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Leben und Thaten des berühmten Ritters Schnapphahnski.
(Fortsetzung.)
Von den Pyrenäen stieg der edle Ritter hinab nach Frankreich, und von
Frankreich eilte er nach Belgien. „Herr Schnapphahnski wurde Autor.“ Ja,
wahrhaftig, wir sehen den sinnreichen Junker in Brüssel sitzen und seine
Memoiren schreiben.
Alle großen Männer machten es so; wenn sie des Lebens Last und Hitze getragen
hatten, da verkrochen sie sich in irgend einen kühlen Winkel, und die Hand,
die bisher den Säbel, den Kommandostab oder das Scepter geführt hatte, sie
griff dann zur Feder und brachte das Erlebte zu Papier. Wir brauchen unsern
Lesern nicht zu versichern, daß sich von unsern Skizzen über Herrn von
Schnapphahnski auch nicht eine Spur in den Memoiren des edlen Ritters
findet. Se. Hochgeboren waren viel zu bescheiden, als daß sie alle
glorreichen Aventüren der Bewunderung der Nachwelt aufbewahrt hätten.
Die Liebe, die den edlen Ritter nie verließ, zieht ihren rothen Faden auch
durch den Brüsseler Aufenthalt unseres Helden. Die Weiber müssen nun einmal
lieben; Schnapphahnski wußte dies. Sie können nicht anders, es ist ihre
Bestimmung. Ein Weib liebt nicht allein lange, nein, ein Weib liebt
unendlich, bis auf die Hefen. Ein Weib kann dich lieben, wenn deine Hose
zerrissen ist, wenn dein Rock in Fetzen hinabhängt, und wenn die ewige Sonne
durch die Löcher deines Hutes auf dein verwildertes Landstreichergesicht
scheint, ja, noch immer wird eine schöne Frau dich lieben können, denn sie
wird um dich weinen, und sie wird dich küssen und du wirst glücklich
sein!
Wie meine Leser bereits bemerkt haben werden, sucht Herr von Schnapphahnski
stets die Frauen auf. Um junge Mädchen ist es ihm selten zu thun. In Brüssel
machte sich der edle Ritter an die Frau des *** Gesandten. Die Frau
Gesandtin hatte ihren frommen Gemahl total unter dem Pantoffel.
Die Pantoffelknechtschaft ist jedenfalls noch eine süße Knechtschaft. Sie hat
nur das Unangenehme, daß der zärtliche Gatte zum
Lohn für seine liebevolle Unterwürfigkeit in den meisten Fällen, nicht etwa
mit einer Königs- oder einer Bürgerkrone, sondern mit jenem Kopfschmuck
gekrönt wird, den auch des Waldes flüchtige Gebieter tragen. Man könnte in
der That bei den Ehemännern dieselben Benennungen anbringen wie bei den
Hirschböcken. Nach Vollendung des ersten Jahres der gekrönten
Pantoffelknechtschaft würde man einen Ehemann: Spießer tituliren; nach Vollendung des zweiten Jahres hieße man
ihn: Gabler. Hierauf träte dann die Bezeichnung nach
Enden ein, so daß man einen Ehemann bald einen Sechsender, einen Zehnender,
einen Sechszehnender und so weiter nennen würde. Bei recht stattlichen
Ehemännern könnte man sogar die Benennungen des Dam- und Elenn-Wildes
eintreten lassen, ja, bis zu dem Namen Schaufler
gehen.
„Was schadet es, wenn ein Ehemann ein paar Hörner trägt!“ hatte der edle
Ritter oft zu sich selbst gesagt, wenn er in frühern Jahren wohl einmal in
die untergeordneten Schichten der Gesellschaft hinabzusteigen dachte. „So
ein zweibeiniger Sechszehnender kann immerhin noch Nachmittags auf die Börse
und Abends in's Kasino gehen, ohne daß man ihn auslacht, denn fast überall
trifft er ja Leidensgefährten, wehmüthig lächelnde Böcke, die gelebt und
geliebet haben und die recht gut wissen, was es für ein Malheur ist, wenn
man eine junge Frau hat, mit funkelnden Augen, mit wogendem Busen und mit
kleinen alabasterweißen Füßen, recht ein Wesen wie ein üppiches Räthsel, das
nur die Liebe lösen kann, die Liebe eines flinken Gesellen, der weder auf
die Börse, noch in's Kasino geht und der sich den Henker schiert um alle
Ehemänner, und ein flotter Edelmann ist wie ich, der Ritter
Schnapphahnski!“
Die Frau des *** Gesandten hatte Mitleid mit unserm Ritter.
Zu jenem melancholischen Blick, den Herr von Schnapphahnski mitunter
anzunehmen pflegte, wenn er an die Lakaien des Grafen S. in O. in Schlesien
dachte und zu der interessanten Blässe der Finanznoth, die unsern Helden
eigentlich nie verließ, gesellte sich nun noch die wichtige Miene eines
Autors, so daß der edle Ritter wirklich eine interessante Figur ausmachte
und die Frau Gesandtin immer mehr dazu veranlaßte einmal ernstlich mit sich
zu Rathe zu gehen, ob sie ihrem Gemahl nicht bald die Dulderkrone aufsetzen
könne. Herr von Schnapphahnski verfolgte seine Beute mit aller
Hartnäckigkeit eines Ritters ohne Furcht und Tadel.
Wenn man bedenkt, welche Vorstudien der edle Abentheurer bei der Gräfin S.,
bei der Schwester des Grafen G., bei Charlotten, bei der Tränzerin und der
Bärin gemacht hatte, so ist es zu begreifen, daß er dem frommen Gesandten
täglich mehr Terrain abgewinnen mußte.
Wie es aber in den Träumen geht, so geht es auch in der Liebe; wenn man
gerade im besten Zuge ist, da kommt gewöhnlich etwas dazwischen, so daß man
auf tausend und aber tausend Dinge geräth nur nicht auf das, was man
zunächst im Auge hatte. Herr von Schnapphahnski hatte das Pech, statt auf
die Frau, auf den Portier des Gesandten zu gerathen.
Wir müssen unsern Lesern nämlich bemerken, das es bei der *** Gesandschaft in
Brüssel Sitte ist, die Besuchenden in ein Zimmer zu führen, welches eben
nicht nach Rosen und Veilchen duftet, sondern, welches den wahren Dunstkreis
eines wohlgenährten gesandtschaftlichen Lakais führt. Die Wände des
Wartesaales sind früher weiß gewesen und mit einigen erbärmlichen Portraits
geschmückt. Auf dem Haupttische steht ein Service blaugeblümter Tassen; ihm
gegenüber bemerkt man auf einem kleinen Bücherbrett, eine Bibel, ein
Gesangbuch und mehrere fromme Schriften der
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schlimmsten
Sorte. Der Ofen ist in sehr desolaten Umständen und wird zu allen möglichen
Haushaltungszwecken benutzt. Das halbe Dutzend Stühle, welches die Seite des
Gemaches ziert, ladet eben nicht zum Sitzen ein. Jeder dieser Stühle ist
eine Pritsche und geduldige Landsleute, die lange auf das Visa ihres Passes
warten mußten, haben mir schon versichert, daß sie auf diesen Stühlen einen
rechten Vorschmack aller Leiden des Fegefeuers bekommen hätten. Den
Hintergrund des Zimmers nimmt ein riesiges Bett ein, das zwar den Tag über
mit einem Deckel versehen ist, so daß der Schauplatz der Reize des
gesandtschaftlichen Dieners eben nicht zu sehr in die Augen fällt, von dem
man aber nach einigen durch die Bettfugen dringenden Leintuch zipfeln das
schrecklichste vermuthen kann. Es versteht sich von selbst, daß ein
irdischer Nachttopf höchst einladend mit seinem Henkel unter der Bettlade
hervorschaut. Alles dies ist indeß noch nichts im Vergleich mit den übrigen
Ornamenten des seligen Raumes. Der Portier des Gesandten reinigt nämlich in
seiner Loge außer den verschiedenen gesandtschaftlichen Röcken und Hosen
auch die Stiefel seines Herrn — — in Reihe und Glied steht das Fußzeug Sr.
Hochgeboren mitten durchs Zimmer.
Ich muß gestehen, es wurde mir immer höchst traurig zu Muthe, wenn mich die
eherne Nothwendigkeit in diese treffliche Behausung trieb. Erschien aber
erst der Herr Lakai in eigener Person, um mir mit seinen schmutzigen
Strümpfen, mit seinen unfläthigen Schenkeln und mit dem dummen Grinsen eines
faulen Domestiken vor der Nase herumzuspringen, oder gar in meiner Gegenwart
seinen Schnurrbart zu wischen: da brach ich nicht selten in Flüche und
Verwünschungen aus, daß unsere guten Bauern und Bürger nur dafür ihre ewigen
Steuern bezahlen müssen, daß man im Auslande von seinem Gesandten wie ein
Vagabund behandelt wird. Die englische Gesandschaft hat ein anständiges
Zimmer für die Besuchenden in Bereitschaft; der französische Gesandte läßt
Jeden in das Zimmer der Gesandschaftssekretäre führen; nur ein *** Gesandter
darf es wagen, die „Kinder seiner großen Nation“ zwischen blaugeblümten
Tassen, Betten, Kämmen, Stiefeln, ja in den ganzen übelduftenden Kram des
Bedientenzimmers zu placiren.
Aus Versehen wurde auch Herr von Schnapphahnski einst in dieser Loge
empfangen und als wohlerzogener Edelmann versetzte er dem Lakaien Sr.
Hochgeboren auch sofort einen derartigen Fußtritt, daß der arme Teufel vor
wollüstigem Schmerz alle Klagelieder Jeremiä anstimmte und den heiligen
Schwur that, diesen Gruß rächen zu wollen, koste es sein Leben.
Ein Portier kann ein höchst unangenehmer Feind sein, namentlich, wenn man in
einem Hause auf Liebesabentheuer ausgeht. Der Portier der *** Gesandschaft
hatte sich längst von den zärtlichen Gelüsten des edlen Ritters überzeugt.
Er fühlte den Tritt unsers edlen Helden noch nach Wochen; er dachte daran,
Gleiches mit Gleichem zu vergelten; er glaubte, daß die eine Ehre der andern
werth sei, und ehe vierzehn Tage herum waren fand er auch schon Gelegenheit
die besondere Aufmerksamkeit des Attaché's der *** Gesandschaft auf den
edlen Ritter zu lenken.
Der gekränkte Portier wußte sehr gut was er that. Er hatte in irgend einem
Romane gelesen, daß von einem eifersüchtigen Nebenbuhler weit mehr zu
erwarten ist, als von einem frommen Ehemanne, und er hatte schon seit
einiger Zeit bemerkt, daß der jugendliche Attaché, dessen
romantisch-schrecklichen Namen wir wohlweislich verschweigen, ja, daß dieser
unternehmende Held nicht weniger für die Frau Gesandtin schwärmte als unser
Ritter.
Herr von Schnapphahnski gerieth jetzt wirklich in ein höchst gefährliches
Kreuzfeuer. Mit drei unversöhnlichen Feinden war der Kampf zu beginnen.
Zuerst hatte er mit dem frommen, würdevollen Ehemann zu thun, dem es leise
schwante, daß er eines Morgens einen sehr beunruhigenden Anblick vor seinem
Spiegel erleben werde. Der zweite Gegner war der Attaché, der alle
historischen Erinnerungen seiner Familie im Kopfe trug und für sein Leben
gern die Romantik seines Hauses fortgesponnen hätte. Der dritte Stein des
Anstoßes bestand in dem Portier, und wir brauchen wohl nicht zu versichern,
daß er sich täglich und stündlich darin übte, irgend einen seiner
untergeordneten Kollegen, den Stall- oder den Laufburschen zur Thür
hinauszuwerfen und ihm versuchsweise einen derben Tritt nachzuschleudern.
Wochen verstrichen indeß noch, ehe der Streit entschieden werden, ehe der
zärtliche Gatte seinem Zorn, ehe der Attaché seiner Liebe und ehe der Lakai
seiner Rache freien Lauf lassen sollte.
Doch was aufgeschoben war, es war nicht aufgehoben. Der edle Ritter gab durch
seine eigene, liebenswürdige Frechheit zu dem bevorstehenden Skandal
Veranlassung. Vergebens haben wir nach allen Details der endlich
hereinbrechenden Katastrophe geforscht. Trotz der wahrhaft liebevollen
Sorgfalt mit der wir uns um alle Einzelheiten der Schicksale unseres Helden
bekümmern, konnten wir doch den nächsten Grund des lange vorbereiteten
Zerwürfnisses nicht herausbringen.
Nur so viel ist gewiß, daß eines Tages in dem Hotel des Gesandten ein Lärm
begann, als nahe die Erstürmung Jericho's, als komme der jüngste Tag. Der
Herr Gemahl brüllte wie ein Hirsch in der Brunstzeit; der Herr Attaché
erinnerte unsern Helden an O. in Schlesien, an die nassen Sacktücher von
Troppa[?], an das Archiv des Garde-Regiments, an die Diamten der Tänzerin,
und der Portier endlich reckte seine Glieder in so drohender Weise, daß
unserm Ritter der Angstschweiß aus allen Poren brach, und daß er nicht zum
ersten Male in seinem Leben an einen ehrenvollen Rückzug dachte.
Doch ach, die Unsterblichen hatten es anders beschlossen. Der ehrenvolle
Rückzug unseres Ritters sollte viel zu wünschen übrig lassen. Einige gute
Brüsseler, die gerade an dem Hotel des Gesandten vorüberkamen, erzählten
nämlich, daß die große Portecochère plötzlich mit Eclat geöffnet worden, und
daß ein sehr netter Mann, mit schwarzem Schnurrbart und von angenehmem
Aeußern, so beunruhigend schnell auf die Straße hinausgepurzelt sei, daß er