Deutschland.
@xml:id | #ar145_001_c |
@type | jArticle |
@facs | 0753 |
Edition: [Karl Marx/Karl Schneider II: Erklärung, vorgesehen für: MEGA2, I/8.
]
Erklärung.
Köln, 16. Novbr.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
@xml:id | #ar145_002_c |
@type | jArticle |
@facs | 0753 |
Edition: [Karl Marx: Bekenntnisse einer schönen Seele, vorgesehen für: MEGA2, I/8.
]
[
*
] Köln, 16. Nov.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
@xml:id | #ar145_003 |
@type | jArticle |
@facs | 0753 |
Köln, 16. Novbr.
Gestern ist von vielen Landwehrmännern und Reservisten Kölns folgende Adresse unterzeichnet worden:
„Daß sie der Hohen Nationalversammlung in Berlin, vom 9. d. Mts., ihre volle
Zustimmung gegeben, daß sie in dem gegenwärtigen Augenblick und so lange der Konflikt mit der Krone andauert, nur die Beschlüsse der Nationalversammlung als verbindlich für das Land anerkennen und
sich demnach der hohen Nationalversammlung zur Verfügung stellen.
Ferner bitten wir die Hohe Nationalversammlung, daß sie einen Aufruf an die Landwehr erlasse, damit sich die Landwehr wie im Jahre 1813 erhebe, und, sowie damals den äußern Feind, jetzt den innern
Feind des Landes zu vernichten.
Köln, 15. November 1848.
(Die Versammlung bestand aus mehreren 1000 Personen und ist sofort zur Organisirung, Eintheilung in Kompagnien etc. geschritten worden.)
@xml:id | #ar145_004_c |
@type | jArticle |
@facs | 0753 |
Edition: [Karl Marx: Die „Kölnische Zeitung“, vorgesehen für: MEGA2, I/8.
]
[
*
] Köln, 16. Novbr.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
@xml:id | #ar145_005 |
@type | jArticle |
@facs | 0753 |
[
*
] Viersen, 14. Nov.
Der Gemeinderath in Viersen adressirte heute seine Zustimmungs- und Dankadresse an die National-Versammlung zu den von dieser Versammlung am 9. Novbr. gefaßten bekannten Beschlüssen.
@xml:id | #ar145_006 |
@type | jArticle |
@facs | 0753 |
[
*
] Elberfeld, 15. Nov.
Hört! Hört! Die nachstehenden Fabrikanten haben ihre Arbeiter und Commis, d. h. durch Aussicht auf Vertagung (?) der Arbeit, gezwungen, eine Loyalitäts-Adresse für das Ministerium
Brandenburg-Manteuffel zu unterzeichnen: Joh. Simons Erben, J. G. Heimendahl Söhne, Abr.
[0754]
und Gebrüder Frowein, Gebrüder Schniewind, J. C. Haarhaus Söhne, Brüning et Comp.
@xml:id | #ar145_007 |
@type | jArticle |
@facs | 0754 |
[
*
] Aus dem Kreise Mülheim, 15. Nov.
Fast aus jedem Orte des Kreises gehen Proteste mit zahlreichen Unterschriften zur Nationalversammlung nach Berlin ab; sie drücken derselben für ihre männliche Haltung den tiefsten Dank aus und
versprechen ihr, alle Mittel aufzubieten, ihren Beschlüssen Geltung zu verschaffen. Tausende der entschlossensten und kräftigsten Männer stehen bereit, auf das erste Signal, das in Köln oder
anderwärts gegeben wird, für das höchste irdische Gut, die Freiheit, in den Kampf zu gehen, darin zu siegen oder zu sterben. Es war dies von unserm Kreise nicht anders zu erwarten.
@xml:id | #ar145_008 |
@type | jArticle |
@facs | 0754 |
[
*
] Emmerich, 15. Nov.
Gestern Abend versammelte sich eine große Menge der Einwohner vor dem Hause des Landtags-Deputirten Lensing und brachte ihm eine Katzenmusik. Eine Fortsetzung derselben soll heute und morgen
erfolgen.
Auch sind bereits Mißtrauens-Adressen gegen das Benehmen des Lensing in Umlauf.
@xml:id | #ar145_009 |
@type | jArticle |
@facs | 0754 |
[
14
] Dortmund, 15. Nov.
Die gleichsam in Marmor gemeißelten Grundzüge Ihrer jüngsten Leitartikel beginnen auch für Ihr liebes Dortmund Wahrheiten zu werden. Auch hier hat sich die liberale Bourgeoisie (vertreten durch den
konstitutionellen Klub) mit dem demokratischen Volksverein verbunden, um in einer zahlreich besuchten „Urwählerversammlung“ eine beistimmende Adresse an die Nationalversammlung
debattiren und beschließen zu lassen. Die Adresse ist — die nachträglichen eingerechnet — mit nahe an 600 Unterschriften bedeckt. Die Debatten in der Versammlung gewannen dadurch sehr an
Lebendigkeit, daß auf der Rednerbühne stets ein Revolutionär einem Contrerevolutionär (oder ein Wühler einem Heuler) folgte, und daß die Heuler ein glänzendes, in diesem Grade hier noch nie
dagewesenes Fiasko machten. Es ist im Hinblick auf die märkische „angestammte Treue“ gewiß ein bemerkenswerthes Ereigniß, wenn unsere früher blindverehrten Popen und Mandarinen in
öffentlichen Versammlungen mit einem kräftigen: „'runter mit dem Kerl!“ begrüßt werden. — Dagegen hat gestern der sogenannte konstitutionelle Bürgerverein (heulende
Reaktionäre pur sang) eine servile Loyalitätsadresse nach Berlin geschickt, welche nur dadurch Unterschriften erlangen konnte, daß sie heimlicherweise von Haus zu Haus geschickt wurde. Während bei
Ihnen in Köln sich alle politischen Vereine der Adresse Ihrer Volksversammlung anschlossen, hat unser Bürgerverein, welcher früher dem Bürgerverein in Köln gläubige Verehrung zollte und ihm Gehorsam
schwur, endlich seine rechte Couleur herausgekehrt und bewiesen, daß er nichts als eine bande noire konstitutioneller Heuchler und Charlatane ist.
Der Volksverein, welcher in letzter Zeit so zahlreich besucht wurde, daß das Lokal nicht mehr zureichte, wird jetzt wöchentlich zwei Versammlungen im größten Lokale der Stadt halten. Man muß das
Eisen schmieden solange es warm ist. Wenn über dem vielen Reden und Schreiben nur das Handeln nicht vergessen wird.
@xml:id | #ar145_010 |
@type | jArticle |
@facs | 0754 |
[
43
] Bielefeld, 15. Nov.
Schon vor einigen Tagen sind Adressen vom demokratischen Vereine, von mehreren Gewerken der Stadt und von vielen Landgemeinden der Umgegend an die Nationalversammlung abgegangen, worin die vollste
Anerkennung der Versammlung und der feste Willen der Unterzeichner ausgesprochen sind, die Vertreter des Volkes nöthigenfalls mit Waffengewalt zu schützen. Die Aufregung in Westfalen ist ungeheuer,
wie wir aus allen Theilen der Provinz vernehmen. Es bedarf nur eines Aufrufes der Nationalversammlung, um die Gährung in offenen Kampf zu verwandeln. Die Steuerverweigerung hat schon hier und dort
begonnen, sie wird allgemein werden, wenn die Nationalversammlung endlich beschließt, diese Maßregel zu dekretiren. Die niederträchtige Ermordung Robert Blum's in Wien erfüllt die
Gemüther mit der furchbarsten Wuth. Wir gehen jedenfalls einer schrecklichen Zeit entgegen, da jetzt auch der „besonnenste“ Mann zu begreifen beginnt, daß wir nur durch eine
Schreckensherrschaft zur Freiheit gelangen können.
@xml:id | #ar145_011 |
@type | jArticle |
@facs | 0754 |
Magdeburg.
Mitbürger Soldaten! Wir, versammelte Bürger Magdeburg's, seiner Vor- und Mitstädte, so wie Buckau's richten an Euch, aus dem Herzen zum Herzen, das Wort. Wir sind allesammt
Brüder, wir sind allesammt Söhne desselben Vaterlandes, unser Wohl ist Euer Wohl, Eure Ehre unsre Ehre, unsre Freiheit, Eure Freiheit, unser Recht Euer Recht! Bevor Ihr in's Heer eingetreten,
waret Ihr Bürger, wenn Ihr nach wenigen Monden austretet, werdet Ihr Burger sein, und — ja, während Ihr im Heere stehet, seid Ihr auch Bürger. Es gibt keinen Unterschied zwischen Volk
und Heer, sie sind Eins; kommt Weh und Schmach über das Volk, sind sie auch über das Heer gekommen.
Darum rufen wir Euch zu: keinen Zusammenstoß, keinen Kampf zwischen Heer und Volk! Wir öffnen Euch die Arme, Soldaten, denn wir sind Eure Väter und Brüder, Eure Mütter und Schwestern sind
unsre Frauen und Schwestern!
Sollte der Soldat seinen Arm hergeben zur Unterdrückung der Volksfreiheit, zur Ueberwältigung der Nationalversammlung, so hat er die Waffe gegen die eigene Vrust, gegen die Brust seines Baters und
Bruders, seiner Mutter und Schwester gezückt!
Mitbürger Soldaten, vergesset das nicht, erwäget es wohl, Ihr seid des Vaterlandes, dieses hat sein heiliges Anrecht auf Euch, erinnert Euch, Ihr habet auch dem Vaterlande den Eid
geschworen! Das Vaterland ist das Höchste auf Erden! — Dazu bieten wir Euch die Bruderhand!
Magdeburg, den 12. November 1848.
Die Bürgerversammlung von Magdeburg“
@xml:id | #ar145_012 |
@type | jArticle |
@facs | 0754 |
[
20
] Berlin, 13. November.
Noch immer keine Entscheidung! Die Nacht ist ruhig und ohne Konflikt vorübergegangen. Die Proklamation des Belagerungszustandes weit entfernt die Berliner zu schrecken, hat vielmehr einen ganz
entgegengesetzten, einen heitern Eindruck aufs Volk gemacht. Es betrachtet ihn als ein komisches Ding, macht seine Witze drüber, kehrt sich aber nicht im Mindesten dran. Wo vor dem Belagerungszustande
5 Leute zusammenstanden, da stehen heut 50; man trägt Waffen, druckt und verkauft Flugschriften trotz Wrangel und seinem Belagerungszustande. Allerdings ziehen Militär-Patrouillen durch die Straßen;
aber entweder werden sie verhöhnt oder mit Vivats vom Volke begleitet. Das Militär fraternisirt gleichsam mit dem Volke und wenn auch heut schon einzelne kleine Konflikte vorkamen, bei denen sich die
Soldaten nicht gerade aufs feinste benahmen, so zeigten doch andere Fälle, wie schwankend die Soldaten im Gehorsam gegen ihre Offiziere sind. Gemeine, die von Offizieren zum Abreißen von Plakaten
kommandirt waren, haben sich dessen geweigert. Die Offiziere waren genöthigt es selbst zu thun; das Volk machte dann immer die Gegendemonstration, daß es alle königl. Plakate von den Ecken riß. Auf
dem Dönhoffsplatze, wo zum Einschreiten gegen Gruppen kommandirt wurde, machten die Soldaten „Gewehr bei Fuß.“ Kurz, Wrangel wird ausgelacht, Belagerungszustand klingt wie eine Fabel.
Man ist fröhlichen Muthes auf den Augenblick des Kampfes gefaßt. Man glaubte allgemein, daß er in der vergangenen Nacht ausbrechen wurde, bei Gelegenheit der Sprengung der Vereinb-Versammlung.
— Da diese ausblieb, so war kein naherer Anlaß zum Kampfe da. Uebrigens wird eifrig Munition bereitet, im Falle es zum Straßenkampfe kommen sollte. Bis zu diesem Augenblicke, 2 Uhr Mittags hat
sich noch Nichts weiter ereignet. Man sprach zwar, daß bereits in einigen Stadttheilen die Entwaffnung gewaltsam vorgenommen würde; doch erwies sich dies bald als ungegründet. Dagegen sind, wie man
mit Bestimmtheit versichert, bewaffnete Zuzüge von Frankfurt, Magdeburg und Stettin an den letzten Stationen vor Berlin von dem dort aufgestellten Militär entwaffnet worden. — So eben erscheint
eine neue Aufforderung des Polizeipräsidiums zur Abgabe der Waffen, wozu eine Frist bis Morgen Nachmittag 5 Uhr festgestellt ist. Was dann erfolgt, kann sich Jeder denken. Bis jetzt sind übrigens kaum
50 Gewehre abgeliefert.
4 Uhr Nachmittags. Die Menschenmaße auf dem Schloßplatze, der Königsstraße, am Zeughause wird bedeutender, als sie seit langer Zeit dort war. Der Belagerungszustand bringt Leben in die
„verödete“ Stadt. An der neuen Wache machen die Soldaten Marschübungen, wobei sie die Menschenmaße unter deren Gelächter vor sich her treiben.
5 Uhr. Das längsterwartete ist geschehen; das Schützenhaus wurde so eben von Militär besetzt. Im Saale angekommen fanden die Soldaten nur noch den permanenten Ausschuß der
Vereinbarer-Versammlung, den Vizepräsidenten von Plönnies und drei Schriftfuhrer. Der kommandirende Offizier forderte die Abgeordneten auf den Saal zu verlassen; der Präsident befahl dasselbe dem
Offizier und seiner Mannschaft. Noch langem Hin- und Herreden wurden 3 Mann beordert die Deputirten gewaltsam aus dem Saale zu bringen und da diese sich weigerten, so führte eine ganze Sektion Militär
den Befehl aus. Mit Widerwillen, ja Entrustung gehorchten die Soldaten diesem Befehle; das merkte man ihnen wohl an. — Unten wurden die auf diese Weise vertriebenen Deputirten mit
Hurrah's vom Volke empfangen und fortgeleitet.
Die Vereinbarer-Versammlung hat leider noch immer nicht den Muth der Krone gegenüber ihren letzten Trumpf, die Steuerverweigerung, auszuspielen. Wer weiß, ob sie morgen noch die Gelegenheit dazu
finden wird.
@xml:id | #ar145_013 |
@type | jArticle |
@facs | 0754 |
[
*
] Berlin, 14. Nov.
Die Galgenzeitung „mit Gott für König und Vaterland“, bringt folgende Notizen:
In Folge der Ausdehnung des Belagerungszustandes auf zwei Meilen in der Runde von Berlin, werden die Fremden von der ersten Station dieses Umkreises ab nur gegen besondere Legitimationskarten nach
Berlin weiter befördert.
Wir hören, daß noch heute von Seiten des bevollmächtigten Abgeordneten der Reichscentralgewalt in Frankfurt, Herrn Bassermann, die Erklärung der Centralgewalt veröffentlicht werden wird, wodurch
die volle Uebereinstimmung derselben mit den Maßregeln der preußischen Regierung proklamirt wird.
Der frühere Minister, Abgeordneter Gierke, der sich der Oppositionspartei angeschlossen, hat in der Versammlung gestern von der Tribüne behauptet, die treue Stadt Stettin habe sich gegen
die Regierung erklärt.
Ein Beweis von der Frechheit, mit welcher einige Führer die Autorität des Gesetzes verhöhnen, gab ein gestern Abend verbreitetes Plakat des durch sein Benehmen bereits vielfach bekannten
Kammergerichts-Assessor Wache, unterzeichnet mit seinem Namen, in welchem er die Bestimmungen des Belagerungszustandes verhöhnt. Die Polizei hat demnach sofort in der Buchdruckerei von W. Fähndrich
und Komp., aus der dieses Machwerk hervorgegangen, den noch ubrigen Vorrath saisiren und die Druckerei schließen lassen; indeß waren schon vorher mehrere 1000 Exemplare fortgeschafft und wurden am
Schloß (das Militär halt sich streng innerhalb der gesperrten Gitterthuren) und an andern Orten angeschlagen und verkauft. — Wir hören, daß auch Herr Wache verhaftet ist.
Die Gymnasien sind gestern, vorläufig für 2 Tage, geschlossen worden.
Dieselbige „Galgenzeitung“ mit dem eisernen Kreuze bringt folgende zwei Notizen:
Die Nachricht von dem Standrecht über Robert Blum und der sofortigen Vollziehung des Urtheils an demselben scheint einen sehr bedeutenden Eindruck zu machen.
Die meisten bisherigen Fuhrer der demokratischen Partei und des souveränen Berliner Volks halten sich sehr zurückgezogen und lassen sich nirgends blicken. Mehrere sollen sogar sich bereits entfernt
haben.
Wir hören so eben, daß der Abgeordnete Schramm, als er gestern gegen Abend aufreizende Proklamationen an die Soldaten vertheilte, von denselben sofort festgenommen und zur Haft gebracht worden.
Die beiden Notizen widersprechen sich. Der Tod des Deputirten Blum hat den Deputirten Schramm nicht abgehalten, dem „Standrecht“ zu verfallen.
Aus beiden direkt aufeinanderfolgenden Notizen sieht man nur, wie die Männer vom Landwehrkreuze in Windischgrätz, dem Mordhund, ihr Ideal ubertroffen finden.
@xml:id | #ar145_014 |
@type | jArticle |
@facs | 0754 |
[
*
] Berlin, 14. Nov.
Es ist zu ernstlichen Konflikten gekommen. Zu Konflikten zwischen dem Militär und den Plakaten! Die Offiziere sind wüthend darüber, daß man ihnen überall scherzend aus dem Wege geht und daß man die
Soldaten bei ihrem Heranrücken stets mit freundlichem Nicken und mit lautem Hurrah empfängt. Aus Zorn, daß es zu keinem Krawall kommen will, rennen die hungrigen Eisenfresser daher mit den Säbeln in
die Bäume oder an die Straßenecken, um die Anschlagzettel niederzumetzeln, die wehrlosen Annoncen, die in der Manier eines Wache, eines Buddelmeier den großen Wrangel so köstlich verhöhnen. In der
That, die Soldateska entwaffnet nicht das Volk durch den Belagerungszustand, sondern das Volk entwaffnet die Soldaten durch seine Liebenswürdigkeit. Ein wahrer Guerillakrieg wird in unsern Straßen
geführt; ein Krieg mit freundlichen Worten, mit höflichen Grußen und heitern Späßen. Es ist, als löste sich der ganze Ernst der jüngsten Vorfälle in den harmlosesten Scherz auf, und wenn nicht
fortwährend die Bajonnette blitzten und die Patrouillen in verdächtigen Massen durch die Straßen marschirten, so sollte man fast glauben, daß es mit dem Belagerungszustand wirklich nicht so schlimm
gemeint sei.
Amusant war es, wie sich, gleich nachdem unter wirbelndem Trommelschlag das Wrangel'sche Martialgesetz verkündet worden war, durch die Schloßgitter hindurch das Volk mit dem Militär
unterhielt. In großen Haufen hatte man sich herangedrängt und zum großen Aerger der Offiziere wollte Niemand zu einer ernstlichen Störung Veranlassung geben.
Auf dem Dönhofsplatze weigerten sich die Soldaten sogar, auf Befehl ihres Lieutenants das Bajonet zu fällen, um eine Gruppe eifrig schwatzender Leute zu zerstreuen. Nur ein einziger Mann gehorchte,
die andern machten aber Gewehr bei Fuß und zornesroth kommandirte der Offizier zum Rückzug. Die Soldaten des Kaiser Franz- und Alexander-Garderegiments zeigten sich nicht weniger volksfreundlich. Sie
sollten Feuer geben, aber das Kommando war vergebens und mit lautem Jubel stob die Menge auseinander, um ihren Freunden Platz zu machen. Ein ähnlicher Vorfall geschah vor der Universität, wo das
Militär schon auf einige Studenten angeschlagen hatte, aber verschämt die Arme sinken ließ, als die Studenten arglos in die Hände klatschten und in lautes Bravorufen ausbrachen.
In wahrhaft fabelhafter Weise verhöhnt man so die Wrangelschen Maßregeln, und wenn nicht in den nächsten Tagen irgend ein trauriger Vorfall dazwischen kommt, so haben wir alle Aussicht, den
gesunden Menschenverstand über die Bosheit der Kamarilla triumphiren zu sehen.
Doch jetzt zu dem Gewaltstreich gegen die Abgeordneten des Volkes!
Gegen [unleserlicher Text] Uhr heute Nachmittags, ungefähr eine Stunde nach Suspension der Sitzung, gelangte die Nachricht in den Sitzungssaal: das Militär rückte gegen das Schützenhaus heran. In der That sieht man
von den Fenstern aus die ganze Straße von Soldaten besetzt; die Truppenmassen häufen sich. Der Vicepräsident Plönnies und die Schriftführer nehmen an ihrem Tische Platz, die Papiere werden bei
Seite geschafft; ein Oberst und mehrere Offiziere, begleitet von einem Trupp Soldaten, treten in das Lokal. Einige von der Schützengilde vertreten ihnen den Weg.
Der Oberst: Wo sind hier die Herren, die zu der gewesenen Nationalversammlung gehören?
Die Schützen führen sie aus dem Vorzimmer in den Sitzungssaal selbst.
Der Oberst zu Plönnies gewandt: Die Herren gehören zur Nationalversammlung?
Plönnies: Die Versammlung hat in diesem Augenblick keine Sitzung, ist aber vertreten durch ihr Bureau. Ich habe als Vicepräsident mit den Schriftführern die Aufgabe, alle Deputationen zu
empfangen, was wollen Sie?
Der Oberst: Ich bin der Oberst Sommerfeld und habe vom Staatsministerium den Auftrag, den Herren, die zur Nationalversammlung gehörten, oder noch gehören, ich weiß das nicht zu sagen, daß
sie dies Haus verlassen müssen.
Der Präsident Plönnies: Wenn Sie Gewalt anwenden wollen, dann versuchen Sie's. Anders werden wir hier nicht fortgehen.
Der Oberst: Sie bereiten Sich und uns eine unangenehme Situation; wir können das nicht beurtheilen und müssen unserm Auftrage gemäß handeln.
Plönnies: Wir vertreten in diesem Augenblick die Nationalversammlung und werden den Platz, den sie uns anvertraut hat, nicht verlassen.
Ein Constabler-Offizier vortretend: Im Namen des Gesetzes, ich fordere Sie auf, den Anordnungen der Behörde Folge zu geben. Der Belagerungszustand ist ausgesprochen, die Versammlung ist
ungesetzlich.
Präsident: Wir vertreten hier das Gesetz und Ihre Forderung ist ungesetzlich.
Oberst: Dann werde ich das Lokal mit Soldaten besetzen.
Präsident: Wenn Sie es wagen, in das Lokal der Nationalversammlung einzutreten, ohne daß Sie Erlaubniß dazu haben, wenn Sie mit militärischer Gewalt hier eindringen, dann werden Sie es zu
verantworten haben.
Oberst (verlegen). Ich muß meinem Auftrage nachkommen.
Plönnies (zum Bureau gewendet): Ich muß die Herren Schriftführer bitten, Akt zu nehmen von dieser Handlung.
Der Oberst kommandirt: Kehrt!
Beim Hinausgehen tritt einer von den Schützen an ihn heran: „Mein Herr, wir müssen Protest einlegen gegen diese schwere Verletzung des Hausrechts.“ Ein Sekretär formulirt diesen
Protest. Der Oberst mit seinen Soldaten verläßt das Haus. Die Straßen und das Sitzungslokal werden mit Soldaten gesperrt. Es sind immer mehr Soldaten, an 3000 Mann, herangezogen; alle Zugänge füllen
sich.
Der Oberst: „Meine Herren, wenn sie nicht auseinandergehen werde ich Waffengewalt anwenden müssen.“
Die Soldaten beantworten dies mit einem schallenden Gelächter, sie drückten den Bürgern die Hände, machten ihnen bereitwillig Platz und sagten mit der größten Freundlichkeit: „Wir schlagen
uns nicht!“ Zum Beweise der Brüderlichkeit wurden die Flaschen aus den Reihen der Soldaten zu den Bürgern und umgekehrt herüber gereicht. Man trinkt sich gegenseitig zu. Das Regiment, welches
besonders freundlich hervortrat, war das 12.
Während dessen war zu Wrangel geschickt worden. Von ihm kam ein Oberst v. Blücher zurück, der einzige, der sich barsch benommen hat. Er forderte den Präsidenten Plönnies auf, sofort den Saal
zu verlassen.
Oberst Sommerfeld bemerkte, wenn die Herren blos als Deputirte privatim hier anwesend sind, so soll Ihnen nichts geschehen.
Plönnies: Nein, wir sind hier Bevollmächtigte der Nationalversammlung, wir werden nur der Gewalt weichen.
Blücher: Nun, so werden wir die Gewalt anwenden.
Hierauf ergreifen den Vicepräsidenten Plönnies 2 Konstabler an beiden Armen und schleppen ihn durch den Saal und die Vorsäle zur Treppe hinunter.
Am Ausgange stand ein greiser Schütze. Er schüttelte bedenklich den Kopf und sagte zu dem Obersten Blücher: „Es ist traurig, daß ein Nachkomme des großen Blücher, der dem Vaterlande so viele
treue Dienste geleistet, sich zu solchen Ungesetzlichkeiten und zu solchen Verletzungen des friedlichen Hausrechtes gebrauchen läßt.“
@xml:id | #ar145_015 |
@type | jArticle |
@facs | 0754 |
[
14
] Berlin, 14. Nov.
Von Potsdam dunkle Gerüchte. Auf den König soll geschossen worden sein. Er ist von Sanssouci nach Potsdam ins Schloß gezogen. Man spricht von Barrikaden. Das Militär aus unserer Umgegend
ist theilweis mit der Eisenbahn nach Potsdam gefahren. — Eine Deputation von Halberstadt berichtet, daß die Kreisregierung der Nationalversammlung die Landwehr zur Verfügung stelle, auch
hatten sich drei Eskadronen Cürassiere für die Nationalversammlung erklärt. Im Mansfeldischen allgemeiner Aufstand.
Seit dem Abend ziehen die Patrouillen in breiten Zügen durch die Straßen, vielleicht um leichter zu einem Conflikt mit dem Volke zu kommen. Aber das Berliner Volk thut der Kamarilla den Gefallen
nicht.
@xml:id | #ar145_016 |
@type | jArticle |
@facs | 0754 |
Potsdam, 11. November.
Heute hatte eine Magdeburger Deputation vor der Kirchthüre eine Unterredung mit dem Könige. Sie hatte vergeblich um Audienz gebeten. Auch hier wollte der König die Adresse nicht entgegennehmen, die
sie mitbrachte.
Der Sprecher der Deputation: „Es ist eine Zustimmungsadresse.“ Der König nimmt sie, entfaltet sie, und wendet sich unwillig zu dem Sprecher mit den Worten: Es ist ja nicht das, was
sie mir gesagt haben.
Der Sprecher: Majestät, es ist Gesinnung von 3/4 der Stadt Magdeburg.
Der König: Wissen Sie, die Stadt Magdeburg hat mir Treue geschworen, und ich habe sie ihres Eides noch nicht entbunden.
Der Sprecher: Majestät, wir haben die Abgeordneten gewählt zur Vereinbarung der Verfassung, und wir werden an der Versammlung festhalten.
Der König: Die Stadt Magdeburg wird sich meine allerhöchste Ungnade zuziehn.
Ein Mitglied der Deputation: „Majestät, Ihre Allerhöchste Ungnade kann uns nix nutzen, wir wollen unser Recht.“
Bei diesen Worten wandte sich Se. Majestät zur Thür der Kirche.
@xml:id | #ar145_017 |
@type | jArticle |
@facs | 0754 |
Stettin, 15. November.
Das gute Recht der Nationalversammlung, die Sache der Demokratie in der edelsten Bedeutung hat in Stettin einen überaus schönen Sieg errungen. Nachdem der konstitutionelle Klub im Bunde mit den
verschiedenen Vereinen der Stadt schon in der Nacht vom Donnerstag zum Freitage für die National-Versammlung sich erklärt und an der Spitze der Bewegung gegen die Anmaßungen der falschen Rathgeber der
Krone sich gestellt hatte, wuchs die Begeisterung für die schmählich behandelten Vertreter des Volkes von Stunde zu Stunde, bis heute
[0755]
durch die Proklamation der National-Versammlung an das Volk die Parteinahme für die Abgeordneten aller Schichten der Einwohnerschaft auf eine wahrhaft ergreifende Weise sich bemeisterte. Alle Klassen
der Einwohnerschaft wetteiferten in der Parteinahme für die National-Versammlung. Nachdem auf der Börse 234 Kaufleute, unter ihnen die geachtesten Häuser, sich an der früher erwähnten Adresse
betheiligt, folgten am Nachmittage alle Kompagnien der Bürgerwehr, mit Ausnahme der 10ten, welche sich der Abstimmung enthielt, in der Entscheidung gegen die Uebergriffe der Krone. Die Bürgerwehr,
welche Kompagnieweise abstimmte, erklärte sich dahin, die Beschlüsse der Nationalversammlung ausführen zu wollen, indem sie die unten folgende Adresse annahm. Am Abende traten Magistrat und
Stadtverordneten zusammen und faßten den gleichen Entschluß — (Der Magistrat einstimmig und die Stadtverordneten mit Ausnahme einer Stimme) kurz, die Hauptstadt von Pommern legt ihr moralisches
Gewicht in die Waagschale für die gefährdeten Rechte des Volkes. Von heute an nimmt Stettin eine ehrenvolle Stelle unter den großen Städten der Monarchie ein, welche mit der National-Versammlung
stehen und fallen. Ein Extrazug bringt heute früh die einzelnen Adressen durch besondere Deputationen des Magistrats und der Stadtverordneten, der Bürgerwehr und der Kaufmannschaft nach Berlin. Unter
den Deputirten des Magistrats befindet sich auch der Oberbürgermeister Wartenberg und unter der Deputation der Stadtverordneten der Vorsteher Hessenland. Stettin hat auch die kühnsten Hoffnungen
übertroffen. Das Volk wird seine Rechte zu wahren wissen.
[(Osts. Ztg.)]
@xml:id | #ar145_018 |
@type | jArticle |
@facs | 0755 |
[
!!!
] Frankfurt, 14. November.
Sitzung der Nationalversammlung. Präsident von Gagern.
Tagesordnung:
Bericht des Ausschusses für das Verhältniß der deutschen Reichsversammlung und der Centralgewalt zu den Einzelstaaten über die den Conflikt der Preußischen Regierung und
der Nationalversammlung von Berlin betreffenden Anträge. — Berichterstatter Zachariä.
Vor der Tagesordnung.
Präsident: Mehrere Interpellationen sind zur Kenntniß zu bringen.
1) Fetzer aus Stuttgart: Wegen der von der Centralgewalt an die Schweiz nochmals erlassenen Note, worin sich
mehrere Stellen finden, welche auf unverantwortliche Art in das Verhältniß Deutschlands zu einem braven Nachbarvolke Störungen bringen.
2) Nauwerk interpellirt wegen der österreichisch-italienischen Kriegsfrage. (Im Centrum: Ach, oweh!)
3) Simon von Trier: Hat der Minister Kenntniß von einem Reskript der badischen Regierung, wonach die nach Baiern aus Wien geflüchteten Studenten polizeilich ausgewiesen werden? — und
gedenkt das Reichsministerium, dieser polizeilichen Anarchie entgegen zu treten? (Aufregung.)
4) Giskra: Hat das Ministerium Kenntniß davon, daß in Wien die Studenten und Arbeiter gewaltsam unter das Militär gesteckt werden?
5) (Hört!) Simon von Trier fragt den Justizminister, ob er Kenntniß davon habe, daß nach den sichersten Nachrichten am 9. dieses Monats früh um 6 Uhr im Augarten zu Wien Robert Blum
standrechtlich erschossen worden sei?
(Allgemeine Erstarrung!)
Der Justizminister Mohl weiß natürlich nichts von diesem Schurkenstreich. — Mehrere Mitglieder der Linken treten mit einem Brief an die Tribüne. — Dieser Brief bestätigt
vollkommen diese Nachricht. — Der Eindruck ist furchtbar.
Uebergang zur Tagesordnung.
Der Bericht wird von Zachariä verlesen.
Hiernach folgen mehrere Anträge, der erste von Vinke, Radowitz, Graf Schwerin und Consorten, hat die fabelhafte Frechheit, die Tagesordnung über die preußische Frage zu beantragen. Der zweite, von
sehr vielen Mitgliedern der Linken unterzeichnet, bezieht sich auf die Entwaffnung der Bürgerwehr in Berlin und verlangt von der Centralgewalt den Befehl der Zurücknahme dieses Entwaffnungs-Reskripts
an die preußische Regierung. — Folgen noch andere Anträge, von denen die Motive des einen 3/4 Stunden Zeit beim bloßen Verlesen wegnehmen.
Justizminister Mohl theilt mit, daß er soeben aus ihrer Mitte (aus rechter Mitte?) zwei Abgeordnete nach Wien geschickt hat, um Fröbel und Trampusch, so wie andere dort befindliche Deutsche
zu schützen.
Präsident verliest noch einen Brief aus Wien an den Abgeordneten Wiesner, welcher die Ermordung Blum's durch standrechtliches Urtheil bestätigt. Der Brief sagt, daß Blum sich männlich
und in vollkommen edler Haltung bis zum Vollzug seiner Ermordung benommen hat.
Hierauf geht man zur Tagesordnung zurück.
Die Diskussion (zu welcher sich über 60 Redner eingeschrieben haben) beginnt mit
Simon von Breslau, welcher gegen die jämmerlichen matten Anträge der Majorität des Ausschusses spricht. Diese Anträge lauten:
Die Reichversammlung wolle in Uebereinstimmung mit den von dem Reichsministerium beschlossenen Maßregeln erklären, daß sie es für nöthig erachte
1) die königlich preußische Regierung dahin
zu bestimmen, daß sie die angeordnete Verlegung der Nationalversammlung nach Brandenburg zurücknehme, sobald solche Maßregeln getroffen sind, welche ausreichend erscheinen, um die Würde und Freiheit
ihrer Berathungen in Berlin sicher zu stellen;
2) daß die preußische Krone sich alsbald mit einem Ministerium umgebe, welches das Vertrauen des Landes besitzt, und die Besorgnisse vor reactionären Bestrebungen und Beeinträchtigung der
Volksfreiheiten zu beseitigen geeignet ist.
Jordan aus Marburg, Zachariä, Hergenhahn, Jordan aus Berlin, Schwartz, Haym, v. Saucken, Paur aus Augsburg, Lüntzel, Falk, Wiedenmann, v. Raumer aus Dinkelsbühl.
In Oesterreich ist es zu spät, meine Herren, beginnt Simon, in Preußen noch nicht. Hierauf beweist Simon, daß das Betragen der preußischen Krone und Camarilla, gegenüber der Berliner Versammlung,
eine direkte Folge des Zusammenkartätschens von Wien ist, daß die Unfreiheit der Versammlung durch den Einfluß des Berliner Volks ein elender Vorwand ist. Die Versammlung ist nie unfrei gewesen, dies
beweisen selbst Männer wie Bornemann, Mitglied des rechten Centrums in Berlin. Sie können es nicht für Recht erklären, dieses Würfeln des Königs von Preußen um seine Krone. (Lautes Bravo im Centrum.)
Recht und Gesetz stehen auf der Seite der National-Versammlung. Dies beweist (zum Ueberfluß) die Haltung derselben, die Haltung des Berliner Volks, der Bürgerwehr, des ganzen preußischen Volks. Was
bleibt nach Wegnahme von diesem Allen dem Thron, was ist der Thron ohne das Volk? (Langer schallender Beifall links und Gallerien.) Wenn Sie, meine Herren, nur Aufstande im badischen Oberlande
niederdrücken können, wenn Sie keine Macht haben gegen die Reaktion von Oben, keine Macht gegen die Regierungen — so erklären Sie doch, daß hier nicht der Schwerpunkt Deutschlands ist, sonst
glaubt das Volk, daß es seine schlechtesten Männer nach Frankfurt geschickt hat.
Diesen Worten folgt ein wahrhaft donnernder Sturm der Linken, des linken Centrums und der vollgepfropften Gallerien. Die Rechte tobt und will die Gallerie geräumt haben. Der Präsident sieht
mehrfach nach den Gallerien, scheint es aber doch noch für zu früh zu halten. Unter fortwährendem krampfhaften Beifallklatschen geht Simon von der Tribüne.
Simons Anträge lauten:
1. „Die National-Versammlung wolle beschließen, die Centralgewalt aufzufordern, an die preußische Regierung die sofortige Erklärung zu richten, daß dieselbe
außer ihrem Rechte stehe, wenn sie dem Lande ein Ministerium gegen den wiederholt ausgesprochenen Willen der Volksvertretung aufdringen wolle.“
2. „Die National-Versammlung wolle beschließen, die Centralgewalt aufzufordern, an gedachte Regierung die fernere Erklärung zu richten, daß dieselbe außer ihrem Rechte stehe, wenn sie ohne
Uebereinstimmung mit der zur Vereinbarung der Verfassung berufenen preußischen National-Versammlung letztere vertagen und ihren Sitz verlegen wolle.“
3. „Die National-Versammlung wolle beschließen, die Centralgewalt aufzufordern, an gedachte Regierung die sofortige Weisung zu richten; vorstehend aufgeführte, die Volksfreiheit, das Recht und
die Ruhe Deutschlands bedrohende Maßregel zurückzunehmen.“
Welker (der berühmte Reichstagskommissär) poltert und bellt für die Anträge der Majorität des Ausschusses. Es musse durchaus Ordnung werden, überall wolle man gerne Soldaten, man müsse einen
Schreck vor der Freiheit bekommen wegen der Mißbräuche derselben. Dies käme alles daher, weil die Männer die Hände in die Taschen steckten und Buben regierten. (Tumult.) Welker rechtfertigt die
preußischen Maßregeln aus der Büberei und Unordnung des Berliner Volks.
v. Vinke will vom Standpunkte des historischen Rechts aus — Tagesordnung sogar über die Anträge des Ausschusses. Nirgends sei ein Gesetz, welches beweise, daß die Versammlung in
Berlin tagen müsse. Sie könne beliebig verlegt werden. Dies sei ein Recht der Krone. Rodbertus wird heftig angegriffen; er sei jetzt Führer der Opposition, nachdem er früher das Recht der Berliner
Versammlung, eine konstituirende zu sein, bestritten habe. Darauf das alte Lied von der unfreien Versammlung. Die Beispiele des konstitutionellen Musterstaats England führt der Ritter in Masse an.
Wenn Brandenburg der Berliner Versammlung nicht genehm sei, müsse sie aufgelöst werden — im konstitutionellen Sinne! und eine neue zusammen berufen werden, um zu sehen, ob in dieser Neuen das
Ministerium eine Majorität hätte. Seit dem segensreichen Einrücken Wrangels in Berlin, sei Ruhe geworden, seien die Papiere gestiegen. Mit der Haltung der Berliner Versammlung ist Vinke nicht
zufrieden; diese habe gar nicht das Recht, Proklamationen an das Volk zu erlassen. Ueber das Ministerium Schmerling fährt er mit Wuth her wegen dessen gestrigen Erklärung. Wer hat denn die
Centralgewalt aufgefordert, der Berliner Versammlung zu Hülfe zu kommen, etwa die Krone? Etwa jene Versammlung selbst? Bei Oesterreich haben wir die Verlegung des Reichstags ruhig gestattet, weshalb
nicht in Preußen?
Müller von Würzburg deklamirt für die Anträge des Ausschusses.
Während er ohne alle Theilnahme fortschwatzt, gebe ich Ihnen die Anträge der Minorität des Ausschusses. Sie lauten:
„Die National-Versammlung wolle erklären, daß sie es für nöthig erachte:
1. „Die königl. preuß. Regierung dahin zu bestimmen, daß sie die angeordnete Vertagung und Verlegung
der preußischen National-Versammlung, als mit dem Wesen und dem Rechte einer Versammlung zur Vereinbarung der Verfassung unverträglich, aufhebe.
2. „Daß erforderlichen Falies Maßregeln getroffen werden, welche ausreichend erscheinen, die Würde und freie Berathung der Versammlung in Berlin sicher zu stellen.
3. „Daß die Krone Preußen sich alsbald mit einem Ministerium umgebe, welches das Vertrauen des Landes besitzt, und die Besorgnisse vor reaktionairen Bestrebungen und Beeinträchtigung der
Volksfreiheiten zu beseitigen geeignet ist.
Werner aus Koblenz, Krafft aus Nürnberg, Giskra.
v. Wydenbrugk (Weimar) spricht für seine Anträge und die Anträge der Minorität des Ausschusses.
Er giebt sich die überflussige Mühe den falschen Standpunkt Ritter Vinkes nachzuweisen, und fahrt dann fort:
Ich nehme keinen Anstand das Benehmen der preußischen Krone für einen Staatsstreich zu erklären, dem wir ganz energisch entgegentreten müssen, wenn wir nicht ganz und gar vergessen, woraus wir
hervorgegangen sind. (Bravo.) Daß Exzesse gegen die Berliner Versammlung vorgekommen, darf in revolutionären Zeiten nicht wundern. Seien wir deshalb klar erst und energisch in unserm heutigen
Ausspruch, zum Vermitteln sind wir nicht hierhergekommen, da hätten wir besser zu Hause bleiben können. (Bravo, langanhaltender Beifall der Linken, linken Centren und Gallerie.)
v. Beckerath (Minister) deklamirt für die Mehrheit des Ausschusses. Mehrere Mitglieder schlafen darüber ein.
Selbst Beckerath findet, daß in Berlin eingeschritten werden muß. Die Verlegung selbst (so erläutert Beckerath die Ausschußanträge) ist ja nicht getadelt worden, nur soll sie dann nicht
stattfinden, wenn die Beweggründe dazu weggeräumt sind. (Schöne Erklärung!) Zum Schluß meint er, die Geschichte werde darüber richten, ob hier „die schlechtesten Söhne Deutschlands“
sitzen, ein Beifallssturm dieses Hauses (S. oben Simon) könne darüber nicht entscheiden.
Lassaulx reicht einen Antrag auf einfache Tagesordnung ein. (Gelächter und Tumult.)
Biedermann (Leipzig.) macht seine Anträge.
Es stimmen dieselben ganz und gar mit den Ausschußanträgen der Majorität überein.
Löwe aus Calbe widerlegt das sonstige Gewäsch des Herrn Biedermann und weist in einer ausgezeichneten Rede die Verhältnisse Preußen bis 1848 nach.
Unter Anderm bemerkt Löwe: man sagt ewig, die Berliner Versammlung sei unfrei, und weil eben die Versammlung immer und immer wieder selbst erklärt, sie sei frei, eben deswegen bleiben Sie dabei,
sie sei unfrei. (Lautes Bravo.) Die sogenannte anarchische Bevölkerung Berlins giebt der Regierung ein Beispiel wie sie sich benehmen soll, indem sie eine großartige Ruhe bewies bei der
widerrechtlichen Entreißung aller ihrer Freiheiten. Die Revolution, die wir jetzt verhüten wollen, würde weiter gehen, als mancher glaubt, der sie vielleicht herbeiwünscht. Künstlich hat man diese
Revolution herbeibeschworen, aber das edle Berliner Volk widersteht, es ist klug geworden, es giebt keinen Anlaß mehr durch Kravalle, und wenn man auch von oben her schreit, einen Kravall, nur einen
Kravall, ein Königreich für einen Kravall! (Donnerndes langes Bravo.) Wenn Sie die Revolution in Preußen hervorrufen, sie wird nicht stehen bleiben in Preußen, sie wird eine deutsche werden. Alle
größeren Städte, Magdeburg, Cöln, Breslau u. s. w. haben sich bereits für Berlin ausgesprochen. Endlich empfiehlt er Heinrich Simons Antrag (Schluß! Schluß!)
Der Schluß der Debatte wird angenommen. Der Berichterstatter Zachariä soll sprechen, da versucht man auf die empörendste Art statt Zachariä Herrn Jordan aus Berlin einzuschmuggeln. Trotzdem Giskra
und noch ein Mitglied des Ausschusses es geradezu für eine Lüge erklärten, daß im Ausschuß Jordan aus Berlin an Zachariäs Stelle zum Berichterstatter erwählt worden, wird nach einer tumultuarischen
Scene, worin sich die Mitglieder des Ausschusses einander Lügner nennen, nachdem der Präsident sich zu Gunsten Jordans verwendet hat, dem Letztern das Wort gegeben. Nach einigen klaglichen Malicen
gegen die Linken, verzichtet Herr Jordan aufs Wort, weil so großer Widerspruch gegen ihn ist. (Bravo.)
Folgt die Abstimmung um 3 1/4 Uhr.
Lassaulxs Antrag auf einfache Tagesordnung wird nur von Jahn unterstützt.
v. Vinke's motivirte Tagesordnung wird mit 393 gegen 45 Stimmen verworfen.
Heinrich Simons Antrag (S. oben.) kommt in seinen einzelnen Punkten zur Abstimmung. Punkt 1. mit 287 gegen 150 Stimmen verworfen.
Punkt 2. in namentlicher Abstimmung mit 272 Stimmen gegen 172 verworfen. Der dritte Antrag von H. Simon fällt somit von selbst. v. Wydenbrugk zieht seinen Antrag zurück, und verbindet sich mit der
Minorität des Ausschusses. (Bravo.) Ein Antrag von Maltzahn, „der preußischen Versammlung wegen ihres würdigen Benehmens Anerkennung auszusprechen“ wird verworfen. Der Antrag der
Minorität wird mit 241 Stimmen gegen 198 verworfen. (Die verhängnißvollen Lichter um das Büreau werden angezündet.) Das große Resultat dieses großen Tages ist demnach die Annahme des Antrags der
Majoritat des Ausschusses mit 239 Stimmen gegen 189.
Vor Schluß der Sitzung theilt der Präsident noch einen dringlichen Antrag von Simon von Trier mit:
„In Erwägung, daß das an Blum vollzogene Urtheil ein Mord ist, solle die
Nationalversammlung die Centralgewalt zur sofortigen Ermittelung und Bestrafung der Morder auffordern.“
Nur die Linke erkennt diesen Antrag als dringlich, er geht an den Ausschuß für österreichische Angelegenheiten. (Ruhe sanft!)
Der Justizminister zeigt nochmals an, daß 2 Abgeordnete um 2 Uhr Nachmittag nach Wien sind, um von dieser Sache zuerst genaue Kenntniß zu nehmen.
Schluß der Sitzung um 1/4 6 Uhr Abends. Morgen keine Sitzung.
@xml:id | #ar145_019 |
@type | jArticle |
@facs | 0755 |
[
*
] Mannheim, 13. November.
An das Volk in Preußen und seine Vertreter.
Burger, Brüder!
Die volksfeindlichen Pläne, welche die Camarilla zu Potsdam an der Spitze der reactionären Partei längst im Geheimen zur Vernichtung der durch die Märzrevolution gewonnenen, durch gesetzliche
Anerkennung zugesicherten Errungenschaften vorbereitet hat, sind jetzt in ihrem ganzen Umfange an das Tageslicht getreten. Die Niederlage, welche zu Wien die Sache des Volkes erfahren, hat auch bei
Euch die Unterdrücker zur offenen Gewaltthat ermuthigt; derselbe Schlag ist Euch, derselbe Schlag ist dem ganzen deutschen Volke zugedacht. Wir fühlen mit Euch die Große des gegenwärtigen
Augenblickes.
Vertreter des preußischen Volkes! Ihr habt den gesetzwidrigen Anmuthungen, die von königlicher Seite an Euch ergangen sind, mit Entschlossenheit und Festigkeit widerstanden, Ihr habt die Würde der
Volksvertretung durch Eure männliche Haltung gewahrt. Wir fühlen uns gedrungen, Euch zu sagen, daß wir in Euch die wahrhaftigen Stützen des Volkes erblicken. Beharret mit Entschiedenheit auf dem Wege,
den Ihr betreten und das deutsche Volk wird sich an Euch anschließen. Es richtet um so freudiger seine Blicke zu Euch, als es in der deutschen Centralgewalt keine Bürgschaft für seine Freiheit findet
und in der Majorität der Frankfurter Versammlung nur die biegsamen Werkzeuge der Willkür erkennen kann.
Und Du, preußisches Volk, schaare Dich zusammen um deine Vertreter, unterstütze sie mit dem ganzen Nachdruck Deiner Macht, setze den frevelhaften Angriffen auf Deine Rechte all Deinen Muth, all
Deine Thatkraft entgegen. Trete in die Schranken für Deine, für unsere Freiheit und wir werden zu Dir stehen. Gedenke des hohen Berufes, den Dir die Geschichte unseres Vaterlandes zugewiesen hat. Dir
war es einst vorbehalten, die Losung zu geben zur Befreiung unseres Vaterlandes von der Despotie eines ausländischen Eroberers. Du hast die deutsche Nationalität gerettet, es ist jetzt an Dir, die
deutsche Freiheit zu retten. Trete wieder ein in die alte Bahn Deines Ruhmes; trage das Banner voran, das ganze deutsche Volk wird Dir nachfolgen.
Eine Bürgerversammlung im Weinberg.
Mannheim, 13 Novbr., nach Empfang der Nachrichten über die Berliner Ereignisse vom 9. und 10. Novbr. 1848.
@xml:id | #ar145_020 |
@type | jArticle |
@facs | 0755 |
Wien, 12. Nov.
Fröbel, zum Strange verurtheilt, ist von Windischgrätz begnadigt, Füßer freigesprochen worden.
@xml:id | #ar145_021 |
@type | jArticle |
@facs | 0755 |
Wien, 11. Nov.
Durch standrechtliches Urtheil ist Eduard Jeloviki, aus Hubnik in Russisch-Polen gebürtig, wegen thätiger Theilnahme an dem bewaffneten Aufruhre in Wien, und Widerstand gegen die k. k. Truppen, zum
Tode verurtheilt, und das Urtheil gestern früh 7 ein halb Uhr in dem hiesigen Stadtgraben mit Pulver und Blei vollzogen worden.
@xml:id | #ar145_022 |
@type | jArticle |
@facs | 0755 |
Wien, 12. Nov.
Telegraphische Depesche. „Se. Majestät haben den Reichstag in Kremsier auf den 22. d. M. vertagt, was sogleich durch die Zeitungen bekannt zu geben ist.“
Wien, ut sup. Engelbert Matzenauer,
k. k. Ober-Telegraphist.
@xml:id | #ar145_023 |
@type | jArticle |
@facs | 0755 |
Ollmütz, 11. Nov.
Heute wurde folgende kaiserliche Proklamation veröffentlicht:
„Wir Ferdinand der Erste, konstitutionneller Kaiser von Oesterreich, König von Ungarn etc. etc.
Wir haben mit Unserem Patente vom 22. Okt. 1848 alle zum konstituirenden Reichstage erwählten Volksvertreter aufgefordert, sich bis zum 15. Nov. 1848 in der Stadt Kremsier zuverlässig einzufinden,
um daselbst die Berathungen in Beziehung auf die Verfassung fortzusetzen.
Es wurde uns vorgestellt, daß Viele der Abgeordneten in ihre Heimath gereiset seien, und daher nur mit Schwierigkeiten zur rechten Zeit an dem bezeichneten Orte eintreffen können. — Auch ist
uns zur Kenntniß gekommen, daß die Vorbereitungen, welche wegen der Lokalitäten des Reichstages, und in Absicht auf die Unterknüfte der Abgeordneten, sowie für die übrigen Bedürfnisse getroffen werden
müssen, nicht mit Zuverlässigkeit bis zum 15. Nov. 1848 vollendet sein dürften.
Endlich ist es von Wichtigkeit, daß gleich bei dem Beginne der Verhandlungen die möglich größte Zahl der Abgeordneten sich einfinde.
In Erwägung dieser Verhältnisse finden Wir Uns bewogen, den Tag zur Wiedereröffnung des konstituirenden Reichstages vom 15. Nov. auf den 22. Nov. 1848 hinauszurücken, und Wir erwarten um so
zuversichtlicher, daß an dem bezeichneten Tage der Reichstag in Kremsier die Verhandlungen beginnen werde.
Ollmütz, den 10. Nov. 1848.
Ferdinand m. p. Wessenberg m. p.
Französische Republik.
@xml:id | #ar145_026 |
@type | jArticle |
@facs | 0756 |
Paris, 14. Nov.
Der Constitutionnel (Herr Thiers) hat endlich die Maske von sich geworfen und den „Prinzen“ Louis Bonaparte offen als seinen Kandidaten für die Präsidentschaft anerkannt.
Die „Debats“ sind darüber wüthend und legen im Namen der Bank und der Börsenwölfe heute einen energischen Protest gegen diese Kandidatur ein, an deren Gelingen sie die
fürchterlichsten Betrachtungen knüpfen.
Die Einigkeit der moderirten Partei ist gebrochen und die Debats wälzen im Voraus die ganze Verantwortlichkeit dieses Bruches auf die Schultern der Thierspartei.
— Wir kommen nach dem Moniteur noch einmal auf die Schlußscene der gestrigen Nationalversammlung zurück, da wir sie gestern Abend nur in wenigen Strichen andeuten konnten.
An der Tagesordnung war bekanntlich die Budgetdiskussion, in welcher sich die Herren Professoren-Vertreter bei Gelegenheit einiger Gehaltsabzüge lange darüber zankten, ob die „auf Turgot,
Say und A'Smith gegründete Michel Chevalier'sche politische Oekonomie“, am College de France, welche die provisorische Regierung unterdrückt, wirklich monarchisch und deshalb der
Republik gefährlich sei? Nachdem Jean Requard und Barthelemy St. Hilaire für und wider gestritten, und die Centriers schon ziemlich häufig zum Schluß! zum Schluß! gerufen hatten, wollte Marrast die
Debatte auf heute verschieben und die Sitzung schließen. In diesem Augenblick (6 1/2 Uhr) trat Taschereau auf die Bühne; die Huissiers riefen alle Repräsentanten, die schon ihre Plätze verlassen
hatten und zum Saale hinausstürmen wollten, wieder zurück und
Taschereau konnte sprechen. Er höre, sagte er, daß die monatliche Präsidentenwahl für morgen (statt des 19.) abgesagt sei; er wünsche zu wissen, aus welchen wichtigen Gründen man diese
wichtige Wahl verschiebe und ob etwa Hr. Marrast seine Demission gegeben?
Marrast antwortete: Im Augenblick, wo Taschereau das Wort nahm, wollte ich die Nat.-Vers. auseinandersetzen. — Viele Deputirte haben am 15. und 16. Nov. Paris verlassen in Folge der
ihnen bewilligten Urlaube und da fand ich es nicht schicklich, daß der Präsident durch eine geringere Zahl gewählt würde, vorzüglich in Gegenwart der Ereignisse, welche eintreten können. (!!!) Die
möglichst große Zahl zur Theilnahme an der Wahl scheint mir wichtig und daher habe ich für die wenigen Tage, während welchen ich noch der Versammlung zu präsidiren die Ehre hatte, mein Amt
niederzulegen beschlossen. Ich setzte darum die Wahl eines neuen Präsidenten auf die morgige Tagesordnung (Agitation). . . . .
Larochejaquelin: „Ich bitte Sie mir einige Aufschlüsse zu erlauben, und wenn mir die Unterbrecher nur einige Augenblicke gestatten, so sollen Sie die ganze volle Wahrheit
hören.“
Millard. Ja, Ja, die ganze nackte Wahrheit! Larochejaquelin: Nun ich werde sie ein wenig verhüllen.
Eine Stimme: Antworten Sie doch nicht auf dergleichen Unterbrechungen! Zur Frage.
Larochejaquelin: Man mache sich über die Abdankung Marrast's ja keine falschen Vorstellungen. Hat sie etwa zum Zweck, sich von den viermonatlichen glorreichen Anstrengungen der
Präsidentschaft auszuruhen! O, ich verstehe.
Mehrere Stimmen zornig: Zur Frage.
Larochejaquelin: Sie wollen die Wahrheit hören? Wohlan, diese Abdankung hat zum Zweck, wo sich möglich die Wiederwahl zum Präsidenten zu sichern. Darum rückt man den monatlichen Wahltermin vor. Die
Stimmen, die heute noch vorhanden, könnten am 19. schon in die Departements verschwunden sein (Unterbrechung). Das ist die Wahrheit!
Wohlan, meine Herren, meine Partei hat einen Kandidaten für die Präsidentschaft aufzustellen; aber ich glaube, die Kammer wird nicht die Hand zu einem Manöver bieten, das man ehemals mit dem
Ausdruck Eskobarderie (Jesuitenstreich) belegte und morgen schon die Präsidentenwahl vornehmen lassen.
Ein unbeschreiblicher Tumult folgte diesem Hiebe auf Marrast. Eben die Grobheit desselben trug wesentlich dazu bei, daß die Versammlung den Antrag Marrast's, die Präsidentenwahl schon heute
vorzunehmen, wirklich genehmigte, worauf sie sich in großer Gährung trennte.
— Die Nationalversammlung schreitet heute zur außergewöhnlichen Wahl eines neuen Präsidenten zur Ersetzung Marrast's. Dann setzt sie das Büdget fort.
— Die Rue de Poitiers hielt gestern Abend eine sehr stürmische Sitzung. Sie hat beschlossen, ihr Mitglied Leon de Maleville auf den Platz Marrast's zu setzen.
— Gestern fand ein sehr wichtiges und zahlreich besuchtes Bankett an der Barriere du Mainé von den ehemaligen Delegirten des Luxemburgparlaments statt.
— Die deutsch-französische Todtenfeier zu Ehren der Wiener endigte eben so glänzend als ruhig. Durch sie ist ein großer Schritt zur Verbrüderung der deutschen und französischen Demokratie
geschehen.
— Marrast ist wiederholt zum Präsidenten der Nationalversammlung erwählt mit starker Majorität. Diese Komödie ist göttlich!
— Nationalversammlung. Sitzung vom 14. November. Vicepräsident Corbon eröffnet um 1 1/2 Uhr die Sitzung. Die Bänke sind ziemlich besetzt; es können wohl an die 600 Glieder anwesend sein.
Alle Gallerien, mit Ausnahme der des diplomatischen Corps und der Journalisten, sind mit fremder Bürgerwehr angefüllt, die das Verfassungsfest hierher nach Paris lockte. Jeder dieser Gäste hält einen
Saalplan in der Hand, aus dem er die Namen der Redner zu studiren scheint. Dieser Anblick hat etwas sehr drolliges.
Gleich nach Verlesung des Protokolls läßt Corbon zur Prasidentenwahl schreiten. Es werden die Stimmzettelsonderer gezogen und nachdem alle Welt gestimmt hatte, ziehen sich die Sonderer oder Zahler
in einen Nebensaal zuruck, während die Versammlung zur Tagesdebatte schreitet.
Ehe dieselbe beginnt nimmt Champvans das Wort.
Champvans: Der Minister des Innern hat uns gestern angezeigt, daß er das Gutachten des Burgers Tendret rücksichtlich der Gemeindegüter an die am 20. d. Mts. zusammentretenden Generalräthe aller
Departemets schicken wolle. Diese Maaßregel ist wichtig. Ich trage darauf an, daß die Erläuterungsgründe diesem Bericht beigelegt werden. 1793 schlug man zuerst die Vertheilung aller Gemeindegüter
vor. Von dorther datiren auch die ersten Ideen des Communismus, die indessen als antisozial verurtheilt wurden. Ich wünsche daher, daß die Departementsräthe gehörig aufgeklärt wurden.
Dufaure: Es sollen alle hierauf bezüglichen Aktenstücke beigefügt werden.
Es entspinnt sich jetzt eine Debatte über die den Inhaber der Schatzbons- und Sparkassenbuchel zugesagte Entschädigung rucksichtlich der Coursverluste an ihren Abfindungssummen.
Besnard sagt, Ihr habt den Sparkassenbücheln die Differenz von 71 Fr 60 Centimen und den Bonsbesitzern von 46 Fr 40 Cent. auszugleichen versprochen. Seither sind die Fonds so gefallen und werden
noch bis nach der Präsidentenwahl so sehr fallen, daß obiger Ausgleichunskours noch harte Verluste voraussetzen laßt. Darum trage ich darauf an, die Feststellung der Ausgleichungssumme bis nach
Beilegung der politischen Sturme zu vertagen.
Cavaignac. Der Vorschlag, die Bons und Sparkassenbüchel-Inhaber zu entschädigen, war ein Vorschlag der Gerechtigkeit und Ehrlichkeit Ihn zu lange hinausschieben zu wollen, könnte scheinen, als
wollte ihn die Regierung gar zurücknehmen. Darum erhebe ich mich gegen die zu lange Vertagung und bitte, bald einen Tag zur Diskussion dazu zu beraumen
I[unleserlicher Text] v[unleserlicher Text] L[unleserlicher Text]st[unleserlicher Text]y[unleserlicher Text]u, Besnard, Goudchaux und der Finanzminister Trouve Chauvel streiten sich eine Weile über die Vertagung. Endlich wird entschieden, daß diese Angelegenheit am nächsten Montag zur
Sprache gebracht und erledigt werden soll.
Hernach nimmt die Versammlung die Büdgetdebatte wieder auf.
Wolowski, der Unausstehliche, sucht sich Gehör zu verschaffen, um die provisorische Regierung wegen Aufhebung der 4 Lehrstühle am College de france zu tadeln. Sein Geschwätz ist ein matter
Abklatsch der gestrigen Rede Barthelemy's de St. Hilaire zu Gunsten Michel Chevalier's. Er wird häufig unterbrochen und kaum gehört.
Mathieu (Drome) züchtigt ihn für diesen Tadel. Fayer, Quinet und viele Andere nehmen Theil. Kapitel 15 geht endlich durch.
Inmittelst zeigt Corbon das Resultat der Präsidentenwahl an. Marrast hat 378, Maleville 146 Lacrosse 21 und Senard nur 11 Stimmen erhalten. Marrast wird von Neuem zum Präsident proklamirt. Der Coup
ist gelungen.
Das College de france wird von Neuem in Anregung gebracht.
Edgar Quinet weint über die Unterdrückung der bewußten 4 Lehrstühle.
Dufaure gibt zu verstehen, daß er natürlich diese Lehrstühle wieder herstellen würde, falls man den Kredit votire.
Hierauf schritt man zur Abstimmung und siehe da! der Abzug von 5000 Franken vom Büdget des College de france wird in der That verworfen.
Ruhm! dreifacher Ruhm der Oeconomie der Herrn Wolowski, Leon Faucher und Michel Chevalier!
Aller Wahrscheinlichkeit nach wird Dufaure Wort halten und jene Lehrstühle wieder herstellen.
Somit wäre ein abermaliger Fehltritt der prov. Regierung wieder gut gemacht.
Kapitel 15 gibt zu wenig Widerspruch Veranlassung. Ebenso die Kapitel 16, 17, 18, 19, 20, 21, 22, 23, und 24.
Die Debatte wird so schleppend, daß die Versammlung nicht mehr beschlußfähig ist und ein Stimmzettelvotum annullirt werden mußte.
Die Sitzung wird um 6 Uhr geschlossen.
Auf dem Nachhausewege bemerkt man die Tuilerien (Rivoliflügel bis zum Pavillon de l'Horloge) glänzend erleuchtet. Die Generäle Changarnier und Lamoriciere geben eine Soiree der fremden
Bürgerwehr
Das ist die erste Beleuchtung seit der Flucht Louis Philivvs.
@type | jAnnouncements |
@facs | 0756 |
Bekanntmachung.
Die Lieferung des Bedarfs der hiesigen Artillerie-Werkstatt für das Jahr 1849 von ungefähr
- 10000 Pfund Blankleder,
- 300 Pfund Brandsohlleder,
- 600 Pfund Kalbleder,
- 500 Pfund Krausleder,
- 300 Pfund Weißgarleder,
- 200 Stück Lamm- und Schaffelle.
- 1500 Pfund Reh- und Kälberhaare.
- 2000 Ellen Leinenwaaren.
- 1400 Pfund Ruböl.
- 1500 Pfund Leinöl.
soll am 22. November c., Vormittags 9 Uhr, in einem hier abzuhaltenden Submissionstermine den Mindestfordernden kontraktlich übertragen werden.
Lusttragende werden eingeladen, die in unserm Bureau aufgelegten Bedingungen und Proben einzusehen und ihre versiegelten Preisforderungen unter der Aufschrift: „Submission auf Lieferung von
etc.“ vor dem bezeichneten Termine an uns einzusenden; später eingehende Gebote bleiben unberücksichtigt.
Deutz, 31. Oktober 1848.
Königliche Verwaltung der Haupt-Artillerie-Werkstatt.
Unger, Hauptmann. Trespe, Lieutenant.
Gerichtlicher Verkauf.
Am Samstag den 18. November 1848, Vormittags 10 Uhr, wird der Unterzeichnete auf dem Apostelnmarkte zu Köln, eine Kommode, Tische, Stühle, Schränke, Bettstellen mit Bettwerk, Leinwand,
Kleidungsstücke etc, dem Meist- und Letztbietenden gegen baare Zahlung öffentlich verkaufen.
Der Gerichtsvollzieher, Gassen.
Gerichtlicher Verkauf.
Am Samstag den 18. November 1848, Vormittags 11 Uhr, wird der Unterzeichnete auf dem Apostelnmarkte zu Köln, verschiedene Mobilargegenstände, als: Tische, Stuhle, Schränke, Spiegel, ein Stubenofen
mit Röhren etc., dem Meist- und Letztbietenden gegen gleich baare Zahlung öffentlich verkaufen.
Der Gerichtsvollzieher, Gassen.
Versteigerung.
Am Samstag den 18 November 1848, Nachmittags 1/2 2 Uhr, sollen auf dem St. Apostelnmarkte zu Köln, verschiedene Hausmobilien, als: Tische, Stühle, Ofen, Schrank etc., gegen baare Zahlung
versteigert werden.
Der Gerichtsvollzieher, Clören.
In der Buchdruckerei des Unterzeichneten können zwei geschickte und solide Setzer gleich Beschäftigung finden.
J. W. Dietz in Köln.
Navigation transatlantique subsidiée par le Gouvernement.
En charge en ce port pour VERA-CRUZ.
Le beau Brick Belge „JENA“ de pre Classe, Capitaine J. A. Rieverts, èrendra marchandises à frêt et passagers pour partir le 15. Novembre jour fixe.
S'adresser pour plus amples informations et le fret des marchandises â Mr. J. SIMONIS à Cologne ou à C. Brequigny et B. Kennedy, Courtiers de Navires à Anvers.
Anvers, ce 16. Octobre 1848.
Bekanntmachung.
Die Anfertigung von 200 Stück Schiebkarren zum Erd-Transporte bei städtischen Arbeiten soll unter den auf dem Stadt-Bauamte, Rathhausplatz Nr. 9, offen liegenden Bedingungen, auf dem Wege der
Submission, an zehn hiesige Stellmachermeister verdungen und unter die Unternehmer gleichmäßig vertheilt werden Schriftliche und versiegelte mit der Aufschrift: „Submission in Betreff der
Anfertigung von 200 Stück Schiebkarren“, versehene Offerten werden bis Donnerstag den 16. d. M., Vormittags 11 Uhr, auf dem Stadt-Sekretariate angenommen.
Die Eröffnung derselben findet am nämlichen Tage zu der besagten Stunde, im Beisein der etwa anwesenden Submittenten, im Rathhaus-Saale Statt.
Die Forderung ist pro Stück der Karren zu stellen.
Köln, den 13. November 1848
Das Ober-Bürgermeister-Amt, (Gez.) Sonoré.
Die An- und Abmeldungen der Reserven und Wehrmänner der 1. Kompagnie 28. Landwehr-Regiments finden von jetzt ab in der St. Agatha-Kaserne bei dem dort wohnenden Bezirks-Feldwebel
Enge Statt.
v. Schubert, Major.
Coaks ist wieder in sehr guter Qualität vorräthig, in der Gaß-Erleuchtungs-Anstalt, Buschgasse 11.
Ein moblirtes Zimmer zu vermiethen. Martinstraße Nro. 38.
Vertilgungsfutter gegen Mäuse und Ratten, Schwaben und Wanzen etc. Thurnmarkt Nr. 39.
Kommoden, Nachtskommoden, nußbaumene Kinderbettlädchen, kleine Tische und Arbeits-Tischchen sind billig zu haben bei Schmidt, Mühlengasse Nr. 10.
In allen Buchhandlungen zu haben:
Umsturz
der Gewaltherrschaften und danach glückliche Zeiten.
Bewiesen aus der h. Schrift von einem Theologen. Preis 1 Sgr.
Heilsame Erfindung.
Hümmert's Pollution-Verhütungs-Instrument, welches, ohne im Geringsten Unannehmlichkeiten oder nachtheilige Folgen für die Gesundheit herbeizuführen, durchaus keine Pollution zulässt. Die
Wahrheit dieser Aussage ist durch vielfache Erfahrungen bestätigt und durch Zeugnisse der berühmtesten Aerzte, als von Herrn Prof, Dr Braune, Herrn Prof. Dr. Carus, Herrn Prof. Dr.
Cerutti zu Leipzig, Herrn Geh. Med.-Rath Dr. v. Blödau zu Sondershausen und vielen andern dargethan, weshalb ich mich jeder weitern Empfehlung enthalte. — Gegen portofreie
Einsendung des Betrags erhält man Instrument nebst Gebrauchs-Anweisung vom Unterzeichneten zugeschickt.
1 | Instrument | in | feinem | Neusilber | 4 | Thlr. | Pr. | Cour. |
1 | Instrument | in | feinem | Messing | 3 | Thlr. | Pr. | Cour. |
1 | Instrument | in | feinem | Holz | 2 | Thlr. | Pr. | Cour. |
Bleicherode bei Nordhausen. R. Frankenheim.
Bei G. Tonger, Pauluswache ist zu haben:
Merkwürdige Prophezeiungen des Kardinal Laroche, 9 Pfg.
Das Unheil der Zerstörungswuth. Ein Wort zur Belehrung für Jedermann,
9 Pfg. (Dutz. 7 1/2 Sgr.)
Katholischer Volksfreund. Unterhaltungen, Erzählungen, Gedichte, Scenen aus der Weltgeschichte, Reisebemerkungen, Miscellen etc Ein schönes Unterhaltungsbuch für
christliche Familien. In 9 elegant gedruckten Lieferungen in groß Quarto, mit Holzschnitten und schönen Bildern, welche zum Zimmerschmuck dienen können. Und alle 9 Hefte zusammen nur 12 1/2
Sgr.
Rheinisches Jahrbuch 1846 von Schlegel, Pfarrius, Bauernfelb, Gutzkow, Simrock, Anast. Grün etc. Großes Prachtwerk mit 12 Bildern von DeKaiser, und Schlegel's Portrait in
Stahlstich. (Ladenpr. 4 Thlr.) für nur 15 Sgr.
Rheinisches Jahrbuch 1840 und 41 von Immermann, Freiligrath, Matzerath, Simrock, Püttmann, Levin Schücking, Smets etc. Erzählungen, Novellen,
Gedichte etc., 2 starke sauber gebundene Bände, (Ladenpr. 3 2/3 Thlr.) zusammen für nur 15 Sgr.)
Ein auswärtiges Mädchen (Würtembergerin) sucht einen Platz bei einer stillen Familie. Auskunft Appellhofplatz, Nr. 6, zwei Treppen.
Großer frischer Schellfisch, Kabeljau, ganz billig, Bökkinge und Seemuscheln bei Brühl Judengasse Nr. 1.
Römischer Circus
im Neithause des Herrn Bauch Lungengasse Nr. 15.
Samstag den 18 November 1848 findet eine ganz außerordentliche Vorstellung in der höhern Reitkunst, Gimnastik und Pferde-Dressur statt, deren Ertrag zum Besten der hiesigen Stadt-Armen
bestimmt ist
Der bekannte Wohlthätigkeitssinn der Kölner läßt eine rege Theilnahme erwarten, und ladet ein verehrungswürdiges Publikum hierzu ganz ergebenst ein.
Alexandro Guerra.
Demokratische Gesellschaft.
Versammlung heute Freitag den 17. November, Abends 7 Uhr bei Eiser Komödienstraße.
Die Kassa wird um 5 Uhr geöffnet.
Der Vorstand.