Französische Republik.
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Paris, 15. Sept.
Wie wir hören, ist gestern die Erklärung nach Wien abgegangen:„daß jede
Bewegung gegen Venedig als ein Mediationsbruch betrachtet würde.“
‒ Der National enthält über die Ereignisse in Italien folgenden Artikel, der
obiger Depesche als Erläuterung dienen kann:
„Die in der Nationalversammlung gestern verbreitete Nachricht von der
Einnahme Messinas hat sich leider bestätigt. Wir haben Details erhalten, die
in dieser Hinsicht keinen Zweifel mehr gestatten. Messina ist genommen
worden am 8., nach einem Kampfe von fünf Tagen. Die Befehlshaber der
französischen und englischen Seekräfte haben Alles gethan, was ihnen zu thun
möglich war, um den Gräueln dieses Kampfes vorzubeugen, oder sie zu
besänftigen. 7000 Einwohner, großentheils Frauen und Kinder, haben unter der
französischen Flagge Zuflucht gefunden. Wir erfahren gleichzeitig, daß der
Vertreter Frankreichs in Neapel die neapolitanische Regierung eingeladen
hat, sich auf die Besetzung Messinas zu beschränken; dermaßen, daß der Rest
Siziliens, Palermo zum Beispiel, sich gegen jeden Angriff geschützt finde.
Der Admiral Parker hat seinerseits, auf den Vorschlag des Admirals Baudin,
dieselbe Einladung an die Neapolitaner gerichtet.
Während sich diese traurigen Ereignisse in Sizilien zutrugen, ereignete sich
ein anderer Vorfall von unbestreitbarer Wichtigkeit im adriatischen Meere:
die sardinische Flotte verließ, sagt man, mit den Truppen Piemonts, die
Gewässer Venedigs, das, nunmehr keinen Widerstand mehr findend, wieder von
den Oestreichern besetzt würde.
Wir glauben an diesen letztern Satz nicht. Der Waffenstillstandsvertrag
zwischen Oestreich und Karl Albert stipulirt im Artikel 4., „daß die Truppen
Sardiniens Venedig räumen würden“, aber nirgends spricht man von
östreichischer Wiederbesetzung. Bei Verträgen darf man in ihrer Auslegung
nicht weiter gehen, als der Wortlaut besagt. Man darf ihm keine beliebige
Deutung geben, außer dem, was ausdrücklich stipulirt ist. Man kam nicht
überein, daß die Oestreicher wieder einrücken würden. Kraft des Völkerrechts
ist es ihnen verboten, wieder einzurücken.
Doch wir haben uns nicht einmal um die Auslegung des Waffenstillstands zu
kümmern. Derselbe ist von Frankreich in der That nie anerkannt worden. Der
Waffenstillstand, den Frankreich vorschlug und den Oestreich insofern
genehmigte als es die Mediation annahm, der er zum Ausgangspunkt diente,
dieser Waffenstillstand etablirte den status quo. Es geht aus ihm hervor,
daß nichts durfte geändert werden an der Lage der kriegführenden Parteien
seit dem Tage der Mediationsannahme bis zum Abschluß der ringeleiteten
Verhandlung. Daß sich die Sardinier, wenn es ihnen beliebt, aus Venedig
zurückziehen, dagegen können wir uns nicht opponiren; aber wir können nicht
dulden, daß Oestreich diesen Rückzug benutze, um die uns gegenüber
unterschriebenen Bedingungen zu brechen.
Es ist also unmöglich, anzunehmen, daß Venedig von den östreichischen Truppen
besetzt ist. Ein doppelter Grund steht dieser Annahme entgegen. Ehe
Oestreich zu diesem Aeußersten schritte, würde es gewiß sehr bald einsehen,
daß es sich selbst widerspräche. Indem es die Mediation annahm, wollte es
ein ernstliches Pfand den friedlichen Gesinnungen Europas einsetzen,
wenigstens glaubten wir dies. Wie wollte Oestreich seinen offen
ausgesprochenen Friedenswunsch mit dieser Handlung direkten Angriffs
vereinbaren, die nicht blos gegen ihre italienischen Gegner, sondern
vorzüglich gegen die beiden Mächte gerichtet wäre, die zwischen den beiden
kriegführenden Theilen intervenirten?
‒ In Elbeuf sind Arbeiterunruhen ausgebrochen. Sie scheinen so ernster Natur, daß
der dortige Maire gestern Vormittag hier eintraf und sich zum Minister des
Innern begab, der sofort einen außerordentlichen Kabinetsrath berief.
Details fehlen.
Aus mehreren andern Fabrikorten laufen ähnliche Hiobsposten ein. Ein
Hauptgrund für diese allgemeine Gährung liegt in dem Eifer, mit welchem die
Nationalversammlung alle sozialistischen Februar-Anfänge wieder
einreißt.
‒ Um Mitternacht wurden die Wahllisten geschlossen. Dürfen wir einer
Indiskretion trauen, so stimmte das gesammte Pariser Militär nebst mehreren
Provinzial- und algierischen Regimentern wie Ein Mann für Bugeaud, Louis
Napoleon und Cabet.
‒ Sarrans, Mitglied der Nationalversammlung geht mit einer diplomatischen
Tendenz nach dem Orient.
‒ Ein Dekret im Moniteur vom 15. Sept. schafft die Krone über dem Ordensstern
der Ehrenlegion ab, und verordnet außerdem die alte Inschrift ihres
Gründers: „Bonaparte, premier consul, 19. Mai 1802 (einer Seits), République
francaise, honneur et patric (anderer Seits). Spielereien! … wie Clement
Thomas in der Nationalversammlung ausrief.
‒ Mehreren der bekreuzten Mobilen ist vom Kommandeur ihres Gardekorps der
Befehl zugegangen, die berüchtigten Bälle im Chateau Rouge, Mabille, Jardin
d'hiver, Chateau des Fleurs etc. nicht mehr zu besuchen, weil ihr gemeines
Betragen den Orden auf ihrer Brust wenig Ehre mache und ernste Klagen
eingelaufen. Einige andere Dekorirte sitzen wegen Diebstahls im Gefängniß.
Wieder Andere haben ihre Ordenssterne in Weinkneipen versetzt oder als Pfand
zurücklassen müssen.
‒ Baudon, einer der Chefs des bekannten Bankhauses und lange Zeit Regent der
Bank de France, der als großer Finanzmann galt, ist vorige Nacht gestorben
Nächst Gonie machte er die meisten Geschäfte mit dem Pariser Kleinhandel,
stellte sie aber gleich seinem Concurrenten nach dem 24. Febr. plötzlich
ein.
‒ Louis Blanc widerlegt in einem Briefe an den Redakteur der Reforme die
Gerüchte, angebliche Gemeinschaft mit Louis Bonaparte, dem sogenannten
Prätendenten etc. zu haben.
‒ Der Berg beabsichtigt, sagt man, eine eklatante Revange für die
Gemeinheiten des Finanzministers Goudchaur in der gestrigen Sitzung der
Nationalversammlung zu nehmen.
‒ Es liegen den Ausschüssen der Nationalversammlung in diesem Augenblick drei
Vorschläge vor, die das gesammte Proletariat interessiren. Sie wurden 1) von
Proudhon, 2)Loiset, 3) Tonrnet, Handels- und Ackerbauminister, gemacht. Wir
werden darauf zurückkommen.
De La Moricieres Kolonisationsplan Algeriens hat im Ausschusse, der sein
Gutachten darüber abgab, einige wichtige Aenderungen erlitten. Der
Gegenstand ist wichtig. Es handelt sich um das Glück von 15,000
Proletarier-Familien (im Ganzen um 60,000 Kolonisten), wahrscheinlich
beginnt die Diskussion morgen
Nationalversammlung. Sitzung vom 15. September.
Anfang 12 1/2 Uhr. Präsident Marrast. Gleich nach Eröffnung wird folgender
Antrag der katholisch sozialistischen Repräsentanten Waldeck Rousseau, B.
Considerant, Fallour, Sibour, Roux Lavergne, Valette, Pierre Leroux und
Montalembert vertheilt:
„An Sonn- und gesetzlich festgestellten Feiertagen darf in Werkstätten,
Fabriken und Manufakturen nicht mehr gearbeitet werden. Diese Verordnung
findet jedoch keine Anwendung in Fabriken mit immerwährender Feuerkraft (a
feu continu.) Ebensowenig darf sie in Fällen angewandt werden, wo die
Verwaltungsreglements ein Ueberschreiten der 12 Stunden gestatten etc.
An der Tagesordnung ist das Mathieu-Glais-Bizoinsche Amendement zur
Verfassungseinleitung.
Odilon Barrot verlangt einen Urlaub für seinen Bruder Ferdinand Barrot in
Algierschen Kolonisations- und Familien-Angelegenheiten. Bewilligt.
Dufaure im Namen des Verfassungsausschusses. Derselbe
habe sich diesen Morgen versammelt und den Beschluß gefaßt, alle Zusätze
zurückzuweisen, die zur ersten Hälfte des § 8. der Einleitung rücksichtlich
des positiven Arbeitsrechts gestellt worden sind und noch gestellt werden
könnten. An ihrer Stelle habe den Ausschuß folgende Fassung entworfen:
„Die Republik soll der Bürger in seiner Person, Familie, Religion, Eigenthum
und Arbeit beschützen und ihn in Stand setzen, sich den allen Menschen
nöthigen Unterricht zu verschaffen. Sie soll durch brüderliche Unterstützung
die Existenz hülfsbedürftiger Bürger sichern, sei es indem sie ihnen Arbeit
giebt, nach Maaßgabe ihrer Quellen, sei es daß sie in Ermangelung von
Familien denjenigen Hülfe gewährt, die arbeitsunfähig sind.“
Diese neue Redaktionsweise wird angenommen; die gefährliche erste Hälfte des
§ 8. somit erledigt.
Zur zweiten Hälfte sind mehrere Amendements gestellt, die jedoch Vivien
bekämpft.
Rour Carbonnel und Puysegur stellen folgenden Nachtrag:
„Die Nat.-Versamml. erklärt daß dieser Grund-Pakt nicht früher in Kraft
tritt, als nachdem er vom Volke genehmigt ist, das zu diesem Zweck in
Ur-Versammlungen durch geheime Abstimmung mit Ja und Nein zu entscheiden
hat.
Dieser Nachtrag, der ein Veto in sich birgt, ruft eine stürmische Diskussion
hervor Ledru-Rollin unterstützt ihn, möchte ihn jedoch ans Ende der
Verfassung stellen.
Chapot bekämpft diesen Einwand und findet den Antrag besser vorn am
Platz.
Detours schlägt ein andere Fassung vor, die aber Martin (der Straßburger) im
Namen des Verfassungsausschusses bekämpft.
Man ruft rechts: Schluß! Schluß!
Der Berg dringt auf Abstimmung durch Zettel. Dies geschieht und der Tod des
Vetos, d. h. die Question préalable wird mit 543 gegen 180 Stimmen
ausgesprochen.
Deslongrais legt das Ausschußgutachten über die neue Salzsteuergesetzgebung
auf den Präsidialtisch (Die Einleitung ist angenommen).
Marrast: Jetzt gehen wir zur Berathung der eigentlichen Verfassung über. Er
liest: Erstes Kapitel. Von der Souverainetät.
„Artikel I. Die Souverainetät sitzt in der Gesammtheit der französischen
Bürger. Sie ist unveräußerlich und unbeschränkbar. Kein Individuum, kein
Theil des Volks kann sich deren Ausübung aneignen“
Pierre Lerour erhält das Wort. Jeder Volksvertreter, beweist er zuerst, habe
das Recht, einen schriftlichen Vortrag zu halten. Die neuliche Protestation
gegen ihn zerfalle also in nichts. Bezüglich des Verfassungs § selbst habe
er nur wenig zu sagen. Verfassungen dürften nicht nach einer methodischen
Ordnung gemacht werde. Was heiße das, die Souverainetät sitze in der
Gesammtheit aller Bürger? „Das sei Trug und Unsinn.“ Ebenso der Rest. Die
Souverainetät übt ja doch nur die Gewalt, die man Staat nenne und die
Presse. Er schlägt folgende Fassung vor.
„Die Souverainetät gehört keinem Fürsten oder Kaiser noch einer Kaste oder
Klasse, sie ist in jedem Burger, in Jedermann. Die Presse ist ein Ausdruck
(Lerine, der Souverainetät.“ (Lärm, ja Tumult folgt diesem Amendement.) Es
wird verworfen.
Pierre Lefranc trägt dann darauf an, aus dem ersten Kapitel das zweite zu
machen.
Vivien bekämpft diesen Antrag Lefranc's. Er wird verworfen.
Huor beantragt einen langschweifigen Zusatz. Wird verworfen.
Das Kapitel I. ist angenommen.
Kapitel II lautet: „Niemand darf arretirt oder gefangen gesetzt werden ausser
nach den Vorschriften der Gesetze.
Isambert sieht keine genügende Gewähr für die persönliche Freiheit hierin.
Dabour schlägt ein Anhängsel vor, Dusaure bekämpft es. Kapitel II. wird
angenommen.
Artikel 3 und 4 werden ohne wesentliche Debatte angenommen.
Artikel 5 wird dagegen stark debattirt. Er handelt bekanntlich von der
Todesstrafe und lautet;
„Die Todesstrafe ist in politischen Dingen abgeschafft.“
Coquerel, Pfarrer, trägt auf Streichung der Worte „in politischen Dingen“ an.
Er will die Abschaffung im Allgemeinen.
Lagrange, Victor Hugo, Tracy und Laboulie unterstützen die Absicht dieses
philantroischen Seelsorgers.
Ayles bekämpft sie. Unser Gefängniß- (Zellen-) Wesen sei noch nicht
vollständig genug. Er will das Beil nur für politische und Liebesverbrechen
abgeschafft wissen. Sein Vortrag erregt Mißfallen.
Freslon erklärt das Köpfen für eine sociale Nothwendigkeit. (Murren.) Viele
Gesetzgebungsversammlungen hätten die Todesstrafe schon abgeschafft und sich
gezwungen gesehen, sie immer wieder einzuführen. Derjenige, der Blut
vergießt, dessen Blut müsse wieder vergossen werden. Das öffentliche
Gewissen verlange dies. Man erinnere sich nur an die Ermordung des Generals
Breda. (Agitation in verschiedenem Sinne.) Das Volk strafe ja sogar die
Diebe mit dem Tode. (Widerspruch zur Linken.) Es würden ohne die Furcht vor
dem Schaffot viel mehr Verbrechen verübt werden (Denegation vom Berge.
Beistimmung zur Rechten).
Dampierre, Wolowski und Favre eilen zugleich auf die Bühne. Ersterer
behauptet sich darauf und spricht einige Worte, die aber der Ruf: Schluß!
Schluß! Nein! Nein! übertaubt. Der Berg will die Diskussion fortgesetzt
wissen Marrast läßt abstimmen. Der Berg siegt.
Die Debatte über die Todesstrafe wird demnach am Montage fortgesetzt. Die
Sitzung wird um 6 Uhr geschlossen.
National-Versammlung.
Sitzung vom 16. September. Vizepräsident Pagnerre eröffnet um 1 Uhr die
Sitzung. Er zeigt der Versammlung den Tod ihres Kollegen Darragon an. An der
Tagesordnung befinden sich zunächst Supplementar-Kredite für 1847.
Nach ihrer Erledigung erhält Base das Wort, um Interpellationen an den
Minister des Innern zu richten. Heute früh, beginnt er, habe der National
einen Artikel gebracht, der eine Thatsache von hoher Wichtigkeit enthalte.
(Die schrecklichen Junikämpfe, lautet dieser Artikel Die Verbreitung
gewisser sozialistischer Lehren, die Lage des Handels und das öffentliche
Elend rufen in gewissen Departements einen blinden Widerstand gegen das
republikanische Prinzip hervor. Es scheint, General Cavaignac habe es für
nöthig geglaubt, eine Maßregel zu ergreifen, deren Zweck sei, die
Departements über die wahren Gesinnungen der National-Versammlung und der
Regierung aufzuklären und dadurch die irregeführten Meinungen wieder zu
gewinnen. Eine Anzahl Repräsentanten habe sich zu diesem Zweck beim
Konfeilpräsidenten diesen Morgen versammelt und sei von ihm gebeten worden,
eine Sendung in die Departements anzunehmen. Diese Sendung solle ganz
versohnender Natur und gleichzeitig zum Zweck haben, die Regierung vom
wahren Zustand der Meinungen und Verwaltung in den Departements zu
unterrichten). Der Redner verlangt Aufklärung über dieses Faktum vom
Minister.
Senard, Minister des Innern, erwidert, die Regierung mache keinen Journalen
Mittheilungen. (Doch, doch! dem National) Der National ist ihr eben so fremd
wie alle andern. (Ah!) Was das von ihm angeregte Faktum betrifft, so ist
dasselbe insofern wahr, als die Regierung wirklich die republikanische Fahne
in allen Gegenden geachtet und geliebt sehen möchte. Sie hat sich daher
entschlossen, mit den Departementsbeamten in genaue Verbindung zu setzen und
eine General-Inspektion aller Verwaltungsbehörden verordnet. Sie muß wissen,
was im Lande vorgeht und ob ihre Verordnungen genau befolgt werden. Nur auf
diese Weise könne Vertrauen erwachen. [Stimme: Dafür sind wir ja hier! Sie
haben die National-Versammlung!] Ohne Zweifel ist die National-Versammlung
Alles für uns; eben darum wollen wir durch ihre Glieder mit dem Lande
vermitteln. [Lärm. Stimme: Ihr wollt Späher ins Land senden, um Euch zu
berichten] Auf derartige Unterbrechungsstürme war ich nicht gefaßt. Jeder
von uns begreift, daß wir den eigentlichen Zustand der Geister nicht mehr
kennen; seit 6 Monaten befinden wir uns aus der Heimath entfernt und die
brieflichen Mittheilungen widersprechen sich in allen Richtungen. Unter
diesen Umständen und bei den Gährungen auf dem platten Lande, halten wir es
nöthig Emissäre zu schicken, die uns berichten und das Land beschwichtigen.
Die National-Versammlung selbst verlieh ja der Regierung das Recht, einzelne
ihrer Glieder zu verschicken. Nichts scheint also natürlicher, als der
Versammlung vorzuschlagen, uns einige ihrer Glieder beizugesellen. [Stimme:
Das ist eine Koterie!]
Ich höre von Koterien, das befremdet mich um so mehr, als ja die Wahl der
Emissaire noch nicht getroffen. [Ah! Ah! Allons dons! Fürchterliche
Unterbrechung].
Der Minister harrt lange auf der Tribüne, ohne ein Wort sprechen zu können.
Der Tumult erdrückt ihn, endlich hören wir ihn noch die Versicherung
aussprechen, daß diese Sendungen nur bestimmt seien, um das Vertrauen in die
Zukunft beim Landbürger zu wecken. Er tritt ab.
Base: Die Thatsache ist also wahr! Ich begreife die Fürsorge der Regierung,
sie ist noch neu und stößt auf Revolten. Aber hat ihr denn unser Rath und
Beistand je gefehlt? Warum müssen wir ihre wichtigsten Entschlüsse zuerst in
Journalen lesen? Viele im Saale erfahren das Faktum sicher erst durch meine
Interpellation. Warum sich nur an Einzelne von uns wenden? Wenn es sich um
das Heil der Republik handelt, müsset Ihr Minister Euch zuerst an uns Alle
wenden. (Tumult.) Diese Sendungen werden nur eine gewisse polit. Farbe
tragen. (Neuer Tumult.) Ihre Folgen werden traurig sein.
Sarrans, obgleich er erst durch die Debatte die Maaßregel erfährt, billigt
sie.
Fallour schlägt vor, die ministrielle Maaßregel einer Commission zu
begutachten zu überweisen.
Senard verlangt unbedingtes Vertrauen und bekämpft diese Ueberweisung.
Während seiner ganzen Rede verrieth die Versammlung die unzweideutigsten
Beweise des Mißbehagens. Der Minister wiederholt am Schlusse, daß die
Maaßregel durchaus nöthig. Die Lage des Landes erheische sie. Er begibt sich
in großer Wallung auf den Platz.
Marie, Justizminister, besteigt die Bühne und erklärt, daß die Regierung aus
der Maaßregel eine Kabinitsfrage mache. Er trägt darauf an, durch Abstimmung
zur Tagesordnung zu schreiten.
Dieser Erklärung folgt eine unbeschreiblich Aufregung. Aus allen Richtungen
drängen sich die Repräsentanten zu den Ministerbänken Man schreit von allen
Seiten. Besonders Cavaignac wird heftig interpellirt. Das Gedränge ist
fürchterlich.
Alle Minister erheben sich und gehen aus dem Saale. De la Moriciere setzt
seinen Hut mit Heftigkeit im Saale auf und, die um ihn stehenden
Interpellanten zurückweisend, folgt er zornig seinen Kollegen.
Pause. Zahlreiche Gruppen.
Die Minister kehren nach einer langen Weile in den Saal zurück.
Marrast erscheint auf der Bühne. Der Lärm läßt ihn nicht zu Worten kommen. Er
schwenkt einen Zettel in der Hand und liest endlich: Ich schlage folgenden
Antrag vor:
„Die Nationalversammlung schreitet nach den angehörten Explikationen und der
Vollziehungsgewalt, die Würdigung der beabsichtigten Maaßregel überlassend,
zur Tagesordnung.“
Dieser Antrag geht nach 2maliger Abstimmung durch. Pagnerre will die Sitzung
noch fortsetzen. Aber die Versammlung trennt sich schon um 5 ein halb Uhr in
großer Aufregung. Diese Sitzung hat die Macht der Regierung gebrochen.