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gemacht werden, um den Feind, welcher so viele und große Gebäude in Brand gelegt, aus den Pratergehölzen, den Nordbahngebäuden, und anderen großen Häusern, worunter auch die sechs Stockwerk hohe
Dampfmehlmühle gehört, hinaus zu treiben. Dies wird eine sehr blutige Arbeit werden, und wenn unsere tapferen höchst muthigen Mobilen, Freiwilligen und Garden nicht siegen, so muß die schöne
Leopoldstadt noch größeren Verwüstungen Preis gegeben und das Eindringen des rachedürstenden Feindes, durch die Wälle der innern Stadt, durch die Demolirung sämmtlicher Brücken, welche über den
Donaukanal führen, zu verhindern gesucht werden.
So eben wird mit Trommelschlag in den Vorstädten alarmirt, und alle wehrfähigen Männer aufgeboten, sich bis früh neun Uhr zu einem Hauptangriff gegen Windischgrätz und Jellachich zu rüsten.
‒ Dies beweist daß es der in der Nacht rückgekehrten Deputation nicht gelungen ist, den Kaiser zu bewegen, den Vorstellungen des Reichstages Gehör zu schenken.
Daß die ungarische Armee mit 30,000 Mann Kerntruppen seit dem 24. d. M. sich auf österreichischem Boden befindet, und bei zweimaliger Action gegen Jellachich's und Auersperg's Truppen
nicht näher an Wien rückten, sich daher zurückziehen mußte, bestätigt sich; man glaubt, daß sich das Gros der Armee mit der mittlerweile nachgerückten Reserve, die bei 20,000 Mann stark ist und am 26.
schon in Wieselburg lagerte, verbinden und dann auf Jellachich's gut und stark verschanztes Lager einen Hauptangriff machen werde, was aber morgen, wenn Wien Hülfe von dieser Stelle kommen
soll, geschehen mußte.
Ueber den gestörten Postenverkehr wurden die mannigfaltigsten Vorstellungen an Minister Kraus und Wessenberg gemacht, die bis heute, wie aus dem beiliegendem Erlaß des Hofpostamts zu ersehen, bis
jetzt unerledigt geblieben sind.
Windischgrätz hat heute früh dem Gemeinderath bekannt gegeben, daß noch Vormittag der Angriff der Stadt schonungslos erfolgen werde, daß bei seinem Einzug und der Besitznahme der Stadt alle
Hausthore sogleich geschlossen und diejenigen Häuser, aus welchen seinen Truppen eine feindliche Demonstration zu Theil wird, unnachsichtlich mit Demolirung und schonungsloser Plünderung bestraft
werden.
Diese Zeilen, es ist 10 Uhr, schreibe ich bereits unter heftigem Kanonendonner. ‒ Der regelmäßige Abgang der Posten soll vor einer halben Stunde beschlossen worden sein. Außer der Wiener
Zeitung mit den entstellten lügenhaften Berichten der flüchtigen czechischen Reichstagsdeputirten ist keine Zeitung erschienen. Diesmal wird entschieden, ob die Freiheit und die gute Sache siegt, und
damit die Habsburg-Lothringsche Dynastie zu Grabe getragen wird.
In diesem Augenblick erläßt der türkische Botschafter, der unter allen fremden Diplomaten am längsten in Wien geblieben, und heftig und energisch gegen die Belagerung protestirte, mit seinem ganzen
Gesandtschaftspersonale und den reichsten hier befindlichen türkischen Unterthanen, die hier domiciliren, unter einer starken Eskorte der berittenen Nationalgarde die Residenz, es sind 16 Wagen.
‒ Das Kanoniren wird immer stärker, ich muß auf den Sammelplatz und von da auf den Linienwall nach Mariahilf.
Den 28. Oktober, 8 Uhr Abends. Von 10 Uhr früh bis 7 Uhr Abends dauerte der bei allen Barrieren Wiens zu gleicher Zeit geschehene Angriff der kaiserlichen Truppen und die wirklich
heldenmülhige Vertheidigung unserer Volkswehr unausgesetzt und unter dem heftigsten Kanonendonner, Kartätschen und Kleingewehrfeuer fort; in der Leopoldstadt, das ist von der Seite der Brigittenau und
des Praters, die von dem Militair schon seit drei Tagen besetzt gewesen, war der Andrang am heftigsten, da auch die Straßen in dieser Gegend am besten verbarrikadirt und von den mobilen Garden gegen
die andringenden Soldaten, größtentheils Böhmen und Jäger, heldenmuthig vertheidigt wurden. Die fortwährende Verstärkung, welche das Militair durch seine Reserven erhielt, mußte den Muth unserer schon
8 Stunden in unausgesetztem Kampfe stehenden Freiheitskämpfer lähmen, und da ihnen auch die Munition für die Artillerie-Geschütze mangelte, so waren sie genöthigt, sich zurückzuziehen und aus den
Häusern ein gutes Tiralleurfeuer zu unterhalten, konnten aber doch nicht das weitere Vordringen des erbitterten Feindes abhalten, so daß sich derselbe gegenwärtig fast ganz im Besitze der Leopoldstadt
befindet und von der inneren Stadt nur durch den Donaukanal getrennt ist. Dies war auch die Ursache, daß der General Bém den Befehl gab, die zum Rothenthurmthor führende Ferdinandsbrücke abzubrennen
und die Bastionen und Stadtwälle mit vielem Geschütz zu besetzen. Von der Belvedere-Linie und der zu St. Marx, welche erstere zu den Bahnhöfen der Südbahn, letztere auf die ungarische
Commerciell-Hauptstraße führt, mußten unsere Garden wegen Mangel an Artillerie-Munition ebenfalls abziehen und den Belagerern freigeben, die solche aber nur zur Vorschiebung eines deutschen
Grenadier-Bataillons benutzten, was seit einer halben Stunde wieder mit einer Batterie Sechspfünder und etwas Wurfgeschütz in dem Schwarzenbergschen Sommerpalais, vor wenigen Tagen das Hauptquartier
Messenhauer's, am 9. Oktober das von Auersperg gewesene, campirt. ‒ Alle übrigen Punkte der Linienwälle und Barrieren werden mit außerordentlichem Muth und Aufbietung aller dem General
Bém und Messenhauser zu Gebote stehenden Mittel vertheidigt; in den Hauptstraßen der Vorstädte sind treffliche und zahlreiche Barrikaden aufgeführt, und wenn es dem Gemeinderathe nicht gelingen
sollte, eine ehrenvolle Capitulation mit Windischgrätz zu Stande zu bringen, so haben wir eine grauenhafte Belagerung der inneren Stadt und einen fürchterlich blutigen Straßenkampf zu gewärtigen.
‒ Der ganze nächtliche Horizont ist von den in den Vorstädten aufwirbelnden thurmhohen Flammen geröthet. Das Feuer macht schreckliche Verheerungen, das Sturmgeläute, das wieder beginnende
Kleingewehrfeuer, die Kartätschenkugeln, die dicht vor meiner Wohnung auf dem Granitpflaster platzen, zwölfpfündige Kanonenkugeln, die die Dachstühle der nebenstehenden Häuser zerschmettern, ist nicht
mit Worten zu beschreiben, und wird wahrscheinlich das Grabgeläute der Habsburg-Lothringschen Dynastie sein, die sich durch diese grausame Handlungsweise für Oesterreich eben so unmöglich, wie für die
Lombardei, die venetianischen Staaten und Ungarn gemacht hat. Ich bezweifle, daß Kaiser Ferdinand je mehr sein schönes Wien und die auf das Aeußerste gereizte Bevölkerung der Hauptstadt sehen
wird.
Ein Akademiker sprengt durch die Straßen und bittet nur noch 12 Stunden muthig im Kampfe auszuharren, da der Angriff der ungarischen Armee gegen Jellachich's Truppen auf 2 Seiten
stattfindet, und die Husaren gewiß bald den kaiserlichen Truppen im Rücken und in die Flanke kommen werden. ‒ Dies wird den Muth unserer braven Kämpfer neuerdings beleben, obgleich diese schon
so oft gehegten Hoffnungen und Erwartungen bisher immer getäuscht wurden.
Man bringt die Nachricht, daß auf die Garden, welche bei dem auf den Bastionen der inneren Stadt aufgestellten Artilleriegeschütz die Wache halten und den Dienst versehen, aus den Häusern
geschossen wird, wahrscheinlich um die an die Wälle aufstoßenden Gebäude vor dem Belagerungsgeschütz zu wahren. ‒ Diese schändliche Hinterlist und Treulosigkeit würde der reaktionären Partei,
deren Zahl noch, ohngeachtet sich ein großer Theil flüchtete, bedeutend ist, den Todesstoß versetzen und eine gräßliche Metzelei herbeiführen.
Die großen Gebäude der Gloggnitzer und Brucker Eisenbahn mit den ausgedehnten Bahnhöfen, Magazinen, mechanischen Werkstätten etc., die von unserer Volkswehr seit sechs Tagen als Vorwerk benutzt und
zwölf Kanonen in treffliche Verschanzungen darin aufgeführt wurden, stehen in Flammen und wird der Aktiengesellschaft einen unersetzlichen Schaden verursachen. Der große Gasmeter in der Vorstadt
Erdberg, welcher einen Theil der Vorstädte und des westlichen Stadttheiles mit Leuchtgas versieht, ist auch zerstört, daher die innere Stadt ganz in Dunkel gehüllt und die gestern schon angeordnete
Beleuchtung der Fenster des ersten Stockwerkes höchst nöthig. ‒ Der Schaden der beiden Zuckerraffinerien, welche bis auf den Grund ausgebrannt sind, und von den Kroaten durch Pechkränze in
Asche gelegt wurden, beträgt bei einer Mill. Gulden, wovon den jetzigen Besitzer der Mack'schen Raffinerie, in welcher große Vorräthe von raffinirtem und Rohzucker lagerten, beinahe zwei
Drittel treffen. Die großen in der Nähe befindlich gewesenen Bau- und Brennholz-Vorräthe wurden auch ein Raub der Flammen und hatten einen sehr großen Werth. Nach der Versicherung der hiesigen
Postbeamten wurden die sich seit drei Tagen gesammelten Briefe und Zeitungen heute früh von hier durch das Windischgrätz Lager expedirt; ob dies mit den späteren Briefen und mit der morgenden Post
noch geschehen kann, bezweifle ich. Jedenfalls setze ich meine Berichte regelmäßig fort.
Kraus und Pillersdorf haben Minister Wessenberg erklärt, daß die dem Kaiser nach Olmütz überbrachte Adresse keiner Antwort bedürfe, da der Kaiser in seinem Manifeste vom 19. Oktober ohnehin den in
Wien tagenden Reichstag in allen, diese Völker-Repräsentation zustehenden Rechten anerkannt und bestätigt habe.
Außer Eier und Milch fühlt Wien noch kein wesentliches Bedürfniß an Lebensmitteln. Frisches Fleisch wird noch für acht Tage genügen, mittlerweile wird sich doch wieder Alles geordnet haben.
Zeitungen und Flugschriften erscheinen keine. Diejenigen Offizinen, welche noch Papier und Personal haben, fürchten die Diktatur und Strenge von Windischgrätz.
Den 29. Okt., Mittags 12 Uhr. Noch immer kann man über die Absichten und Beschlüsse, welche Windischgrätz über das Schicksal Wiens verhängt, nichts Gewisses erfahren. Um 9 Uhr wurde von dem
Gemeinderath eine Deputation von sechs Mitgliedern in das Hauptquartier des Fürsten abgesandt, um mit demselben über die Besetzung der Stadt und die dafür zu bestimmende Garnison zu kapituliren; ob
diese Mission von wünschenswerthem Erfolg sein wird, bezweifelt man, da sich der Feldmarschall seit gestern Abend im fast ausschließlichen Besitz der großen Vorstädte Landstraße, Wieden und
Leopoldstadt befindet, und seine Soldaten, bestehend aus deutschen, italienischen, böhmischen und kroatischen Truppen, darin vertheilt hat. „Die Deputation erklärte sich im Namen der
akademischen Legion mit deren Auflösung, ebenso wie mit der Entwaffnung der Arbeitsleute, mobilen Garde und des Proletariats, einverstanden, wollen die Wiener Kasernirung und Verpflegung von 12,000
Mann deutschen Militärs übernehmen, verweigern aber die Auslieferung der bezeichneten Geißel um so mehr, da General Bém kein polnischer Emissär sei und sich nicht unberufen in die Wiener
Angelegenheiten eingemischt habe, sondern in Lemberg geboren, in der dortigen Nationalgarde eingereiht und von den hiesigen Behörden zur Vertheidigung der Stadt Wien aufgefordert wurde, auch sei es
den Völker- und Menschenrechten nach den jetzigen Begriffen der Freiheit ganz zuwider, in einem civilisirten Staate Geißel zu geben oder zu fordern. ‒Der ungarische Staatssekretär Pulsky habe
schon seit acht Tagen Wien verlassen, Dr. Schütte habe erst gestern die Erklärung gegeben, daß er sich zu jeder Zeit, wenn es der Gemeinderath für nöthig erachte, zu seiner Verfügung stellen werde,
indem er sich gar nichts zu Schulden kommen ließ. Die Entwaffnung der Garden und ihre Reorganisirung könnte der Gemeinderath durchaus nicht zusichern, eben so unbillig wäre es, die Freiheit der Presse
auf eine so strenge Weise zu beschränken, und diese letzte Anforderung allein könnte die größten und traurigsten Folgen herbeiführen und die ohnehin für eine Revolution sich zeigenden Elemente in
volle Gährung bringen. “ Die kaiserlichen Truppen haben in dem Schwarzenbergischen Palais zwei Batterien Kanonen aufgeführt, ihre Vorposten ziemlich weit ausgestellt und beobachten die größte
Strenge gegen die ihre Posten passirenden Menschen. Seit heute früh wurden drei Personen, die in Gardeuniform und bewaffnet in die Nähe kamen, erschossen und erstochen; 5 bis 6 Personen, die etwas
Pulver und Blei bei sich hatten, gefänglich eingezogen. Diese Soldatenwillkhür und Grausamkeit ist auf der Vorstadt Landstraße, wo die kaiserlichen Truppen in dem neuen Zollgebäude kampiren, noch
hervortretender; es wird von den Kroaten geplündert und gemordet.
Nachmittags 6 Uhr. Große Quantitäten Waffen, besonders von den Garden und Proletariern der Vorstädte Leopoldstadt, Landstraße und Wieden werden auf den verschiedenen Sammelplätzen der
Volkswehr abgelegt, durch die Aufsteckung der weißen Fahne, welche zuerst an den Gebäuden des Polytechnikums sichtbar gewesen, wurde das Signal gegeben, in den meisten Häusern der genannten Vorstädte
ein Gleiches zu thun, während die übrigen Barrieren, besonders die von Mariahilf, Lerchenfeld, Hernals, Nußdorf sich um 5 Uhr noch heftig vertheidigten und das Eindringen der Soldaten muthig
zurückschlugen; in diesen großen Bezirken wurde die rothe Fahne aus sehr vielen Häusern ausgesteckt; und deren Vertrauensmänner, welche nach dem dringenden Aufruf des Ober-Kommandanten, sich um vier
Uhr zur Abgebung ihrer unumschränkten Vollmacht, ob die Stadt kapituliren oder den Kampf fortsetzen soll, einfinden sollten, haben gegen die Uebergabe der Stadt Protest eingelegt, und es ist bis jetzt
unentschieden, ob sich die Mehrzahl der Stimmen für die Uebergabe der Stadt oder für die Vertheidigung derselben ausgesprochen hat.
Bei der Hernalser Linie beginnt seit einer Viertelstunde abermals eine heftige Kanonade. Die Besatzung des Schwarzenberg'schen Palastes hat nun 18 Feuerschlünde gegen die innere Stadt
gerichtet, noch ein paar Tausend Soldaten an sich gezogen und alle Straßen in der nächsten Umgebung des Lagers abgesperrt. Mit banger Erwartung sieht Alles der Mitternachtsstunde entgegen, kömmt es zu
einem Bombardement der innern Stadt, so muß der Schaden, der dadurch herbeigeführt wird, ein unermeßlicher werden.
In der Nacht vom 28. auf den 29. October kam die vom Reichstag nach Ollmütz gesandte Deputation, an deren Spitze sich Pillersdorf befand, zurück; nach vielem Drängen und Vorstellungen bei
Wessenberg und Lobkowitz konnten die Deputirten die Adresse des Reichstags dem Kaiser übergeben. Pillersdorf stellte in den beredtesten Worten den schrecklichen Zustand, in welchem sich die Hauptstadt
des Reiches befinde, vor, der Kaiser hörte diese Vorstellung, die alle Anwesenden zu Thränen rührte, theimahmslos an und verlas von einem Blatt Papier, welches er aus der Tasche zog, „daß sein
Feldmarschall, Fürst Windischgrätz, mit unbeschränkten Vollmachten versehen, nichts verabsäumen werde, um die in Wien ausgebrochene Anarchie zu dämpfen, Ruhe und Ordnung in der empörten Stadt
herzustellen und das Eigenthum des rechtlich- und gutgesinnten Bürgers zu schützen. Er habe diese wichtigen Befehle in die Hände des Fürsten gelegt, da er sich überzeugt halte, daß der Feldmarschall
nur im äußersten Nothfalle seine Zuflucht zu strengen Maßregeln nehmen werde, und erwarte von allen in Wien noch anwesenden und ausübenden Behörden, daß sie in diesen guten und loyalen Absichten, die
nur das Glück und das Wohl seiner Völker fördern sollen, den Fürsten kräftig unterstützen werden. ‒ Ueber die weiters vorgetragene Bitte, den Reichstag in Wien forttagen zu lassen, werde die
Deputation ehestens eine schriftliche Antwort erhalten. Von den am 19. October in seinem Manifeste diesfalls gemachten Zugeständnissen müßte es sein Abkommen haben, da seine wohlwollenden und
väterlichen Gesinnungen, die er darin ausgesprochen ‒ offenbar nicht beachtet worden und er dadurch genöthigt sei, andere Maßregeln vorzuschreiben.“
Welche Aufregung und welcher Grad der Erbitterung gegen den Kaiser, seine Umgebung und alle in seiner Nähe befindlichen Rathgebern nun unter der hiesigen Bevölkerung herrscht, ist nicht mit Worten
zu schildern, dies muß man sehen und hören, ‒ auf die Stimmung der Provinzen und des Auslandes ist man hier im höchsten Grade gespannt.
30sten October. Vormittags 11 Uhr.Die Aufregung, welche seit einer Stunde, wo die Nachricht auf die Aula kam, daß das ungarische Heer mit bedeutenden Streitkräften ganz nahe bei Wien sei
‒ in allen Klassen der Bevölkerung herrscht, ist nicht zu schildern. Alles, was noch unbewaffnet war, oder in vorzeitiger Angst die Schießgewehre gestern Nachmittag abgegeben, strömt nach
Waffen in das Zeughaus und in die verschiedenen Bezirke der Vorstadt. Allarm und Sturmgeläute in der Stadt und denen noch von Truppen unbesetzten Vorstädten. Schon hört man Kanonendonner an der
Hernalser und Mariahilfer Linie die Offiziere können die auf den Wällen der Stadt befindlichen Mobilen und Nationalgarden mit Mühe zurückhalten, das Geschütz auf die beim Schwarzenberg'schen
Palais gelagerten, sich immer mehr verschanzenden Truppen spielen zu lassen, und auf das 1000 Schritte von der Stadt entfernte Lager einen Ausfall zu machen. Eben sehe ich vom Fenster bei 80
bewaffnete Mädchen und Weiber, von einem kräftigen starken Mann angeführt, die Wachen beziehen und die dort befindlichen Garden für den äußern Dienst abzulösen und mobil zu machen. Von der Hernalser
Linie wird der Bericht erstattet, daß die auf dem Linienwall gewesenen Reserven der Mobilen und der bewaffneten Arbeiter einen Ausfall gemacht habe, bei welchem die Belagerer eine halbe Stunde vor der
Barriere der Alservorstadt zurückgedrängt und ein Hauptmann mit 16 Jägern gefangen genommen wurden. Eben so tampfer vertheidigt sich die an der Mariahilfer Linie aufgestellte Mannschaft. Was jetzt mit
den bereits abgeschlossenen Kapitulationsbedingungen, nach welchen die Stadt an Windischgrätz zu übergeben ist, geschehen wird, mag Gott wissen. Die Aufregung in der innern Stadt wird immer größer,
vorzüglich unter dem bewaffneten Proletariat und den Arbeitern, welche von Verrath, den der Gemeinderath und der Oberkommandant begangen, schreien und die Verräther mit dem Strange bedrohen. Es ist
nicht möglich, daß ich meinen heutigen Bericht weiter fortsetze, da vom Oberkommandanten die Nachricht gegeben wird, daß nach den Beobachtungen vom St. Stephansthurme der Kampf mit der ungarischen
Armee, zwei Stunden von Wien entfernt, begonnen hat, wodurch die Kampfbegierde und die Erbitterung gegen Windischgrätz den höchsten Grad erreicht. Die gestern bei den meisten Häusern ausgesteckten
weißen Friedenzeichen mußten in der Stadt und den Vorstädten augenblicklich eingezogen werden, wo es nicht geschah, wurden die Fenster zertrümmert; wer waffenfähig ist und sich mit einem Cylinder
(französischer Hut) auf der Straße blicken läßt, wird insultirt und unter die bewaffnete Menge gesteckt und mit fortgeschleppt.
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4 Uhr Nachmittags. Alle Vorstädte, die von den Windischgrätz-Jellachichschen Truppen und Räuberhorden noch unbesetzt sind, werden neuerdings in Vertheidigungsstand gesetzt, die Stadtthore
befestigt und die großen Straßen der Vorstädte neuerdings mit sehr guten und ausgedehnten Barrikaden versehen. Vor einer Stunde gab Oberkommandant Messenhauser wieder eine Berichterstattung vom
Stephansthurm, welche ich meinen heutigen verworrenen Berichterstattungen beilege. (Fehlt.) Der über die Stadt und die ganze Umgegend ausgebreitete Nebel macht die weitere Beobachtung der kämpfenden
Armeen unmöglich. Daß wir heute noch ein Näheres über den Ausgang der Schlacht erfahren werden, ist nicht wahrscheinlich. Jedenfalls haben uns die Ungarn durch die späte Hülfe einen schlechten Dienst
erwiesen, und werden, auch wenn sie über die Windischgrätz-Jellachich-Truppen gesiegt haben, die Stellung des Gemeinderaths und des Oberkommandanten gegenüber dem Feldmarschall außerordentlich
schwierig machen, da unter den vorwaltenden Umständen und Verhältnissen die Unterwerfung und Uebergabe der Stadt unter des Fürsten Dictatur doch nicht zu vermeiden sein wird.
10 Uhr Abends. Fürst Windischgrätz läßt an alle Hauseigenthümer eine gedruckte Kundmachung vertheilen, worin er bekannt macht, daß ein Korps ungarischer Insurgenten gewagt habe, die
östreichische Grenze zu überschreiten, daß es ihm aber vereint mit dem Banus gelungen sei, diese ungarischen Truppen in wilde Flucht zu jagen, und ein Theil noch mit der Verfolgung der Flüchtlinge
beschäftigt sei. Was der Fürst aus seinem Hauptquartier in Hetzendorf zum Troste aller Gutgesinnten, zur Warnung der Schlechtdenkenden bekannt machen läßt, um die abgeschlossene Uebergabe der Stadt
nicht länger zu verzögern u. s. w.
Den 31. 9 Uhr. Die ungarische Armee, die in allem 40,000 Mann stark gewesen, soll total geschlagen worden sein, das Infanterieregiment Alexander durch die Kavallerie in die Donau gesprengt,
mehr als 1500 Gefangene gemacht und die Kriegskasse erbeutet sein
Der Gemeinderath bittet, die Uebergabe der Stadt und Vorstädte, die bis zwölf Uhr Mittag geschehen muß, nach Möglichkeit zu beschleunigen. Auf dem Stephansthurme muß zu dieser Stunde die
kaiserliche Fahne ausgesteckt werden; die früher gestellten Kapitulationsbedingungen genau erfüllt werden etc., wenn es thunlich ist, schicke ich noch mit der heutigen Post die Kundmachung des
Feldmarschalls, den Aufruf des Gemeinderathes, die an den öffentlichen Plätzen und Straßenecken angeschlagen und augenblicklich unter den größten Insulten der sich dagegen Sträubenden abgerissen
wurden.
Die bewaffneten Proletarier und Arbeiter weigern sich fortwährend die Waffen abzulegen, die Stadt zu übergeben. Ohngeachtet Windischgrätz fortwährend dabei bleibt, daß wenn die gemachte
Kapitulation nicht genau bis zur Mittagstunde erfolgt, Stadt und Vorstädte durch Brand verheert werden sollen, ist bis jetzt wenig Hoffnung, daß die bewaffnete Macht diesem diktatorischen Befehle
Folge leistet. Denn jemehr sich von den entlegenen Vorstädten die Nachrichten über die von den Kroaten verübten Grausamkeiten, Mord, Plünderung, Verwüstung verbreiten, desto größer wird die
Erbitterung.
Wieder hört man Kanonendonner von der Mariahilfer und Lerchenfelder Linie. Das Olnitkömmer Amt, unter welchem die Burgbauten und die Sammlungen stehen, hat neuerdings um eine Verstärkung von
zweihundert Garden gebeten, ebenso die Nationalbank, da man wiederholte Drohungen, die Residenz des Kaisers in Brand zu legen, die Statue des Kaisers Franz zu zertrümmern u. s. w. gemacht hat.
1 Uhr Mittags. In diesem Augenblick hört der Geschützdonner und das Sturmläuten auf, das mit Schlag 12 Uhr begonnen hat, ohne daß man im Innern der Stadt beurtheilen kann, ob es von Seite
der Truppen wegen Veränderung der Position oder wegen einer Unterhandlung eingestellt wurde.
Die Parteien stehen sich für und gegen die Kapitulation schroff gegenüber. Es müßte ein Bürgerkrieg gegen die Schwarzgelben geführt werden, der allen Besitz vernichtet. Von Anfang des Bombardements
hat sich auf der Mariahilfer Linie schon ein ähnlicher Straßenkampf zwischen jenen, die für, und jenen, die gegen Kapitulation stimmten, angesponnen.
Den 31. Oktober, Nachmittags halb 4 Uhr. Welche weitere Unterhandlungen durch den Oberkommandanten Messenhauser und den Gemeinderath wegen der Uebergabe der innern Stadt gepflogen und von
welchem Erfolg solche sein werden, muß uns die nächste Stunde zeigen. Nach der in der schönen und völlig verödeten Stadt herrschenden Stimmung ist das schrecklichste nämlich, ein Parteienkampf
zwischen den friedlichen, für die Regierung gutgesinnten Bürgern und den bewaffneten Freiheitskämpfern, die ihre Errungenschaften auf das Aeußerste zu vertheidigen gesonnen sind, zu erwarten.
Der Gemeinderath, so wie Messenhauser werden des Verraths an der Freiheit, wie ich glaube mit Unrecht, von der bewaffneten Menge beschuldigt, sonst könnten sie nicht den tyrannischen und starren
Anforderungen, die der Feldmarschall gestellt, und noch mit drückenden Bedingungen in letzter Zeit vermehrt hat, mit solcher Hast und Bereitwilligkeit nachgegeben haben.
Diese Beschuldigung veranlaßte den Oberkommandanten, welcher gestern seine Stelle niedergelegt, sich wieder an die Spitze der bewaffneten Volkswehr zu stellen, und die Hauptleute Redel und
Fenneberg, die das volle Vertrauen der akademischen Legion und der Mobilen besitzen, zu seinen Kriegsräthen und Stellvertretern zu ernennen, und ohne deren Beistimmung die Stadt und die sich bis jetzt
noch höchst muthig vertheidigenden Vorstädte nicht zu übergeben. Ein Theil der Stadt- und Bürgergarden hatte bereits Vormittags auf ihren Sammelplätzen die Waffen abgelegt, die aber in derselben
Stunde wieder an andere Kämpfer vertheilt wurden.
In diesem Augenblicke wird die innere Stadt mit Kanonenschüssen und Congreveraketen, von dem Schwarzenbergschen Palais, von dem Wiedner Freihause in der Nähe des Politechnikums und von der
Mariahilfer Hauptstraße heftig beschossen und beworfen, wogegen nur wenig Kanonenschüsse aus der belagerten Stadt zurückgemacht ‒ da, wie ich mir die persönliche Ueberzeugung schaffte, durch
den sehr starken Wind die Raketen vertragen werden, ‒ nicht an den Ort ihrer Bestimmung gelangen, und größtentheils am Glacis oder in den Wallgraben liegen bleiben. Es ist 4 Uhr vorüber und das
Beschießen der Stadt wird von den obenbezeichneten Punkten unausgesetzt unterhalten, ohne daß man noch irgend eine Flamme ausbrechen sieht. Aber so eben wird mir die Nachricht hinterbracht, daß eine
zu weit an das Kärnthnerthor gerückte Avantgarde mit einer Kartätschenladung eines dort aufgestellt gewesenen 18pfünder regalirt wurde, und außer einem dabei befindlich gewesenen General und seinem
Adjutanten noch bei 40 Todte und Verwundete, meistens Kroaten, ihr Leben eingebüßt haben. Von Kartätschenmunition ist in der Stadt noch der größte Vorrath, und den werden die Belagerten für die
herannahenden Soldaten wohl am sichersten und zweckmäßigsten zu benützen suchen. ‒ Nun ertönt der Ruf, es brennt die Burg, der Reichstagssaal; dabei das fortdauernde kanoniren und das
Hineinwerfen der Raketen, durch welche eben wieder das große und schöne Palais des Grafen Kollowrath (früherer Minister des Innern), in Flammen geräth ‒ nun sieht man das Feuer, welches am
Josephsplatz nächst der Burg zum Himmel lodert von hoch gelegenen Häusern ganz deutlich, und verflucht das empörte Volk, das sich durch Vernichtung unersetzlicher Kunstschätze an der Tyrannei des
Feldmarschalls zu rächen sucht.
Der Thurm der Augustinerkirche, die zwischen dem Naturalienkabinet, der kaiserlichen Bibliothek und des Erzherzogs Albrecht Palais liegt, steht in vollem Brand, nebenhin alle Gebäude in
lichterloher Flamme, die auch an zwei andern Orten heftig wüthet, und bei dem starken Nordwestwinde und der bereits eingebrochenen Dunkelheit die ganze Stadt zu verheeren droht.
Die Beschießung der Stadt hört auf, ohne daß man sich in den Vorstädten die Ursache dieses Stillstandes zu erklären weiß, und der Meinung ist, daß Fürst Windischgrätz die Erlaubniß ertheilte, der
so hart bedrängten Stadt durch Löschungswerkzeuge aus den Vorstädten zu Hülfe zu kommen. Doch bald erfuhr man, daß die am Glacis und den Brücken aufgestellten Soldaten weder eine Feuerspritze noch
irgend Jemand passiren lassen ‒ und neue Verhandlungen über die Uebergabe der Stadt im Zuge sind. Da alle Straßen der Vorstädte, die zum Glacis führen, durch das Militär abgeschlossen sind, so
muß ich meinen weitern Bericht über dieses fürchterliche Ereigniß, durch welches der Kaiser seiner Hauptstadt und Residenz unheilbare Wunden schlägt, für den morgenden Tag verschieben und nur noch
beifügen, daß am verflossenen Sonnabend auch das Odeon, in welchem sich einige hundert mobiler Garden befanden, die auf die eindringenden Kroaten ein Kleingewehrfeuer unterhielten, durch Letztere in
Brand gesteckt wurde, und durch das einstürzende Dach und Gewölbe Alles was sich darin befand, nach einigen Mittheilungen bei 600 Menschen zusammenschmetterte. Jede Verbindung mit der Leopoldstadt,
der Stadt und den übrigen Vorstädten ist seit vier Tagen gänzlich unterbrochen, und man kann außer den von der Ferne herausragenden kolossalen Brandstätten über die sonstigen Verwüstungen und
Greuelscenen, welche von den kroatischen Räuberhorden des Jelachich an schwachen Weibern, Kindern und Greisen begangen wurden, noch nichts Bestimmtes erfahren und keine verläßlichen und sicheren
Nachrichten geben. Die prachtvolle Villa mit den herrlichen großen Gartenanlagen und Glashäusern des Fürsten Liechtenstein (vormals das Roßumowsky-Palais) an dem Donau-Kanal gegenüber dem Prater
liegend und von diesem nur durch die schöne Kettenbrücke getrennt, ist auch, besonders die Gartenanlagen, in welchen die Geschütze der mobilen Garde aufgeführt waren, und mit welchen man den von der
Dampfmahlmühle und dem Prater herüberstürmenden Feind zu wiederholten Malen zurückdrängte ‒ gänzlich ruinirt, eben so auf der rechten Donauseite die nebenanstehenden Gebäude des Banquiers
Walters, das Karpfenbad, die durch seine alljährig ausgestellten Blumenfluren berühmt gewordenen Treibhäuser und Wohngebäude des Apotheker Rochleder; stark gelitten haben noch das in dieser Gegend
befindliche Eisengußwerk des Landgrafen Salm, die Farben-Entroit-Fabrik des Kaufmann Dietz, das Sophienbad ‒ an dem andern Donauufer, wo die große Zucker-Raffinerie gewesen, die ausgedehnten
Kohlenmagazine und Bau- und Brennholzvorräthe lagerten, ist diese Verwüstung noch bei Weitem größer. Von den Bahnhofgebäuden der Nordbahn soll auch Vieles abgebrannt und verwüstet worden sein ‒
die Eisenbahnbrücke gänzlich abgebrannt, eine weite Strecke der Bahn, nach Einigen bis Lundenburg unfahrbar gemacht worden sein ‒ wird wohl den regelmäßigen Lauf und Benützung dieser
ausgedehnten Bahnstrecke hemmen und für längere Zeit unbrauchbar machen. Aehnliches ist auch in den Bahnhoflokalitäten der Wien-Gloggnitzer Eisenbahn geschehen ‒ und was noch mehr zu beklagen
ist, wurden dort die für Wien und zum Transport eingelagerten Waarenvorräthe geplündert und fast gänzlich verschleppt, ein ungeheuerer Verlust, für welchen der Beschädigte keinen Ersatz zu gewärtigen
hat. ‒ Auch heute wurde keine Wiener Zeitung wegen Mangel an offiziellen Nachrichten ausgegeben ‒ ob Windischgrätz während des Belagerungszustandes ausländische Zeitungsblätter einführen
läßt, steht sehr in Zweifel, und so wird das alte Regime Sedlnitzky wieder an die Tagesordnung kommen.
Den 1. November. Gestern Nachmittag um halb 6 Uhr sind die ersten Truppen durch das Burgthor über den Kohlenmarkt und Graben, wo aus allen Fenstern die weiße Fahne ausgesteckt zu sehen war,
eingezogen. Kanonen wurden auf den Hauptplätzen aufgeführt und mit brennenden Lunten bis zum Anbruch des Tages, wo die weiße Fahne auf dem Stephansthurme aufgesteckt wurde, bewacht. Heute um 9 Uhr
konzentrirten sich in der Stadt große Truppenmassen, lösten alle noch von National- und Mobilgarden besetzte Wachtposten ab, und ließen nach 9 Uhr Niemand mehr aus, noch in die Stadt passiren, um das
Verschleppen der Waffen zu verhindern. ‒ In den Vorstädten fahren die Wagen von Haus zu Haus, Kommissäre ermahnen, die Waffen sogleich auf die Wagen oder binnen zwölf Stunden in die
Gemeindehäuser abzugeben, Privateigenthum zu bezeichnen, welches dann protollirt und in einiger Zeit, wenn der Belagerungszustand aufgehoben, die Garde reorganisirt worden ist, wieder zugestellt
werden soll. Nach 24 Stunden wird noch einmal Haussuchung gehalten und bei vorfindenden Waffenvorräthen kriegs- und standrechtlich verfahren. Auf ähnliche Weise wird man wohl auch in der innern Stadt
vorgehen und auf diese Weise das kaiserl. Zeughaus wieder vollständig füllen. Ein großer Mißgriff des Hrn. Marschall Windischgrätz war es, die kroatischen Horden zuerst nach Wien einrücken zu lassen.
Diese roh-zügellose, schlecht bekleidete, mit Prügeln und Stangen bewaffnete Soldateska hat viele Grausamkeiten, vorzüglich in der Vorstadt Landstraße, verübt und die Erbitterung gegen Jellachich und
Windischgrätz noch mehr gesteigert. Daß sich Wien und die innere Stadt nicht so wie es der Gemeinderath zugesichert hatte, bis 12 Uhr Mittags ergab, war größtentheils das Verlangen Windischgrätz, die
gelbe und schwarze Fahne auf dem Thurme von St. Stephan aufzupflanzen, Schuld. Diese gewiß für immer verhaßten Farben erbitterten und reizten das Volk der Art, daß auf dem Stephansplatz zwei Kanonen
Sechspfünder mit der Drohung aufgeführt wurden, den Dom und den Thurm in Trümmer zu schießen, wenn die Aufsteckung dieser Fahne stattfinden würde.
Abends 6 Uhr. Niemand außer Militär darf seit 10 Uhr die innere Stadt betreten, ebensowenig von dort in die Vorstadt gehen; um vor die Barrieren zu gelangen, muß man von dem in jeder
Vorstadt kommandirenden General einen Geleitschein erbetteln, und dann beim Hinausgehen oder Fahren sich gefallen lassen, bis auf das Hemd visitirt zu werden. Die so strenge Absperrung der Stadt
scheint keinen andern Zweck zu haben, als von Haus zu Haus die Waffen einzusammeln, die entwaffneten Arbeitsleute und Proletarier in sichern Gewahrsam zu bringen und solche unschädlich zu machen, seit
acht Stunden hat man bereits mehr als 1200 zusammengefangen und durch die Kroaten, die mit den abgenommenen Waffen armirt wurden und auch Munition erhielten, in das Arbeitshaus und mehrere Kasernen
transportiren lassen. Nach einigen unverbürgten Nachrichten soll sich ein großer Theil des übergegangenen Militärs mit Studenten und Akademikern in das Universitätsgebäude geflüchtet haben, verweigern
die Ablieferung der Waffen und verlangen für die übergetretenen Soldaten vollkommene Amnestie ‒ und da sich der Feldmarschall dies Verlangen nicht abtrotzen lassen wird, so befürchtet man einen
tollkühnen verzweifelten Ausfall oder die Ausführung der gemachten Drohung, sich in die Luft zu sprengen. Ob an der Sache etwas Wahres ist, kann ich heute noch nicht ermitteln, so viel aber ist gewiß,
daß viele Familien, die in den Vorstädten wohnen und Söhne bei der akademischen Legion haben, über deren Schicksal und Ausbleiben in der größten Unruhe sind.
In der Vorstadt Mariahilf wurde durch die vor den Barrieren aufgestellten Truppen mit großem Wurfgeschütz an vielen Bauten ein sehr bedeutender Schaden zugefügt, das Sommerpalais des Fürsten
Esterhazy, welches eine ausgezeichnete Bildergallerie enthält, wurde unausgesetzt mit Kanonen und Bomben bedrängt; in dem großen immensen Gebäude ist auch nicht eine Fenstertafel ganz geblieben. In
der Mariahilfer Hauptkirche und deren Thürme flogen mehrere Kugeln und Bomben mit 60 Pfund, zerplatzten in der Kirche und steckten einige Kirchstühle in Brand. Der Ingenieur und Maschinist Angely aus
Berlin, dessen mechanische Fabril von den Kroaten zerstört wurde, verlor auch dabei sein Leben, durch vier auf ihn gerichtete Gewehrschüsse. Auch der Kaffeesieder Stierböck in der Leopoldstadt wurde
von den Kroaten erschossen. Erst heute konnte man der Plünderung, die man an den auf den Bahnhöfen liegenden zum Versandt bestimmt gewesenen Waarengütern vornahm, Einhalt thun. Der Schaden muß sehr
bedeutend sein. Das neue Zollgebäude, wo jetzt drei Kompagnien Soldaten bivouakiren, hat ebenfalls großen Schaden erlitten, die dort aufbewahrten Waaren haben einen ungeheuern Werth Ein kroatischer
Offizier erzählte heute, daß die ungarischen Truppen, die zurückgedrängt wurden, nicht über 6000 Mann stark waren, und mit dem Regimente Alexander, welches lange Jahre in Wien stationirt gewesen, die
Bestimmung hatte, Jellachichs Truppen im Prater aufzureiben; das gedachte Regiment wurde auf drei Dampfschiffen von Preßburg in die Nähe Wiens gebracht, was verrathen war, und durch die an dem
Donau-Ufer aufgestellte Artillerie in ganz kurzer Zeit durch Zusammenschießen der drei Dampfschiffe, die der Donau-Dampfschifffahrtgesellschaft gehören, in Grund geschossen wurde. Windischgrätz
scheint noch einen weit stärkeren Angriff der Ungarn zu erwarten und konzentrirt die Mehrzahl seiner Truppen gegen die ungarische Gränze. Auf allen Vorstadthäusern, in welchen Kroaten hausen, sieht
man folgende geschriebene und gedruckte Zettel angeklebt: Saldvemo-na Suprewal General Zeisberg, das heißt: Heilig ist das Eigenthum. Da aber unter diesen Horden von hundert nur wenige lesen können
oder das Gelesene verstehen werden, so wird das Eigenthum in den Augen dieser entmenschten Soldateska wenig respektirt werden. ‒ Cigarren und Silbergeld steht bei den Kroaten in besonderm Werth
und durch Tabak und Cigarren, die sie den Vorübergehenden aus dem Mund herausnehmen, kann man sich noch am ersten von diesen Raubvögeln befreien.
Den 1. Nov., 10 Uhr Morgens. Die heutige Nacht war für die Bewohner Wiens nach langen gefahrvoll durchlebten Tagen wieder eine ruhige ‒ für Denjenigen, der seine Angehörigen und seine
Habe fern von der Stadt und den dieser zunächst liegenden Vorstädten wußte. Ein ziemlich starker Regen, der vor Mitternacht begonnen und noch fortdauert, hat die Brandstätten, welche in der innern
Stadt noch immer fortlodern, durch das Aufhören des Windes, nicht weiter ausgebreitet. Schon um 7 Uhr früh sahen wir am St. Stephansthurme die weiße Fahne wehen und hatten dadurch Hoffnung, in die, so
unersetzlichen Schaden erlittene Stadt hineinzukommen. Von allen Thoren war nur ein einziges, nämlich das Franzensthor, für Fußgänger geöffnet, wir fanden den größten Theil der Thorwachen, die der
Gesandtschafts-Hotels und der ärarischen und Dicasterialgebäude noch mit Nationalgarden besetzt, in den Straßen und kleinern Gassen aber Waffen aller Art in großer und bedeutender Menge herumliegen.
Die erste Frage war, ob der Parteienkampf zu Ende? wer dabei gesiegt? und wie lange die Brandlegung und Plünderung gedauert habe? mein Erstaunen war daher auch groß, als ich zur Antwort erhielt, daß
die Ablegung der Waffen, sowohl von der arbeitenden Klasse, dem Proletariat, ebenso von der mobilen Garde, wenig Umstände verursacht habe, daß sich die gesammte Volkswehr, den klugen, gemäßigten und
beruhigenden Vorstellungen des Gemeinderathes und den der Kommandanten (die ich hier gedruckt beilege) unterwarf, und sich an der Rettung der durch die kaiserliche Artillerie in Brand gesteckten
Gebäude thätig, unermüdet und in musterhafter Ordnung betheiligten; nur den Bemühungen der gewandten Arbeitsleute konnte es gelingen, von den vorhandenen Feuerlöschungs-Requisiten, wobei auch noch
Wassermangel war, da die Wasserleitungen, wie ich schon früher berichtete, größtentheils zerstört waren, einen schnellen und zweckmäßigen Gebrauch zu machen, wodurch nicht allein die Verbrennung der
kostbaren, weltberühmten kaiserlichen Bibliothek und des daran anstoßenden Naturalienkabinets verhindert wurde, sondern auch die Burg, das Theater, die Säle des Reichtages und alle in der Nähe
befindlichen Palläste vor einer gänzlichen Verheerung bei dem so stark wehenden Winde gerettet wurden. Die schöne Augustinerhofkirche mit dem herrlichen Denkmal Canovas (an der Grabstätte der
Erzherzogin Christine) wurde durch die angestrengtesten Bemühungen der bewaffneten Garden und Arbeiter, denen sich die Proletarier anschlossen, vor dem Einsturz gerettet, der hohe Kirchthurm mit
seinem großen und schönen Glockengeläute wurde ein Raub der Flammen. Die entsetzlichen Feuermassen, das herabfließende schmelzende Erz und das fortwährende Kanonieren konnte die Anstrengungen der
braven Leute in ihren Bemühungen nicht hemmen. Die Kirchenschätze wurden in Sicherheit gebracht, die dicht an die Kirche anstoßende Kupferstichsammlung des Erzherzog Albrecht (eine der werthvollsten
in Europa) durch dieselben Leute, die man noch wenige Stunden vorher als Brandstifter und Plünderer bezeichnete, gerettet, und sie waren noch um 8 Uhr früh, also nach 13 Stunden, so thätig und
unermüdet, daß auch bei dem herrlichen Bibliothekgebäude nur die schöne Kuppel und das Dach abbrannte und der größte Theil des Naturalienkabinets, in welchem die mit Spiritus gefüllten Gefäße eine
verheerende Flamme verursachten, gerettet werden konnte. Dennoch entstand unberechenbarer Verlust, da die in der Nähe der Bastionen und Wälle liegenden Gebäude, bis inmitten der Kärntnerstraße, des
Josephsplatzes, der Staatskanzlei, Löwenstraße u. s. w., durch Kanonen, Raketen und Granaten schrecklich verwüstet sind und durch den noch in Flammen stehenden Kolowrattschen Palast allein ein Schaden
von 300,000 Fl. entstanden ist.
2. Nov., 12 Uhr Mittags. Um in die Stadt zu gelangen, mußte ich mir es 2 Dukaten kosten lassen. Sie können sich daher denken, wie streng Windischgrätz den Belagerungszustand beobachten läßt.
Das Militär bivouaquirt auf allen Hauptstraßen und Plätzen der innern Stadt, was einen eigenen Anblick der nicht mehr zu kennenden Stadt darbietet. Heute Nacht wurde der Gaßkandelaber, an welchem
Latours Leiche aufgehangen war, von dem Militär herausgerissen und zertrümmert.
Eben höre ich, daß sämmtliche Posten angelangt und auch heute mit Ausnahme der ungarischen abgehen, ich muß mir nur noch die in der Staatsdruckerei seit gestern erschienenen Kundmachungen zu
verschaffen suchen, was auch nur durch besondere Lokalkenntniß zu erzielen ist, um Sie mit den neuesten Vorfällen bekannt zu machen. Sämmtliche in Wien befindliche Druckerpressen sind unter Aufsicht
gestellt, ob wir Zeitungen von fremden Plätzen erhalten, bezweifle ich, Gewisses weiß ich hierüber nicht zu sagen.
Die Universität ist bereits von Militär besetzt ‒ sonst Alles ruhig. Die Stadt gleicht einem Lager. Alle Läden gesperrt, an den meisten Lebensmitteln mangelt es bereits in der Stadt und
Vorstädten. Morgen ein Mehreres.
[(A. O. Z.)]
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Wien, 1. November.
Proklamation.
Indem ich die unter meinem Befehle stehenden k. k. Truppen in die Hauptstadt Wien einrücken lasse, finde ich mich im Nachhange meiner Proklamation vom 23. Oktober d. J. bestimmt, jene Maßregeln
allgemein bekannt zu machen, deren Ausführung ich zur Wiederherstellung des auf das Tiefste erschütterten öffentlichen Rechtszustandes für unerläßlich halte.
Die Stadt hat zwar am 30. v. M. ihre Unterwerfung angezeigt, die darüber geschlossenen Bestimmungen wurden jedoch durch den schändlichsten Verrath wieder gebrochen, daher ich ohne Rücksicht auf
diese Unterwerfungsacte hiermit folgende Anordnungen treffe:
Erstens. Die Stadt Wien, ihre Vorstädte und Umgebungen in einem Umkreise von 2 Meilen werden in Belagerungsstand erklärt, das ist: alle Lokalbehörden für die Dauer dieses Zustandes nach der
im §. 9 enthaltenen Bestimmung der Militärbehörde unterstellt.
Zweitens. Die akademische Legion und Nationalgarde, letztere jedoch mit Vorbehalt ihrer Reorganisirung, sind aufgelöst.
Drittens. Die allgemeine Entwaffnung, falls sie noch nicht vollständig durchgeführt worden wäre, ist durch den Gemeinderath binnen 48 Stunden von der Kundmachung gegenwärtiger Ploclamation
an gerechnet, zu beendigen. Nach Verlauf dieser Frist wird die zweite und letzte Aufforderung zur Ablieferung der Waffen erlassen, und 12 Stunden nach Affigirung derselben eine Hausdurchsuchung
vorgenommen, dann aber jeder Besitzer von was immer für Waffen eingezogen und der standrechtlichen Behandlung unterzogen werden.
Von dieser Entwaffnung sind blos die Sicherheitswache, die Militär-Polizeiwache, die Finanzwache, welche in ihrer bisherigen Wirksamkeit verbleiben, dann jene Beamten, die nach ihrer persönlichen
Eigenschaft zur Tragung von Seitengewehren zur Uniform berechtigt sind, ausgenommen.
Waffen, welche Privateigenthum sind, werden mit den Namen der Eigenthümer bezeichnet, abgesondert aufbewahrt werden.
Viertens. Alle politischen Vereine werden geschlossen, alle Versammlungen auf Straßen und öffentlichen Plätzen von mehr als 10 Personen sind untersagt, alle Wirths- und Kaffehäuser sind in
der innern Stadt um 11 Uhr, in den Vorstädten und Umgebungen aber um 10 Uhr Abends zu schließen.
Die dawider Handelnden werden verhaftet, und vor ein Militärgericht gestellt.
Fünftens. Die Presse bleibt vorläufig nach der Bestimmung des Punktes 4 der Proklamation vom 23. Oktober d. J. beschränkt und der Druck, Verkauf und die Affigirung von Plakaten,
bildlichen Darstellungen und Flugschriften nur insoferne gestattet, als hierzu die vorherige Bewilligung der Militärbehörde eingeholt und ertheilt worden sein wird.
Gegen die Uebertreter dieser Anordnung tritt die im vorigen Absatze angedrohte Behandlung ein.
Sechstens. Die im §. 5 der Proklamation vom 23. October d. J. enthaltene Verfügung, wonach die sich in der Residenz ohne legale Nachweisung der Ursache ihrer Anwesenheit aufhaltenden
Ausländer auszuweisen sind, wird auf alle in gleicher Lage befindlichen nach Wien nicht zuständigen Inländer ausgedehnt.
Die Ausführung dieser Maßregel wird der Stadthauptmannschaft übertragen, welche sich durch nominative Eingaben der Hauseigenthümer über ihre Inwohner die Ueberzeugung von der Zahl der in die eben
bezeichnete Kathegorie gehörigen Personen verschaffen wird
Der Hauseigenthümer, welcher vorsätzlich einen seiner Inwohner verschweigt, oder den Zuwachs eines solchen nicht innerhalb der in den Polizei-Vorschriften festgesetzten Termine anzeigt, wird
eingezogen und vor das Militär-Gericht gestellt.
Siebentes. Wer überwiesen wird:
a) unter den k. k. Truppen einen Versuch unternommen zu haben, dieselben zum Treubruch zu verleiten,
b) wer durch Wort oder That zum Aufruhr aufgereizt, oder einer solchen Aufforderung werkthätige Folge leistet,
c) wer bei einer etwaigen Zusammenrottung auf die erste Aufforderung der öffentlichen Behörde sich nicht zurückzieht, und
d) wer bei einer aufrührischen Zusammenrottung mit Waffen in der Hand ergriffen wird ‒ unterliegt der standrechtlichen Behandlung.
Achtens. Alle Barrikaden in der Stadt und den Vorstädten sind durch den Gemeinderath allsogleich spurlos wegräumen, und das Pflaster herstellen zu lassen.
Neuntens. Während der Dauer des Belagerungszustandes bleiben zwar alle öffentlichen Behörden in der Ausübung ihrer Functionen ungestört; nachdem aber die Militär-Behörde für diese
Zeitperiode alle jene Geschäfte übernehmen wird, welche auf die Aufrechthaltung der Ordnung, Ruhe und Sicherheit der Hauptstandt und ihrer Umgebung abzielen, so haben von nun an der mit diesen
Geschäften bisher betraute Gemeinderath und die Stadthauptmannschaft dazu nur in jener Weise mitzuwirken, welche die Militär-Behörde für zweckmäßig erachtet wird.
Zehntens. Um den Zweck des Belagerungszustandes zu erreichen, der kein anderer sein kann, als den Uebergang von der Annarchie zu dem geregelten constitutionellen Rechtszustande
vorzubereiten, wird eine gemischte Central-Commission unter dem Vorsitze des Herrn General-Majors Baron Cordon, welchen ich gleichzeitig zum Stadt-Commandanten ernenne, die oberste Leitung der durch
den Belagerungszustand bedingten Geschäfte führen, und sowohl die niederösterreichische Landes-Regierung als auch die Stadthauptmannschaft an ihre Anordnungen gewiesen.
Hauptquartier Hetzendorf am 1. November 1848.
Fürst zu Windisch-Grätz, k. k. Feldmarschall.