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Bericht des Ausschusses für die österreichischen Angelegenheiten über die verschiedenen Anträge der Herrn Abgeordneten Nauwerk, Rank, Wiesner und Berger, in Bezug auf die gegenwärtige Lage
von Wien und Deutsch-Oesterreich.
Berichterstatter: Abgeordnete J. Venedev.
(Schluß.)
Es sind diese Aeußerungen um so bemerkenswerther, da sie die leider noch oft ausgesprochene und wiederholte Ansicht, als ob die deutsch-österreichischen Völker nur geringe Zuneigung und Theilnahme
für die neuen Gestaltungen in Deutschland hegten in erfreulicher Weise widerlegen. Sie thun dem deutschen Gefühle um so wohler, als wir später sehen werden, daß in andern Kreisen die Abgesandten der
Centralgewalt nicht auf eine ähnliche Stimmung wie in Linz stießen. Diese Stimmung der deutschen Bevölkerung in Oberosterreich! Tyrol, Karnthen mit Steiermark aber hätte für die Reichscommissäre ein
Fingerzeig sein sollen, wohin sie vielleicht ihre Schritte zunächst zu richten gehabt hätten, nämlich dorthin, wo die Vertreter dieser wohlwollenden Provinzen versammelt waren, und mit Hülfe der
Reichskommissäre den größten Einfluß auf eine friedliche Lösung des geschürten Knoten hätten ausüben können.
Die Reichskommissäre aber glaubten vorerst ihre Schritte nach dem k. k. Hoflager richten zu müssen. Sie sagen in demselben Briefe: „Dieser Entschluß fiel in Uebereinstimmung mit dem auch von
S. K. H. dem Erzherzog-Reichsverweser schon in Frankfurt ausgesprochenen Wunsche dahin aus, zuerst in das kaiserliche Hoflager nach Olmütz und erst von da nach Wien zu reisen!“
Sie deuten noch einen andern Grund für diesen Umweg an, indem sie sagen: „Wahrscheinlich wird die Vermittelung (in Wien) viel leichter, wenn durch die Fortdauer der Einschließung von Wien
die Sachen dort eine bestimmte Gestalt gewonnen haben.“
An demselben Tage, 21. October, richten dann die Reichskommissäre ein Schreiben an den Finanzminister Baron Kraus, indem sie diesem anzeigen, daß sie sich nach Olmütz als Vermittler begeben. Sie
setzen hinzu: „Wir hoffen von dort recht bald als Boten des Friedens und der Versöhnung nach Wien zu kommen. Unser dringendes Ersuchen, unsere Aufforderung im Namen des Reichsverwesers an alle
Parteien, Behörden und Einzelne geht dahin, bis zu unserem Erscheinen jedes Zusammentreffen mit den Waffen zu vermeiden.“
Es ist gewiß nicht Absicht; aber der Erfolg dieses Befehls mußte der sein, daß die Einschließung Wiens nun um so leichter und ungestörter von Statten gehen konnte. Und dies um so mehr, als eine
Nachschrift zu der Depesche der Reichskommissäre zeigt, wie der Reichstag und der Finanzminister Kraus vollkommen in die Ansichten der Reichskommissäre eingegangen sind. In dieser Nachschrift heißt es
nämlich: „Nachträglich bemerken wir noch, daß wir diesen Morgen durch Couriere Schreiben von dem Präsidio der Reichsversammlung und vom Minister Kraus aus Wien erhielten; in dem ersteren werden
wir dringend aufgefordert, möglichst für Versöhnung und Vermittelung zu wirken; im zweiten meldet der Minister die Vollziehung unserer Wünsche in Bezug auf die Publikation unserer Proclamation und
eines ihm von Linz aus zugeschickten Nachtrags.“
Es geht hieraus klar hervor, daß die Stimmung bei dem Vorsitzenden des Reichstags, so wie bei dem in Wien anwesenden Minister im Wesentlichen der Centralgewalt und ihren Commissären ebenso günstig
erschien, als bei der Bevölkerung der deutsch-österreichischen Provinzen, von denen eben Rede war. Ehe wir aber sehen, welche Aufnahme den Reichskommissären in andern Kreisen wurde, seien uns vorerst
noch ein paar Worte über die Antwortdepesche des Reichsministers des Aeußern, d. d. 24. Oktober, auf das obige Schreiben der Reichskommissare erlaubt. Es hatte unterdeß die Verhandlung über den Antrag
Herrn Venedey's in Bezug auf die österreichischen Wirren stattgehabt. Die motivirte Tagesordnung, die vom Ausschusse beantragt wurde, hatte die Wahrung der Interessen Deutschlands besonders
hervorgehoben, und es ist gewiß anerkennenswerth, wenn der Herr Minister unmittelbar am andern Tage nach der bezogenen Verhandlung schon diese Ansicht des Reichstages den Commissären mittheilt, indem
er ihnen über diese Verhandlung berichtet, und sagt, daß die Nationalversammlung ‒ „die Absendung der Reichskommissäre gebilligt, und nur die Erwartung ausgedrückt habe, es werde für die
Wahrung deutscher Interesse durch die Centralgewalt gesorgt werden.“ Er setzt hinzu: „dahin sind die Herren Reichskommissäre bereits instruirt worden, und mit Beruhigung kann ich
erwarten, daß sie dahin wirken werden.“
Noch erfreulicher ist es aber, wenn der Herr Minister besonders hervorhebt, wie „alle österreichischen Deputirten bei der Debatte ihre deutsche Gesinnung ausgesprochen, wie sie sämmtlich von
dem Anschlusse an Deutschland allein eine erfreuliche Zukunft erwarten.“ Der Minister setzt auch hier ausdrücklich hinzu: „daß eine staatliche Trennung zwischen Deutschland und
Oesterreich für beide Reiche verderblich sein werde“.
Wie gesagt, der Ausschuß erkennt es gern an, wenn der Minister des Innern hier sich so rasch zum Organe eines Beschlusses der Reichsversammlung macht. Er freut sich ebenso, wenn der Minister die
Reichskommissäre verweis't, „der Sicherung der gesetzlichen Freiheit stets bedacht zu sein“; wenn er sie auffordert, die österreichische Regierung zu warnen, und ihr zu zeigen,
„daß es gefährlich wäre, wenn die Entrüstung im Heere sich bis zu Gewaltthätigkeiten steigerte, und dadurch der persönlichen Freiheit irgend Gefahr erwüchse,“ ‒ und wenn er
endlich wiederholt: „die Centralgewalt hat die Pflicht, die gesetzliche Freiheit zu wahren“
Aber während diese Depesche in Frankfurt verfaßt wurde, waren die Reichskommissäre dem Ziele, das sie sich gesteckt hatten, näher gerückt. Sie waren zwar nicht gleich ins Hoflager nach Olmütz,
sondern ins Kriegslager vor Wien gegangen. Die Proclamationen des Kaisers und des Feldmarschalls Windischgrätz, die sie auf dem Dampfschiff erhielten, hatten diese Aenderung des Reiseziels der
Reichskommissäre veranlaßt. Sie gingen also ins Lager des k. k. Feldmarschalls Windischgrätz, und berichten in ihrem Briefe von Olmütz, d. d. 24. October, über die Absicht, die sie hierhin trieb, und
über den Empfang, der ihnen geworden.
Vorerst theilen die Herren Reichskommissäre dem Reichsminister mit, wie ihnen Herr von Wessenberg dargestellt, daß der Tod des Kriegsministers Latour und des Grafen von Lamberg „auf die
Stimmung der gesammten slavischen Bevölkerung Oesterreichs“ einen solchen Eindruck gemacht, daß Bohmen und Galizien nun gänzlich von Truppen entblößt werden konnten. ‒ Wir lassen die
Wahrheit dieser Ansicht dahin gestellt sein, obschon es wahrlich nicht grade nothwendig, diese Erklärung zu suchen, wenn die andere so nahe liegt, die nämlich, daß die Slaven im Interesse des
Slavismus in Oesterreich bei den eingetretenen Verwicklungen gewiß auch ohne die Ermordung der beiden Generale sich gerne dazu bereit zeigen mußten, eine Bewegung zu unterdrücken, die ihre Uebermacht
in Oesterreich bedrohte.
Die Reichskommissäre fahren fort, und zeigen, wie bei jetziger Lage der Dinge ihnen nur noch Eines zu thun übrig bleibe, und zwar wörtlich: „So scheint für unsere Wirksamkeit nun nur noch
übrig zu sein, daß wir uns bemühen, so viel als an uns liegt, einer allzublutigen Entscheidung der Dinge in Wien vorzubeugen.“ Dem Ausschusse aber scheint es, als ob unter allen Verhältnissen
Gesandte, die im Namen Deutschlands gegenüber einer deutschen Macht auftreten, selbst bei den eingetretenen Zuständen eine höhere Aufgabe im Auge haben mußten, als die einzige, eine allzublutige
Entscheidung zu verhindern.
Die Reichskommissäre aber fahren fort in ihrem Berichte, zu sagen: „In diesem Sinne“ ‒ nämlich eine allzublutige Entscheidung zu verhindern „suchten wir in der Nacht vom
21. Oktober auf den 22. Oktober auf den Fürsten Windischgrätz in dessen Hauptquartier zu Lammersdorf zu wirken. Derselbe aber, welcher eben zum Feldmarschall ernannt das Commando der um Wien
versammelten Armee übernommen hatte, lehnte jede Einwirkung von unserer Seite mit einer gewissen Schroffheit ab. Ja, er wollte nicht einmal unsere Vollmacht einsehen und bemerkte, daß eine ablehnende
Antwort gegen die Vermittelung des Reichsverwesers auch schon von dem kaiserlichen Cabinette nach Frankfurtabgegangen sei, so daß es uns kaum nützen werde, nach Olmütz zu gehen.
Da das Reichsministerium des Aeußern Ihrem Ausschusse keine solch lehnung der Vermittelung des Reichsverwesers durch das Kaiserliche Cabinet vorgelegt hat, so glaubt derselbe unterstellen zu
müssen, daß hier die Angabe des Feldmarschalls Windischgrätz auf einem Irrthum beruht. Was aber dessen Benehmen den Reichscommissären gegenüber anbelangt, so ist Ihr Ausschuß gegenwärtig nicht
berufen, dasselbe zu charakterisiren. Wohl aber hat er nach der Antwort und Verwahrung der Reichscommissäre gesucht, und sie nirgends gefunden. Sie führen die Thatsachen einfach an, ohne sie eines
Wortes zu würdigen. Ihr Ausschuß hofft, daß die Herren Reichskommissäre nur im Drange der Zeit vergessen haben, dem Reichsministerium anzuzeigen, auf welche Weise sie die ihnen anvertraute Würde,
Vertreter des deutschen Reiches zu sein, dem Feldmarschall eines deutschen Fürsten auf deutschem Boden, und an der Spitze theilweise deutscher Bundestruppen gegenüber gewahrt haben.
Aus dem Kriegslager gingen jetzt die Reichskommissäre ins Hoflager nach Olmütz. Sie schildern selbst ihre Aufnahme beim Kaiserlichen Hoflager im Gegensatze zu der, die ihnen in dem Lager vor Wien
zu Theil geworden war. Sie sagen:
„Hier wurde uns indeß von Seiten des Ministers, Baron Wessenberg, eine viel entgegenkommendere Aufnahme. In einer längeren Conferenz setzten wir dem Minister auseinander, wie auch unter den
gegenwärtigen, für die österreichische Regierung günstigen Umständen eine Annahme der Entwickelung der deutschen Reichsgewalt in doppelter Beziehung günstig wirken könne; einmal weil die jetzt
unterliegende Partei in Wien sich dem Rathe und der Vermittelung der Abgeordneten Deutschlands leichter fügen werde, denn auch weil dadurch die Annäherung und das innige Verhältniß Oesterreichs zu
Deutschland Jedermann aufs Neue vor die Seele träte.
Herr v. Wessenberg schien dies keineswegs von der Hand zu weisen und erkannte die gute Absicht mit lebhaftem Danke an. Er erboth sich, uns als heute dem Kaiser vorzustellen, bei welcher Gelegenheit
Sr. Majestät in Gegenwart der Kaiserin ebenfalls ihre anerkennende und dankende Gesinnung gegen den Reichsverweser aussprachen, freilich nicht ohne hinzuzusetzen, daß höchst sie selbst die Kraft
gefunden hätten, der Unordnung in ihren Staaten zu steuern.
Wie zart hier auch die Worte gewählt sind, so geht doch nur zu klar aus ihnen hervor, daß auch in Olmütz jede Vermittelung der Reichskommissäre abgelehnt wurde. Nicht klar aber ward, was die
Reichskommissäre gethan, um diese Ablehnung im Interesse der Würde ihrer hohen Auftraggeber mit allem Ernste, die ihre Pflicht war, zurückzuweisen.
Die Antwort des Herrn Reichsministers des Innern vom 29. October geht stillschweigend über die Aufnahme, die die Reichskommissäre im Kriegs- und Hoflager gefunden haben, hinweg. Wenn Ihr Ausschuß
der Depesche des Herrn Ministers des Aeußern vom 24. seine volle Zustimmung geben zu konnen glaubte, so hofft er, daß das Ministerium des Aeußern auch dies Stillschweigen, gegenüber den so sprechenden
Thatsachen des Berichts der Reichskommissäre zu rechtfertigen im Stande sein wird.
Dagegen ist es erfreulich in der Antwort des Ministers abermals der festen Warnung zur Mäßigung im Siege zu begegnen; und ebenso aus einer Nachschrift zu ersehen, dass das Reichsministerium die
Verlegung des Reichstages nach Kremsier „in sofern mißbilligt, als ein Ort mitten in einer slavischen Bevölkerung gewählt werde,“ und dagegen Linz als geeigneteren Ort für den Sitz des
Reichstages und des Hofes vorschlägt.
Wir haben gesehen, wie die Reichskommissäre von Linz an den Reichstag und an den Minister Kraus schrieben, daß sie hofften, „recht bald als Boten des Friedens und der Versöhnung nach Wien zu
kommen.“ Wir haben gesehen, wie der Präsident des Reichstags und der Minister diese Hoffnung mit Freuden begrüßten. Jetzt aber am 24. Oktober schreiben die Reichskommissäre dem Reichsminister
des Aeußern nach Frankfurt, daß sie die Entscheidung abwarten, und nicht ablassen wollen, ihren Auftrag auf eine vermittelnde Einwirkung vor oder nach der Catastrophe zu wiederholen. „Ohne eine
ausdrückliche Einwilligung,“ fahren sie fort, „von Seiten der k. k. Regierung wird es uns nicht möglich sein, in das von Truppen dicht eingeschlossene Wien zu gelangen, wo unser
Erscheinen und unsere Wirksamkeit ohnehin bedeutungslos, ja zweideutig sein würde, wenn wir nicht mit Bewilligung und selbst im Auftrage der Regierung zu wirken vermögten.“
Der Minister des Aeußern antwortete hierauf einfach. „Es hat vollständige Zustimmung erhalten, daß Sie Wien nicht berührten.“
Das sind die Thatsachen, die Ihrem Ausschusse nach den theilweise und im Auszuge mitgetheilten Aktenstücken vorlagen. Er stellt die österreichischen Angelegenheiten zu hoch, um zu glauben, daß sie
von irgend einer Seite der Reichsversammlung zu einer Parteifrage gemacht werden dürfen. Er glaubt auch nicht, daß es in dieser verhängnißvollen Stunde, in der die Würfel über die zukünftigen
Verhältnisse zwischen Oesterreich und Deutschland vielleicht gefallen sind, die rechte Art wäre, wenn er der Reichsversammlung vorschlüge, das Benehmen der Reichskommissäre schon heute zum Gegenstande
seiner strengern Kritik zu machen. Er würde damit die Vergangenheit nicht ändern und die Zukunft nicht sichern. Letzteres aber muß das Streben der Reichsversammlung sein. Und um dies zu können, muß es
vor Allem klar werden, was die deutsche Reichsversammlung wünscht, daß die Minister des Reichs bei den eingetretenen Zuständen in Oesterreich erzielen sollen. Dies offen und unumwunden noch einmal
auszusprechen, und so dem Schwerte, das jetzt den Knoten halbwegs zerschnitten hat, das Wort gegenüber zu stellen, das das Band zwischen Brudervölkern wieder festschlingen soll, ‒ das war die
Absicht Ihres Ausschusses, und aus dieser Absicht ging, mit Beseitigung der vorliegenden Anträge, einstimmig der folgende Antrag hervor:
„In Erwägung, daß die in Oesterreich eingetretenen Zustände einer entscheidenden Krisis entgegengehen; ‒ daß in dieser Krisis die heiligsten Rechte und Errungenschaften der
deutsch-österreichischen Völker in Frage kommen könnten; ‒ daß insbesondere das Ansehen der Centralgewalt und die Interessen Deutschlands gefährdet werden mögten, wenn die Reichskommissäre bei
diesen verwickelten und erregten Verhältnissen nicht mit aller Mäßigung aber auch zugleich mit aller Kraft in dem vollen Bewußtsein ihrer hohen Sendung jedem Eingriffe in die Rechte der deutsch
österreichischen Völker und jeder Verletzung der Interessen Deutschlands entgegentreten; ‒
„In Erwägung, daß es nur vortheilhaft wirken kann, wenn bei so verwickelten Zuständen und in einem so ernsten Augenblicke die deutsche Reichsversammlung den Bestrebungen der Centralgewalt
und ihrer Commissäre durch ihre klar ausgesprochenen Ansichten einen festeren Halt gibt, trägt der Ausschuß darauf an:
(Vergleiche Nr. 135. Zweite Ausgabe.)