Deutschland.
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Edition: [Friedrich Engels: Die Krisis und die Kontrerevolution. In: MEGA2 I/7. S. 691.]
[
**
] Köln, 11. Sept.
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[
*
] Köln, 11. Sept.
Wir richten an die betreffenden Herren vom öffentlichen Ministerium folgende
Interpellation:
Ist es wahr, daß gestern Nachmittag die Herren Salget und Blum der Jüngere,
von Köln, nachdem sie in Kassel bereits einen Arbeiterverein gestiftet
hatten, in Wesselingen, wo sie ebenfalls einen solchen zu stiften
beabsichtigten, Abends um 8 Uhr, noch ehe sie ein Wort öffentlich
gesprochen, noch ehe die Sitzung begonnen hatte, auf Veranlassung des Hrn.
Pfarrers durch den Hrn. Bürgermeister v. Geier verhaftet worden sind?
Ist es wahr, daß dieser Verhaftung, die übrigens faktisch ist, nichts Anderes
zu Grunde liegt, als die Denunziation des Herrn Pastors: die beiden Herren
wollten (!) die Arbeiter aufhetzen?
Wird das öffentliche Ministerium, wenn die Sache sich so verhält, gegen eine
solche empörende Ungesetzlichkeit einschreiten oder wird es — in Erwartung
des Ministeriums Radowitz und der baldigen Aufhebung des freien
Associationsrechtes, dem Hrn. Geier seinen Dank votiren?
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[
!!!
] Frankfurt, 9. Sept.
Aus zuverlässiger Quelle erfahre ich, daß das neue Reichsministerium
wahrscheinlich folgendermaßen zusammengesetzt sein wird:
Baron v. Stockmar, Präsident;
Stedtmann (!), Inneres;
v. Meyern, Krieg;
v. Arnim, (früherer Gesandter in Paris), Aeußeres;
Compes (!), Justiz;
v. Hermann (München), Handel.
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[
149
] Berlin, 8. Sept.
So eben hat sich hier das Gerücht verbreitet, daß das Ministerium Auerswald
nicht nur zu bleiben beschlossen, sondern sogar die Absicht habe, die Nationalversammlung aufzulösen. Im Falle die
Potsdamer Camarilla diesen Gewaltstreich wagt, wird die Nationalversammlung
ihre Schuldigkeit thun, und an das souveräne Volk appelliren. Die Folgen
dieser Maßregel sind unberechenbar, der Sieg nicht zweifelhaft. Die Minister
befinden sich heut den ganzen Tag in Potsdam, weshalb die
Vereinbarungsversammlung auch die heutige Sitzung bald nach Eröffnung
derselben vertagt hat.
Der Oberstlieutenant v. Baczenski, Kommandeur des 9. Regiments, soll heute
Vormittag folgende Anrede an seine Soldaten im Kasernenhofe gehalten haben:
„Soldaten! Ihr wißt was die Nationalversammlung gestern beschlossen hat. Ihr
werdet daher wissen, was Eure Schuldigkeit ist. Wir
gehorchen allein den Befehlen unseres allergnädigsten Königs und
Herrn. Pommern! ich hoffe, daß die Tapferkeit und Treue Eurer Väter
Euch zum edlen Vorbilde dienen wird.“
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40
] Berlin, 9. September.
Heute wurde an den Präsidenten der National-Versammlung durch den
Abgeordneten Krackrügge abgegeben ein von 1565 Bürgerwehrmännern
unterzeichneter sehr engerischer Protest gegen den Entwurf des
Bürgerwehrgesetzes. Man verlangt ein auf freierer Basis begründetes
Volksbewaffnungsrecht und will ergeblich appeliren an die Deutsche
National-Versammlung, welche berufen sei, die Grundprincipien der innern und
äußeren Verfassung des ganzen deutschen Volkes festzustellen. Man will durch
dieses Gesetz die Souverainetät des Volks, die Revolution anerkannt sehen;
man findet aber in dem Entwurf das alte gestürzte Regierungs-System wieder.
Es erscheint dieser Protest deswegen bedeutsam, weil er eben aus Potsdam und
von einer so großen Masse von Bürgerwehrmännern kommt.
Ein Begleitschreiben von den Bürgerwehrhauptleuten Bourtzutzschki u. a.
verlangt von dem Präsidenten der National-Versammlung ausdrücklich: diesen
Protest nicht ohne vorangegangenen Vortrag im Plenum der Versammlung zu den
Akten schreiben zu lassen.
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[
103
] Berlin, 8. Sept.
Der Jubel des Volkes hatte gestern Abend einen unbeschreiblichen Ausdruck.
Die ganze Bevölkerung Berlins fühlte sich gleichsam als Mitsieger des
siegreich bestandenen Kampfes. Besonders schrieb sich die Bürgerwehr, durch
ihre in den Adressen an die Vereinbarer-Versammlung ausgedrückte Festigkeit
viel von dem glänzenden Erfolge bei. Es ist gewiß, daß einige unentschiedene
Mitglieder des Centrums, wie der Abg. Dunker und Andere nur in Folge der
sich mächtig aussprechenden Volksstimme für den Steinschen Antrag stimmten,
denn am vergangenen Montag erklärte Dunker in meiner Gegenwart, daß er für
Vertagung des Steinschen Antrags stimme, weil er ihn so, wie er gestellt
ist, nicht annehmen könne und dagegen stimmen müsse, bis Donnerstag wolle er
aber mit seiner Partei eine Vereinbarung versuchen. Durch die Festigkeit der
Linken, streng an der Ausführung der Beschlüsse vom 9. August halten zu
wollen, wurde jedoch jede Vereinbarung unmöglich. Also nur die Gewalt der
öffentlichen Meinung hat die Schwankenden in der Versammlung zu Männern des
Volkes gemacht und dadurch die große Majorität von 77 Stimmen erzeugt. (Es
hat sich nämlich nachträglich gefunden, daß statt 152, wie gestern vom
Bureau der Versammlung proklamirt wurde, nur 142 gegen den Steinschen Antrag
gestimmt haben und 219 dafür.)
Große Volksmassen zogen gestern Abend vor das Hotel Mylius, wo die Linke ihre
Abendversammlungen hält und brachten derselben begeisterte Lebehochs; die
versammelten Abgeordneten traten auf die Straße und wurden jubelnd
empfangen. Das letzte donnernde Vivat galt Waldeck, den das Volk schon als
Ministerpräsident begrüßen zu können glaubte.
Dem Abg. Stein brachte das Sängerchor des Handwerkervereins in Begleitung
vieler Tausende eine Serenade.
Bis spät nach Mitternacht war das Volk unter den Linden, an der politischen
Ecke versammelt. Die Zeitungsblätter, welche die Berichte der Sitzung
mittheilten, wurden beim Licht der Gaslaternen gelesen und die ausgebotenen
Carrikaturen auf die Minister vermehrten die allgemeine Heiterkeit.
Wie sich seit gestern alles geändert, wie sich die Majorität der Minister in
eine Minorität verändert hat, so scheint auch das Ministerium einen
Gewaltstreich ausüben zu wollen, statt daß man bisher nur Gewaltstreiche des
Volkes fürchtete.
Nach Eröffnung der heutigen Sitzung der Vereinbarer-Versammlung machte der
Vicepräsident Philipps (der Präsident Grabow ist krank) die Mittheilung, daß
ein Schreiben des Staatsministeriums folgenden Inhalts eingegangen sei: „daß
das Staatsministerium sich in dem Falle befindet, dem Könige seine
Beschlüsse, in Folge der gestrigen Verhandlungen mitzutheilen und stellt es
daher anheim, da dasselbe der heutige Sitzung nicht beiwohnen kann, solche
zu vertagen.“
Nach kurzer Debatte vertagt sich die Versammlung in Folge dieses Schreibens
bis zur nächsten Sitzung (Montag).
Es ist allgemein aufgefallen, daß die Minister nur von ihren gefaßten
Beschlüssen sprachen, aber keinesfalls von ihrer Entlassung, die sie nach
konstitutionellen Grundsätzen doch jedenfalls dem Könige hätten einreichen
müssen. Der Gedanke findet daher immer mehr Raum, daß sich die Herren
Schreckenstein und Hansemann um jeden Preis am Ruder halten wollen und einen
Gewaltstreich ausüben. Viele wollen dies aus dem letzten Satz der
Hansemannschen Rede entnehmen, welcher lautet:
„Sie fordern Specielles, was nicht auszuführen ist. Wir thun es nicht! — Ein
solches Ministerium, wie Sie es wollen, wird dann nichts sein, als ein
Vollziehungsausschuß. — (Das Folgende spricht der Minister mit großem
Pathos). Die Versammlung sollte darum bedenklicher sein und sich mit dem
zufrieden erklären, was die Minister thun. Sie sollte ihre größte Ehre darin
bestehen lassen, das Wohl des Landes zu fördern. Ich meinerseits gäbe in
solchen Fällen lieber etwas nach und glaube, daß die Versammlung das Wohl
des Landes damit fördert. Man hat auf Deutschland und ganz Europa
hingewiesen. Die Versammlung werde die Achtung verlieren, wenn sie nachgäbe.
(Mit gesteigertem Pathos.) Nein, meine Herren, Sie werden nicht die Achtung
verlieren, denn sich selbst mäßigen, ist die höchste Aufgabe der
gesetzmäßigen konstituirenden Versammlungen. Und diese Mäßigung sollte Ihnen
zur Unehre gereichen? — Nein! Preußen wird nicht stürzen in der Achtung
Europas und Deutschlands. Wollen Sie um Kleinigkeiten — denn Kleinigkeiten
sind es — einen Konflikt herbeiführen? Es knüpft sich vielleicht daran
Preußens Bestehen als große Macht, Berlins Bestehen als Hauptstadt eines
großen Staats. Europa, Deutschland werden einen solchen Beschluß nicht für
weise halten, er schwächt die Regierung und kann machen, daß Preußens Stern
erbleicht.“
Da Hr. v. Schreckenstein ein großes Gelüste nach einem Bombardement der Stadt
Berlin haben soll, so bezieht man die Worte Hansemanns, Berlins Bestehen sei
durch die Annahme des Steinschen Antrages gefährdet auf dies
Kartätschengelüste. — Die Beschlüsse des Ministeriums, welche es dem Könige
heute vorlegt, können ja möglicherweise einen Aufstand und das Bombardement
herbeiführen.
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@facs | 0501 |
[
40
] Berlin, 9. Sept.
Ich theile Ihnen hierdurch mit, daß ich Ihnen nichts von Wichtigkeit
mittheilen kann. Dieses ist gewiß eine wichtige Mittheilung in dieser
Krisis. Sollte Ihnen aber etwa noch nicht bekannt sein, daß der König die
Entlassung des ganzen Gesammt-Ministeriums angenommen, so möge Ihnen dies
gesagt sein. So hat wenigstens der Ex-Minister Auerswald, Bruder des
Ex-Minister-Präsidenten Auerswald, versichert. Offiziell ist darüber noch
nichts. In mehreren Parteiversammlungen wurde gestern Abend versichert, daß,
nach der Aussage einiger höherer Offiziere, freilich im Widerspruche mit der
National-Zeitung, welche Beckerath als künftigen Minister-Präsidenten
bezeichnet, der König in Charlottenburg sich entschlossen habe, den
Abgeordneten, Geh. Ober-Tribunalrath Waldeck mit der
Bildung des neuen Kabinets zu brauftragen. — Vor dem Hotel Mylius, in
welchem die Linke ihre Versammlungen hält, erschien gestern Abend wieder
eine zahllose Volksversammlung, an deren Spitze ein Sängerchor. Man brachte
abermals der Linken eine Serenade. Die Abgeordneten Waldeck, Behrends,
Stein, d'Ester, Krackrügge, Schulz (Wanzleben), Arnold Ruge (Deputirter aus
Frankfurt), Elsner, Temme, Reichenbach, Brill und Behnsch wurden gerufen und
sprachen zum Volke. — Aus den Provinzen kommt ein Sturm von Petitionen um
Aufrechthaltung des Beschlusses vom 9. August. Es ist zu spät damit. Die
Souveränetät der Versammlung ist bereits gesichert (?), und auf das feste
Fundament des 9. September wird fortgebaut werden (?).
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@facs | 0501 |
[
103
] Berlin, 9. Sept.
Die Minister haben ihre Entlassung eingereicht, aber der Prinz von Preußen
und die Camarilla denken nicht daran, dem konstitutionellen Prinzip gemäß,
Mitglieder der Majorität aus der Volksvertretung zu berufen, um sie mit der
Bildung eines neuen Ministeriums zu beauftragen. Vielmehr schlägt man einen
ganz neuen Weg ein. Man will das neue Ministerium nur aus Männern bilden,
die nicht Mitglieder der Vereinbarerversammlung sind, damit sie in allen
Fragen ungebunden dastehen und sich nach den Umständen drehen und wenden
können. Zu diesem Zweck sollen Beckerath, Mewissen und Vincke von Frankfurt
und Pinder von Breslau herberufen sein. Auch von Flott-
[0502]
well,
Bunsen, Radowitz und andern hohen Beamten wird gesprochen. Ein solches
Ministerium wünscht unsere Aristokratie, die durch ihren hier durch
Bülow-Cummerow gebildeten permanenten Ausschuß zur Wahrung der Interessen
des Grundbesitzes, auf den Prinzen von Preußen großen Einfluß hat. Ein
solches Ministerium würde uns einer entscheidenden Krisis entgegenführen.
Der größte Theil der hiesigen Bevölkerung schwärmt für ein Ministerium der
Linken und träumt schon von der allgemeinen Amnestie für alle politischen
Verurtheilten und in Untersuchung sich befindenden Vergehen. Von einem
Ministerium des Prinzen von Preußen hätten wir dies wohl aber nicht zu
erwarten. Das wird gleich Anfangs Stoff zu neuer Aufregung geben, besonders
da die Verhaftungen der Volksredner und Demokraten immer noch fortgesetzt
werden.
Einen Jubelruf können wir mit Gewißheit wiederholentlich ertönen lassen, denn
Hansemann, der große Finanzminister, ist unmöglich geworden. Ein Ministerium
der Linken wird ihn, wie sich das von selbst versteht, keinesfalls
aufnehmen. Aber auch ein reaktionäres, wie es der Prinz von Preußen oder die
Kamarilla durchsetzen werden, wollen ihn nicht. Das Organ dieser Partei, die
„Neue Preußische Zeitung,“ sagt folgendes über Hansemann: „Dieser geht der
Revolution im Sturmschritt voran und schwingt die rothe Fahne. Seine
Konfiskationspläne, in Verbindung mit dem Renten-Ablösungsprojekt, welches
Staats- und Privatgut Millionenweise zum Fenster hinaus und nicht etwa den
Armen, sondern wohlhabenden Leuten in den Schooß wirft, können nicht als
Finanz-, sondern als Revolutionsmaßregeln gemeint sein, die den Kern des
preußischen Staats, den großen Grundbesitz — die Pflanzschule der Führer
unserer Armee, die seit Jahrhunderten die preußischen Schlachtfelder mit
ihrem Blute düngen — ins Herz treffen, sie arm machen und ihre Treue der
Krone entfremden sollen, der Krone, welche durch Einwilligung in solchen
Raub ärger als fremde Eroberer sie mißhandeln würde. Herr Hansemann weiß
wohl, was Urwahlen nach der Kopfzahl sind, dennoch soll er so dreist gewesen
sein, den Deputirten der Grundbesitzer anzudeuten: sie müßten so getreten werden, da die Wahlen ergäben, wie fern die
Nation ihnen stehe; während umgekehrt die Thatsache, daß der Kern der Nation
in der Singakademie fehlt, beweist, wie fern diese Versammlung der Nation
steht. So viel Gewalt und Unrecht hat denn nun auch endlich das Land
aufgeregt, zusammen zu treten zu immer zahlreicheren und thätigeren
Vereinen, um einer Tyrannei entgegen zu arbeiten, welche der Bonaparte's
nichts nachgibt, welche uns vor 35 Jahren zu dem Aufschwunge der
Freiheitskriege erweckte.“
So spricht unsere Aristokratie über Hansemann. Hansemann hat es mit allen
Parteien verdorben und er hat nur noch einen kleinen Anhang in unseren
Börsenmännern, der aber verschwindet, sobald sie sehen, daß unter dem neuen
Finanzminister die Kourse um einige Prozente steigen. Unsere Voß'sche
Zeitung ist ein treuer Ausdruck dieser Klasse und demnach schließt sie auch
heute ihren leitenden Artikel mit den Worten: „Wünschenswerth würden wir es
halten, daß jedenfalls Herr Hansemann, mit Rücksicht auf die wichtigen von
ihm begonnenen Reformen, in das neue Ministerium überginge.“!!
Soeben verbreitet sich das Gerücht, daß Rodbertus zum König berufen sei, was
wir jedoch nicht verbürgen können.
General Wrangel war heute hier anwesend und befand sich während des ganzen
Vormittags mit dem König und dem Prinzen von Preußen in Charlottenburg in
Konferenz. Der General soll schon wieder abgereist sein. Die
Schleswig-Holstein'sche Frage macht unsere Ministerkrisis noch verwickelter.
Die Nachfolger des jetzigen Ministeriums werden dessen Nachlaß nicht pure
übernehmen wollen und die Verständigung darüber mit dem König wird sehr
schwer halten.
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@facs | 0502 |
Berlin, 9. Sept.
Um Mittag verbreitete sich das Gerücht, der König habe die Entlassung der
Minister nur unter gewissen Bedingungen angenommen; werde die
Nationalversammlung sich diesen widersetzen, so stehe ihr eine Auflösung
bevor, die unter dem Schutze der Kanonen und, sagen Manche — eines
Martialgesetzes für Berlin, erfolgen soll. Wir erwähnen dieses Gerüchtes
wegen der großen Aufregung die es in der Stadt hrrvorbringt.
[(B. Z. H.)]
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@facs | 0502 |
Berlin, 9. Sept.
Bereits am gestrigen Tage haben sämmtliche Minister bei des Königs Majestät
ihre Entlassung nachgesucht. Seine Majestät haben Sich Allerhöchstihre
Entschließung vorbehalten.
Im Laufe des heutigen Vormittags ist der Präsident der Nationalversammlung,
Grabow, zu Seiner Majestät nach Sanssouci eingeladen worden.
[(St. A.)]
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@facs | 0502 |
[
61
] Wien, 6. September.
— Die heutige Sitzung des Reichstags war von besonderer Wichtigkeit, denn die
bisherige „naive Demokratie“ desselben ist zum Durchbruch gekommen: sie hat
sich in einer slavischen Fanatismus verwandelt, an dessen Spitze sich die
Insolenz einer neu erfundenen Nationalität gestellt hat, — ich meine die der
Czechen. — In Oesterreich wachsen die Nationalitäten jetzt aus der Erde und
je unbedeutender, gestalt- und gehaltloser sie sind, um so toller gebährden
sie sich. Und weil sie für sich allein einflußlos bleiben müßten,
verschwören sie sich mit dem Absolutismus wider die Freiheit. Der
ladstockartige Stadion ist bei diesem Kampf die fünfte Figur in der
Quatrupelallianz, Jellachich, Windischgrätz, Radetzki, Montekukoli. —
Die Sitzung begann mit Vorlesung und Annahme des Protokolls; Beurlaubungen;
Petitionsvorlesung, woraus ein Abgeordneter Veranlassung nahm, die Trägheit
der Petitionskommission zu rügen; Wahlen zum Konstitutionsausschuß u. s. w.,
worauf eine breitgetretene Protestation Klaudy's (Czeche) verlesen wurde. —
Wogtech (Steiermark) interpellirte den
Finanzminister Kraus, ob es wahr sei, daß die Aemter an der kroatischen
Grenze angewiesen worden seien, alle Gefälle an Jellachich abzuliefern und
sich mit den ungarischen Behörden nicht einzulassen? Kraus weiß natürlich
nichts davon. Interpellant beruhigt sich aber keineswegs damit, sondern
macht dem Minister Vorwürfe über seine verdächtige Unwissenheit.
Jonak (Czeche) interpellirt wegen der von Ungarn zu
leistenden Zahlungen; Kraus antwortet, daß dieselben theils anerkannt,
theils bestritten seien, daß aber vorläufig noch gar nichts bezahlt
worden.
Polaczek (Czeche.) Ob das Kriegsministerium den
Befehl gegeben, 18000 Grenzer aus Italien nach Ungarn zu senden und
dieselben durch deutsche Truppen ersetzen zu lassen. Latour weiß natürlich
nichts davon. Derselbe Abgeordnete interpellirt den Finanzminister daruber,
ob der verschwundene, ehemalige Staatsrath noch Gehalt beziehe. Er will auf
sie Schwarzers Wort: „Wie die Arbeit, so der Lohn“ angewendet wissen.
Kraus versichet, der alte Staatsrath bezöge nur
Pension.
Schmitt (Wien, ehemaliger Präsident) beantragt, daß
die über den Antrag Kudlich's gefaßten Beschlüsse durch den Vorstand
ungesaumt zu ordnen seien, der Beschluß über den Bier- und Branntweinzwang
dem Lasserschen Antrag beigefügt und der redigirte Beschluß dem Ministerium
zur Kundma- übermittelt werde. —
Löhner beantragt, zur Redaktion der Beschlüsse sofort
eine Kommission zu ernennen, die Diskussion aber bis dahin zu verschieben,
daß das Ministerium auf die gestrige Interpellation Borrosch's geantwortet
habe. Er motivirt diesen Antrag, indem er unter anderm der Meinung ist, es
handle sich hier um die Frage, ob die Kammer sich für souverän halte oder
nicht; sie sei eine konstituirende, nicht eine gesetzgebende, es bedürfe
daher nicht der Sanktion des Kaisers, die Kammer habe die
Machtvollkommenheit, ihre Beschlüsse selbst kundzumachen. Borrosch redet in
demselben Sinne. Der Antrag wird unterstützt, wobei aber alle Czechen und
ein Theil der Polen sitzen bleiben.
Rieger (Czeche) gegen den Antrag Löhners. Die
Beschlüsse über die Aufhebung der Unterthänigkeit seien kein Theil der
Konstitution, also auch kein für sich bestehendes Gesetz. — So lange die
Konstitution nicht fertig sei, müsse die Kammer ihre Beschlüsse anticipando
durch den Kaiser sanktioniren lassen und werde demohnerachtet ein
konstituirende bleiben. — Er macht der Gegenseite den Vorwurf des
Republikanismus.
Brest: (Wien) ist für den Antrag Schmitt's, weil er
keine Redaktion durch eine Kommission will. Hinsichtlich der kaiserl.
Sanktion beruft er sich auf die belgische Konstitution, nach welcher der
König nur ein Bestätigungsrecht habe. Weißt die ungegründete Anklage Riegers
betreff republikanischer Tendenzen zurück; es sei ein Unterschied zwischen
einem konstituirendem und zwischen einem gesetzgebenden Reichstage; der
erste sei durchaus souverän, seine Beschlüsse hätten Gültigkeit ohne
Sanktion.
Borkowski (Galizien) vertheidigt mit logischer
Schärfe und mit Beredsamkeit den Antrag Löhners und verwahrt sich gegen die
Verdächtigung Riegers. Die Beschlusse der Kammer seien ein Theil der
Verfassung und also auch wie diese zu behandeln. Das Ministerium sei
voreilig gewesen, als es am Samstag dem Reichstag das Recht bestritten, mit
dem Volke durch die Kundmachung dieser Beschlüsse zu verkehren. —
Beck (Czeche) macht darauf aufmerksam, daß am Freitag
und Samstag keine Sitzung sei, die Verschiebung der Diskussion also nicht
stattfinden dürfe. Gegen Lohner. —
Borrosch (Prag.) Bei seinem Aufstehen beginnen
Schulmeister Palacky und Ministerkandidat Fürst Lubomirski mitleidig zu
lächeln. Alle Czechen machen Chorus Borrosch geißelt dafür Ministerium und
Kammer mit beißender Ironie und prophetischer Lehre. Er sagt, die Sanktion
sei weder eine Genehmigung noch eine Verweigerung, sie sei nichts als eine
Vereinigung der exekutiven und legislativen Gewalt durch
Gültigkeitserklärung eines Gesetzes; ein erster Reichstag könne von Niemand
aufgelöst werden; das Volk habe dem Kaiser vertraut, daß er den Reichstag
ungefährdet lassen werde; es habe ihm sogar ein zweitesmal vertraut und es
sei daher Gewalt, den konstituirenden Reichstag jetzt schon in einen
gesetzgebenden umzuwandeln. — Demokratischere Reichstage wurden kommen, als
dieser, wenn man diesen vernichte. (Großer Beifall) Er danke übrigens dem
Ministerium, daß es den Zwietrachtsapfel so geschickt durch Kabinetsfragen
eingebracht (Lachender Beifall), es möchte in Zukunft vielleicht weniger
Kabinetsfragen einzubringen Gelegenheit haben.
Löhner hat als Antragsteller noch einmal das Wort. Er
sei der Debatte mit großem Interesse gefolgt und habe sich an der
Schlagwortkanonade der Gegner nicht wenig geweidet. Die Prinzipienfrage sei
von seiner Seite durchaus nicht in Anregung gebracht worden. Der Antrag
Schmitts sei blos eine Instruktion für die Kommission, wie sie redigiren
solle; die Weiterbeförderung dieser Redaktion ohne Wiederanfrage in der
Kammer müsse allerdings für die Gegner höchst erwünscht sein. (Bravo.
Schmitt, der die Stadion-Czechen und Slaven
absichtlich unter den Deutschen herausgenommen, um für sie die Kastanien aus
den Kohlen zu holen wiederholt mit unvernehmlicher Stimme, was er schon zur
Begrundung seines Antrags gesagt Er ist in der Kammer, was Schwarzer im
Ministerium.
Präsident Strobach will beide Anträge als parallele
zur Abstimmung bringen.
Goldmark versteht nicht den Ausdruck parallel.
Präsident verbittet sich eine Belehrung über Worte,
die er anwende.
Lohner verlangt, daß über seinen Antrag als einem
bloßen Verbesserungsantrag, vor dem Schmitt'schen Hauptantrag, abgestimmt
werde.
Präsident will, nachdem die Tages- und Rangordnung
angenommen. Löhners Antrag zur Abstimmung bringen, als ein Abgeordneter die
Abstimmung mit Namensaufruf, Klaudy aber das Aussetzen der Sitzung für zehn
Minuten verlangt. Die Sitzung wird um 2 Uhr suspendirt.
Während der Pause sieht man die Czechen sich zu den galizischen Bauern
drängen; namentlich zeigen sich Stadion, Palacky, Lubomierski, Schriftführer
Streit und andere dabei äußerst thätig.
Nach Wiedereröffnung der Sitzung will Präsident Strobach den Antrag Löhners
theilen, die Kammer ist aber der Meinung, daß über den ganzen Antrag auf
einmal abgestimmt werde. Löhners Antrag wird mit 138 Stimmen verworfen; 64
Abgeordnete waren abwesend. (Unterbrechung.) Stadion nähert sich
gravitätisch und mit wohlgefälligem Lächeln seinem Mitverschworenen Bach;
eine Gruppe, in welcher Palacky und Lubomiersky, bildet sich um ihn.
Bach bedankt sich bei den Dalmatinern für die Abstimmung, ebenso bei den
abtrünnigen Polen, von welchen nur zwölf auf deutscher Seite geblieben
sind.
Hubicki (Galizien): Graf Stadion hat vor der
Abstimmung auf eine solche Weise auf die galizischen Bauern influenzirt,
indem er ihnen gesagt, sie schafften den Kaiser ab, wenn sie mit Ja
stimmten, daß … (Zischen, Bravo, Tumult) Wenn die Kammer nicht den Muth hat
… (Bravo, Zischen, Tumult) ich habe den Muth zu reden; die Abstimmung ist
nichtig! (Lärm).
Präsident Strobach ruft den Redner zur Ordnung.
Hubicki beruft sich auf das Zeugniß der Bauern.
Präsident ersucht ihn, diese Beschwerde schriftlich
einzureichen. (Ruf zur Tagesordnung).
Nun wird der Antrag Schmitts in den einzelnen Paragraphen und dann auch im
Ganzen mit einigen Modifikationen angenommen.
Palacky stellt den Antrag, daß die
Redaktionskommission nach den Gouvernements gewählt werde. Die Sitzung wird
um 4 Uhr unter großer Aufregung aufgehoben.
Schwarzer, Dobblhoff, Hornbostel wurden von der Stadion-Gruppe gänzlich
ignorirt und saßen auf ihren Banken, wie arme Sünder, die gewiß sind, von
der Reaktion mit Verachtung vor die Thüre gethan zu werden. Der Verräther
Bach hat sich seine Ministerstelle gesichert; er wird sich Stadion unbedingt
fügen.
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@type | jArticle |
@facs | 0502 |
Wien, 6. Sept.
So eben ist eine Abstimmung im Reichstage gefallen, welche das Verhältniß der
konservativen Majorität bestimmt. Da morgen die ministerielle Erklärung auf
die drei Borrosch'schen Fragepunkte erwartet wird, so wünscht die
konservative Partei heute schon ihre Stärke zu entfalten. Schmidt machte den
Antrag, die Urbarialbestimmungen schnell zu redigiren und die Sanktion des
Kaisers zu überreichen. Böhm stellte einen Gegenantrag, welcher jedoch bei
der Abstimmung fiel. Ministerielle Majorität: 64 Stimmen. Schmidt's Antrag
wurde dafür mittelst Aufstehens angenommen. Damit wäre denn die Frage der
Sanktion umgangen.
Aus vollkommen zuverlässiger Quelle können wir die Nachricht mittheilen, daß
vom Kriegsministerium Befehle ergangen sind, daß morgen die „gesammte
Garnison sich in Waffenbereitschaft finde“ und daß ein irgend wie
„entstandener Krawall sofort niedergeschlagen werde, ohne daß die
befehlhabenden Offiziere von Nöthen haben sollen, erst höhere
Verwaltungsbefehle einzuholen“.
Der demokratische Verein hat sich in Permanenz erklärt. Offenbar nähern sich
hier die Dinge der Entscheidung, doch wird sie diesmal wohl eine unblutige
sein.
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@type | jArticle |
@facs | 0502 |
Wien, 6. Sept.
Als Nachtrag zu den Ministerkombinationen erzählt man, daß Pillersdorf die
Finanzen übernehmen soll, der Mann, gegen welchen der Abgeordnete
Sierakowski eine motivirte Anklage angemeldet und auf dessen Schultern
Montecuculi den 26. Mai gewälzt hat. Neben dem Metternichianer Bruk wird
Meyern für die öffentlichen Arbeiten genannt.
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@facs | 0502 |
[
*
] Wien, 5. Sept.
Die von uns mitgetheilte Nachricht, die Annahme der französisch-britischen
Vermittelung in Italien hat sich bestätigt.
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@type | jArticle |
@facs | 0502 |
Breslau, 5. Septbr.
Wie wir hören hat sich der hiesige demokratische Verein an die Frankfurter
Versammlung mit einer förmlichen Appellation gegen das zu Berlin
beschlossene Bürgerwehrgesetz gewendet. Noch mehrere derartige Gesetze von
Berlin aus, und es werden, wie wir fürchten, Bestrebungen nach einer
Trennung der Schlesischen Interessen von denen Preußens an den Tag treten,
von deren Stärke man schwerlich bisher eine Ahnung gehabt hat.
[(Ostsee-Z.)]
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@type | jArticle |
@facs | 0502 |
[
41
] Aus Thüringen, 8. Sept.
Die Thüringer Volkstage gewinnen immer mehr an politischer Bedeutung, und in
demselben Maße an Haß bei Beamten, besonders bei preußischen. Die Regierung
zu Erfurt ist diesen Volkstagen ebenfalls sehr gram. Wenn in Berlin ein mehr
volksthümliches Ministerium ernannt wird, dann dürfte die Regierung wegen
der bekannten Maßregel zur Verantwortung gezogen werden, durch welche sie
die Freiheit zu Volksversammlungen beeinträchtigt hat. Auf den 17. d. M. ist
der fünfte Thüringer Volkstag ausgeschrieben, und zwar zu Gr. Breitenbach im
Schwarzburg'schen, und, nach dem Programme zu schließen, werden wohl wieder
viele tausend aus aller-Herren-Länder Thüringen's zusammenströmen. Der
Gründer und erste Führer der Thüringer Volkstage ist der Buchhändler v.
Berlepsch zu Erfurt, bekanntlich auch ein Opfer der Erfurter Bureaukratie
unter dem Systeme Bodelschwingh-Uhden. Es übt jetzt dieser Mann einen
außerordentlichen Einfluß auf die Gemüther, und die große Masse ist ihm treu
ergeben.
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@type | jArticle |
@facs | 0502 |
[
68
] Dessau, 6. Sept.
Es giebt eine Masse Blätter, die sich sogar demokratische nennen, und die
gleichwohl so bornirt sind, daß sie das Ministerium „Habicht“ als ein
„demokratisches“ darstellen und lobpreisen. Das Ministerium Habicht ist ein
volksverrätherisches, wie es nur irgend eins gegeben, und Hr. Habicht um
keinen Deut besser als Hr. Mathy, ja noch viel schlimmer. Denn während
letzterer seine heuchlerische Maske bereits abgeworfen und sich als
preußischen Gensd'armen bewährt hat, ist Hr. Habicht noch immer frech genug,
die Rolle eines Demokraten fortzuspielen. Es wird aber bald die Zeit kommen,
wo er entlarvt dastehen und von Glück reden wird, wenn seine Laufbahn nicht
unter dem Ruf endet: à la lanterne! Selbst die hiesigen Volksvertreter von
der linken Seite fangen an, über diesen Judas en miniatüre klar zu werden.
Es sind ihrer freilich nur 8 gegen 22; aber die Masse des Volkes ist auf
Seiten der Acht. Die Intriguen und Verräthereien des Hrn. Habicht, der das
Ländchen durchaus mit Preußen vereinigen will, werden scheitern, trotz der
22, die in der Kammer für ihn stimmen.
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@facs | 0502 |
Altona, 9. Sept.
Gestern in den ersten Nachmittagsstunden befand sich unsere Stadt in großer
Aufregung. Es sollten nämlich sechs preußische Soldaten aus nicht genau
bekannt gewordenen Gründen zur Untersuchung nach Berlin geschafft werden.
Auf die Kunde davon drangen große Volksmassen, mehrere bewaffnete
Freischärler an ihrer Sitze, gegen die Hauptwache auf dem Rathhausmarkte vor
und machten die Gefangenen frei. Die Bürgerwehr wurde zusammengerufen, da
aber die Offiziere erklärten, sich weder zu polizeilichen noch zu
militärischen Exekutionen hergeben und auf keine Weise zum Blutvergießen
Veranlassung bieten zu wollen, so wurden die Gefangenen wie im Triumphe
fortgeführt; sie befinden sich in diesem Augenblicke noch in Altona, wollen
sich aber ihren Vorgesetzten stellen.
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@facs | 0502 |
Hamburg, 8. Sept.
Nachdem gestern auf amtlichem Wege von dem Chef des Generalstabes des 10.
Bundes-Armee-Korps dem Hamburger Senate die Mittheilung gemacht worden war,
daß ein Theil dieses Korps diesseits der Elbe Standquartier nehmen solle,
ist dem Senate heute Morgen von derselben Behörde die Anzeige zugegangen,
daß dieser Beschluß wieder zurückgenommen sei und die Truppen ohne
Aufenthalt ihren Rückmarsch über die Elbe fortsetzen werden.
[(Börs.-H.)]
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@facs | 0502 |
[
43
] Oldenburg, 7. Sept.
Der Landtag hat in seiner heutigen Sitzung die durch verwirrte
Erbschafts-Geschichten konfusen Verhältnisse der einzelnen Landestheile mit
einem „kühnen Griff“ geordnet, und das Großherzogthum für einen untheilbaren
Staat erklärt. Durch diesen Beschluß sind die Ansprüche der Agnaten
aufgehoben.
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@facs | 0502 |
[
*
] Mainz.
Die Brutalitäten der lieben preußischen Soldateska nehmen wieder in
vielversprechender Weise zu. Wie diese Horden gegenwärtig in Mainz hausen,
geht aus folgenden Mittheilungen der „Fr. O.-P.-A.-Ztg.“ hervor:
„Mainz, 8. Sept. Heute, Freitag, wo unser
Haupt-Wochenmarkt gehalten wird, bei welcher Veranlassung die Stadt
gewöhnlich lebhafter als sonst ist, wurde der Markt durch einige Händel
suchende Soldaten gestört, so daß die Ladenbesitzer schließen mußten und die
Landleute sich beeilten, die Stadt zu verlassen. Einzelne Fremde, die gerade
mit dem Dampfboote hier anlangten, fuhren schnell wieder ab. Vor einer
halben Stunde wurde aus dem preußischen Militärgefängnisse des Eisenthurmes
von einem Soldaten der Wachtmannschaft auf das gegenüber liegende Haus des
Weinwirthes Racky geschossen, ohne glücklicherweise Jemand zu treffen, indem
die Kugel im Fenstergesimse stecken blieb. Von herbeigeeilten
österreichischen Patrouillen wurden vier preußische Soldaten im
Militärgefängnisse selbst arretirt und auf die österreichische Hauptwache
gebracht. In der Quintinsgasse haben heute Morgen die Preußen im
Vorüberlaufen sämmtliche Fenster und Montres des Erdgeschosses zertrümmert.
Für heute Abend befürchtet man großen Lärm.“
„Mainz, 8. Sept. Heute Abend waren wir Zeuge einer
fürchterlichen Scene. Ein Arbeiter am Rheine hatte im Laufe des Mittags
vorübereilende Preußen von einer Landungsbrücke der Dampfschiffe aus
verhöhnt. Als nun später eine aus Preußen und Oesterreichern bestehende
Patrouille hinzukam, begab sich der Mann in einen Nachen und stieß vom Ufer
ab, um sich der Arrestation zu entziehen. Andere Rheinarbeiter eilten ihm
mit Schiffgeräthen zu Hülfe. Als sie das Ufer wieder zu erreichen suchten,
sollten sie festgenommen werden. Sie stießen ab und vereitelten mehrere
Stunden lang alle Anstrengungen der Soldaten, ihrer habhaft zu werden.
Endlich stiegen preußische Soldaten ebenfalls in einen Nachen und verfolgten
erstere; diese bemühten sich, durch die Rheinbrücke zu kommen, welche von
Truppen wie besäet war. In dem Augenblicke, wo der verfolgende Nachen den
Arbeitern dicht auf der Ferse war, sprangen diese in den Rhein. Einer davon
wurde von den Verfolgern ergriffen, der Andere schwamm glücklich durch die
Brücke, aber dem Dritten schlug ein in dem Brückenschiffe befindlicher
Soldat mit einem Haken zweimal auf den Kopf; er schwamm zwar noch einige
Sekunden, ertrank aber dennoch, durch die erhaltenen Schläge betäubt. Auf
diese That selbst folgte ein weittönendes Hurrah der anwesenden
Soldaten.“
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@facs | 0502 |
[
16
] Prag, 6. Sept.
Wir werden vom 1. Oktober an eine „deutsche Zeitung“ aus Böhmen haben, deren
Redakteure die Herren Gutt und Dr. Klier sind und welche die deutschen
Interessen im Sinne des innigsten Anschlusses an Deutschland vertreten wird.
Sie wird vom hiesigen konstitutionellen Vereine herausgegeben und ist als
Organ aller Deutschböhmen auf dem Congresse derselben in Teplitz anerkannt
worden. Sie werden bereits die Vorgänge dort erfahren haben, und die
Stimmung, welche dieselben hier erregen, wohl errathen können. Die
öffentliche Meinung äußert sich unverholen darüber, ob das die Früchte des
Strebens nach Vereinigung seien, welches alle Rechtlichgesinnten so eifrig
anstreben. Die deutschen Kreise sagen sich von jeder Verschmelzung mit den
Tschechen hinsichtlich der Provinzialvertretung und Verwaltung los und
bedenken nicht, daß sie hier mit der Bildung eines slavischen Reichs
sozusagen in die Hände arbeiten, indem ein noch engeres und innigeres
Anschließen der slavischen, in Oestreich die Mehrheit bildenden
Völkerschaften die Folge des Centralisationssystems sein wird. Daß auf der
andern Seite die Tschechen wieder auf den Föderativstaat hinarbeiten, ist
eben so erklärlich, indem dadurch die Provinziallandtage nöthig werden, die
nur einen vortheilhaften Einfluß auf die Entwickelung des überwiegenden
slavischen Elementes haben können, wenn auch tausendmal die völlige
nationelle Gleichberechtigung als Basis der Provinzialverfassung hingestellt
wird.
Die Reorganisirung der Nationalgarde geht rüstig vor sich; die Compagnien
sprechen sich nach Stimmenmehrheit über das deutsche und böhmische Commando
aus und von einer Abstimmung der Compagnien wird es alsdann abhängen, ob das
Oberkommando deutsch oder tschechisch sein wird. Ueber das Sonderkorps
Swornost ist endlich der Ministerialbescheid angekommen, es bleibt
aufgelöst, das Tragen der Abzeichen desselben fernerhin ist aber nicht
verboten.
Der Beschluß der Teplitzer Versammlung hat natürlich das nationelle
Parteiinteresse wieder in eine Frage gezogen, welche uns alle in gleich
hohem Grade interessirt, nämlich der Anschluß Oestreichs an den deutschen
Zollverein. In Deutschböhmen hat man
[0503]
diesen Anschluß aus dem
Grunde der Nationalität in den Vordergrund gestellt, daß unter
einem Volke keine Zollschranken stehen dürften und
alle anderen Gründe außer Acht gelassen. Hier ist das etwas anderes, hier
haben wir eine nationelle Antipathie gegen jede Vereinigung mit Deutschland
und eine kommerzielle würde die politische nicht mehr lange auf sich warten
lassen. Allein trotzdem scheint sich die Meinung Bahn zu brechen, daß der
Fall der Zollschranken zwischen Deutschland und Oestreich letzterem nur
günstig sein könne. Der östreichische Handel concentrit, würde unendlich
gewinnen. Nicht nur, daß der Transito, welcher vom Zollverein aus früher aus
der Schweiz über Genua nach dem Orient proponirt war, seinen Weg durch die
östreichischen Provinzen nach dem adriatischen Meere um so sicherer nehmen
wird, findet auch die östreichische Flotte als Vereinsflotte einen sichern
Schutz und weder England noch Frankreich wird einen Krieg mit Oestreich
wagen, wenn es auch materiell mit Deutschland verbunden ist. Das Parlament
wird um so vortheilhaftere Handelsverträge schließen können, indem ein
Vertrag von 70 Mill. Consumenten etwas anderes ist, als der mit einem
kleinen Staate. Vor allem aber keine lange Uebergangsperiode, denn je länger
sich Oestreich ausschließt, desto mehr strengt sich die zolldeutsche
Industrie an, die vorzüglichsten östreichischen Produkte im Vereine zu
ersetzen und je länger Zeit man dazu läßt, desto gefährlicher wird diese
Konkurrenz. Ich glaube daher, daß der größere und intelligentere Theil der
böhmischen Industriellen von seinen egoistischen Irrthümern selbst
zurückkommt, wenn er die heutigen Tagesverhältnisse mit den großartigen
Tendenzen einer nationalökonomischen und kommerziellen Vereinigung mit
Deutschland richtig erfaßt, zumal da ein großer Theil der kaufmännischen
Welt selbst durch das allen Verkehr abschneidende Prohibitivsystem in einer
gänzlichen Unkenntniß aller auswärtigen Verhältnisse erhalten ist; es ist
ausgemacht, daß, solange Belgien und die Schweiz ausgeschlossen bleiben, die
böhmische Industrie nicht nur für alle ihre wichtigen Zweige einen guten
Markt finden wird, sondern daß auch die minderwichtigen durch die
ausländische Konkurrenz nicht untergehen werden.
Französische Republik.
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@type | jArticle |
@facs | 0503 |
[
16
] Paris, 9. Sept.
Die Klubs entwickeln viel Thätigkeit; in dem des Bazar Bonne Nouvelle waren
gestern 2400 Männer (Frauen sind bekanntlich auf Specialantrag des protestantischen Herrn Pastor Athanasius Coquerel,
desgleichen Unmündige, seit der Juni-Insurrektion ausgeschlossen) und ein
katholischer Priester sprach sich sehr
erfreulich aus, so daß man ein donnerndes Lebehoch auf die
„demokratisch-sociale Republik“ ausbachte, worin er einstimmte. In diesem
und andern Klubs wird Considerant, der Chef der Fourieristen, als „ganz
stummes Kammermitglied, welches sich nur auf's Lawiren verlege“ heftig
attakirt; die Spaltung in den Reihen der Phalansterier ist jetzt
offenkundig. Der Exbaron Charles Dupin kann nunmehr kein Wort sprechen, ohne
daß es nicht Tags darauf dem Volke denunzirt und zerzaust wird; ein sehr
fatales Treibjagen, zumal General Cavaignac selbst erklärte: „Nie werde ich
dem wissenschaftlichen Kritisiren und Polemisiren Einhalt zu thun wagen.“ —
Proudhon's Probeblatt „Le Peuble“ ist zwar konfiszirt, indeß hat es viel
Aufsehen erregt; es sagt (mit Hinweisung auf die „jungen Politiker“ der
Thiersklike): „Seht da drüben, das kalte, häßliche Geschöpf, ganz pfiffig
und geschmeidig wie eine Schlange, spöttelnd, mit Ziffern um sich
schmeißend, ohne Schaam, zischelnd und blinzelnd, mit Silberstimme
predigt's, und schließt höhnisch lächelnd oder salbungsernst auf die
Nothwendigkeit erbarmungsloser Maßregeln; es läugnet keck das heilige
Volksrecht, das Arbeitsrecht; es schwatzt Euch weitläuftig von Vorsehung, es
vergöttert die malthusianische Fatalität; es hält Religion für ein hübsches
politisches Werkzeug, das Gesetz für ein Uebereinkommen, die Revolution für
ein Faktum, und damit Punktum! … Und wenn man Euch vom Haß des Socialismus
gegen die Familie vorjammert, o so nehmt die Fackel und leuchtet hinein in
die Schauderpalläste der Reichen, der Antisocialisten; klopft einmal an beim
Nachbar, beim Kapitalherrn, beim Rentier, beim Börsenmanne, beim
Hochbesoldeten, beim Schmarotzer, beim reichen Müßiggänger, beim
goldgestickten Tagedieb, beim auf Sammet ruhenden Faulenzer und Intriganten;
setzt Euch die Brille auf und forscht da nach.
Befragt einmal seine Gattin, und Cousine, und Schwägerin, und Köchin, und
die Kammerjungfer seiner Frau; nicht wahr, er hält sie heilig, diese seine
große Familie? ‥ Der Reiche ist ehebrecherisch und naturschänderisch durch
Luxus. Der arme Teufel wird es nur durch
materielles Elend … Wahre Liebe findet sich fast nur
noch zwischen Arbeiter und Arbeiterin. Ihr Verleumder des Volkes, laßt ab
von Eurem heillosen, sophistischen Geschwätz. … Ihr schreit, die Arbeit sei
den Socialmännern zuwider; was treibt aber Ihr, Herren der Bankokratie? Euch muß der Arbeitende fast 100
Prozent von seiner Arbeit geben, und Ihr verlacht ihn obenein. Darum wollen
wir unentgeldlichnn Kredit, keine Zinsen, keine Privilegien. Nennt Ihr das
Abschaffung des Eigenthums? gut. Wir nennen es Justiz, Arbeit, Ehre …“
Hierauf verlangt Proudhon entweder Frieden, oder revolutionären
Propagandakrieg in Europa, aber keinen Kabinetskrieg, kein „militärisches
Roulette und Schachspiel.“ „Macht Ihr Propagandakrieg, so stehen die
Proletarier von Schlesien und Rußland, Irland und Lyon mit Euch. Wo nicht,
so sind sie Euch Feind, oder sehen Euch gleichgültig an, und Ihr könnt dann
wieder ein 1815 erleben.“ — Der Professor der Mathemathik, August Comte, von
der politechnischen Schule, dehnt seine „Societät des Positivismus“ immer
aus; er hält Abends bei sich Vorträge und die Arbeiter-Kommissäre Magnin
(Schreiner), Jaquemin (Mechanikus) und Belpaume (Schuhmacher) haben einen
Rapport im Sinne dieser Doktrin publizirt, worin sie sofortige
Volksberathungen über Arbeitsbestellungen und Nachweisungen, statistische
Uebersichten, Lokaltabellen fordern; der Staat solle mindestens allen durch
Privatindustrie nicht Beschäftigten Arbeit geben; Spitäler und
Mildthätigkeitsbureaux seien unproduktiv; Sparsamkeit sei lächerlich den
Arbeitern zu predigen. Professor Dr. med. Littré (Uebersetzer des Lebens
Jesu von Strauß) ist äußerst thätig in dieser Societät, die auch einen
Gouvernementsplan, mit Arbeitern als Ministern, ausgearbeitet hat, August
Comte selber ist etwas Pedant, wie sein 7 Bände dickes Buch beweist, aber
die Arbeiter sind ein gutes Gegengift für solchen Uebelstand, und es zeigen
sich schon gute Erfolge. — In Südfrankreich und Elsaß ist die Königsfahne
geradezu aufgepflanzt, doch wieder einstweilen abgenommen worden;
Freiheitsbäume sind an vielen Orten umgehauen.
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@type | jArticle |
@facs | 0503 |
[
12
] Paris, 3. Sept.
Die Besprechung der Konstitution hat in der Kammer Statt. Nach dem Gange, den
die Verhandlungen einschlagen, kann die Konstitution in 8 bis 10 Monaten
vollendet sein. Unterdessen fährt Marrast fort, die glänzendsten Soiree's in
seinem Präsidentenpalast zu geben, und am andern Tage legt er die Rechnung
der Nationalversammlung vor. Zur Bestreitung der Kosten wird eine Zulage von
6000 Fr. für Hrn. Marrast verlangt. Am Tage über diskutiren und debattiren
die Herren in der Kammer und am Abend machen sie sich vis-à-vis in der
Quadrille. Es ist dies ein Mittel der „Vereinbarung“ wie die übrigen,
vielleicht noch wirksamer als jedes andere, zumal wenn man bedenkt, daß am
Abend in den Salons des Hrn. Marrasts die schönsten Frauen von Paris zu der
Debatte und der Quadrille zugelassen werden.
Die Konstitution zerfällt in drei Abschnitte: wir haben einen religiösen,
einen moralischen und einen politischen Abschnitt. Die Verhandlung
beschränkte sich bisheran nur auf die Religion und die Moral. Die „größten“
Redner, Lamartine, Cremieux, Dupin, Bischof und Pastor haben gesprochen, und
alle haben sich nicht über den Moralprediger erhoben. Wie man weiß, geht dem
Konstitutionsentwurf eine Art Einleitung voran, die die sogenannten
Prinzipien enthält. Wie überhaupt der ganze Konstitutionsentwurf und
namentlich der politische Theil im Grunde nichts Weiteres ist, als der
politische Ausdruck der bereits begründeten, d. h. der unverändert
gebliebenen Zustände, so soll die Einleitung, das sogenannte Vorwort diesem
politischen Theile, einen moralischen Anstrich geben. Jetzt fragt es sich:
Ist überhaupt eine solche Einleitung nöthig, und, wenn sie nöthig ist, soll
sie nicht besser nach der Politik diskutirt werden? Und wenn diese
Einleitung, diese Moral diskutirt werden soll, wäre es nicht zweckmäßig,
diese Moral religiös zu begründen?
Diejenigen, welche wie Cremieux und Lamartine sich für die Beibehaltung der
Einleitung aussprachen, wollen darin das Prinzip der Revolution, die „ewigen
Wahrheiten“ ausgedrückt finden, die als neue, errungene Rechte der Nation
zugesichert werden müßten. Die andern, wie Lavat, Cazales u. s. w., welche
für die Weglassung der Einleitung sich aussprachen, befürchteten, daß sie
Bestimmungen enthalte, deren Ausführung entweder unmöglich sei oder zu neuen
Konflikten führen könnte.
„Im Namen Gottes;“ „die Wahrheit der großen Prinzipien“ — das sind die
Phrasen, welche in der Kammer jetzt jeden Augenblick widerhallen. „
Angesichts Gottes wollen wir die großen Prinzipien, die ewigen Wahrheiten
der französischen Nation proklamiren.“ — Und was sind diese großen
Prinzipien, diese ewigen Wahrheiten? „Gleichheit u. s. w.“ Alles käme, nach
Lamartine, darauf an, die Gleichheit richtig zu definiren; aus Mangel an
Definition sei der Kommunismus entstanden. Was ist nach Herrn Lamartine der
Kommunismus? Das Chaos, d. h. ein Zustand, worin ein Mann das Gewehr
ergreift und auf Erstürmung, auf Wegnahme des Eigenthums losgeht. Herr
Lamartine „betet das Eigenthum an;“ „es ist ein göttliches Prinzip, ein
Gesetz Gottes.“ Das Gesetz Gottes ist das Eigenthum; ohne Eigenthum gibt es
keine Freiheit. Früher hieß es gerade umgekehrt, ohne Freiheit kein
Eigenthum. Aber wenn Leute wie Lamartine von Eigenthum sprechen, so denken
sie nur zunächst an das Eigenthum, welches durch Einbrechen, Plündern und
Rauben gefährdet werden kann, an das handgreifliche Eigenthum, woran kein
Mensch Hand anzulegen gedenkt: an den Kleinhandel, an den Kram und den
Krämer, und sagt man nun zu diesen Leuten: Seht jetzt heißt es, Haus, Hof
und Schrank geöffnet und mit den Kommunisten getheilt, so ist man gewiß
seine Wirkung nicht zu verfehlen. Lamartine will nicht, daß man immer von
der Konkurrenz, immer vom materiellen Interesse, vom Kapital und
Netto-Ertrage spreche; in der Revolution gebe es ein höheres, ein
moralisches Interesse, eine geistige Tendenz; diese Tendenz sei in der
Konstitution ausgesprochen, und dem Volke kundgethan „Angesichts Gottes. Man
müsse die republikanischen Institutionen an religiöse Inspirationen und
nicht an die Begriffe des Kaufens und Verkaufens anknüpfen.
„Im Namen Gottes! Als man in den Revolutionen des vorigen Jahrhunderts alle
alten Feudalzustände und Feudalherren gestürzt hatte, dekretirte man die
neue Konstitution: im Namen Gottes. Als man später erkannte, daß der Gott in
der Konstitution weiter nichts war, als das Gutheißen der bürgerlichen
Zustände, und daß dieser Gott nur denen zu gute kommen sollte, die nichts
Besseres hatten auf Erden, mußte mit dem Eintritt des Kampfes gegen die
bürgerlichen Zustände, in der Schreckenszeit, auch der bürgerliche Gott
fallen: er fiel, der Gott, das höchste Wesen und an seine Stelle trat ein
weibliches Wesen, als Ausdruck des damaligen französischen Wesens. Später,
als die bürgerlichen Zustände die Einsetzung eines Bürgergottes wieder
nothwendig machten, wurde über ihn im Convente mit Aufstehen und
Niedersitzen ebenso abgestimmt, wie über alle andere Bürgerrechte.
Ein gleiches findet jetzt ebenfalls in der Kammer statt. Nach Annahme der
Einleitung ging man zur Diskussion der einzelnen Paragraphen über. Im
Eingange finden wir: Angesichts Gottes. So wie man früher mit Gott aufhörte,
so fängt man jetzt mit Gott an. Verschiedene Amendements wurden gestellt.
„Im Namen Gottes“, welches der Bischof von Orleans schon in der ersten
Sitzung aufgestellt hatte, war bereits zurückgenommen worden. Jetzt stellt
ein anderes Mitglied den Antrag: Unter Anrufung Gottes — verworfen; wieder
ein anderes: In Gegenwart Gottes, Prinzip der ewigen Gerechtigkeit —
verworfen. Der Antrag Devilles: Im Angesicht Gottes und des
Belagerungszustandes, das ebenfalls heute zur Sprache kam, ward auch
verworfen und der Gott schlechtweg hat triumphirt.
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@type | jArticle |
@facs | 0503 |
Paris, 8. Sept.
Ein außerordentlicher Kourier hat der Regierung die Nachricht gebracht, daß
Oestreich die Mediation annimmt. Zu welchen Bedingungen? Darüber herrscht
noch Staatsgeheimniß.
— Bisher zählte Frankreich 27 Akademien oder Hochschulen, deren Besuch zum
Staatsdienste befähigte. Ein Dekret im Moniteur setzt diese Zahl auf 20
herab und bestimmt sie in folgenden Städten: 1) Aix, 2) Angers, 3) Besancon,
4) Bordeaut, 5) Bourges, 6) Caen, 7) Cahors, 8) Dijon, 9) Donai, 10)
Grenoble, 11) Lyon, 12) Montpellier, 13) Naucy, 14) Paris, 15) Poitiers, 16)
Reims, 17) Rennes, 18) Straßburg, 19) Toulouse, 20) Algier.
— Kriegsminister Lamoricièee hat ein Rundschreiben an die Präfekten richten
lassen, worin er ihnen erklärt, daß unter den gegenwärtigen kritischen
Umständen keine Urlaube mehr ertheilt wurden und daß sogar alle diejenigen
Mannschaften, die sich bei ihren Verwandten auf Urlaub befänden, sofort zu
ihren Korps zurückzukehren hätten.
— Das in Auch erscheinende Blatt, Opinion, meldet vom 3. September:
„Im hiesigen Nationalgestüt ist der Befehl vom Minister eingetroffen,
bedeutende Pferde-Ankäufe im In- oder Auslande zu machen. Die diesfälligen
Kredite seien bereits angewiesen.“
— Der Indépendant de l'Quest bringt schon folgendes neue Ministerium für die
nächste Restauration: 1) Berryer, Auswärtiges; 2) Genoude, Inneres; 3)
Odilon Barrot, Justiz; 4) Changarnier, Krieg; 5) Dufaure, Unterricht; 6)
Rainedicke, Finanzen; 7) Billault, Ackerbau und Handel; 8) Benoit,
Staatsbauten.
Die Republikaner aller Farben werden natürlich unter diesen Umständen zur
Einigkeit gedrängt.
Im Sarthe-Departement reiten förmliche propagandistische Pilgerer von einem
Jahrmarkt zum andern, um von Wagen herab legitimistische Traktätlein und
Flüche gegen die Republik zu verkaufen oder gratis zu vertheilen.
— In dem fabrikreichen Thale Deville bei Rouen sind zwischen den dortigen
Spinnern und ihren Contre-Maitres so ernste Streitigkeiten ausgebrochen, daß
der Ortsbürgermeister das Mobilgardistenbataillon in Rouen (von Paris seit
einiger Zeit von Senard dorthin detachirt) zu deren Beilegung herbeirufen
mußte. Die Ruhe ist äußerlich hergestellt.
— Diese Nacht fand bei Marrast ein glänzender Hofball Statt. Dreitausend
Einladungskarten waren verschickt. Die Elite der europäischen Gesellschaft —
sagt der Moniteur — war anwesend. Die Säle des Präsidentenhotels genügten
kaum für die herbeidrängenden Gäste. Der Palast ist mit wahrhaft blendendem
Glanze eingerichtet; die brillanten Toiletten der Damen, die
verschiedenartigsten Uniformen der Nationalgarden und Armee, bildeten einen
hinreißenden Anblick. Die Tänze finden in den großen Galerien und den
benachbarten Sälen Statt. ‥… Wir übersetzen wörtlich den Moniteur, dem diese
Notiz Nachts um 1 Uhr zugeschickt wurde, um das erwachende Paris mit diesem
Glanz auf dem Papier zu überraschen. Es lebe die Republik Marrast!
— Präsident Marrast hat dem Finanzausschusse erklärt, daß er sich mit den dem
Präsidenten der Nationalversammlung monatlich bewilligten 4000 Franken nicht
begnügen könne. Er beantrage 10,000 Franken, wie der General Cavaignac, um
die Pariser gehörig in Nahrung zu setzen. Einem solchen Argumente konnte der
liberale Finanzausschuß nicht widerstehen und er entschied mit 6 gegen 4
Stimmen die verlangte Gehaltszulage.
— In Metz sind 100 polnische Flüchtlinge eingetroffen. Sie wurden auf's
herzlichste empfangen. Die Regierung that jedoch noch nichts. Bisher leben
sie von den Almosen der Metzer Bürger.
National-Versammlung. Sitzung vom 8. September. Aus
den lebhaften Gesprächen, die in den Nebensälen gepflogen werden, hört man
Folgendes:
Als diesen Mittag sich der Verfassungsausschuß wie gewöhnlich versammelt, und
Cormenin, Marrast und die übrigen Glieder ihre Plätze eingenommen hatten,
erhob sich Corbon, der sogenannte Arbeiter und Vizepräsident der
National-Versammlung und drückte sich ungefähr folgendermaßen aus: Alle Welt
habe mit Entrustung das Pamphlet gelesen, das der Präsident des
Verfassungsausschusses selbst durch den Buchhandel zu veröffentlichen für
gut befunden habe. Außer mehreren anderen Anstößigkeiten, um gelinde zu
reden, komme darin auch eine Stelle vor, worin der Verfasser sage, daß man
hier in diesem Saale die neue Verfassung berathe, während zahlreiche
Bajonette, dieser Zierrath des Despotismus, zum Fenster herein blitzen u. s.
w. Dergleichen Ausfälle gegen die höchsten Prinzipien der Regierung seien
von einer Natur, daß er seinen P#atz nicht länger in
einer Versammlung behalten wolle, die von einem solchen Spötter präsidirt
werde. (Sensation.) Marrast nahm nun das Wort und erklärte, mit den
Ansichten Corbons vollständig einverstanden zu sein.
Die ganze Versammlung trat diesem Tadelsvotum bei.
Cormenin saß wie versteinert auf seinem Präsidentenstuhle. Als er sah, daß
die ganze Versammlung gegen ihn gestimmt war, raffte er alle seine Papiere
zusammen, und schritt aus dem Saale.
Diese Scene rief eine große Aufregung in allen Winkeln des weitläufigen
Gebaudes hervor, die sich noch lange nicht gelegt hatte, als Marrast in dem
Hauptsaale erschien, um die Sitzung um 1 1/2 Uhr zu eröffnen.
Nach Verlesung des Protokolls und einiger Nebengeschäfte erscheint Bastide,
Minister des Auwärtigen, auf der Bühne. „Bürger-Repräsentanten, beginnt er,
ich habe die Ehre, Ihnen anzuzeigen, daß die Regierung von Wien aus
benachrichtigt worden ist, daß Oesterreich die ihm in der italienischen
Frage von unsund England angebotene Mediation angenommen hat und sich von
den besten Friedensgesinnungen beseelt zeigt. Demzufolge kann ich der
Versammlung die Versicherung ertheilen, daß bedeutende Ersparnisse
rücksichtlich der Armee-Ausgaben gemacht werden können.“
Die Versammlung nimmt die Tagesordnung auf, nämlich die schon zwanzig Mal
abgebrochene Berathung über das unglückliche Dekret vom 2. März 1848, das
die Arbeitsdauer auf 10 Stunden per Tag festsetzt und den Fabrikanten so
viele schlaflose Nächte verursachte.
Stourm, Besnard, Corbon, Morin, Michot, Barasseur etc. unterstützten, theils
bekämpften sie den durch Amendements gänzlich entstellten Entwurf, der
kurzweg auf Abschaffung des Marzdekrets antrug.
Die Menge von Amendements zu dem Gesetzentwurfe der Arbeitsausschüsse rief
eine solche Verwirrung hervor, daß Flocon auf die Tribune eilte und
sagte:
Der erste Artikel lautet:
„Das Dekret vom 2. März, in so weit es die Arbeitsstundenzahl
betrifft, ist abgeschafft.“
Der Deputirte Fourneyron will die Worte, „in so weit es die
Arbeitsstundenzahl betrifft,“ gestrichen wissen.
Ich protestire gegen diese Streichung, denn das hieße, jene Verordnung vom 2.
März absolut abschaffen. Dieselbe zerfällt aber in zwei Hauptfragen: a. die
tägliche Arbeitsdauer, b. die sogenannte Marchandage. Von letzterer ist aber
in der mehrtägigen Debatte bisher noch keine Silbe gesprochen worden. (Ja!
Ja! Nein! Nein!) Ich trage daher darauf an, nun über den Artikel I. in
seinem vollen Text abstimmen zu lassen.
Touret, Ackerbau- und Handelsminister, nimmt das Wort und schlägt vor, den
Artikel I. erst nach den übrigen Artikeln zu votiren.
Dieser Vorschlag wird angenommen und man geht zu Artikel II. über.
Derselbe lautet:
„Die Arbeitsdauer des Arbeiters in den Manufakturen und allen
großen Fabriken, Hütten-, Bergwerken etc. darf 12 Stunden nicht
überschreiten.“
Gambon stellt den Antrag auf zehn Stunden und will das Dekret der
provisorischen Regierung retten.
Dieser Antrag wird mit 607 gegen 67 Stimmen verworfen.
Pierre Leroux schlägt 11 Stunden vor.
Wird verworfen
Artikel II mit seinen 12 Stunden geht durch.
Das Februar-Dekret ist somit begraben.
Artikel III. wird ebenfalls angenommen.
Die Fortsetzung des Debatte wird auf morgen verschoben.
Die Versammlung geht um 6 1/2 Uhr auseinander.
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@type | jArticle |
@facs | 0503 |
Paris, 9. September.
Ridolfi außerordentlicher Gesandter des Großherzogs von Toscana, hat dem
General Ravaignac die
[0504]
Vollmacht überreicht, die ihn
neuerdings als Vertreter dieses italienischen Staats bei der Republik
akkreditirt.
Desgleichen hat O. de Marcoleta im Namen des Staats Nicaragua dem Minister
Bastide seine Akkreditive zugestellt.
— In Erwägung daß die Februar-Revolution und die nachherigen bewegten
Umstände die Arbeiten der studirenden Jugend unterbrochen oder wenigstens
gestört habe, verschiebt eine Verordnung des Unterrichts und Kultusministers
Bürgers Vaulabelle den Termin für die diesjährigen Staatsprüfungen vom 1.
Oktober auf den 15. November etc. Die Einschreibungen müssen bis zum 20.
Oktober erfolgen.
— In einem Plakat zeigt der Präfekt der Pariser Bevölkerung an, daß die
Nationalversammlung vorgestern die demokratische einige und untheilbare
Republik votirt habe, daß noch 4058 Junibesiegte für die „demokratische“
Republik in den Kasematten schmachten; außerdem nahmen sich 9 Personen seit
dem letzten Plakat aus Verzweiflung das Leben u. s. w.
— Die Ziffer der leidenden Papiere (unbezahlten Wechsel) beläuft sich laut
des so eben erscheinenden offiziellen Bankberichts — dem man diesmal mit
einiger Besorgniß entgegensah — für Paris auf 17,622,540 Franken 28
Centimen, für die zu Paris gehörigen Departements-Comptoirs auf 9,448,524
Fr.
— Die Klagen der Aerzte über den entsetzlich schlechten Nahrungsstand des
Volks hat den Polizeipräfekten Ducoux, selbst Arzt bewogen, dem Comite de
salubrité publique anzubefehlen, sämmtliche Arbeiter-Kosthäuser und Kneipen,
diese Giftbuden des Proletariats, genau zu untersuchen und darüber zu
berichten.
— Der Plan Proudhons, dem Staatsbankerott durch Schöpfung von 2 Milliarden
neuer Anleihebons und Einverleibung der Banque de France in die
Staatsdomaine, mit voller Selbstständigkeit, vorzubeugen, wird heute vom
Finanzausschusse diskutirt. Proudhon ist eingeladen und das Ausland kann
sich auf ein neues Thiergefecht gefaßt machen.
— In den Vorsälen des glänzend erleuchteten Präsidialpalastes fand heim
letzten Fest eine ziemlich lebhafte Scene statt. Mehrere Offiziere unserer
wackern Bürgerwehr hatten sich eingebildet, sie brauchten nur die Uniform
und reine Handschuhe anzuziehen, um Einlaß zu erhalten. Sie machten sich
daher auf den Weg und gelangten auch wirklich pünktlich bis in die Vorhalle.
Allein hier ersuchten sie die beketteten Huissiers, ihnen die
lithographirten Einladungskarten vorzuzeigen. Die Dandys von der Bürgerwehr
fanden das sonderbar und wollten anfangs Widerstand leisten. Es kam so weit,
daß die Wache, die zum Glück nicht weit ist, herbeigeholt werden und sie
unsere beiden Dandys auf die Straße bringen mußte.
— National-Versammlung. Sitzung vom 9. September.
Lacrosse vizepräsidirt.
General Baraguay d'Hilliers, der Heerführer der Rue du Poitiers, beklagt
sich, daß man den Crespel de la Toucheschen Antrag rücksichtlich der
Pressfesseln noch nicht auf die Tagesordnung gesetzt habe. Die Ersatzwahlen
nahten und kein Blatt dürfe den Mund öffnen (Ah! Ah!)
Soll im Laufe der Sitzung, wenn die Bänke besser besetzt seien, zur Sprache
kommen.
Pascal-Duprat: Mitbürger! Ihr habt gestern den 2. und 3 Artikel des
Ausschußentwurfs rücksichtlich der Arbeitsstunden genehmigt, welche die
Arbeitsdauer in Manufakturen und Fabriken wieder auf 12 Stunden
festsetzt.
In dem so eben verlesenen Protokoll höre ich, daß obigen Etablissements auch
die Handwerkstätten beigefügt sind. Dies ist falsch, denn von den Ateliers
war im Laufe der ganzen gestrigen Diskussion keine Rede. Ich protestire
daher im Namen des Arbeitsausschusses gegen diese Addition.
Guerin glaubt, daß die Ateliers im gestrigen Votum auch begriffen seien.
Deslyngrais bestreitet dies.
Manuel konstatirt, daß die Versammlung wirklich nicht die Ateliers
einbegriffen habe.
Die Versammlung entscheidet, daß das Protokoll geändert werden müsse, und
nimmt einige Petitionen vor. Nach Erledigung derselben kehrt sie zu der
gestern abgebrochenen Debatte uber die Arbeitsstunden zuruck. Die Diskussion
schleppt sich ohne sonderliches Interesse fort.
Jendeau stellt einen Antrag, der zum Zweck hat, die Gebräuche und Sitten, wie
sie vor dem 24. Februar bestanden und häufig durch klimatische und
geographische Einflüsse bedingt wurden, bestehen zu lassen. Jede Neuerung
sei schädl#ch.
Larochejaquelin, der Schildträger Heinrich V, sieht die wahre Freiheit für
Arbeiter und Arbeitgeber darin, wenn Beide nach Gutdünken mit einander
verhandeln konnen. Vom Einfluß der Konkurrenz der Hande, vom Krieg der neuen
gegen die alten Etablissements fürchtet der Redner keine Nachtheile für die
Freihe#t des Arbeiters.
Charles Dupin (ärgerlich) bekämpft den Antrag Jendeaus. Die Versammlung habe
gestern votirt und der Antrag vernichte das Votum
Tourret, Ackerbau- und Handelsminister, bekämpft zwar nicht das Amendement,
möchte es aber folgendermaßen redigirt wissen: „Dennoch darf die Stundenzahl
im Gebiet der Republik nicht die vor dem 24. Febr. ublichen Gebräuche
überschreiten.“
Fourneyron bekämpft dieses Amendement. Die Gebräuche seien auf Schrauben
gestellt und ließen sich verschieden deuten.
Nachdem noch eine Masse Redner für und wider gesprochen und Minister Tourrer
endlich eine befriedigende Fassung des Amendements vorgeschlagen, wird
letzteres angenommen und der Paragraph lautet nunmehr:
„Die tägliche Arbeitsdauer des Arbeiters in Manufakturen und
allen industriellen Etablissements darf 12 Stunden nicht überschre#ten. Es
wird dagegen denjenigen Gebräuchen kein Abbruch gethan die in gewissen
Gegenden täglich weniger als 12 Stunden feststellten.“
Artikel 3, 4 und 5 des Entwurfs des Arbeitsausschusses werden angenommen.
Um 5 1/4 Uhr schreitet die Versammlung zur Abstimmung über das Gesammtdekret
durch Aufstehen und Sitzenbleiben.
Es wird angenomm#n und das Dekret vom 2. März, in so weit es die Arbeitsdauer
betrifft, definitiv abgeschafft.
Tourret deponirt einen Gesetzentwurf, der für die Associationsverträge der
Arbeiter bei Uebernahme von Bauten etc. die Inseriptions-Sportelfreiheit
verlangt.
Goudchaux, Finanzminister, stellt den Antrag, die Einkommensteuer so bald wie
möglich zu berathen, damit die General- oder Departementsräthe die
diesfällige Repartition treffen könnten.
Ternaux und Deslongrais bekämpfen diese Eile. Der Gegenstand sei neu und
verlange die strengste Prüfung.
Goudchaux besteht auf baldige Benathung.
Sie wird bewilligt.
Crespel de la Touche beklagt sich, daß sein Antrag rücksichtlich der
unterdrückten Journale so lange verschoben bleibe. Er verlangt morgen
Sonntags eine Sitzung oder Montags Vormittags 10 Uhr.
Die Versammlung entscheidet für Montag Mittags 12 Uhr.
@type | jAnnouncements |
@facs | 0504 |
Civilstand der Stadt Köln.
Geburten.
Den 7. Emilie Henr., T. v. Phil. Würzburger, Rothgerber, Mathiasstr. — Urs.,
T. v. Math. Hieronymus, Maurer, gr. Spitzeng. — Anna Maria, T. v Pet. Greg.
Opry, Polizei-Assistent, Sterneng. — Heinr., S. v. Heinr. Krumholz, Uhrm.,
Lintg. — Georg, S. v. Joh. Jac. Scheidweiler, Dachdeckerg., Schartgasse. —
Maria Cord., T. v. Friedr. Egener, Privatsekret., Lungengasse. — Wilh., S.
v. Ernst Staubesand, Dachdeckerg., Friesenstr. — Gert. Hel. Hub., T v. Joh.
Herschel, Bierbrauer, an der Linde. — Heinr. Hub., S. v. Engelbert Wolff,
Faßbinder, Fischmarkt. — Otto Jacob Maria, S. v. Heinr. Dorn, Stadtischer
Kapellmeister, Thieboldsgasse. — Ein unehel. Knabe.
Den 8. Cathar., T. v. Peter Fabri, Zimmergeselle, Eigelstein. — Elis. Agatha
Maria, T. v. Math. Kraft, Tagl., Kalenhausen. — Anna Maria Agnes Hubert., T
v. Herm. Jos. Bellinghausen, Hauptsteuer-Amts-Assist., Hahnenthor. — Joh.
Hub. Pet., S. v. Joh. Pet. Assenmacher, Spezereihändler, Salomonsgasse. —
Maria, T. von Joh. Wolter, Taglöhner. Löhrgasse. — Helena, T. v. Joh. Dohm,
Tapetendrucker, Kranenbäumen. — Anna Maria, T. v. Wilh. Nothen,
Branntweinbrenner, gr. Griechenm. — Francisca, T. v. Pet. Jos. Breuer,
Schreinerm., gr. Brinkg. — Anna Maria, T. v. Joh. Wilh. Vorrent,
Schreinermstr, Perlengraben. — Andreas, S. v. Herm. Philippen, Schreinerg.,
Thieboldsgasse. — Ein unehel. Knabe.
Sterbefälle.
Den 7. Marg. Broich, 8 T. alt, unter Kranenbäumen. — Isab. Quast, geb. Esser,
44 J. alt, auf der Aar.
Den 8. Franz Heinrich, 2 J. 8 M. alt, Eulengartengasse. — Wilh. Otto Haacke,
1 J. 9 T. alt, Ursulastraße. — Jacob Fischenich, Tagl., 42 J alt,
verheirathet, Zugasse. — Ein unehel. Mädchen.
Heiraths-Ankündigungen.
Den 10. Joh. Georg Duell, Metzger, mit Susanna Merz, beide Herzogstr. —
Ludwig Carl Lürssen, Cigarrenmacher, Thurnmarkt, mit Anna Maria Fuchs,
Kuhgasse — Ant. Alb. Jos. Wolfkott, Drechsler, kr. Büchel, mit Francisca
Schumacher, gr. Griechenmarkt. — Johann Zehnpfennig, Seidenweber, mit Anna
Heret, beide Kranenbäumen. — Johann Nuttgen, Schreiner, Lintgasse, mit Maria
Sib. Diel, Komödtenstr. — Heinr. Zottmann, Wwr., Eisenbahngüterbegleiter,
mit Kath. Lukas, beide Thürmchenswall. — Eduard Benert, Kfm, Waisengasse,
mit Anna Gert. Kramer, Heumarkt. — Ant. Lahaye, Hutmacher, Schilderg., mit
Barbara Rohe, Hochstr. — Joh. Peter Hoffstadt, Kfm, mit Ther. Stuep, beide
Butterm. — Franz Barth. Lemaire, Buchsenmacher, Apernstr., mit Richmunda
Boensch, Enggasse. — Andr. Jos. Ewer, Schneider, mit Anna Josepha
Schallanski, beide Benefisstraße. — Pet. Jos. Ehrenberg, Steinhauer,
Thürmchenswall, mit Sib. Jouy, Altengraben. — Peter Brings, Faßbinder, an
der Linde, mit Lucia Sürth, unt. Kranenbäumen. — Joh. Nicolaus Curnelle,
Wwr., Omnibus-Condukteur, unt. Gottesgnaden, mit Agnes Roth am Hof. —
Philipp Kufferath, Eisenbahn-Bremser zu Deutz, mit Maria Marg. Roloff,
Mariengartenklost. — Cornelius Berns, Zimmermann, Probsteigasse, mit Anna
Maria Elis. Horst, Wwe. Rung, Hahnenstr. — Georg Carl Hocker, Tapezirer,
Pfeilstraße, mit Gertr. Weiler, Apernstr. — Stephan Becker, Wwr., Ackerer,
kr. Buchel, mit Anna Kath. Christmann, Katharinengraben. — Wilh. Koch,
Fuhrmann, Glockenring, mit Maria Kath Reich, früher zu Offenbach, jetzt
Glockenring. — Wilh Friedr. Leopold Apellinaris Hubert Reuter, Kaufmann,
unter Kästen, mit Katharina Finken, Thiebeldsgasse. — Joh. Friedrich Wilh.
Fischer, Handlungsreisender, Bobgasse, mit Amalia Auguste Haselbach.
Buttermarkt.
Anzeigen.
Schifffahrts-Anzeige.
Köln, 11. September 1848.
Angekommen: Fr Kühnle und H. Bechert von Heilbronn. Kapt. Willms von
Rotterdam mit 5324 Ct. Kapt. Baumann von Amsterdam mit 4517 Ctr.
Abgefahren: L. Tillmann nach Koblenz: M. J. Deis nach der Saar.
In Ladung: Nach Antwerpen P. Verschur. Nach Rotterdam W. Hogewegh. Nach
Ruhrort bis Emmerich J. Schaaf. Nach Düsseldorf bis Mülheim an der Ruhr C.
Königsfeld. Nach Andernach und Neuwied H. Schumacher, B. Schilowski. Nach
Koblenz, der Mosel und der Saar L. Tillmann. Nach der Mosel, und Trier und
der Saar M. J. Deiß. Nach Bingen A. Hartmann. Nach Mainz J. Hirschmann. Nach
dem Niedermain Seb. Schulz. Nach dem Mittel- und Obermain M. Roth. Nach
Worms und Mannheim Wb. W. Dunk. Nach Heilbronn Frz. Müßig. Nach Kannstadt
und Stuttgardt L. Bühler.
Ferner nach Rotterdam Capt Demmer Köln Nr. 25.
nach Amsterdam Capt Scholwerth#, Nr. 3
nach Stettin Capt Range, Bark „Fortschritt.“
Rheinhöhe am 9. Sept. 6′ 8 1/2″.
Im Verlage von W. A. Rosenkranz, (Weberstraße Nro. 24 in Köln) ist
erschienen:
Tägliche Unterhaltungen mit Gott.
Ein Gebet und Erbauungsbuch für katholische Christen.
Mit hochwürdigster erzbischöflicher Approbation.
Elegante Miniatur-Ausgabe. 256 Seiten. Pr. 2 1/2 Sgr
Dieses kleine Gebetbuch enthält alle Festtage und Kirchenfeste des Jahres,
nebst den gewöhnlichen Meß-, Beicht-, Kommunion- und Ablaßgebeten, und ist
als niedliches Taschenformat zu empfehlen.
Aufforderung.
Die bestehende Kommission der Metzger-Corporation in Köln und Deutz wolle
sofort gegen den Gemeinderaths-Beschluß vom 1sten Sept. 1. J. über die
Ermäßigung der Schlachthaus-Gebühren, vom 1. Sept. ab von 7 1/2 Sgr. auf 5
Sgr. bei der betreffenden Behörde auf das entschiedenste protestiren; wie
auch bei der letzten Versammlung vom 30. August einstimmig beschlossen
worden ist. — Wir wissen von einer Abrechnung, wie bemerkt pro 1836-47 mit
einem Ueberschusse von Thlr. 1422 28 Sgr. 6 Pf. nichts, und wollen nichts
davon wissen, sondern wir verlangen eine gehörige Abrechnung von allen noch
rückständigen Jahren, welche die Kommission uns vorzulegen hat, und wie weit
dieses seine Richtigkeit hat, wollen wir unserer Hochlöbl. Königl. Regierung
zur Entscheidung vorlegen. — Der sich alsdann herausstellende Ueberschuß der
Schlachthaus-Gebühren soll an dem mit Recht verschuldeten Baukapital des
Schlachthauses in Abzug gebracht werden, und erst dann wollen wir die
Gebühren festgestellt haben. — Bevor dieses geschehen, protestiren wir
fernere Zahlung der Stadt gegenüber zu leisten und verlangen auf den 27.
dieses Monats längstens eine unwiderrufliche General-Versammlung
festzusetzen, in welcher das Weitere besprochen werden kann.
Für alle Metzger der Stadt Köln.
P. B. P H. Ad. H. Chr. Hr M. H. W. H
Bekanntmachung.
In hiesiger Packkammer lagert seit ein#ger Zeit ein Paket sign B. # 13 Wesel;
4 Pfd. schwer, ohne Adresse.
Der Absender wird davon hierdurch mit der Aufforderung benachrichtigen: die
Adresse an das hiesige Ober-Post-Amt oder an die Post-Anstalt des
Aufgabe-Orts, baldigst abzugeben.
Köln, den 9. September 1848.
Der Ober-Post-Direktor, Rehfeldt
Bei meiner Abreise nach Wetzlar, wohin das 2te Bataillon des 25. Inf.-Regts.
plotzlich versetzt worden ist, sage ich allen Bekannten und Freunden ein
herzliches Lebewohl. Köln, den 10. September 1848.
A. Kaufmann.
Freie Volksblätter.
Die „Freien Volksblätter“ erfreuen sich, als erste Früchte der Revolution,
bis jetzt eines fünfmonatlichen Bestehens. — Sie haben offen gekämpft für
die Sache der Demokratie, für die des Volkes, in dem Streben nach einer
Befestigung der verheißenen breitesten demokratischen Basis.
Nachdem dieser Satz von der einen Seite eine Lüge, von der andern nichts als
eine leere Phrase geworden, steht uns die Reaktion der Throne drohender
gegenüber, als vor dem 18. und 19. März. — Allerdings ist es zur Wahrheit
geworden, daß man dem Volke die errungene Freiheit vorenthalten will, daß
man seine Souveränität verhöhnt; — und obgleich ein Ministerium nach dem
andern zum Sturze gekommen, greift man, hartnäckig genug, wieder von neuem
zu Männern, die allerdings das Vertrauen der Regierung, aber nicht das des
Volkes besitzen. — Es geht daraus hervor, daß die bisherigen Minister nicht
Männer des Volkes, sondern Organe des Thrones waren. In einer Monarchie
aber, die nicht auf freie Institutionen begründet ist, deren Stützen nicht
im Sinne der Wahrheit im Herzen des Volkes wurzeln, stehen die Interessen
der Regierung denen des Volkes schnurstracks entgegen; das beweisen alle
Revolutionen. Es waren die bisherigen Ministerien demnach volksfeindlicher
Natur!
Bei dieser Sachlage bleibt uns nichts Anderes übrig, als dem volksfeindlichen
Streben von dieser Seite, das Streben nach äußerster Freiheit
entgegenzusetzen. Wir wollen demnach den Kampf, mit der Wahrheit gewappnet,
der Lüge gegenüber von neuem beginnen; wir wollen zunächst, als Mitglieder
des preußischen Staates, in unserm Kreise zu wirken suchen, indem wir nur in
der Befreiung der einzelnen deutschen Staaten eine Einigung Deutschlands für
möglich halten und eine deutsche Centralgewalt so lange ohnmächtig sein
wird, bis die Macht der Fürsten gebrochen. Dies ist die Richtung, die unsere
Blätter bis jetzt verfolgt haben, die sie mit neuer Kraft verfolgen werden
und bitten wir unsere Freunde uns in diesem Streben zu unterstützen.
Köln, im September 1848.
Die Redaktion, Bernh. Dietz.
Die Blätter werden vom 1. Oktober an in Köln erscheinen, wodurch etwa
vorgekommene Unregelmäßigkeiten in der Versendung aufhören.
Briefe bittet man schon jetzt dahin zu adressiren.
Für Köln und Mülheim beträgt der Pränumerationspreis 15 Sgr., auswärts durch
die Postanstalten bezogen jetzt nur 18 3/4 Sgr. — Insertionsgebühren die
Zeile 1 Sgr.
Zu zahlreichem Abonnement wird freundlichst eingeladen.
Ein Lebewohl, ein warmes herzliches Lebewohl der lieben kölnischen
Bürgerschaft, und unsern besondern Dank den Männern, die sich für unser Wohl
interessirten und sich Mühe gaben, den alten Haß zwischen Bürger und Militär
immer mehr zu entfernen. Wenn es auch noch nicht ganz gelungen ist, uns eine
andere Stellung im Staate zu verschaffen, und den Unterschied zwischen
Bürgern im rothen Rocke und unsern andern Mitbürgern aufzuheben, so hoffen
wir, daß der Geist der Zeit die Bestrebungen jener Edlen bald mit schönen
Erfolgen kronen wird und versichern, daß sich unsere Gesinnungen ewig gleich
bleiben werden. Deutscher Brudergruß von Mehreren Soldaten des 2. Bat. 25.
Infanterie-Regiments.
Der Exminister Hansemann traf heute Nachmittag hier ein, und stieg bei Hrn.
Gottfried Efferts, Marchand Tailleur, ab. Se. Excellenz beauftragte
denselben so schnell als möglich einen einfachen Civilrock anfertigen zu
lassen.
Vollständige Minister-Anzüge sind zu haben bei Gottfried Efferts, Pützgasse
Nr. 1, im ungebauten Eckhäuslein.
Heute Morgen verlor ein Reisender, vor Abgang des 1. Zuges auf dem Bahnhofe
der „Rheinischen Eisenbahn“, einen blau und bräunlich seidenen Geldbeutel,
welcher an jedem Ende 20 Livres Sterling, mithin zusammen 40 Livres Sterling
enthielt.
Der redliche Finder wird gebeten, denselben gegen eine recht gute Belohnung,
Clemensstraßen-Ecke (St. Cunibert) eine Treppe hoch, abzugeben.
Köln, den 9. September 1848.
Für franz. Handelscorrespondenz eröffnete ich Montag den 11. d. Mts. einen
Cursus.
J. Lehweß, Lehrer, Hohestraße Nr. 104.
Aufforderung.
Wer von dem verstorbenen Kunst-Con#r#ator, Herrn Christ. Geerling, Gelder,
Kunst- oder andere Gegenstände in Händen, oder irgend eine Verpflichtung
gegen dessen Erbmasse zu erfüllen, oder Ansprüche an dessen Masse zu machen
hat, wende sich an den unterzeichneten Bevollmächtigten der Geschwister und
Geschwisterkinder des Verstorbenen.
Köln, den 11. September 1848.
Pet. Steph Riphahn.
Gr. Sandkaul Nr 26.
Hr. Rolinger, Lehrer in Lüttich, rue de la régence Nr. 18, wünscht einige
junge Leute in Kost und Unterricht zu nehmen.
Ein fleißiger mit guten Zeugnissen versehener Handlungs-Gehülfe sucht eine
Stelle. Die Exp. sagt das Nähere.
Es sind wieder ganz frische Austern vorräthig bei G. Bettger et Comp.
Kl. Budengasse Nr. 6.
Theater-Anzeige.
Dienstag den 12. Sept.:
Norma.
Große Oper in drei Akten von Bellini.
Am 20. d M. beginnt das erste Abonnement.