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Denkschrift.
Der Graf Brandenburg, von Sr. Maj. dem Könige mit Bildung eines Ministerii beauftragt, hat sich trotz des fast einmüthig ausgesprochenen Mißtrauens der Nationalversammlung, diesem Auftrage
zu unterziehen gewagt. Am 9. November erschien derselbe in der Nationalversammlung, begleitet von den Herren v. Ladenberg, v. Strotha, v. Manteuffel, den Mitgliedern dieses neuen Ministerii, dessen
erster Schritt eine schwere Verfassungsverletzung war.
Eine von dem Grafen v. Brandenburg kontrasignirte Kabinetsordre vom 8. Nov. sprach die Vertagung der Nationalversammlung aus und verlegte deren Sitz nach Brandenburg.
Die Nationalversammlung, deren Aufgabe es ist, in Gemeinschaft mit der Krone die Vertagung festzustellen, hat vom Volke ein Mandat erhalten, gegen welches keiner Gewalt ein Einschreiten gestattet
ist, da es zugleich gelähmt, gehindert, zu nichte gemacht würde, wenn es in der Befugniß der Regierung läge, dasselbe, sei es auch nur zeitweise, aufzuheben oder gegen den Willen der Vertreter des
Volkes, letztere von dem Orte ihrer Versammlung entfernen zu wollen.
Nicht zufrieden mit dieser, die Verfassung verletzenden Erklärung, hat das Ministerium dieselbe in einer langen Reihe fernerer Gewaltstreiche fortgeführt.
1) Es erkühnte sich der Graf Brandenburg im Namen des Ministerii, die Versammlung der Volksvertreter, als auf ein unberechtigtes Verlangen, die Sitzung zu schließen, von dem Präsidenten nicht
eingegangen wurde, für eine ungesetzliche zu erklären, ja
2) in dem an den Regierungsrath von Unruh adressirten Schreiben vom 9. November auszusprechen, daß er keine Nationalversammlung und keinen Präsidenten der Nationalversammlung mehr kenne.
3) Auch auf thatsächliche Weise wurden die Eingriffe fortgesetzt, indem die Büreaubeamten und die Geldmittel der Versammlung durch Verfügung des Ministers Manteuffel entzogen wurden.
4) Dann erging am 10. November ein Erlaß des Ministerii an den Kommandeur der Bürgerwehr, Rimpler, worin die Bürgerwehr aufgefordert wurde, den Mitgliedern der Nationalversammlung den Eintritt in
den Sitzungssaal derselben zu verwehren. Es wurde eine Frist bestimmt, nach deren Ablauf angenommen werden sollte, daß die Bürgerwehr dem Beschlusse nicht Folge leisten werde und die Heranziehung des
Militärs auf den Grund eines Erlasses des Ministers Eichmann in Aussicht gestellt.
5) Eine Proklamation des Polizei-Präsidenten drohte das Einschreiten des Militärs an. Der General Wrangel sprach seine Absicht aus, auf dem Platze des Schauspielhauses mit den daselbst
aufgestellten Truppen liegen zu bleiben und einen Zwang gegen die Vertreter der Nation auszuüben, indem denselben der Eintritt in ihr Lokal verwehrt werden sollte.
6) Bei diesem Drohen der ungesetzlichen Gewalt verließ die Versammlung den Ort ihrer Berathungen, um sich am andern Morgen zur gewöhnlichen Stunde der Sitzung wieder dorthin zu begeben. Darum wurde
sie jedoch behindert, weil das Lokal verschlossen, und, wie aus dem Innrn desselben mitgetheilt wurde, militärisch besetzt war. Die Nationalversammlung protestirte durch das Organ ihres Präsidenten
laut gegen diese Gewalt und begab sich zu einem Privathause, woselbst sie ihre Sitzung abhielt und damit in einem andern Lokale fortfuhr. Das frühere Lokal der Nationalversammlung und die Bureaus
derselben sind fortwährend militärisch besetzt und die Archive der Versammlung dabei ohne alle Aufsicht gelassen.
7) Die von den ernannten Ministern kontrasignirte kgl. Verord-vom 11. November bezeichnet die von der Nationalversammlung fast mit Einstimmigkeit gefaßten Beschlüsse als von einem Theile der
Nationalversammlung ausgegangen und als ungesetzlichen Widerstand; sie ruft das Land auf, sich gegen die Beschlüsse seiner Vertreter zu richten.
8) Als Fortsetzung der Gewaltmaßregeln erscheint die gleichzeitig verfügte Auflösung der Berliner Bürgerwehr lediglich auf den Grund gestützt, daß dieselbe, ihrer Pflicht getreu, die
Nationalversammlung auseinander zu treiben geweigert hatte, deren Schutz ihr oblag. Denn nach §. 1 des Bürgerwehrgesetzes hat die Bürgerwehr die Pflicht, die verfassungsmäßige Freiheit und die
gesetzliche Ordnung zu schützen. Die Berufung auf den §. 3. des Bürgerwehrgesetzes kann eine solche Maßregel unter den obwaltenden Umständen nicht rechtfertigen, vielmehr nur die Größe des Vergehens
noch klarer ins Licht stellen.
9) Während die Bevölkerung von Berlin zwar mit entschlossener und ruhiger Haltung den vielfachen Gewaltstreichen zusah, ruhig blieb, als unerwartet die Truppen in großer Zahl wieder in die Stadt
gerückt waren: da geschah die entschiedene Verletzung der verfassungsmäßigen Rechte der Bürgerwehr dadurch, daß die Truppen sich gegen den erklärten Willen der Bürgerwehr mit Gewalt der Wachtposten
bemächtigten, welche jene vorher besetzt gehalten hatten.
Nach §. 68 des Bürgerwehrgesetzes ist es ein Recht der Bürgerwehr, die Wachtposten einzunehmen, wenn sie solches für gut findet. Der Berliner Bürgerwehr war dies Recht schon vo Erlassung
des Gesetzes zugesichert.
10) Die vollkommenste Ruhe und Ordnung blieb in der Stadt aufrecht erhalten und kein Exzeß, keine Spaltung mit dem Militär trat ein. Dennoch erklärte das Ministerium den Belagerungszustand der
Hauptstadt, beauftragte den General Wrangel mit der Ausführung desselben. Dieser General hat demzufolge eine Proklamation verkündigen lassen, welche als Folge des Belagerungszustandes die freie Presse
und das Associationsrecht, diese Grundsäulen der Freiheit, diese durch die Verordnung vom 6. April c. als verfassungsmäßig gewährleisteten Rechte vernichtet. Nur auf gesetzlichem Wege, nur in
Uebereinstimmung mit den versammelten Volksvertretern hätte möglicherweise eine solche Ausnahmebestimmung getroffen werden können. Die Nationalversammlung hat deshalb auch die ganze Maßregel des
Belagerungszustandes für eine ungesetzliche erklärt. Diese Maßregel ist die Krone des Attentats, welche gegen die Vertreter des Volkes, gegen die blutig errungene Freiheit, gegen Recht und Gesetz das
Ministerium Brandenburg sich erlaubt.
Die Verfassung ist schwer verletzt, die Existenz der Volksvertreter gewaltsam bedroht, der Volksvertreter, deren ungestörte Wirksamkeit einen Bestandtheil der jetzigen Verfassung des Landes bildet.
Die Reihenfolge dieser Attentate fällt daher schon nach den bestehenden Gesetzen unter den Begriff des Hochverraths, welchen §. 92 Th. II. Tit. 20. Allg. Landrecht, dahin
feststellt:
„Ein Unternehmen, welches auf eine gewaltsame Umwälzung der Verfassung abzielt, ist Hochverrath.“
Berlin, den 13. Nov. 1848.
Die Nationalversammlung.
Vorstehende Denkschrift ist auf den fernern Brschluß der Versammlung dem Staatsanwalt Sethe hierselbst mit folgendem Schreiben zugestellt:
„Dem Hrn. Staatsanwalt wird hieneben eine von der Nationalversammlung durch Beschluß angenommene Denkschrift, die hochverrätherischen Attentate des Ministerii Brandenburg betreffend,
zugestellt, auf daß er seine Pflicht thue.
So beschlossen in der heutigen Sitzung der National-Versammlung.
Berlin, den 13. Nov. 1848.
Die Nationalversammlung.
Der Präsident: v. Unruh.