Deutschland.
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Edition: [Karl Marx/Karl Schapper/Karl Schneider II: Aufruf an die Demokraten der Rheinprovinz, vorgesehen für: MEGA2, I/8.
]
Aufruf.
Köln, 20. November.
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[
*
] Köln, 20. Novbr.
Nach Berichten aus Berlin soll das Ministerium Brandenburg-Manteuffel gestürzt und ein neues, aus Camphausen, Beckerath und Unruh bestehend, gebildet worden sein. Das neue Ministerium, heißt es
weiter, habe das Verbleiben der Nationalversammlung in Berlin als seine erste Bedingung aufgestellt.
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Köln.
Liebe Kameraden und Brüder in der Linie.
Wir Landwehrmänner, die wir als Jünglinge das waren, was Ihr seid, ichten einmüthiglich an Euch unser männliches, aus treuem Herzen hervorgehendes Wort. Wir beschwören Euch im Namen Eurer Väter, im
Namen Eurer Brüder, die unter uns sind, höret uns an und beherziget unsern Zuspruch:
Von unsern Vertretern in Berlin, von den Männern, die wir, die viele unter Euch, liebe Kameraden, als die besten und treuesten, gewählt haben, unsere gemeinsamen Rechte zu sichern, von diesen
Ehrenmännern, von welchen auch viele in unsern Reihen gestanden haben, erschallt der Ruf:
Das Vaterland ist in Gefahr!
Ja, Kameraden, das Vaterland ist in Gefahr, nicht durch die Heere feindlicher Mächte, nicht durch des Aufruhrs wilde Rotten, nein, das ganze Volk ist verletzt durch die verrätherischen Diener der
Krone. Auf uns, auf die Wehr des Landes, blicken unsere Brüder, blicken unsere Väter und Mütter mit Vertrauen; an uns erschallt der laute Ruf: Landwehr, zeige dich als des Landes Wehr!
Der hochselige König, Friedrich Wilhelm III., genannt der Gerechte, sagte: Der Soldat schwört Treue dem Könige und dem Vaterlande, doch der heiligste von den beiden Eiden gilt dem Vaterlande!
Treue Kameraden, wir können nicht wanken und zweifeln. Das Vaterland, wir, werden vertreten und beschützt durch unsere muthigen und kühnen Vertreter in Berlin. Unsere heiligste Pflicht ist es,
diese muthigen, treuen Männer mit Gut und Blut zu vertreten und zu beschützen. Wie sie erklärt haben, wir stehen und fallen mit dem Volke, so rufen wir Reservisten, Landwehr 1. und 2. Aufgebots
einstimmig ihnen mit feuriger Begeisterung zu:
Wir stehen und fallen mit der National-Versammlung.
Kameraden, sollte, was Gott der Allmächtige verhüten möge, die Stunde schlagen, wo wir für die Freiheit, für unsere heiligen Rechte, mit gewaffneter Hand in die Schranken treten müssen, so haben
wir das Vertrauen zu Euch, Brüder, daß Ihr nicht die Waffen gebraucht, gegen uns, Eure älteren Kameraden, nicht gegen unsere Brüder, die Bürgerwehr. Wir haben einmüthig beschlossen, nicht auf Euch,
unsere Brüder, die mörderische Waffe anzulegen, und Bruderblut zu vergießen. — Dafür behüte uns Gott! Wir beschwören Euch, thut desgleichen.
Sollte es zum Kampfe kommen, der, so scheint es, jetzt unvermeidlich ist, und wir greifen Euch an, so marschiren wir, Gewehr im Arm, unaufhaltsam auf Euch los; wir schießen nicht, schießt auch Ihr
nicht! Wenn auch einzelne unter Euch nach Bruderblut lechzen, die Kugeln in unsere Reihen senden, wir geben Euch das ehrliche Landwehrwort, wir schießen nicht wieder. Doch kommen wir Euch so nahe, daß
wir uns Aug' in Aug' sehen können, und ihr fliegt dann nicht in unsere offenen Arme, Ihr zeigt uns dann herausfordernd die blanke Waffe, dann Wehe Euch und uns! Fluch dem, der den
brudermörderischen Kampf beginnt! das Gewissen wird einst sein fürchterlicher Richter sein.
Wer aus dem Kampfe als Sieger hervorgeht, das ist noch ungewiß, wenn Ihr Euch zu Werkzeugen der Hofpartei hergebt, wenn Ihr Euch gebrauchen laßt, Euren Brüdern, Euren Vätern die Freiheit rauben zu
wollen. Es wird entschieden sein, wenn Ihr nicht kämpft, wenn Ihr die herrlichsten Vorschriften der Religion, die Kindes- und Bruderliebe noch nicht vergessen habt.
Halberstadt, den 13. November 1848.
Im Namen ihrer Kameraden.
Salomon, Lieutenant der Landwehr-Pioniere.
Zinner, Lieutenant im 1. Bat. 27. Reg.
G. Winkler, Unteroff. der Landw.-Art. des 1. Bat. 27. Reg.
Schraube, Unteroff. im 1. Bat. 27. Landw.-Reg 1. Aufg.
Frantz, Unteroff. im 1. Bat. 27. Landw.-Reg. 1. Aufg.
Diekhoff, Unteroff. im 2. Aufg.
A. Grabenhorst, Wehrmann im 2. Aufg.
M. Müller, Wehrmann im 2. Aufg.
L. Hackfuß, Wehrmann im 1. Aufg. G.-L.
H. Heitefuß, Reservist der 4. Art.-Brig.
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103
] Berlin, 19. Nov.
Der vereinigte Instruktions- und Kriminalsenat des Kammergerichts hat in seiner Sitzung vom 17. d. M. mit 16. gegen 13 Stimmen beschlossen:
daß der Belagerungszustand von Berlin
ungesetzlich, die Nationalversammlung in ihrem Rechte und in Erwägung dessen die Sistirung sämmtlicher Prozesse in dem Geschäftsbezirke des Kammergerichts anzuordnen sei.
Es steht in Aussicht, daß auch der Ober-Appellationsgerichts-Senat und somit das ganze Kammergericht diesem Beschlusse beitreten wird.
Die Auditeure der jetzt hier in Berlin stehenden Truppen haben sich entschieden geweigert, Kriegsgericht über Personen vom Civilstande abzuhalten, welche wegen Uebertretung der Wrangelschen
Anordnung über den Belagerungszustand verhaftet worden sind; insbesondere haben sie angenommen, daß der § 18 des Militärstrafgesetzbuchs von 1845 auf die gegenwärtige Lage der Stadt Berlin durchaus
nicht Anwendung finden kann, wenngleich Wrangel in seiner Proklamation sich auf jene Gesetzbestimmung zur Begründung seiner Anordnung bezogen hat. Vorzugsweise hat sich in dieser Art der Vorsitzende
des Kriegsgerichts, Geh. Rath Saalbach, energisch ausgesprochen. Zur Beseitigung dieser Bedenken hat der General Wrangel eine, von sämmtlichen Ministern kontrasignirte Kabinetsordre extrahirt, in
welcher der General Wrangel autorisirt wird, kriegsgerichtliche Erkenntnisse, selbst wenn sie auf den Tod lauten, statt des Königs zu bestätigen und zu vollstrecken. Die Auditeure haben sich
jedoch hierdurch nicht bewegen lassen, von ihrer ausgesprochenen Erklärung abzugehen.
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[
X
] Berlin, 18. Nov.
Der Oberst von Sommerfeld, welcher den Befehl ausführen mußte, die Kommission der Nationalversammlung aus dem Schützenhause mit Militärgewalt zu vertreiben, hat seine Entlassung eingereicht.
Der Major v. Herwarth soll nach Spandau abgeführt sein, weil er bei der Vertreibung der Nationalversammlung aus dem Sitzungslokale im Milentz-Hotel, am Abend des 16. Nov. nicht energisch genug
verfahren sei.
Zwei Hauptleute der Soldaten, die das Schützenhaus besetzten, als der Vicepräsident Plönnies am 13. d. M. mit Gewalt hinausgetrieben ward, haben den dort anwesenden Personen erklärt: „Meine
Herren, glauben Sie nur, der Mund muß schweigen, das Herz muß brechen, die Nationalversammlung wird siegen.“
Wir können aus zuverlässiger Quelle versichern, daß die Minister anfangen, die Gesetzmäßigkeit ihrer Maßregeln zu bezweifeln. Sie fangen an zu begreifen, daß, da sie verantwortliche Minister und
zwar der Nationalversammlung verantwortlich sind, eine logische Folge dieser Verantwortlichkeit ist, daß die Nationalversammlung über die Gesetzlichkeit der Vertagung und Verlegung urtheilen konnte.
Aber zugleich fühlen Sie auch, daß Sie zu weit gegangen sind, um zurückzugehen, und sie sind entschlossen, die Reaktion auf's Aeußerste zu treiben, weil es sich um ihre eigene persönliche
Existenz handelt. Die Minister sind entschlossen, um ihre Existenz zu retten, das Land dem größten Unglück auszusetzen. Der Plan, den sie befolgen wollen, ist dieser:
Zunächst werden alle
bedeutenden Städte in Belagerungszustand gesetzt werden, damit die Presse erstickt werde. Dann sollen die Provinzen einzeln, die eine nach der andern, wieder erobert werden. Die disponible
Militärmacht wird zuerst in einer Provinz zusammengezogen; ist diese bezwungen, so wird die Landwehr herausgezogen, und mit der Linie vereint, in eine zweite Provinz geschickt, um diese zu
unterdrücken, und so weiter.
Man hofft die Permanenzen einander gegenüber zu stellen, wie Oesterreich die Nationalitäten einander gegenüberstellt. Sind so die Provinzen eine nach der andern durch Concentration einer großen
bewaffneten Macht bezwungen, so sollen alle Freiheiten für immer erstickt bleiben.
Auch in Westphalen hat das Verhalten der Nationalversammlung den größten Anklang gefunden, namentlich in Stadt und Kreis Münster. Die Stadtverordneten von Münster haben eine Zustimmungs-Adresse
nach Berlin eingesandt. Die Bürgerwehr daselbst erklärt: „dem Ministerio Brandenburg den entschiedensten Widerstand entgegensetzen zu wollen“, verlangt vom dasigen Magistrat für den
Nothfall hinlängliche Munition und fordert sämmtliche Bürgerwehren Westphalens auf, sich ihrer Erklärung und ihren Plänen anzuschließen. Außerdem haben mehrere einflußreiche und angesehene Männer,
sowie verschiedene Vereine in Paderborn, Bielefeld, Ahaus, Telgte, Drensteinfurt öffentlich einen Aufruf „an das Volk Westphalens“ im Westphälischen Mer[unleserlicher Text]r erlassen, worin zur Bildung von
Sicherheitsausschüssen und einem Kongresse in Münster eingeladen wird, für die Sache und die Rechte der preußischen Nationalversammlung.
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X
] Berlin, 19. Nov.
Unzählige Verhaftungen um nichts und wieder nichts werden täglich vorgenommen. Wer nur mit einem Soldaten spricht, wird der Verführung des Militärs angeklagt, vor ein Kriegsgericht gestellt und
Wrangel hat vom Könige das Bestätigungsrecht aller kriegsrechtlichen Urtheile erhalten, mit dem Befehle solche sofort zu vollstrecken.
Gestern ist auch ein Soldat auf der Hasenheide bei Berlin erschossen worden, weil er, wie man sagt, vor einigen Tagen in Civilkleidern einer heimlichen Volksversammlung beigewohnt
hat.
Dabei ist ein solches Spionirsystem eingeführt, daß keiner dem andern traut, und man in den Kaffee's und sonstigen öffentlichen Häusern kein lautes Gespräch, sondern nur ein leises Flüstern
einzelner Personen hört.
Die Zellengefängnisse von Moabit wimmeln von Gefangenen.
Um das System hier ganz sicher zur Ausführung zu bringen, werden die Truppen täglich hier vergrößert. Es stehen jetzt in und um Berlin circa 70,000 Mann.
Ein Stern leuchtet uns in dieser düstren Nacht. Es ist die kräftige Erhebung der Bürger und namentlich der Landwehr, die sich von den verschiedensten Landestheilen kundgibt.
Von allen Seiten strömen der Nationalversammlung Adressen zu, worin dieselbe angegangen wird, nur die nöthigen Befehle zum Aufstande und zur Bewaffnung zu ertheilen. Es ist dieß natürlich Unsinn.
Das Land muß handeln. Die Nationalversammlung giebt Gesetze. Die Nationalversammlung vertritt nur das Volk. Wie kann sie thatkräftig ein thatenloses Volk
vertreten?
Zweihundertfünfzig Deputirte haben sich schriftlich verpflichtet, zu jeder Zeit und an jedem Orte, wo der Präsident sie hinberufen wird, zu erscheinen. Und die elende
Galgenzeitung, redigirt von dem Hofschauspieler und Hanswurst Schneider nennt diese ungeheure Majorität der Nationalversammlung den Club Unruh! Nur noch Hofschauspieler sind
„mit Gott, für König und Vaterland.“
v. Wittgenstein, der wieder hier und in Potsdam tagen soll, steht nicht auf der Liste. Dieses Subjekt, einer Familie angehörig, die schon einmal die Rheinprovinz an die Preußen
verrathen, steht nicht auf der Liste. Der Exminister Milde ist wieder in die National-Versammlung getreten.
An den Brandenburg hat Milde geschrieben, er habe die Habeas-Corpus-Akte aufs Schmählichste verletzt. Er, der das Gesetz als Fahne vor sich trage, möge doch für die
Aufrechterhaltung der Gesetze sorgen. Der Hochverräther Brandenburg hat geantwortet, das gehe ihm nichts an. Das thue Wrangel, der dies zu verantworten habe und verantworten werde. Diese
Korrespondenz hat Milde dem Präsidenten Unruh im Originale mitgetheilt.
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*
] Berlin, 19. November.
Die Abgeordneten haben folgenden Aufruf erlassen:
Preußen!
Die National-Versammlung hat gegen die ungesetzlichen Gewaltmaßregeln des Ministeriums Brandenburg an das preußische Volk appellirt und Millionen haben geantwortet. Mit einstimmigem Jubel hat man
unsere Beschlüsse für die Ehre und Freiheit des Vaterlandes anerkannt.
Auch die Krone hat die Volksstimme aufgefordert, sich zu erheben.
Es ist geschehen, und — man sperrt den König ab vom Volke! „Man könne nicht zugeben,“ hat das Ministerium Brandenburg die Stirne, öffentlich zu sagen, „daß das Gefühl
des Königs weich gemacht werde!!“
Eure Adressen werden nicht überreicht, Eure Deputationen nicht
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vorgelassen. Der König ist nicht mehr frei, von einer verbrecherischen Schaar bewacht, die ihm die Erhebung des ganzen Landes geflissentlich verbirgt, um Thron und Vaterland ihren hochverrätherischen
Plänen zum Opfer zu bringen. Der Sitzungssaal, die Bureaus der National-Versammlung sind zu Wachtstuben geworden, unser Archiv, die wichtigsten Dokumente, darunter 12,000 Petitionen aus allen Theilen
des Landes, werden von den Soldaten, den verblendeten Söhnen des Vaterlandes, umhergeworfen; man hat die Herausgabe dieser Papiere unserm Präsidenten wiederholt verweigert. Was sind diesen Menschen
die Wünsche, die Rechte und Freiheiten von 16 Millionen Preußen! Und wie man Eure Petitionen mit Füßen tritt, so dringt man mit Bajonetten in die Berathungen Eurer Vertreter, bricht ohne Scheu die vom
Könige selbst publizirten Gesetze über den Schutz der persönlichen Freiheit, das Hausrecht, und verhängt Belagerungszustand und Standrecht, wo die geheiligten Personen der Abgeordneten tagen. Ein
Treubruch, so scheußlich und offenbar, wie ihn die deutsche Geschichte nicht kennt!
Lügen, Verdrehungen aller Art, gehen in amtlichen Erlassen in das Land, die Zeitungen werden gezwungen, ihnen ihre Spalten zu öffnen, während man die Stimme der Wahrheit in der Presse mit drohender
Gewalt erstickt. Aber es hat ihnen nicht geholfen! Die National-Versammlung harrt muthig aus, und die Plätze der Deputirten, welche pflichtwidrig und feig ihren Posten verlassen haben, füllen sich von
Tag zu Tag, indem die Stellvertreter von selbst herbeieilen, um an der Ehre und an der Gefahr dieser Tage Theil zu nehmen. Wenn die über uns verhängte rohe Gewalt auch eine kostbare Zeit von Tagen und
Wochen raubt, welche bei unsern dringenden Arbeiten zum Wohl des Volks hätte verwendet werden können, so hat man uns doch nicht abzuhalten vermocht, den Kampf gegen die brutale Gewalt mit allen zu
Gebote stehenden Mitteln zu führen.
Die National-Versammlung hat die Minister als Hochverräther dem Staatsanwalt überwiesen und denselben die Verwendung der Staatsgelder und die Erhebung der Steuern durch einstimmigen Beschluß vom
15. November untersagt.
So haben wir das letzte parlamentarische Mittel erschöpft.
An dem Volke ist es, unsere Beschlüsse auszuführen.
Berlin, den 18. November 1848.
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@facs | 0778 |
Berlin.
Bericht der Kommission der preußischen National-Versammlung über die Steuerverweigerung, vorgetragen in der Sitzung vom 15. November 1848.
Die hohe Nationalversammlung hat in ihrer Sitzung vom 11. Novbr. beschlossen den Antrag, daß das Ministerium Brandenburg weder zur Verwendung von Staatsgeldern noch zur Erhebung der Steuern
berechtigt ist, in die aus den unterzeichneten Mitgliedern bestehende Kommission zur schleunigen Berichterstattung zu verweisen. Nachdem die Kommission in ihrer Majorität den Antrag abgelehnt,
und darüber in der Sitzung vom 13. Nov. mündlich Bericht erstattet hatte, hat die hohe Versammlung die Beschlußnahme bis dahin vertagt, bis der schriftliche Bericht vorliege. Einstweilen haben die
Antragsteller ihren Antrag für jetzt indificirt und lautet danach derselbe, so wie über ihn gegenwärtig Bericht erstattet wird, dahin:
„daß kein Ministerium berechtigt sei, Steuern zu
erheben, bis dieser Beschluß wieder von der Nationalversammlung aufgehoben ist.“
Auch die Kommission hat bei den erneuten und fortgesetzten Gewaltmaßregeln des Ministeriums gegen die Freiheit des Volks und das Recht der Nationalversammlung einen veränderten Beschluß gefaßt und
nachstehend zu begründen geglaubt.
Die Kommission hat sich zuerst die Frage der Competenz der hohen Versammlung zu solchem Beschlusse vorgelegt und diese aus folgenden Gründen bejaht.
In der Verordnung vom 6. April d. J., über einige Grundlagen der künftigen preuß. Verfassung heißt es §. 6 wörtlich:
„den künftigen Vertretern des Volks soll jedenfalls die
Zustimmung zu allen Gesetzen, so wie zur Festsetzung des Staatshaushalts-Etats und das Steuerbewilligungsrecht zustehen.“
Unzweifelhaft ist hier unter den „künftigen Vertretern des Volks“ schon die gegenwärtige Nationalversammlung zu verstehen. Dies geht nicht blos aus dem übrigen Inhalt des Gesetzes
hervor, dessen anderweitige Bestimmungen, obgleich in einem Gesetz: „über einige Grundlagen der künftigen preuß. Verfassung“ ausgesprochen, doch ebenfalls sämmtlich, seit ihrem Erlaß,
gesetzliche Anwendung gefunden haben; dies geht ferner nicht blos daraus hervor, daß die dem Propositionsdekret vom 4. April über Beschaffung außerordentlicher Geldmittel die gegenwärtige
Nationalversammlung ausdrücklich als die „nächst zusammenkommende Volksvertretung“ namentlich und wiederholt bezeichnet wird; sondern dies ergibt sich auch aus der Erklärung des
damaligen Ministers, Grafen Schwerin, bei Berathung dieser Gesetzesstelle, in der Sitzung des letzten Vereinigten Landtags vom 4. April, wo derselbe zur Vertheidigung dieser Bestimmung wörtlich
sagt:
„Es kam darauf an, einige wesentliche Momente der konstitutionellen Verfassung bereits jetzt in das Bereich der Gesetzlichkeit zu bringen.“
Die Bestimmung des §. 13 des Wahlgesetzes vom 8. April d. J., nach welcher die gegenwärtige Nationalversammlung berufen ist, auch die seitherigen reichsständischen Befugnisse, namentlich in Bezug
auf die Bewilligung von Steuern und Staatsanleihen für die Dauer ihrer Versammlung interimistisch auszuüben, widerspricht dieser Auffassung nicht, da in diesen „reichsständischen
Befugnissen“ noch andere Rechte, als die in dem §. 6 der Verordnung vom 6. April bezeichneten, enthalten sind; aus den Berathungen des Vereinigten Landtags über die zuletzt angezogene
Bestimmung, in der Sitzung vom 4. April aber klar hervorgeht, daß es die Absicht des Vereinigten Landtags war, daß der künftigen Volksvertretung noch andere, als in dem §. 6 des angezogenen Gesetzes
bezeichnete, nämlich die mit dem Steuerbewilligungsrecht in Verbindurg stehenden Rechte der Kontrolle u. s. w. zustehen müßten.
Indessen, abgesehen von diesen legalen Bestimmungen, welche ausdrücklich der gegenwärtigen Nationalversammlung die Competenz der Steuerbewilligung zuwenden, geht dieselbe aus der Natur ihrer
Stellung zum Lande und zur Krone hervor. Eine Nationalversammlung, die schon nach ihrem legalen Mandat Mitträgerin der Souveränität ist, vereinigt bei dem vom Könige bereits in der Antwort an die
Deputation der rheinischen Städte vom 21. März ausgesprochen, dann wiederholt und endlich noch in der Proklamation vom 17. Nov. anerkannten Prinzip der Verantwortlichkeit der Minister, schon ihrer
rechtlichen Natur nach das Steuerbewilligungsrecht unter die ihr übrigens zustehenden Befugnisse.
Wenn somit im Allgemeinen das Steuerbewilligungs- und also Steuerverweigerungsrecht nach Ansicht der Majorität erwiesener Maßen der Nationalversammlung zusteht, so könnte nur noch darüber ein
Zweifel erhoben werden, ob dieselbe befugt ist, dies Recht augenblicklich für die Steuern des laufenden Verwaltungsjahres auszuuben. Daß dies vom 1. Januar 1849 ab geschehen könne, hat die
Staatsregierung selbst implicite in der Erklärung des Finanzministers v. Bonin in der Sitzung der Nationalversammlung anerkannt. Allein, daß es auch schon für die Steuern des laufenden
Verwaltungsjahrs rechtlich geschehen könne, geht nach Ansicht der Majorität einfach daraus hervor, daß diese Steuern noch gar nicht bis zum Schluß dieses Jahres bewilligt sind, sondern die
Nationalversammlung die Steuerhebung bisher nur hat faktisch geschehen lassen. Ihr steht also jedenfalls das Recht der Inhibition zu. Ist somit die Competenz der Nationalversammlung zu einem solchen
Beschlusse begründet, so ist derselbe schon dadurch, daß er gefaßt wird, formell gerechtfertigt. Seine innere Rechtfertigung liegt in den ungesetzlichen hochverrätherischen Schritten des Ministeriums,
auf welche hier noch weiter zurück zu kommen, nach der von der hohen Versammlung beschlossenen Denkschrift, unnöthig erscheint.
Dennoch, wenn auch vom Standpunkt des Rechts der vorliegende Beschluß unzweifelhaft erscheint, könnte die Frage aufgeworfen werden, ob er nicht aus höhern politischen Gründen unzweckmäßig sei. Die
Kommission ist den bereits in dieser Beziehung stattgehabten Diskussionen der Nationalversammlung gefolgt, hat sich aber in ihrer Majorität von der behaupteten Unzweckmäßigkeit eines solchen
Beschlusses nicht überzeugen können. Alle in konstitutionellen Verfassungen lebenden Völker sehen in dem Rechte ihrer Abgeordneten, die Steuern zu bewilligen, resp. zu verweigern, den Schlußstein
solcher Verfassungen, das letzte friedliche Mittel, einer ungesetzlichen Ausübung der von der Krone ausgehenden Gewalt einen passiven Widerstand entgegenzusetzen. Es wird von solchen Völkern für ihr
letztes, höchstes und heiligstes Verfassungsrecht gehalten. Dies Recht würde aber in der That gar keinen Sinn haben, wenn es nicht unter angemessenen Umständen auch ausgeübt werden könnte und sollte.
Es kommt also lediglich auf die Beurtheilung der Umstände an, ob die Ausübung dieses wichtigen Rechts in der Zweckmäßigkeit liegt. Da scheinen nun in der That die Umstände des gegenwärtigen
Augenblicks der Art zu sein, daß sie kaum anders gedacht werden können, um die Zweckmäßigkeit des vorliegenden Beschlusses zu rechtfertigen. Ein Ministerium, das fast einstimmig von der
Nationalversammlung des Hochverrachs schuldig erachtet ist, weicht nicht von seinem Platz, sondern bereitet den Bürgerkrieg, um sich darauf zu behaupten, um die fort erhobenen Steuern zur Unterhaltung
des Bürgerkrieges zu verwenden. Dies scheint wesentlich zu genügen, um die Zweckmäßigkeit des Beschlusses zu rechtfertigen. Daß bisher in keinem konstitutionellen Staate, seitdem das
Steuerbewilligungs- resp. Verweigerungsrecht als ein unzweifelhaftes Verfassungswerk anerkannt ist, davon Gebrauch gemacht worden, liegt einfach daran, daß es bisher auch in keinem konstitutionellen
Staat so inkonstitutionelle Minister gegeben hat, die nicht sofort vor dem ausgesprochenen Mißtrauen der Volksvertretung von ihrem Platze gewichen wären, sondern den Bürgerkrieg provocirt hätten, um
sich zu erhalten. — Auch der Einwurf, daß mit der Steuerverweigerung die Anarchie in's Land getragen werde und es schwer sein würde, später das Volk wieder zur Steuerzahlung zu bewegen,
scheint unhaltbar. Die Anarchie ist bereits von dem Ministerium Brandenburg in's Land geworfen und soll gerade durch ein gesetzliches Mittel bekämpft werden: auch scheint schon darin ein
Widerspruch zu liegen, daß ein in allen Verfassungen anerkanntes gesetzliches Mittel, bei seiner Anwendung unter angemessenen Umständen, überhaupt die Anarchie sollte hervorrufen können. Vielmehr
liegt darin, daß unter so furchtbaren Umständen, als gegenwärtig über das preußische Volk verhängt sind, seine Vertreter nur zu diesem gesetzlichen Mittel schreiten, die Bürgschaft, daß der
gesetzliche Sinn des Volks bereits so erstarkt ist, daß es willig zur Steuerzahlung zurückkehren wird, wenn jene drohende Umstände beseitigt sind.
Aus diesen Gründen schlägt die zur Begutachtung des vorliegenden Antrages niedergesetzte Kommission der hohen Versammlung vor:
Denselben in seiner veränderten Fassung sofort zum Beschluß
erheben zu wollen.
Berlin, den 14. November 1848.
Die Kommission.
Hierauf sprach der Abgeordnete Kirchmann, als Berichterstatter der Kommission, folgendes:
Ich erlaube mir als Berichterstatter noch einige Worte mündlich hinzuzufügen. Einmal, weil es nach dem Reglement im Allgemeinen zulässig ist, daß der Berichterstatter seine persönliche Meinung
ausspricht, und dann bitte ich in diesem besondern Falle um so mehr darum, als allerdings durch die Veränderung meiner Ansicht die Majorität der Kommission sich geändert hat, und es mir billig
scheint, daß Sie mir einige Worte erlauben, um meine veränderte Abstimmung von dem Vorwurfe der Inkonsequenz zu reinigen. Ich habe in der Nachtsitzung am vergangenen Sonntage, wo die Frage zuerst in
der hohen Versammlung zur Sprache kam, und der Bericht zunächst verlangt wurde, den Bericht mündlich erstattet, und damals wie heut ist anerkannt worden, daß die Rechtsfrage entschieden zu bejahen
ist. Ich habe damals blos die Zweckmäßigkeit der Maßregel bestritten, und zwar weil die Folgen des Beschlusses nicht das gegenwärtige Ministerium träfen, sondern andere Personen, weil die Versagung
der Steuern Anarchie in das Land bringen würde, und weil mir die bis dahin angewandten Mittel hinreichend erschienen, den Sturz deä Ministeriums herbeizuführen. Ich behaupte nun, daß von diesen
Gründen der letztere sich geändert hat. Die außerordentlichen Umstände, die in diesen letzten drei Tagen eingetreten sind, sind meines Erachtens der Art, daß sie eine Veränderung der Meinung
vollständig rechtfertigen. Was die Zweckmäßigkeit der Steuerverweigerung betrifft, so bin ich jetzt der Ansicht, daß die Handlungen und Maßregeln der Regierung zu einem solchem Extrem von Gewalt, List
und Ungerechtigkeit vorgeschritten sind, daß wir mit einem solchen Netz von Gewalt und Hinterlist umstrickt sind, daß uns in diesem Augenblick nichts übrig bleibt, als zu diesem äußersten Mittel zu
greifen, selbst für den Fall, daß wir die Anarchie in das Land werfen sollten.
Das Ministerium hat seit Sonntag eine noch weit größere Militär-Macht entwickelt. Damals waren nur 12 Bataillone und etwa 100 Kanonen in die Stadt gerückt. Seitdem aber haben sich die Lücken,
welche dadurch in der Truppenbesetzung der Umgegend der Stadt entstanden waren, von Neuem gefullt und das Heer, welches sich jetzt in und um Berlin befindet, beläuft sich gewiß, ohne Uebertreibung,
auf 40 bis 50,000 Mann. Die Macht, welche die Freiheit der Versammlung bedroht, ist gegenwärtig eine weit furchtbarere. Es kommt hinzu, daß der Belagerungszustand, der Anfangs blos über Berlin
verhängt worden war, nach uns zugekommenen Nachrichten, nun auch uber Potsdam ausgesprochen sein soll. Jedenfalls sehen die Maßregeln, welche man dort getroffen hat, einem Belagerungszustande
vollkommen ähnlich. Dabei sind die nach Berlin führenden Eisenbahnen überall mit Truppen besetzt und Berlin völlig cernirt. Die Macht gegen uns ist also ungeheuer vermehrt worden. Ebenso haben sich
auch die Ungerechtigkeiten außerordentlich gesteigert. Ich berufe mich in dieser Beziehung auf die wichtige Bekanntmachung, die Ihnen theilweise bekannt sein dürfte, obgleich sie in keinem amtlichen
Blatte bis jetzt gestanden, sondern nur Abends bei Trommelschlag ausgerufen worden ist. Es ist dies eine Bekanntmachung des General Wrangel, dahin lautend:
„daß Alle, welche in Berlin
oder in dessen in Belagerungszustand gesetzten Umgebungen, durch eine verratherische Handlung den Truppen Gefahr oder Nachtheil bereiten, auf Grund der Vorschrift des §. 18. Th. II. des
Militärstrafgesetzbuches vom 3. April 1845 sofort vor ein Kriegsgericht gestellt werden sollen.“
Diese Bekanntmachung ist eine durchaus ungesetzliche Maaßregel, selbst dann, wenn der Belagerungszustand an sich begründet ware; denn der Gesetzes-Artikel, der darin erwähnt worden, und auf welchen
sich die Verordnung stützt, lautet wesentlich anders. Er lautet nämlich dahin, daß in Kriegszeiten Militärgerichte angeordnet werden dürfen, durch eine von dem König oder vom Feldherrn in dessen Namen
erlassene Bekanntmachung, und daß diesen Gerichten alle Unterthanen des preußischen Staates unterworfen werden können, die auf dem Kriegsschauplatz durch verrätherische Handlungen den Truppen Gefahr
und Nachtheil bringen. Es ist klar, daß es ein wesentlicher Unterschied ist zwischen Kriegszeit und einem Kriegsschauplatz und zwischen den über unsere friedliche Stadt verhängten Belagerungszustand!
Es liegt also in dieser Bekanntmachung die höchste Gefahr für unsere Versammlung und zugleich die größte Ungerechtigkeit gegen sie. Es liegt klar vor, daß auf Grund solcher schwankenden und
weitgreifenden Bestimmungen Alles das für verrätherische Handlungen, welche den Truppen Gefahr bringen können, angesehen werden kann, was nur einigermaßen von der hohen Versammlung zur Vertheidigung
ihrer Rechte vorgenommen und beschlossen wird und daß die Mitglieder der hohen Versammlung sich durch jedes Mittel, welches zu diesem Zwecke angewendet wird, der Gefahr aussetzten, vor ein
Kriegsgericht gestellt zu werden. Dies ist zunächst das Große und Neue, was in dieser Beziehung seit Sonntag eingetreten ist.
Eine andere Ungerechtigkeit liegt in der Verhaftung des Abgeordneten Schramm (Striegau.) Er ist, wie ihnen bekannt geworden, am Montag Nachmittag verhaftet worden, und zwar, wie er mir persönlich
versichert, lediglich deßhalb, weil er eine Bekanntmachung des demokratischen Clubs in der Hand gehabt, während in der Nähe ein Militärkommando sich befand. Dem Offizier, welcher nach dem Inhalt der
Druckschrift fragte, überreichte der Abgeordnete Schramm dieselbe und als jener die Unterschrift des demokratischen Clubs darunter gefunden, giebt ihm das Veranlassung zur Verhaftung. Der Abgeordnete
hat bis heute Nachmittag in Verhaft sich befunden, obgleich seine Eigenschaft als Abgeordneter gleich bei seiner Festhaltung constatirt worden ist. Das Criminalgericht, welches auf Veranlassung des
Herrn Präsidenten die Sache sogleich vorgenommen, hat beschlossen, daß auch nicht der mindeste Grund eines Verbrechens vorhanden sei, wodurch die Verhaftung gerechtfertigt werde und unser Mitglied
sogleich auf freien Fuß gesetzt. Endlich gehört noch zu den Ungerechtigkeiten die Abnahme der Waffen, welche man heut zu vollziehen begonnen hat. Ich bemerke, daß schon in der Nacht von 3 Uhr ab die
Oeffnung der Häuser durch Klopfen gefordert wurde und die Eigenthümer die gedruckten Bekanntmachungen entgegen zu nehmen hatten, denen zufolge von 9 Uhr ab Wagen auf den Straßen erscheinen sollten, um
die abgenommenen Waffen darauf zu laden, und daß bei nicht genügender Abgabe die Soldaten in die Häuser dringen würden, um mit größerem Nachdruck dem Befehle Erfolg zu verschaffen. Wie vereinigt sich
dies mit der Zusicherung in §. 3. des transitorischen Gesetzes zum Bürgerwehrgesetze, wonach die Gemeinden jedenfalls bis zur Vollendung der Verfassung der Gemeinde-Ordnung in Besitz der empfangenen
Waffen verbleiben sollen! Aber neben diesen klaren Ungerechtigkeiten ist es das noch weit schlimmere Mittel der List, das man in einer Weise und in einem so consequenten System anwendet, daß damit für
das Land und die hohe Versammlung die höchste Gefahr herbeigeführt wird. Ich führe zunächst an, daß die Person des Königs jetzt vom Volke völlig abgeschnitten ist. Es ist keiner Deputation von den
vielen großen, ja von den größten Städten des Landes bis jetzt gelungen, zu Sr. Majestät zu gelangen. Man hat sie stets damit abgewiesen, daß kein Minister in Potsdam gegenwärtig sei und aus diesem
Grunde haben sich die Deputationen sämmtlich wieder entfernen müssen. Es liegt aber klar vor, daß, wenn die Minister sich hier im Kriegsministerialgebäude befinden und nicht daraus weichen, es rein
unmöglich ist, daß dem Könige über den Zustand des Landes die Wahrheit gesagt werden kann. Ich führe in dieser Beziehung zweitens an, daß das Ministerium ausdrücklich gegen die Deputation der
Stadtverordneten Berlins erklärt hat, es könne keine Deputation bei dem Könige zulassen, da man befürchten müsse, daß das Herz des Königs gerührt werden möchte. (Pfui! Pfui!) Das Ministerium würde es
bestimmen, wann die Zeit gekommen wäre, daß Deputationen wieder zu Sr. Majestät zugelassen werden könnten. Noch weit großartiger wird diese Intrigue und List durchgeführt, in Beziehung auf die Presse.
Ich sehe ganz ab von der Maaßregel der Censur, die man eingeführt hat, die schon am Sonntage bekannt wurde, und die also nichts neues wäre, um mich etwa in meinem Entschlusse wankend zu machen. Aber
die neuen Vornahmen seit dieser Zeit zeigen klar, mit welcher Consequenz, mit welcher Intrigue und Feinheit man ein System fortsetzt, welches uns Hindernisse aller Art in den Weg legt.
Ich habe die glaubhafte Nachricht, daß der General Wrangel sämmtliche Redaktionen der Zeitungen, welche noch erscheinen dürfen, heute vor sich kommen ließ und ihnen sagte: es solle ihnen kein
Censor bestellt werden, sie sollten ihre eigenen Censoren sein, aber unter der Bedingung, daß sie von der Nationalversammlung kein Wort aufnehmen, ebenso keine Adresse, welche für die Versammlung und
gegen die Regierung sich ausspräche, daß sie dagegen allein diejenigen Adressen aufnehmen müßten, welche für die Regierung sprächen. Ich bemerke ferner, daß mir von einem Mitredakteur der Spenerschen
Zeitung mitgetheilt ist, wie derselben gestern Abend von dem Ministerium des Innern drei sogenannte Inserate zur Aufnahme mitgetheilt worden sind. Ich habe nur eins davon lesen können und ist dasselbe
unterschrieben: „Ein Mann von der Rechten.“ Es enthält die bekannten Invectiven gegen die hohe Versammlung. Anfangs hat die Unterschrift gelautet: „Ein wohlwollender Gast im
Konzertsaale.“ Diese ist aber ausgestrichen und dafür gesetzt worden: „Ein Mann von der Rechten.“
Sie sehen auf diese Weise, mit welcher Hinterlist die Stimme des Landes verfälscht wird. Noch bemerke ich, daß Einer unserer Kollegen heut aus Krossen einen Brief bekommen hat, worin Klage geführt
wird, daß seit gestern früh kein Exemplar der Vosstschen Zeitung angekommen sei. Um so mehr ist man dort darüber verwundert gewesen, als man weiß, daß die Vossische Zeitung eben nicht sehr geneigt
ist, demokratische Tendenzen zu verfolgen. Wenn Sie aber die Vossische Zeitung von gestern gelesen haben, so werden Sie finden, daß allerdings darin ein großer und wichtiger Artikel enthalten ist, in
welchem selbst diese Zeitung der Wahrheit getreu, sich nicht entbrechen kann, Partei für diese Versammlung zu nehmen. Es muß also auch hier vermuthet werden, daß Mittel angewendet sind, um die
Verbreitung dieser weit und breit gelesenen Zeitung, die an 20,000 Exemplare in's Land schickt, mit diesem Artikel zu verhindern. Ich bemerke ferner, daß gerade die erwähnte
Wrangel'sche Bekanntmachung, wonach er Allen denen mit einem Kriegsgericht droht, die den Truppen Gefahr bringen, also diese, durchaus mit den Worten des Gesetzes in Widerspruch stehende
Bekanntmachung, die alleinige ist, welche nicht in dem Staatsanzeiger bis jetzt aufgenommen worden ist, und daß sie bis jetzt nur dadurch zur Kenntniß der Bevölkerung gekommen ist, daß sie am Abend
des gestrigen Tages durch Trommelschlag verkündet wurde, aber mit so leiser Stimme, daß, obgleich ich mein Fenster aufmachte und Leute hinunterschickte, dennoch Niemand im Stande gewesen ist, die
Bekanntmachung zu verstehen.
Es soll zwar diese Bekanntmachung auch gedruckt vertheilt worden sein, aber trotz aller Mühe bin ich nicht im Stande gewesen ein Exemplar zu lesen, und was ich Ihnen darüber so eben mitgetheilt
habe, beruht auf dem Abdruck in der National-Zeitung. Es ist also diese ungesetzliche Bekanntmachung in der offiziellen
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Zeitung unterdrückt, um die darin enthaltene Ungerechtigkeit im Lande nicht bekannt werden zu lassen.
Ich bemerke ferner, daß alle jene gefährlichen, ungerechten und gleißnerischen Bekanntmachungen, welche die Regierung seit Sonntag Abend erlassen hat, immer Abends erfolgt sind, damit das Land
einen Tag länger damit in Unbekanntschaft bleibe, und damit die Zeitungen sie nicht sofort in den Morgenblättern des nächsten Tages aufnehmen konnten. Man kann wenigstens keine andere Absicht dabei
annehmen, daß die Plakate der jetzigen Gewalthaber immer Abends an den Bäumen und Ecken angeklebt worden sind, wo es also unmöglich war, sie vor dem andern Tage zu lesen.
Dies m. H. sind die neuen Umstände, welche seit Sonnabend über unsere Stadt und Versammlung hereingebrochen sind, und ich glaube, sie sind so furchtbar und extrem, daß uns nunmehr kein anderes
Mittel übrig bleibt, als zum Aeußersten zu greifen. Was ich am Sonntag für meine Person für nicht zeitgemäß hielt, dem muß ich heute mit vollem Herzen beistimmen und ich wünsche, daß die ganze
Versammlung den Antrag der Kommission billigen möge. Ich gebe zu, daß diese Maßregel viele Unschuldige treffen wird, daß manche Stadt auf einige Zeit in ihren Einnahmsquellen geschmälert wird; mancher
arme Beamte wird leiden müssen, aber diese Uebelstände sind Kleinigkeiten gegen die ungeheuere Ungerechtigkeit und Schmach, gegen das Unglück, welches über das ganze Land verhängt ist, und in Bezug
darauf dürfen wir vor dieser extremen Maßregel jetzt nicht mehr zurückschrecken. Ich bin vollständig überzeugt, daß der gesunde Sinn der Bevölkerung, trotzdem, daß die Steuern verweigert werden,
keinen Anstand nehmen wird, diese kleinen Uebel zu lindern, namentlich den Beamten, die ohne Verschulden dadurch leiden, in ihrer Noth zu helfen. Auch die Städte werden hoffentlich nicht zu schwer
dadurch leiden, da in Bezug auf die Ausfälle in ihren Einnahmen, die sie durch diese Maßregel erleiden, wie schon die Kommission bemerkt hat, von dem patriotischen Sinn der Bevölkerung erwartet werden
kann, daß das Verweigerte nachgezahlt werde. Ich bemerke ausdrücklich, daß die Fassung des Kommissionsberichtes dahin geht, daß die Steuern an sich nicht völlig erlassen sein, sondern daß nur die
Entrichtung derselben während der Dauer des jetzigen hochverrätherischen Ministeriums suspendirt sein solle, so daß also später, wenn die Versammlung es anders beschließt, die Nachzahlung vollständig
erfolgen kann, wie man dies auch von dem patriotischen Sinn der Bevölkerung nicht anders erwarten darf. (Bravo!)
Nach dieser Rede des Abgeordneten Kirchmann erhob die Versammlung nach kurzer Diskussion den folgenden Antrag der Abgeordneten Schulze-Delitzsch, Schorbaum, Blöm, Phillips einstimmig
zum Beschlusse:
Daß das Ministerium Brandenburg nicht berechtigt sei, über die Staatsgelder zu verfügen und die Steuern zu erheben, so lange, als die Nationalversammlung nicht ungestört
in Berlin ihre Berathungen fortzusetzen vermag; und tritt dieser Beschluß mit dem Ablauf des 17. Novbr. 1848 in Kraft und Wirksamkeit.
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@facs | 0779 |
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*
]Berlin, 19. Nov.
Aus Berlin geht uns folgendes klassische Schreiben (sammt Ortographie) leider anonym zu:
„Eine solche gemeene erbährmlichte Zeihtung als die Ihrigte habe ich noch nicht geleesen, die Lüge sind so offenbar, das Sie Ekell erregen, namentlich aus Berlin, Ihre Parteih erfühlt uns
mit Abscheu und verachtung, Alle wohlgesinte d. h. die Ungeheure Mehrzahl wehndet sich mit Abscheu und Wiederwillen von einer solchen schändlichen Partei denen nichts heilig ist, in Berlin hat diese
Partei nur ganz geringen Anhang, und daß nur von ganz schlechten Subjecten, genößen wir doch in aller Folge solcher tiefen Ruhe wie gegenwärtig, dann sind wir ganz zufrieden, und wollen gern der
Rheinprovinz die Schurken gönnen, die durch Umsturz und Schreckenherrschaft die Annarchie vorbereiten, und die Pöbelherschaft einführen möchten, um dabei im Trüben zu fischen. Pfui über Euch
schufte.“ Berlin den 19 Nov.
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@facs | 0779 |
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*
]Wien, 16. Novbr.
„Pulver und Blei“ wüthen fort. Heute morgen 8 Uhr ist auch Messenhauser erschossen worden, nachdem noch gestern Abend eine Extralocomotive mit dem dringenden
Begnadigungsgesuche hier anwesender Reichstags-Abgeordneten nach Ollmütz abgegangen war. Eine zahllose Menschenmenge hatte sich im Stadtgraben beim neuen Thor, dem Orte der Exekution, eingefunden.
Messenhauser erschien zu Fuß, umgeben von einer sehr starken Militärabtheilung, welche sofort ein Quarre formirte. Nach einer, dem ferner stehenden Publikum unverständlichen Anrede an seine Henker
legte der Verurtheilte die eine Hand auf's Herz, die andere steckte er in die Tasche und kommandirte dann selbst, stehend und mit unverbundenen Augen: Feuer! Er stürzte rücklings nieder;
von sechs Kugeln hatten drei getroffen. Ein Held lag verröchelnd im Sande. — Exoriare aliquis nostris ex ossibus ultor!
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@facs | 0779 |
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24
]Düsseldorf, 19. Nov.
Gestern war der Exminister und Oberpräsident der Rheinprovinz Hr. Eichmann hier anwesend, um mit der Regierung und Hrn. General Drigalsky über die Entwaffnung der Bürgerwehr zu berathen. Die
Berathung ist, wie zu erwarten stand, resultatlos geblieben, da sich kein Grund auffinden ließ, der den beabsichtigten Gewaltstreich auch nur im Entferntesten hätte rechtfertigen können. Abends gegen
11 Uhr geruhten Se. Excellenz eine Katzenmusik entgegenzunehmen.
Eine ähnliche Ehre, nur noch feierlicher und großartiger, wurde am 16. d. Hrn. Kühlwetter zu Theil, als er uns auf kurze Zeit mit seinem Besuche beglückte. In seiner Bescheidenheit wollte der
Treffliche sich bei seiner Ankunft seinen frühern Mitbürgern entziehen, wurde jedoch auf dem Bahnhof erkannt, und mußte nun bongré malgré die berühmte Lichtwer'sche Fabel: „Thier und
Menschen schlafen feste etc. etc.“ eine glänzende zweite Auflage erleben lassen.
Der Kommandeur unserer Garnison, Monsieur le Chevalier Drigalsky sans peur et sans reproche, hat seit gestern die Kaserne zu seiner gewöhnlichen Schlafstelle genommen. In seiner Wohnung muß es ihm
nicht mehr geheuer sein.
Der Geist der hiesigen Einwohnerschaft bleibt vortrefflich. Die Parade der Bürgerwehr heute Morgen war in der That grandios. 3000 Mann, alle bewaffnet (wenn auch viele nur mit Beilen, Sensen etc.
etc.), alle voll Muth und Begeisterung! Die Soldaten besuchen en masse die Volksversammlungen, und fraternisiren bei jeder Gelegenheit mit den Bürgern.
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@facs | 0779 |
Brück im Kreise Mülheim am Rhein.
Auch hier wird gegen das Auftreten des Ministerium Brandenburg-Manteuffel entschieden protestirt und eine Dankadresse an die hohe Nationalversammlung in Berlin abgehen.
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@facs | 0779 |
Hamm, 18. Nov.
Man beabsichtigt auf dem höchsten Punkte des Haarstrangs im sogenannte Schelk, wo früher ein berühmter Galgen stand, wieder einen zu errichten, und wie das beim Militär in ähnlicher Weise
geschieht, unsere aus der Nationalversammlung zu Berlin desertirten Volksvertreter in effigie daran zu heften. Es werden die bezüglichen Wahlmänner ersucht, dieselbe auf irgend eine gut gegerbte
Thierhaut in Lebensgröße konterfeien zu lassen, und die Schandbilder wohl verpackt dem Wasenmeister, Thierarzt und Scharfrichter Hirsch in Unna einzureichen.
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@facs | 0779 |
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]Wesel, den 18. Novbr.
In seiner gestrigen Sitzung (der ersten öffentlichen) hat der Gemeinderath folgende zwei Adressen beschlossen:
1) An die National-Versammlung zu Bertin. Der Gemeinderath der Stadt Wesel
erklärt sich mit der von der hohen National-Versammlung in dem gegenwärtigen traurigen Conflikt mit der Krone am 9. d. M. gefaßten Beschluß: „der Krone das Recht nicht zuzugestehen, die
National-Versammlung wider ihren Willen zu vertagen, zu verlegen oder aufzulösen“ — vollkommen einverstanden und bittet dieselbe, auf dem von ihr betretenen Wege, die Freiheiten und
Rechte des Volkes zu wahren, zu beharren und sich der Zustimmung der unterzeichneten Vertreter der Stadt Wesel versichert zu halten.
2) An den Vice-Präsidenten Plönnis.
Hochgeehrter Herr!
Mit inniger Genugthuung und wahrhaft erhebender Freude haben die unterzeichneten Gemeindeverordneten und Bürger Wesels den Bericht über Ihr männlich festes Benehmen als Vice-Präsident der
National-Versammlung am 14. d. M. im Saale des Schützenhauses zu Berlin gelesen. Wer die Ehre und Würde der Volksvertretung gegen den Andrang der Gewalt auf so entschiedene Weise zu wahren weiß, der
hat sich den Dank des Vaterlandes verdient, und sich einen Platz in der Geschichte, in der Erinnerung der Nachwelt an die große Zeit unserer staatlichen Entwicklung gesichert.
Wir sind stolz darauf, Bürger der Stadt zu sein, in welcher Sie geboren sind und Ihre Jugend verlebt haben: deswegen erlauben Sie uns, die Gefuhle der vollsten Anerkennung Ihnen auszusprechen als
einen Tribut unserer ausgezeichneten Hochachtung.
Wesel, den 17. November 1848.
Der Gemeinderath der Stadt.
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@facs | 0779 |
Kochem, 18. November.
Mitbürger!
das Vaterland ist in Gefahr, es ruft euch zu seiner Rettung auf.
Wer hätte geglaubt, als im März unsere Brüder in Berlin sich erhoben, und unsere Freiheit erkämpften, wer hätte geglaubt, damals, daß man diese Errungenschaft dem Volke nach einem halben Jahre
wieder entreißen wolle?
Wer hätte dieses geglaubt, als es jene Beamten- und Adelspartei sich bange verstecken, oder den neuen Freiheitsbestrebungen mit übergroßem Eifer anschließen sah? Wer hätte dies damals geglaubt?
Doch diese Reaktionspartei ist aus ihren Höhlen hervorgebrochen, sie hat ihre Schafpelze ausgezogen und wüthet jetzt wieder gegen das Volk! Gegen das Volk, das zu großmuthig war, um jenes Gewurm zu
vernichten, das das Opfer des Fürsten umlagert und den gerechten Klagen des Volkes den Eingang verschließt! Gegen das Volk, dessen Blut und Mark jene Schmarotzerthiere aussaugen.
Höre Volk, staune und helfe!
Als die Revolution uns das Recht gegeben, Vertreter nach Berlin zu wählen, hatten wir das Mittel, unsere uns von Gott gegebenen aber bis dahin mit Füßen getretene Rechte, wieder zur Anerkennung zu
bringen.
Diese Abgesandten des Volkes arbeiten mit wahrer Menschenliebe für dasselbe und schon waren wir auf dem Punkte, eine freisinnige Gemeindeverfassung, wobei die Gemeinden ihre Beamten selbst wählen
und ihr Vermögen selbst verwalten sollten, zu erhalten; wir hatten fur die nächste Zukunft eine Steuerreform zu erwarten, die dem armen gedrückten Manne die jetzt schwer auf ihm liegende Steuerlast
vermindern sollte, und jetzt wird unsere National-Versammlung in Berlin zu vernichten gesucht.
General Brandenburg, gegen dessen Ernennung zum Minister die National-Versammlung kurz vorher schon protestirt unter den Volksvertretern, kundigt sich als Premierminister an und erklärt im Namen
des Königs:
„Die National-Versammlung habe ihre Berathungen sofort einzustellen und am 27. d. M. sich in der Stadt Brandenburg wieder einzufinden.“
Die Versammlung beschließt hierauf, diesem Befehle nicht nachzukommen, erklärt diejenigen verantwortlichen Beamten, die dem Könige zu diesem Schritte gerathen, für unfähig, der Regierung
vorzustehen, vielmehr hatten dieselben sich schwerer Pflichtverletzungen gegen die Krone, das Volk und die Versammlung schuldig gemacht.
Das Volk von Berlin benimmt sich bei dieser Sache groß und nachahmungswürdig; es hat erklärt, die National-Versammlung gegen jede Gewaltthat zu schützen; und die Bürgergarde umstellte sofort das
Haus worin die Versammlung ihre Sitzungen hält; sie erklärt die Beschlüsse der National-Versammlung mit Gut und Blut bis zum letzten Augenblicke schützen und ausführen zu wollen.
Da rücken auf einmal 50,000 Mann Soldaten mit 200 Kanonen in die Stadt ein, sie umstellen die Bürgerwehr, und der General Wrangel erklärt, er werde jeden Abgeordneten hinaus aber keinen mehr hinein
lassen.
Bürger! Man will unsere Vertreter mit Bajonetten und Kanonen auseinanderjagen, man hat offen mit dem Volke gebrochen, und jetzt entbrennt der Kampf des Volkes gegen seine Unterdrucker!
Berlin ist in diesem Augenblicke von einer ungeheuren Truppenmasse umgeben und ihm droht das Schicksal Wiens!
Kennt ihr das Schicksal Wiens?
O es ist schrecklich jenes Blutbad, sie sind entsetzlich jene Schandthaten, sie sind furchterlich jene Baebarreien, verübt an einem Volke, das im Kampfe für seine Freiheit unterlegen, verübt mit
der Trunkenheit des Mörders von einer grausamen Soldateska!
Aber sollten unsere Soldaten, unsere Brüder, sich zu Freiheitsmördern gebrauchen lassen?
O, das wäre entsetzlich trostlos!
Bürger, ruft es euren Söhnen im Heere zu, nicht zur Unterdrückung der heiligen Freiheit, den Arm zu leihen, sondern dem Volke seine ihm vom Himmel gegebenen heiligen Rechte vertheidigen zu
helfen!
Landwehr! rufe deinen Brüdern vom stehenden Heere zu, daß du auf des Volkes Seite für dessen heilige Rechte kämpfst!
Bürger! Setzen wir unser ganzes Vertrauen in die National-Versammlung!
Hört den Nothschrei des Vaterlandes und unterstützt mit Leib und Leben die Befehle der National-Versammlung, und wir werden unsere lange unterdrückte Freiheit erringen.
Der Vorstand des demokratischen Vereins.
Adam Pauly. Franz Pauly. Caspar Schmitz. Himmen. Peretti.
Italien.
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@facs | 0779 |
Die Sizilianer werden, wie es heißt, allmählig unmuthig darüber, daß der Herzog von Genua ihre Krone weder bestimmt angenommen, noch bestimmt ausgeschlagen hat. Sie sollen beabsichtigen
ihn, wenn er sich nicht bald entschieden erklärt, einfach fallen zu lassen und sich zur Republik zu konstituiren, was freilich wegen der Verhältnisse zu Frankreich einem indirekten Bruch Siziliens mit
England gleichkommen würde.
Aus Neapel, wo jüngst alle toskaner Blätter mit Einschluß der offiziellen verboten sind, erfährt man, daß ein Theil der Abruzzen und Apuliens in permanenter Revolution, die Hauptstadt Neapel
aber in Belagerungszustand erklärt ist.
[(A. Z.)]
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@facs | 0779 |
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]Florenz. 9. Nov.
Während in ganz Europa die Contre revolution Schritt vor Schritt siegreich vordringt, feiert in dem kleinen Toskana die Demokratie ihre glänzendsten Triumphe. Das Ministerium Guerrazzi-Montanelli,
getragen von der Livorneser und Florentiner Demokratie, bleibt seinem Ursprung, der auf den Barrikaden von Livorno zu suchen ist, vollständig treu. Es hat die Kammer aufgelöst und wird in den Wahlen,
die noch in diesem Monat stattfinden, eine bessere Stütze finden, als in den alten, unter längst hinter uns liegenden Verhältnissen gewählten Deputirten. Es hat vorgestern ein Cirkulär an die
toskanischen Gesandten bei den übrigen italienischen Regierungen erlassen, das sein Manifest für seine italienische Politik ist. Man vergleiche dies Dokument mit der lahmen, schwankenden, unsichern
und in letzter Instanz stets volksfeindlichen Handlungsweise der deutschen Regierungen in Sachen der deutschen Einheit, und man wird gestehen, daß sie unendlich weit hinter der demokratischen
Entschiedenheit zurückstehen, mit der das toskanische Ministerium die Einheit Italiens fordert. Man vergleiche diese kurze, logische, schlagende Schreibart mit dem pomphaften Bombast, mit dem andere
italienische Regierungen nur zu oft die Inhaltslosigkeit oder Zweideutigkeit ihrer Erlasse umhüllen, und man wird, besonders in diesem Lande des erhabenen Styls, doppelte Achtung vor dem Takt und
Verstand Guerrazi's, der das Cirkular verfaßt hat, haben müssen. Das Cirkular lautet:
1) Vor der lombardischen Insurrektion gingen die italienischen Regierungen, als reformatorische und konstitutionelle, stets vom Prinzip des göttlichen Rechts aus und fanden die Grundlage
ihrer Legitimität in den Wienerr Verträgen.
2) Die lombardische Insurrektion proklamirte durch die That das Prinzip der Volkssouveränetät und die italienischen Regierungen acceptirten es, indem sie sich am Unabhängigkeitskriege
betheiligten.
3) Die piemontesische Regierung that noch mehr. Als der Anschluß der an Piemont gefallenen Provinzen vorgeschlagen wurde, wünschte sie, daß die Entscheidung von der Abstimmung des Volkes abhinge
und es wurden Listen eröffnet, in denen Jeder ohne Ausnahme berufen wurde, seine Stimme abzugeben. Außer dem Prinzip der Volkssouveränetät wurde also das Prinzip der Ausübung dieser
Souveränetät durch das allgemeine Stimmrecht sanktionirt.
4) Diese zwei Prinzipien sind durch die mächtige Zustimmung der savoischen Fürsten unwiderruflich dem öffentlichen Recht Italiens einverleibt.
5) Die Constituante ist die Anwendung eben dieser Prinzipien zur wirklichen Herstellung (edificazione) der Nationalität. Wollen wir stark sein, so müssen wir konsequent sein; haben wir die
Wohlthaten der Insurrektion acceptirt, so müssen wir auch ihren Konsequenzen uns unterwerfen.
6) Die Constituante allein kann den Regierungen Kraft geben und sie gegen die Uebergriffe der Parteien schützen.
7) Ein Staatenbund, der nicht aus einer wahren und wirklichen nationalen Constituante hervorgegangen, würde unzureichend sein. Nachdem das Prinzip von Gottes Gnaden aufgegeben, welches die
Individualität jedes italienischen Staats unantastbar macht, muß jede Institution, die man der Nation geben will, von der Nation bewilligt sein, um Legitimität zu erlangen. Sonst hätte die
demokratische Partei das Recht, ihr die Zustimmung zu verweigern, und die Regierungen könnten diese Zustimmung logischer Weise nicht fordern, ohne mit der größten Gefahr für sich selbst, zu den alten
Prinzipien zurückzukehren.
8) Damit die Beschlüsse der Constituante der Art seien, daß keine Partei, wie wenig sie auch in ihren Wünschen befriedigt sei, ihnen die Zustimmung versagen könne, muß die Wahl der Deputirten so
geschehen, daß sie allen Zweifel an ihrer Kompetenz, die Nation zu vertreten, ausschließt. Dies aber wäre nicht der Fall, wenn sie entweder allein von den Fürsten, oder von den Parlamenten erwählt
würden.
9) Von einem blos von den Fürsten ernannten Kongresse würde man sagen, er sei von seinem Ursprung an nicht im Interesse der Völker eingesetzt worden.
10) Ein aus den gesetzgebenden Parlamenten hervorgegangener Kongreß würde zwei schwache Seiten haben.
a) Die Parlamente würden ihr Mandat überschreiten, da sie eingesetzt sind, um für jeden Einzelstaat Gesetze zu machen, nicht aber um die konstituirenden Gewalten der ganzen Nation zu schaffen.
b)Die demokratische Partei, welche die Repräsentation der einzelnen Staaten für unvollständig erklärt, weil sie nicht auf das allgemeine Stimmrecht begründet, würde diesen Mangel um so mehr in der
Vertretungder Nation wiederfinden.
11) Das allgemeine Stimmrecht, wie es in Frankreich ausgeübt wird, ist das einzige Mittel, eine Constituante zu schaffen, in der die Nation sich repräsentirt fühlt. Dies System hat seine Gefahren,
aber die Gefahren, die jedes andereWahlsystem mit sich führt, sind viel größer.
12) Die italienische Constituante wird zwei Stadien haben; das erste vor, das zweite nach der Vertreibung der Fremden. Alle Fragen der innern Organisation der Nation dürfen erst im zweiten
Stadium erledigt werden, da zu ihrer Lösung die Stimme des ganzen italienischen Volkes nöthig ist, während ein großer Theil desselben, so lange er unter der fremden Knechtschaft seufzt, seine
Vertreter nicht wird erwählen können. In diesem ersten Stadium hat die Constituante sich mit allen Fragen zu beschäftigen, welche direkt oder indirekt auf die Erlangung der Unabhängigkeit Bezug haben.
Sie wird jene Zersplitterung der Kräfte verhüten, welche die Hauptursache des unglücklichen Ausgangs des letzten Feldzugs war. Zu diesem Zweck wird die Constituante ihre Wirksamkeit beginnen können,
sobald zwei italienische Staaten sich über ihre Berufung verständigt haben.
13) Die Regierung des Großherzogs ladet daher alle italienischen Regierungen ein, ihre Ansichten über folgende drei Punkte vorzulegen:
a) Ob sie einverstanden sind, die italienische Constituante einzuberufen, um zunächst für die Bedürfnisse der Unabhängigkeitskrieger zu sorgen.
b) Ob sie glauben, daß die Deputirten durch allgemeines Stimmrecht zu wählen sind, wie Toskana dies zu thun vorhat.
c) Ob sie einverstanden sind, daß die Fragen der innern Organisation sämmtlich bis zur Verjagung der Fremden vertagt werden, ohne daß es darum der initiatorischen Constituante benommen sei, die
Elemente derselben zur leichteren definitiven Lösung vorzubereiten.
d) Sobald wir einige Adhesionen erhalten haben, werden wir sofort zur Wahl der Deputirten auf den angebenen Grundlagen schreiten.
14) Wir veröffentlichen sogleich dies Cirkular, weil in Sachen von solcher Wichtigkeit es nicht gestattet ist, das Geheimniß zu bewahren. Wenn unser Vorschlag, wie wir überzeugt sind, den
Bedürfnissen der Nation entspricht, so ist es billig, daß die Nation wisse, von welcher Seite der Anstoß, von welcher die Hindernisse seiner Ausführung kommen. Wir vertrauen den Vorschlag nicht den
Waffen, sondern der öffentlichen Meinung, und hoffen, daß dieselbe moralische Gewalt, die die italienischen Regierungen zuerst zu den Reformen, dann zu den Konstitutionen, dann zum
Unabhängigkeitskriege trieb, sie auch zu einer Konstituante, dem einzigen Mittel gegen den uns bedrohenden Bürgerkrieg, treiben wird.
15) Sie, Hr. Gesandter, werden allen Ihren Eifer aufbieten, damit diese Ansichten der toskanischen Regierung günstig von der Regierung aufgenommen werden, bei der sie akkreditirt sind.
Florenz, 7. November 1848.
(gez.) G. Montanelli. F. D. Guerrazzi. M. D'Ayala. G. Mazzoni. P. A. Adami.
Der Enthusiasmus des Volkes über dies Aktenstück, in dem zuerst eine der Diplomatie von 1848 würdige Sprache geführt wird, ist namenlos. Eben so namenlos wird aber auch die Ueberlegenheit der
übrigen italienischen Regierungen sein. Aber Guerazzi hat Recht: die öffentliche Meinung wird sie schon weiter treiben, wird sie zwingen, wohl oder übel der italienischen Konstituante sich
anzuschließen.
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]Aus Piacenza erfährt man, daß der östreichische Kommandant die Gräben um die Stadt wieder mit Wasser füllen lassen wollte, um die Desertion der allnächtlich ausreißenden Ungarn zu
verhindern. Zum Glück haben sich die Gräben als nicht wasserdicht erwiesen; das Wasser fließt ab, sobald es hereingelassen worden ist, und die Soldaten rutschen nach wie vor an Stricken über die
Stadtmauern in's Freie.
Zu Bologna hat die päpstliche Regierung der Garibaldischen Legion den Eintritt auf das Gebiet des Kirchenstaats untersagt, indem sie gleichzeitig ein Korps von 400 Schweizern und Dragonern an die
Gränze beorderte, um ihrer Weisung nöthigenfalls mit den Waffen Nachdruck zu geben. In Bologna hat diese Maßregel allgemeine Unzufriedenheit erregt.
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