Deutschland.
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] Frankfurt, 18. Septbr.
Die Volksversammlung auf der Pfingstweide hat gestern um 3 Uhr stattgefunden. Gebildet aus
Frankfurtern, Hanauern, Mainzern, Höchstern und Bürgern von noch ungefähr 20 andern
Ortschaften, belief sich ihre Anzahl auf 15,000. ‒ Das hiesige Montagskränzchen stellte zuerst
den Antrag auf eine Adresse an die Nationalversammlung. ‒ Dieser wird unter einem Sturm von
Mißfallen verworfen. ‒ Der demokratisch-republikanische Verein von Frankfurt stellt einen
Antrag auf Proklamation an das deutsche Volk: „Seine falschen Vertreter zurückzurufen.“ ‒
Ebenfalls verworfen! ‒ Zitz aus Mainz, Abgeordneter, mahnt ab von allen Adressen ‒ die Zeit
der Frakturschrift sei gekommen. (Beifall.) Schütz aus Mainz stellt den Antrag: „Die Linke zum
Austritt aus der Versammlung aufzufordern, und ihr für diesen Fall Schutz und Beifall des
deutschen Volks zu sichern.“ ‒ Schlöffel, Abgeordneter, in einer Rede, die mit Enthusiasmus
begrüßt wird, spricht sich ebendahin aus. ‒ Brun aus Holstein, ruft auf zu Barrikaden. ‒
Wesendonk spricht in dem Sinne von Schlöffel unter Jubelruf. ‒ Der Antrag von Schütz wird
angenommen. ‒ Ein Antrag von Krug: „Die 258 Mitglieder der Majorität, welche am 16. Sept. für
Annahme des Waffenstillstandes gestimmt, für Verräther des Vaterlands
zu erklären, wird unter Jubelsturm angenommen. Hierzu ein Zusatz von
Metternich aus Mainz, „diese Erklärung den 258 in der Paulskirche durch eine Deputation
persönlich zu verkündigen ‒ angenommen. ‒ Die Volksversammlung geht
auseinander in tiefster Ruhe und Ordnung.
Es treten zusammen die Vorstände aller Vereine von Frankfurt und der Umgegend, welche sich
an der Versammlung betheiligt, um nach Auftrag derselben die drei gefaßten Beschlüsse
auszuführen. Man wählt aus diesen Vorständen 15 Mitglieder, welche damit beauftragt werden.
Diese begeben sich unter Begleitung zahlloser Volksmassen in den Deutschen Hof zu der dort
versammelten Linken. Vogt präsidirt daselbst. Nur 19 Mitglieder von der äußersten Linken (Vogt nicht) und ein Mitglied der Linken
(Zimmermann aus Spandau) erklären sich bereit zum Austritt. Man beschließt ferner, in der
Nationalversammlung von morgen (also heute) einen Antrag auf neue Wahlen zu stellen. Das Volk
vernimmt dies Resultat in tiefster Stille und äußerster Mißbilligung. Dieselbe Deputation von
15 Mitgliedern der demokratischen Vereine wird den zweiten Beschluß der Volksversammlung heute
der Nationalversammlung mittheilen. Man beschließt ferner eine zweite Volksversammlung auf
heute Montag. Die Nacht bleibt ruhig. Während derselben rücken Preußen und Oestreicher aus
Mainz in die Stadt (an Zahl etwa 2000 bis 3000 Mann). Sie umstellen die Paulskirche in dichtem
Kreise. Das Volk drängt sich in Schaaren herbei. Man starrt sich ruhig an. Die Kirche füllt
sich. Die Vertreter in äußerster Aufregung unterhalten sich in Gruppen. Die Gallerien sind
gedrängt voll. Man harrt der Dinge die kommen sollen.
‒ Sitzung der National-Versammlung. Montag 18. Sept.:
Die Bänke der Vertreter sind sehr leer. ‒ Radowitz ist wieder da und demonstrirt eifrig den
Seinen die Neuigkeiten.
Schaffrath: es soll im Protokoll bemerkt werden die Aeußerung des
Präsidenten: „ich lasse mir das Recht mit zu diskutiren und zu urtheilen nicht nehmen.“
Präs.: soll bemerkt werden.
Blum reklamirt gegen das Protokoll.
1) seine Aeußerung: daß man gegen allen parlamentarischen Brauch des Hauses zur Abstimmung
über 2 Punkte eines Antrages zugleich schreite, ist nicht mit ins Protokoll genommen.
2) die Ursache der zweiten Abstimmung, daß Nichtmitglieder der National-Versammlung (z. B
Herzog von Augustenburg) in derselben gewesen, und mit gestimmt, ist nicht zu Protokoll
genommen.
(Gallerien donnerndes Bravo)
Präs.: Wenn die Gallerien nicht ruhig, werden sie gleich
geräumt.
Wiegard: Widerspruch gegen diese Drohung.
Präs.: Hr. Wiegard ich werde die Ruhe selbst aufrecht zu erhalten
wissen. (Lauter Tumult auf den Gallerien).
Soiron: Die Reklamationen werden alle zu Protokoll genommen.
Berger: verlangt in's Protokoll aufzunehmen, daß Gagern erst als
Heckscher sprach an Soiron das Präsidium übergeben, und dann selbst mitgestimmt.
Präs.: soll geschehen. Aber mein Motiv dazu war, daß ich selbst
sprechen wollte.
Präs.: Nachdem Hermann das Mandat zur Bildung eines Ministeriums
niedergelegt, hat das alte Ministerium beschlossen zu bleiben, und bis
zur Bildung eines neuen Ministeriums alle Geschäfte mit voller Verantwortlichkeit zu
übernehmen.
Blumroder tritt aus. v. Lindenau tritt
aus.
Berger interpellirt den Kriegsminister, warum Preußen und
Oestreicher die Kirche umgeben, und in Bockenheim eine Batterie aufgestellt ist.
Schmerling hätte auch ohne Interpellation dies erklärt; die Vorfälle
von vorgestern Abend (Tumult vor der Kirche) und die Volksversammlung haben den Frankfurter
Senat veranlaßt, militärische Hülfe beim Reichsverweser zu requiriren. ‒ Sie sind lediglich
zum Schutz der National-Versammlung vom Senat herbeigerufen. ‒ Das Ministerium hat sich
einstimmig verpflichtet erachtet, als seine heiligste Pflicht [furchtbarer Tumult vor der
Kirche] angesehen, die Vertreter des Volkes zu schützen. ‒ [Rechts Bravo!] Jeder Angriff auf
die National-Versammlung ist Hochverrath!
Riedel von Hanau. Antrag: Da sich Zweifel erheben, daß die
National-Versammlung noch das Vertrauen des Volks besitzt, und in Erwägung vieler andern
Punkte beschließt die National-Versammlung: es sind neue Wahlen, spätestens bis zum 16.
Oktober vorzunehmen, nach dem Wahlmodus des Vorparlaments, und die Gewählten sollen sogleich
einberufen werden. [Die äußerste Linke unterstützt diesen Antrag]. Der Antrag wird als nicht
dringlich bei Seite gelegt.
2ter dringlicher Antrag von der äußersten Linken: Die Besatzung der Paulskirche sogleich
zurückzuziehen, und bis dahin die Sitzung zu sistiren. Auch nicht dringlich anerkannt.
Marek verlangt das Wort über eine Verletzung des § 36 der
Geschäftsordnung durch den Präsidenten. (Ueber die Reihenfolge der Reden).
Präs: dieser Vorwurf sei faktisch unrichtig.
Arndt plaudert kindischen Unsinn, nimmt den Präsidenten in Schutz.
(Schluß! herunter!)
Schwarzenberg findet es unpassend, wie der Präsident gethan, den
verschiedenen Parteien je einen Redner zu gestatten. Was sollen die Redner thun, die keiner
Partei angehören wollen.
Vogt spricht über die Unregelmäßigkeit der Einschreibungen und
Ordnung der Redner. (Rechts Bravo!)
Präs: der Sekretär wird von jetzt an 1 Stunde vor der Sitzung die
Einschreibungen vornehmen. (Geschrei vor der Kirche.)
Biedermann unterstützt den Präsidenten.
Vischer (Tübingen.) Die Liste der Redner muß vor der Debatte
vorgelesen werden, so daß jeder sie nachschreiben kann. Der Antrag von Fischer wird von großer
Majorität unterstützt.
Präsident: Ob diese Angelegenheit dem Ausschuß der Geschäftsordnung
zu überweisen oder gleich zu berathen sei?
Die Versammlung beschließt die sofortige Berathung. Dürre Debatte, auf deren sofortige
Vornahme man nur gedrungen hat, um die Aufregung zu ertödten.
Es spricht Wiegard, sodann Arntz (München). Sturm von Außen: Das Volk sucht einzudringen.
Getobe, Geschrei. Die Volksvertreter springen von ihren Plätzen. Die Gallerien toben. Der
Präsident schafft Ruhe unter den Abgeordneten. Arntz spricht unter Störungen weiter Die
Zuhörer springen an die Fenster.
Blum: Herunter von den Fenstern, keine Kommödie hier!
Es werden angenommen drei Anträge:
1. Um 3/4 9 sollen die Einschreibungen zu den Reden vorgenommen werden. 2. Die Anmeldungen
zu den Reden sollen persönlich und mündlich geschehen. 3. (Zusatz zur Geschäftsordnung.) Die
Liste der Redner ist vor der Debatte vorzulesen, so daß sie von den Abgeordneten
nachgeschrieben werden kann.
Marek beantragt, zum Schutz der deutschen Brüder in Ungarn soll die
National-Versammlung das Schleunigste thun.
Dringlichkeit verworfen.
Eisenmann nimmt die Angelegenheit der Ungarn auf. Der Ausschuß soll
den Antrag von Mareck schleunigst vornehmen
Wesendonk beantragt: In Erwägung der Unausführbarkeit des
Beschlusses vom 16. September, soll die National-Versammlung eine authentische Interpretation
geben, wie dieser Beschluß auszuführen sei.
Dringlichkeit verworfen.
Riesser beantragt etwas über die militairischen Maßregeln.
Dringlichkeit verworfen.
Gassen aus Oesterreich zeigt seinen Austritt an.
Tagesordnung: Artikel IV. § 17 der Grundrechte.
§ 17 lautet: Die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei!
Nach Schoders Antrag frägt der Präsident, ob auf die Diskussion über den § 17 verzichtet
werden soll?
Mehr als 100 Mitglieder sind für die Diskussion. Dieselbe beginnt also und zwar zuvorderst
über den ganzen Artikel. [Die Bänke sind fast ganz leer; alle Theilnahme nach außen
gezogen].
Paur aus Neisse: Es gibt Leute, die die Schule als eine
Abrichtungs-Anstalt betrachten. Die Schule soll aber nicht abrichten, weder für die Kirche
noch für etwas Anderes. Spricht für seine Anträge, deren er selbst eine Menge selbstständige
gemacht hat.
Nach ihm spricht Eisenmann: [Natürlich kümmert sich kein Mensch um
die Debatte]. Die Schule sei von der Herrschaft der Geistlichen zu emanzipiren; sie muß unter
dem Schutz des Staates bleiben.
Dewes aus Losheim in Preußen: Die Ausbildung der Lehrer, die den
Geistlichen ganz überlassen war, die Ueberwachung derselben durch die Geistlichkeit machte
eine freie Lehre unmöglich. Die katholische Geistlichkeit scheint zu glauben, daß Menschen,
die keine Kinder haben, zur Erziehung derselben geeigneter sind, als solche die deren haben,
und denen also die Pflichten der Erziehung weit mehr am Herzen liegen müssen. [Rechts: zur
Sache.] Ich bin ganz bei der Sache. Die Lehre muß frei sei. Wer gegen die Freiheit in einem
Sinne ist, ist in jedem Sinne gegen sie. [Rechts: Oho!] Die Schule muß von der Kirche
vollständig getrennt sein. Ueber die Jesuitenfurcht ist hier oft gesprochen worden. Auch ich
theile dieselbe. Sprechen Sie aber die Trennung der Schule von der Kirche aus, so werden Sie
den Schülern das Loyola, den Boden unter den Füßen wegnehmen. Sprechen Sie die Trennung aus,
dann werden wir reformiren statt zu revolutioniren. [Bravo].
Tellkampf, Professor aus Breslau: Vor der Kirche wird die Trommel
gerührt, ob zum Generalmarsch, ob um die Aufruhrgesetze zu verlesen, weiß ich nicht.
[Geschrei; Toben vor der Kirche].
Vischer aus Tübingen: Auf der rechten Seite sitzen 7 Mitglieder.
Vincke, Lichnowsky und Schwerin haben sich salvirt wie es scheint. [Man hört aufs Neue die
Trommel rühren.] Die Schule ist die Tochter der Kirche, aber die Mutter hat die Tochter stets
tyrannisch zurückgehalten in der Kindheit.
Vischer vergleicht die Armuth und Elendigkeit der Volksschullehrer, die den erhabensten
Beruf haben, mit der Schwelgerei der Geistlichkeit. [Lauter Beifall. Man hört die Trommel
rühren].
Man verlangt den Schluß der allgemeinen Debatte.
Präsident: Man soll noch Geistliche hören.
Moritz Mohl: Man solle noch Redner von jeder Partei hören.
Rösler: Man soll dieser wichtigen Angelegenheit längere Diskussion
nicht versagen. Schluß verworfen.
Schierenberg. (Gymnasialrektor aus Detmold.) Ganz unbedeutend über
das 2. Minoritätsgutachten; ‒ schließt sich den Separatanträgen von Pauer aus Neiße an.
Kaulert: (Schlesien.) spricht bei gänzlicher Theilnahmlosigkeit füs
das selbe Minoritätserachten. ‒ Liest seine Rede mühsam ab. (Nicht lesen!)
Rösler vom Platz mit der Geschäftsordnung in der Hand: nach der
Geschäftsordnung darf kein Vortrag verlesen werden. (Rechts: oh!) Der Redner geht ab ‒
Rossmäsler Prof. aus Tharand: Es ist ein Uhr. Die Herren Vertreter
halten geduldig aus, während draußen das Volk stürmt. ‒ Woher dieser Muth? ‒ Die Paulskirche
ist sehr sicher.
Der Redner spricht über die erbärmliche Lage der Volksschullehrer. ‒ (Die Gallerie ruft
Schluß!)
Präsident. Der Betreffende soll herausgeworfen werden ‒ (links: Man hat unten Schluß
gerufen. ‒
Der Redner spricht für völlige Trennung der Schule von der Kirche; erwähnt aber doch der
Gefahren, die daraus hervorgehen. ‒
von Ketteler, katholischer Geistlicher aus Münster. Der Vorredner
hat viel von einer im Dunkeln schleichenden Partei gesprochen, und sich dabei auf Zeitungen
berufen. Ich überlasse dies der Beurtheilung. Ich mache sie aufmerksam auf die Adressen ‒ für
die der andern deutschen Länder kann ich nicht einstehen, aber aus dem Münsterlande, das
versichere ich Sie, hat sich der reine katholische Geist der Bevölkerung in denselben
(nehmlich für Nichttrennung der Schule vom Staat) ausgesprochen! (Rechts bravo!)
Trennen Sie die katholische Schule von der Kirche, so rufen Sie einen Kampf auf Leben und
Tod hervor. (Links: Tumult! hört!!)
Der Redner unterstützt den Antrag von Tellkampf.
Präsident: Eingabe an die National-Versammlung. Die Beschlüsse der
Volksversammlung von 20,000 Menschen, von der ich ihnen gestern schrieb, werden der
Versammlung mitgetheilt. Man erklärt die 258 der Majorität für Verräther am Vaterlande.
(Rechts: Die Unterschriften!) Die 12 Unterschriften werden gelesen: Schütz aus Mainz u. a. Als
Metternichs Name gelesen wird, allgemeines Aha! Sonst tiefe Stille. Die Eingabe geht an den
Petitionsausschuß.
Antrag. Zwei Abgeordnete, die Eintritt in die Paulskirche verlangten, sind von Soldaten
malträtirt und trotz ihrer Beglaubigungen von dem Oesterreichischen Lieutenant Nitsche mit
Arretirung bedroht worden; sie verlangen deshalb vom Kriegsminister Abzug des Militairs
(rechts: Ah!) und Sicherstellung der Abgeordneten.
Geht an den Kriegsminister.
Urlaubsgesuche und Beurlaubungen werden vom Vizepräsidenten verlesen.
Schluß der Sitzung 2 Uhr.