[Deutschland]
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daß die dänische Literatur — mit Ausnahme Holbergs — ein matter Abklatsch der
Deutschen ist.
So ohnmächtig Deutschland auch von jeher war, es hat die Genugthuung, daß die
skandinavischen Nationen und namentlich Dänemark unter seine Votmäßigkeit
gerathen sind, daß es ihnen gegenüber sogar noch
revolutionär und progressiv ist.
Wollt Ihr Beweise? Les't die Polemik der skandinavischen Natione
untereinander, seit die Idee des Skandinavismus aufgetaucht ist. Der
Skandinavismus besteht in der Begeisterung für die brutale, schmutzige,
seeräuberische, altnordische Nationalität, für jene tiefe Innerlichkeit, die
ihre überschwenglichen Gedanken und Gefühle nicht in Worte bringen kann,
wohl aber in Thaten, nämlich in Rohheit gegen Frauenzimmer, permanente
Betrunkenheit, und mit thränenreicher Sentimentalität abwechselnde
Berserkerwuth.
Der Skandinavismus und die meerumschlungene schleswig-holsteinische
Stammverwandtschaft tauchten zugleich in den Ländern des Königs von Dänemark
auf. Sie gehören zusammen; sie haben sich gegenseitig hervorgerufen,
bekämpft, und dadurch am Leben erhalten.
Der Skandinavismus war die Form, in der die Dänen an die Unterstützung der
Schweden und Norweger appellirten. Aber wie es der christlich-germanischen
Nation immer geht: sogleich erhob sich der Streit, wer der ächte
Christlichgermane, der wahre Skandinavier sei. Der Schwede erklärte den
Dänen für „verdeutscht“ und entartet, der Norweger den Schweden und den
Dänen, der Isländer alle drei. Natürlich, je roher eine Nation, je näher
ihre Sitten und Lebensart der altnordischen, desto „skandinavischer“ war
sie.
Vor uns liegt das „Morgenblad“ von Christiania vom 18. Nov. 1846. Dies
anmuthige Blättchen enthält in einem Artikel über Skandinavismus folgende
heitere Stellen:
Nachdem es den ganzen Skandinavismus als einen bloß von den Dänen in ihrem
Interesse hervorgerufenen Bewegungsversuch geschildert, sagt es von den
Dänen:
„Was hat dies muntere, lebensfrohe Volk mit der alten, düstern und
wehmuthsvollen Kämpenwelt (med#den gamle, alvorlige og vemodsfulde
Kjämpeverden) zu schaffen? Wie kann diese Nation mit ihrer — wie ein
dänischer Schriftsteller selbst zugibt — lenksamen und sanftmüthigen
Willensbeschaffenheit glauben, in Geistesverwandtschaft zu stehen mit der
alten Vorzeit derben, kraftvollen und energischen Männern? Und wie können
diese Menschen mit der südlichweichen Aussprache sich einbilden eine
nordische Zunge zu sprechen? Und obwohl es ein Hauptzug unserer und der
schwedischen Nation, wie auch der alten Nordbewohner ist, daß die Gefühle
sich mehr ins Innerste der Seele zurückziehen, ohne
sich näher im Aeußern zu zeigen, so glauben doch
diese gefühlvollen und herzlichen Menschen, die so leicht zu verwundern, zu
bewegen, zu bestimmen sind, deren Geistesbewegungen sich so rasch und
deutlich in ihrem Aeußern abdrücken, daß sie in einer nordischen Form
gegossen, daß sie von verwandter Natur sind mit den beiden andern
skandinavischen Nationen!“
Das „Morgenblad“ erklärt nun diese Entartung aus der Verbindung mit
Deutschland und der Verbreitung deutschen Wesens in Dänemark. Die Deutschen
hätten zwar „ihr heiligstes Eigenthum, ihr nationales Gepräge verloren; aber
so kraftlos und matt die deutsche Nationalität auch ist, so gibt es doch
eine in der Welt; die noch kraftloser und matter ist, nämlich die dänische.
Während die deutsche Sprache im Elsaß, Waadt und an der slavischen Grenze
zurückgedrängt wird (!! damals blieben die Verdienste der Retzbrüder noch im
Stillen) hat sie gegen die dänische Grenze reißende Fortschritte gemacht.“
Die Dänen hätten nun den Deutschen eine Nationalität entgegen stellen
müssen, und hätten zu diesem Zweck den Skandinavismus erfunden; die dänische
Nationalität sei widerstandslos gewesen: „denn die dänische Nation war, wie
gesagt, obwohl sie die deutsche Sprache nicht angenommen, doch wesentlich verdeutscht. Der Verfasser hat selbst in
einem dänischen Blatte anerkannt gesehen, daß die dänische Nationalität von der deutschen nicht
wesentlich verschieden sei.“
So weit. „Morgenbladet.“
Allerdings, es läßt sich nicht läugnen, daß die Dänen eine halbweg
civilisirte Nation sind. Unglückliche Dänen!
Mit demselben Recht, mit dem die Franzosen Flandern, Lothringen und Elsaß
genommen haben und Belgien früher oder später nehmen werden, mit demselben
Recht nimmt Deutschland Schleswig: mit dem Recht der Civilisation gegen die
Barbarei, des Fortschritts gegen die Stabilität. Und selbst wenn die
Verträge für Dänemark wären, was noch sehr zweifelhaft ist, dies Recht gilt
mehr als alle Verträge, weil es das Recht der geschichtlichen Entwickelung
ist.
Solange die schleswig-holsteinsche Bewegung eine rein bürgerlich-friedliche,
gesetzliche Philisteragitation blieb, erregte sie nur die Begeisterung
wohlmeinender Kleinbürger. Als daher vor der Februar-Revolution der jetzige
Dänenkönig bei seiner Thronbesteigung für seine Gesammtstaaten eine
freisinnige Verfassung, mit gleicher Zahl Abgeordneter für die Herzogthümer
wie für Dänemark versprach, und die Herzogthümer dagegen opponirten, trat
der kleinbürgerliche Lokalcharakter der schleswig-holsteinschen Bewegung
unangenehm hervor. Es handelte sich damals nicht sosehr um einen Anschluß an
Deutschland — wo war damals ein Deutschland? — als um Trennung von Dänemark
und Konstituirung eines kleinen selbstständigen Lokalstaats.
Aber die Revolution brach herein und gab der Bewegung einen andern Charakter.
Die schleswig-holsteinsche Partei mußte entweder zu Grunde gehen, oder
selbst eine Revolution wagen. Sie wagte die Revolution und sie hatte Recht:
die dänischen Zusagen, vor der Revolution sehr günstig, waren nach der
Revolution ungenügend# der Anschluß an Deutschland, früher eine Phrase,
konnte jetzt eine Bedeutung erhalten; Deutschland hatte eine Revolution und
Dänemark machte sie, wie immer, auf kleinstädtischem Fuße nach.
Die schleswig-holsteinsche Revolution und die aus ihr hervorgegangene
provisorische Regierung hatte anfangs selbst noch einen sehr
spießbürgerlichen Charakter. Aber der Krieg zwang sie bald auf demokratische
Bahnen. Schleswig-Holstein hat durch diese Regierung, in der lauter
altliberale Biedermänner, ehemalige Geistesverwandte von Welker, Gagern,
Camphausen sitzen — demokratischere Gesetze erhalten, als irgend ein anderer
deutscher Staat. Von allen deutschen Versammlungen ist die kieler
Landesversammlung die einzige, die nicht nur auf allgemeinem Stimmrecht,
sondern auch auf direkter Wahl beruht. Der ihr von der Regierung vorgelegte
Verfassungsentwurf ist der demokratischste, der je in deutscher Sprache
abgefaßt worden. Schleswig-Holstein, bisher politisch von Deutschland ins
Schlepptau genommen, ist durch den Revolutionskrieg plötzlich zu
fortgeschritteneren Institutionen gekommen als das ganze übrige
Deutschland.
Der Krieg, den wir in Schleswig-Holstein führen, ist also ein wirklicher
Revolutionskrieg.
Und wer ist von Anfang an auf Seite Dänemarks gewesen? Die drei
kontrerevolutionärsten Mächte Europas: Rußland,
England und die preußische Regierung. Die
preußische Regierung hat so lange sie konnte einen bloßen Scheinkrieg geführt man denke an Wildenbruchs Note, an die
Bereitwilligkeit, mit der sie auf englisch-russische Vorstellungen hin den
Rückzug aus Jütland befahl und schließlich an den zweimaligen
Waffenstillstand! Preußen, England und Rußland sind die drei Mächte, die die
deutsche Revolution und ihre erste Folge, die deutsche Einheit am meisten zu
fürchten haben: Preßuen weil es dadurch aufhört zu existiren, England weil
der deutsche Markt dadurch seiner Exploitation entzogen wird, Rußland weil
die Demokratie dadurch nicht nur an die Weichsel, sondern selbst bis an die
Düna und den Dniepr vorrücken muß. Preußen, England und Rußland haben
komplottirt gegen Schleswig-Holstein, gegen Deutschland und gegen die
Revolution.
Der Krieg, der möglicherweise jetzt aus den Beschlüssen in Frankfurt
entstehen kann, würde ein Krieg Deutschlands gegen Preußen, England und
Rußland sein. Und gerade solch ein Krieg thut der einschlummernden deutschen
Bewegung Noth; ein Krieg gegen die drei Großmächte der Contrerevolution, ein
Krieg der Preußen in Deutschland wirklich aufgehn,
der die Allianz mit Polen zum unumgänglichsten Bedürfniß macht, der die
Freilassung Italiens sofort herbeiführt, der gerade gegen die alten
contrerevolutionären Alliirten Deutschlands von 1792-1815 gerichtet ist, ein
Krieg, der „das Vaterland in Gefahr“ bringt und gerade dadurch rettet, indem
er den Sieg Deutschlands vom Siege der Demokratie
abhängig macht.
Die Bourgeois und Junker in Frankfurt mögen sich keine Illusionen darüber
machen: beschließen sie den Waffenstillstand zu verwerfen, so beschließen
sie ihren eigenen Sturz, gerade so gut wie die Girondins in der ersten
Revolution, die am 10. August thätig waren, und für den Tod des Exkönigs
stimmten, damit ihren eigenen Sturz am 31. Mai vorbereiteten. Nehmen sie
dagegen den Waffenstillstand an, so beschließen sie ebenfalls ihren eigenen
Sturz, so begeben sie sich unter die Botmäßigkeit von Preußen, und haben gar
nichts mehr zu sagen. Sie mögen wählen.
Wahrscheinlich ist die Nachricht vom Sturz Hansemanns noch vor der Abstimmung
nach Frankfurt gekommen. Vielleicht wird sie bedeutend auf die Abstimmung
influiren, besonders weil das erwartete Ministerium Waldeck und Rodbertus
bekanntlich die Souverainetät der Nationalversammlung anerkennt.
Wir werden sehen. Aber wir wiederholen es: die Ehre Deutschlands ist in
schlechten Händen!
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[
*
] Köln, 9. Sept.
Unsere Leser erinnern sich, daß wir in Nr. 42 der N. Rh. Z. zu Gunsten des
willkürlich verhafteten Bombardier Funk
interpellirten. Wir freuen uns mittheilen zu können, daß dieser tüchtige
Demokrat endlich der Haft entlassen, aus dem Militärdienst ausgeschieden und
hier wieder eingetroffen ist. Wie es ihm inzwischen ergangen ist, lassen wir
Hrn. Funk zur Charakteristik der preußischen Militärjustiz selbst erzählen.
Sein Bericht wird auch dazu dienen, die Hartnäckigkeit zu erklären, mit der
Hr. Schreckenstein sich weigert, den Beschluß der Vereinbarer vom 9. August
auszuführen.
Der Bericht des Hrn. Funk lautet:
„Bis zum 23. Juni d. J. diente ich in der 2ten Abtheilung 8ten
Artilleriebrigade zu Köln. Ich hielt es trotz aller kriegsministeriellen
Erlasse dennoch mit den Pflichten eines Soldaten für vereinbarlich, Ende
April Mitglied der hiesigen demokratischen Gesellschaft zu werden. Da wurde
mir plötzlich der Befehl, am 23. Juni nach Saarlouis abzumarschiren, wohin
ich versetzt sei. Von Köln bis Koblenz benutzte ich das Dampfschiff und
erhielt auf der Station Bonn den dortigen Gensdarmerie-Wachtmeister als
Reisegefährten. Ich gerieth mit ihm in ein Gespräch, welches sehr bald eine
politische Wendung nahm. In Remagen verließ Jener das Dampfschiff, während
ich über Koblenz und Trier nach Saarlouis weiter reiste, wo ich am 28. Juni
eintraf, Vormittags 11 Uhr. Augenblicklich wurden meine Effekten, sogar
meine Person einer Untersuchung unterworfen, und mir nachher erklärt, ich sei Untersuchungs-Arrestant. Erst auf meine
spätere Frage warum? erhielt ich die Antwort: „In Folge eines
Verhaftsbefehls von Koblenz wegen hochverrätherischer
Umtriebe, letztere Worte waren mit rother Tinte auf den
Verhaftszettel geschrieben. Ich wurde abgeführt und in einem
wohlvergitterten, verschlossenen und verriegelten, und von einem
Infanterieposten bewachten Zimmer verwahrt. Niemand durfte mich sprechen;
ich selbst weder lesen noch schreiben. Am 30. Juni wurde ich vorgeführt. Man
hatte meine von Trier nach S. post restante beförderten Effekten mit
Beschlag belegt; diese wurden jetzt einer Untersuchung unterworfen und alle
darin vorgefundenen Schriften etc. zu den Akten genommen. Hierin bestand die
ganze Verhandlung. Am 4. Juli erfolgte das zweite Verhör; nun erst wurde mir
mitgetheilt, daß der obenerwähnte Gensdarmerie-Wachtmeister eine
Denunciation gegen mich eingereicht habe, auf Grund des mit ihm auf dem
Dampfschiff gepflogenen Gesprächs. Die Anschuldigungspunkte sind bereits in
der N. Rh. Ztg. vom 12. Juli mitgetheilt. Seit dem 4. Juli nun bis vor
Kurzem habe ich ununterbrochen einsam und wohlverwahrt ohne Verhör, ohne
alle Bewegung in freier Luft, und ohne Beschäftigung, in Gewahrsam gesessen.
Nach 6wöchentlicher Haft erhielt ich die Erlaubniß, täglich 1 Stunde im
innern Hof zubringen zu dürfen, jedoch in Begleitung eines Inspektors und
militärischer Bewachung. Noch später wurde mir „als persönliche
Begünstigung“ das Lesen gestattet, unter der Bedingung, daß jedes von mir
gewünschte Buch von der Arrestwache nach der Kommandantur befördert würde;
von wo aus ich es erhalten solle. Ich habe von beiden menschenfreundlichen
Bewilligungen niemals Gebrauch gemacht. Endlich bin ich veranlaßt worden,
den schriftlichen Wunsch auf Dienstentlassung auszusprechen. Dies geschah —
am andern Tage wurde ich ohne jede Erklärung, ohne Urtheil — auf freien Fuß
gesetzt, und erhielt kurz nachher meine Papiere, mit folgender darin
enthaltenen Bemerkung: „etc. und war seit jener Zeit wegen versuchter
Aufwiegelung seiner Kameraden zur Unzufriedenheit, im Untersuchungsarrest
etc.“ Zu Vorstehendem wird „noch bemerkt, daß von dem gewöhnlichen Verfahren
Abstand genommen worden, und der etc. wegen des eben angeführten Vergehens nicht zur Strafe gezogen worden ist“, wozu
ich bemerke, daß ich beim Empfang der Papiere verlangte den Inhalt des
Verhaftsbefehls „wegen hochverrätherischer Umtriebe“ wiederzugeben, was man
verweigerte.“
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[
**
] Köln, 9. Sept.
Die gestrige Sitzung des demokratischen Vereins war im höchsten Grade
aufgeregt. Die Volksversammlung des vorigen Tages hatte gut gewirkt; einige
hundert neue Mitglieder traten dem Vereine bei. Zuerst wurde der Protest des
Düsseldorfer Volksklubs gegen die Verhaftung Freiligraths verlesen und mit donnernden Lebehochs auf letztern
einstimmig angenommen und eine Deputation wurde
beauftragt, heute dem Generalprokurator, Hrn. Nicolovius, im Anschluß an
eine Deputation des Arbeitervereins diesen Protest zu überbringen und die
Freilassung des Verhafteten zu verlangen. Inzwischen verbreitete sich die
Nachricht, daß auch unser Mitbürger Weyl verhaftet werden solle, weil er —
im Arbeiterverein das Freiligrath'sche Gedicht: „Die Todten an die Lebenden“
vorgelesen. Da beschloß die ganze Versammlung, sich Alle, ohne Ausnahme, des
nämlichen Verbrechens schuldig zu machen. Weyl bestieg die Tribüne, las das
ganze Gedicht vor, und alle Anwesenden sprachen es im Chorus nach.
Bei den energischsten Stellen erdröhnte der Saal von dem begeisterten
Jubelruf. Schon war die Zeit bedeutend vorgerückt und ein Theil der
Versammlung schickte sich zum Weggehen an, als Ernst Dronke mit eben
angekommenen Briefen aus Berlin auf die Tribüne trat und die Abstimmung in
der Vereinbarungs-Versammlung, die Aufrechthaltung des Beschlusses vom 9.
August und den Sturz des Ministeriums der kontre-revolutionären That,
mittheilte. Von dem Jubel, den die Nachricht vom Sturze Hansemanns erregte,
macht man sich schwerlich einen Begriff. Die ganze, zweitausend Menschen
starke Versammlung, an der auch sehr viel Militär theilnahm, brach in einen
unendlichen Sturm von Hurrahs und Bravos los, der auf den Straßen von Neuem
erscholl, als die Versammlung sich trennte.
Herr Hansemann dient wieder, wie man sieht, zur Bewährung des alten Spruchs:
„Ein Prophet gilt nichts in seinem Vaterlande.“
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[
!!!
] Frankfurt, 7. September.
73. Sitzung der National-Versammlung. 9 1/2 Uhr. Präsident von Gagern.
Tagesordnung: Fortsetzung der Grundrechte.
Auf der Ministerbank sitzt Niemand.
Präsident theilt mit ein Schreiben des Fürsten von Leiningen:
„In Folge des Beschlusses vom 5. September haben wir, ich und
sämmtliche Minister, wie auch sämmtliche Unterstaatssekretaire unsere
Entlassung genommen und erhalten. Bis zur Bildung eines neuen Ministerii
wird das alte die Geschäfte, die keine politische Verantwortlichkeit nach
sich ziehen, besorgen.“
Präsident: Die Ausfertigung ihres Beschlusses vom 5. September ist dem
Reichsministerium zugesandt worden. Dieselbe ist mit folgender Anzeige an
mich zurückgekommen:
„Da das Ministerium bereits entlassen, und es nur noch
Geschäfte nicht politischen Inhalts besorgt, werde es diesen Beschluß nicht
ausführen. — Dahlmann sei mit Bildung des neuen Ministeriums bereits
beauftragt.“
Präsident hat darauf an Dahlmann geschrieben, der Beschluß vom 5. sei von dem
alten Ministerium nicht ausgeführt worden. Bei Dringlichkeit der Sache frägt
er bei Dahlmann an, ob ein neues Ministerium gebildet?
Dahlmann erwiedert: „Bis Dato nicht!“
Schüler aus Jena, und mehrere stellen eine Interpellation die hieher
bezüglich ist:
„Das Reichsministerium habe seine Entlassung genommen: Die
Geschäfte dürfen aber nicht stillestehen. Zu den dringendsten Geschäften
gehört die Ausführung des Beschlusses vom 5. September. Ob es wahr, daß der
Beschluß noch nicht ausgeführt, und welche Maßregeln denn dazu
getroffen.“
Präsident: Erkennt die Versammlung diese Interpellation für dringlich?
Abstimmung zweifelhaft. Bei der Zählung findet sich die Dringlichkeit mit 205
gegen 190 Stimmen angenommen. (Links lautes Bravo).
Schüler spricht zur Begründung seiner Interpellation und beantragt:
„die bisherigen Minister bei strengster Verantwortlichkeit
zur Vollführung des Beschlusses vom 5. Sept. zu bestimmen“
Eisenmann schlägt, indem er Schülers Antrag mißbilligt, ein anderes
Auskunftsmittel vor, nämlich schnell ein Ministerium zu wählen und sei es
auch nur zur Ausführung des Beschlusses vom 5. September.
Schmerling (kündigt sich selbst an: Abg. Schmerling!) (Bravo.) Die Vorgänge
des Hauses vom 5. September sind bekannt. Wir hielten es für unsere Pflicht,
nach der Entscheidung so schnell als möglich abzutreten. Hiermit war aber
auch unsere Pflicht zu Ende. Wir Räthe der Krone … (Oho! Links: Wir haben
keine Krone.) Wir Räthe der Centralgewalt … (Unterbrechungen).
Präsident: Hr. v. Schmerling wird wohl diesen Ausdruck nur aus Versehen
gebraucht haben.
Schmerling meint, der Ausdruck wäre ihm nur entfahren, er hätte ihn früher
nie gebraucht; und fährt fort: Wir Räthe der Centralgewalt wären zwar durch
den Beschluß der National-Versammlung gedeckt gewesen, wenn wir ihn auch
ausgeführt hätten, aber es wäre uns auch zu schwer gewesen, einen so
abstrakt gefaßten Beschluß praktisch auszuführen.
Wesendonk: Daß Ministerium hat sich sehr beeilt abzutreten, ob lediglich um
seine Pflicht zu erfüllen, oder ob um den Beschluß der Versammlung so viel
an ihm, zu hintertreiben, ist sehr die Frage. (Furchtbarer Tumult
rechts.)
Präsident: Ich traue dem Herrn Wesendonk so viel Ehre zu, daß er auf diese
Verdächtigungen auch die Anklage folgen lassen wird. (Bravo im Centrum und
rechts).
Wesendonk bemerkt mit lauter und determinirter Stimme dem Präsidenten: es
stünde ihm gar nicht zu, ihn zu unterbrechen und noch viel weniger, an seine
Ehre zu appelliren. Dergleichen unerlaubte und eigenwillige Unterbrechungen
werde er sich nie und nirgends gefallen lassen. (Tiefe Stille.) Uebrigens
sei der Beschluß vom 5. September von der Majorität gefaßt und die Minorität
müsse sich augenblicklich fügen. (Rechts: Nein!) Dahlmann ist im Nothfall
allein berechtigt, diesen Beschluß zur Ausführung zu bringen. (Rechts: Das
ist ja revolutionair?) Andernfalls beantrage ich einen Vollziehungsausschuß
aus dem Schooß der Versammlung zu ernennen. (Schrecken, Oho!) Sonst fallen
die Folgen auf Ihre Häupter. Ich wiederhole noch einmal in Bezug auf das
abgetretene Ministerium was ich oben gesagt.
Präsident sucht sich gegen Wesendonk zu rechtfertigen. (Brentano unterbricht
ihn wegen eines Wesendonk untergelegten Falsums).
Präsident: Hr. Brentano, ich rufe Sie zur Ordnung
Wesendonk weist unter lauten und unverschämten Unterbrechungen der Rechten,
dem Präsidenten nach, daß er den Ausdruck, um den es sich handelt, falsch
verstanden hat, und wiederholt denselben. Für die ungerechten
Beschuldigungen und Eingriffe des Präsidenten verlangt er den Schutz der
Versammlung.
Präsident wird den Ausdruck von Wesendonk auf Grund der stenographischen
Berichte prüfen lassen. (Links: Und auf Grund der Geschäftsordnung.)
Gagern: Und auf Grund der Geschaftsordnung!
Robert v. Mohl: Auf die Anträge und Verdächtigungen des Hrn. Wesendonk
antwortet er gar nicht. Dahlmanns Pflicht wäre es gewesen, in Beziehung auf
das ihm übertragene Geschäft schnell zu sein.
Dahlmann (sehr geheimniß- und ahnungsvoll): Meine Herren, ich bitte Sie
dringend alle hieher gehörigen Anträge zurückzuziehen. Wir sind in einer
höchst gefahrvollen Lage. (Große Gleichgültigkeit.) Muth und Mäßigung sind
nöthig. Die abgetretenen Minister haben vollkommen ehrenvoll gehandelt.
(Stille).
Mittermaier: Der Beschluß der Majorität (vom 5. September) muß und wird
vollzogen werden. (Jahn vom Platz: Nein! Wird zur Ordnung gerufen.) Dem
alten Ministerium lag es nicht mehr ob, den Beschluß zu vollziehen. Der
Reichsverweser muß dafür Sorge tragen.
Vogt: Ich bin vollkommen damit einverstanden, daß das alte Ministerium hierin
nichts mehr zu thun hatte. Die Ausführung muß aber vor sich gehen. (Rechts
Stimmen: Nein!) Wir, (links) wenn wir in der Minorität waren, haben uns auch
immer unterworfen. Ich muß sehr bedauern, daß Hr. Dahlmann nicht bereits
Minister bezeichnet hat. Hierin, auf ihm allein, lastet die Schuld der
Verzögerung. (Rechts: Bravo!) Ein politisch gebildeter Staatsmann hätte
anders gehandelt. (Rechts Gelächter und
[0497]
Bravo.) Von
Verantwortung ist übrigens hier gar nicht die Rede. Ein Minister ist nie
verantwortlich für Vollziehung der Beschlüsse der National-Versammlung.
Hätte nur Herr Dahlmann schnell ein Ministerium gebildet. Es hätten sich
wohl einige Gutwillige gefunden. Denn das steht fest, in 3 Wochen wird das
neue Ministerium doch wieder entschlafen sein. (Vergnügen.)
Es geht ein Antrag auf Tagesordnung ein.
Lichnowsky hat sich über Vogt gefreut. Stimmt ganz
mit ihm überein. Es handelt sich hier nur um Dahlmann. Er hätte nicht an der
Säule (dem Ministerium?) rütteln sollen, wenn er sich nicht stark genug
fühlt sie wiederaufzubauen.
Bei Krieg und Frieden beschließe übrigens nicht bloß die Nationalversammlung,
sondern dieselbe, ein Verein mit der Centralgewalt.
Hrn. Wesendonk muß er seine volle Mißbilligung aussprechen.
(Schrecklich!)
Simon von Trier. Die Majoritätsbeschlüsse sind
anzuerkennen, und zu vollziehen. Die Centralgewalt muß erklären, was sie
thun wird. Der Unverantwortliche muß Sorge tragen, wie er sich die neuen
Verantwortlichen beschafft. Dergleichen Pausen sind nicht geeignet, für das
von ihnen so sehr geliebte konstitutionelle System einzunehmen. (Bravo).
Siemens. Wir hätten noch gar kein bestimmtes Gesetz
was uns diese Frage entscheidet.
Wesendonk. Der Reichsverweser hat hier kein Veto
einzulegen. Dieser Beschluß hebt nur eine ungültige Handlung auf, er muß
sofort vollzogen werden.
Lichnowsky will noch einmal sprechen. Kommt nicht zum
Wort; macht darüber Bemerkungen, und wird vom Präsidenten zurecht gewiesen.
Die Debatte geschlossen! Nach einer abermaligen kurzen Personaldebatte
zwischen Wesendonk und dem Präsidenten, in der sich herausstellt daß
Wesendonk vorhin Recht hatte, und zu deren Schluß sich Wesendonk vorbehält
in dieser Sache noch zu thun was ihm gut dunken wird — werden alle in dieser
Diskussion gestellten Anträge zurückgenommen, und man geht zur Tagesordnung,
oder will wenigstens dazu gehen. Denn es kommt ein neuer Antrag von
v.Reden des Inhalts: Die Nationalversammlung solle es
für eine Pflicht des deutschen Volkes erkennen, denjenigen Rhedern und
Schiffseigenthümern in den Ostseeprovinzen Gewähr zu leisten, welche durch
den dänischen Krieg Verluste erlitten haben.
Präsident. Ob dieser Antrag als ein dringlicher zu
behandeln? Das Resultat der Abstimmung ist zwefelhaft. Nach der Zählung ist
derselbe mit 234 gegen 190 Stimmen als dringlich erkannt. — (Links
Bravo).
v. Reden empfiehlt den Antrag zur Annahme.
Zell aus Trier beantragt die Diskussion des Antrags
bis Morgen auszusetzen.
Löwe. Der Antrag ist ganz außerordentlich dringlich.
Seine Annahme ist wichtig zur Begründung der deutschen Einheit. Wir wollen
mit demselben eine Quelle des Bürgerkriegs verstopfen. Ich stimme dafür ihn
Morgen spätestens zu diskutiren.
Moritz Mohl. Gegen die Dringlichkeit. (Oho!)
Wichmann: (Preuß. Assessor). Ditto.
GrafSchwerin. Man möge Morgen die ganze
Waffenstillstandsfrage entscheiden, und dabei diesen Antrag mit. — Ob die
Ausschüsse nicht bis Morgen berichten können?
Wurm. (Hamburg.) Die Ausschüsse (der internationale und der der
Centralgewalt) wissen noch gar nicht, wenn sie fertig werden, das Material
ist massenhaft; und muß ganz durchgesehen werden. — Ich muß übrigens
gestehen, daß, hätte ich gewußt, was ich aus der bisherigen Durchsicht der
Akten nunmehr schon weiß, (rechts: hört! hört!) wir unsern Antrag am 5.
September ganz anders motivirt hätten. (Rechts mit Nachdruck: hört! hört!)
Aber den Antrag hätten wir dennoch auf jeden Fall gestellt (links hört!
hört!) und die Majorität würde keineswegs haben anders handeln können, als
sie beschlossen hat. (Links mit Hohn und Nachdruck: hört! hört!) erklärt Er
den Antrag von Redens für dringlich. —
Merk. (Hamburg.) Begreift nicht wie man für Sistirung der
Waffenstillstandsmaßregeln stimmen konnte, wenn man nicht diesen Antrag für
dringlich erkennt. —
Heckscher. (Minister.) Mit einiger Genugthuung habe ich gehört, daß Hr. Wurm
und der Ausschuß bei voller Kenntniß der Akten ihren Antrag ganz anders
motivirt hätten (Rechts Bravo.)
Wurm. Unser Bericht wird Hrn. Heckscher schon aufklären. —
Venedey. Der Antrag ist sehr dringlich, die Ostseeprovinzen müssen erfahren,
daß die ganze Nation ihren Schaden theilen will. —
Nauwerk. Schon vor 4 Wochen hätte der Antrag dringlich sein müssen. Seine
Pflicht zu thun ist das Dringlichste. Morgen ist der äußerste Termin. —
Osterrath hat zwar denselben Antrag bereits vor 4 Wochen gestellt, — ist aber
doch gegen die Dringlichkeit, beantragt Verweisung desselben an die beiden
Ausschüsse.
von Reden beantragt namentliche Abstimmung über die Dringlichkeit des
Antrags. —
Schwerin fragt mit plumpem pommerschen Anlauf zur Ironie, ob mit der
Entschädigung im von Redenschen Antrag, Entschädigung für den ganzen durch
den Dänenkrieg zugefügten Schaden, oder für den durch die am 5.
ausgesprochene Sistirung entstehenden Schaden, gemeint sei?
Präsident drei Anträge liegen vor:
1) der von Zell und Reder: „über den Redenschen Antrag morgen zu verhandeln“
—
2) nach Simons zur Tagesordnung überzugehen
3) nach Osterrath „den von Redenschen Antrag den beiden Ausschüssen die über
die Waffenstillstands-Angelegenheiten berichten, mit zu überweisen.“ —
Nach einiger Debatte zeigt sich, daß der Simonsche Antrag auf Tagesordnung,
da es sich nur um Entscheidung der Dringlichkeit handelt, gar nicht zulässig
ist. —
Er wird bei Seite gelegt. —
Ueber den Zellschen Antrag (S. oben.) wird namentlich abgestimmt, und
derselbe mit 238 gegen 216 Stimmen verworfen
Schwerin erklärt Namens seiner und seiner Freunde, (!) daß sie deshalb gegen
von Redens Antrag gestimmt, weil sie folgendes Amendement jetzt dazu
gestellt: „die National-Versammlung solle nicht blos die Entschädigung der
unmittelbaren Verluste der Reder und Schiffseigenthümer beschließen, sondern
auch die Entschädigung der aus dem ganzen Dänenkrieg, und aus der Sistirung
des Waffenstillstandes erfolgten Verluste.“ —
Präs: Ein solches Amendement ist jetzt ganz unzulässig, nachdem über en
Antrag abgestimmt. —
Osterraths Antrag (Siehe oben Nro. 3.) wird angenommen.
Schwerin bringt mit pommerscher Consequenz sein obiges Amendement un als
Antrag, und verlangt daß damit verfahren werde wie mit von Redens Antrag.
—
Die Versammlung genehmigt dies. Nur die Linke bleibt sitzen. —
Präsident verliest nun das Accreditiv eines Wallachischen Geschäftsträgers
Johann Babesco, der bei der deutschen Centralgewalt beglaubigt wird. Es wird
dem Minister des Aeußeren (welchem?) zu übergeben sein. —
Präsident theilt mit daß die Cottusche Verlagshandlung wie früher Hahn,
Schwetschke, Veit etc. ihren Verlag der Nationalversammlung zur Auswahl
anbietet.
Folgt der Dank der Versammlung. — Auf einen Antrag von Vogt, beschließt man,
für ähnliche Fälle den Präsidenten zu ermächtigen, zu thun, wie bisher in
diesen Fällen geschehen. —
Hierauf soll zur Tagesordnung übergegangen werden — man ruft Vertagung —
entschließt sich aber da es noch ziemlich früh ist, die Ergänzungswahlen für
den Verfassungsausschuß noch vorzunehmen. —
Vor der Wahl ereignete sich ein interessanter Fall. —
Rotenhan, Schwerin und Simon stellen nämlich den Antrag, da Bassermann,
Robert Mohl und Beckerath nunmehr nicht mehr Minister; also für den Ausschuß
wieder wahlfähig, möchte man zu Gunsten dieser drei Herren die
Candidatenliste für die Ergänzungswahl in den Verfassungs-Ausschuß (die
bereits entworfen.) erneuern, und diese drei Herren mit als Wahlkandidaten
darauf setzen. — Auch die Candidatenliste erst entwerfen, wenn die neuen
Minister gewählt. (!)
Wesendonk spricht heftig dagegen. Simon (Trier) ebenfalls. Es läge für
besondere Berücksichtigung der drei Herren aus dem abgetretenen Ministerium
gar kein Grund vor. (Gelächter.) Venedey im Hinblick auf seine Erfahrung im
Ausland, warnt vor solchen Partheilichkeiten. —
Der Antrag wird gleichwohl für dringlich erkannt, aber bei der Abstimmung,
wenn auch mit schwacher Majorität, verworfen!
Hierauf schreitet man zur Ergänzungs-Wahl von 5 Mitgliedern des
Verfassungsausschusses. —
Die Namen der Mitglieder Morgen. —
Morgen 9 Uhr Sitzung. Fortsetzung der Grundrechte! (?)
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[
103
] Berlin, 7. September.
Sitzung der Vereinbarer-Versammung. Tagesordnung: Der Antrag des Abg. Stein: daß es dringendste Pflicht des
Staats-Ministerii sei, denjenigen Erlaß, welchen die Versammlung am 9.
August beschlossen hat, ohne Weitres zur Beruhigung des Landes und Erhaltung
des Vertrauens sowie zur Vermeidung eines Bruches mit der Versammlung
ergehen #lassen. —
Zuerst ergreift der Minister-Präsident das Wort: da unsere Erklärung eine so
abweichende Beurtheilung erfahren hat, so will ich mit Offenheit unsere
Ansichten dieser Versammlung gegenüber darzulegen suchen. Ich erkenne
zunächst in dem Beschlusse vom 9. Aug. nicht die Absicht, eine
Gesinnungsinquisition unter offizieller Autorität zu organisiren; dennoch
kann dem Wortlaute nach, ohne Zwang keine andere Auslegung hineingebracht
werden, und dies macht die Ausführung, der Form wie dem Inhalt nach,
unmöglich. Die Regierung sah nur einen Weg, ihre Pflicht mit dem Wunsche der
Versammlung vereinen zu können, auszusprechen, daß das Einvernehmen der
Regierung und des Kriegsministers mit den von der Versammlung
ausgesprochenen Grundsätzen vorhanden sei, und den Entschluß auszusprechen,
jede Bestrebung gegen die konstitutionellen Grundsätze entschieden
zurückzuweisen, auch die einzelnen Maaßregeln, die in Anwendung kommen
sollen, anzugeben. Jeder Offizier wird in den stenographischen Berichten
lesen, daß der Kriegsminister den Befehlshabern angedeutet habe, allen
Bestrebungen gegen die konstitutionelle Freiheit entgegen zu treten. Es
liegt in der Ordnung des Dienstes, wenn eine Verwaltungsgewalt einen
Grundsatz ausspr#cht, daß sie gehalten sei, auf dienstlichem Wege den
Behorden Nachricht zu geben. Dies ist vom Kriegsminister geschehen und an
die kommandirenden Generale mitgetheit, um nach dem Inhalt zu verfahren. Ich
sehe nicht ein, wie das Ministerium deshalb so heftige Angriffe erfahren
kann, daß es die Rechte der Versammlung sollte verletzt und den
konstitutionellen Grundsätzen entgegen gehandelt habe. Es handelt sich hier
nicht um einen bestrittenen allgemeinen Grundsatz oder Gesetzgebungsakt,
sondern um eine Verwaltungsmaßregel. Bei der Durchführung des Beschlusses
wird die Regierung zu einem Vollziehungs-Ausschuß herabgesetzt. —
Abg. Unruh. Ich habe den Steinschen Antrag in ein Mißtrauensvotum gegen das
Ministerium verwandelt; dies ist mehr eine parlamentarische Form. Der
Einwurf, daß die National-Versammlung sich in die Verwaltung mische, sucht
der Redner dadurch zu entkräften, daß die Versammlung, wenn sie ein
Mißtrauensvotum ergehen läßt, noch kein Recht habe sich in Untersuchungen
über Verwaltungsmaßregeln oder Unterlassungen der Verwaltung einzulassen. —
Er entwickelt sein Amendement welches lautet:
„In Erwägung, daß die Beschlüsse vom 9. August keine
Erforschung der Gesinnung, keinen Gewissenszwang, sondern nur die, im
konstitutionellen Staate nothwendige Uebereinstimmung zwischen Volk und Herr
herbeizuführen und reaktionäre Bestrebungen, so wie fernere Conflikte
zwischen den Bürgern, welche zum Heere, und denen, welche zum Civilstande
gehören, zu vermeiden bezwecken,
erklärt die Versammlung:
daß das Ministerium das Vertrauen des Landes nicht besitzt,
wenn es ferner Anstand nimmt, einen jenem Sinne der Beschlüsse vom 9. August
entsprechenden Erlaß an das Herr ergehen zu lassen.“
Abg. Schulze von Wangleben hebt hervor, daß die Reaktion nicht allein die
Contre-Revolution begonnen, sondern sie ruft allen konstituirenden
Versammlungen, sowohl der hiesigen als der Frankfurter und andern deutsch.
Staaten zu, der Staat müsse sich allein auf die Armee stützen, nur sie sei
die beste Stütze des Staates. Er weist aber auf Frankreich hin um eine
solche Soldatenherrschaft zu würdigen. —
Abg. Reichensperger: Es wird feststehen, daß wir keinen Gewissenszwang
beabsichtigen, wenn wir uns gegen die wörtliche Ausführung der Beschlüsse
vom 9. August erklären, mindestens wird das Schulzesche Amendement einer
Erklärung bedürfen. Mit diesen Beschlussen beabsichtigte man, einen Erlaß an
die Befehlshaber der Armee herbeizuführen, wie ihn die Minister der Finanzen
und des Innern an die Regierungs-Präsidenten erlassen haben. Die Offiziere
der Armee sollten dadurch nicht genöthigt sein zu einer Darlegung ihre
politischen Gesinnung. — Schon der Königliche Armeebefehl vom 1. Mai
forderte die ganze Armee auf im Geiste der neuen Zeit zu handeln. — Der
Zwiespalt der gegenwärtig eingetreten, ist dadurch herbeigeführt, daß die
Versammlung zu wenig gesagt und das Ministerium zu wenig gehandelt hat. Der
Versammlung gegenüber steht ein Ministerium, das nach dem positiven Gesetz
(?) verantwortlich ist. Deshalb ist es die Pflicht dieser Versammlung dahin
zu wirken, daß nicht ihre Gewalt die andere absorbire. Die Versammlung muß
ihre Gewalt mit Mäßigung und Umsicht gebrauchen, sie könnte dieselbe sonst
leicht entweder über Gebühr ausdehnen oder sich zur Ungebühr einer außer ihr
liegenden Gewalt unterordnen.
Abg. Temme: Wir befinden uns einem Falle, wie wohl noch nie in einem
konstitutionellen Staate vorgekommen. Ich verstehe darunter nicht solche
Staaten, die unter dem Hasse und dem Schutze der Kanonen des Absolutismus
bestehen. — Das Ministerium verweigert einen Beschluß dieser Versammlung
auszuführen. Nach den bisherigen konstitutionellen Ansichten, muß das
Ministerium in einem solchen Falle entweder abdanken, oder die Versammlung
auflösen. Das Letzte ist unmöglich und daß Erste hat das Ministerium
verschmäht und zwingt die Versammlung dadurch zu einem entschiedenen
Beschuß. Das ganze Volk ist dadurch in Aufregung gebracht und das
Ministerium provozirt zugleich eine Revolution. Es fordert zugleich von uns
die Anerkennung seines Verfahrens, die Anerkennung also, unser Wille sei
nicht der Wille des Volks, oder der Wille des Volkes gelte nicht dem Willen
des Ministeriums gegenüber. Das Erste können wir um unserer Ehre, das
Letztere um des Vaterlandes willen nicht erklären. Das Letztere hieße den
Grundsatz aussprechen, das Volk sei nur der Regierung wegen und nicht die
Regierung des Volkes wegen da — Das Ministerium hat sich jedenfalls sehr
ungeschickt benommen, es hat den Willen des Landes gegen sich. Wenn es
dennoch länger auf seiner Stelle bleiben sollte, so weiß man nicht, was
daraus entstehen wird. — Wenn diese Versammlung den Steinschen Antrag nicht
ohne alle Aenderung annimmt, so erlaubt es meine Ehre nicht auch noch einen
Augenblick meinen Sitz zu behalten und, meine Freunde in diesem Saale werden
ihn gleichfalls mit mir verlassen. — (Mißfallen von der Rechten. Zustimmung
zur Linken.)
Abg. Baumstark spricht ein Langes und Breites gegen den Stein'schen Antrag.
Er bestreitet die Kompetenz der Versammlung, eine Regierungsmaßregel
vorzuschreiben. Sodann dekretirt er „daß das Vaterland in Gefahr sei,“ und
will schließlich abwarten und sehen wer weggehet. Er erklärt sich für das
Amendement Tamnau.
Abg. Grebel weist auf den bekannten Tagesbefehl Friedr. Wilh. III. vom Jahre
1798 an die Offiziere hin und fragt: was Friedr. Wilh. der Gerechte für
passend fand, wird Herr v. Schreckenstein etc. sich nicht dafür
erklären?
Minister Hansemann entschuldigt sich, daß er keinen logisch zusammenhängenden
Vortrag halten werde, indem er vorzüglich alle Gründe der bisherigen Redner
widerlegen wolle. — Er ist jedoch wenig glücklich und geschickt in seiner
Widerlegung. Schließlich macht er mit ungeheurem Pathos und mit aller Kraft
seiner Stimme auf die Folgen aufmerksam, welche die Versammlung durch das
Beharren auf dieser Kleinigkeit nach sich ziehen könne. Das Wohlergehen des
ganzen Landes, das Bestehen Berlin's ist an diese Frage geknüpft, und der
Stern Preußens wird vielleicht erbleichen, wenn, wenn die Versammlung ihren
Beschluß vom 9. August festhalte.
Abg. Walter zittert bei dem Gedanken an den Eindruck, den eine mögliche
Ministerkrisis hervorbringen würde. Er sucht die Unmöglichkeit darzulegen,
den Stein'schen Antrag auszuführen. Er erklärt sich für das Amendement
Tamnau.
Minister Kühlwetter sucht in einer langweiligen Rede auseinanderzusetzen, daß
es sich hier nicht um die Aufrechthaltung eines alten Beschlusses, sondern
um einen ganz neuen Antrag handele. Man müsse an dem Grundsatz festhalten,
die Gewalten, die beschließende und die ausführende ganz von einander
getrennt zu halten, die Versammlung, als beschließende Gewalt, dürfe keinen
Verwaltungsbefehl geben. Bei vielen Gelegenheiten hat diese Versammlung
diesen Grundsatz anerkannt und sich jeder Einmischung in rein administrative
Sachen enthalten. Die Versammlung hat vielmehr ihren Boden im Gesetz, und
eine andere Befugniß kann ihr das Ministerium nicht einräumen. — Die
Geschichte wird sich des heutigen Tages bemeistern, und das Vaterland wird
es dem Ministerium Dank wissen, daß es keinen Fuß breit gewichen ist.
(Es muß hier bemerkt werden, daß sowohl der Ministerpräsident und der
Finanzminister als der Minister des Innern erklärten, sie hätten am 9. Aug.
aus dem Grunde nicht gegen den Stein'schen Antrag gesprochen, weil sie
glaubten, daß er keinesfalls eine Majorität bekommen würde. Deshalb müßte
auch heute das Prinzip erst erörtert werden, ob die Versammlung befugt ist,
solche Beschlüsse zu fassen. Das Ministerium muß es entschieden in Abrede
stellen)
Abg. Bucher tadelt den Finanzminister, besonders weil derselbe einen von der
Versammlung gefaßten Beschluß nachträglich bekritelt. Der Redner widerlegt
ferner die Ansicht des Finanzministers, daß diese Versammlung als eine
konstituirende sich nicht mit einer konstituirten verwechsele. Die Berufung
des Finanzministers auf das die Befugnisse der Versammlung enthaltene
Wahlgesetz vom 8. April widerlegt er damit, daß das Volk sich nicht durch
ein Blatt Papier binden lasse. Diese Versammlung hat die Pflicht, eine nicht
ganz fertig gewordene Revolution weiter zu führen. Das Volk will die
Mißstände abgestellt wissen, deshalb ist es ungeduldig. Noch gelten fast
alle Gesetze des Absolutismus, alle alten Behörden bestehen noch; wir müssen
uns nicht gegen die Außenwelt verschließen, sondern jedem Uebe stand, der
sich zeigt, muß sogleich abgeholfen werden. Er wirft dem Ministerium
schließlich alle seine Sünden vor und zeigt ihm sein gefährliches Spiel;
seine Handlungen sind wie die einer früheren Regierung in Frankreich nicht
als ganz und nicht als halb zu betrachten. Wenn das Ministerium die
Beschlüsse dieser Versammlung nicht ausführen will wozu sind sie gefaßt und
deshalb handelt es sich hier auch nur darum, ob das Ministerium einen mit
Majorität gefaßten Beschluß ausführen muß.
Abg Tamnau motivirt sein Amendement, welches lautet:
„Die Versammlung hat bei ihrem Beschluß vom 9. Aug. d. J. die
Absicht gehabt, an die Befehlshaber der Armee einen ähnlichen E#ß
#erbeizuführen, wie die Ministerien der Finanzen und des Innern unter dem
15. Juli an die Regierungspräsidenten erlassen haben. Sie beabsichtigte
nicht, die Offiziere der Armee zur Darlegung ihrer politischen Gesinnung zu
nöthigen oder dem Kriegsminister das Wortlaut des Erlasses vorzuschreiben.
Sie erachtet aber einen derartigen Erlaß, in welchem die Offiziere der Armee
vor reaktionären und republikanischen Bestrebungen gewarnt werden, im
Interesse des staatsbürgerlichen Friedens und zur Förderung des neuen
konstitutionellen Staatssystems für nothwendig.“
Kriegsminister v. Schreckenstein: Ich erkläre in meinem Namen, im
Einverständnisse mit meinen Kollegen, daß ich mich mir dem Amendement Tamnau
einverstanden erklare und bereit bin, den darin gewünschten Erlaß an die
Armee in Ausführung zu bringen.
Abg. D'Ester: Die vorliegende Frage ist von zwei Seiten zu betrachten, von
der personlichen und der sachlichen. Die persönliche Frage besteht darin,
daß sie ein Mißtrauensvotum gegen das Ministerium in sich faßt. Deshalb
müssen wir auch an dem Stein'schen Antrag festhalten, denn das Ministerium
hat durch die Nichterfüllung dieses Antrags seine Pflicht verletzt. Wenn das
Ministerium selbst heute erklärt, es wolle den Antrag zur Ausführung
bringen, so hat es doch seine Pflicht verletzt, indem es Montag erklärte,
den Antrag nicht ausführen zu wollen. Wir können uns nur für die Annahme des
Antrags und gegen die beiden Amendements erklären, denn das Amendement des
Abgeordneten Unruh spricht nur eine Pflichtverletzung des Ministeriums für
die Zukunft aus, wenn es den heutigen Beschluß nicht ausführt. Das
Amendement Tamnau wirft den ganzen am 9. August gefaßten Beschluß um. Das
Ministerium hat erklärt, es müsse eine Trennung der Gewalten statt finden
und daß diese Versammlung kein Recht zu solchen Beschlüssen habe. Das sind
die Ansichten alter Montesquieu'scher Staatsweisheit, die durch unsere
Staatsumwälzung umgeworfen sind. Niemand wird läugnen, daß wir in Folge
einer großen Staatsumwälzung hier sind und etwas Neues schaffen sollen.
Freiheit ist von allen Seiten hier in Anspruch genommen worden. Jeder sagt,
die Freiheit ist in Gefahr, wenn meine Ansicht nicht durchgeht. Sie wissen,
daß es eine Partei im Lande giebt, die kein Mittel vorübergehen läßt, um den
alten Zustand wieder zurückzurufen. Viele Offiziere der Armee hängen dieser
Partei an und wenn Sie sich weigern, einen Erlaß an diese Offiziere zu
erlassen, so geben Sie der Reaktion bewußt oder unbewußt ihre
Zustimmung.
Minister Milde: Ein vorgehender Redner hat die Debatte auf den wahren Punkt
gebracht, nämlich dahin, ob die Versammlung der Konvent werden wolle oder
nicht. Der Beschluß vom 9. Aug. übt in seiner Totalität einen Gewissenszwang
aus. Das verehrte Mitglied hat nun gesagt, wir hätten unsere Pflicht
verletzt, weil wir diesen Beschluß nicht ausgeführt Das Ministerium konnte
nicht, wie Manche verlangt haben, einige Tage nach Fassung des in Rede
stehenden Beschlusses gegen denselben remonstriren, sondern die Versammlung
mußte dies selbst thun. Ja, meine Herren, wir stehen an einem sehr wichtigen
Momente. Es wird sich heute entscheiden, welche Geschicke diesem Lande
bestimmt sind, ob wir auf dem Wege des Konvents oder ob wir mit einem
möglichen Königthum weiter gehen werden.
Abg. Parrisius beantragt den Schluß der Debatte: der Worte seien genug
gewechselt; es handelt sich jetzt nur noch um eine That, die in der
Abstimmung besteht. Die Versammlung möge zeigen, ob sie konsequent oder
inkonsequent sein wolle.
Abg. Bauer von Berlin spricht gegen den Schluß, damit jeder Abgeordnete, wenn
irgend möglich, seine Abstimmung in dieser hochwichtigen Angelegenheit
motiviren könne. (Der Antrag auf Schluß wird verworfen).
Abg. Harassewitz, gegen den Stein'schen Antrag: Das was der Kriegsminister
versprochen, sei kein Erlaß an die Armee. Wenn beide Theile sagen müßten,
daß sie gefehlt, so müßten sie die dargebotene Hand annehmen und nicht auf
dem starren Recht beharren. Zeigen Sie, schließt der Redner, dem Lande, daß
ein versöhnender Geist hier waltet und daß Sie nur das Wohl des Landes vor
Augen haben.
Abg. Behrends: Es ist keine Maaßlosigkeit, wenn man das Recht des Volkes bis
auf das letzte Titelchen festhalte und keinen Schritt zurückweiche. Auf 2
Punkte will ich nur aufmerksam machen: erstens, auf das Verhältniß der
Versammlung zum Volke und zweitens, auf das Verhältniß der Versammlung zur
Armee. — Schon früher habe ich gefordert, die Versammlung möge die
Anerkennung der Revolution aussprechen, um auf diese Weise die Revolution zu
Ende zu führen, denn das Volk hat seinen Vertretern das Vertrauen geschenkt,
daß sie dies thun würden. Es frage sich jetzt wieder, wer souverain sei, die
Versammlung oder das Ministerium. Die gesammte Bürgerwehr hat heute eine
Adresse an den Präsidenten überreicht, worin sie die Erwartung ausspricht,
die Versammlung werde ihren früher gefaßten Beschluß aufrecht erhalten. — Er
übergibt zugleich dem Präsidenten eine Menge anderer Adressen, welche sich
in demselben Sinne, wie die der Bürgerwehr äußern. — Das Volk habe somit
seine Ansicht deutlich ausgesprochen.
Nachdem noch einige Redner für und gegen den Antrag gesprochen wird endlich
der Schluß der Debatte verlangt und angenommen.
Der Antragsteller Abg. Stein hielt noch eine ausgezeichnete Rede, worin er
klar darlegte, daß es sich hier nur einzig und allein darum handele, ob die
Versammlung consequent sein wolle und an ihrem Beschluß vom 9. August ohne
alle Aenderung und Erläuterung festhalte und dessen unverzügliche Ausführung
fordere. — Das Fortbestehen des jetzigen Ministeriums ist freilich dadurch
unmöglich gemacht. —
Namentliche Abstimmung: Das Amendement Unruh wird mit 320 gegen 38 Stimmen
und das Amendement Tamnau mit 210 gegen 156 Stimmen verworfen.
Der Steinsche Antrag wird mit 219 gegen 152 Stimmen angenommen.
Majoritat gegen das Ministerium 67 Stimmen.
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@facs | 0497 |
[
*
] Berlin, 8. Sept.
Wie sehr Freiligrath in seinem Gedicht: „Die Todten an die Lebenden“ Recht
hat, das wird begreifen, wer sowohl dieses Gedicht als nachfolgende Stelle
aus dem „Publicisten“ vergleichen will:
„Am Morgen des 19. März d. J., nach der verhängnißvollen Revolutions-Nacht,
kehrte der Zeugschmiedegeselle Hellmann, mit zwei
Infanterie-Gewehren versehen, in seine Wohnung zurück. Er war während des
vorangegangenen Nachmittags und der Nacht an verschiedenen Punkten in der
Stadt gewesen und hatte auf den Barrikaden mitgekämpft. Auf die ihm von
seinen Hausgenossen gestellte Frage, wo er die Gewehre her habe, hatte er
erklärt: „Die sind erobert.“ Wenige Tage darauf stand an den Straßenecken
der Residenz eine obrigkeitliche Bekanntmachung, die die Rückgabe der in den
Tagen des 18. und 19. März erbeuteten Waffen anempfahl. Er verkaufte die
Gewehre für den Preis von 3 Thlr. Die Behörde erhielt hiervon Kenntniß, sie
veranlaßte die Beschlagnahme beider Gewehre, und der Polizeianwalt erhob die
Anklage gegen denselben wegen wissentlichen und widerrechtlichen Verkaufs
fremden Eigenthums. Die Verhandlung fand bei dem Einzelrichter des K.
Kriminalgerichts statt. Der Angeklagte wurde — da er sich nicht gestellt
hatte, in contumacium des angeklagten Vergehens für schuldig befunden, und
deßhalb zum Korkardenverlust, 6 Thlr. Geldstrafe, im Unvermögensfalle
neuntägiger Strafarbeit verurtheilt.
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@facs | 0497 |
[
61
] Wien, 4. Sept.
Das Ministerium hat es nicht gewagt, das Verbot des Trauerzugs zu den Gräbern
der am 21. und 23. August gefallenen Arbeiter zur Ausführung zu bringen und
der Zug hat deßhalb in der Weise des Ihnen überschickten Programms gestern
Nachmittag stattgefunden. Ein großer Theil der Nationalgarde hat sich
offiziell an dem Zuge betheiligt und sich bei dem Volke damit bedeutend
wieder in integrum restituirt. Den pariser und rheinischen Bourgeois dürfte
darüber wieder der Schrecken in die Beine fahren.
Der Reichstag hält heute keine Sitzung; der kudlich-lassersche Antrag und der
Genuß all der vorgenommenen Amendements haben ihm Magenschmerz verursacht.
Uebrigens kam es in der Sitzung vom 2. Sept. doch noch zur Abschaffung des
Bier- und Branntweinzwangs und der dalmatinische Abgeordnete Iwichiewich
erhob sich wider die von dem Reichstag ausgesprochene Feudal-Entschädigung
durch den Staat aus dem Grunde, weil alle Feudalrechte in Dalmatien schon
seit 1806 unter französischer Herrschaft verschwunden seien, von dieser
Provinz nunmehr also auch keine Entschädigung für die Feudalherren anderer
Provinzen verlangt werden könne.
(Siehe den Verfolg in der
Beilage).
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