Deutschland.
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Edition: [Karl Marx: Belagerungszustand in Köln. In: MEGA2 I/7. S. 748.]
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] Köln, 26. Sept.
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] Köln, 26. Sept.
Wie wir bereits mittheilten, fand die von der Polizei untersagte Volksversammlung auf dem
Altenmarkte dennoch gestern um 1 Uhr Mittags statt. An allen Seiten des Marktes stand die
Bürgerwehr. Die Redner der Versammlung begaben sich mit ihren Zuhörern mitten zwischen die
Bajonnette und forderten die Bürgerwehr auf, sich sofort darüber zu erklären, ob sie im
Auftrage der Polizei, oder zum Schutz des Volkes gegenwärtig sei. Die Bürgerwehr erwiederte,
daß das letztere der Fall wäre und zog sich in den Hintergrund des Platzes zurück, indem sie
zugleich die bisher versperrten Zugänge zu demselben der Kommunikation öffnete.
In Folge dieser gegen das Verbot der Polizei stattgehabten Versammlung, in welcher
namentlich der am Morgen gleich nach seiner Verhaftung vom Volk befreite Hr. Moll auftrat, wandte sich der Polizeidirektor Geiger in dem folgenden
Schreiben an den stellvertretenden Kommandanten der Bürgerwehr, Hrn. Imhoff:
„Wie ich höre, findet oder hat eine Volksversammlung dennoch auf dem
Altenmarkte stattgefunden. Ich ersuche Sie um die definitive Erklärung, ob Sie Sich mit der
Bürgerwehr noch im Stande finden, die Ordnung aufrecht zu erhalten, d. h. vorerst die
Volksversammlung aufzuheben, dann aber auch am Abende etwaige Ruhestörungen mit Kraft zu
verhindern, oder ob zur Aufrechthaltung des Gesetzes es nothwendig ist, daß das Militär sofort
einschreite.
„Köln, 25. Sept.
Die Polizei-Direktion. „(gez.) Geiger.“
Nachdem die Polizei-Direktion mehrere Male um schleunige Antwort gebeten hatte, erfolgt als
Erwiderung: Br. M. „mit dem ergebenen Bemerken zurück, daß ich (St. K. Imhoff) so eben von dem Herrn Regierungs-Präsidenten komme und mir von demselben
dieselbe Frage gestellt worden ist; daß ich augenblicklich die Bannerführer und
Bürger-Hauptleute zusammenrufe, um denselben diese Frage zur Beantwortung vorzulegen. Nur im
Einverständnisse mit diesen Herren kann ich die Frage beantworten. Der Herr
Regierungs-Präsident ist von diesem Verfahren unterrichtet.
„(gez.) Der stellvertretende Kommandant: Imhoff.“
Während dies zwischen der Polizei und der Bürgerwehr-Kommandantur vorging, wurde in dem
Lokale der demokratischen Gesellschaft, im Eiser'schen Saale, eine Sitzung gehalten, in
welcher auch der Redner des Altenmarktes, Hr. Moll, die Tribüne bestieg. Die Volksversammlung
des Altenmarktes hatte sich nämlich einstweilen friedlich zerstreut, indem man die Fortsetzung
der Versammlung für 6 Uhr Abends ankündigte. Die Polizei-Direktion, davon unterrichtet, daß
sich viele Betheiligte der Volksversammlung und darunter auch Hr. Moll in die Sitzung der
demokratischen Gesellschaft begeben hätten, wandte sich jetzt in einem zweiten Schreiben an
die Bürgerwehr-Kommandantur, in dem es, wie folgt, heißt:
„Moll soll sich augenblicklich im Eiserschen Saale befinden. Ich ersuche Sie daher, mich
binnen einer Stunde zu benachrichtigen, ob die Bürgerwehr zur Verhaftung des Moll die nöthige
Assistenz leisten will. Erfolgt eine Antwort nicht, so wird es so angesehen, als sei die
Bürgerwehr nicht im Stande.
Köln, 25. Sept. 4 1/2 Uhr Nachmittags.
gez. Geiger.“
Nach Empfang dieser Mittheilung begann die Sitzung der früher bereits zusammenberufenen
Bürgerhauptleute und Bannerführer, in der man nach einer erörternden Debatte die Frage
stellte:
1) „Ob man der Polizeibehörde die Zusicherung geben könne, daß die Bürgerwehr zur Verhaftung
des Moll die nöthige Hülfe leisten werde.“
diese Frage wurde einstimmig verneint.
2) „Ob die Bürgerwehr unter den obwaltenden Umständen heute für
Aufrechthaltung der Ruhe sich stark genug fühle.“
Diese Frage wurde von 5 Stimmen mit ja, von 20 Stimmen mit nein beantwortet. Zusätzlich
erklärte die Versammlung indeß noch einstimmig, „daß sie soviel in
ihren Kräften liege, für die Aufrechthaltung der Ruhe und Ordnung thätig sein würde.“
Herr Kratz, Adjudant der Bürgerwehr-Kommandantur, der vorstehende Antwort den Behörden
überbracht hatte, erhielt folgende Erwiderung des Obersten Engels und theilte sie der
Versammlung mit:
„Sagen Sie der Bürgerwehr, auf dem Heumarkte ständen 3 Bataillone aufgestellt, auf dem
Appellhofe 2 Bataillone, am Hahnenthore 12 Geschütze, auf dem Neumarkte 8 Geschütze und zu
Deutz 20 Geschütze, sämmtlich bedient.“
Auf die Frage, ob er weiter nichts mitzutheilen habe, erwiderte der Oberst, Herr Engels:
„Sagen Sie der Bürgerwehr, daß alles Unglück, was über die Stadt kommen werde, der
Bürgerwehr allein zur Last falle.
Auf das Ersuchen einer nähern Erklärung dieser Aeußerung erwiederte Herr Engels:
„Alles Unglück habe sie sich ihres unloyalen Benehmens wegen von diesem Morgen
zuzuschreiben.“
Auf die Frage worin dies unloyalen Benehmen bestehe, erklärte er;
„Es bestehe darin, daß die Bürgerwehr die von der Polizei-Direktion requirirte Verhaftung
des Moll nicht vorgenommen habe.“
„Adjudant, Herr Kratz, versetzte hierauf, daß er sich verpflichtet fühle zu bemerken, daß
die Polizei-Direktion die Verhaftung des Moll nicht requirirt habe und daß, wenn sie solches
gethan, die Bürgerwehr allerdings keine Folge geleistet haben würde, und zwar aus dem Grunde
nicht, weil die Bürgerwehr zum Arretiren nicht verpflichtet sei, sondern nur dann
einzuschreiten habe, wenn Angriffe auf Eigenthum und Personen erfolge; daß dagegen in
sonstigen Fällen Personen zu verhaften, Sache der Polizei sei und die Bürgerwehr der Polizei,
wenn sie sich dazu nicht stark genug fühle, oder dabei Widerstand erfahre, auf deren Ersuchen
Hülfe zu leisten habe. Letzterer Fall habe aber nicht vorgelegen, indem die Bürgerwehr,
nachdem sie die von der Polizei requirirten 1000 Mann aufgestellt habe, von der Polizei zur
Hülfeleistung nicht weiter angegangen worden sei.“
Während diese gegenseitigen Eröffnungen statt hatten, war es 6 Uhr geworden. Die Sitzung der
demokratischen Gesellschaft war beendigt und die an der Volksversammlung vom verflossenen
Morgen Betheiligten, kehrten auf den Altenmark zurück und nahmen die Debatte wieder auf. Der
Altenmarkt hatte allmählig ein seltsames Ansehen gewonnen. Ein Polizei-Kommissar, der sich
Morgens zwischen das Volk begab, wurde leider, schwer mißhandelt und die Kleider des
Unglücklichen hingen auf einer Stange über dem Marktbrunnen.
Die schwarz und weiß angestrichenen Pfähle des Platzes thürmte man zu einem lustigen Feuer
übereinander und die Stadtjugend entlaubte die Acazien des Marktes um sich á la Camille
Desmoulin mit grünen Zweigen zu schmücken. In der Mitte des Platzes sprachen die Redner zu dem
zahlreich versammelten Volke.
Weder die Bürgerwehr noch das Militär schritten bei diesen Vorfällen ein und die Versammlung
würde bei der zunehmenden Dunkelheit und bei der wenig provozirenden Sprache der Redner,
gerade wie am Morgen, ruhig auseinander gegangen sein, wenn sich nicht plötzlich das Gerücht
verbreitet hätte, daß das Militär dennoch im Anrücken sei und die Versammlung mit der Gewalt
der Waffen auseinandertreiben wolle.
Wie ein Lauffeuer verbreitete sich dieses Gerücht durch die ganze Stadt, und bei dem Rufe:
„Es lebe die Republik!“ und: „Nieder mit dem Ministerium Pfuel!“ entstanden Barrikaden in
Masse. An der Mühlengasse, am Eingange der Lintgasse, unter Taschenmacher, am Marsplätzchen,
am Bechergäßchen auf der Hochstraße, in der Höhle, am Hofe, am Wallrafsplatze, in der
Schildergasse u. s. w.
Zum Kampfe kam es indeß nicht. Das Militär rückte nicht vor. Die Nacht hindurch wehte die
rothe Fahne auf den meisten Barrikaden, und als sich das Volk gegen Morgen immer mehr verlief,
suchten einige Bürger die Kommunikation möglichst gut wieder herzustellen.
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] Köln, 11 Uhr Morgens.
Heute Morgen wurde eine Abtheilung vom 20ten Regiment, in den Kranz geschickt, um Moll's
Verhaftung vorzunehmen. Die Soldaten wurden zurückgedrängt, und mit Hülfe der Arbeiter ist
Moil glücklich entkommen.
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103
] Berlin, 24. September.
Das neue Ministerium beginnt seine Thätigkeit zu entwickeln. Die Nro. 220 der
„Zeitungshalle“ ist gestern Nachmittag confiscirt worden. So lange in Berlin Zeitungen
erscheinen ist dies der erste Fall einer Confiscirung.
Gestern Nachmittag erschien ein Polizei-Commissar im Büreau der Zeitungshalle und wünschte
den Redakteur des Blattes, G. Julius, zu sprechen. Ein Zufall wollte daß derselbe nicht
anwesend war und man schickte den Polizei-Commissar nach der Druckerei, wo er Julius
vielleicht treffen würde. Während der Zeit, daß der Polizei-Commissar sich nach der Druckerei
begab, hatte Julius Zeit sich zu entfernen und als der Polizei-Commissar getäuscht
zurückkehrte, rückte er endlich mit der Sprache heraus, er verlangte die vorhandenen Exemplare
der Nro. 220 der Zeitungshalle und das Manuscript des leitenden Artikels. Der Expendient
lieferte 17 noch vorhandene Exemplare des Blattes aus, über das Manuscript jedoch konnte er
keine Auskunft geben. Der Polizei-Commissar verlangte, daß Julius baldmöglichst zu ihm kommen
möge, da er ihm eine wichtige Mittheilung zu machen habe. ‒ Obgleich das Haus von mehreren
Constablern umstellt war, gelang es Julius dennoch zu entkommen und heute Morgen gegen 6 Uhr
erschien der Polizei-Commissar nochmals, durchsuchte das ganze Lokal der Zeitungshalle und
sprach endlich von einem Verhaftungsbefehl den er gegen Julius in der Tasche habe. Er ließ
sich auch noch 2 Exemplare der Zeitung, die sich im Lesezimmer befanden, ausliefern und drohte
schließlich: daß er das Lokal schließen würde, wenn sich Julius bis Mittags nicht stelle. Man
machte ihm verständlich, daß Julius gestern Mittag plötzlich nach Magdeburg gereist sei und
nicht so schnell hier sein könne, und daß er wohl kein Recht habe die Räume der Zeitungshalle
zu schließen. Hierauf entfernte sich der Polizei-Commissar mit seinen Serganten und hat sich
bis jetzt, Nachmittag 4 Uhr nicht wieder eingefunden.
Die incriminirte Rolle lautet folgendermaßen:
„Hier ist dieses unheilschwangere Aktenstück, (Erlaß die Ernennung des Ministerium Pfuel
betreffend) dessen schwarze Lettern eine blutige Schrift verbergen, eine Blutschrift, deren
Enthüllung über die, welche deren höllischen Text ersannen und über die, welche ihre
scheußlichen Lettern schrieben, ewiges Wehe, den Fluch der Mitwelt und Nochwelt und das
Verdammungsurtheil der unerbittlichen Richterin Geschichte bringen würde.“
Dieser Vorfall hat große Sensation in der ganzen Stadt erregt. Auf Veranlassung der
Redaktion der Zeitungshalle wurden heute Morgen Plakate, mit der Anzeige der Confiscirung
angeklebt.
Commandant Rimpler, von dem Bürgerwehr-Club aufgefordert, erklärte auf eine Jesuiten
freundliche Correspondent des General Wrangel, daß er die Rechte des ihm anvertrauten
Instituts der Bürgerwehr auf alle Weise und in jedem Falle zu wahren wissen werde, und daß zur
Beruhigung der Einwohnerschaft von Berlin das baldigst eine zufriedenstellende Antwort
erwartet werde. Hierauf erwidert der General Wrangel heute, daß er es nach der am Freitag
stattgefundenen Interpellation des Ministeriums in dieser Angelegenheit nicht mehr für
nothwendig erachte, darauf in irgend einer Hinsicht zu antworten.
Die Herrschaft des Ministeriums Pfuel und des Diktators Wrangel ist übrigen durch den
allgemeinen Spott, dem sie durch ihre Reden und Handlungen bisher verfallen sind, unmöglich
geworden.
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Berlin, 24. September.
Die öffentliche Gerichtsverhandlung, welche gestern gegen die Zeughausstürmer stattfand, hat
zu keinem entscheidenden Resultat geführt. Der Staatsanwalt hatte die eigenmächtige
Besitzergreifung der aus dem Zeughause am 14. Juni geraubten Waffen nämlich als einen
gewaltsamen Diebstahl angesehen und seine Anklage deshalb bei der sogenannten
Diebstahlsabtheilung des Kriminalgerichts angebracht, welche auch gestern zu Gericht saß. Beim
Beginn der Verhandlungen legten jedoch die Defensoren der Angeklagten dagegen Protest ein, daß
man das Attentat gegen das Zeughaus zum Schimpfe der Berliner Einwohnerschaft zu einem
gemeinen Diebstahl stempeln wolle, während dasselbe doch eigentlich nichts als eine
politische, auf das Recht der Volksbewaffnung bezügliche Verirrung sei. Die Vertheidiger
verlangten daher, daß sich der Gerichtshof für inkompetent erklären und die Sache an die
Abtheil. für polit. Verbrecher verweisen möge. Der Gerichtshof erklärte sich wirklich nach
einer langen Berathung für inkompetent, weil allerdings bei den meisten der Angeklagten von
einem Diebstahle nicht die Rede sein könne, und verweist die Sache an die Hauptabtheilung des
Gerichtshofes. Drei der Angeklagten, deren Unschuld sich schon aus der Anklage erkennen ließ,
wurden sofort in Freiheit gesetzt, die anderen aber in der Haft belassen.
‒ Unter den gestrigen Maueranschlägen erregten besonders zwei Aufmerksamkeit, in welchen
mitgetheilt wurde, daß eine demokratische Partei sich hier vollständig organisirt, in 62
Sektionen abgetheilt und mit Munition aller Art versehen habe, um einen ähnlichen Aufstand,
wie in Frankfurt, zu veranlassen. Eines dieser Plakate war überschrieben: „Rothe Republik!“
und unterzeichnet: „Aßmus.“ Beide forderten die gutgesinnten Bürger und Einwohner zur strengen
Wachsamkeit auf.
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Berlin.
Am 28. d. M. wird bei der ersten Abtheilung dieses Gerichtshofes der erste wirkliche
Hochverrathsprozeß nach der Märzrevolution zur Verhandlung gelangen. Es ist derselbe gegen den
Literaten Fernbach, den Handlungsdiener Cohnheim, den Buchdruckereibesitzer Fähndrich, den
Kandidaten der Philosophie Baader und den Buchdruckereibesitzer Baartz gerichtet, welche
sämmtlich bei der Abfassung und Verbreitung des sogenannten „republikanischen Katechismus“
betheiligt sind, in welchem allen Fürsten der offenbare Vernichtungskrieg gepredigt wird. Das
Landrecht definirt den Hochverrath, wie dies in dem bekannten Polenprozeß so vielfach erörtert
worden ist, als einen Versuch, die bestehende Verfassung des preußischen Staates gewaltsam
umzustürzen. Da wir nun in diesem Augenblick gar keine Verfassung haben, so scheint das
Verbrechen des Hochverraths allerdings gegenwärtig bei uns gar nicht denkbar zu sein.
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@facs | 0559 |
Koblenz, 25. Sept.
Unter dem auf Ehrenbreitstein stehenden Bataillon des 27. Infanterie-Regimentes gab sich vor
einigen Tagen ein Geist der Unzufriedenheit kund, welcher bald in offene Widersetzlichkeit
umgeschlagen wäre. Als das Bataillon zum Ererzieren versammelt war, entstand unter demselben
plötzlich ein Murren, welches den Major veranlaßte, die Soldaten zu fragen, was sie wollten,
und zugleich aufforderte, ihre Klagen vorzubringen, worauf ein Soldat (Kriegsreservist) als
Sprecher vortrat und ungefähr Folgendes erklärte: Schon seit mehreren Monaten würden sie im
Lande herumgeführt, ganz auf Kriegsfuß mit 60 Patronen in der Tasche, ohne daß sie die
Feldzulage erhielten. Die rheinischen Regimenter hätten ihre Kriegsreserven entlassen, während
sie Weib und Kinder verlassen müßten, wobei natürlich neben dem, daß ihren Familien die
Ernährer genommen, diese Alles noch zusetzen müßten, um sie zu unterstützen, indem ihnen die
Kriegszulage nicht gegeben werde. Hauptsächlich verlangten sie aber eine Kost, welche Menschen genießen könnten, da die bisherige für das Vieh sei. ‒ Der Major
soll hierauf den Sprecher in Arrest habe schicken wollen, worauf sich sämmtliche Soldaten zu
Arrestanten erklärt hätten. Der Major habe hierauf den Degen in die Scheide geworfen und
erklärt: ein solches widerspenstiges Bataillon nicht kommandiren zu wollen, worauf die
Offiziere die tobenden und schreienden und Lebehochs für Hecker ausbringenden Mannschaften in
die Quartiere führten.
[(Rh- u. Mslztg.)]
[0560]
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H. Crefeld, 23. Sept.
Vor einigen Tagen wurde hier laut, der demokratische Klub beabsichtige dem Abgeordneten für
Frankfurt, dem Exminister Beckerath, ein Mißtrauensvotum abzugeben. Sofort wurden alle
freilich sehr schwachen Kräfte der Bourgeoisie in Thätigkeit gesetzt und in einer, durch
besonders gedruckte Zettel zusammen gebettelten Sitzung des konstitutionellen Klubs, in
welcher etwa 60 Mitglieder waren, wirklich ein Vertrauensvotum fabrizirt. Um nun wo möglich
Unterschriften zu erhalten, wurde der „Denunzianten-Verein“ in Anspruch genommen; selbst der
Gustav-Adolph-Verein wurde herangezogen, und unsere liebe Turnjugend speziell zur Unterschrift
aufgefordert. Da nun trotz alledem die Listen ohne Namen blieben, sandte man Emissäre in die
Häuser, um dort Unterschriften zu erschleichen, ja man rief sogar die Arbeiter auf die
Comptoire und legte ihnen die Liste mit der Alternative vor: „entweder unterschreiben oder die
Arbeit verlieren.“ Hr. v. Beckerath wird sich gewiß über diese Anhänglichkeit freuen. Der
demokratische Klub berief indessen eine Volksversammlung für den Crefelder Wahlbezirk und
legte ein Mißtrauensvotum an denselben Hr. Beckerath vor, welches von wenigstens 2000 Stimmen,
unter denen viele Wahlmänner, angenommen wurde. Die Adresse werde ich Ihnen morgen
mittheilen.
Breslau.
Bekanntmachung.
Die Vorfälle der letzten Tage haben von Neuem bethätigt, daß die mit gesetzmäßiger Freiheit
nothwendig verbundene Ordnung sich noch immer nicht hier am Orte so befestigt hat, wie die
Ruhe und Wohlfahrt der Stadt es erfordern. Wenn deren Herbeiführung auch zunächst Sache der
Civilbehörden und der ihnen durch die Bürgerwehr zur Verfügung gestellten Mittel ist, so sind
doch auch Excesse gegen Militärwachen, so wie der Bewachung des Militärs anvertraute Gebäude
und gegen Militärpersonen in Bezug auf ihr dienstliches Verhalten vorgekommen, die in der Zeit
größerer Erregung nachgesehen werden konnten, die es aber gegenwärtig der Militärbehörde zur
Pflicht machen, in dieser Beziehung unter allen Umständen ferneren Uebergriffen auf das
Bestimmteste zu begegnen.
Zur Vermeidung jedes Mißverständnisses mache ich daher hiermit öffentlich bekannt:
1) Das Militär schreitet mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln zur Herstellung der Ruhe
und Ordnung ein, wenn die desfallsige Requisition durch die Polizeibehörde, in Breslau durch
den Magistrat, an dasselbe ergeht.
2) Es rückt auf Anordnung der Militärbehörde unmittelbar aus, sobald Militärwachen, so wie
der Bewachung des Militärs anvertraute Gebäude oder Militärpersonen bedroht werden, und stellt
sich zu deren Schutz auf, wenn es erforderlich werden sollte.
3) Es schreitet in den vorgedachten Fällen unmittelbar ein wenn die Polizeibehorde oder die
Bürgerwehr gar keinen oder ungenügenden Schutz gewährt und die Bedrohung der ad 2 gedachten
Punkte und Personen in grobe Insulten oder Thätlichkeiten ausartet.
4) Die für Wachen, Patrouillen und Posten geltenden Bestimmungen in Bezug auf die Gewährung
von Schutz und Hülfe bleiben durch obige Bestimmungen unberührt.
Ich hege die Ueberzeugung, daß in allen den Fällen, wo dem Militair die Pflicht obliegt,
einzuschreiten, dies dennoch stets in gemeinsamem Wirken mit der Bürgerwehr geschehen wird,
wozu jeder Zeit die Hand zu bieten die Militairbehörden angewiesen sind. Das Verhalten der
Letzteren während einer halbjährigen unruhigen Zeit, gewährt genügende Bürgschaft, daß in
allen Fällen mit Rücksicht verfahren werden wird, welche die in die Händen habende Macht
anzuwenden gestattet, insoweit der nothwendig zu erzwingende Erfolg dies zuläßt. Im äußersten
Falle wird dies aber rücksichtlos auf die Folgen, die daraus entstehen müssen und vor denen
ich hiermit alles Ernstes warne, geschehen.
Als kommandirender General in der Provinz liegt mir aber auch in Vereinbarung mit dem
Königl. Ober-Präsidium die Pflicht ob, im äußersten Fall selbst unter alleiniger
Verantwortlichkeit die Ruhe und Ordnung überall unter Anwendung der gesetzlichen Mittel
herzustellen. Ich versehe mich dabei mit voller Zuversicht der Unterstützung von der großen
Mehrzahl aller wohlgesinnten Einwohner, die mit Ruhe den gesetzlichen Ergebnissen der Zukunft
entgegensehen, um mit Ernst und Kraft dem wühlerischen Treiben entgegenzuwirken, durch das so
viele Verführte schon ins Unglück gebracht sind.
In obiger Eigenschaft warne ich aber alle Bewohner der Provinz und fordere sie auf, sich von
dem wühlerischen Treiben nicht hinreißen zu lassen, da mir mit der Pflicht auch die Mittel zu
Gebote stehen, de Gesetze Nachdruck zu verschaffen.
Diese Bekanntmachung ist an alle Militairbefehlshaber der Garnisonen im Bereich des 6.
Armeekorps zur weiteren Veröffentlichung und Nachachtung in vorkommenden Fällen ergangen.
Breslau, den 21. September 1848.
Der kommandirende General des 6. Armeekorps.
(gez.) Graf Brandenburg.
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@type | jArticle |
@facs | 0560 |
Marburg, 21. Sept.
Gestern wurde der Prof. Bayrhoffer in den Wahlbezirken der oberhessischen Städte
Frankenberg, Kirchhain, Wetter u. s. w. mit 20 Stimmen gegen 9 zum Landtags-Abgeordneten
gewählt. Da die Wahlmänner noch in der Weise des bisherigen kurhessischen Wahlgesetzes aus der
Liste der höchstbesteuerten Grundbesitzer, der Stadtraths- und Ausschuß-Mitglieder, genommen
werden mußten, so dürfte diese Wahl um so mehr ein Zeichen der Zeit sein, als Bayrhoffer's
Richtung eine entschieden demokratisch-sozialistische ist.
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@type | jArticle |
@facs | 0560 |
Stuttgart, 23. Sept.
Am letzten Sonntag waren Volksversammlungen in Eßlingen und Hall; Mittwoch Abend eine
kleinere in Stuttgart im Stübner'schen Garten; Donnerstag den 21. in Cannstadt auf dem
Volksfestplatze, wo eine Petition an die zweite Kammer beschlossen wurde. Für nächsten Sonntag
sind solche angekündigt für Ellwangen, Reutlingen, Rottweil, Stuttgart und vom Ausschusse der
Volksvereine von Tettnang, Friedrichshaven und Ravensburg nach Ravensburg.
[(S. M.)]
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Kiel, 20. Sept.
In der gestrigen Versammlung unseres Bürgervereins, der jetzt den Namen eines demokratischen
Vereins angenommen hat, wurde über die gestern bekannt gewordene Genehmigung des
Waffenstillstandes durch die deutsche Nationalversammlung berathen. In der sehr zahlreichen
Versammlung sprach man sich von allen Seiten mit dem größten Unwillen über diesen
unglückseligen Beschluß aus, und hielt es für durchaus nothwendig, daß unsere
Landesversammlung von ihren Beschlüssen vom 4. Sept. nicht abgehe, und daß das ganze Land sich
aufs Schleunigste rüste, um jedem Angriff entgegen treten zu können.
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@type | jArticle |
@facs | 0560 |
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43
] Vom Mittelrheinkreis, 22. September.
Bekanntlich schmachtet der Redakteur der Seeblätter, J. Fickler von Konstanz, schon seit 6
Monaten im Gefängnisse zu Karlsruhe, ungeachtet die furchtbare Dauer dieser Haft auch nicht
mit einem Schein von Recht begründet werden kann. Dieser Verhaft wurde anfänglich wegen
angeblichen Landesverrath, wovon Mathy urkundliche Briefe in Hände gehabt haben wollte,
ausgesprochen; allein bald zeigte sich dieser Grund als eine lügnerische Erfindung von Mathy,
weshalb man sich nach einem andern Grund zur Fortdauer des Verhafts umsehen mußte, und
denselben in durch die Presse begangenen Majestätsbeleidigungen und in Hochverrathsversuchen
zu finden vorgab. Nachdem aber die Untersuchung wegen dieser angeblichen Verbrechen schon seit
vielen Wochen vollständig beendigt ist, konnte Fickler erwarten, daß man endlich einmal die
nöthigen Schritte zur Erlassung eines Urtheils thue; allein die badische Regierung scheint
hierzu keine Lust zu haben, weil sonst das Geschwornengericht, welches das Urtheil zu fällen
hat, schon längst hätte konstituirt sein sollen. Fickler soll vielmehr für seine freie
männliche Unerschrockenheit, mit welcher er die Rechte des badischen, des deutschen Volkes
verfocht, und die Mißgriffe der badischen Regierung angriff, büßen; er soll büßen dafür, daß
er die Souveränetät, welche sich das Volk in den Märztagen und später erfocht, zur Wahrheit zu
machen und das deutsche Volk von den Banden des Metternichschen Systems, in welchem wir noch
immer gefangen sind, zu befreien sucht. So verfahre die badische Regierung mit den
Volksmännern! Im klaren Bewußtsein seiner dereinstigen Freisprechung verlangte Fickler die
Aufhebung seiner Haft gegen Kaution, oder wenigstens die Verbringung in der Sicherheitshaft
nach Konstanz, allein davon will das Gericht nichts wissen, Fickler soll vielmehr in seinem
Kerker, ferne von der Mehrzahl seiner Freunde, sein Leben vertrauern, bis die Unmöglichkeit
vorliegt, ihn noch länger fest zu halten! Kann man das Justiz oder muß man dies nicht vielmehr
Barbarei nennen? Selbst seine eigenen politischen Korrespondenzen, die für die Seeblätter
bestimmt sind, aus welchen er die Mittel für seine karge Existenz zieht, diese
Korrespondenzen, sage ich, will man nicht frei geben und dulden, daß sie in die Seeblätter
eingerückt werden; man will ihn also durch eine ungerechte langwierige Haft nicht nur geistig
und körperlich verkommen lassen, sondern er soll auch förmlich bürgerlich ruinirt werden! Das
körperliche Henkeramt hat man bereits schon lange durch seine Einsperrung an seiner Person
ausgeübt, jetzt will man auch das geistige Henkeramt an ihm anwenden, man will seine
Geistesprodukte censiren! Was kein Beamter, ohne den Verfassungseid verletzt zu haben, ohne
somit als ein Meineidiger vor Gericht gezogen und bestraft zu werden, gegen einen freien Mann
thun darf, das wagt das Untersuchungsgericht gegen einen wehrlosen, hinter Schloß und Riegel
sitzenden Gefangenen! Ist etwa diese grausame Maßregel durch die Untersuchung geboten? Gott
behüte, die Untersuchung ist schon längst beendigt, seine Korrespondenzen können ihm
ebensowenig die Flucht bereiten, wie das Untersuchungsgericht einmal lächerlicher Weise
behauptet hat. Auch denkt Fickler an keinen Fluchtversuch; die Gewalt, welche ihn seiner
Freiheit beraubt, welche ihn um sein politisches Ansehen und um seine bürgerliche Ehre zu
bringen gesucht hat, muß ihm selbst die Thore des Gefängnisses öffnen, sie muß durch ihr
Organ, das Gericht, dereinst ihr an Fickler begangenes Unrecht laut bekennen.
Es versteht sich von selbst, daß diese Haft auch fortwährend die „Seeblätter“ beinträchtigt.
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@facs | 0560 |
Wien, 22. Septbr.
Neueste Nachricht aus Ungarn. Szent-Tamas ist von den Ungarn genommen, 3000 Raizen sind in
die Drau getrieben worden, von wo nur ein geringer Theil derselben entkommen ist.
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@type | jArticle |
@facs | 0560 |
Wien.
Sicherem Vernehmen zufolge, soll die Partei der Swornost aus Böhmen (der ultraradikalste
Czechenschlag), in Ober-Ungarn eingefallen sein, um gegen die Magyaren ‒ für die Kroaten und
Slavonier zu streiten.
[(A. A. Z.)]
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@type | jArticle |
@facs | 0560 |
Frankfurt.
Vortrag des Handelsministers Duckwitz, die commerzielle Einheit Deutschland's
betreffend.
Das Reichs-Ministerium des Handels hält es für seine Pflicht, der hohen Nationalversammlung
den Plan vorzulegen, nach welchem es wünscht ermächtigt zu werden, die commerzielle Einheit
Deutschland's zu begründen. Es kann sich dabei für jetzt nur um die leitenden Gesichtspunkte
handeln, indem die Einzelheiten sich erst später aus den zur Beschlußnahme zu verstellenden
Gesetzvorschlägen ergeben werden. Da aber die commerzielle Einheit Deutschland's nicht aus
Bruchstücken zusammengesetzt werden darf, wenn ein wahrhaft einheitliches Ganzes geschaffen
werden soll, wird von Anfang an der Standpunkt fest bezeichnet werden müssen, von welchem aus
bis in die details hinab die große Zahl der erforderlichen Gesetze und der mit fremden Staaten
zu schließenden Verträge zu behandeln ist.
Für diese dürften folgende Grundzüge in Erwägung zu nehmen seyn:
1) die größtmögliche auf Gegenseitigkeit sich grundende Freiheit des
Handels und der Schifffahrt mit fremden Staaten;
2) Einrichtungen im Zollwesen, welche die Anwendung von Repressalien wider fremde Nationen
auf Schiffe und Waaren zulässig machen und zwar zum Zwecke der wirksamen Erstrebung wahrhafter
Gegenseitigkeit in Handel und Schifffahrt.
3) Bei der Schifffahrts-Gesetzgebung über die Nationalität deutscher Schiffe Anwendung
solcher Grundsätze, welche die Vermehrung derselben möglichst erleichtern und Erschwerungen
des Schiffbaues, der Ausrüstung und der Bemannung vermeiden.
4) Möglichste Schonung der Handels-Bewegung bei Feststellung der Formen und Controlen der
Zollerhebung.
5) Befreiung der Verkehrs-und Transportmittel im Innern Deutschland's von den seitherigen
Hemmnissen und Ungeregeltheiten.
6) Bei Feststellung des Zolltarifs möglichste Berücksichtigung des internationalen Verkehrs
mit Rohprodukten, soweit solches mit den finanziellen Bedürfnissen irgend verträglich
erscheint und Schutzgewährung der deutschen Industrie in demjenigen Maaße, wie es zu ihrem
sichern Gedeihen nothwendig und zweckmäßig ist.
Der leitende Gedanke bei diesen Gründzügen ist daher, dem Verkehre im Innern wie demjenigen
mit dem Auslande die möglichste Leichtigkeit zu gewähren, dem Ersteren durch Sicherung eines
weiten Absatzgebietes für die heimische Gewerbthatigkeit, dem Letzteren durch Oeffnung des
weitesten Feldes für den Austausch gegenseitiger Erzeugnisse.
Unter Beobachtung dieser Grundzüge würde nach folgendem Plane die Handels-und
Zoll-Verfassung Deutschland's Schritt vor Schritt in's Leben zu führen sein.
Der Anfang wird gemacht werden müssen mit der Umwandlung der Handels- und
Schifffahrts-Verträge der einzelnen deutschen Staaten in Reichsverträge, um den Bundesstaat
als Einheit in den Völkerverkehr einzuführen. Fast alle bestehende Verträge haben
Gegenseitigkeit zur Basis; sie ist aber häufig beschränkt auf den einzelnen betreffenden Staat
und daher von geringerem Werthe, als wenn sie fur die Gesammtheit Anwendung hätte. Es dürfte
indessen wohl keine namhafte materielle Schwierigkeit haben, dem Prinzipe der Reciprocität für
den Bundesstaat Eingang zu verschaffen. Mit der Ablösung und Umwandlung der Verträge wird aber
schon aus dem Grunde begonnen werden mussen, weil verschiedene derselben einer alsbaldigen
Zolleinigung hindernd in den Weg treten, weshalb mit dieser daher vor der Beseitigung solcher
Verträge nicht mit der wünschenswerthen Schnelligkeit vorgeschritten werden kann. Es werden
ferner in verschiedenen Landern vertragsmaßig die Rechte deutscher Reichsconsuln festzustellen
seyn, damit die demnächst zu bestellenden Reichsconsuln diejenigen Befugnisse auszuüben
vermögen, welche das Völkerrecht den Consuln unter befreundeten Nationen einräumt. Ein
umfassendes Reglement für den Consulatsdienst des Reiches dürfte ebenfalls der Ernennung der
Consuln vorhergehen müssen, weil nach jenem sich die Wahl des Personals zu richten haben
wird.
Gleichzeitig mit der Umwandlung der Verträge werden die Gesetze über die Erfordernisse eines
deutschen Schiffes, über Umwandlung fremder Schiffe in deutsche, über Musterrollen, Seepasse
u. s. w. zu entwerfen sein, damit das Gesetz über die deutsche Handelsflagge in Ausfuhrung
gebracht werden konne. Denn wenn Handels- und Schifffahrtsvertrage mit fremden Staaten
hinsichtlich deutschen Handels und deutscher Schifffahrt geschlossen werden sollen, muß nicht
nur der Begriff des deutschen Bundesstaates feststehen, sondern auch klar vorliegen, durch
welche Erfordernisse die Schiffe als deutsche legitimirt werden konnen.
Aber in diesen ersten Schritten zur Begründung der materiellen Einheit Deutschlands ist
nicht mit Sicherheit vorzugehen, wenn die Grundprinzipien nicht festgestellt sind, nach
welchen das Gebäude fortgebauet werden soll, und zwar auch sowohl hinsichtlich der Zollsätze
als der Zollformen. Daher sind die Grundsätze in möglichster Kürze hier bereits hervorgehoben
worden. Wäre es z. B. die Absicht, durch das Zollwesen das zum Schiffsbau und Schiffsbedarf zu
verwendende Material, welches das Ausland liefert, hoch zu besteuern, so wurde unsere
Schifffahrt, wenn mit der fremden auf gleichen Fuß und Gegenseitigkeit gestellt, nicht
konkurriren konnen und folgeweise bei den internationalen Vertragsverhältnissen das Prinzip
der Reciprocitat nur mit großer Beschränkung zur Geltung gebracht werden durfen, auch würden
die Gesetze uber Nationalität der Schiffe dadurch erheblich modifizirt werden.
Will man aber dem Schiffsbau und der Ausrüstung der Schiffe völlig freien Spielraum
gewähren, will man bei Feststellung der Formen der Zollerhebung die Handelsbewegung möglichst
schonen, will man bei Feststellung des Zolltarifs den internationalen Verkehr möglichst
berücksichtigen, unter vollständiger Beschützung der heimischen Industrie und den Handel im
Innern des Landes von Hemmnissen befreien, so können die Handels- und Schiffahrtsvertrage auch
unbedenklich auf der allerfreisinnigsten Basis geschlossen werden. Ist ferner ausgesprochen,
daß die Einrichtung des Zollwesens dergestalt getroffen werden soll, daß die Anwendung von
Repressalien wider fremde Nationen auf Schiffe und Waaren ohne Schwierigkeit ausfuhrbar ist,
so wird solcher Ausspruch es gar sehr erleichtern, den Bundesstaat im Wege des Vertrages bei
allen Nationen zur vollen Anerkennung in kurzer Zeit zu bringen.
Daher ist schon jetzt ein Ausspruch über die Grundsätze erforderlich, nach welchen das
Gebäude der deutschen Handels-und Zollverfassung auferbauet werden soll.
Endlich muß das Reichsministerium des Handels sich noch eine Bemerkung erlauben.
Es erhellt schon aus dem Vorstehenden, daß die Handels- und Zollgesetzgebung Deutschlands,
um ein organisches Ganzes zu werden, nicht anders, als von einem Centralpunkte aus geleitet
werden kann. Es dürften daher Mißstände mancher Art zu besorgen sein, wenn die Gesetze über
verschiedene Theile dieser Gesetzgebung von verschiedenen Ausschüssen der National-Versammlung
ausgehen, zumal dadurch die Reihenfolge derselben wahrscheinlich lückenhaft werden möchte. Es
wird sich daher empfehlen, in Erwägung zu ziehen, in welcher Weise das Verhältniß des
Handelsministeriums zu den Ausschüssen angemessener zu regeln sei, wobei es vor Allem
zweckmäßig sein wurde, daß die Ausschüsse den Ministerium die ausschließliche Vorlage der
Gesetze über Handel und Schifffahrt, wenigstens fur einen Theil dieses Gebietes überließen.
Jedenfalls aber wird ein geregelter Geschäftsgang ein unerläßliches Erforderniß bei der
Neugestaltung der materiellen Verhältnisse Deutschlands sein.
Ungarn.
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Karlsstadt, 14. Sept.
Durch den Aufschwung Jellachich's zum Ban von Kroatien und Militär-Gouverneur daselbst
erhielt die Gränze mit einem Male eine politische Bedeutung, man kannte die Macht, die in
diesem bis nun gedrückten Volke schlummerte und fürchtete die ungarischen Minister-Erlasse,
die dieses Land aus seinem Schlummer wecken und in die Reihe freier Staaten führen
sollten.
Baron Jellachich, Oberst und Illirier, Feind Ungarn's und der Liberalität in eben dem Maße
als Freund Oesterreich's und des alten Regime, fand es vom bedeutenden Interesse für die
Regierung, so viel als möglich ungarischen Einflüsterungen die Gränze zu entrücken, sie durch
einige Ameliorationen zu betäuben und ihr durch Intriguen Haß gegen Ungarn einzuflößen. ‒ Die
Gränze ohne politische Bildung, ohne freie Bewegungen, war nicht wenig überrascht, auf einmal
von so nahmhaftem Druck als Robot u. s. w. befreit zu sein, sah in dem Banus nichts minder als
ihren Retter, und ist für diesen Menschen gleich Beduinen oder andern halbwilden
Völkerschaften fanatisirt. Offiziere vom höchsten bis zum niedersten Range, ja sogar
Chargenaspiranten fanden in dem kaiserlichen Ban viel größere Bürgschaft ihrer Zukunft als im
ungarischen Ministerium, und diese entsitteten Bevorzugten in der Gränze ließen während der
ganzen Zeit nicht ab, das Gränzvolk für den Ban zu gewinnen und gegen Ungarn zu hetzen, indem
sie es nicht für schändlich fanden, öffentlich dem Volke vorzulügen, „daß alle Lasten, die den
Gränzer bis nun so schwer drückten, eine Folge ungarischer Gesetze sind, daß die
Ungerechtigkeiten, die diese Satrapen begingen, vom Kurzschließen bis zum Spießruthenlaufen,
Strafen, die sie ihrer jetzigen Aussage nach mit blutendem Herzen zuließen, nur eine Folge
ungarischer Tyrannei sei. Von solchen Ideen durchdrungen, empfing die Gränze den Ban. Mit
lautem Jubel wurde der Mann mit dem eisernen Herzen empfangen, man führte ihn im Triumph durch
die ganze Gränze und erwies ihm überkönigliche Ehren. Er selbst unterließ nicht, die Gränzer
für sich zu gewinnen, indem er ihnen öffentlich und in Kirchen sprach, „wie er für sie Alles
thun wolle, und wie die Ungarn ihn mit frevelnder Hand seines hohen Berufs entsetzen wollen
aus Neid gegen die Gränzer, die er beschützt ‒ nur muß er wissen, ob die Gränze auch bereit
sei, diese ihr gegebenen und noch zu gebenden Privilegien zu erhalten und zu beschützen, darum
müsse Alles, was Waffen tragen kann, hinaus an die Drawe, um gegen die Sklaverei zu kämpfen.
Auf diese Weise wurden große Militär-Aushebungen veranstaltet.
Die ganze Gränze erhob sich in Waffen und wälzt sich in Massen an die ungarischen Gränzen.
Zugleich ward anbefohlen, bedeutende Macht aus dem bürgerlichen Kroatien zu erheben, und zwar
so, daß von diesen in Komunen lebenden Familien Alles bis zum Hausvater ausgehoben wird.
Nachdem nun der Banus den Wehrstand in Kroatien so eingerichtet, daß Alles, es möge
kampflustig sein oder nicht, in's Feld ziehen, daß außer den Städten alles Land seine Söhne
ihrer friedlichen Arbeit entziehen mußte, um sie auf die großen Wahlplätze zu zerren, konnten
in einigen Civildistrikten die Bauern nicht vergessen, daß Ungarn das Land ist, in dem sie die
einzige Garantie ihrer jetzigen und zukünftigen bürgerlichen Stellung zu finden haben, und
wollten gegen ein solches Land nicht zu Felde ziehen, um so mehr, da sie dabei von Leuten
angeführt werden, gegen die sie mit Recht das größte Mißtrauen hegen, wie z. B. von
Gutsbesitzern, die, so lange es in ihrem Ponovic war, alle Menschlichkeit im Umgange mit ihren
Unterthanen abstritten, die wie orientalische Pascha's sich Schergen hielten und von denen
manche ihre Unterthanen auf's Entsetzlichste mißhandelten. ‒ Von solchen einfachen, aber
triftigen Gründen geleitet, hatten einige Bezirke sich geweigert, gegen Ungarn zu ziehen. ‒
Und was thut die Behörde? Sie sendet dem Bezirke eine beträchtliche Macht als Exekution, um es
arm zu fressen und die anderen Bezirke durch das Elend, was eine solche Strafe erzeugt, von
solchen Idee'n abzuschrecken. An einem andern Orte, zu Ribnik, einer Bunjevac'schen
Herrschaft, weigerten sich die Leute, mit Sensen bewaffnet in's Feld zu ziehen, aus Furcht,
dem besser bewaffneten Feinde zu leicht zu unterliegen. ‒ Was thut man? Man sendet eine Anzahl
Schergen und läßt diese armen, einfachen, redlichen Menschen, deren Weigerungen man
boshafterweise politische Umtriebe zu Grunde legt und sie Rebellen nennt, zusammenfangen und
nach Karlsstadt zum Sicherheits-Comité führen, wo sie gerichtet werden.
Dieses Sicherheits-Comité, eine Sammlung von Personen, von denen viele sich bis nun weder
einen reinen moralischen Ruf erworben noch sonst Fähigkeiten zum Richteramte besitzen, ist ein
Abbild jener scheußlichen Parteitribunale verpönten Andenkens in Frankreich. Obwohl dieses
Comité bis nun keine Terrorismen zu begehen sich getraute, so sind doch einige Mitglieder
davon, die sich jetzt eines Blutmahls freuen, ‒ und sobald diese Menschen einmal Blut haben
fließen machen, steht es zu fürchten, daß sie Tiger werden, denn wie gesagt, es sind Menschen
dabei, von denen einige einen zu rohen Geist haben, um vor solchen Scenen abzuschrecken, und
es sind Menschen dabei, die zu schändlich sind, als daß sie nicht Alles thäten. ‒ Solche
Gerüchte, Mißtrauen, Schrecken aller Art, Furcht vor Denunciation, Gedanken- und Worte-Censur
sind die Freiheiten, die Kroatien vom Jahre 1848 hat, sind die ersten heilvollen
Einrichtungen, unseres despotischen in allen wohlgesinnten Ländern verhaßten Banus. ‒ Kroatien
hat zu wenig Freiheitsgedanken, zu wenig politiche Bildung, zu wenig redliche Geister, um sich
gegen diesen Druck zu empören, das Volk muß den Mann seiner Wahl fürchten, die Journale nur
Huldigungsschreier gegen denselben sein und der Mann selbst ist Unterdrücker und Verräther
seines eigenen Volkes, er führt es in Kampf nicht für dasselbe, sondern um der verhaßten
Kamarilla zu helfen, einen schimpflichen Raub zu begehen.
[(Oest. Bl.)]
Französische Republik.
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@facs | 0561 |
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12
] Paris, 22. Sept.
Die konstituirenden Versammlungen, die gegenwärtig in Europa über neue„Konstitutionen“
brüten, werden in ihren weisen und „tiefen Berathungen“ manchmal auf unangenehme Weise
gestört. Diese Störungen finden so häufig und mit solcher logischer Konsequenz statt, daß man
wohl voraussagen kann: von den Konstitutionen wird keine einzige zu Wege kommen; die Herrn von
Frankfurt, Berlin, Paris etc. mühen sich umsonst ab, zu konstituiren und festzustellen, was
noch in vollem Fluße ist. Bei dem geringsten Anstoße fällt die angefangene Konstitution über
Haufen, und während die konstituirenden Versammlungen allgemeine Phrasen über Politik
delibriren und „organische Gesetze“ statuiren, kommt mitten in ihrem Pathos und Ithos ein
politischer Stoß, eine unorganische Commotion, die hinlänglich bekundet, was es in jetziger
Zeit mit dem Konstituiren für ein Bewandtniß hat. Die Pariser Vereinbarer waren im besten
Zuge; wie in Frankfurt delibrirte man in Paris ganz ruhig über Kirche und Schule, über
Freiheit des Unterrichts; die Herren des Nationale, welche darüber delibrirten, wähnten sich
in aller Sicherheit die Herren der Nation zu sein. Da kamen plötzlich die neuen Wahlen und die
Leute werden abermals irre an den Gewählten, am Volke ‒ an der zu konstituirenden
Konstitution. Das Journal des Debats und der National gestehen in aller Gutmüthigkeit:
Napoleon sei ein x für sie.“ Napoleon ein x! Und die 300,000 Wähler, die ihn gewählt haben,
sind dies etwa 300,000 x? Hätte man noch gesagt, daß das, was man in Napoleon hätte wählen
wollen, das x war, das Unbekannte war das, was man der bekannten und der voraus schon
konstituirten Constitution entgegensetzen wollte! Aber dieses Unbekannte in Napoleon war
förmlich bekannt; es ist der Name, das Abenteuer, die Verwegenheit, es ist Alles, ausgenommen
den neapoleonischen Adler! Und nur diesen Adler fürchtet man in der ganzen Versammlung, weil
dieser Adler die ganze erste Legion auf offenem Platze hat hoch leben lassen, und alle Welt
gesungen hat: veillons au salut de l'empire. Das Ministerium ist geschlagen, die
Constitutions-Kommission ist durcheinander, und in dieser Stimmung läßt das Ministerium sich
ein Vertrauens-Votum abstimmen. Und wer gibt dieses Vertrauens-Votum? Die Kammer, der so eben
ein Trotz-Votum gegeben worden. Nicht das Ministerium ist durch die neuen Wahlen in Frage
gestellt, sondern die Kammer selbst. Wen hat man in Raspail gewählt? Etwa den Gefangenen in
Vincennes? Nein, sondern denjenigen, der am 15. Mai die Constituirende Versammlung und die
zukünftige Constitution stürzen wollte. Indem man Cabet und Thoré eine gleiche Stimmenanzahl
zuerkannte, wollte man dasselbe, der Bourgeois-Kammer feindselige Element zur Anerkennung
bringen. Raspail ist zum Deputirten ernannt und von der Kammer muß jetzt erst die Erlaubniß
eingeholt werden zur Untersuchung über den am Stadthause zum Volksreprasentanten prollamirten
Gefangenen. Durch diese nöthig gewordene Autorisation wird die bereits begonnene Untersuchung
wieder in Frage gestellt, werden die am 15. Mai vorgefallenen Ereignisse wieder einstweilen
verläugnet, als ungeschehen dargestellt. In Napoleon tritt der Widerspruch mit der
Nationalversammlung noch weit greller hervor. Nicht den Napoleon, den Schweizer, den
Ausländer, nicht Napoleon, dessen Wahl noch erst bestritten werden soll in der
Nationalversammlung, und den man so gerne ausstoßen möchte, hat das Volk wählen wollen, nein,
Napoleon, den Verbannten, den das Volk sich als seinen General, dem
General Cavaignac gegenüber ausersehen will, nicht weil Napoleon wirklich General ist, sondern
weil er es sein kann, nicht für das, was Napoleon wirklich ist, sondern für das, er sein kann,
und weil das Volk eben glaubt, Alles mit ihm machen zu können.
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@facs | 0561 |
Paris, 24. Sept.
Das philippistische Blatt, „Assemblee nationale“, das lügt wie gedruckt, hatte vor einigen
Tagen eine fürchterliche Verschwörung entdeckt. Es handele sich nämlich um nichts Geringeres,
als die ganze Clique in der Rue de Poitiers in die Luft zu sprengen, oder jedes einzelne Glied
zu ermorden. Der Plan klang so fürchterlich, daß man ihn wahrscheinlich in Rußland fabrizirt
haben mochte. Heute enthält der „Moniteur“ folgende Erklärung:
„Das Journal „Assemblee nationale“ spricht von einer Verschwörung, welche gegen die Reunion
der Rue de Poitiers gerichtet worden. Die Glieder der Reunion hätten ermordet werden sollen.
Der Chef der Exeiutivgewalt sei Gegenstand eines Mordversuchs etc. Diese Berichte sind
gänzlich falsch. Keine Demonstration hat nicht einmal zu dem Gedanken (pretexte) solcher
Thaten berechtigen können.“
Das Bankettfieber dehnt sich immer mehr aus. Ein Maueranschlag benachrichtigt heute die
Pariser Bevölkerung, daß für den 22. Oktbr. ein großartiges Bankett organisirt wird, in
welchem das Kleinbürgerthum (Schenkwirthe, Krämer, Bierbrauer etc.) mit den Arbeitern
fraternisiren soll. Flocon steht, wie die Reforme meldet, an der Spitze des diesfälligen
Ausschusses. Eintrittspreis 1 Franken. Den Ort werden spätere Assichen bekannt machen.
‒ Der Prozeß des bekannten Kommandanten Constantin, eines der wärmste Anhänger der rothen
Juni-Republik, beginnt morgen vor dem Kriegsgericht in der Rue du Cherche-midi.
‒ Gestern rollte ein neuer Schub Insurgenten nach Harve.
‒ Die Regierung soll indeß gestern entschieden haben, die Insurgenten nicht zu deportiren,
sondern zu amnestiren. Cavaignac warte nur auf den geeigneten
Augenblick.
‒ Der National prophezeit dem Berliner neuen Ministerium eine Dauer von wenigen Tagen. „Die
Majorität, die Beckerath's Programm wenn auch nicht auf langezusammengebracht hätte, wird für
das militär-büreaukratische Kabinet von Pfuel's keine Minute lang erzielt werden.“ Weiterer
Betrachtungen enthält sich das halboffizielle Blatt noch.
‒ Neues Papiergeld! Das ist der Schreck des Journal des Debats, des Rothschildschen Blattes.
„Neues Papiergeld ist der Bankrott der ganzen Gesellschaft,“ wird in vier langen Spalten
dargethan. Freilich, das neue Papiergeld, welches der Staat zu schaffen gedenkt, würde der
Gesellschaft der Rothschilds einen ungeheuern Schlag versetzen. Das fühlt das Blatt
Rothschilds dermaßen, daß es der Republik ungewöhnliche Konzessionen zu machen bereit ist,
wenn nur kein Papiergeld geschaffen wird. „Die Republik ist eine von allen Fiktionen befreite
Regierungsform. Nun ist aber Papiergeld eine Fiktion. Folglich darf die Regierung kein
Papiergeld schaffen.“
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@facs | 0561 |
[
*
] Paris.
Der Italiener Montucci hat von hier aus einen Aufrauf: „An seine deutschen Brüder“ ergehen
lassen, worin er u. A. sagt:
„Deutschland und Italien, zwei durch Abstammung, Klima und Gefühle höchst verschiedene,
durch Unterdrückung, Verfolgung und Zertheilung aber einander ähnliche Völker, denen das
bisher vergebliche Seufzen nach Freiheit zur andern Natur geworden, mußten nothwendig als die
ersten Mitstreiter im großen, vom edlen Frankreich begonnenen Kampfe der politischen Rechte
der Volker gegen die Anmaßungen absolutistischer Fürstengewalt auftreten. Allein bereits ist
man eifrig beflissen, das deutsche Volk von seinen natürlichen Bundesgenossen zu entfernen.
Deutschland gegen Italien und Frankreich anzuhetzen, daß ist das Meisterstück welches man
durchzusetzen hofft. Wo bliebe denn, so heißt es, d. m Despotismus ein Schutzwinkel, böten
sich Frankreich, Deutschland und Italien brüderlich die Hand? Das kann, das darf nicht sein!
Drum frisch ans Werk! Jeder alte Groll sei aufgeschürt; Haß, Verdacht und Zwist unter die
Völker gesäet; denn so nur kann unbedingte Alleinherrschaft bestehen! Darum, ihr Deutschen,
predigt man euch schon vor, daß Rußland und Frankreich sich gegen Deutschland koalisiren…
Dergleichen Lügen sind d. s. Absolutismus beste Waffen, nur hoffentlich für unsere Zeit nicht
scharf genug.“
Der Aufruf schließt mit dem Wunsche der Herstellung der brüderlichen Eintracht zwischen
Deutschland und Italien.
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@facs | 0561 |
Straßburg, 22. Sept.
Die italienischen Flüchtlinge haben nun alle unsere Gränze verlassen; dagegen mehrt sich die
Zahl der Polen wieder, indem dieselben allmälig von der preußischen Gränze wieder
zurückkehren. Die Zahl der politischen Verbannten aus den verschiedenen Ländern, welche sich
gegenwärtig in Frankreich aufhalten, ist größer als je. ‒ Die Nationalversammlung wird
demnächst ein Gesetz in Bezug auf die zu verabreichenden Unterstützungsgelder in Berathung
nehmen.
[(Fr. I.)]