Deutschland.
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] Wien, 11. Okt.
Ich kann Ihnen von keinem Kampf berichten, denn es hat noch kein Kampf stattgefunden. ‒ In der Nacht wurde alarmirt, die ganze Stadt nebst Vorstädten waren erleuchtet und man durfte
hoffen, daß es endlich zur Entscheidung komme. Aber nein, blose Wachsamkeit. Bei der Erbärmlichkeit, mit welcher sich der Reichstag, als Leiter der Bewegung, benimmt, steht von ihm wahrscheinlich auch
wenig Energisches zu hoffen, bis das Volk die Geduld gänzlich verloren haben und sich selber helfen wird. Die Schirmung unserer Freiheit vertraut dieser Reichstag gerade den nichtswürdigsten Subjekten
an, einem Krauß, Pillersdorf, Gleispach u. s. w. Menschen, die nichts inniger wollen, als eine anstandlose Uebergabe an die vereinten Räuberhordanführer Jellachich und Auersperg, die daher auf die
unverschämteste Weise immer nur zu vermitteln suchen. Von einem Reichstag, der seiner Kapazität nach in der Mehrheit auf radikalen Unfähigkeiten, feigen Lümmeln und adelig-büreaukratischem Gesindel
besteht, ist allerdings gar nichts zu erwarten und das Volk würde wol thun, ihn zugleich mit Auersperg und Jellachich zu beseitigen. Wäre nur das Volk selbst einigermaßen gut geführt.
Aus der gestern Abend um 6 1/4 Uhr fortgesetzten Sitzung des Reichstags habe ich blos folgendes nachzutragen:
Krauß meldet, daß Hornbostel den Kaiser nicht angetroffen habe und wahrscheinlich weiter gereist sei und daß er den Abgeordneten Löhner mit einem Vorschlag zur Beilegung der Mißverhältnisse
an den Kaiser gesendet.
Pillersdorf, dessen bloses Dasein und Dulden im Reichstag diesen schon hinlänglich charakterisirt, ist jetzt zum Wort- und Deputationshelden des Tags geworden. Er kommt mit Borrosch und
Sobnicki soeben aus dem Lager Auersperg's und erzählt mit weitläufigem Vermittlungsqualm, den Ihnen die Wiener Zeitung in extenso mittheilen wird, daß der Deputation die Zufriedenstellung des
zürnenden Fra Diavolo Auersperg nicht gelungen sei; derselbe habe nach einem Kriegsrathe vielmehr bei seiner frühern Bescheidung beharrt, nebenbei sich über die Pressen, die Beseitigung
Latour's und dergleichen beschwert und Auflösung der Garde, Legion und Vereine verlangt. Borrosch wurde dabei von den Offizieren gröblich beleidigt, indem dieselbe zornerfüllte Blicke auf ihn
warfen und sich dahin laut äußerten, daß er nach dem heuchlerischen Schutz, den er Latour angeblich habe zukommen lassen, um ihn der gerechten Rache des Volks zu entziehen, im Triumph zu Pferde durch
die Stadt geritten sei. Borrosch war heute halb todt über dies militärische Kompliment.
Um 8 1/4 Uhr war die abermals an Jellachich abgeschickte Deputation ebenfalls zurückgekehrt; Abgeordneter Prato las darauf folgendes Schreiben dieses „großen“ Feldherrn vor:
„Die Gründe, welche mich veranlassen, den Marsch der mir untergeordneten Truppen hieher zu richten, sind die Pflichten, die mir als Staatsdiener und als Militär obliegen. Als Staatsdiener
habe ich der Anarchie zu steuern, als Militär gibt mir der Donner des Geschützes die Marschroute. Ich will die Gesammtmonarchie retten und dem Kaiser die Treue bewahren; darum ist meine Wahl, welchen
Verfügungen ich zu gehorchen habe, nicht schwer. Die Verpflegung meiner Truppen geschieht nicht auf Kosten der Bevölkerung; wenn das ungarische Heer mich auf österreichisches Gebiet verfolgt, so werde
ich zu antworten wissen. Ich kenne blos k. k. Truppen, denen anzugehören ich die Ehre habe. (Bescheidenes Zischen.) Werde ich angegriffen, so werde ich Gewalt mit Gewalt vertreiben.
Hauptquartier Rothneusiedel, 10. Oktober 1848.
Jellachich, Banus.“
Bilinski (einer aus der Deputation). Wir haben den Banus vergeblich aufgefordert, sich dem österreichischen Ministerium zu unterwerfen; wir haben ihm gesagt, daß der Minister Hornbostel zum
Kaiser sei, dessen Befehle einzuholen, daß der Kaiser ein neues volksthümliches Ministerium zu bilden befohlen habe.
Der Banus hat uns geantwortet, daß er keinen Hornbostel kenne, daß er keineswegs wider den Fortschritt sei, aber Ordnung herstellen müsse; (o kroatischer Fortschritt und kroatische Ordnung!) daß er
darum das Aeußerste aufbieten würde. Darauf haben wir erwidert, daß alsdann auch wir das Aeußerste wagen würden. Damit entließ er uns.
In der heutigen Sitzung ließ der Präsident ein Schreiben des Ministers vorlesen, worin derselbe dem Reichstag meldet, daß er den Kaiser, ich weiß nicht mehr wo, getroffen habe, aber sehr ungnädig
von ihm aufgenommen worden sei und deßhalb sofort seine Entlassung eingereicht habe.
Schuselka berichtete, daß der Oberkommandant angewiesen sei, sich einen Generalstab zu bilden und daß die Nationalgarden von überallher nach Wien beordert werden und an 500 von Brünn bereits
eingetroffen seien, worauf Borrosch's demokratisches Fieber zum Vorschein kam und die Verräther Gleispach und Pillersdorf, welche die Frechheit haben, laut zu sagen, sie wünschten den Sieg der
Kroaten, das Wort noch nahmen.
Jellachich soll ein ganz unbeschreibliches Gesindel mit sich führen. Dasselbe umschwärmte in der Nacht die ganze Umgegend und beginnt zu morden und zu brandschatzen.
Die Stadt ist gänzlich entvölkert. Das Militär im Schwarzenberg-Garten mordet und brandschatzt nach Herzensgelüste.
Aus Uebermaß von Niederträchtigkeit hat der Reichstag heute noch einmal eine Deputation von Abgeordneten aus allen Provinzen, wozu natürlich die allerfeigsten und wedelndsten, wenn nicht offenbare
Verräther, genommen worden sind, an das unbekannte Hoflager des Kaisers geschickt. Es circuliren hier Gerüchte über neue Unruhen in Berlin und Köln.
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Wien.
Die A. Oest. Zeitung vom 11. Oktober stattet über die von unserm Correspondenten erwähnte Mittheilung von Pillersdorf folgenden Bericht ab:
Pillersdorf erstattet Bericht über die Sendung der Kommission bei Auersperg. Nach langer Unterredung, worin er abermals feierlichst versicherte, daß er keine drohende Stellung angenommen, sondern
zur Sicherheit seiner Truppen die Concentration bewerkstelligte. Die Kommission konnte es sich nicht verhehlen, daß den Kommandanten so wie seine Umgebung die Erbitterung beherrscht, welche der Tod
des Kriegsministers hervorgebracht. Ehe er einen Beschluß der Kommission kundgeben wollte, glaubte er es für nothwendig eine Berathung mit seinem Generalstabe zu halten.
Die Kommission hat 3 Stunden lang gewartet. Hierauf sind ihnen die Beschlüsse kund gegeben worden.
Da der Zweck der concentrirten Aufstellung der Truppen kein anderer, als der ihrer eigenen Sicherheit ist, eine Zerstreuung von Angriffen nicht schützen werde, (antwortete der Kommandant) sei er
außer Stande, dem Wunsche wegen Zurückziehung Folge zu leisten.
Er versicherte es abermals, daß eine feindselige bedrohende Absicht seiner Stellung nicht zu Grunde liege. Er drückte es zugleich aus, daß er die größte Ordnung in der Schaffung der Lebensmittel
wünsche, damit die Soldaten nicht gezwungen seien, ihre Subsistenzmittel selbst zu suchen.
Einen Bevollmächtigten zu den obersten Organen in Wien, könne er nicht senden, da die gewöhnlichen Wege Mittheilungen zu machen, hinreichen.
Die Kommission verhehlte ihm nicht, daß durch das feste Beharren bei der Stellung, die Stimmung der Bevölkerung nicht gehoben, sondern erst recht arg hervorgerufen wird, so daß bei dem kleinsten
Conflicte ein unabsehbares Ereigniß sich gestalten könnte.
Die Kommission hat ferner darauf hingewiesen, wie er sich durch die Stellung die Subsistenz erschwere, so wie durch das Bivouak in dieser Jahreszeit den Stand seiner Truppen erschwere. Der
Kommandant blieb aber fest bei seinem frühern Beschlusse.
Die Kommission hat die Anfrage gestellt, wie lange er in diesem Zustand zu verbleiben gedenke. Der Kommandant gab keine bestimmte Antwort, und nur gesprächsweise bemühte man sich von den Offizieren
ihre Wünsche zu erfahren. Sie glauben darin eine Beruhigung zu finden, wenn Jene entwaffnet würden, die letztere Zeit Waffen erhalten und einen bedrohlichen Gebrauch befürchten lassen; wenn ferner der
Presse nicht mehr Schmähungen auf das Militär möglich gemacht werden.
Die Kommission fand sich nicht ermächtigt hierin einzugehen.
Zum Schlusse abermals Versicherung, daß keine drohende Stellung beabsichtigt sei.
Die Kommission machte die Bemerkung, daß der Stellung Auerspergs kein kaiserlicher Befehl zu Grunde liege. Er sagte, vom ehemaligen Minister den Befehl erhalten zu haben, und seinen Aeußerungen
nach zu urtheilen werde er sie auch verlassen, wenn ein Befehl eines neuen Kriegsministers vorläge.
Die Kommission kann nur nachdrücklichst bitten, daß die Bevölkerung keinen Angriff mache.
Die Kommission hat auch den Kommandanden befragt wegen etwaiger Verbindung mit Jellachich. Er versicherte, daß durchaus keine bestehe, ja daß er nicht einmal über dessen letzten Aufenthalt Auskunft
erhalten.
Präsident Smolka macht die Mittheilung, daß die Aufgabe Löhners bei Sr. Makestät hauptsächlich ist, die Spaltungen zwischen Militär und Civil beizulegen.
Pillersdorf stellt den Antrag, diesen Bericht der Bevölkerung kund zu geben, weil er gewiß beruhigen werde.
Sieralkovski sagt, daß dieser Bericht die Bevölkerung keineswegs beruhigen, ja vielleicht noch mehr erbittern werde. Es möge, weur eine Kundmachung erfolge, zugleich ausgedrückt werden, daß der
Reichstag nicht zufrieden sei, denn Auersperg habe als konstitutioneller General gefehlt, indem er der Kammer und ihrem Ausschusse nicht Folge leistet. (Bravo.) Wird in Ausarbeitung
genommen.
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Wien, 11. Oktbr.
Die heutige Nacht war gewiß die unruhigste, welche die Stadt Wien seit dem Bombardement durch Napoleon im Jahre 1809 durchlebt hat. In den Straßen sah man bis zur Helle des Tages nur bewaffnete
Männer, welche theils einzeln, theils in kleinern, ungeregelten Haufen, theils in geregelten Kompagnieen und im Taktschritt schweigend und ernst einhergingen. An den Straßenecken, den öffentlichen
Plätzen und vor den Kaffeehäusern standen düstere Gruppen in lebhaften Unterhaltungen oder im heftigen Zweigespräch begriffen. Dazwischen hörte man dann und wann, besonders in der Gegend der Wieden
und Landstraße hin, einzelne Schüsse fallen, welche die Aufmerksamkeit Aller erregten. Hinter und auf den Barrikaden lagern noch wie gestern um Wachtfeuer bewaffnete Blousenmänner, zwischen denen
einzelne Weiber und Mädchen, von nicht sehr respektablem Aeußern, theils schlafend auf Steinhaufen ruhen, theils lachend und lärmend sich herumtreiben. Besonders lebhaft aber sah es auf den Wällen und
Bastionen der Stadt aus. Wachtfeuer reihte sich an Wachtfeuer, alle umlagert von Legionären in ihren Kalabresern, von Arbeitern in Hemdsärmeln, Blousen und von Nationalgarden aller Gattungen. Ueber
den Thoren stehen Kanonen, welche die Zugänge der Stadt bestreichen, mit brennenden Lunten, von der Bürgerartillerie, von einzeln übergetretenen Soldaten, von Studenten oder Arbeitern bedient. Daneben
lagern ganze Kompagnien buntgemischter Bewaffneten, deren Patrouillen bald mit der Muskete oder Büchse, bald mit dem Karabiner oder Pike in der Hand auf- und abwandeln und den Wachtdienst versehen. Es
mochten im Ganzen in dieser Weise auf den Wällen 8-10,000 Mann vertheilt liegen.
Unterdeß blieben der Reichstag, der Gemeinderath, das Central-Comite des demokratischen Vereins, das Universitäts-Comite und das Oberkommando der Nationalgarde in Permanenz. Die Aufmerksamkeit
Aller ist auf zwei Centralpunkte gerichtet: auf das Lager des Militärs im Schwarzenbergischen Garten, von wo aus man einen Angriff oder eine Ueberrumpelung der Stadt fürchtet, und auf Jelachich mit
seinem Heere oder vielmehr mit seinen zerstreuten Schaaren. In Bezug auf beide gingen und gehen noch die widersprechendsten Gerüchte.
Was die versammelte Truppenmacht im Lager zwischen der Wieden und Landstraße betrifft, so hat sich die Zahl der vereinigten Truppenmassen durch Herbeiziehen aller Truppenkörper aus der
Nachbarschaft der Stadt noch bedeutend vermehrt. Nach ganz glaubwürdigen Nachrichten liegen folgende Abtheilungen in dem Lager vereinigt:
3 Bataillone vom Regiment Nassau, polnischer Nationalität;
2 Bataillone vom Regiment Bianci, polnischer Nationalität;
2 Bataillone vom Regiment Khevenhüller, czechischer Nationalität; 2 Bataillone vom Regiment Baumgarten, czechischer Nationalität; 1 Bataillon vom Regiment Stephan, Gallizier; 1 Bataillon vom Regiment
Prinz Leopold, Böhmen; 1 Bataillon Grenadiere, deutsch und böhmisch; 9 Kompagnieen Pioniere, dieselben, welche am Graben gefochten; 1 Division Mineurs und Sappeurs; 2 volle Regimenter Kavallerie; 6
Batterieen Kanonen (kleine Haubitzen und gröberes Geschütz); 1 Bataillon Jäger, welches erst heute Nacht von der Begleitung des Kaisers zurück über Schönbrunn hinzugerückt ist.
Die Stellung dieser Truppenmacht, welche sich auf 15-20,000 Mann belaufen mag, ist eine für den Angriff vollkommen sichere, weshalb alle hitzigen Pläne eines augenblicklichen Angriffes durch
Artillerie aus dem Zeughause, durch Studenten und Nationalgarde nur die Mißbilligung jedes Kriegskundigen erfahren wird. Jedoch ist die Stellung andererseits auf die Dauer eine ganz unhaltbare. Das
Militär liegt eingepfercht zwischen den hohen Mauern des Schwarzenbergischen Gartens und der Umgebung des Belvedere, ist abgeschnitten von der Stadt und umgeben von feindlichen Vorstädten, und muß bei
dem nächsten eintretenden Regenwetter, (wie solches jetzt, 4 Uhr Nachmittags, wirklich eingetreten ist) desorganisirt werden. Die Vorposten des Lagers erstrecken sich schon bis zur Karlskirche und auf
der andern Seite bis zur Matzleinsdorfer Linie. Auf der Wieden sind von Seiten dieser Vorposten und einzelner Patrouillen die schändlichsten Exzesse begangen; schon gestern Abend waren sechs Fälle
angemeldet, daß ruhig vorübergehende, theils bewaffnete, theils unbewaffnete Bürger und Studenten von den Wachtposten und einzelnen Soldaten erschossen waren. Heute Morgen zog man aus dem Kanal an der
Wieden mehrere Leichen, welche vielfach verwundet, verstümmelt und großentheils nackt, also rein ausgeplündert waren. Der Reichstag schickte Parlamentäre über Parlamentäre zum General Auersperg,
welcher jedoch stets ausweichende Antworten gab und behauptete, theils die Thatsachen nicht zu kennen, theils unmöglich für die Handlungen einzelner Soldaten unter den obwaltenden Umständen
verantwortlich sein zu können. Man sieht hieraus schon, daß eine gewisse Demoralisation einzutreten begonnen hat. Auch hören wir, daß die Soldaten ‒ Offiziere sowohl als Gemeine ‒ mit
dem General Auersperg und seinem Benehmen unzufrieden und aller Blicke auf den Fürsten Felix Schwarzenberg gerichtet sind. Was nun in Bezug auf diese Truppenmacht die öffentliche Meinung in der Stadt
betrifft, so wollen die Entschlossenen einen Angriff à tout prix, damit dieselbe nicht durch stets wachsenden Zuzug vermehrt werde; die Mäßigeren dagegen wollen blos eine defensive Haltung,
militärisch Gebildete eine Besetzung des Wiener Berges im Rücken des Lagers ‒ der Reichstag und der Sicherheitsausschuß desselben Unterhandlung. Es ist offenbar, daß die jetzige Lage nicht
lange dauern kann und darf.
Die zweite wichtige Frage, welche alle Gemüther beschäftigt, ist Jellachich. Schon gestern war er, wie gemeldet, mit 2000 Mann in Schwandorf eingerückt. Es ist das nur 3-4 Meilen von Wien. Der
Reichstag schickte den Deputirten Prado als Parlamentär zu ihm, um ihn zu befragen, in welcher Absicht er sich Wien nähere. Der Deputirte fand den Ban wirklich bei Schwandorf, übergab ihm den Brief
des Reichstages, welchen Jellachich mit ruhiger Aufmerksamkeit durchlas, und erhielt die Antwort, daß er sich keineswegs in feindlicher Absicht der Hauptstadt nahe, sondern daß seine Absicht sei,
„den Kaiser zu schützen und dessen Befehle zu empfangen.“ Der Reichstagsdeputirte berichtete zu gleicher Zeit, daß die Truppen des Ban, höchstens 2000 Mann stark, im erbärmlichsten
Zustande, aus allen Truppenkörpern gemischt und fast ganz ohne Montur seien. Heute Morgen hat der Reichstag einen neuen Kurrier abgeschickt, welcher gegen 7 Uhr Abends zurück sein wird, und in
gemessensten Worten die Aufforderung dem Ban überbringt: Entweder zu erklären, daß er flüchtig und friedlich die Gränzen überschritten und dann augenblicklich seinen Rückzug über und durch Steyermark
anzutreten habe, oder daß er sich als Feind behandelt sehen werde. Von der Antwort hängt es ab, ob der
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Reichstag den Ungarn die Ueberschreitung der Gränze durch dieselben billigen und verlangen wird oder nicht. Dagegen heißt es in der Stadt, daß die Ungarn bei Wieselburg die Gränze schon überschritten
haben; andere glaubwürdige Nachrichten melden, daß in Pesth eine Anzahl Dampfböte armirt werden und zum Theil schon auf dem Wege hierher begriffen sind.
Der Reichstag, um sich in der so schwierigen Lage sicher zu stellen, hat eine allgemeine Bewaffnung des Volkes beschlossen und damit den Gemeinderath beauftragt. Zu gleicher Zeit sind Studenten
aufs Land geeilt, und hat das demokratische Centralkomite durch Boten und Plakate den Landsturm herbeigerufen; mit welchem Erfolg, ist noch ungewiß.
Die neuesten Nachrichten vom Kaiser sind, daß er gestern Mittag 12 Uhr von Sieghartkirchen in Krems jenseits der Donau eintraf. Die Bewohner von Stein wollten durch Abbruch einer Brücke seine Reife
hemmen, wurden aber durch die Kremser Nationalgarde daran verhindert. Etwa 4-5000 Mann mit 8 Kanonen deckten die Reiseroute, und man will einige böhmische (czechische) Deputirte in der Umgebung des
Kaisers gesehen haben. Der Kaiser hat, so heißt es, die Route nach Prag eingeschlagen.
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] Wien, 11. Oktbr.
Wir tragen den Berichten unseres Korrespondenten den Bericht des „Wiener Privattelegraphen“ nach:
Gestern Abends kriegerische Bewegung in der Stadt; Allarmschlag, Sturmgeläute. Gallopins melden, daß die Kroaten von Meidling gegen Mariahilf ziehen und bereits mit den Garden handgemein geworden;
Alles fliegt auf seine Posten, mit dem Wunsche sich schlagen zu können, mit den räuberischen Horden, die der Freiheit und dem Eigenthum drohen. Zwei ungarische Reichstagsdeputirte, der ungarischen
Armee unter Messaros beigegeben, erscheinen in dem Studentencomite mit der Meldung, daß 30,000 Magyaren ‒ reguläre Truppen ‒ den Wienern zu Hülfe kommen würden, daß diese sich nur 2 Mal
24 Stunden halten müßten und daß nur Ermattung der Truppen ihr Eintreffen bis jetzt verhindert hätte. Um 11 Uhr gerathen eine Patrouille Mariahilfer Nationalgarde und eine Patrouille Nassau
aneinander; die militärische wird arg mitgenommen. Der ephemere Ministerpräsident Reszey wurde aufgehoben und auf die Universität gebracht, wo er vorläufig in Verwahrsam bleibt. Mehrere von der
Legion, die von Auersperg als Gefangene zurückgehalten werden, dürfen auf ihr verpfändetes Ehrenwort, zurückzukehren, auf kurze Zeit das Lager verlassen. Das Studentencomite erläßt noch in der Nacht
einen Aufruf an die Landleute, welcher sie auffordert, nach Kräften die Stadt mit Lebensmitteln zu versehen. Der Gemeinde-Ausschuß hat ringsumher Kommissionen gesendet, welche den Landsturm in der Art
zu organisiren haben, daß er bei einem Angriff auf die Stadt, den feindlichen Truppen in den Rücken falle.
In Mariahilf wurde ein Depot mit Munition, bestehend aus Kartätschen und Sensen, entdeckt und der ganze Vorrath von der Nationalgarde genommen. ‒ 800 Brünner Nationalgarden kommen.
Abendsitzung des Reichstages. Die Deputation an Auersperg kehrt nach 3 Stunden langem Warten, während dem die Berathung der Generäle stattgefunden, zurück und berichtet, daß Auersperg seine
Stellung zu ändern auch diesmal geweigert, weil ihm in den getrennten Kasernen die Sicherheit des Militärs gefährdet erscheine und daß er auf die Frage der Deputirten, wodurch er von seinem Beschlusse
abzubringen wäre, geantwortet habe: Durch Entwaffnung des Proletariats und der unberechneten Nationalgarde und durch Beschränkung der zügellosen Presse gegen das Militär; daß ferner der kommandirende
General vor einem Angriff auf sein Lager gewarnt, indem 40,000 Männer kaum genügen würden mit Erfolg gegen ihn zu kämpfen. ‒ Die zweite Deputation an Jelachich, Prato und Bilinski berichtet,
daß der Ban auf ihre Anfragen und Aufforderungen geantwortet habe, er handle als Diener des Staates und werde immer zur Aufrechthaltung der Monarchie für die Gleichberechtigung aller Nationalitäten
und zur Unterdrückung der Anarchie das Seinige thun. Bilimeki antwortete ihm: wenn Sie zum Aeußersten schreiten, so schreiten auch wir zum Aeußersten. Der Reichstag verordnete, daß das Zeughaus
geöffnet und Alles in der Stadt bewaffnet werde.
In der heutigen Reichstagssitzung berichtet der Referent der genannten Sicherheitskommission, daß Nationalgarden aus Ollmütz zu erwarten sind, daß er nach Steiermark telegraphirt, um Hülfe
aufzubieten, daß der Abgeordnete Löhner von Brünn telegraphirt, daß er den Kaiser noch nicht aufgefunden habe und ihn sofort weiter suchen werde. Er lies't ein Schreiben vom Minister
Hornbostel, welcher dem Reichstag anzeigt, daß er seine Demission beim Kaiser eingereicht, weil er nicht dasjenige Vertrauen zu besitzen glauben könne, das nothwendig ist, um die Verantwortung eines
Ministers länger zu behalten. ‒ Der Referent liest zugleich die der Kommission zugekommene Abschrift der Demissiooseingabe in ihrer Fassung; als Grund dieser Abdikation ist die Zurückweisung
der dringenden Aufforderung des Ministers, den Ban Jellachich unter das österreichische Ministerium zu stellen von Seiten des Kaisers. Zur Zeit, da dieser Brief des Ministers geschrieben ist, war die
Demission vom Kaiser noch nicht angekommen. ‒ Der Referent liest den Antrag der Kommission, aus jedem Gouvernement zur Deputation an den Kaiser zu wählen, welche dirsem die Sachlage und
Verhältnisse treu und genau zu schildern habe. Der Antrag wird angenommen und zur Wahl geschritten. ‒ Referent berichtet, daß die Kommission dem Oberkommandanten der Nationalgarde den Auftrag
gegeben, einen Generalstab um sich zusammenzusetzen. ‒ Soeben wird ein Plakat vom Reichstag veröffentlicht, in welcher dieser die Zumuthung, als betrachte er die Intervention der Magyaren für
eine Gebietsverletzung, ablehnt. ‒ Die hier anwesenden Polen sind im Begriffe, sich zu einer besonderen Legion zu bilden. ‒ 80 Kroaten, in Herrenals gefangen genommen, werden soeben
hereingebracht.
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Wien.
Wir tragen noch folgende am 9. Und 10. Oktober erlassene Proklamationen nach:
An die Bewohner Wiens.
Mitbürger!
Verschiedene aufregende Gerüchte durchirren die Stadt, erhitzen die Gemüther, und erfüllen die Bewohner mit einer Aengstlichkeit und Bangigkeit, die mit der besonnenen männlichen Haltung, mit dem
taktvollen Benehmen, wodurch die Bewohner Wiens sich bisher auszeichneten, im Widerspruche steht. Man befürchtet Ueberfälle, übertreibt jedes Ereigniß, und vergrößert auf diese Weise eine Gefahr, die
vor der Hand nur als Wahrscheinlichkeit erscheint.
Sicherer uno offizieller Nachricht zu Folge, die der Reichstagsausschuß gestern Abends erhalten hat, ist Baron Jellachich mit beiläufig 2000 Mann gemischter Truppen, welche ganz ermattet und nicht
im besten Zustande waren, in Schwadorf angekommen.
Der Reichstag wird mit derselben Sorgfalt, mit derselber Energie, wie bisher, auch fortan das Interesse der Gesammtmonarchie, des Thrones, so wie das der Stadt Wien wahren; der Ausschuß desselben
hat im Einverständnisse mit dem Ministerium das Oberkommando der Nationalgarde beauftragt, alle Mittel zur Vertheidigung bei etwaigem Angriffe in Bereitschaft zu halten.
Bewohner Wiens! Im Namen des Vaterlandes, der Freiheit, und Eures eigenen Wohles beschwören wir Euch, nicht leichtgläubig auf die vielfältigen lügenhaften Gerüchte zu hören, sondern der eigenen
erprobten Kraft und den get offen Maßregeln zu vertrauen.
Wien, am 9. Oktober 1848.
Vom konstituirenden Reichstage.
Smolka, erster Vicepräsident.
Car. Wiser, Schriftführer.
An die Bevölkerung Wiens.
Nach einem von dem Comite des hohen Reichstags zur Erhaltung der Ruhe, Ordnung und Sicherheit genehmigten Beschlusse des Verwaltungsrathes der gesammten Nationalgarde soll die Beerdigung der in den
Spitälern liegenden Leichen der am 6. Und 7. Oktober Gefallenen, Dienstag den 10. Oktober 1848, Nachmittags um 3 Uhr, in Begleitung von sechs Compagnien aus allen Waffengattungen der Bürgerwehr
stattfinden.
Der Leichenzug wird sich von dem allgemeinen Krankenhause in aller Stille nach dem Schmelzer Friedhofe bewegen.
Um keinen Anlaß zur Beunruhigung des Publikums zu geben, werden die bei ähnlichen Leichenbegängnissen üblichen Salven unterbleiben.
Dagegen soll nachträglich bei geeigneter Zeit eine solenne Leichenfeier abgehalten werden.
Wien den 10. Oktober 1848.
Vom Verwaltungsrathe der Nationalgarde Wiens.
An die hohe Reichsversammlung. Wir Männer des Vereins der Deutschen in Oesterreich legen hiermit einen feierlichen Protest gegen die Ueberschreitung der deutschen Reichsgränze durch irreguläre
Croatenbanden unter Führung des Banus beim hohen Reichstage ein.
Entschlossen, das deutsche Reichsgebiet gegen solche Verletzung auf dem Rechtsboden zu schützen und diesen Angriff auch mit gewaffneter Hand zurückzuweisen, wenn der feindlich eingedrungene Ban
seine Partetgängerschaar nicht augenblicklich vom deutschen Reichsgebiet zurückzieht; erklären wir ferner hier im Namen unsers tagenden Centralvereines und auf Grundlage eingeräumter Vollmacht im
Namen der 120 mit uns verbundenen deutsch. Vereine in Oesterreich, daß wir beim Reichsweser Deutschlands und bei der Nationalversammlung in Frankfurt gegen den feindlichen Einfall des Banus von
Croatien Baron Jellachich denselben Protest eingelegt haben.
Im Namen des Vereines der Deutschen in Oesterreich.
Der Ausschuß:
Dr. Schrötter. Dr. Kuh. Ernst Hauz. Dr. Sutten. Dr. Schopf. Dr. Wolf. Schaffer. Würth.
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@facs | 0590 |
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61
] Wien, 12. Oktober.
Es ist mir unmöglich, Ihnen heute ausführlichen Bericht über die Reichstagssitzungen vom 11. und 12. zukommen lassen. Ich bin zu sehr in diese Bewegung aktiv verwickelt, um ruhig referiren zu
können. Ich werde Ihnen die ausführlichen Berichte nachschicken. Nur so viel: Held Jellachich, unser „lieber Ban“, reißt vor den nachziehenden Ungarn aus,Auersperg ist, wie
Schuselka berichtet, aus seiner festen Position abmarschirt und soll abgedankt haben. Die kroatischen Truppen brechen ihr Lager ab. Die Ungarn stehen bei Bruck, gegen 30,000 Mann stark, und
werden, sobald es von Wien aus verlangt wird, die österreichische Gränze überschreiten. Von allen Seiten strömen Nationalgarden zur Hülfe herbei. Ein wirkliches tragi-komisches Zwischenspiel bildet
die Hetzjagd unserer Reichstagsdeputation auf den Kaiser. Sie reis't ihm beständig nach, und wenn sie ihn an einem Punkte erwischt, wird sie nicht vorgelassen. Wie lange wird die deutsche
Langmuth noch ausdauern?
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@facs | 0590 |
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] Prag, 11. Okt.
Unter diesem Datum bringen die konst. Blätter aus Böhmen die unten nachfolgende Mittheilungen. Sie ist offenbar von Strobach selbst abgefaßt, der seine feige Flucht aus Wien und sein
konspiratorisches Einverständniß mit Jellachich natürlich zu beschönigen und zu motiviren suchen muß.
Reichstagspräsident Dr. Strobach, und mit ihm die AbgeordnetenDr. Cejka und Hawelka, sind heute Morgens wohlerhalten hier angekommen. Ihre Reise war über Linz und Budweis
gegangen. ‒ Schon am 13. Sept. hatte bekanntlich Strobach sich dagegen ausgesprochen, die exekutive Gewalt dem Ministerium zu entziehen und dieselbe dem legislativen Reichstag zu übertragen
‒ und aus demselben Grunde weigerte er sich auch am 6. Okt., als der Aufstand in Wien losbrach, die Reichstagssitzung zu eröffnen. Nur dadurch, daß dem Ministerium volle unbeschränkte
Executivgewalt verbleibe, könne der Anarchie vorgebeugt, die Schreckensherrschaft darniedergehalten werden. ‒ Strobach begab sich ins Kriegsministerialgebäude, wo ein Ministerrath gehalten
werden sollte, doch mußte er gar bald, weil bewaffnete Massen heranstürmten, sich von da durch unbekannte Gänge und den Pferdestall flüchten. Er eilte in den Reichstagssaal. Auf dem Wege wurde er
mehrmal angehalten, und nur dadurch, daß er sich soviel als möglich unkenntlich machte, entging er dem angedrohten Schicksale der Schwarzgelben. Um 1/2 5 Uhr sollte auf Verlangen vieler Mitglieder die
Sitzung eröffnet werden. Es waren nur etwa 120 Deputirte anwesend, und Strobach erklärte, da die genügende Zahl der Abgeordneten fehle, die Sitzung nicht eröffnen zu können. Es entstand ein gewaltiger
Lärm gegen diese seine Weigerung, worauf er ersucht, einer der Herren Vicepräsidenten möge, wenn es ihnen zukömmlich erscheint, dem Wunsche nach Eröffnung entsprechen, seiner Ueberzeugung widerspreche
dieselbe und er trete demnach zurück. Vordem schon hatte ihn der Abgeordnete Hawelka gewarnt, nicht den Reichstagssaal zu betreten, oder sich unter die Menge zu begeben, da er auf den Barrikaden und
von den tobenden Haufen vielseitig den Ruf vernommen habe: Strobach und die Minister müssen hängen. Trotzdem war Strobach in den Reichstag gekommen. Da erschien der Abgeordnete Borrosch mit einer
weißen Fahne, und ungeheurer Jubel empfing ihn. Während des Tumultes entfernte sich Strobach unbemerkt, Hawelka folgte ihm, sie bestiegen einen Fiaker und fuhren gegen Baden. In der Nacht kamen sie in
Böslau an, wo Strobach bei einem seiner hier lebenden Verwandten Unterkunft fand. Doch erklärten ihm seine Freunde, daß er hier durchaus nicht sicher sei, die Flüchtlinge begaben sich deshalb am
Morgen in die naheliegenden Berge und hielten sich hier den ganzen Tag in den Wäldern verborgen. Des andern Tages schickten sie einen Boten nach Wien, um Nachrichten über den Stand der Dinge zu
vernehmen. Dr. Cejka kam mit der Antwort zu ihnen, und als Strobach von den Vorgängen in Wien und im Reichstage hörte, daß das Ministerium gesprengt, und der Reichstag als exekutive Behörde sich
permanent erklärt habe, er also seiner Ueberzeugung nach nicht mehr präsidiren konnte, faßte er den Entschluß, sich nach seiner Heimat zu begeben. Unter fingirten Pässen reisten die flüchtigen
Abgeordneten gegen Linz, Strobach als kranker pensionirter Oberlieutenant, Cejka als dessen Arzt und Hawelka als ihr Bediente. ‒ Vorgestern Abends kamen sie in Budweis an, wo sie Nachtlager
hielten, und von den Civil- und Militärbehörden, als diese die Ankunft des Reichstagspräsidenten vernommen hatten, ehrenvoll und freudig begrüßt wurden.
Gestern und heute wurden mehre Wiener Studenten, die hieher gekommen sein sollen, in unserer Aula zu agitiren, verhaftet. Das Nähere ist uns noch unbekannt. ‒ Mit dem gestrigen
Nachmittags-oder eigentlich Abendtrain, da er erst um 1/2 9 Uhr ankam,, langten auch zwei von jenen Deputirten hier an, die unser Stadtverordneten-Kollegium im Verein mit der Slowanská lipac und dem
Studentenausschusse nach Wien gesandt hat, um über den Gang der dortigen Ereignisse zu berichten. Sie bestätigten alle bisher auf anderem Wege schon bekannt gewordenen Vorfälle, und brachten zugleich
die Neuigkeit, daß in der um 7 Uhr Abends anberaumten Reichstagssitzung am 9. Jellachich als Landesverräther erklärt werden sollte. Doch waren bis zur Abreise der Berichterstatter um 1/2 7 Uhr nur
erst 11 Abgeordnete (1 von der Rechten, 2 aus dem Centrum und 8 von der Linken) erschienen. Die Alarmtrommel ertönte, ‒ und die Sitzung mag wohl nicht zu Stande gekommen
sein.
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Prag.
Kundmachung. Nach einer um 10 Uhr hier eingelangten Nachricht des Telegraphenamtes von Wien an Prag ist der F. M. L. Baron Jellachich gestern Abend mit einer bedeutenden Heeresmacht bei Wien
angekommen. In der Stadt stiegen viele Signalraketen unter Sturmgeläute in die Höhe. Zwischen den Vorposten wurden einige Schüsse gewechselt. Vom k. k. böhm. Landes-Präsidium. Prag, am 11. Oktober
1848. Mecséry,k. k. Gubernial-Vice-Präsident.
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Prag, 11. Okt.
Der Abgeordnete Hawljcek fordert in den heutigen Národni Nowiny die Wähler des Abgeordneten Borrosch auf, diesen durch ein energisch ausgesprochenes Mißtrauensvotum zum Abdanken zu zwingen, und
wie es daselbst heißt, einem um Böhmens Wohl besorgten Manne seinen Platz zu räumen. Wir glauben jedoch nicht, daß Borrosch in dem gegenwärtigen Zeitpunkte sich bewegen lassen wird, sein Mandat
niederzulegen.
‒ Aus zuverlässigen (?) mündlichen Mittheilungen erfahren wir, daß die Armee Jellachich's bei Schwechat 34,000 Mann stark ist, worunter 7000 Mann Serezaner. Auersperg hält die ganze
Linie vom Schwarzenberg'schen Palais bis zum Gloggnitzer Bahnhof besetzt und ist in dieser Stellung fest verschanzt. Sein Korps, etwa 10,000 Mann stark, hat 45 Geschütze, das in Mähren sich
koncentrirende Heer ist zur Cernirung Wiens bestimmt.
[(C. Bl. a. B.)]
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Prag.
Wir gefertigten Reichstagsdeputirten ersuchen unsere parlamentarischen Meinnungsgenossen aller im Reichstage vertretenen östreichischen Länder zu einer Besprechung über die zur Sicherung der
parlamentarischen Verhandlungsfreiheit und der ungefährdeten Existenz des konstituirenden Reichstags im Interesse der Gesammtmonarchie zu treffenden Maßregeln sich am 20. Oktober d. J. zu Brünn in
Mähren zuverlässig einzufinden.
Prag, am 10. Oktober 1948.
Pelacky. Rieger. Pinkas. Tyl. Stanek. Hamernik. Kral. Kratochwil. Nebesky. R. Hawlicek. Kaubek. Sediwy. Stiebitz. Schönhansl. Wocel. Pulpan. Weznicky. Jelen. Reichert. Dr. Brauner.
[(C. Bl.
a. B)]
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Frankfurt, 14. Okt.
Heute Nachmittag hielt der Ausschuß der Dreißig, welcher zur Prüfung der etwa nöthigen Verfassungsänderungen erwählt worden war, seine letzte Sitzung, da sein Antrag auf Berufung einer
konstituirenden Versammlung demnächst zur Abstimmung der Bürgerschaft gelangen wird, nachdem Senat und gesetzgebende Versammlung sich damit einverstanden erklärt haben. Bei dieser Gelegenheit stellte
Herr Dr. Jucho den Antrag einer Bittschrift an die Reichsversammlung wegen Aufhebung des Belagerungszustandes, indem er zwar anerkannte, daß die Verfügung desselben am 19. September nöthig gewesen
sei, auch daß die Reichsversammlung in ihren Beschlüssen hierüber vom allgemeinen Gesichtspunkte geleitet werden müsse, indessen hervorhob, daß sich die Umstände wieder verändert hätten und daß
immerhin die Berathungen und Versammlungen der Bürgerschaft in der Verfassungs-Angelegenheit dadurch gehemmt würden. Andererseits wurde bemerkt, daß die speziellen Angelegenheiten von Frankfurt die
deutsche Reichsversammlung in ihren Beschlüssen über allgemeine wichtige Gegenstände nicht bestimmen könnten, noch dürften, auch der Belagerungszustand der Entwickelung der Verfassungs-Angelegenheit
wenig Eintrag thun werde. Der Antrag des Hrn. Dr. Jucho wurde mit 14 gegen 12 Stimmen angenommen.
[(Fr. J.)]
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[
!!!
] Frankfurt, 13. Oktober.
Tagesordnung.
1. Berathung der Anträge der Abgeordneten Schoder, v. Trützschler und Graf Wartensleben, die Art der ferneren Berathung der Grundrechte und des Verfassungsentwurfs betreffend.
2. Berathung über den vom Abgeordneten v. Trützschler, Namens des Prioritäts-und Petitionsausschusses erstatteten Bericht über mehrere an die Reichsversammlung gelangte Adressen.
3. Berathung über den vom Abgeordneten Scheller, Namens des Verfassungsausschusses erstatteten Bericht über den Antrag des Abgeordneten Schober, die Ermäßigung der Civillisten betreffend:
4. Berathung über den vom Abgeordneten Dröge, Namens des volkswirthschaftlichen Ausschusses erstatteten Bericht über die von den Vorstehern der Kaufmannschaft in Stettin, Stolp etc. eingegangenen
Petitionen.
5. Berathung über den vom Abgeordneten v. Buttel, Namens des Prioritäts-und Petitions-Ausschusses erstatteten Bericht über den Antrag des Abgeordneten Bresgen, die Stellung der Abgeordneten
betreffend.
6. Berathung über den vom Abgeordneten Adams, Namens des Prioritäts-und Petitions-Ausschusses erstatteten Bericht über eingekommene Adressen, die Beschlüsse der Reichsversammlung betreffend.
7. Berathung über den Bericht des Ausschusses für die Geschäftsordnung, die Abstimmung der Mitglieder betreffend.
8. Berathung über den vom Abgeordneten Rödinger, Namens des Prioritäts-und Petitionsausschusses erstatteten Bericht, wegen der Staatsschuld des ehemaligen Königreichs Westphalen.
9. Ersatzwahl in die Ausschüsse für Geschäftsordnung und die österreichisch-slavischen Fragen.
Vor der Tagesordnung.
Ruge schreibt an den Präsidenten, man möchte seinen Stellvertreter einberufen, weil er bis zum Januar 1849 verhindert sei, die Sitzungen zu besuchen.
Präsident will dies als Austritt betrachten.
Wiegard: Dies sei noch kein Austritt. Das Bureau müsse Herrn Ruge darauf aufmerksam machen, daß solch zeitweises Einberufen eines Stellvertreters unstatthaft.
Schneer: Es müsse Herrn Ruge die Geschäftsordnung bekannt sein, die das Einberufen eines Stellvertreters auf Zeit nicht zuläßt.
Die Versammlung genemigt (nach Antrag Wiegards) Hrn. Ruge noch so lange als Mitglied zu betrachten, bis seine Antwort auf das Anschreiben des Bureau angelangt ist. 3/4 der Versammlung genehmigten
den Antrag.
Der Petitionsausschuß beantragt:
„ Alle Petitionen und Eingaben, welche in den Geschäftskreis des Reichsministerii einschlagen, ohne weiteren Vortrag in der Versammlung dem Reichsministerium zu überweisen.“
Mit Ausnuhme der Linken wird der Antrag von der Versammlung genehmigt.
Langerfeldt (Namens des Simon-Schlöffel-Zitz-Blum-Güntherschen Verhaftungsausschusses) zeigt an, daß der Bericht fertig ist. Der Antrag lautet auf Erlaubniß zur Fortführung der Untersuchung,
aber Richtzulässigkeit der Verhaftung.
Jetzt folgt ein Heer von Interpellationen.
Vógt interpellirt wegen der Verhältnisse der Centralgewalt zur Schweiz.
1. Es sei eine Note an die Eidgenossenschaft übergeben worden, welche weit früher, als offiziell-möglich, in der Ober: Postamts-Zeitung gestanden. Wie dies möglich? 2. Welche Antwort das
Reichsministerium auf die schweizerische Note ertheilt und ob dasselbe Schritte gethan, das gestörte Verhältniß zwischen Deutschland und der Schweiz wieder herzustellen? Ob ferner das Ministerium es
künftighin unterlassen würde (Gelächter. Links: Ruhe!), dergleichen Noten zu erlassen, welche mit den Grundsätzen der Humanität nicht im Einklange stehen? (Lautes Bravo!)
Wichmann (Assessor aus Preußen) interpellirt ebenso (d. h. gerade entgegengesetzt) über die Schweiz: 1. Ist das Ministerium gesonnen, Genugthuung zu fordern für die durch die schweizerische
Note der Centralgewalt angethane Beleidigung. 2. Ob das Reichsministerium seine Note an die Schweiz aufrecht erhalten werde? (Gelächter.)
Vogt (mit einer zweiten Interpellation) hat das Ministerium offizielle Nachrichten über die österreichischen Verhältnisse? Hat ferner das Ministerium Vorkehrungen getroffen, Wien in
Belagerungszustand zu setzen u. s. w. (Lautes Bravo!)
Wagner aus Oesterreich interpellirt, ob es wahr ist, daß das Reichsministerium Reichstruppen gegen Wien entsendet u. s. w. (Bravo!)
Venedey interpellirt, wegen der Schweiz wie oben.
Schultz aus Freiburg interpellirt, welche Maßregeln das Reichsministerium ergriffen zum Schutz der deutschen Interessen in der Moldau und Wallachei. (Vergnügte Aufregung. Bravo. Gelächter.
Alles sieht auf Schmerling, dem dieser Berg von Interpellationen aufgebürdet wird)
Wesendonk (Interpellation): 1. Ist es wahr, daß das Reichsministerium unterm 20. September der baierischen Regierung gegenüber erklärt,
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daß das konstitutionell-monarchische Prinzip in den Staaten Deutschlands immer gewahrt werden soll? Und mit welchem Recht das Reichsministerium eine solche Erklärung abgeben könne?
Simon aus Trier interpellirt in Betreff der Wahl von Würth in Hohenzollern-Siegmaringen zur National-Versammlung. Diese Wahl sei fast mit Stimmenmehrheit geschehen, aber noch nicht vollzogen
(Bravo!)
Jahn (furchtbares Gelächter) interpellirt das Reichsministerium (hört!), ob es Kunde habe von einer ungeheuren geheimen und entsetzlichen Demokratenverschwörung und beabsichtigten großen
Meuterei und Mezelei, welche in Berlin in diesen Tagen zur Ausführung kommen soll? (Ungeheure Heiterkeit Bravo links. Schmerling lacht).
Präsident: Das Reichsministerium wird alle Interpellationen bis Montag beantworten.
Schmerling antwortet auf eine Interpellation Beda-Webers wegen der Trennungsverhältnisse von Welsch- und Deutsch-Tyrol. Es lasse sich voraussetzen, daß das österreichische Ministerium die
von der Reichsversammlung Betreffs Tyrol gefaßten Beschlüsse aufrecht erhalten werde.
Weber behält sich einen Antrag vor.
Jordan aus Berlin hält es für gut, den Mord von Auerswald und Lichnowsky der Versammlung abermals ins Gedächtniß zu rufen, indem er die Verlesung der beiden durch die Zeitung längst
bekannten Adressen der Wahlmänner jener beiden Abgeordneten an die National-Versammlung beantragt.
Dieser Antrag wird mit Ausnahme weniger Mitglieder von der Versammlung angenommen.
Der Präsident Gagern selbst verliest die Adessen. Sie werden mit tiefer Stille angehört.
Benedey beantragt dringlich:
„Das Reichsministerium solle auf jede Weise den Wiener Reichstag in Schutz nehmen und die deutschen Truppen erforderlichen Falls zur Verfügung des Reichseags stellen.“ (Bravo
links.)
Hierzu wird ein Zusatzantrag eingegeben, welcher eine Kommisson von 15 Abgeordneten verlangt zur Prüfung aller bezüglich Oesterreich eingehender Anträge.
Diese beiden Anträge bleiben vorläufig unberührt, weil auf die Frage des Präsidenten, obwohl mit sehr zweifelhafter Majorität, beschlossen wird, zur Tagesordnung überzugehen.
Tagesordnung. 11 Uhr. Simson präsidirt.
Ueber den Punkt 1 derselben (s. oben) sprechen Beseler, Mölling, M. Mohl (dieser unter Schlußruf) alle drei ohne Theilnahme
Rauwerk: (Schluß.) Man solle bei den Grundrechten bleiben, nicht zu etwas anderm z. B. zur Berathung des Verfassungsentwurfs übergehen. Die Grundrechte möchten uterdessen versauern. (Murren.
Bravo!) Empfiehlt Schoders Antrag. Das deutsche Volk möchte vielleicht einmal einen „kühnen Mißgriff“ thun. (Bravo links und Centren).
Plathner stimmt mit Schoder theilweise überein. Erklärt sich gegen v. Trützschlers Antrag. Ein energisches Mittel zur Verkürzung der Berathungen müsse gefunden werden. Aber er hofft, man
wird dem deutschen Volke seine Grundrechte bald bieten können, ohne (wie Hr. Rauwerk meint) daß das deutsche Volk nöthig haben wird, nochmals einen kühnen Griff zu thun. (Links höhnisch Bravo).
Graf Wartensleben glaubt, sein Antrag spreche genügend für sich selber etc.
Waiz: Die dem Verfassungsausschuß gemachten Vorwürfe der zu geringen Thätigkeit habe derselbe nicht verdient. (Schluß!)
Der Schluß der Debatte wird angenommen und es sprechen noch die Antragsteller Schoder und v. Trützschler.
Hierauf gibt Herr Vicepräsident Simson noch allen Antragstellern aus eigener Machtvollkommenkenheit gegen die Geschäftsordnung das Wort und will sogar zuletzt noch Hrn. Beseler das Wort geben, weil
derselbe (aber viel zu spät) im Namen der Majorität des Verfassungsausschusses zu Schoders und v. Trützschlers Antrag, vier Anträge hinterdrein gestellt hat. Hierdurch erhebt sich eine lange, heftige
und parteigehässige Debatte und Tumult. Endlich wird Hrn. Beseler, obschon mit schwacher Majorität, das Wort nicht gegeben. (Bravo links und Gallerien.) Es erfolgt daher, nach einer längeren Debatte
über die Fragestellung, die Abstimmung.
Abstimmung.
Ein Antrag des Verfassungsausschusses.
„Den noch nicht berathenen Theil der Grundrechte vorläufig zurückzustellen, damit die Abschnitte über Reich und Reichsgewalt unverzüglich zur Berathung kommen können“ wird mit
schwacher Majorität angenommen.
Ein Antrag von Schoder:
Die Nationalversammlung wolle ihren Willen dahin aussprechen: „daß der Verfassungsausschusses sogleich die gefaßten Beschlüsse über die Grundrechte zusammenstelle und die Zusammenstellung so
zeitig drucken lasse, daß die zweite Berathung und Abstimmung so schleunig als möglich beginnen könne“, wird bei Zählung mit 184 Stimmen gegen 170 Stimmen abgelehnt.
Ein Antrag des Verfassungsausschusses:
„Den Theil der Grundrechte, welcher nach Schoders genehmigten Antrag nach der zweiten Lesung herausgegeben werden soll, zu schleuniger Revision (!) behufs der zweiten Lesung an den
Verfassungsausschuß zurückzugeben“, wird mit schwacher Majorität angenommen.
von Trützschlers Anträge:
„Wir beantragen daß bei der zweiten Berathung der Grundrechte folgende Bestimmungen beobachtet werden:
1) Es wird kein Amendement zugelassen, welches nicht von wenigstens 50 Abgeordneten unterschrieben ist.
2) Zur Begründung eines von wenigstens 50 Abgeordneten gestellten Amendements wird einem Redner, den die Unterzeichner erwählen, das Wort gegeben.
3) Nach Beendigung der Rede desselben wird die Frage, ob Discussion verlangt werde, gestellt.
4) Wenn wenigstens 100 Abgeordnete die Discussion verlangen, so wird dieselbe eröffnet, und zwischen den Rednern für und gegen das Amendement abgewechselt, in der Weise, daß ein Redner gegen das
Amendement beginnt.
5) Zuletzt erhält der Berichterstatter des Ausschusses das Wort, und zwar in jedem Falle, mag die Discussion beschlossen sein oder nicht,“ werden verworfen.
Angenommen wird ein Antrag des Verfassungsaasschusses: „für den vorliegenden Theil des Verfassungsentwurfs eine zweite Lesung ebenfalls festzusetzen, und drei wöchentliche Sitzungen für die
Berathung der Verfassung (beginnend mit nächstem Montag) zu bestimmen, die übrige Zeit den Grundrechten zu widmen.“
Hierauf werden die Wahlzettel zu den Ersatzwahlen ad 9 der Tagesordnung eingesammelt.
Punkt 2 der Tagesordnung (S. oben)
wird durch Annahme des Antrags: „Die hohe Nationalversammlung wolle sämmtliche (unten) angegebene Eingaben ohne weitere Beschlußfassung ad acta nehmen“, erledigt.
Punkt 3 der Tagesordnung (S. oben).
Schoder (mit der Uhr in der Hand): „Meine Herren, es ist 1/2 2 Uhr, (Gelächter) man wird diesen vorliegenden Punkt nicht mehr genügend erörtern, ich bitte ihn auf eine der nächsten
Tagesordnungen zu setzen.“
Dies wird verworfen. ‒ Die Diskussion beginnt mit Schoder.
Schoders Antrag lautet:
„Die Nationalversammlung wolle ihre feste und unumwundene Ueberzeugung dahin aussprechen, daß in denjenigen Ländern, wo die Leistungen des Staats für den Regenten und seine Familie
(Civilliste, Nadel- und Sustentationsgelder, Apanagen u. s. w.) nicht in richtigem Verhältnisse mit den Kräften des Volkes stehen, eine gleichbaldige Verzichtleistung des Regenten und der betreffenden
Angehörigen seiner Familie auf einen entsprechenden Theil der ihnen nach den bis jetzt bestehenden Gesetzen aus der Staatskasse zu leistenden Gelder dringend nothwendig sei.
Der Ausschuß hat über diesen Antrag einfache Tagesordnung beantragt. Schoder findet, daß dieser Antrag mit etwas Leichtigkeit und Oberflächlichkeit gefaßt sei. ‒ Schoder spricht von dem
sogenannten republikanischen Rechenexempel; welches die den Fürsten seit 33 Jahren gespendeten Millionen mit der Einfachheit einer republikanischen Verfassung vergleicht. Machen Sie es nicht so wie
der Bundestag, der sich competent erklärte für die Rechte der Fürsten und Verbindlichkeiten der Völker, aber incompetent für die Verbindlichkeiten der Fürsten und Rechte der Völker. (Lauter
Beifall).
Remer (Stuttgart) für den Antrag des Ausschusses, welcher es unpassend gefunden, einen solchen Wunsch wie Schoders Antrag enthält, den Fürsten gegenüber auszusprechen. ‒ Für die
Mediatisirung der kleinern Fürsten. (Bravo).
Vischer (Tübingen) hält einen metaphorischen Vortrag für Verminderung der Civillisten. Zweierlei Heilmethoden sind für den Unwillen des Volkes denkbar. Die eine ist die Chirurgisch, d.h. die
mit Kartätschen und Kanonen, und diese ist jetzt beliebt. ‒ Ich halte nur die homöopathische Heilmethode hier für anwendbar. (Bravo). Schluß! Vertagung! ‒ Tumult! Der Schluß der Debatte
wird abgelehnt. Die Vertagung dito.
Michelsen: für den Antrag auf Tagesordnung (erregt großes Mißfallen links!)
Mittlerweile geht ein Antrag von Nauwerk ein, welcher geoße Heiterkeit erregt, weil er die Civillisten der Fürsten nach dem bürgerlichen Maß herabsetzen will.
Michelsen's Rede erregt mißbilligende Aeußerungen links.
Schaffrath vom Platz: „Der Redner ist nicht bei der Sache!“
Schlöffel vom Platz widerspricht einigen falschen Insinuationen des Redners.
Präsident ruft Schlöffel zur Ordnung
Schlöffel bemerkt etwas.
Präsident nennt Schlöffels Betragen „unschicklich!“
Gottschalk widerlegt den vorigen Redner aus Erfahrung. Man habe dem Volk noch keine Erleichterungen gebracht bis jetzt. (Sehr wahr! links). Wir müssen zuförderst dahin blicken, wo
verschwendet wird, auf die großen Civillisten. Im Namen der Ruhe, Freiheit und Einheit des Vaterlandes fordere ich Sie auf, fassen Sie einen andern Beschluß als der Ausschuß beantragt. ‒ Der
Bericht soll nochmals an den Ausschuß zu näherer Prüfung zurückgegeben werden. Behält sich namentliche Abstimmung für den Antrag des Ausschusses vor.
Wesendonk bringt noch eine motivirte Tagesordnung, obschon freilich mit andern Motiven als der Ausschuß.
von Vinke rügt den Präsidenten wegen einer Verletzung der Geschäftsordnung, betreffend die Abstimmung über den Schluß der Debatte
Schlöffel nimmt das Wort in einer persönlichen Angelegenheit, beginnt aber seine Rede mit einer Einleitung, die sich auf die Hungerpest in der Provinz Schlesien bezieht. Im Ganzen scheint
Schlöffel darauf hinaus zu wollen, den Abgeordneten Michelsen wegen dessen eben gehaltener Rede (S. oben) anzugreifen. Schlöffel kommt aber nicht zum Worte. Die Centren toben gegen ihn. Der Präsident
in der höchsten Aufregung und heftigem Zorn verlangt, daß Schlöffel von der Tribüne herunter soll. Die Centren unterstützen den Präsidenten durch das Geschrei: „herunter!“ Durch Wigard
bewogen, verläßt endlich Schlöffel die Tribune.
Die Debatte wird geschlossen. Es spricht der Berichterstatter Scheller. Man ist sehr unruhig und ruft häufig Schluß.
Gottschalk beantragt die namentliche Abstimmung für die Anträge des Ausschusses Wird nicht genügend unterstützt.
Die einfache Tagesordnung über Schoders Antrag wird angenommen. ‒ Hierauf wird um 3 Uhr die Sitzung vertagt.
Morgen keine Sitzung.
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Frankfurt, 13. Okt.
Die Abgeordneten Blum, M. Hartmann, Fröbel, Boczek und Trambusch sind heute nach Wien ab gereist. Sie überbringen dorthin folgende, von etwa 130 Mitgliedern der Nationalversammlung unterzeichnete
Adresse: „An die Wiener! Eure großartige Erhebung hat unsere ganze Bewunderung erregt. Der blutige Kampf, den Ihr so glorreich bestanden habt, ist auch für uns, Eure Brüder, bestanden worden.
Wir wissen, daß Ihr auch ferner wie bisher fortfahren werdet in Euren Bestrebungen, und daß Ihr dem übrigen Deutschland voranleuchten werdet durch Mannes Muth und Energie. Wir senden Euch fünf unserer
Freunde, um unsere ungetheilte Hochachtung und unsere innige Dankbarkeit für Eure Verdienste um die Freiheit auszudrücken.“
[(Fr. I.)]
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Frankfurt.
Das Frankfurter Journal enthält folgende Erklärung:
„Die heutige Nr. der Ober-Postamts-Zeitung (das Organ des Reichsministeriums) enthält mehrere Mittheilungen aus Briefen, welche sich einige schwarzgelbe Männer aus Wien schreiben ließen. Es
wird in diesen anonymen Mittheilungen über die letzte Bewegung in Wien auf die frechste Weise der Wahrheit ins Gesicht geschlagen, und so weit gegangen, zu behaupten, daß ungarisches Geld die
Bürgererhebung verursacht habe. So versucht man auf unverantwortliche Weise das Sträuben der deutschen Bevölkerung Wiens und der dortigen deutschen Garnison in die Schlinge der schwarzgelben Politik
zu ziehen, welche Oestreich und Deutschland an Rußland verkaufen will, als eine gemeine Verschwörung darzustellen. Die Unterzeichneten können nicht umhin, ihre gerechte Entrüstung über diese neue
schwarzgelbe Persidie auszudrücken und ihr Bedauern auszusprechen, daß das Ministerium sein Organ nicht besser beaufsichtigt.
Frankfurt, den 11. Okt. 1848.
Joseph Rank, Abg. aus Böhmen.
Reitter, Abg. aus Böhmen.
M. Hartmann, aus Böhmen.
Berger, aus Wien.
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[
109
] Düsseldorf, 14. October.
Ich habe Ihnen heute zu berichten, zu welchem Resultate vorläufig der Appell an den Geldsack geführt hat, welchen unsre Arbeiter auf die Antwort des Stadtraths, daß ihm die finanzillen Mittel
fehlen, sie weiter zu beschäftigen, eingelegt haben. Plakate, wie sie bereits wissen, wurden von den Arbeitern an den Straßenecken angeschlagen, in würdiger und fast rührend einfacher Weise ihre
erbarmenswürdige Noth und das ewige Recht des Menschen auf Arbeit hervorhebend. Gestern sollte eine aus 3 Mitgliedern bestehende Deputation der Arbeiter bei der Bürgerschaft mit Subseriptionslisten
herumgehen, damit diese durch freiwillige Zeichnungen von Beiträgen, den Gemeinderath in den Stand setze, die öffentlichen Arbeiten wieder aufnehmen zu lassen.
Die „weichen Herzen“ unsrer Bourgeoisie und allerlei andere Erwägungen würden dieselbe gewiß bestimmt haben, reichliche Mittel dem Gemeinderath zur Disposition zu stellen. Es wurde
hier an jeden Einzelnen die Forderung gestellt, die philantropischen Mitleidsphrasen mit der hülflosen Lage unsrer Arbeiter entweder zu behtätigen, ‒ oder sie entschieden zu desavouiren.
Aber eben deshalb mißfiel die Sache unsrer fetten Bourgeoisie ganz ausnehmend. Sie wissen, wie feig diese Klasse in Deutschland ist, wenn sie als einzelne Persönlichkeiten mit Meinungen und
Handlungen hervortreten soll; sie findet erst immer ihre Courage, wenn sie sich hinter ihre ganze Kaste, ihre Corporationen und Obrigkeiten verkriechen kann. Das war aber eben diesmal, das Faktische
der von den Arbeitern beschlossenen Maßregel, daß dadurch die Einzelnen als solche angegangen und die Achillesse des Geldsacks an der Ferse ihrer persönlichen Unselbstständigkeit und eiteln
Schwäche gefaßt werden sollten. Wie eine erschreckte Hürde Lämmer steckten sie ihre Köpfe zusammen; der Gemeinderath berieth, der Regierungspräsident berieth, was nur je Altenstaub in seinem Leben
gekostet hatte berieth, wie diese unverschämte Demaskirung ihrer und ihrer Sippe Mägen, auf welche die Arbeiter so naiv losgingen, zu verhindern sei. Endlich wurde auch dafür ein Vademecum gefunden.
Noch spät Abends am 12. d. erschien folgende Bekanntmachung:
„Ein an verschiedenen Straßenecken angeheftetes und in mehreren Häusern der Stadt abgegebenes Plakat, überschrieben: „Bitte um Arbeit!“ veranlaßt das unterzeichnete
Oberbürgermeisteramt, auf das Ungesetzliche dieses Schrittes aufmerksam machen. Nicht nur die unbefugten Collectanten, sondern auch diejenigen, welche ihnen Beiträge geben, sind
straffällig. Es erfolgt daher an unsere Mitbürger die Aufforderung, diesem unbefugten Cellectiren in keiner Weise Vorschub zu leisten. Gemeinderath und städtische Verwaltung werden fortfahren
Alles aufzubieten, um der Noth, wo sie wirklich vorhanden ist, entgegen zu wirken und zu diesem Zwecke die Mithülfe der Bürgerschaft in Anspruch zu nehmen, es wird aber auch jedem unbefugten
Eingreifen in ihren Wirkungskreis mit allen gesetzlich zustehenden Mitteln entgegen getreten werden.“
Düsseldorf den 12. Oktober 1848.
Das Oberbürgermeister-Amt, W. Dietze erster Beigeordneter.
Sie werden lachen und meinen, unser Beigeordneter habe einen durchaus willkührlichen und gesetzlosen Akt begangen. Wie läßt sich Collectiren zu einem erlaubten und unbestreitbar verdienstlichen
Zwecke, wie in aller Welt läßt sich besonders das Beisteuern zu einer Collecte verbieten! Wie kann man das milde Herz, das einen Beitrag gibt, für „straffällig“ erklären! Aber in
Deutschland ist die Willkühr nur möglich im Interesse der Freiheit. Im Interesse der Unfreiheit, des Zwanges, der Bevormundung und des Unsinns kann man bei uns gar nicht willkührlich sein, denn
alle Willkühr liegt bei uns schon in den Gesetzen selbst. Es gibt nichts, was die Willkühr unsrer Gesetze noch übertreffen könnte. Und so habe ich denn nach langem Suchen richtig ein
Regierungsrescript, gegeben in Düsseldorf am 31. Januar 1828, entdeckt, worin es heißt, daß „da die Bürger so ofmit Collecten „belästigt“ würden, jeder Collectant fortan
von einem hohen Ober-Präsidio der Rheinprovinz erst die Erlaubniß beizuholen habe“; ferner
1) „derjenige, welcher ohne eine bei sich tragende (!) die Autorisation der höheren Behörde zu einer Collecte beurkundende amtliche Bescheinigung auf dem Collectiren betrof- wird,
verfällt in eine Polizeistrafe von drei bis fünf Thaler vorbehaltlich der in den Gesetzen bestimmten höheren Strafe.
2) Auch diejenigen, welche dergleichen unbefugten und nicht gehörig legitimirten Collectanten einen Beitrag geben, sollen den Umständen nach mit einer Geldbuße von 10 Sgr. bis 3 Thlr.
bestraft werden.(!!)
Um also den Bürgern die Belästigung durch Collecten zu ersparen, findet die liebevolle Düsseldorfer Regierung für gut, die Bürger selbst da, wo sie zu der Collecte beigetragen haben und wo also
doch die Präsumtion vorliegt, daß die Collecte sie nicht belästigt, sondern von denselben gebilligt worden sei, für die gehabte Belästigung mit einer Strafe von 10 Sgr. bis 3 Thlr. zu
entschädigen!
Es braucht übrigens kaum erwähnt zu werden, daß dieses Rescript vom 31. Jan. 2[unleserlicher Text], auf welchem die Bekanntmachung des Beigeordneten allein beruht, auf den vorliegenden Fall durchaus nicht paßt.
Was unsre Arbeiter beabsichtigten, war keine Collecte zu nennen, 1) weil sie keine Beiträge selbst in Empfang nahmen, sondern nur auf Subscriptionslisten die Erklärung
sammeln wollten, wieviel jeder Bürger, nicht ihnen, sondern dem Gemeinderath zur Fortsetzung der Arbeiten zur Disposition stellen wollen. Collecte kann aber nur eine Einsammlung von materiellen
Beiträgen, nicht eine „Einsammlung von Erklärungen“ benannt werden; 2) ist eine Collecte nur eine Sammlung von Geschenken, von materiellen Leistungen, für welche keine
Gegenleistung gegeben wird. Wenn Jemand ein Buch schreibt und Subscriptionslisten dafür herumgehen läßt, so kann das keine Collecte genannt werden. Es ist dies ein einfaches Geschäft, weil jeder
Subseribent als Gegenleistung ein Exemplar des Werkes erhält. Eine Collecte wäre hier vorhanden, wenn die Arbeiter Geld zur Vertheilung unter sich etc. sammelten. Die Arbeiter aber wollen für die
freiwilligen Beiträge, welche dem Gemeinderath und nicht ihnen entrichtet werden sollen, und welche sie selbst nur in der Form des Lohnes erhalten wollen als Gegenleistung Arbeiten
verrichten, welche der Stadt und somit jedem Bürger zu Gut kommen. Es ist also hier nichts weniger vorhanden als ein Geschenk und eine Collecte; es ist vielmehr eine industrielle Operation. Das Alles
weiß Herr Dietze so gut, wie Sie und ich, und es ist allerdings eine nicht geringe Persidie in seiner Bekanntmachung stets von „Collectanten“ zu sprechen, während keine Collecte vorliegt
und so unter gesetzlichem Scheine ein ungesetzliches Verbot zu erlassen. Aber was nützt das Alles! Die Bekanntmachung ‒ und gerade darum ist ihre Persidie so groß ‒ erreicht dennoch
trefflich ihren Zweck. Denn wenn jetzt unsere Arbeiter zu den Bürgern mit ihren Subscriptionslisten herumgingen und wenn sie ihnen noch so treffend bewiesen, das, warum es sich handle, sei keine
Collecte, und es ginge sie daher die Bekanntmachung des Herrn Dietze nichts an, ‒ unsere Bourgeois würden ihnen die Hände drücken, mit thränenden Augen versichern, ihre Noth rühre sie tief,
Kisten und Kasten hätten bereits offen gestanden, ihnen zu helfen, ‒ wenn nur diese verwünschte Bekanntmachung des Beigeordneten nicht gekommen wäre! Jetzt aber ginge es beim besten Willen
nicht mehr! Man könne doch nicht „straffällig“ werden, man müsse doch den Gesetzen seines Landes nachleben etc.
Da haben sie einen Bourgeois-Kniff in seiner faustdicken plumpen Schlauheit.
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103
]Berlin, 13. Oktober.
Sitzung der Vereinbarer-Versammlung. Nach Eröffnung der Sitzung wird eine königl. Botschaft verlesen, worin der Versammlung angezeigt wird, daß dieselbe, vor der Ertheilung der königl. Sanktion,
das Gesetz wegen Abschaffung der Todesstrafe vom 8. August, einer nochmaligen Berathung zu unterwerfen habe, und wird vom Ministerium zugleich eine neue desfallsige Gesetzvorlage gemacht. Der §. 1
dieses neuen Gesetzes lautet:
§. 1. Die Todesstrafe ist fort [unleserlicher Text] nur zulässig im Falle eines Kriegs- oder Belagerungszustandes, für alle andern Fälle ist sie abgeschafft.
In Rücksicht auf den am 15. d. M. stattfindenden Geburtstag des Königs hat die Präsidial- und Direktorial-Konferenz beschlossen, mit Zuziehung einer durch das Loos zu bestimmenden Deputation von 25
Mitgliedern, dem Könige im Namen der Versammlung, ihren Glückwunsch darzubringen. Die Versammlung genehmigt diesen Vorschlag des Präsidenten stillschweigend.
Unter den durch das Loos bestimmten 25 Mitgliedern zur Gratulationsdeputation befinden sich auch mehrere Mitglieder der äußersten Linken, wie Schramm, Esser u. A. Der König wird zur Feier
seines Geburtstages sich hier einfinden.
In Folge des noch immer fortdauernden gesetzwidrigen Belagerungszustandes der Stadt Posen hat der Abg. v. Pokrzywuicki folgenden dringenden Antrag gestellt:
„Die Versammlung wolle beschließen, daß das Staatsministerium aufzufordern sei, den Belagerungszustand der Festung Posen innerhalb 24 Stunden aufzuheben, oder in gleicher Frist die
Zustimmung der Versammlung zum Fortbestande dieser Maßregel einzuholen.“
Der Minister-Präsident nimmt schon von Verlesung dieses Antrages das Wort und erklärt, daß er, in Folge seines der Versammlung gegebenen Versprechens, im Falle der Belagerungszustand der
Stadt Posen nothwendig wäre, die nöthigen Vorlagen zur Einholung der Genehmigung dieser Versammlung machen würde. Es seien ihm aber von Posen noch keine genügende Berichte zugegangen, obgleich die
dortigen Beamten die Fortdauer des Belagerungszustandes verlangen. Um nun die Sache zu erledigen, hat das Ministerium heute einen besonderen Commissaarius nach Posen gesendet, um sich in jeder
Hinsicht Aufklärung zu verschaffen. Der Minister verspricht in 8 Tagen der Versammlung jedenfalls die nöthige Vorlage zu machen und bemerkte nur noch, daß der Belagerungszustand in Posen auf die
mildeste Weise ausgeführt werde, da keine Bestimmung der Habeas-Corpus-Acte verletzt, die Preßfreiheit vollständig gewährt und nur das freie Vereinigungsrecht beschränkt werde. ‒
Abg. v. Pokrzyvincki: In der Sitzung vom 5. d. M. hat der Minister-Präsident v. Pfuel erklärt, daß er die Aufhebung des Belagerungszustandes der Festung Posen für den Fall angeordnet habe,
wenn nicht eingetretene Umstände den Fortbestand nöthig machen sollten, in welchem Falle er den Beschluß der Versammlung entgegennehmen wolle. Wiewohl seither schon 8 Tage verflossen sind, während
welcher dieser Gegenstand füglich erledigt werden konnte, ist der Versammlung bisher weder die Aufhebung des Belagerungszustandes bekannt gemacht, noch die Genehmigung des Fortbestandes desselben
eingeholt worden. Darin liegt eine rechtswidrige Handlung des Ministeriums gegenüber der Versammlung und zugleich eine Rechtsverletzung der Einwohner Posens polnischer Nationalität, die um so schwerer
ist, weil die dortigen Behörden, wie dem Ministerium bekannt geworden und bisher nicht gerügt worden ist, den Belagerungszustand vorschützend, auch solche Grundrechte verkümmern, die selbst im Falle
eines Krieges oder Aufruhrs nicht suspendirt werden können. Jede Rechtsverletzung, die von der Regierung ausgeht, mehrt leicht begreiflich den Haß des bedrückten Volkes, und das muß im vorliegenden
Falle um so mehr geschehen, als die vom Staats-Ministerium am 9. d. M. nachgesuchte Anmestie einiger bei der letzten Schilderhebung im Großherzogthum Posen betheiligter Personen, so sehr alles
Rechtsgefühl und das erste Prinzip der Gerechtigkeit, die Gleichheit Aller vor dem Gesetze, verletzt, daß sie nicht, wie beabsichtigt worden, Versöhnung der beiden Nationalitäten der Provinz Posen,
sondern nur Zorn und Erbiiterung des tief verletzten Theils herbeiführen kann.
Abg.
Senger (aus Posen) behauptet, daß die Ruhe der Stadt Posen gefährdet sei, wenn der Belagerungszustand aufgehoben wird. Die Stadtverordneten in Posen haben sich ebenfalls für die
Fortdauer des Be-
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lagerungszustandes erklärt, und da die Stadtverordneten die Stadt vertreten, so ist anzunehmen, daß die ganze Stadt die Aufhebung des Belagerungszustandes gar nicht wünsche.
Abg. v. Pokrzywnicki erwidert, daß die Ruhe der Stadt Posen seit dem 10. März auch nicht einmal gestört worden sei, sowohl vor Erklärung des Belagerungszustandes als während desselben. Es
sei dort weder Blut geflossen noch Barrikaden gebauet worden. Die deutsche Bevölkerung fühle zwar den Belagerungszustand nicht, da derselben das freie Vereinigungsrecht und das Tragen von Waffen
erlaubt ist, während man dies der polnischen Bevölkerung hartnäckig verweigert.
Nachdem die Debatte noch einige Zeit fortgedauert, wird der Schluß der Debatte verlangt und angenommen. Der Antragsteller verlangt hierauf vom Ministerium, daß es seine Vorlagen bis Dienstag machen
solle, dann würde er seinen Antrag zurücknehmen. ‒ Der Minister Eichmann versicherte aber dies nicht vor Freitag thun zu können und auch damit erklärte sich der Antragsteller endlich
einverstanden.
Auf der Tagesordnung ist heute zuerst die End-Abstimmung über das neu redigirte Bürgerwehrgesetz. ‒ Eine Masse von Protesten sind dem Präsidium in der Central-Abtheilung bereits im Laufe
dieser Woche übergeben worden. Noch vor der Abstimmung übergeben viele Abgeordnete mit vielen Tausend Unterschriften versehene Proteste. Große Heiterkeit erregte ein vom Abg. Jung dem
Präsidenten übergebener Monster-Protest, der in Form einer sehr langen Papierrolle ohne Ende, von der Tribüne herunter, nach der Art wie Leporello im Don Jouan seine 1003 dem Publikum vorhält, den
Herrn Vereinbarern vor die Augen geführt wurde. ‒ Trotz den vielen Protesten wird das Gesetz dennoch nach namentlicher Abstimmung mit 233 gegen 116 Stimmen angenommen. Nur die äußerste Linke
stimmten gegen das Gesetz.
Auch das transitorisiche Gesetz, wodurch einige Bestimmungen des Bürgerwehrgesetzes, als die Ableistung des Eides, die Ablieferung der Waffen nur nach Annahme der Verfassung in Kraft treten sollen,
wird nach namentlicher Abstimmung mit 243 gegen 83 Stimmen angenommen.
Auch das neu redigirte Jagdgesetz wird nach namentlicher Abstimmung mit 285 gegen 41 Stimmen angenommen und werden diese drei Gesetzentwürfe der Krone zur Erklärung vorgelegt werden.
Die Fortsetzung der Berathung des Gesetzes wegen Aufhebung verschiedener Lasten und Abgaben ist ohne weiteres Interesse und wird auch morgen noch mit der Berathung desselben fortgefahren
werden.
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103
] Berlin, 14. Okt.
Sitzung der Vereinbarer-Versammlung
Nachdem ein dissentirendes Votum der äußersten Linken gegen das Gesetz zur Errichtung der Bürgerwehr verlesen war, brachte der Abg. Harrossowitz, in einer persönlichen Bemerkung seine heute
in den Zeitungen offiziell verkündigte Beförderung zur Sprache. Er glaubt, daß seine Beförderung zum Kriminalgerichts-Direktor, nach der Rangliste keine Beförderung sei, indem er vor wie nach nur Rath
vierter Klasse sei. Eine Gehaltszulage sei allerdings mit diesem Stellenwechsel verbunden, dies könne er jedoch nicht als eine Beförderung ansehen. Da Widerspruch gegen diese Meinung von vielen Seiten
erfolgt, wird ein desfallsiger Antrag gestellt, der sogleich der Prioritäts-Kommission überwiesen wird.
Abg. D'Ester. Die Lage der industriellen Bevölkerung in der Grafschaft Ravensberg in Westphalen ist eine so trostlose, daß sie füglich mit der der industriellen Bevölkerung in dem
schlesischen Gebirge verglichen werden kann. Der Leinenhandel, welcher schon seit Jahren den dabei beschäftigten Webern und Spinnern keine ausreichende Subsistenz mehr gewährte, liegt seit dem
Frühjahr mit allen andern Industriezweigen darnieder, und zwar in einem solchen Grade, daß eine umfassende Hilfe von Seiten des Staats gewährt werden muß, wenn die dortige Bevölkerung nicht im
bevorstehenden Winter wörtlich vor Hunger sterben soll Schon seit längerer Zeit verdiener die Weber in den von ihnen gefertigten Fabrikaten fast gar nichts, sie sind froh, wenn ihnen für ihre Leinen
der Garnpreis bezahlt wird, damit sie wenigstens ihre alten Garnvorräthe zu Gelde machen. In neueter Zeit ist es aber so weit gekommen, daß der Weber häufig nicht einmal ein Gebot auf seine Waare
bekommen kann, da die Kaufleute bei den großen Geldmangel immer weniger einkaufen und es der flehendlichsten Bitten von Seiten der Weber bedarf, hin und wieder ein Stück Arbeit zu verkaufen. So wie es
den Webern geht, geht es natürlich auch dem Spinner, der bei dem darniederliegenden Handel der dortigen Gegend und bei dem fast gänzlichen Mangel an Garnverkäufen nach auswärts ebenfalls kaum ein
Gebot für seine Gespinnste erzielen kann. Die Weber und Spinner, welche noch etwas zuzusetzen hatten, haben ihre früheren Ersparnisse, ihr Vermögen nun aufgezehrt, diejenigen, welche kein Vermögen
besaßen, leben schon seit dem Frühjahr in der drückendsten Roth, alle aber sind jetzt der Verzweiflung nahe und müssen zum Aeußersten getrieben werden, wenn ihnen nicht die Hülfe des Staates zu Theil
wird. ‒ Viele Bewohner jenes unglücklichen Landstriches haben sich um Abhülfe ihrer elenden Lage in Petitionen an die Nationalversammlung gewandt und mich mit der Ueberreichung derselben
beauftragt, zugleich mit dem Ersuchen bei der Versammlung die schleunige Erledigung dieser gewiß in hohem Grade dringenden Angelegenheit zu beantragen. ‒ Der in den Petitionen ausgesprochene
Vorschlag geht nicht auf Unterstützung, sondern auf Beschaffung von Arbeit für eine große Bevölkerung, die sich gern im Schweiße ihrer Arbeit ernähren möchte, wenn es ihr nur möglich wäre. Sie
beantragen, der Staat möge eine Kommission von Sachverständigen niedersetzen, welche während der Dauer der drückenden Geschäftsstockung, vornehmlich während des vorstehenden Winters, die in dortiger
Gegend gefertigten Leinenwaaren für Rechnung des Staats in so weit einkaufe, als die Kaufleute nicht dazu im Stande sind. Insofern die Regierung nicht in der Lage sein möchte, das zu diesen Einkäufen
nothwendige Kapital, welches sich auf 400,000 bis 500,000 Thaler veranschlage, baar anzuschaffen, möge dieselbe in Bierfeld eine Zettelbank errichten und für den Betrag der anzukaufenden Waare
Bankscheine ausgeben, die vom 1. Juni 1849 an gegen baares Geld bei allen Staatskassen eingelöst werden können. Bis dahin könnte schon zu Theil der im Laufe des Winters von der Regierung angekauften
Waaren wieder verkauft sein und mit den für die Verkäufer eingehenden Geldern die Zettelbankscheine eingelöst, demnächst aber vernichtet werden. ‒ In Betracht der Dringlichkeit der oben
angeführten Umstände beantrage ich daher:
“eine hohe Versammlung möge beschließen, die beifolgenden Petitionen, sofort der für die Angelegenheiten der Spinner und Weber gewählten Kommission zur schleuniger Berichterstattung zu
überweisen.“
Der Abg. Overbeck will gegen die Dringlichkeit sprechen, fängt aber damit an, daß er den großen Nothstand der westphälischen Spinner und Weber schildert und daß dieser Nothstand von dem Abg.
D'Ester noch mit viel zu matten Farben aufgetragen sei. Man ruft ihm zu, daß er damit nicht gegen die Dringlichkeit spreche. Er läßt sich aber nicht stören und kommt in seiner Rede endlich
darauf, daß er mit den andern Abgeordneten der Grafschaft Ravensberg bereits vor mehreren Wochen bei dem Ministerium Schritte gethan habe um dem Nothstande entgegenzutreten. Sie hätten verlangt, daß
der Staat ein großes Flachsmagazin errichte, damit der gute Flachs nicht von den Belgiern und Engländern weggekauft würde. Der Staat solle den Flachs aufkaufen und denselben den Spinnern zur Zeit
wieder ablassen. Er fügt noch einiges über die Spinner und Weber hinzu, was aber in dem sich vermehrenden Lärmen und Ruf nach Schluß nicht zu verstehen ist.
Die Dringlichkeit wird anerkannt und die Diskussion soll eröffnet werden; man schreit aber gleich nach dem Schluß der Diskussion und nur der Abg. Schulz aus Minden erhält das Wort. Er
beginnt mit folgendem Satze: „Es wird hier eine Politik gegen uns geführt, die der Nationalversammlung unwürdig ist.“ (Ruf zur Ordnung!) Der Präsident verweist den Redner. ‒
„Es gibt hier eine Partei, die uns in den Augen ihrer Committenten verdächtigen will.“ (Zur Ordnung! Zur Ordnung!) Der Präsident rügt die Verdächtigung des Redners und er hält es am
Besten die Tribüne zu verlassen. ‒ D'Ester: Ich verlange den Ordnungsruf nicht, trotzdem man mich verdächtig, das Land selbst wird diesen Ordnungsruf erlassen.
Aus dem großen Tumult und einigen andern Rednern läßt sich so viel entnehmen, daß die Abgeordneten der Grafschaft Ravensberg sich dadurch gekränkt fühlen, daß der heutige Antrag von einem
Abgeordneten der ihnen entgegenstehenden Partei und vom Abg. D'Ester, der gar kein westphälischer Abgeordnete sei, eingebracht worden.
Auch der abgetretene Handelsminister Milde nimmt seine politische Freunde, die Abgeordneten aus Westphalen noch in Schutz und gibt zu, daß schon in seinem Ministerium etwas zum Besten der
armen Spinner und Weber Westphalens angeordnet worden, welches binnen einigen Wochen wahrscheinlich ausgeführt werde.
Der Abg. Elsner, als Vorsitzender der Kommission für die Angelegenheiten der Spinner und Weber, erwähnt noch, daß diese Kommission jedenfalls in einigen Tagen ihren Bericht über die heute
eingereichten Petitionen erstatten werde und der Antrag des Abg. D'Esters wird hierauf mit großer Majorität angenommen. Milde und seine westphälischen Freunde sind darüber
wüthend.
Hierauf kommt die Angelegenheit des Abg. Harrossowitz wieder zur Sprache. Sogar die Abg. Hartmann und Tüshaus, von der rechten Seite, sehen die Ernennung des bisherigen
Kammergerichtsrath Harrossowitz zum Kriminalgerichts-Direktor, als eine Beförderung an, da sie mit einer Gehaltszulage verbunden sei und daher eine Neuwahl notwendig mache. ‒ Abg.
Kirchmann erinnert, daß er und Temme früher im gleichen Falle sich befanden und abgleich ihre Beförderung sogar wider ihren Willen geschehen war, hätten sie dennoch keinen Augenblick
gezögert, ihre Neuwahl zu veranlassen.
In Betreff dee Fragestellung erhebt sich noch ein großer Tumult. Der Präsident hatte die Frage gestellt: „ ob der Abg. Harrossowitz noch ferner Sitz und Stimme in der Versammlung behalten
solle?“ nur Wenige erhoben sich dafür; da wünschten die Freunde des Abg. Harrossowitz die negative Fragestellung, ob er Sitz und Stimme verlieren solle? ‒ Der Präsident stellt endlich
die Frage, ob die Versammlung die Ernennung des Abg. Harrossowitz als eine Beförderung ansehe, welche seine Neuwahl veranlasse? Dies wird mit großer Majorität bejahet.
Nun geht man zur Tagesordnung, der Berathung über das Gesetz wegen unentgeltlicher Aufhebung verschiedener Lasten und Abgaben über, die nur ein Interesse für die Landbewohner der diesseitigen
Provinzen hat.
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103
] Berlin, 14. Oktober.
Der König wird jedenfalls morgen zur Feier seines Geburtstages hier eintreffen. Man spricht heute von einer Proklamation des Königs „an mein Volk“, welche im Stile der
März-Proklamationen, gehalten sein wird. Dies Gerücht scheint nicht ohne Grund zu sein, denn wie im März gehet der König wieder mit dem Gedanken um, sich an die Spitze der deutschen Bewegung zu
stellen, das heißt ganz Deutschland zu beherrschen. Umsonst ist Herr Camphausen von Frankfurt nicht hierher gereist; die schließlichen Bedingungen werden in diesem Augenblick wahrscheinlich in Potsdam
festgestellt, denn so auf Gnade und Ungnade wollten sich die badenschen und die andern süddeutschen Liberalen von Ehedem nicht ergeben. Nach den jetzigen Ereignissen in Wien bleibt ihnen aber nichts
übrig, als den König von Preußen zum Kaiser von Deutschland zu machen.
Die Petitions-Kommission der Vereinbarer-Versammlung hat auf den Antrag des Kriminal-Senats des Ober-Landesgerichts zu Insterburg betreffend die Ertheilung der Genehmigung zur Einleitung der
fiskalischen Untersuchung gegen den Abgeordneten Landrath Reuter aus Johannisburg folgenden Bericht der Versammlung vorlegen lassen. ‒ Gegen den Abgeordneten Landrath Reuter aus
Johannisburg (zur äußersten Linken gehörig) ist auf Grund zweier Denunziationen, des Land- und Stadtgerichts-Assessors Falk d. d. 9. Mai c. und des Hauptzollamts-Rendanten Grunau d. d.
12. Mai c., vom Kriminal-Senat des Ober-Landesgerichts zu Insterburg die Einleitung der fiskalischen Untersuchung wegen schwerer wörtlicher Beleidigung verfügt, und demnächst unterm 5. Sept. c. die
Ertheilung der Genehmigung Seitens der Vers. beantragt worden.
Die Petitionskommission ist bereits in einem frühern Berichte von der Ansicht ausgegangen, daß in Fällen, wo es sich nur um eine mit geringer Geld- oder Gefängnißssrafe zu ahndende
Privatbeleidigung handele, kein Grund vorliege, Abgeordnete durch Zulassung der Untersuchung von ihrem Berufe mehr oder weniger abzuziehen. Dieser Ansicht ist die Versammlung in der Sitzung vom 20.
Oktober beigetreten. Die Gründe, welche das Oberlandesgericht zu Insterburg für Ertheilung der Genehmigung geltend macht, daß nämlich bei dem nicht abzusehenden Ende der Dauer der Versammlung weder
den Denunzianten die Genugthuung bis zur Rückkehr des Reuter vorenthalten, noch bei der Gefahr, mittlerweile durch etwaiges Ableben oder durch Gedächtnißschwäche des einen oder andern Zeugen
Beweismittel einzubüßen, die Beweisaufnahme länger ausgesetzt werden dürfe, haben die Kommission nicht veranlassen können, von der früheren Ansicht abzugehen. Denn sie kann weder die Voraussetzung
theilen, daß das Ende der Dauer der Versammlung nicht abzusehen sei, noch findet sie in der unverhofften längern Dauer einen Grund, den Denunzianten die Genugthuung nicht länger vorzuenthalten, das
heißt die Vollstreckung der etwa zu erkennenden Gefängnißstrafe zuzulassen. Die mögliche Gefahr aber, daß durch die Verzögerung Beweismittel verloren gehen könnten, kann eintretendenfalls durch
Beweisaufnahme zum ewigen Gedächtniß beseitigt werden. Demgemäß beantragt die Kommission: die Versammlung wolle beschließen, daß die vom Kriminalsenat des Oberlandesgerichts zu Insterburg beantragte
Genehmigung zur Einleitung einer fiskalischen Untersuchung gegen den Abgeordneten Reuter nicht zu ertheilen.
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@facs | 0592 |
Berlin.
Das Justizministerialblatt enthält folgende allgemeine Verfügung. Das Einschreiten der Gerichte gegen strafbaren Mißbrauch der Presse und des Vereinigungsrechts betreffend.
„Das durch die Bekanntmachung vom 21. v. M. den Justiz-Behörden mitgetheilte Programm des Staats-Ministeriums enthält die Grundsätze, nach welchen die gegenwärtige Regierung Sr. Majestät zu
verfahren beschlossen hat, und welche die Justiz-Behörden in ihrem Ressort ebenfalls zu beachten angewiesen worden sind. Kräftige Wahrung und Ausbildung der unserem Volke verliehenen Freiheiten und
entschiedene Zurückweisung aller reaktionairen Bestrebungen soll Hand in Hand gehen mit der vom ganzen Lande geforderten Steuerung der Anarchie und Ungesetzlichkeit. Schwere Ausbrüche eines solchen
anarchischen Treibens, durch welches die wahre Freiheit am meisten gefährdet wird, sind in jüngster Zei! an mehreren Orten vorgekommen; insbesondere ist auch die freie Presse und das Recht der freien
Vereinigung gemißbraucht worden, um die Ordnung zu stören, zur Verweigerung rechtlich noch bestehender Leistungen aufzufordern und zur gewaltsamen Empörung aufzureizen. Nach dem Willen Sr. Majestät
des Königs im Einvernehmen mit der Deutschen Centralgewalt und mit Rücksicht auf eine deshalb besonders ergangene Requisition des Reichs-Justiz-Ministeriums zu Frankfurt vom 24. v. M. wende ich mich
an die Justiz-Behörden des Landes, um daran zu erinnern, daß es vorzugsweise ihre Aufgabe ist, die Achtung und Wirksamkeit des Gesetzes aufrecht zu erhalten, und daß sie durch Lösung dieser Aufgabe
dem Lande am besten dienen, da die wahre Freiheit nur auf dem Boden des Gesetzes gedeihen kann. Sie haben, wo ihnen die Verfolgung der Verbrechen von Amts wegen obliegt, nach erlangter Kenntniß
ungesäumt einzuschreiten, wenn in Zeitschriften, durch Plakate, durch Reden bei Volks-Versammlungen und in Vereinen, oder durch Bildung von Vereinen mit verbrecherischen Zwecken die bestehenden
Gesetze verletzt werden. Es ist nicht minder ihre Pflicht, dafür zu sorgen, daß ihren auf Grund der Gesetze ergehenden Verfügungen und Entscheidungen die gebührende Folge geleistet und deren
Ausführung nöthigenfalls im Vereine mit den deshalb von dem Herrn Minister drs Innern mit besonderer Anweisung versehenen Verwaltungs-Behörden gesichert werde. Sie haben endlich nicht allein die
Erledigung der bereits eingeleiteten Untersuchungen wegen Verbrechen der bezeichneten Gattung möglichst zu beschleunigen, sondern auch darauf bedacht zu seyn, daß bei Verübung neuer Verbrechen die
Strafe möglichst schnell der That nachfolgt. Gleiche Pflichten liegen den Staats-Anwälten innerhalb ihrer Amtswirksamkeit ob. Je fester das Staats-Ministerium entschlossen ist, auf dem
konstitutionellen Wege fortzuschreiten und dem Volke den Besitz seiner Freiheit vollständig zu erhalten, um so sicherer darf es darauf rechnen, daß kein wahrer Freund des Vaterlandes die
Nothwendigkeit der baldigen Herstellung des gestörten Rechtszustandes verkennen werde und um so mehr darf es sich der Hoffnung hingeben, daß die Justiz-Behörden durch kräftiges Einschreiten wesentlich
dazu beitragen werden. den von der großen Mehrheit des Volks bewahrten Sinn für Gesetzmäsigkeit und Ordnung zur Geltung gelangen zu lassen.
Berlin, den 8. Oktober 1848.
Der Hustiz-Minister, Kisker.
An sämmtliche Gerichtsbehörden“.
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39
] Breslau, 13. Okt.
Das Gesetz der Nationalversammlung zu Frankfurt a. M. zu ihrem Schutze bringt mehr Lachen und Verachtung als Entrüstung hervor. Die „Oderzeitung“, ein entschieden demokratisches
Journal, gibt folgende Erklärung: „Die Redakteure dieser Zeitung werden von heut ab keine Berichte über die Gesellschaft in der Paulskirche mehr mittheilen. Eine Versammlung, welche im
Bewußtsein ihrer verlornen Ehre sich durch Strafgesetze vor der Kritik sicher stellen muß, ist moralisch todt. Ihr gegenüber hat die Presse nur noch eine Waffe ‒ Verachtung und
Schweigen.“
Die demokratische Partei macht bei uns jede Anstrengung, den Willen des gesammten Volkes in der Verfassungsfrage zur Geltung zu bringen. Der demokratische Provinzial-Ausschuß für Schlesien hat an
alle demokratischen Vereine der Provinz Rundschreiben geschickt, worin die Mittel zur Erreichung dieses Zweckes angegeben werden. Es wird darin zu einer Monstrepetition an die Nationalversammlung
aufgefordert, daß in der Verfassung: 1. bestimmt werde, daß jeder Deputirte, der ein von der Mehrzahl seiner Wähler ausgehendes Mißtrauensvotum erhält, sofort sein Mandat niederlegen müsse; 2. daß die
Verfassung vier Wochen nach ihrer Annahme in der Nationalversammlung an ein und demselben Tage jeder Gemeinde des Landes zur Abstimmung durch ja oder nein vorgelegt werden müsse, weil
nur auf diese Weise der Wille der Majorität des Volks zu erkennen sei. An dieses Schreiben knüpft sich eine Petition an die Nationalversammlung in Berlin, in welcher die Aufnahme folgender fünf Punkte
in die Verfassung verlangt wird: direkte Wahlen; Einkammersystem; die Befugniß der Wähler, ihrem Deputirten das Mandat zu entziehen; für das Staatsoberhaupt nur ein suspensives Veto, wenn überhaupt
von einem Veto die Rede sein solle; und endlich, daß die Verfassung zu jeder Zeit erweitert und verbessert werden könne.
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@facs | 0592 |
Mannheim, 11. Okt.
Wir haben neue Verhaftungen zu berichten; gestern um die Mittagsstunde wurden die Bürger Dr. Welker, Barth und Wimmer plötzlich in ihren Wohnungen durch Polizeidiener, Gensdarmerie und
Gerichtspersonen überrascht, und sofort über Hals und Kopf nach Weinheim eskortirt. Die Scharfsinnigkeit der Polizei hat die Entdeckung gemacht, daß jene Männer bei der Eisenbahndemolirung zwischen
Weinheim und Großsachsen betheiligt sein müßten, indem sie Tags vorher in Privat-Angelegenheiten sich in Weinheim befanden. Die Untersuchung wird herausstellen, wie viel an der ganzen Sache ist; wir
greifen ihr nicht vor. Aber wir möchten doch gerne das Räthsel gelöst haben, was es mit der Rettung der Monarchie zu thun hat, daß die Verhafteten von hier nach Weinheim geschleppt wurden, während man
die Weinheimer umgekehrt in Mannheim aufzubewahren sucht. Geschieht das vielleicht, um die Werkzeuge der Gewalt durch beständige Bewegung vor möglicher Erschlaffung zu schützen, oder ist es blos auf
eine rechte Hetzjagd der verhafteten freigesinnten Bürger abgesehen? Wer weiß es; die Wege der Polizei sind unerforschlich und was sie zusagt, das hält sie gewiß. ‒ Aber was soll man von den
Gerichten sagen, die einen solchen Unfug treiben, oder von oben der geduldig mit ansehen und geschehen lassen, während doch kein badischer Staatsbürger verfassungsmäßig seinem ordentlichen Gerichte
entzogen werden kann, die Verbringung vor ein anderes Gericht und in einen andern Gerichtssprengel aber nichts weiter als eine willkürliche Entziehung oder Beschränkung des rechtlich zugesicherten
Schutzes ist? Wir protestiren auch hier gegen eine derartige Behandlung unserer Mitbürger und wollen von den obern Gerichten erwarten, daß sie sofort dieser Willkürherrschaft Einhalt thun.
[(M.
A. Z.)]
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@facs | 0592 |
Mannheim, 13. Okt.
So eben kommt die „Mannheimer Abendzeitung“ in ihrer Nro. 151 von gerichtlicher Verfolgung vor hiesigem Hofgerichte zurück. Diese Nr. war wegen eines Artikels „vom
Rhein“, der die Republik als das in dieser Zeitperiode zu erreichende Ziel darstellte, mit Beschlag belegt worden und der gr. Staatsanwalt Ammann hatte sowohl gegen den Verfasser des Artikels
Bürger Ludwig Degen von hier als gegen den verantwortlichen Redakteur Bürger Münck je eine sechsmonatliche Arbeitshausstrafe beantragt. Die Vertheidigung führten O.-G.-Adv. Brentano und O.-G.-Adv.
Eller, die Angeklagten wirkten persönlich dabei mit, namentlich hielt Degen eine treffliche Vertheidigungsrede. Das Ergebnis der Verhandlung ist, daß der Gerichtshof die Angeklagten frei sprach und
die Staatskasse in die Kosten verurtheilte.
[(M. A. Z.)]
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@facs | 0592 |
Alzei, 13. Okt.
Das hiesige Gericht verurtheilte heute den Redakteur der „Neuen Zeit“ wegen eines Artikels, der in diesem Blatt erschien und der nach dem Urtheil des Gerichtes eine Verletzung der
„Amts- und Dienstehre“ des Ministers Jaup enthalten soll, zu drei Monaten Gefängniß.
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@facs | 0592 |
Sigmaringen, 10. Okt.
Die Regierung ist zurückgekehrt, und heute rückte das bairische Leibregiment nebst einiger Artillerie und Reiterei hier ein; die eine Hälfte ist in der Stadt, die andere in den benachbarten Dörfern
einquartirt. Regierungsrath Stephani, der von dem Reichskommissar Grafen Keller mit der Führung der Untersuchung beauftragt ist, wohnt nebst dem Regimentsstabe in dem Schlosse. Die Verhaftungen und
Untersuchungen haben bereits begonnen; Oberlieutenant v. Hofstetter hat sich in die Schweiz geflüchtet und befindet sich in Emmishofen. Würth, der Präsident des Sicherheitsausschusses, hütet seit acht
Tagen das Bett; der Fürst wird nächster Tage zurückerwartet.
[(Schw. M.)]
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@facs | 0592 |
Heidelberg, 11. Okt.
Gestern erhielt der Redakteur des hiesigen Journals ein Paket aus Frankfurt, welches mit dem großen deutschen Reichssiegel verschlossen war. Zitternd und zagend, um das doppelhalsige Thier nicht zu
verletzen, öffnete er das Paket und fand darin?: ‒ Einige 100 derjenigen Exemplare der Flugblätter aus der „deutschen Nationalversammlung,“ in welchen die „Antwort
deutscher Bürger auf die Ansprache der Linken an das deutsche Volk“ enthalten ist,“ und ein kleines verbindliches Brieflein eines hohen Beamten des Reichsministeriums, eines Mannheimers,
welches die Bitte enthielt, obige Flugblätter zum Nutzen und Frommen der Majorität und zum abschreckenden Beispiele vor der gesinnungslosen u. s. w. Minorität der „deutschen
Nationalversammlung“ als Beilage des hiesigen Journals zu verbreiten.