom 3. November mit allem Nachdruck zur Ausführung bringt, und die exceptionellen Maßregeln in
Wien aufhebt und endlich durch die Reichskommissäre die Anerkennung der Centralgewalt in Oesterreich erwirkt.“
Die Minorität des Ausschusses beantragt:
„Die National-Versammlung soll die Centralgewalt auffordern, die Gesetze und Beschlüsse der Reichsversammlung in Oesterreich zur Geltung zu
bringen, mit der Würde, welche der Centralgewalt angemessen ist.“
Tagesordnung.
Gagern präsidirt weiter.
Da der Bericht über die preußischen Angelegenheiten, welcher voran auf der Tagesordnung steht, noch nicht fertig ist (er wird nämlich mit Saukencher Gründlichkeit gearbeitet), geht man indessen ein
wenig zur Verfassung über. Artikel 7, § 33 ff. (vom Zollwesen).
Eisenstuck bittet, man möchte eine allgemeine Diskussion zulassen, was aber abgelehnt wird, da nur einige [unleserlicher Text]0 sich dafür erheben.
Während dieser letzten Zählung ist der preußische Bericht fertig geworden. Jordan von Berlin ist Berichterstatter. Der Ausschuß hat in dieser hochwichtigen Sache geglaubt, selbstständige Anträge
stellen zu müssen, da die Herren Rappard etc. ihre Anträge zurückgezogen. Als Zeugen für die Berliner Zustände hat der Ausschuß vernommen (Hört!): Hrn. Exunterstaatssekretär Bassermann, die Berliner
Abgeordneten Reichensperger und Ostermann (dieser ist, glaub ich, von seinen Wählern desavouirt) und die Abgeordneten der Frankfurter Versammlung v. Rappard und Schrader. — Nauwerks Anträge,
die alles Nöthige kurz und scharf umfassen, was Berlin Noth thut, hat der Ausschuß unangemessen gefunden. Nun folgt der aus den Zeugenvernehmungen zusammengestoppelte (horibile auditu) Bericht. Vor
Wrangels Einrücken in Berlin sei dasselbe in einem schaudehaften Zustande gewesen. Die Versammlung der Vertreter sei peu à peu zu völliger Unfreiheit gelangt. Die Mitglieder der Rechten seien
schrecklich bearbeitet worden, z. B. habe zu Hrn. Reichensperger selbst Jemand gesagt: „Die Kerls von der Rechten müßten eigentlich ein Zeichen tragen, damit man sie gleich
herauserkennt“ etc. Reichensperger hat sich in Zeugnissen erschöpft, die einem theils Lächeln, theils Verachtung erwecken. (Nebenbei bemerke ich
[0789]
Ihnen, daß die Flugblätter, redigirt von Jürgens, Abg. der National-Versammlung, den Bericht von Bassermann aufs Schleunigste abgedruckt und in Millionen Abdrücken mit den dringensten Empfehlungen in
alle Welt senden. Man ist nicht sicher vor diesen Flugblättern, sie werden einem in die Tasche gesteckt, ehe man sichs versieht). Die Verlegung der Versammlung, fährt Jordan fort, war durchaus das
mildeste Mittel — im konstistutionellen Sinne. Das Ministerium Brandenburg nennt der Jordansche Bericht ein wahres Heldenministerium; dessen Verwerfung schon vor der Ernennung durch Protest sei
unkonstitutionell, ganz verwerflich. Der Beschluß der Steuerverweigerung sei widergesetzlich — sei schrecklich — sei der Burgerkrieg. Der Bericht spricht fortwährend von dem
„Theil der Versammlung.“ (Damit meint er wahrscheinlich die 250 Mitglieder, welche geblieben sind gegen die 60 Ausgetretenen).
Die von Bassermann angeführten (Lügen) Bedingungen (S. letzte Sitzung) seien von Unruh und Kirchmann gestellt. Hierzu werden Privatgespräche Bassermann's mit Kirchmann und Unruh angeführt,
Gespräche, die wohl eines Tages von Kirchmann und Unruh widerlegt werden dürften. — Endlich stellt der Bericht (mit Ausnahme von 4 Stimmen) folgende Anträge:
Die Reichsversammlung im Verfolg Ihrer letztgefaßten Beschlüsse etc., fordert die Centralgewalt auf, durch die in Berlin anwesenden Reichskommissarien hinzuwirken auf:
1) Ernennung eines
Ministeriums, welches das Vertrauen des Landes besitzt;
2) zu erklären, daß sie den rechtswidrigen, die Staatsgesellschaft gefährdenden Beschluß der in Berlin (!) zurückgebliebenen Versammlung auf Steuerverweigerung ausdrücklich für null und nichtig;
erklärt endlich, daß sie die dem preußischen Volke gewährten Rechte und Freiheiten gegen jeden Versuch eines Eingriffs schützen werde.
Vier Mitglieder des Ausschusses, Werner von Coblenz, Giskra, Schwarz und Heym haben zu diesen Anträgen nicht mitgestimmt.
Rappard nimmt das Wort, um zu erklären, daß von seinen Zeugenaussagen kein Wort im Bericht erwähnt sei (hört! hört!) daß ferner der ganze Bericht weiter nichts sei als die direkte Aussage
des fortgelaufenen Abgeordneten der Berliner Rechten Reichensperger. (hört! hört! Lautes Bravo links!)
Jordan von Berlin muß dies zugestehen, meint aber, daß Rappard größtentheils Ansichten, keine Thatsachen gegeben.
Präsident verlies't mehrere Verbesserungsanträge zu dem Ausschußantrage.
Zell, Mittermaier, Schoder und mehrere stellen Anträge, die die Sache im Sinne des preußischen Volks erledigen.
Giskra will das Protokoll des Ausschusses verlesen.
Schrader (von der Rechten, Mitglied des Ausschusses) protestirt dagegen, weil er darin mehrere confidentielle (!) Zeugenaussagen (!) gethan, die er der Versammlung nicht vorgelegt haben
will. (Links: Aha!)
Rappard nimmt das Wort, um den Bassermann'schen Bericht zu widerlegen. Unter andern sagt er: (hört!) daß die preußische Reaktion mit aller Macht dahin gewirkt, daß Maßregeln zum
Schutz der Versammlung von der Regierung nicht getroffen würden; um also einen Conflikt herbeizuführen (hört! hört!).
Rappard hat seine Nachrichten von allen Fraktionen der Berliner Versammlung. Er wird vielfach unterbrochen. Unter Anderm meint er, alle wichtigen Ereignisse Deutschlands werden hier (in
Frankfurt) von Ihnen an die Ausschüsse verwiesen, an Ausschüsse, gebildet von Mitgliedern unserer Majorität — die Mitglieder der Linken werden nie in die Ausschüsse gewählt. Das ist eine
Thatsache. — Auf seiner ganzen Reise nach Berlin und weiter hat er die volle Ueberzeugung gewonnen, daß, wenn die Nationalversammlung so fortfährt, wie in der österreichischen und preußischen
Angelegenheit, sie vom deutschen Volk bald mit demselben Leichentuch wie der alte Bundestag bedeckt werden wird. Was er alles über Bassermann gehört hat, will er gar nicht wiederholen.
Von der nun folgenden Diskussion, zu der etwa 40-50 Redner eingeschrieben sind, gebe ich Ihnen nur das Allerdringendste.
Zuerst spricht Vinke für die Anträge des Ausschusses. Es sei nicht bloß Recht, sondern Pflicht der Krone gewesen, die Versammlung zu verlegen. Ueber den Beschluß der Steuerverweigerung
geräth er außer sich. (Die Rechte klatscht.)
Simon von Trier: Entweder Ja oder Nein ist hier auszusprechen. Entweder Volkssouveränität, die Sie hier so pomphaft erklärten — oder Fürsten. — Für eines von beiden
mögen Sie sich entscheiden. Vom Könige ist nichts geschenkt worden, vom Volke ist alles genommen worden, was es hat, errungen mit seinem Herzblut — und auf das Volk wird es ankommen, wieviel es
den Königen zuruckgeben will. (Stürmisches Bravo). Durch den Bruch zwischen Krone und Volk in der Nacht vom 18. zum 19. März hat die Berliner Vertretung ihre Rechte bekommen, Rechte, die der
vereinigte Landtag nie gehabt hat. Auf diesrn Rechtsboden will uns Herr Vinke zurückführen in den weißen Saal, wo die Herren Ritter sitzen und tagen über das Wohl des Volks.
Wer hier sitzt, sitzt nicht hier von Rechtswegen, sondern von Aufruhrswegen (Sensation), und wenn man 1000mal hier auf den Rechtspunkt zurückkommen möchte, es bleibt dabei, wir sitzen hier von
Aufruhrswegen,
Die Berliner Versammlung hat jetzt mehr wie je das Vertrauen des Volkes. Alle großen Städte haben Zustimmungsadressen geschickt, während der preußische Staatsanzeiger mit aller Mühe und Noth 30
kleine Adressen aus kleinen Städten zusammen gehaspelt.
Die Berliner Banquiers haben der Versammlung Credit eröffnet. Man mag hieraus sehen, ob nach Bassermann, der General Wrangel in Berlin mit so allgemeiner Freude empfangen, in der Würde und Glorie
absoluter Ueberflüssigkeit steht. Dieser Sieger der Dannewirke mit seinen Tausenden, seinen Kanonen und Kartätschen, scharfgeschliffenen Schwertern etc. vor diesen würdigen 250 Männern. (Beifall!)
Simon erweist weiter die Ungesetzlichkeit der Auflösung der Bürgerwehr und des Belagerungszustandes.
Nur Krieg und Aufruhr berechtigten zu Belagerungszustand. Wo ist der Krieg? Wo ist der Aufruhr? Herr von Wrangel steht vor dem Schauspielhause und sehnt sich nach Anarchie! (Heiterkeit und Bravo.
Selbst Herr von Gagern lacht.) In allen Punkten ist die Krone vom sogenannten Rechtsboden auf den Boden der Willkür getreten. Von Unfreiheit, Erzwingung der Beschlüsse in der Versammlung war überall
nie die Rede. Dieser Grund und Vorwand ist leer. Die Welt weiß, daß die Linke die Majorität hatte, sobald die Partei Waldeck und Rodbertus sich vereinigten. Von Vinke frägt mich eben, warum geht die
Versammlung nicht nach Brandenburg, ich frage dagegen, warum geht denn der König nicht nach Berlin?
Ebenso wie der König die Versammlung vertagen oder verlegen kann, kann die Versammlung den König vertagen oder verlegen!! (Beifall!)
Herr Bassermann hat solche Lappalien in seinem Berliner Bericht erzählt, um den Bruch einer Verfassung zu rechtfertigen, daß es wohl mit den eigentlichen und gewichtigen Gründen sehr schlecht
aussehen mag!
Die Hauptstadt hat den Fehdehandschuh der Krone diesmal nicht aufgenommen. die Provinzen werden es thun, dazu haben sie Gelegenheit bekommen, durch den Beschluß über die Steuerverweigerung. Die
Provinzen werden nun sprechen!
Wenn das Volk keine Steuern mehr zahlt, dann mögen die Herrn von Gottes Gnaden die Gelder zu ihrer Existenz daher holen, woher sie behaupten gekommen zu sein. (Donnernder Beifall und Heiterkeit.)
Simon schließt seine Rede unter dem furchtbarsten Beifall)
Hierauf spricht Cicero-Riesser für die Ausschußanträge. Herr Riesser liebt es, sich in ein künstliches Feuer hineinzusprechen. Ich kann ihnen von seinen oratorischen Figuren nichts geben!
Nauwerk spricht mit Wärme gegen die Ausschußanträge. Bei seinem Erscheinen läuft die rechte Hälfte der Versammlung fort. (Wie nennt man diese Taktlosigkeit?) Man muß err[unleserlicher Text]then, sagt Nauwerk,
wenn man sieht, was 8 Monate nach dem März in Berlin möglich ist. Diese Versammlung, sagt er, (d. h. die Frankfurter) würde sich sogar nicht wundern, wenn Metternich wieder ein Ministerium
bildete.
Den Bassermannschen Bericht nennt Nauwerk eine Anektdotensammlung. Während der ganzen sehr guten Rede von Nauwerk ist solcher Lärm im Centrum, daß man kein Wort versteht. Die Linke bittet oft um
Ruhe. Der Präsident von Gagern sieht sich nicht ermüßigt Ruhe zu machen. Unter andern sagt Nauwerk: von Pfuel hatte bereits ein Gesetz ausgearbeitet zum Schutz der Versammlung. Da wurde er entlassen.
Das sicherste Zeichen, daß man Pfuel fortschickte weil er sich nicht hingeben wollte zu Gewaltstreichen.
Nauwerk macht auch die interessante Mittheilung, daß in der Deckerschen Oberhofbuchdruckerei schon lange vor der Catastrophe die Plakate fertig gedruckt waren, folgenden Inhalts: Da beim Einrücken
meiner Truppen Unruhen vorgekommen, sehe ich mich genöthigt Berlin in Belagerungszustand zu versetzen u. s. w.: Wrangel. (Unser Centrum amüsirt sich mittlerweise mit Lachen und Spaß machen) Die
Debatte wird nach Nauwerk geschlossen. Auf der Linken, wo noch die besten Redner eingeschrieben waren, wollte man die Fortsetzung der Debatte. Der Berichterstatter des Ausschusses (ich glaube Falk)
spricht so, daß er die Linke aufs unverantwortlichste verhöhnt. Zimmermann von Spandau beschwert sich über die offenbarste Verhöhnung, der Präsident v. Gagern hat dem Redner nichts zu erinnern. Den
Beschluß der Steuerverweigerung nennt der Berichterstatter: „einen gesetzmonströsen, unerhörten, noch nie dagewesenen, einen mit Leichtsinn hinausgeschleuderten.“
Abstimmung.
Den Antrag von Zell: Die hohe Nationalversammlung wolle in dem zwischen der preußischen Staatsregierung und der preußischen Nationalversammlung eingetretenen Conflikte entscheiden, und durch die
Centralgewalt die preußische veranlassen:
1) Der Fortsetzung der preußischen Nationalversammlung in Berlin kein weiteres Hinderniß entgegenzusetzen, und alle einseitig verfügten exceptionellen Maaßregeln zurückzunehmen.
2) Sich mit einem volksthümlichen Ministerium zu umgeben
3) Zur nachdrücklichen Durchführung dieser Beschlüsse sofort nöthige Schrtte, zu thun.
Mit 273 Stimmen gegen 184 werden dieselben verworfen.
(Ich höre soeben von vielen Seiten die allgemein verbreitete Nachricht, die ganze Linke und alles was dazu gehört, werde austreten, je nachdem das Resultat der heutigen Abstimmung ausfällt.)
Punkt 1. Der Ausschußantrag (S. oben.) wird mit 393 Stimmen gegen 6 angenommen. 24 Abgeordnete unter andern Radowitz stimmten nicht mit.
Der 2. Punkt des Ausschusses (Null- und Nichtigkeits-Erklärung des Berliner Steuerverweigerungs-Beschlusses) wird mit 276 Stimmen gegen 150 angenommen.
Von der Linken ertönten nach dieser Abstimmung die kräftigsten Pfui! Gagern ruft die „Pfuirufer“ zur Ordnung und verlangt die Namen derselben. Vogt vom Platze: „ich habe zwar
nicht pfui! gerufen, da man aber die Namen verlangt, so trete ich den Pfuirufern bei.
Der 3. Punkt (S. oben.) des Ausschusses wurde angenommen.
Etwa hundert Lichter brennen in der Kirche.
Vor der Abstimmung über Punkt drei erklärt Schoder im Namen von 130 bis 140 Mitgliedern der Linken, daß die ganze Linke sich der Abstimmung enthält weil sie nach dem Vorangegangenen den Punkt 3.
für eine leere nutzlose Phrase erklären muß. Auch zieht Schoder seinen Zusatz zurück, weil er nicht hoffen darf, daß diese Versammlung irgend einem Beschluß gegen die Krone ihre Zustimmung geben
werde. (Unter Bravo links geht die Linke aus dem Saale.)
140 Mitglieder der Rechten erklären, daß sie gegen alle ferneren Beschlüsse der sogenannten Berliner Versammlung, zu Folge des heute unter Punkt 2 angenommenen Antrags, protestiren. Nachdem die
drei lieblichen Ausschußanträge angenommen, wird die Sitzung gegen 7 Uhr geschlossen. Große Aufregung.
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@facs | 0789 |
Frankfurt, 18. Nov.
Ansprache an das Preußische Volk.
Die unterzeichneten Mitglieder der deutschen Reichsversammlung haben mit tiefstem Schmerze gesehen, daß die Mehrheit der Versammlung heute eine sofortige Berathung über die Maßregeln abgelehnt hat,
welche zur Beseitigung des zwischen der Krone Preußen und der preußischen Nationalvertretung bestehenden Konfliktes zu treffen sind. Wir sind innig durchdrungen von der Ueberzeugung, daß die Geschicke
Preußens und Deutschlands an dem Wendepunkte angekommen sind, wo es sich entscheidet, ob in Deutschland Freiheit und Einheit in ruhiger verfassungsmäßiger Gestaltung, oder nach neuen vielleicht sehr
langen und blutigen Umwälzungen gewonnen werden sollen. Wir sind uns bewußt, daß jetzt die Ereignisse eines Tages das Schicksal unseres Volkes für eine lange Zukunft bestimmen können. Darum schweigen
wir nicht; darum rufen wir dem edeln Volke der Preußen zu: Stehe fest wie ein Mann zu Deiner Nationalvertretung! Folge unverzagt ihren Beschlüssen! Opfere für sie Dein Theuerstes, denn es gilt Deinem
Theuersten, der Freiheit!
Klar wie das Sonnenlicht ist das Recht auf der Seite Deiner Vertreter. Setzt man doch der Nationalversammlung, die in Fragen der Verfassung und ihrer eigenen Existenz gleichberechtigt neben der
Krone steht, nur rohe Gewalt entgegen und höhnt also die Würde des Volkes selbst! Weiß man doch zur Entschuldigung hierfür nichts Anderes anzuführen, als einige höchst beklagenswerthe Exzesse, deren
Wiederkehr man immerhin durch gesetzliche Sicherheitsmaßregeln, nimmermehr aber durch Antastung der Volksfreiheiten entgegentreten mochte.
Preußisches Volk! Deine Geschicke und die des übrigen Deutschlands sind ewig unauflösbar verflochten! Harre aus im gerechten Kampfe! Wir stehen treu zu Dir. Die Freiheit, die Einheit werden
siegen!
Frankfurt, den 18. November 1848.
Archer aus [unleserlicher Text]ein. Backhaus aus Jena. Baur aus Hechingen. Becker aus Trier. Bauernschmid aus Wien. Berger aus Wien. Blumröder aus Kirchlamitz. Boczek aus
Mähren. Böcking aus Trarbach. Bogen aus Michelstadt. Bresgen aus Ahrweiler. Caspers aus Koblenz. Christmann aus Dürkheim. Claussen aus Kiel. Cnyrim aus Kurhessen. Cropp aus Oldenburg. Damm aus
Tauberbischofsheim. Demel aus Teschen. Dham aus Schmalenberg. v. Dieskau aus Plauen. Dietsch aus Annaberg. Drechsler aus Rostok. Eckert aus Bromberg. Eisenmann aus Nürnberg. Eisenstuck aus Chemnitz.
Engel aus Pinneberg. Esterle aus Cavalese. Fallmerayer aus München. Federer aus Stuttgart. Fehrenbach aus Sackingen. Fetzer aus Stuttgart. Förster aus Hünfeld. Freese aus Stargard. Freudentheil aus
Stade. Frisch aus Stuttgart. Fröbel aus Berlin. Geigel aus München. Giskra aus Wien. v. Gladis aus Wohlau. Gottschalk aus Schopfheim. Gravenhorst aus Lüneburg. Groß aus Prag. Grubert aus Breslau.
Grumbrecht aus Lüneburg. Gunther aus Leipzig. Gulden aus Zweibrücken. Hagen, K., aus Heidelberg. Haggenmüller aus Kempten. Hallbauer aus Meißen. Hartmann aus Leitmeritz. Hedrich aus Prag. Hehner aus
Wiesbaden. Heisterbergk aus Rochlitz. Heldmann aus Hessen. Hensel aus Kamenz. Hentges aus Heilbronn. Heubner aus Freiberg. Heubner aus Zwickau. Hildebrand aus Marburg. Hönniger aus Rudolstadt.
Hoffbauer aus Nordhausen. Hofmann aus Seifhennersdorf (Sachsen). Johannes aus Meiningen. Jopp aus Enzersdorf. v. Idstein aus Mannheim. Jucho aus Frankfurt a. M. Käfferl[unleserlicher Text]in aus Bayreuth. Kierulff aus
Rostock. Kohler aus Seehausen. Kolb aus Speyer. Langbein aus Wurzen. Leue aus Köln. Levysohn aus Grünberg. Makowiczka aus Krakau. Mammen aus Plauen. Mandrella aus Ujest. Mareck aus Gratz (Steyermark).
Mayer aus Ottobeuern. v. Mayfeld aus Wien. Melly aus Wien. Meyer aus Liegnitz. Minkus aus Marienfeld. Mittermaier aus Heidelberg. Mohl, Moritz, aus Stuttgart. Mohr aus Oberingelheim. Möller aus
Reichenberg. Molling aus Oldenburg. Müller aus Meiningen. Müller aus Damm (Baiern). Nägele aus Murrhardt. Nauwerck aus Berlin. Neugebauer aus Luditz. Nicol aus Hannover. Pattai aus Steyermark. Pau[unleserlicher Text]
aus Neisse. Peter aus Constanz. Pfahler aus Tettnang. Pinckert aus Zeitz. Plaß aus Stade. Rank aus Wien. v. Rappard aus Glambek. Raus aus Wolframitz. Raveaux aus Köln. v. Reden au Berlin. Reichard aus
Speyer. Reinhard aus Boytzenburg. Reinstein aus Naumburg. Reitter aus Prag. Riehl aus Zwettl. Rheinwald aus Bern. Rodinger aus Stuttgart. Roßmäßler aus Tharand bei Dresden. Rühl aus Hanau. Scharre aus
Strehla. Schenk aus Dillenburg. v. Scherpenzeel aus Baarlo. Schilling aus Wien. Schlutter aus Altenburg. Schmidt, Adolph, aus Berlin. Schmitt aus Kaiserslautern. Schneider aus Wien. Schoder aus
Stuttgart. Schott aus Stuttgart. Schüler aus Jena. Schüler, Friedrich, aus Zweibrücken. Schulz aus Darmstadt. Simon, Heinrich, aus Breslau. Simon, Max, aus Breslau. Simon, Ludwig, aus Trier. Spatz aus
Frankenthal. v. Stremayr aus Gratz. Tafel aus Stuttgart. Tafel, Franz, aus Zweibrücken. Titus aus Bamberg. Trampusch aus Wien. v. Trützschler aus Dresden. Uhland aus Tübingen. Umbscheiden aus Dahn,
Venedey aus Köln. Vischer aus Tübingen. Vogel aus Guben. Vogt aus Gießen. Wagner aus Steyr. v. Watzdorf aus Leichnam. Wedekind aus Bruchhausen. Werner aus Oberkirch. Weisenborn aus Eisenach.
Werthmüller aus Fulda. Wesendonk aus Düsseldorf. Wiesner aus Wien. Wigard aus Dresden. v. Wydenbrugk aus Weimar. Zell aus Trier. Ziergert aus preuß. Minden. Zimmermann aus Stuttgart. Zimmermann aus
Spandow. Zitz aus Mainz.
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@facs | 0789 |
[
24
] Minden, 20 November.
Von einer starkbesuchten Volksversammlung im Schauspielhause wurde Dr. Hertzberg fast einstimmig zum Deputirten nach dem Kongreß der westphälischen Vereine in Münster gewählt.
Der Beschluß der Nationalversammlung, die Steuerverweigerung betreffend, wird im Volke, namentlich unter den Landleuten, mit ungetheiltem Jubel aufgenommen. Unter Letztern beginnt ein reges
politisches Leben. Sie lernen ihre Freunde schätzen und ihre Feinde nicht mehr fürchten.
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@facs | 0789 |
[
129
] Münster, 20. Novbr.
Seit Kurzem kennt man unsere Stadt nicht wieder. Täglich Volksversammlung, täglich Aufrufe und Plakate, eine Aufregung und Begeisterung ist uberall, daß man an Zauberei glauben möchte. Die Zauberei
ist übrigens einfach, es ist das Rechtlichkeitsgefühl des Volkes verletzt, man hat innerste Mark „der sentimentalen Eichen“ angetastet, daher die Entrüstung, daher die einfache
Thatsache, daß in einer Bürgerwehrversammlung der einstimmige Beschluß gefaßt wurde, dem Ministerium Brandenburg den energischsten Widerstand entgegenzusetzen, die Nat.-Vers. aber mit
Gut und Blut zu unterstützen.
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@facs | 0789 |
[
129
] Münster, 20. Nov.
Der Kongreß westphälischer Deputirten zur Unterstützung der preußischen Nationalversammlung, welcher von 65 Vereinen mit 153 Deputirten beschickt war, hat in drei Sitzungen von vorgestern und
gestern folgende Beschlüsse gefaßt:
1) Der Kongreß anerkennt die preußische Nationalversammlung als die gegenwärtig einzig gesetzlich handelnde und zur Gesetzgebung befugte Auctorität in Preußen;
2) der Kongreß erklärt, daß das Volk dem Beschlusse der Nationalversammlung vom 15. November (Steuerverweigerung) Folge zu leisten habe;
3) eine Aufforderung an die preußische Nationalversammlung zu richten, zu ihrem Schutz und zur Aufrechthaltung der Märzerrungenschaften die Landwehr einzuberufen;
4) die militärische Organisation und Bewaffnung der Bürgerwehr zu bewirken;
5) eine Proklamation an die Söhne Westphalens im Heer, und ihre Väter u. s. w. zu erlassen, jene aufzufordern, sich nicht zur Unterdrückung der Volksrechte mißbrauchen zu lassen, diese zu
veranlassen, ihre Kinder von dergleichen Handlungen abzuhalten;
6) die Niederlegung des Mandats Seitens der weggelaufenen westphälischen Deputirten und Neuwahlen für diese zu bewirken;
7) die Beschlüsse und Verhandlungen des Kongresses zu veröffentlichen und auch der Nationalversammlung mitzutheilen;
8) die vertretenen Vereine zu centralisiren und den dieserhalb vorgelegten Entwurf mit wenigen Modifikationen anzunehmen.
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@facs | 0789 |
[
*
] Cleve, 19. November.
In der heutigen Volksversammlung des Kreises Cleve ist der vom Comité „zur Wahrung volksthümlicher Freiheit“ ausgegangene Antrag einstimmig von mehr als 4000 Kreiseingesessenen
angenommen worden.
„Der Deputirte des Kreises Cleve, A. Arntz, hat sich durch sein Verhalten in der N.-V. zu Berlin wohl verdient gemacht um das Vaterland. Dies auszusprechen, halten wir hier für unsere
heilige Pflicht.“
Die Kreiseingesessenen.
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@facs | 0789 |
[
34
] Eschweiler, 19. Nov.
In der heute hier abgehaltenen, zahlreich besuchten Volksversammlung wurde einstimmig dem Beschlusse der hohen Nationalversammlung zu Berlin in Betreff der Steuerverweigerung beigepflichtet und
sogleich eine Kommission von 18 Männern ernannt, die darüber zu wachen habe, daß bei etwaigen Zwangsverkäufen weder geboten noch angekauft wird. Ferner wurde der Beschluß gefaßt, daß Hr. D. Hansemann,
so wie dessen Stellvertreter Herrn Packenius ihr Mandat als Abgeordnete für für den hiesigen Landkreis niederlegen mögen, weil dieselben das in sie gesetzte Vertrauen nicht mehr verdienen und wurde
demgemäß sofort eine Mißtrauensadresse votirt, welche augenblicklich mit zahlreichen Unterschriften bedeckt ward. Zuletzt wurde noch einstimmig beschlossen den hiesigen Bürgermeister so wie den
Commandanten der Bürgerwehr aufzufordern, die in Verfall gerathene und eingeschlafene Bürgerwehr sofort wieder ins Leben zu rufen, respekt. neu zu organisiren.
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@facs | 0789 |
[
28
] Berncastel, 17. Nov.
Auf Anregung der hiesigen Wahlmänner zirkulirte seit vorgestern eine energisch gefaßte, von fünf Eilboten herumgetragene Vertrauensadresse an die hohe Nationalversammlung in Berlin unter den
Wahlmännern des ganzen Kreises.
Von 81 Wahlmänner haben 68 (einige verweigerten die Unterschrift, die übrigen wurden nicht zu Hause angetroffen) die Adresse unterzeichnet, und darin erklärt, daß sie in Verbindung mit ihren
Urwählern die hohe Nationalversammlung in allen ihren Beschlüssen auf das kräftigste unterstützen würden.
In der gestrigen Volksversammlung wurde von der gesammten Bürgerschaft ein Bürgerausschuß gewählt, um gemeinschaftlich mit dem Gemeinderathe eine allgemeine Volksbewaffnung zu veranlassen.
Morgen treten die hiesigen Landwehrmänner zusammen, um einen Aufruf an ihre Kameraden in der Umgegend ergehen zu lassen.
In Folge der in dem demokratischen Centralverein in Berlin ergangenen Aufrufes kamen sofort durch freiwillige Beiträge 50 Thlr. zusammen.
Die Mosel und Landbewohner befinden sich in größter Aufregung. Alles rüstet sich mit großer Entschlossenheit zum Kampfe.