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Ein Wort an das deutsche Volk.
Jede Revolution, welche vom Gebiete der That hinübergleitet auf den Boden der Diskussion, zehrt sich auf und wird von derjenigen Macht, welche durch die Revolution gestürzt werden sollte, mit den
Mitteln der Intrigue, der Bestechung, des Zogerns und Hinhaltens, mit einem Worte durch das Spiel politischer Betrügerei ausgebeutet und zu Grunde gerichtet.
Aufgabe eines jeden Volkes, welches sich erhebt, aus der tiefen Erniedrigung, aus der Knechtschaft und Unterdrückung, ist es, die feindliche Macht, unter deren Druck es geschmachtet und gelitten
hat, und gegen welche es sich erhebt, vollständig zu zerbrechen, provisorisch die Grundlagen des neuen Freiheitsbaues zu legen und erst, wenn die Revolution siegreich ihre Fahne wehen sieht über der
zerbrochenen tyrannischen Gewalt, erst dann kann die Berathung des neuen Staatsorganismus beginnen; das Alte muß so gründlich vernichtet sein, daß eine Wiederkehr nicht möglich wird, dann erst kann
der junge Freiheitsbau vollendet werden.
Ewig wahr ziehen diese Sätze durch die Geschichte aller Revolutionen, und alle Revolutionen gegen die menschenentwürdigende Herrschaft eines Einzelnen, gegen die Monarchie, gingen unter, wenn das
Volk, statt die Revolution mit allen revolutionären Mitteln zu vollenden, sich auf das Verhandeln und Unterhandeln, auf lange Reden und bodenlose Schwätzerei einließ Mit der Monarchie ist kein Vertrag
möglich. Gegen fürstliche Tyrannei gibt es nur das einzige Mittel, völlige Vernichtung der Monarchie.
Diese durch Erfahrung von Jahrtausenden erpobten Axiome standen mir, klar vor der Seele im politischen Leben, sie traten in Riesengestalten vor mich, als Frankreich, welches alle Formen der
Monarchie, von der Despote des XIV. Ludwigs bis zu der gauielspielerischen Betrügerei der konstitutionellen Monarchie durchlebt hat, sich erhob und das Königthum stürzte. Welchen Antheil ich an der
Bewegung, an der Erhebung Süddeutschlands genommen, wie ich sie mit aller Begeisterung, Ruhelosigkeit und Energie, deren ich nach meiner geringen Kraft fähig bin, gefördert, getrieben und nur in ihr
gelebt habe, das ist Vielen bekannt; es galt jetzt den alten Lügenstaat einzureißen und den wahren Volksstaat erstehen zu lassen; es galt jetzt den Gedanken, der Tag und Nacht mein Begleiter war, zur
Thatsache werden zu lassen.
Wie einst For und Wilkes an der Stelle des papiernen Bittens und Forderns die Petition des lebendigens Menschenstromes setzen, so war noch, ehe die französische Revolution ausgebrochen, mein Plan,
dies Mittel in Bewegung zu setzen, und ich drohte den Ministern in der Ständeversammlung damit, als der damalige Justizminister Trefurt widerstritt, daß mein gestelltes Verlangen ein „Verlangen
des Volkes“ sei.
Der 24. Februar zuckte elektrisch durch unser unglückliches niedergeworfenes Volk; die Bewegung brach los, es verlangte klare Rechtsbriefe, die revolutionäre Kraft und Begeisterung strömten aus der
Tiefe auf, die 38fache Zersplitterung hinderte die Gesammtentfaltung und die Benützung der in 38 Staaten arbeitenden revolutionären Kraft; jedes Land und Ländchen arbeitete für seine eigne Rechnung,
die zitternden Fürsten, ihre gegliederte Diplomatie und Büreaukratie waren, wenn auch zurückgedrängt, eingeschüchtert, immerhin noch organisiert, und daß sie hinter dem Hütchen ihre Verbindung um so
enger knüpften, konnte man als gewiß voraussetzen, denn es galt ihrer Existenz; die Selbsterhaltung mußte sie dazu treiben.
Das Volk fühlte selber diesen Zustand der Zersplitterung seiner Revolutionsarbeit, es verlangte nach einem Sammelpunkt. Einen solchen Sammelpunkt, in welchem die 38fach gespaltene revolutionäre
Kraft förderirt über das Ganze der 38 Staaten zu wirken im Stande war, konnte nur eine revolutionäre Versammlung abgeben, welche nur kraft revolutionären Willens, ohne allen Anstrich einer Fußung auf
den Gesetzen der alten Staatsform, zusammen trat Diese Versammlung war das Vorparlament, dieses mußte permanent bleiben; man konnte in dasselbe fort und fort neue Kräfte berufen, diese Versammlung
mußte das Steuer in die Hand nehmen, sie mußte provisorische Dekrete erlassen und die Grundlagen legen. Aber sie mußte um letzteres zu können, permanent bleiben; und blieb sie beisammen, so mußte sie
mit jedem Tage energischer vorwärts gehen, denn sie stand auf keinem andern Boden, als dem der Revolution; was sie geschaffen und vollbracht, konnte sie als Erbe einem konstituirenden Konvente
übergeben, der aus der Volkswahl hervorging. Ich sah es klar, daß die Revolution nur gerettet, rasch und energisch vollendet werden könne durch die Permanenz und stellte den Antrag ‒ er fiel,
nur Waffengewalt konnte jetzt noch entscheiden. Das war meine feste Meinung. Ich bin es überzeugt, daß Fürsten und Diplomaten aufathmeten, als sie sahen, daß die Permanenz verworfen worden war, und
die Revolution auf das Feld der loyalen Schwätzereien verwiesen werden sollte, sie hatten Zeit gewonnen, und Alle, welche gegen die Permanenz auftraten oder stimmten, haben die Revolution, haben das
Volk verrathen! Jetzt galt es, die Revolution durch die Revolution zu retten, wir erhoben uns in Baden. Die Erkenntniß der Faulheit der üblen Zustände war in Baden, war in Deutschland vorhanden; das
Volk hatte in Versammlungen und Einigungen dieses laut erklärt, es hatte zur That aufgefordert, es gehörte nichts als der Muth der That zu dem Muthe des Wortes, es gehörte Aufopferungsfähigkeit dazu,
und eine Erhebung in Masse hätte ohne Schwertstreich die Revolution zum Siege geführt, das stehende Heer, dessen Disziplin gänzlich dahin war, wäre bei einem Aufstande in Masse dem Volke nicht
entgegengetreten, und wäre dann unter flatternden Fahnen der Republikaner die Wahl zur konwtuirenden Versammlung des deutschen Volkes vorgenommen worden, ein Nationalkonvent voll großartiger Energie
und schöpferischer Kraft hätte im Bündniß mit Frankreich Europa neu gestaltet.
Wir standen auf ‒ wir unterlagen, weil bei dem Volke der Muth der That nicht dem Muth des Wortes gleich kam.
„Wir wollen das Parlament abwarten!“
Nun, ihr habt euer Parlament! seid ihr frei? seid ihr glücklich? Ihr habt den Vertröstern auf das Parlament mehr Gehör geschenkt, als denen, welche mit dem Schwerte auszogen und euch voraussagten,
fast wörtlich voraussagten, was das Parlament euch bringen werde, und ‒ seid ihr frei? seit ihr glücklich? ‒
Als die Erhebung für die deutsche Republik aber unterlegen war, da wurden die Besiegten geschmäht und gehöhnt. Viele schimpften dem fast- und marklosen Fünfzigerausschuß und dem Parlamente zulieb.
Bald sah das Volk ein, daß seine Errungenschaft sich in nichts auflösen würde, und ich habe in fast jedem meiner leitenden Artikel des Volksfreundes die Lage der Dinge und was die Zukunft bringen
werde, dargelegt und vorausgesagt. Was that das Volk? Sorgte es für seine Bewaffnung, schaarte es sich auf seinen Sammelplätzen mit der Entschlossenheit zu handeln? Ihr klagt über Reaktion! Was ist
Reaktion? Reaktion ist nichts anderes, als die Entfaltung der Thätigkeit der friedlichen politischen Partei. Ist eine Reaktion möglich, wenn das Volk wach und thätig ist? Nimmermehr! Wer über Reaktion
klagt, der klagt nur über seine eigene Feigheit und Unthätigkeit, stellt sich selbst ein Armuthszeugniß aus. Der geworfene Feind kann sich nicht erheben, wenn ich selbst ihm keine Muße, keine Zeit
lasse, sich zu sammeln. Während wir, die wir mit dem Schwerte aufgestanden, im Stich gelassen, und an den Strand geworfen waren, mit tiefem, verzehrendem Schmerze, mit dem herösten Grolle und heißem
Ingrimme über die Gränze nach den waldigen Bergen, nach den schönen Thälern des Vaterlandes, das uns ausgestoßen hatte, blickten, und harrten der Thatkraft des Volkes, welches das Schiff des
Volksstaats wieder flott machen und seine geächteten Söhne an Bord nehmen sollte, während wir in den aus dem tiefsten Herzen entströmten Zurufen, Ansprachen, Proklamationen neu appellirten an die
Begeisterung, an die Schaam, was ist geschehen? ‒ Die Menschen machen die Ereignisse, sie fallen nicht vom Himmel; hilf dir selbst, so wird dir Gott helfen; helfen kann nur die gewaltige That,
die revolutionäre Volksthat, nicht das Hoffen und Harren, nicht papierene Adressen und Petitionen nicht Festschmäuse und Toaste, nicht das Singen von Heckerliedern und andern Gesängen. Mit bitterem
Schmerze um Volk, Vaterland und Freiheit, habe ich seit Monden am Strande der Verbannung gelegen, und zurückgeblickt auf ein bewegtes, thätiges, arbeitsames öffentliches Leben, auf den Strom der
Revolution, auf welchem ich mit am Ruder gesessen; sehnsüchtig geharrt auf den Tag, der aus dem verzehrenden Siechthum des Exils mich rufe und Bahn eröffne schöpferischer Wirksamkeit für die deutsche
Republik. Ich muß ein Feld der schöpferischen Wirksamkeit der Thätigkeit bauen, ich kann nicht müßig liegen, versiechen, verkümmern; ich kann nicht zehren und glücklich sein in der Feier meines
Namens, ich bin von jeher ein Feind von Personalhuldigungen gewesen, das Volk soll sich nicht an Namen hängen, es soll sich begeistern, erglühen für die That der Befreiung, es soll handeln, handeln,
dann können auch die Geächteten wieder unter euch treten, wieder mitarbeiten zur Errichtung des Freistaats, zur Gründung der deutschen Republik. Wer aber die Hände in den Schooß legt, oder bei Wein
und Schmaus nur die Faust macht und droht „wart' nur, wenn die Verbannten kommen“, der hat seine Schuldigkeit nicht gethan, im Gegentheil, er beweiset damit, daß er ein großes
Maul aber ein kleines Herz habe, denn er weiß recht wohl, daß ein einziger Mann, daß ein Häuflein verbannter Männer allein ihm die Republik nicht bringen können, daß das Volk sie sich nehmen muß; daß
der Freiheitsdrang sich thatsächlich kund geben und es uns zeigen muß wie es ernstlich will, und so uns eine Gasse bahnen, auf daß wir wieder mitkämpfen und ringen, einreißen und bauen können. Eine
bessere Musik als die Hoch's und Vivats, als die Lieder und Trinksprüche ist das Klirren der Waffen für die Freiheit entschlossener Männer, ist das grollende Murren und das wilde Rufen einer
versammelten, zur Durchsetzung ihres Rechtes entschlossenen Menge. Eure Tyrannen haben das Zittern noch nicht verlernt, verlernet ihr das Handeln nicht!
Aber ebenmäßig zum Ueberdrusse, wie zum Schmerze wirkt es, wenn man Statt der Handlung nur großprahlerisches Maulen wahrnehmen und in der Erwartung, thätig wirken zu können, eben so getäuscht wird,
als es mit den Akklamationen, Deputationen, Versicherungen und Aufforderungen im Frühjahr vor dem Aufstande der Fall war. „Raum ihr Herr'n dem Flügelschlag freier
Männerseelen!“
Die öffentlichen Blätter sagen euch, ich habe vor, eine Reise zu dem großten und freiesten der Völker zu machen, welches im Begriffe steht, die nur alle vier Jahre wiederkehrende, das ganze Volk in
Bewegung setzende Handlung der Präsidentenwahl vorzunehmen. Die öffentlichen Blätter haben wahr geredet, und ohne mein Vorwissen hat der zweite in Rheinfelden wohnende Redakteur des
„Volksfreundes“ einen Artikel in dem gedachten Blatte abdrucken lassen, welcher einen Zweifel an meinem Vorhaben erwecken könnte.
Ja, ich will eine Reise unternehmen zu jenem gewaltigen Bürgervolke, welches den Völkern der alten Welt zuerst das Licht der Freiheit angezündet und der republikanischen Freiheit die Weltherrschaft
sichern wird, ich will nicht in verzehrender Unthätigkeit oder eitler Projektenmacherei an den Gränzen Teutschlands müßig liegen, und zerrütten an Geist und Leib, kein verkommender oder verkommener
Flüchtling sein oder werden. Ich will mit eigenen Augen sehen und erforschen die Einrichtung jenes größten und freiesten der Völker, ich will und hoffe dorten thätig sein und wirken zu können für das
Land, aus welchem wir republikanische Flüchtlinge ausgestoßen liegen im Exil. Erhebt sich Deutschlands Volk zur republikanischen That, gedenkt es seiner Söhne, welche zuerst ausgezogen sind für die
deutsche Republik, dann noch, will es ihre Kraft benützen, schnell ist der Ocean durchsucht, zwei Wochen reichen hin, und die Verbannten können unter euch sein, und neu gestärkt durch das Leben unter
jenen tapfern Männern der Vereinigten Staaten, reich an Erfahrungen durch eigene Anschauung jenes großen Staatsverbandes von 30 Republiken, neue Kraft dem Vaterlande zubringen.
Schaart euch um die Männer, welche das Panner der Volkssouveränetät hoch und bei demselben treue Wache halten, um die Männer der äußersten Linken zu Frankfurt a. M., schließt euch in Rath und That
fest an die tapfern Führer der republikanischen Schilderhebung, ihre Namen seien euch feste Gedenksäulen, von ihnen werdet ihr meine Nachrichten, Berichte und briefliche Mittheilungen über die
Erlebnisse in der Union erfahren.
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Breitet aus die Saat, welche diesen Frühling gesäet wurde, bereitet die That, daß sich die Schwerter-Republiken der Vereinigten Staaten Amerika's und Deutschlands die Hände reichen mögen zum festesten Verbande, den Völkern allen zur Befreiung.
Sie werde, die deutsche Republik!
Hecker.