Deutschland.
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] Wien, 16. Okt.
Das Hof-Post-Amt, dessen erster Titel vom Volke überall mit Koth beworfen ward, hat durch Maueranschlag gestern bekannt gemacht, daß westeuropäische Briefe der kriegerischen Umstände wegen nur bis
2 Uhr Mittags aufgegeben werden können, damit sie noch vor Eintritt der Dämmerung die Linien Wien's passiren. Plakate werden kaum mehr angenommen. Das Volk mißtraut auch dieser Post und hält
sie für eine Polizeistube, aus welcher der Geist Sedlnitzky der Kamarilla in Olmütz Berichte erstattet.
Unsere andern Zustände sind seit gestern und vorgestern fast dieselben geblieben. Der Reichstag begeht immer neue Infamien und sinkt im Volke zu immer tieferer Verachtung, die ihm in der kürzesten
Zeit den Hals brechen muß. Statt die Wien mit ihren k. k. Raub- und Mordgesellen umlagernden, das Land rundumher abfressenden und die Bauern entwaffnenden Banditen-Generale Auersperg und Jellachich
schon beim ersten feindlichen Auftreten und Trotzen als Volks- und Freiheits-Verräther in die Acht zu thun, das ungarische Heer herbeizurufen und das Wiener, so vortreffliche Volk zum Kampf zu
begeistern und zu führen, tritt der hohe Reichstag diesen Don Quixott's Se. kroatischen Majestät noch immer mit den Bücklingen eines im Fürstensalon verirrten Bauern entgegen, der mit seinem
plumpen Rücken dabei dem Volke in die Rippen fährt, bis es ihn hinauswirft.
Als es bekannt wurde, daß die Ungarn an der österreichischen Gränze seien, ward Jellachich unheimlich zu Muthe, und er schrieb darum an den hohen Reichstag, „er wolle die freien
Institutionen des Vaterlandes schützen und habe dies durch seine Verhältnisse zu der in Ungarn herrschenden Partei bewiesen u. s. w.“ (Vergl. die gestr. Ztg.) Auf diese unglaublich freche Don
Quixottionade wußte der hohe Reichstag sub duce des demokratischen Pfaffen Borrosch und des politischen Idioten Schuselka und anderer Volksverräther nichts weiter zu antworten, als dieses:
„Euer Exzellenz! Auf die am heutigen Tage erhaltene Zuschrift läßt der konstitutionelle Reichstag durch den Ausschuß erklären: Es ist eine Deputation (schon die 5.) an Se. Majestät abgegangen,
um ihn (welches deutsch!) zu bewegen, den Friedensvorschlägen Gehör zu geben. In der Hoffnung auf einen glücklichen Erfolg dieses Schrittes hat der Reichstag Alles aufgeboten, um das kampflustige Volk
von Wien und die herbeiziehenden Schaaren des Landsturms von offensiven Feindseligkeiten abzuhalten. (Die sich selber hochrühmende Feigheit und Dummheit ist doch gränzenlos!) Se. Majestät hat durch
den Fürsten Lobkowitz die Versicherung geben lassen, die beiden Kommandirenden würden Wien nicht angreifen. (Der Kaiser und Hof behandelten die diese Versicherung empfangende Deputation mit der
größten Verachtung, und da der hohe Reichstag dies vorausgesetzt haben mußte, so hatte man derselben den frühern Schulmeister Lobkowitzens, den mit dem italienischen Heer zweimal durchgefallenen
Selinger, beigegeben, damit wenigstens Fürst Lobkowitz die Deputation nicht vor die Thüre werfen lasse.) Allein die von Euer Exzellenz befohlene Entwaffnung der Nationalgarden in den umliegenden
Ortschaften, die drückenden Requisitionen, die Hemmung der Passage und das Absperren der Zufuhren von Lebensmitteln stehen mit diesen Versprechungen in so grellem Widerspruche, daß der Reichstag, auf
diese Thatsachen gestützt, entschieden protestiren muß. (O deutsche Idioten!) Der Reichstag hat die Ungarn nicht in's Land gerufen, (er bietet im Gegentheile unter der Hand alles auf, damit sie
nicht kommen) und kann sie ebensowenig hinausdekretiren u. s. w. Der Reichstag kennt kein anderes Mittel (ein solcher Reichstag kann natürlich kein Wanzenvertilgungsmittel sein) den Frieden
herzustellen, als wenn den entwaffneten Nationalgarden ihre Waffen zurückgegeben werden und Sie in Ihre Heimath zurückkehren u. s. w.“ ‒ Man beeilte sich, diese Salbe des hohen
reichstäglichen Quacksalbers sofort an die Straßenecken zu pappen, weil man einen acte d'energie ausgeübt zu haben glaubte, allein das Volk, von einer andern, leider immer zurückgedrängten,
Energie beseelt, bewarf diese Borrosch-Schuselka'sche Kretinen-Energie mit Straßenkoth. ‒ Noch unglaublicher als der Reichstag benimmt sich die sogenannte ultraradikale Presse. Der
Freimüthige sagt z. B. hierbei: „Im Bewußtsein seines Rechtes und der guten Sache, für die er einsteht, tritt der Reichstag fest, würdig und entschieden auf“ Die kalkulirende Feigheit
unserer Presse ist unsere größte Schmach.
Wie gut es dieser hohe Reichstag mit dem Volke meint, wissen Sie ja bereits, da ich Ihnen geschrieben, daß er dem Minister Krauß für die Banditengeneräle 8, der Bank zu entnehmende, Millionen
bewilligt hat, während er zur Erhaltung des in immer tieferes Elend versinkenden Volks nur 200,000 Fl. hergeben konnte; wie gut es dieser Reichstag mit dem Volke meint, geht auch noch daraus hervor,
daß er die im Parke Schwarzenberg's von dem für Insulte so empfindlichen k. k. Militär an Leuten aus dem Volke begangenen, an Scheußlichkeit die Phantasie der entsetzlichsten Kannibalen
haarsträubenden Mordthaten, deren Opfer das Volk ihm unter die Nase trug, mit Stillschweigen übergangen hat.
Diese, von den Soldatenkannibalen Se. k. k. apostolischen Majestät, begangenen Mordthaten, übersteigen so alle Phantasiestücke in Callot's Manier, daß ich ein Wort darüber verlieren muß,
leider nur ein Wort. Der Park des Belvedere und der Schwarzenberg's sind von den Hyänen des Absolutismus zu diesen Mordthaten übermäßig benutzt worden. In der Nacht griff man die unschuldig
Vorübergehenden auf, brachte sie zu den hellauflodernden Wachtfeuern und mordete sie hier mit satanischer Besonnenheit und Langsamkeit. Offiziere und Mannschaften saßen dabei um's Feuer und
überheulten das Verzweiflungsgestön der Gemarterten bei Saufgelagen im Kreise öffentlicher Dirnen. ‒ Oft erschallte das Geschrei der Veröchelnden bis zu den Basteien hin. Als diese Thron- und
Kron-Kannibalen, die das Volk, ohne erschossen zu werden, in Italien nicht anblicken darf, am 11. in der Frühe die Mordhöhle geräumt hatten und das Volk eingedrungen war, fand man die Leichnahme
überall theils vergraben, theils frei daliegen. Die Kanäle waren geöffnet und sind vielleicht noch angefüllt mit Opfern. Viele liegen im allgemeinen Krankenhause der Alser-Vorstadt unter freiem Himmel
zur Schau ausgestellt. Darunter befindet sich auch der in den Reichstag gebrachte, unerkannt gebliebene Leichnahm eines Mannes. ‒ Die unverletzlichen k. k. Kriegsknechte hatten ihm mit
glühenden Eisen die Augen ausgebrannt, Hände und Füße abgehackt, den Mund bis an die Ohren aufgeschlitzt und diese abgeschnitten, die Zähne eingeschlagen, den Schädel geöffnet und das Gehirn
herausgenommen, den Leib geöffnet und die Eingeweide verbrannt, Pulver in den Mund gethan und angezündet u. s. w. Ein anderer Leichnam war mit glühenden Bränden am ganzen Körper tätowirt; einen
Dritten, dessen Körper herkulische Kraft verräth und der sich lebend furchtbar gewehrt haben muß, hatte die Banditen-Soldateska neben hundert andern Verstümmelungen die kraftvollen Fäuste noch beim
Leben kunstgerecht sezirt und alle Fasern herausgeschnitten. Ein Mädchen ist bis zum Tode mißbraucht worden, indem man ihm dazu die Brüste ausschnitt und es in sonst unaussprechbarer Weise
verstümmelte. Der Anblick dieser Leichen erregt Grauen und Entsetzen und viele erkrankten dabei. Flüche und Verwünschungen der schauerlichsten Art wider den Kaiser, den Hof und alle Schwarzgelben
wurden vom Volke im fürchterlichsten Zorne ausgestoßen. Man hätte diese Leichen in Spiritus legen und zum ewigen Angedenken an die Erhabenheit der absoluten Majestäten aufbewahren sollen, allein
Schuselka, welcher doch nicht unerwähnt lassen konnte, daß das Militär so viele Leute aus dem Pöbel umgebracht, verordnete nur, daß ihnen ein anständiges Begräbniß werde.
Messenhauer, der neue Oberkommandant der Garde, Legion, Arbeiter und mobilen Garde, von welch letzterer bereits drei Bataillone organisirt sind, zeigt, wie seine Verordnungen vom 14. darthun, viel
disziplinarische Energie. Wien ist von ihm in einen tüchtigen strategischen Vertheidigungszustand versetzt worden, obwohl es lächerlich ist, anzunehmen, Jellachich und Auersperg würden es wagen, mit
Gewalt in die Stadt zu dringen, wo jedes Haus eine Festung, jeder Pflasterstein eine Waffe, ihr Untergang also gewiß ist. Sie finden es viel bequemer, die Stadt immer mehr zu umzingeln und auf diese
Weise auszuhungern. Kommen die Ungarn nicht bald oder wird nicht von der Stadt aus angegriffen, so dürfte dieser Plan gelingen, da die slavischen Soldatenheere von allen Seiten heraneilen.
Ich habe gestern Mittag eine Runde gemacht. Die Linien sind überall im besten Vertheidigungszustande, namentlich die Linien des Belvedere. Dort stehen 18 Kanonen und befindet sich das Hauptquartier
des von Ostrolenka her bekannten General Böhm. Nationalgarde, Legion und Arbeiter stehen überall. Fortwährend gibt es kleine Neckereien mit dem Feinde, aber noch steht kein ernstlicher Angriff in
Aussicht. Man sagte mir im Belvedere, die ungarische Armee rücke bestimmt heran, müsse indessen mit Kriegslist verfahren. Wenn's nur wahr ist. Die Pesther Zeitung vom 12. weiß gar nicht, wo
sich ihre Armee befindet. Kossuth, der Präsident des Landesvertheidigungsausschusses, hat dem hiesigen Reichstage durch eine Deputation eine Ihnen gewiß schon bekannt gewordene Erklärung übersenden
lassen, welche die bestimmteste Zusage enthält, Jellachich anzugreifen und wo möglich zu vernichten, aber auch sofort Halt zu machen, wenn der östreichische Reichstag es verlange. An Ungarn dürfen wir
also noch nicht verzweifeln.
Der Hof befindet sich in der Festung Ollmütz und hetzt von dort aus die Slaven wider Wien und die Ungarn. Vielleicht wird er, da die giftigen Czechen seinen Absolutismus schwerlich herzustellen
vermögend sein werden, nächstens in Potsdam oder im russischen Lager eintreffen.
12 Uhr Mittags. Ich glaubte, etwas Erfreuliches zu vernehmen und komme eben von einer Wanderung durch die Stadt; aber man sieht nichts, als die Erbärmlichkeitsplakate der konstitutionellen
Ordnungs- und Ruhefreunde und Volksverräther Schuselka, Fischof u. s. w., die mich anwidern, während man die herannahende Verzweiflung dem Volke schon vom Gesichte ablesen kann. Die vorhergehenden
Tage trug jedermann eine Waffe, jetzt sieht man nur wenige noch damit. Bei der Vertheilung der Waffen sind die konstitutionellen Ruhe- und Ordnungsfreunde mit solcher Ruhe und Ordnung verfahren, daß,
aus Furcht, es möchten zu viele Arbeiter bewaffnet werden, die schwarzgelbe Partei eine Menge Waffen davon getragen hat, um sie entweder zu Hause in die Ecke zu stellen oder Sr. kroatischen Exzellenz
zu überbringen. Um 3 Uhr hält der konstitutionelle Reichstag eine konstitutionelle Schuselka-Pillersdorf-Sitzung. Ich werde Ihnen daraus berichten. Die Läden sind heute theilweise geöffnet, allein das
Elend nimmt bei der Stockung aller Thätigkeitsverhältnisse immer zu, da uns auch die Nahrungsmittel mehr und mehr abgeschnitten werden. Die ungarischen Zeitungen sind ebensowenig heute eingetroffen,
als die Ungarn. Es wird so weit kommen, daß das Volk die Waffen fortwirft und den Jellachich hereinläßt, oder daß es den Reichstags aufknüpft, um sich selber zu helfen. Wir haben einen Artilleriepark
von 150 Kanonen; in den Händen des Volkes würden sie Jellachich vernichten; die konstitutionellen Reichstagsbanden aber wissen nicht, was sie damit machen sollen. Auersperg hat zur Spionage einen
General im Invalidenhause hinterlassen und dem Reichstage sagen lassen, daß er es gethan, um die legale Verbindung mit ihm zu unterhalten. Was thun die Reichstagsfreunde? Sie glauben Auersperg nicht
nur aufs Wort, sondern sie stellen die k. k. Spione auch noch unter den Schutz des Reichstags und empfehlen dabei dem Volke immer wieder Ruhe und Ordnung. Es ist um wahnsinnig zu werden! Ich sehe es,
Wien unterliegt und mit diesem Bollwerk versinkt die Freiheit Deutschlands. Die Bourgevisrepublikaner Frankreichs haben mit der Republik ihr Geschäftchen gemacht und scheinen dem Absolutismus hold
wieder zuzulächeln.
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Wien, 16. Octbr.
Der „Politische Privat-Telegraph“ schreibt: Es ist noch immer nicht zum Kampfe gekommen; die Ungeduld der hiesigen Bevölkerung schlägt in Unwillen und Entrüstung um. Es wird allgemein
Klage geführt gegen die Mattigkeit des Reichstags, der vermitteln will, statt entschieden für die Sache des Volks aufzutreten. Wie es scheint, hat jetzt der Reichstag mit dem Antrag eines
Völkerkongresses den letzten versöhnenden Schritt gethan; schlägt dieses Mittel fehl, so ist er zum Handeln gezwungen. Die Blicke des Volkes außer Wien sind ganz besonders auf den Reichstag
gerichtet; das Militär jedoch verläugnet ihn. Der Grund, warum der beabsichtigte Angriff von Seiten der Ungarn noch nicht gemacht worden, ist, daß der ungarische Oberfeldherr Messaros ohne die
gebührende Anzahl von Truppen (20,000 reguläre und 30,000 Garden) nicht gegen die Kroaten vorrücken zu dürfen glaubt. ‒ Das Militär in der Umgebung Wiens erlaubt sich empörende Gewaltsamkeiten
gegen Ab- und Zureisende, mit deren Gesinnung sie nicht einverstanden zu sein Grund haben. Der Reichsdeputirte Sturm, der aus der Steiermark kam, wurde in W.-Neustadt festgenommen und 2 Tage lang
unter strengster Bewachung in Gefangenschaft gehalten. Auf seine Legitimation als Deputirter fielen von den Offizieren rohe, beleidigende Worte gegen die ganze Kammer, die sie als den Aufenthalt von
Mördern bezeichnete. Zwei Studenten, die mit demselben Train fuhren, sollten sogleich auf den Befehl eines Majors, der es über sich nehmen wollte, sogleich erschossen werden, und es wäre auch
geschehen, ohne das Einschreiten des Obristen und den Umstand, daß Einer der beiden Studenten ein Baron gewesen. ‒ Dieses zur Bezeichnung des herrschenden Geistes unter einem Theile des
Militärs. ‒ In Gratz spielt der Gouverneur Graf Wikenburg ein gefährliches Spiel, Anfangs offen auftretend gegen die Wiener Bewegung, scheint er sich ihr jetzt entschieden anzuschließen; man
will von einem geheimen Einverständnisse zwischen ihm und dem Baron Jellachich, der sich, nebenbei gesagt, als Ober-Kommandant aller östreichischen Truppen gerirt, wissen. Der Landsturm von
Ober-Steiermark ist bereits bis zum Sömmering vorgedrungen, wo er vom Militär vorläufig in Schach gehalten wird.
Das mobile Korps vergrößert sich fortwährend. ‒ Die Vertheidigungsanstalten werden verbessert und erweitert; der gewesene Ober-Kommandant von einem Tage ist verhaftet; man hat ein
verrätherisches Einverständniß zwischen ihm und den Gegnern des Volkes entdeckt. ‒ Der jetzige Ober-Kommandant Messenhauser wirkt mit Umsicht und Energie; er veranstaltet jetzt die
augenblickliche Drucklegung und Veröffentlichung aller Berichte über den Stand der k. k. Armee. ‒ Die Zufuhr von Lebensmitteln und Geld ist ohne Aufhör; von der ganzen Umgebung, selbst von den
entferntesten Städten kommen Deputationen mit ähnlichen Gratisbeiträgen, um der Universität und der Wiener Bevölkerung ihre Sympathien zu beweisen. Sogar vom republikanischen Vereine aus Dresden ist
eine Deputation an das Studentenkomité mit einer Dankadresse gekommen. ‒ Zwei kroatische Offiziere wurden heute Nacht gefangen genommen und auf die Universität gebracht. ‒ Kleine
Plänkeleien der Vorposten, besonders bei der Mariahilfer und St. Marker Linie dauern immer fort. Die Verzögerung des Kampfes drückt schwer auf die Stimmung des Volkes; die kaiserlich Gesinnten, die
Servilen, die Rreaktionären thun das Weitere durch Wühlerei und Aufhetzung, um die Unzufriedenheit zu steigern. ‒ Auf dem Stephansthurme und auf der Universitäts-Sternwarte stehen fortwährend
Wachen, um die Bewegungen der Truppen zu beobachten und darüber zu berichten. ‒ Die am Sömmering beschäftigten Arbeiter wurden durch den Landsturm aus Steiermark vorwärts gedrängt und als sie
sich dem bei Wien gelagerten Militär näherten, wurde auf sie gefeuert; die Kroaten haben sie gefangen genommen und auf das Grausamste mißhandelt. Solche Scenen dienen dazu, die Erbitterung zwischen
Volk und Militär bis auf das Höchste zu steigern.
Abgang der Post 2 Uhr Nachmittags.
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Frankfurt, 17 Okt.
Die „O. P. A. Ztg.“ meldet nunmehr amtlich: Die Vorfälle in Wien und der dort entflammte Bürgerkrieg haben die provisorische Centralgewalt veranlaßt, den Abgeordneten der deutschen
National-Versammlung und Bevollmächtigten bei der provisorischen Centralgewalt Karl Welcker und den Obersten und Bevollmächtigten bei der provisorischen Centralgewalt Ludwig Mosle als Reichskommissäre
für alle österreichischen Gebietstheile des deutschen Bundesstaates zu bestellen, um alle zur Beendigung des Bürgerkriegs, zur Herstellung des Ansehens der Gesetze und des öffentlichen Friedens
erforderlichen Vorkehrungen zu treffen. Diese Reichskommissäre sind bereits am 13. Okt. 1848 nach Wien abgereist.
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Mannheim, 17. Okt.
Wir haben kürzlich eines Verbotes Erwähnung gethan, durch welches die hiesige Polizei eine, durch unsere bei der außerordentlichen Conseription betheiligten Mitbürger, anberaumte Versammlung zu
verhindern wußte, wir haben erst vor wenigen Tagen über die Willkür berichtet, die bei der Verhaftung einiger Mitbürger verübt wurde, und wir sehen uns auf's neue in die traurige Nothwendigkeit
gesetzt, gegen einen abermaligen schnöden Eingriff der Polizeibehörde in die Rechte des Bürgers Appellation an die öffentliche Meinung einzulegen. Eine größere Anzahl hiesiger Bürger kündigte vor drei
Tagen folgende besondere Einladung durch öffentlichen Anschlag an:
Einladung. Montag den 16. Okt. Nachmittags halb 4 Uhr präcis findet in der Aula dahier eine Bürgerversammlung statt, in welcher folgende Anträge, in einer größeren vorberathenden Versammlung
entworfen, gestellt werden:
Auf einen bestimmten Tag werde eine Deputation nach Karlsruhe an die zweite Kammer abgesendet, um derselben die nachfolgenden Forderungen der Bürgerschaft zu überbringen:
I. Die Kammer beschließe:
1) Von der Regierung die augenblickliche Aufhebung des Kriegszustandes in den badischen Bezirken zu verlangen;
2) die Regierung aufzufordern, daß sie mit allen Kräften bei der Central-Gewalt auf die Rückkehr der nicht badischen Truppen in ihre Heimath dringe;
3) an die Regierung das Verlangen zu stellen, bis zur erfolgten Entfernung der Truppen, die Bürger vor dem Drucke der Einquartirungslast einstweilen wenigstens durch Einrichtung gemeinschaftlicher
Menage für die Truppen, sowie Kasernirung in besonderen Lokalen, auf Staats- und Reichskosten zu befreien;
II. 1) Die Kammer beschließe:
Die Regierung dringend aufzufordern, ungesäumt eine konstituirende Versammlung zu berufen, welche ‒ durch sämmtliche volljährige Staatsbürger, ohne Rücksicht auf Stand, Census, Confession u. s.
w. in direkten, vollkommen freien Wahlen von je einem Abgeordneten auf 15,000 Seelen gewählt ‒ einzig und allein und mindestens unter Sicherung der, durch die deutsche Nationalversammlung,
bestimmten Grundrechte deutscher Staatsbürger die Staatsverfassung feststelle;
2) die Kammer löse sich sofort auf.
Von diesem Schritte der Mannheimer Bürgerschaft ist in allen Gemeinden des badischen Landes Mittheilung zu machen mit dem Ersuchen, am gleichen Tage dieselben Forderungen durch Absendung von
Deputationen an die zweite Kammer zu bringen.
Mannheim, den 14. Okt. 1848
Viele Bürger.
Eine ungemein zahlreiche Menge Bürger strömte um die anberaumte Zeit dem Versammlungslokale zu. Man denke sich das Erstaunen der Herbeigekommenen, als sie die Thüre des Lokals geschlossen, mit
Gensd'armerie besetzt und mit einem polizeilichen Anschlage beklebt fanden, wornach das großh. Stadtamt sich veranlaßt gesehen, die Versammlung zu verbieten, weil in derselben eine
Sturmpetition nach Karlsruhe beschlossen werden sollte. Unsere Polizei ist kühn, sie hat hier 3000 Reichsbajonnette hinter sich. ‒ Inzwischen wogte die vor dem Versammlungslokale immer dichter
anwachsende Menge in unruhiger Bewegung durch die anstoßenden Straßen; man besprach sich, was zu thun und einigte sich, für's erste gegen diese schmachvolle Maßregel, durch welche unter
grundlosem Vorwande die gemeinsame Berathung der Bürger über die wichtigsten Anliegen des Volkes in Baden abgeschnitten wurde, unverzüglich bei dem großh. Stadtamte Protest zu erheben, und sich über
die weiter einzuschlagenden Schritte sofort im „Weinberge“ zu berathen. In Folge dieser Berathung ist heute eine Deputation nach Karlsruhe abgegangen, um die zweite Kammer dringend
aufzufordern, diesem Unfug der Beamten entgegenzutreten und die Staatsregierung zur schleunigsten Aufhebung der Eingriffe in das Versammlungsrecht zu veranlassen. Wir werden die betreffende Petition
morgen mittheilen. [(M. A. Z.)]
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Wiesbaden, 17. Oktober.
Gestern war hier an allen Straßen-Ecken ein Plakat angeschlagen, in welchem man wirklich bei aufmerksamem Durchlesen sogleich den recht hübsch bemäntelten Wunsch mehrerer
„Volksbewaffnungsmüden“ auf gänzliche Auflösung der Bürgerwehr erblickt. Schon längst trachtet hier eine „sehr brave Partei“, die nach ihren eigenen Behauptungen ganz
„makel- und tadellos“ dasteht, nach einem gänzlichen Fallenlassen der Volkswehr, wozu man sogar schon Unterschriften gesammelt haben soll. Da sie mit ihren Ansichten aber überall so
ziemlich abgefahren ist und abfährt, so hat sie sich endlich einmal mit einem Plakat helfen wollen, worin sie ein Bischen dem Proletariat wegen des Kostenpunktes zu Gefallen zu sprechen sucht, um sich
dadurch um so eher Anklang verschaffen zu können. Die Bürgerschaft hat es aber mißverstanden und schon nach Verlauf einer halben Stunde waren alle Zettel abgerissen.
[(F. J.)]
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103
] Berlin, 18. Okt.
Mehrere Abgeordnete hatten die Aufhebung der Strafbestimmungen §§. 151 bis 155. Th. II. Tit. 20 des Allg. Land-Rechts und der auf Grund dieser Gesetze erkannten Strafen, endlich auch die
Niederschlagung der desfallsigen schwebenden Untersuchungen beantragt. ‒ Bei der Berathung in der Fach-Kommission für Justiz und Gesetzgebung wurde die zuerst gestellte Frage „sollen die
§§. 151 bis 155 des Allg. L.-R. in ihrer gegenwärtigen Gestalt aufgehoben werden?“ auf Grund der von sämmtlichen Mitgliedern der Kommission gemachten Erfahrungen einstimmig bejahet.
Ueber die Frage dagegen, ob eine andere Strafbestimmung und ob insbesondere die Gesetzesvorlage des Ministeriums an deren Stelle treten solle, erhoben sich verschiedene Meinungen. Während von einer
Seite behauptet wurde, daß eine auf dem Volkswillen beruhende Staatsverfassung und Staatsverwaltung zur Aufrechthaltung ihres Ansehens solcher schützender Strafbestimmungen nicht bedürfe, und daß bei
Preßprozessen, wegen der häufig vorkommenden Skandale, das Heilmittel fast noch schlimmer als das Uebel sei, wurde von der anderen Seite hervorgehoben, unter Hinweisung auf England, Frankreich und die
konstitutionellen deutschen Staaten, daß darin ähnliche Vergehen in der Regel mit noch schärferen Strafen bedroht seien. Bei der Abstimmung wurde alsdann der Entwurf mit der einfachen Majorität von
sechs gegen fünf Stimmen vornämlich aus dem, bei der Berathung gleichfalls hervorgehobenen Grunde abgelehnt, daß politische und Preßvergehen unter den obwaltenden Verhältnissen nur der Entscheidung
von Geschworenen anheimgestellt werden dürften; derartige Gerichte in den ältern Provinzen der Monarchie aber noch nicht beständen. Jede desfallsige Bestimmung müßte sonach, sowohl in materieller als
formeller Beziehung, der nahe bevorstehenden Reform der Strafgesetzgebung anheimgestellt bleiben. Die Nothwendigkeit der Ueberweisung derartiger Vergehen an Geschwornengerichte habe die Regierung in
der zu Gunsten der Rheinprovinz unter dem 15. April d. J. erlassenen Verordnung auch selbst anerkannt. ‒ Dieser Ablehnung ohnerachtet erschien es der Kommission angemessen, die Gesetzvorlage
einer nähern Prüfung zu unterziehen. Sie vereinigte sich demnächst über nachfolgende Fassung, welche an die Stelle der Regierungsvorlage treten sollte:
„Wer durch Reden an öffentlichen Orten oder bei öffentlichen Zusammenkünften, oder durch Schriften, Abbildungen oder andern Darstellungen, welche verkauft, ausgetheilt oder öffentlich
ausgestellt oder angeschlagen werden, wissentlich thatsächliche Unwahrheiten verbreitet, welche, in der Voraussetzung ihrer Wahrheit, geeignet wären, Haß oder Verachtung gegen die Einrichtungen des
Staats oder die Staats-Regierung zu begründen, wird mit Gefängniß bis zu sechs Monaten bestraft.“
Die Kommission war ferner einstimmig der Ansicht, daß mit den §§. 151 bis 155 auch die Artikel 201 und 204 des rheinischen Strafgesetzbuches, durch welche die Geistlichen besondere
Ausnahmegesetzen unterworfen werden, aufzuheben seien.
Endlich erklärte sich die Majorität der Kommission gegen die beantragte Amnestie und Abolition, weil eine derartige Maßregel, als Verwaltungssache, außerhalb der Kompetenz der Versammlung
liege.
Die Kommission beantragt demgemäß bei der Versammlung die nachfolgende Fassung:
„Die §§. 151 bis 155. Th. II. Tit. 20 des Allgem. Land-Rechts und die darauf Bezug habenden neueren Verordnungen, sowie die Art. 201 und 204 des rheinischen Strafgesetzbuches sind
aufgehoben.“
Die Minorität beantragt folgende Fassung:
§. 1. Wer durch Reden an öffentlichen Orten oder bei öffentlichen Zusammenkünften, oder durch Schriften, Abbildungen oder andere Darstellungen, welche verkauft, ausgetheilt oder öffentlich
ausgestellt oder angeschlagen werden, wissentlich thatsächliche Unwahrheiten verbreitet, welche in der Voraussetzung ihrer Wahrheit geeignet wären, Haß oder Verachtung gegen die Einrichtungen des
Staats oder die Staatsregierung zu begründen, wird mit Gefängniß bis zu sechs Monaten bestraft.
Die zur Verbreitung vorräthigen Exemplare solcher Schriften, Abbildungen oder anderer Darstellungen, sowie die dazu bestimmten Platten und Formen sind in Beschlag zu nehmen und zu vernichten.
§. 2. Die §§. 151 bis 155 u. s. w. wie oben, sind aufgehoben.
In Folge des heutigen Beschlusses der Vereinbarer-Versammlung, die Bestattung der Gefallenen betreffend, haben sich die Abgeordneten der Linken mit den demokratischen Klubs vereinigt, falls der
Magistrat das Leichenbegängniß nicht in seine Hand nimmi, solches zu veranstalten. Jedenfalls wird sich die ganze Partei der Linken dem Leichenzuge anschließen. Man kann hoffen, daß Alles ruhig
vorübergehen wird.
Der seit dem Monat Juni bestehende Sicherheitsausschuß, aus dem Polizeipräsidenten, Bürgermeister, Stadträthen und anderen reaktionären Personen bestehend, wird sich wahrscheinlich auflösen. Der
Kommandeur Rimpler der auch Mitglied desselben ist, hat selbst auf dessen Auflösung angetragen. Die Herbeirufung des Militärs, welches dieser Ausschuß Montag Abend beantragte, hätte zu
unermeßlichen Folgen führen können. Die ganze Bürgerwehr hätte sich sogleich gegen die Soldaten gewendet.
Der Bäckermeister Schulz hat mit seiner Familie Berlin verlassen, da er sich nicht sicher glaubt.
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] Berlin, 18. Oktober.
Zur Würdigung der Berliner Stadtverordnetenversammlung folgender Auszug aus der Vossischen Zeitung:
In der gestrigen Sitzung der Stadtverordneten-Versammlung beschloß dieselbe einstimmig: daß für die Hinterbliebenen der im Kampfe am 16. d. gefallenen Bürgerwehrmänner, so wie für die in
diesem Kampfe Verwundeten der Bürgerwehr, Seitens der Berliner Commune auf eine würdige Weise gesorgt werden solle. Zugleich wurde der Bürgerwehr Berlins für ihre Hingebung in diesem Kampfe, der Dank
der Stadtverordneten-Versammlung einstimmig votirt.
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103
] Berlin, 18. Oktober.
Sitzung der Vereinbarer-Versammlung.
Nach Eröffnung der Sitzung wird ein Schreiben des Ministerpräsidenten verlesen, wodurch derselbe anzeigt, daß der König den Gesetzentwurf, die Errichtung der Bürgerwehr betreffend, vollzogen habe.
Ein anderes Schreiben theilt das Reichstagsgesetz, welches von der deutschen Centralgewalt angeordnet, den Schutz der Reichsversammlung betreffend mit, welches unter vielem Gelächter und Mißbilligung
der linken Seite vorgelesen wird.
Die Berathung des Gesetzes wegen Aufhebung der Laudemien wird fortgesetzt. Nachdem ein Regierungskommissarius gegen die unentgeldliche Aufhebung derselben gesprochen, nimmt auch der Minister des
Innern das Wort: Ich betrachte diese Versammlung als einen politischen Gerichtshof, vor dem die Interessen des Landes verhandelt werden. Wenn Sie auch nicht, wie andere Richter, vor denen die Parteien
mit ihren Urkunden erscheinen, zu urtheilen haben, so wird doch die Grundlage Ihrer Entscheidungen, Gerechtigkeit sein. Bedenken Sie, daß es sich hier um Rechte handelt, die auch der Richter
anerkennen muß. Unser Staat besteht aus vielen Provinzen, wo verschiedene Rechte gelten, die verschiedenen Ursprung haben. Ich bitte Sie, das Eine nicht zu übertragen auf das Andere. Achten Sie auf
das, was der berühmte Vertheidiger der Rechte der Bauern aus Westphalen uns mitgetheilt hat. Die Regierung hat eine Transaction versucht, indem sie nur die Aufhebung der drückendsten Laudemien
beabsichtigte, namentlich derer, die bei Besitzveränderungen in der Hand des Berechtigten und von Descendenten und dem überlebenden Ehegatten entrichtet werden müssen. Greifen Sie nicht mit kühner
Hand noch weiter in das Privatrecht ein, da Sie die Folgen nicht ermessen können! Gedenken Sie der Abwesenden, wenn dieselben auch nicht solche Vertheidiger hier haben, wie es für ihre Verhältnisse
wohl wünschenswerth wäre.
Der Abg. Bucher spricht in einer geistvollen Rede für die unentgeltliche Aufhebung.
Andere Abgeordnete sprechen theils für, theils gegen die unentgeltliche Aufhebung.
Während der Debatte colportirt der Exminister Milde die von ihm, in Verbindung mit seinen politischen Freunden (rechte Seite) begründete Zeitung: „Die deutsche Reform.“ Organ für das
konstitutionelle Deutschland.
Die Versammlung beschließt vor der Abstimmung über die Laudemien, den Bericht der Petitionskommission über die von den Arbeitern eingebrachte Petition anzuhören. Die Arbeiter erzählen in ihrer
Petition den wahren Hergang der Vorfälle vom 16. d. und bitten schließlich:
1. um eine strenge Untersuchung dieser Vorfälle;
2. die Bestattung der Gefallenen, sowohl der Wehrmänner als der Arbeiter auf Kosten des Staats;
3. Unterstützung der Verwundeten und Familien der Gefallenen;
4. Auszahlen des Lohnes für die versäumten Arbeitstage;
5. Niederschlagen der Untersuchung gegen die in Folge dieser Vorfälle Verhafteten.
Die Majorität der Kommission ist der Ansicht, den ersten Theil der Petition dem Justizminister zu überweisen. Die Verpflegung der Verwundeten verstehe sich von selbst. Die andern Anträge können
nicht berücksichtigt werden, weil dies der Untersuchung vorgreifen hieße. Die Minorität der Kommission spricht sich in einem besondern Berichte dahin aus, daß zur Herbeiführung einer allgemeinen
Versöhnung die Beerdigung sämmlicher Gefallenen und die Verpflegung der Verwundeten auf Staatskosten erfolge. Der Berichterstatter theilt noch einen Bericht des Abg. Berends über die Vorfälle selbst
mit, der mit unserm gestrigen Berichte übereinstimmt. Ein Protokoll des Stadtverordneten und Bürgerwehroffiziers Sasse giebt an, daß zuerst von Seiten der Arbeiter mit Steinen geworfen worden
wäre.
Die Abg. Jung, Elsner, Berends, Lisincki u. A. beantragen:
„Die Versammlung möge das Ministerium ersuchen, daß dasselbe eine feierliche Bestattung aller Gefallenen, Verpflegung der Verwundeten und Versorgung der Hinterbliebenen auf Kosten des
Staatsverfüge.“
Abg. Waldeck: Es handelt sich hier nicht um eine juristische Beurtheilung, sondern um eine politische. Als ich mich zu den Barrikaden begab, fand ich Alles von versöhnendem Geiste beseelt,
namentlich aber die Arbeiter. Nur wenige trugen den Geist der Rache in sich. Daß es später wieder zu neuen Konflikten gekommen, ist bei der großen Aufregung nicht zu verwundern. Etwas Erhebendes liegt
in diesen Vorfällen, nämlich, daß es keine Scheidung zwischen Arbeitern und Bürgern bei uns gibt. Bedenken Sie nun noch die Gefahren, welche uns von der Reaktion drohten, wenn das Militär wirklich
eingeschritten wäre. 50,000 Mann Soldaten sind um Berlin konzentrirt.
Abg. Jung: So viel steht schon jetzt fest, daß der Grund zu diesen bedauerlichen Ereignissen weder ein politischer noch ein socialer war, sondern daß sie rein zufällig, wie eine gewöhnliche
Rauferei entstanden. Die Schuld wird sich schwer juristisch ermitteln lassen. Es ist aber eine Rauferei am Rande eines Abgrundes, vor dem wir zurückschaudern mussen. Wenn das Militär eingeschritten
wäre, welches von dem reaktionairen Sicherheitsausschusse schon requirirt war, so wären Ströme Bluts geflossen. Die Bürgerwehr verlangte einstimmig die Rücknahme dieses unseligen Befehls. Kein Riß
zwischen Bürger und Arbeiter darf sich öffnen, deshalb wollen wir einen Schleier über diese Vorfälle decken und eine gemeinschaftliche Beerdigung auf Staatskosten anordnen. Selbst die Vossische
Zeitung, dieses Organ des Bürgerthums, spricht in ihrem heutigen leitenden Artikel in diesem Sinne. (Er liest einen Theil desselben vor.)
Dieser Artikel, den wir als Ausdruck der Stimmung des Berliner Bürgers ansehen konnen, schließt mit den Worten: „Reichen wir uns über den Gräbern der Geschiedenen die Hände, bestatten wir
unsere Todten im gemeinschaftlichen ehrlichen Begräbniß, wie wir die Märztodten begruben. Alle sind in demselben Kampfe gefallen, in dem Entwickelungskampfe um eine große neue Zukunftszeit der
Freiheit!“
Abg. Schulz (Delitsch): Die Versöhnung, wenn sie Werth haben soll, muß eine freie sein, sie muß nicht dekretirt werden von irgend einer Gewalt, daß ist es, was ich an dem Antrage meiner
Freunde zur Linken auszusetzen habe. Das Volk ist zur Versöhnung geneigt, das hat es im März bewiesen. Ueberlassen wir es auch diesmal seinem guten Geiste, entwürdigen wir es nicht durch eine
Geldbewilligung, wo Bedürftigkeit vorhanden ist, wird eine Sammlung leicht Hülfe bieten
Abg. Sommer meint, der Versammlung ginge die ganze Begebenheit nichts an. Seit einem halben Jahre leiden wir unter diesen Unruhen, wir leben unter einem permanenten Terrorismus. Durch
Gewährung dieser Anträge würden wir den Aufruhr nur sanktioniren.
Abg. D'Ester: Die Unruhe herrsche nicht blos in Berlin, sie sei im ganzen Lande, in ganz Deutschland. Wenn in Berlin die Pulse stärker schlagen, so sei dies begreiflich. Berlin sei
das Herz des Landes, wo der Kampf mit der alten Zeit am heftigsten ist. Welche Parteistellung, welche Ansicht man auch haben möge, darin sei man einig, daß die Versammlung berufen sei, diesen Kampf zu
beenden. Dann müsse man aber auch erkennen, daß alle diese Schläge nur Glieder der großen Kette der Kämpfenden seien. Das Volk selbst habe gezeigt, daß sein Groll nicht über den Tod hinausreiche. Der
gefallene Feind sei von den Arbeitern selbst an die Stätte gebracht und niedergelegt worden, wo die Leichen der eigenen Brüder niedergelegt waren. Das Volk will Untersuchung gegen seine Feinde, weil
es sicher weiß, daß es selbst ihr nicht entgehen werde; es verlangt ehrenvolle Bestattung für die Arbeiter, weil es weiß, daß man sie der gefallenen Bürgerwehr nicht versagen werde Eine Kluft besteht
noch nicht zwischen den Arbeitern und Bürgern, zeigen Sie durch ihren Beschluß, daß diese Kluft nicht vorhanden sei.
Dir Abg. Elkmann, Schulze (Delitsch), Kirchmann, Unruh, Uhlich, Dunker u. A. stellen folgenden Antrag:
„In Erwägung, daß der Antrag auf strenge Untersuchung durch die Schritte des Staatsanwalts bereits erledigt; in Erwägung, daß die übrigen Anträge keinesfalls begründet erscheinen; in
Erwägung, daß die Unterstützung der Vdrwundeten, so weit sie solche bedürftig sind, durch die Kommune erfolgen muß; in Erwägung, daß die Petition manches zur Aufklärung der Vorfälle enthalte,
beschließt die Versammlung: die Petition an den Justizminister, zur Ueberweisung an das Untersuchungsgericht, zu überweisen.“
Dieser Antrag wird nach zweistündiger Debatte mit großer Majorität angenommen. Nur die äußerste Linke war dagegen, welche den Antrag von Elsner, Jung u. A. annehmen wollte, welcher aber durch die
Annahme des Elkemannschen Antrags fiel.
Die Sitzung wird um 2 Uhr geschlossen.
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@facs | 0614 |
Anhalt-Bernburg.
Der Landtag hat sich für parmanent erklärt, das Ministerium desavouirt, die Behörden von der Ausführungsverpflichtung der jetzigen Ministerialbefehle entbunden.
[(B. Z. H.)]
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@facs | 0614 |
Sachsen-Meinigen-Hildburghausen.
In Hildburghausen und der Umgegend stehen an 1000 Mann baierischer Reichstruppen. Mobile Colonnen ziehen in den Dorfschaften umher, um zu entwaffnen, obschon überall die tiefste Ruhe herrscht,
obschon die Gewehre mit großen Kosten meist von den Gemeinden angeschafft worden sind. In mehreren Bauernhäusern fanden sich Bilder von „dem Hecker und der Heckerin.“ Der Herausgeber des
„Freien Volksblattes“ und zwei seiner Anhänger, Schorn und Güntsch, sitzen in der Frohnveste, ein dritter wird mit Steckbriefen verfolgt.
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@facs | 0614 |
Schleswig, 13. Okt.
In der Landesversammlung ist heute die Gesetzesvorlage der Regierung, betreffend die Verwaltung der Regierung durch verantwortliche Minister, einstimmig abgelehnt worden. Die Regierung hatte
nämlich beantragt, daß die Regierungsmitglieder gleichzeitig auch mit verantwortlichen Ministerien beauftragt werden könnten. Die provisorische Regierung wird sich nun unverzüglich mit der Ernennung
der Minister zu beschäftigen haben.
[(Schl-H. Z.)]
Französische Republik.
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@facs | 0615 |
[
17
] Paris, 18. Okt.
Mit beflügeltem Schritte geht es bergunter, die Entscheidung wird bald losbrechen. Die drei royalistischen Minister erhielten in der Kammer eine hübsche Majorität von 500 gegen 150, Cavaignac wird
von den Reaktionären der Thierspartei gepriesen als der „große Mann der Versöhnung“, und als die Bourgeoisrepublikaner zornig auffuhren, lachten sie ihnen unter die Nase. Der
Expolizeipräfekt Ducoux konnte kaum vor dem Gebrüll und Gelächter der „Versöhnten“ seine Rede enden, worin er, obschon mit Stentorstimme begabt, dem afrikanischen Heiland und dem Herrn
Dufaure den Text las.„Hr. Dr. Ducoux ist ein Mann, der nicht in unsere Zeit mehr paßt, sagt der Constitutionnel, er will noch den komischen, wenn nicht vielmehr beleidigenden Unterschied
zwischen Republikanern vor undnach dem Februar festhalten, das sind Flausen. Die lieben Rothen haben unter sich keine Talente, daher muß der Staat anderswo sich ein Ministerium
zusammensuchen. Wir wollen uns freuen, die Ordnung ist jetzt gesichert.“ ‒ „Ja wohl, bemerkt La Reforme, nach Dufaure kommt Thiers, nach Thiers wer weiß was sonst noch? Da
brillirt ein kaiserlicher Neffe, der mit Nikokaus sich speziell gut steht, was sehr schmeichelhaft sein muß für einen französischen Republikaner; da ist ‒ doch wozu prophezeien?“ Es wird
jetzt allgemein von den Sozialdemokraten geglaubt, dies „Ministerium des Hochverraths an der Nation“ werde nicht eher weichen als bis es mit Büchsenkugeln entfernt wird; Cavaignac
„der Apostat“ ist der Volksstrafe geweiht. Diese Entscheidungsschlacht wird vielleicht nicht in Paris allein geschlagen werden; Cavaignac scheint so etwas zu ahnen und sagte:
„wenn ich das Ministerium nicht im Versöhnungssinne modifizire, so bekommen wir in den 86 Departements eben soviele Bartholomäusnächte, gegen die die alte ein Spaß war.“ Die
„verhaßte“ Royalistenpartei Dufaure wird ihn übrigens im Stich lassen, sobald er sich von ihr losmachen will. Die nicht Versöhnte ( J. des Debats, Presse, und die Legitimistenblätrer)
attakirt ihn schon jetzt als „Heuchler und Jongleur“. Daß er jetzt mehr Chancen zur Präsidentur hat als vor dieser „Versöhnung“, ist natürlich; Lamartine dagegen ist total
abgetakelt und wird nicht leicht wieder flott werden, trotz seiner lächerlichen Prätentionen und seiner Wahlpilgerschaft durch den französischen Süden, wo er „die Harfe des kindisch gewordenen
Troubadour“ schlägt, wie der „Constituant democrate“ in Toulouse sagt. Auch beglückt er den Buchhandel mit vier Broschüren über Dinge, die er nicht versteht. Der einzige in den
Augen der Sozialdemokraten zulässige Kandidat ist Ledru-Rollin; er gilt nicht mit Unrecht als ein „ Mann mit revolutionären Inspirationen,“ aber ohne revolutionäre Reflexion, wie
Proudhon neulich ganz richtig bemerkte. Seit er auf dem ersten großen social-demokratischen Banket in den elyseischen Feldern am 22. September die deutsche Demokratie von den franzosenfressenden
Deutsch-Thümlern geschieden, ereifert sich Herr Alex. Weill in „La Presse“, Hr. Virmaitre im „Corsaire“ und das „Journal des Debats“ gleichermaßen über den
„rothen Tribun“ und „die rothen Klubisten an Spree und Donau.“ Diese stets honnetten, wohlstylisirten Bourgeoisjournale begeisterten sich bekanntlich für den Malmöer
Waffenstillstand, dessen Bruch das Debats „ inen Frevel gegen das kleine, hochherzige Heldenvolk der Dänen“ nannte, und bewies, die Deutschen brauchten eigentlich gar keine Kriegshäfen.
„La Presse“ höhnte: „Wir sind gar neugierig, ob die Herren Republikaner von Frankfurt, die Elsaß und Posen, Mailand und Schleswig, Belgien und Gott weiß was noch Alles, einstecken
möchten, obschon sie von edlen Gefühlen überfließen, einen allgemeinen europäischen Kampf riskiren werden; wir rathen ihnen nicht, Frankreich zu reizen.“ Nach der Frankfurter Tragödie
geiferten wiederum diese Blätter, im Chorus mit dem belfernden Constitutionnel und dem verstohlen drein quäkenden „Siecle“ gegen die Wühler in dem „sonst so gebildeten Lande Kants
und Göthe's,“ und übersetzten die Berichte der „Morning Post“ über das „Martyrium“ Lychnowski's und Auerswald's „dieser zwei vollendeten
deutschen Edelleute“; Cavaignac sollte, ihnen zufolge, der Centralgewalt geschrieben haben: „so lange die deutschen Klubs fortblühten, sei kein Frieden in Deutschland möglich, sie möge
sich in diesem Punkte Frankreich zum Muster nehmen.“ Hr. Weill polterte dann gar fürchterlich gegen die „Banditen an der Spree, denen freilich Wrangel's Zuchtpeitsche sehr
unanngnehm“, und prophezeite dem Struweschen Korps ein „verdientes Schmachende“; das „Journal des Debats“ lächelte höhnisch über die „Terroristen in dem gute
Tafel liebenden Wien“; da brach es in Wien los, und diese pariser Dänenblätter, diese Jahn- und Lychnowskiblätter, wurden zu kompletten Kroatenblättern.
„Jelachich, der große Held des Ostens, der Bändiger der Anarchie, der Zuchtmeister der deutschen Ruhestörer, der liebenswürdige, eine große Zukunft im stillen Busen tragende Banus“
und dergleichen Zuckerphrasen bekommt seit 8 Tagen der bedauerliche Leser dieser „ehrenwerthen“ Presse aufgetischt, und muß einstimmen ins Lob der kroatischen Rothmäntel trotz seines
sonstigen Bourgeoisgrausens gegen alles Stehlen und gegen alles was roth ist. Die „Augsburger Zeitung“, ha! welch köstlichen Stoff bietet sie zur „genauen Kenntniß der
Sache“! Und so wandert sie denn täglich in großen Dosen in diese franz. Kolonnen über. Daß die Magyaren lauter Hundejungen sind, und die reaktionären Tschechen lauter Engel, auch das erfährt
der nach Wissen lechzende pariser Kleinbürger von seinem Thiersblättchen.
Auf dem gestrigen Banket der Sozialdemokraten vor der Barriere Poissoniere, wo Cabet auf die Vereinigung aller Demokraten, Proudhon und Leroux auf die soziale Republik toasteten, ward mit
besonderer Sympathie „der Wiener Befreiung“ gedacht. Es ist ein saures Stück Mühe, die vielen verrückten Meinungen „über die deutsche Demokratie“ zu widerlegen; La Reforme
und einige Provinzialblätter sind darüber im Klaren, aber die „Demokratie pacifique“ sogar z. B. noch nicht; sie war dumm genug, den berüchtigten Schandaufsatz der Augsb. Ztg., worin der
Elsaß reklamirt und Frankreich verhöhnt wird, demokratischer Feder beizumessen und den Jelachich als einen „modernen Wallenstein“ sich vorzustellen, der „im Herzen
Demokrat“ sei; was eine scharfe Erwiderung Seitens des pariser deutschen Vereins zur Folge haben dürfte. „La Citoyen “ von Dijon sagt: „Ohne Deutschlands Demokraten, die
den Elsaß und Lothringen nicht uns abnehmen wollen, wie ihnen unsere beiderseitigen reaktionären Gegner aufbürden, kann sich die französische Republik nicht auf den Beinen erhalten; unsere Eitelkeit
will es leugnen, aber diese Wahrheit wird sich uns noch einmal sehr empfindlich machen. Es ist ein Wahnwitz, den deutschen Demokraten in die Schuhe schieben wollen, was eine ihnen feindliche,
eigentlich Deutschthümler (Teutons, Tudesques) oder Franzosenfresser (Gallophages, Francophages) zu titulirende Ultrapatrioten- oder Ultranationalitätspartei verübt gegen Posen und Italien, und gegen
andere Nachbaren verüben möchte. Wir dürfen die kostbare Allianz nicht verschmähen, die uns mit ihnen lächelt; weder wir, noch sie denken dabei an Länderdiebstahl, sondern nur an schleunigstes
Niederschlagen der Despoten von Gottes und Goldesgnaden,“ u. s. w.
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@facs | 0615 |
[
*
] Paris, 16. Okt.
Die Demonstrationen gegen die Regierungspartei durch Abhaltung von Banketten vermehren sich wie vor der Februarrevolution.
‒ Am Sonntag wurde an der Barriere von Severs das 6te Bankett der Schriftsetzer abgehalten. Für L. Blanc war ein Ehrenplatz offen gelassen. Bürger Carbon schloß eine kurze Anrede an die
Versammlung mit dem Toaste: „es lebe die demokratische Republik!“ Von allen Seiten schrie man: „und die sociale“. Carbon antwortete, daß er sich keines Pleonasmus
habe bedienen wollen; er verstehe keine demokratische Republik, die nicht social sei. Den Schluß bildete eine Kollekte für die Familien der Deportirten.
‒ In Montpellier hat ebenfalls ein großes demokratisches Bankett Statt gefunden, welches 3000 Theilnehmer zählte. Zahlreiche Toaste wurden ausgebracht auf „die politischen und
socialen Konsequenzen der Revolution.“
‒ Ein demokratisches Bankett der Presse ist auf den 29. d. M. angesagt mit den Worten: „Vom Chateau-Rouge ging 1847 die erste Protestation gegen die Monarchie ans, in demselben Saale
werden die Repräsentanten der demokratischen Sache einen feierlichen Toast auf die Republik bringen.“
‒ Ein anderes Bankett der „demokratischen Republik“ unter der Präsidentschaft von Lamennais wird auf den 17. d. M. angekündigt.
Ebenso wurde in Mans trotz, aller Intrigen der frühern Beamten Louis Philipps, ein großes Bankett abgehalten.
‒ Der Expräsident des demokratischen Klubs Bonne-Nouvelle zeigt die Bildung eines neuen Klubs von Batignolles-Monceaux an.
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@facs | 0615 |
Paris, 18. Okt.
Die Stimmung des Kleinbürgers und Arbeiters wird täglich gereizter. Die reaktionären Blätter beweisen sich natürlich als übergefälliges Echo dieser Stimmung und zeigten gestern Abend sogar an, daß
ein neuer Sturm gegen die Nationalversammlung losbrechen solle! Aus diesen Gründen erscheint diesen Morgender Moniteur mit folgender Anzeige auf seiner ersten Spalte:
„Gewisse Journale verbreiten Gerüchte, die angeblich in dem Vorsaale der Nationalversammlung liefen, und laut derer das Volk eine feindliche Demonstration gegen die Regierung beabsichtige.
Diese Gerüchte, wenn sie ihren Ursprung wirklich in den Pas-Perdus hatten, sind durchaus falsch und erlogen. Es ist ein derartiges Vorhaben weder signalisirt, prämeditirt, noch operirt worden.
Uebrigens ist die Regierung, durch die Gesetze gegen die Volkszusammenrottungen, auf den Straßen und öffentlichen Plätzen bewaffnet, fest entschlossen, jeder aufrührerischen Bewegung mit aller
gesetzlichen Strenge entgegen zu treten, von welcher Partei sie auch immer ausgehe.“
[(Moniteur.)]
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@facs | 0615 |
‒ Gestern Nachmittags hat also das erste demokratisch-sociale Bankett unter Pierre Leroux, Proudhon, Cabet, Greppo, Alton Shee etc. an der Barriere Poissoniere, unserer Anzeige gemäß
stattgefunden. Die Zahl der Gäste betrug etwa 2300 à 1 Fr. Die halbe Linke; namentlich Ledru-Rollin, Lamennais etc. hatten ihren Besuch zugesagt; allein Cavaignac hat sie beschworen, demselben nicht
beizuwohnen, weil er sonst für den öffentlichen Frieden nicht länger stehen könne Hr. Proudhon, Leroux, Cabet, Madier de Monjau und Alton Shee haben gesprochen und dabei vorzüglich der Wiener
gedacht. In den Debats und der Gazette des Tribunaux befinden sich diesen Morgen einige freilich nur sehr dürftige und gehässige Notizen über die gefallenen Trinksprüche u. A. Hier die Hauptsache,
nämlich die verlesene und genehmigte
Proklamation an das Volk!
Brüder! Wir sind weit entfernt von dem Tage, an welchem sich nach heldenmüthigen Kämpfen die Republik siegreich und glänzend wie die aufgehende Sonne am Weltmorgen emporhob, jenem Bilde gleich, das
das heiligste Symbol aller Hoffnungen der Zukunft, Freiheit, Gleichheit, Verbrüderung in lebendiger Weise darstellt. Von einem Ende Europa's zum andern jauchzten ihr die Nationen Beifall zu und
vom neuen Geiste, vom Hauche der Regeneration durchdrungen, zerbrachen auch sie ihre alten Fesseln im Namen jenes Rechts, das Frankreich feierlich verkündet hatte. Es erntete hievon sofort selbst die
Früchte; in der politischen Ordnung fielen alle Privilegien und das allgemeine Stimmrecht wurde eingeführt. In der gesellschaftlichen Ordnung wurde die Selbstständigkeit des Arbeiters als
Grundbedingung zu einer Aenderung der Form der Arbeit selbst anerkannt, damit eine gleichmäßigere Vertheilung der Produkte erzielt und Jedem sein Leben in der solidarisch verpflichteten Gesellschaft
garantirt werde. Bald darauf sammelten und organisirten sich die im Februar besiegten Parteien wieder. Ueberall, wohin ihre Hände reichten, bestrebten sie sich durch Verläumdung und Ränke, der
Republik Feinde und der Regierung Hindernisse zu schaffen. Sich nach und nach wieder in die Staatsverwaltung einschleichend, flößten sie derselben ihre Grundsätze, ihre Leidenschaften wieder ein und
gebrauchten die revolutionäre Macht, die sie sich anzueignen gewußt, als Waffe gegen die Revolution selbst. Man wich zurück bis zu den Thüren der Monarchie. ‒ Hier stehen wir in diesem
Augenblick: den Männern der Monarchie sind die Schicksale der Republik anvertraut! Wir begreifen die Befürchtungen des Volkes und seine nur wahrlich allzusehr gerechtfertigte Entrüstung. Doch möge es
sich nicht über alles Maaß allarmiren und sich vorzüglich gegen tückische Herausforderungen hüten. Was man daher auch immer aufbieten möge, um es zu verheerenden Unvorsichtigkeiten zu stoßen, möge es
doch ruhig und fest Herr über sich selbst bleiben, um auch der Herr der Zukunft zu werden. Auf diese Weise wird es seine Stärke beweisen und sie voll und durch Einigkeit unbesiegbar wieder äußern,
wenn es noch einmal nothwendig werden sollte, daß sie dem Recht zu Hülfe eilte. Was uns beerifft, die wir mit dem Titel seiner Vertreter beehrt sind, so wissen wir, wozu uns dieser Titel verpflichtet;
wir kennen unsere Pflichten und werden sie erfüllen. Hervorgegangen aus dem Volke, vereinigt mit dem Volke, werden wir mit ihm kämpfen und, es ist unser Glaube, mit ihm siegen.“
Paris, 17. Oktober 1848
(Folgen die sämmtlichen Unterschriften der äußersten Linken oder des bekannten Berges der Nationalversammlung).
Obenstehende Proklamation ist zum Druck befördert worden und wird bereits in den volkreichsten Stadtvierteln massenhaft ausgetheilt. An der Börse, die so eben (Mittags 1 1/2 Uhr) eröffnet wird,
verursacht sie einigen Schrecken und die Fonds machen Miene, zu weichen. Offenbar stehen wir am Beginn einer in der Weltgeschichte beispiellosen Krisis und doch sagen die Leute in den Cafe's:
Tant mieux! Paris lebt bekanntlich in den Klubs und Cafe's, und je finsterer die Wolken sich häufen, desto heiterer werden oft seine Züge. Der Pariser lacht selbst noch im Elende!
‒ Ein nicht unwesentliches Element zur Gährung in gewissen Legionen der hiesigen Bürgerwehr liegt in dem diktatorischen Auftreten des Generals Changarnier, ihres Befehlshabers. Man lese als
Beleg hierfür einen Brief Hingrais, des Obersten der 10. Legion, im National.
‒ Jules Favre, der bekannte bombastische Advokat der Nationalpartei in der Nationalversammlung, den jüngst ein deutsches Blatt einen der „größten Redner des heutigen
Frankreichs“ nannte, ist auf dem Wege der Genesung. Er hatte das hitzige Fieber.
‒ Im Faubourg St. Antoine ist man eben im Begriff, sozialistische Kramladen zu errichten.
‒ Marie, Justizminister, soll heute einen Dekretentwurf vorlegen, der neue Strenge gegen die Zeitungspresse und Klubs fordert.
Gegen diese Zugeständnisse wird der Belagerungszustand aufgehoben.
Nationalversammlung. Sitzung vom 18. Oktbr. Anfang 12 1/2 Uhr. Präsident Marrast.
Abraham Dubois protestirt gegen einige Stellen des gestrigen Protokolls. Sie sollen berichtigt werden. Dies geschieht.
Die Versammlung genehmigt eine Selbststeuer des Sommedepartements, zur Aufbringung eines Kapitals zu Bauten für das Proletariat.
Sie geht zur Berathung des neuen Spezialgesetzes über die Majorität bei Geschwornen-Gerichten über. Man entsinnt sich, daß die provisorische Regierung die zur Verurtheilung eines Verbrechers
erforderliche Majorität auf 9 erhöhte.
Dieser liberale Akt gab Veranlassung zu vielen Freisprechungen. Die Reaktion hatte daher nichts Eiligeres zu thun, als auch diese Februarpflanze auszurotten. Sie setzte die Zahl wieder auf 7 fest
und trieb diese Reduktion heute zur Berathung.
Meaulle, ein halbliberaler junger Deputirter aus dem Isle- u. Vilain-Department, trägt darauf an, die Majorität auf mindestens 8 zu erhöhen.
Cremieux, Berichterstatter, erzählt jedoch, daß sich so viele Staatsanwaltschaften in den Departements gegen die Vermehrung der Majoritätszahl erhoben, daß er selbst auf Abschaffung der 9
und resp, Herabsetzung auf 7 antrage. Es seien zu viele Verbrecher, die selbst ihre Missethaten eingestanden, bei 9 freigesprochen worden und die bürgerliche Gesellschaft gefährdet (!)
Alem Rousseau, auch ein halbliberaler Provinzialstädter, unterstützt das Meaulle'sche Ammendement.
Die Versammlung, wegen des schlechten Wetters sehr zahlreich, schreit aber Schluß! Schluß!
Mehrere Bänke: Zettelabstimmung! Dieselbe gibt folgendes Resultat: Zahl der Stimmenden 729. Für den Antrag 165, dagegen 564. Also verworfen.
Farconnet stellt den Zusatz: „Bei Todesurtheilen, d. h. Kapitalverbrechen solle die Todesstrafe nur vollzogen werden, wenn die Jury ihr Schuldig mit Einstimmigkeit aussprach
etc.“
Base bekämpft diese Milde. Sie sei der Wahrheit des Gesetzes entgegegen. Alle Meuchler ohne Ausnahme müßten sterben.
St. Romme möchte den Zusatz retten. Vergebens. Die Versammlung verwirft ihn.
Charamaule, der Unermüdliche, beantragt die Majorität bei Todesstrafen auf 9.
Dies verräth Sympathie für die prov. Regierung und wird verworfen.
Tassel möchte das Loos der Angeklagten dadurch mildern, daß die erleichternden Umstände mit simpler Majorität angenommen würden etc.
Valette bekämpft dieß jedoch und der ursprüngliche Entwurf, wie er an die Stelle des Artikels 4 des Dekrets vom 7. März 1848 getreten, geht durch.
Die Versammlung kehrt zur Verfassungsdebatte zurück und nimmt ohne erhebliche Debatte die Artikel 92, 93, 94, 95, 96, 97, 98, 99 und 100, alle von der Gerichtspflege handelnd, an.
Die Artikel 101, 102 und 103 werden, als von dem Schlußsatze des Art. 100 abhälngig, unterdrückt.
Artikel 104 und 103 werden angenommen. Letzterer lautet: „Der Präsident der Republik steht unter der Gerichtsbarkeit des Obertribunals, kann nur auf Antrag der Nationalversammlung in
Anklagestand versetzt werden, sowohl für öffentliche als Privat-Verbrechen.“
Statt zu Art. 106 (Kapitel IX. von der Land-und Seemacht, überhaupt von den Kräften der Republik handelnd) überzugehen, nimmt die Versammlung einen Antrag vor, der von der legitimistischen Partei
ausgeht und zum Zwecke hat, die unterdrückten oder vorbehaltenen Artikel 74, 75 und 76 durch zwei andere zu ergänzen, welche lauten:
Die öffentliche Verwaltung soll nach folgenden Prinzipien eingerichtet werden: a) Gestion durch Verwaltungsbeamte, die aus dem allgemeinen Stimmrecht und aus den Lokalinteressen selbst hervorgehen.
b) Delegation der Centralgewalt in politischer Hinsicht zur Ueberwachung der allgemeinen Interessen etc.
[0616]
Bechard, aus dem Gard, aber Advokat in Paris und ein Legitimist von der feinsten Sorte, führt das Wort eine ganze Stunde lang zum Besten des Antrags. Er sucht die Nothwendigkeit administrativer
Dezentralisation zu berechen, er schließt mit folgendem Stoßseufzer: „Frankreich ist der erstickenden Centralisation müde (Lärm). Paris ist der Sitz von 60,000 Kommunisten, diesen
General-Centralisatoren, welche früh oder spät ihre Macht auf die 35 Millionen Franzosen üben werden (Lärm. Beifall zur Rechten). Geht die Republik unter, so ist ihr Sturz den Auswüchsen der
Centralsucht zuzuschreiben (Agitation).
Charles Dupin bekämpft die Uebertreibungen des Redners und, weist auf Oesterreichs Schicksal hin, das den schlagendsten Beweis von den Folgen des Anti-Centralisationsgeists liefert.
Pascal Duprat wünscht die Fortsetzung morgen, und die Versammlung geht kurz vor 6 Uhr auseinander.
Großbritannien.
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@type | jArticle |
@facs | 0616 |
[
*
] London, 16. Octbr.
„Müßiggang ist aller Laster Anfang“ ‒ meint der Standard und spielt in seiner heutigen Nummer so herrliche Variationen über dieses Thema, daß ich wirklich einen Verrath an
Ihren Lesern begehen würde, wenn ich ihnen dies Meisterstück torystischer Journalistik vorenthielte. Der gute alte Standard, gewissermaßen die politische hengstenbergische Kirchenzeitung
Großbritanien's beginnt damit, daß er uns erzählt, wie ihn die schauderhaften Scenen der zweiten großen Insurrektion in Wien, auf den bemerkenswerthen und belehrenden Umstand aufmerksam gemacht
hätten, daß alle Städte, welche sich bei den letzten Konvulsionen des europäischen Kontinents, durch derartige abscheuliche Vorfälle herabwürdigten, Städte des Müßiggangs seien. Kein Ort, sagt
der Standard wörtlich, keine industrielle Stadt wie London, Amsterdam, Copenhagen und Stockholm ist Zeuge von Verbrechen gewesen, wie sie die Namen von Paris, Berlin, Wien und Mailand, alles
„Städte des Müßiggangs“, für ewig inpfam gemacht haben.
Der Standard hält hier inne und denkt an seine Jugend; an die Zeit, wo man im Flügelkleide in die Mädchenschule geht und schnell hat er einen kleinen Vers bei der Hand, ein Verschen, wie wir sie
alle im Monat Mai unseres Lebens lernten; und wahrhaftig, der Standard muß seinen Lesern diesen Vers in's Gedächtniß rufen und mit Pathos deklamirt er:
In works of labour or of skill,
I would be busy too,
For Satan finds some mischief still,
For idle hands to do.
Also, auf gut Deutsch wiederum:
Ja, Müßiggang ist aller Laster Anfang.
Ja, Müßiggang ist stets des Satans Ruhebank.
„In diesem Ammenliebe ‒ fährt der Standard fort ‒ in this ursery stanza, ist mehr wahre Philosophie und politische Weisheit als in allen politischen Systemen des letzten
Jahrhunderts. Beschäftigung in ehrlicher Arbeit, war von Anfang an das Salz, welches die Gesellschaft vor Aufregung und Korruption bewahrte. Was rief den Untergang der verfluchten Städte (Sodom
und Gomorrha) vor 3746 Jahren hervor? Der Prophet sagt es uns: „„Stolz, Fülle des Brodes und Ueberfluß an Müßiggang war ihnen, noch stützten sie die Hände der Armen und Bedürftigen
und sie waren hochmüthig.““ (Ezechiel XVI.) Eine süffisante und hochmüthige obere Klasse und eine gedrückte, verachtete niedere Klasse, und alle Klassen müßig. Paßt nicht
diese Beschreibung so genau auf Paris, Berlin, Wien und Mailand als ob sie heute für dieselben gemacht wäre, statt daß sie doch der Prophet gab vor fast 2500 Jahren?“
Von dem alten Ezechiel kommt der Standard dann plötzlich auf Herrn Michelet, indem er bei einem Vergleich der Engländer und Franzosen, die erstern gegen Herrn Michelet in Schutz zu nehmen
sucht.
„Lernen und arbeiten, um sein Brod zu verdienen, und seine Pflicht zu thun in der Lebensstellung, zu welcher Gott der Herr uns berufen hat ‒ so heißt es mit den Worten unseres
ausgezeichneten Katechismus. Es ist wahr, Herr Michelet mag über Ammenlieder, über das Zeugniß der heiligen Schrift und über Citate aus dem Kirchen-Katechismus lächeln; aber sie bezeichnen nun einmal
den Unterschied zwischen Londoner und Parisern; einen Unterschied, der dadurch recht an's Licht tritt, wenn man den 10. April (den Tag der gescheiterten Chartisten-Insurrektion) mit dem 24.
Juni von Paris vergleicht.
Die „Städte der Müßiggänger“ sind die Herde des Lasters und der Unordnung und werden es bleiben.
Wenn wir in die schreckliche Zukunft Europa's hinausschauen, in eine Zukunft deren Schrecken wohl nur Wenige richtig zu beurtheilen wissen werden, so müssen wir diese „Städte der
Müsiggänger“ zu den fürchterlichsten Plagen rechnen, mit denen das menschliche Geschlecht je behaftet war.
Wir mögen die exemplarische Zerstörung einer dieser Städte der Müssiggänger weder vorschlagen noch unschuldig wünschen, aber wir sind davon überzeugt, daß eine solche Zerstörung segensreich
für alle Menschen sein würde. Was würde es sein, wenn eine von ihnen bis auf den Grund rasirt würde, und von ihrer Existenz nichts mehr übrig bliebe als wir heute von Babylon und Niniveh finden? Viele
Schuldige würden leiden, das ist gewiß; aber viele Unschuldige ebenfalls, wird man hinzusetzen. Wir bezweifeln es! In England halten wir Schurken wenigstens nicht für unschuldig und in allen
jenen Städten der Müssiggänger haben sich die Bewohner entweder als Verbrecher oder Schurken gezeigt; entweder als rebellische Insurgenten oder als gewöhnliche Poltrons, die sich fürchteten mit diesen
rebellischen Insurgenten Handgemein zu werden. Wie war es in London am 10. April? Einige Tausend elendige Kreaturen, durchaus hinreichend um die Müssiggänger von Paris, oder Wien, oder Berlin mit sich
fortzureißen, versammelten sich um eine Insurrektion zu beginnen; aber die religiösen und industriellen und deswegen tapfern Bürgern der britischen Metropole, erhoben sich in ihrer Majestät und die
entstehende Rebellion wurde sofort unterdrückt.
London gab das Beispiel ‒ Wien folgte ihm nicht. Wer sollte sich um Schurken bekümmeren, der nicht einmal seine Familie und sich selbst beschützt? Es ist wahr, die Universität leitete die
Rebellion. Nun fragen wir doch alle gelehrten Leute, hat je einmal Einer von einer Wiener Universität gehört, ehe er von ihr als von einem Rebellen-Klub hörte? Was für Schüler hat diese Universität je
hervorgebracht? Was that sie für die Wissenschaft? Wenn man diese Universität, vielleicht die müssigste der Instituionen müssiger Städte, mit dem ganzen Rest in die Donau schleuderte, so
würde wahrhaftig die Literatur keinen Verlust zu beklagen haben. Ja, in der That, wenn alle deutschen Universitäten ein gleiches Schicksal träfe, so würde der durch die Zerstörung dieser Nester
literarischer Piraten der englichen und holländischen Gelehrsamkeit des 17. Jahrhunderts für Europa herbeigeführte Verlust, reichlich dadurch wieder gut gemacht werden, daß mit ihnen eben auch die
schlechten und verderblichen Institutionen unter ihnen zu Grunde gingen. Aber wie wir schon sagten, wir schlagen es weder vor, noch wagen wir es zu wünschen, daß man Wien vertilge ‒ nützlich
wie es übrigens des Beispiels wegen sein dürfte, denn jedenfalls würde die Zerstörung dieser Stadt das übrige Oestreich retten und Europa hätte wirklich wenig Grund, „um darüber zu
trauern.“
So weit der Standard! Mögen sich die Wiener bei ihm bedanken.
Treuer und energischer als irgend ein anderes Blatt, repräsentirt der Standard die Partei des alten Tory's, jene Klasse halbverschollener, großbritannischer Aristokraten, die es noch immer
nicht begreifen können, daß eigentlich jeder Manchester Baumwollspinner jetzt eine wichtigere Rolle spielt als sie. Dem alten Löwen sind endlich die Zähne ausgefallen; er kann nur noch murren und
brummen. Es ist ein rührender Anblick; denn jedenfalls spielen diese alten bigotten Tory's ihre Rolle würdiger zu Ende, als die brutalen Baumwoll-Lords die ihrige begonnen haben.
@type | jAnnouncements |
@facs | 0616 |
Neue Rheinische Zeitung.
Es ist uns von vielen Seiten mitgetheilt worden, daß unsere auswärtigen Leser in dem Glauben sich befinden, als brauchten sie beim Beginn des neuen Quartals die Zeitung bei der Post-Anstalt nicht
wieder neuerdings zu bestellen, sondern sie würden ihnen, wenn sie nicht ausdrücklich abbestellt werden, von Neuem wieder zugesandt. ‒ Die Post-Anstalten verlangen Pränumeration und neue
Bestellung vor oder beim Beginn eines jeden Quartals.
Dies zur Kenntniß unserer Abonennten und Leser.
Es versteht sich von selbst, daß auch jetzt noch für das laufende Quartal auf unsere Zeitung abonnirt werden kann.
Die Abonnements-Bedingungen sind bekannt.
Köln, den 17. Oktober 1848.
Die Geranten der „Neuen Rheinischen Zeitung.“
Rheinische Eisenbahn.
Fahr-Ordnung vom 21. Oktober 1848 an.
Von Köln nach Aachen und Belgien.
6 3/4 | Uhr | Morgens, nach ganz Belgien, Anschluß in Brüssel an den Nachtzug nach Paris. |
10 | Uhr | Vormittags, bis Brüssel, Antwerpen und Gent. |
2 1/2 | Uhr | Nachmittags, bis Lüttich. |
6 | Uhr | Abends, bis Aachen |
Von Aachen nach Köln und nach Belgien.
6 1/2 | Uhr | Morgens, nach Verviers und Lüttich. |
7 | Uhr | Morgens, nach Köln. |
9 1/2 | Uhr | Morgens nach ganz Belgien, Anschluß in Brüssel an den Nachtzug nach Paris. |
11 1/2 | Uhr | Vormittags, nach Köln. |
12 1/2 | Uhr | Mittags, nach Brüssel, Antwerpen und Gent. |
3 1/4 | Uhr | Nachmittags nach Köln. |
5 1/2 | Uhr | Nachmittags nach Verviers und Lüttich. |
6 1/4 | Uhr | Abends nach Köln. |
Die Direktion.
Bemerkung. Die Stations-Uhren werden nach der Kölner Post-Uhr gerichtet und sind für die Abfahrt der Züge maßgebend
Vereinte Weser-Dampfschifffahrt.
Die Fahrten der Dampfschiffe zwischen Ha. Münden und Hameln bestehen in bisheriger Weise. Die Fahrten zwischen Hameln und Pr. Minden werden vom 20. d. M. an, wegen zu geringer Benutzung durch das
Publikum eingestellt. Auswanderer und andere Reisende werden jedoch auf den 1. und 15. jeden Monats, als den gewöhnlichen Abgangstagen der Seeschiffe, von Ha. Münden bis Bremen auf Kosten der
Gesellschaft befördert.
Das Nähere ergeben die auf den Schiffen, Agenturen, Eisenbahnen, Posten, in den Redaktions-Bureaus, einzusehenden Fahrpläne.
Preis für Auswanderer von Ha. Münden bis Bremen 2 Thaler.
Hameln, den 16. Oktober 1848.
Die Direktion.
Römischer Circus. von Alexandro Guerra.
Heute Samstag den 21. Oktober 1848 große Damen-Vorstellung mit ganz neuen Abwechselungen. Ausgeführt nur von Damen der Gesellschaft. Worunter die Damen die Stelle der Stallmeister vertreten, wie
Mlle. Kremzof, Mme. Tourniaire, Mlle. Baviera und Mlle. Rosina, und zum Beschluß die große französische Quadrille, in Kostüme Ludwig des XIV., geritten von 4 Herren und 4 Damen. Das Nähere von der
Vorstellung besagt der Austrag und Anschlagzettel. Vorletzte Woche der Vorstellung im Cirkus von Alexandro Guerra.
Civilstand der Stadt Köln.
Den 16.
Geburten.
Christ., T. v. Jos. Bell, Maurer, Spulmannsg, ‒ Friedr. Elisab., T. v. Karl Weiler, Tischlerm., kl. Brinkg- ‒ Cathar. Huberta, T. v. Arn. Jos. Jven, Bürstenbin, der, Röhrerg. ‒
Lucia, T. v. Hub. Gilles, Stuckaturer. Straßburgerg. ‒ Karl Friedr. Wilh, S v. Friedr. Karl Josua Frantzen, Kfm., im Laach, ‒ Christ. Joh., S. v. Georg Gehring, Musikus, Pfeilstr.
‒ Drei unehel. Knaben.
Sterbefälle.
Rudolph Weinreiß, ohne Sew., 74 J. alt, Wittwer, Hoseng. ‒ Maria Magdal Heldmann, 2 J. 3 M. alt, Severinstraße. ‒ Heinr. Lehmacher, 1 J. 10 M. alt, Thurnmarkt.
Futter gegen Ratten, Mäuse, Wanzen und Schwaben Thurnmarkt Nr. 39.
Anzeigen.
Schifffahrts-Anzeige.
Köln, 20. Oktober 1848.
Angekommen: A. L. Müller von Mannheim.
Abgefahren: B. Kraus nach dem Obermain. I. B. Mundschenk nach Mannheim.
In Ladung: Nach Ruhrort bis Emmerich W. Pesch. Nach Düsseldorf bis Mülheim an der Ruhr Joh. Budberg. Nach Andernach und Neuwied A. Boecking und Nach Koblenz, der Mosel u. Saar. Jac.
Tillmann. Nach der Mosel, nach Trier und der Saar Fr. Deiß. Nach Mainz A. Dorweiler. Nach dem Niedermain C. Nees. Nach dem Mittel- und Obermain. Fr. Seelig. Nach Worms und Mannheim Joh. Wimmer. Nach
Heilbronn L. Heuß. Nach Kannstadt und Stuttgart L. Hermann. Nach Bingen H. Leineweber. M. Pera.
Rheinhöhe am 20. Okt. 8′ 3 1/2 ″.
Der Freischaaren-Feldzug in Schleswig-Holstein und Jütland.
Von einem Freiwilligen des von der Tann'schen Korps.
Der im Frühjahr d. J. an die Jugend Deutschland's ertönende Hülferuf Schleswig-Holstein's veranlaßte mich, um meinen bedrängten deutschen Brüdern mit gewaffneter Hand zu Hülfe zu
eilen, meine in Berlin innehabende Komptoirstelle aufzugeben, und mich den von dort abgehenden Freikorps anzuschließen. Unter Führung unseres tapferen v. d. Tann kämpfte ich in den siegreichen
Gefechten bei Altenhof und Hopdrup, und wurde bei Auflösung sämmtlicher Freikorps in die Heimath entlassen. Die jetzige Handelskrisis ließ mich weder in Berlin, Hamburg, Bremen oder in Frankfurt a.
M., noch in anderen Handelsstädten eine Stellung finden. Durch die Reise sind meine Mittel erschöpf, ich ergriff deßhalb die Feder, schrieb eine getreue Schilderung unseres Feldzuges, durch dessen
Herausgabe mir für den Augenblick eine ehrenhafte Existenz zu sichern, und erlaube mir daher hiermit die patriotischen Bürger Köln's zu ersuchen, mich durch recht zahlreiche Subseription
auf dieses kleine Werk gütigst unterstützen zu wollen.
Der Preis desselben ist 10 Sgr. pro Exemplar.
Wilhelm Roller, Kaufmann, früher Freiwilliger im v. d. Tann'schen Korps.
Köln, im Oktober 1848.
Eine Subseriptionsliste liegt zum Unterzeichnen in der Expedition der „Neuen Rheinischen Ztg.“, unter Hutmacher Nr. 17, auf.
Die Magdalena Gürtler, ohne Geschäft zu Köln, hat durch Akt des Gerichtsvollziehers Meisen zu Köln vom 18. Okt. 1848 unter Bestellung des Unterzeichneten zu ihrem Anwalt, gegen ihren zu Köln
wohnenden Ehemann, den Weinwirth Robert Romberg, die Klage auf Trennung der ehelichen Gütergemeinschaft angestellt.
Köln, 19. Oktober 1848.
Für die Richtigkeit des Auszugs:
Hagen, Adv.-Anwalt.
Sagh Dahlen watt hatz do ob der Bühn bei der Worringer Volks-Versammlung zu dohn.
Ein fehlerfreies Pianoforte bester Qualität, wird verziehungshalber zu dem festen Preise von 80 Thlr. verkauft. Die Exped. sagt wo.
Mosel-Dampfschifffahrt.
Täglicher Dienst.
Abfahrt von Trier Morgens um 5 Uhr.
Abfahrt von Koblenz (nach Ankunft der Nachtboote von Köln) Morgens um 6 Uhr.
Trier, den 24. August 1848. Die
Direktion.
Freie Volksblätter erscheinen wöchentlich 3 Mal. ‒ Pränumerations-Preis für Köln und Mülheim 15 Sgr.; auswärts durch die Postanstalten bezogen 18 3/4 Spr. pro Quartal.
Freunde der demokratischen Sache werden zum Abonnement freundlichst eingeladen. ‒ Die bereits erschienenen Nummern dieses Quartals werden nachgeliefert.
Cöln, den 14. Oktober 1848.
Der Herausgeber, Bernh. Dietz.
Auf den Abbruch wird nächsten Montag auf dem Neumarkte ein Schweinstall öffentlich verkauft werden.
Die Festungs-Kommandanten Kayser und Engels fordern wir auf, uns anzugeben, aus welchem dringenden Grunde die Strohbude auf dem Neumarkte erbaut worden ist; dieselbe konnte unsern Erachtens eben so
gut in dem Hofe der 20 Schritte davon entfernt liegenden Kaserne errichtet werden, wenn wirklich ein derartiges Bedürfniß nothwendig geworden wäre
Da indeß unsere Stadt sich schon längst so ruhig wie je befindet, so begreifen wir den Grund nicht, weshalb dieser unsere Stadt beschimpfende Strohstall noch nicht weggeräumt wird.
Köln, den 20. Oktober 1848.
Viele Bürger Kölns.
Joseph! Du willst wohl interessant werden!
Allen Respekt vor Herrn Joseph von wegen seiner gestrigen Erklärung.
Oh Joseph, Joseph, was bist Du matt in Deiner gestrigen Danksagung.
Nun leben Sie mir recht wohl.
Hat Herr Vater John noch nichts von der furchtbaren Verschwörung gehört, welche zum Umsturz der gegenwärtigen Verhältnisse in Rheinland und Westphalen besteht?
Hat Herr Vater John noch keine Interpellationen für das Ministerium bereit, da doch die Häupter dieser Verschwörung sich schon in kurzer Zeit am Rhein versammeln.
Wird Herr Vater John nicht beantragen, daß zur Vereitlung dieser Verschwörung Reichstruppen an den Rhein gesandt werden?
Herr Vater John, wir bitten dich, setz' des einigen deutschen Vaterlandes Wohl nicht außer Augen und beeile dich, um Unglück zu verhüten, mit deinen Interpellationen und
Anträgen.