Deutschland.
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Edition: [Friedrich Engels: Die Polendebatte in Frankfurt. In: MEGA2 I/7. S. 517.]
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Köln, 31. August.
Die Polendebatte in Frankfurt. (Fortsetzung.)
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!!!
] Frankfurt, 29. August.
Sitzung der National-Versammlung. Präsident Gagern.
Tagesordnung. Fortsetzung der Berathung über Art. III
der Grundrechte.
Bischof Diepenbrock und 2 andre Mitglieder treten aus
der Versammlung. Soiron zeigt an, daß der 50ger Ausschuß der Stadt Frankfurt
noch alte Schulden abzutragen hat. Dieselbe hat 2000 Fl. und später noch für
einzelne Rechnungen 2033 Fl. vorgeschossen. — Die Letzteren sind
zurückgezahlt; Soiron beantragt die Rückzahlung der noch restirenden 2000
Fl. durch die Nationalversammlung nebst Dank an den uneigenützigen Senat der
Stadt Frankfurt für dies Darlehn.
Eisenman interpellirt den Minister des äußern wegen
Ungarn. Es ist mir (plötzlich) jetzt klar geworden, daß eine furchtbare
Reaktion in Croatien im Werke ist. (Gelächter Rechts. Bravo Links und
Galerien. Aufregung.) Ja meine Herren früher habe ich gesagt: „ich sehe
keine Reaktion“, (Gelächter) aber jetzt sehe ich sie sehr. (Bravo). Soll ich
Ihnen einige Data erzählen. (Sehr allgemein: Ja!)
Erstens droht ihnen ein Schlag aus Croatien. Aus sehr guter Quelle, aus
derselben wie das Ministerium, weiß ich daß 24000 Böhmen, Slaven etc. nach
Italien beordert sind, um 24000 Croaten die zu Jellachich zurückkehren, zu
emplaciren. Aber nicht ein einziger Ungar darf aus Italien fort. (Links:
sehr wahr!) Meine Herren. Die Niederlage Ungarns ist die Deutschlands.
(Bravo). Mit Ungarn fangt man an, mit Deutschland hort man auf. 2) Ueberall
sind Gesandte hingeschickt, warum nicht nach Ungarn? (Rechts: ungezogene
Unterbrechungen, Lyhnowsky trommelt). Früher war Deutschland gegen Ungarn
für Oestreichs Regierung. Jetzt ist es umgedreht. Ich interpellire den
Minister wegen der Nichtbestellung eines Gesandten für Ungarn. (Bravo!)
Diese Interpellation wird Ihnen, wie überhaupt Interpellationen, lange
spätere Diskussionen ersparen. Ich würde, wenn mir nicht darauf geantwortet
wird einen Antrag stellen, der doch diskutirt werden mußte. (Diese Drohung
erschreckt die ganze Versammlung).
Präs: ob diese Interpellation unterstützt ist?
Die ganze Linke und sehr viele aus dem Centrum erheben sich. Der Minister des
äußern ist nicht da. Gagern wird ihm die Interpellation mittheilen.
Tagesordnung. § 14 und seine Zahlosen Amendement
werden verlesen. § 14 lautet: Neue Religionsgesellschaften dürfen sich
bilden; Einer Anerkennung ihres Bekenntnisses durch den Staat bedarf es
nicht. Hierzu mehrere Minoritätserachten.
Ahrens aus Hannover eröffnete die Debatte: Man hat
bei Unabhängigkeit der Kirche auf zwei Systeme das nordamerikanische und
belgische aufmerksam gemacht. Gegen die Annahme des Letzteren erkläre ich
mich aus allen Kräften. — Ich habe mich persönlich überzeugt, daß es in
Praxis und Theorie verkehrt ist. — Die Unabhängigkeit der Kirchengemeinden
ist die Hauptsache. Die Verwallung der Vermögensverhältnisse und Ernennung
der Geistlichen, nehme ich aus von den innern Angelegenheiten der
Kirche.
Professor Lassaulx, der baierische Jesuitenfreund
(aus Koblenz), Schwiegersohn des alten Görres (aus Koblenz) liest aus einem
dicken Hefte einen schwulstigen Katheder-Vortrag.
Pfeiffer (Pastor aus Preußen). Der Paragraph 14
bietet, was nie hätte fehlen dürfen. Mit den Sätzen des Ausschusses im
Allgemeinen einverstanden, halte ich doch § 14 nicht für umfassend genug.
Die unbedingte Unabhängigkeitsforderung der Kirche vom Staat scheint mir
gefährlich im Interesse der Freiheit. (Bravo links). Ich gebe es zu, daß in
Deutschland bisher eigentlich nur eine Kirche besteht, nämlich die
katholische. Diese muß heraustreten aus ihrer Starrheit, sie muß ihre
Mitglieder freigeben, denn: „wenn der Geist soll auferstehen, muß die Form
in Stücken gehen. (Bravo).
Ghrorer, Professor aus Würtenberg halt einen langen,
deklamatorischen Vortrag über die Nothwendigkeit der Unabhängigkeit der
Kirche. Kommt dabei auf Reformation, Stuarts, Bourbonen und alles Mögliche
zu sprechen — greift Vogt an, der sich die Zukunft für seine Ansichten
vindicirt. Er mit der Majorität der Versammlung glaubt an eine andere
Zukunft. (Was das ganze bisherige Benehmen dieser merkwürdigen Versammlung
erklärt). Es sei so weit gekommen, daß man Alle, die sich Christen nennen,
für Heuchler ansieht.
Gagern (feierlich in die Brust greifend). Es giebt
noch Christen die man nicht für Heuchler hält. (Bravo der Centren).
Wigard aus Dresden. In der protestantischen Kirche
ist theilweis und in der deutsch-katholischen ganz die Freiheit des
Individuums erreicht. Aber die römisch-katholische wird mit der
Unabhängigkeit der Kirche die Unfreiheit ihrer Mitglieder aussprechen. Das
Kirchenpatronat in seinem ganzen Umfang muß vernichtet werden. Nicht nur das
des Staats auch das der katholischen Bischöfe. Die Gemeinden müssen wieder
ihre Geistlichen wählen. Dem bairischen Denker Lassaulx (der gegen den
Scepticismus eifert) gebe ich zu überlegen, daß der Scepticismus aller
Weisheit Anfang ist. (Lautes Bravo.) Der Punkt auf den ich zuruckkomme, ist
die Freiheit, nicht der Geistlichen sondern des Volks in religiöser
Beziehung. Keine Priesterherrschaft mehr. (Lautes Bravo.)
Friederich, Domprobst aus Bamberg redet über Duldung
im Allgenen.
Gis'kra aus Oesterreich. (Links: Schluß! Rechts:
Reden!) Tritt gegen alle Mißbräuche der Kirche entschieden auf. Mit der
Unabhängigkeit der Kirche ist es etwas Anderes wie mit dem freien
Associationsrecht. Die Kirche gehört zum Staat. — das Vermögen derselber zum
Staat — die Glieder derselben sind Bürger des Staats — Der Redner klagt über
den Druck der religiösen Bekenntnisse in seiner Heimath. Von Katholiken aus
Oesterreich ist ihm keine Petition wegen Trennung der Kirche bekannt. — Die
Schule und ihre Lehrer stehen ganz unter dem Einfluß der Geistlichkeit —
Wenn die Oesterreicher in ihren untern Volksschichten ebenso vorgebildet
sein werden, wie es die höheren Stände daselbst sind, dann wird es bei uns
bald anders werden, der Kirchenzwang wird abgeschafft, alle Klöster
aufgehoben, man wird sich lossagen von Rom (Spektakel der Frommen, Oho!,
furchtbares Bravo und Ruhegeschrei im Allgemeinen.) Wenigstens, wenn wir die
Kirche unabhängig erklären, mussen wir den geistlichen Gütererwerb
beschränken, die Kloster nur als Associationen nicht als Corporationen
dulden, endlich und vor allem die Schule von der Kirche befreien (fast
allgemeinen Beifall.) —
Blömer aus Aachen. Die katholische Kirche läßt im
Stillen freies Denken zu. Sie ist nicht bloß eine Clerisei (Die Versammlung
wird während der langen Rede sehr unruhig.)
Rösler aus Oels. Was versteht man eigentlich von
Seite der Ultramontanen unter Unabhängigkeit der Kirche? Döllinger und
Radowitz haben Belgien als ein Ideal solcher Unabhängigkeit angeführt. Ich
erinnere an die Verfolgungen der Protestanten und Freimaurer in Belgien.
Wenn man die Unabhängigkeit der Kirche als ein großes Geschenk uns anpreisen
will so denke ich dabei timeo danaos et dona ferentes. Er liest etwas aus
dem baierschen Concordat vor. (Rechts Unterbrechungen.) — Meine Herren, sie
können doch nicht verlangen, daß ich das ganze baiersche Concordat auswendig
können soll (Gelächter. Rechts: Schluß! Links: Ruhe! (Ich bin für ganze
Grundsätze: z. B. wollte ich eine ganze untheilbare Republik. (Rechts: Oho!)
Da das aber noch nicht sein kann so will ich lieber noch gar keine. Ebenso
mit der Unabhängigkeit der Kirche. Wenn ich nicht eine solche ganz besonders
für die Gemeinden haben kann, möchte ich lieber gar keine. Hr. Radowitz hat
gesagt, die Jesuiten würden nicht mehr nach Deutschland kommen, ich weiß
nicht ob ich diese Nachricht als officiell betrachten darf. (Großes
Gelächter und Bravo.) Zum Schluß erinnert Rösler an die Fabel von den
Schaafen die die Hunde nicht mehr haben wollten. Man will die Hunde (den
Staat) los sein, aber wir kennen die Wolfe (im Schafspels) die dies
verlangen, wir wissen was sie damit wollen. (Stürmischer Beifall.)
Nach Rösler wird die Debatte vertagt weil man noch zur Wahl eines
Finanzausschusses in den verschiedenen Bureaus schreiten muß. Schluß der
Sitzung um 2 Uhr. Morgen keine Sitzung. Donnerstag 1) Wahl der neuen
Präsidenten 2) Berathung über den Bericht des Ausschusses wegen
Vervollständigung der Ausschüsse.
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Frankfurt.
Das „Constitutionelle Blatt aus Böhmen“ läßt die Klage erschallen, daß die
„Kosten der deutschen Centralgewalt“ in
Frankfurt bereits eine solche Ausdehnung gewönnen, daß selbst das
konstitutionelle Blatt vor Mißbrauch warnen müsse. „Von dem Augenblick, wo
die Majorität beliebig über die Börse der Steuerpflichtigen verfügen und
nach Herzenslust ihre Koryphäen als Minister, Gesandte und
Unterstaatssekretaire mit hohen Besoldungen unterzubringen sich befugt hält,
verliert das ganze System seinen Werth,“ — was ein großes Unglück ist
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61
] Wien, 26. August.
Ich bin vielleicht der erste in Wien gewesen, der das gegenwärtige
Ministerium als einen verrätherischen Feind der Demokratie, verrätherischer
als das frühere schwache Ministerium, denunzirt hat. Die frühern Minister
waren Schlingpflanzen um morsche Trümmer, die gegenwärtigen sind Verräther
am Volk, dem sie Ergebung heucheln. Vor 14 Tagen noch schwärmte die hiesige
demokratische Presse in platonischer Liebesdusselei für das demokratische
Ministerium, doch jetzt ist auch diese gemüthliche Bornirtheit zur Einsicht
gekommen.
Gestern noch sprach die „Konstitution“ von dem „ehrlichen Dobblhof“, heute
redet sie schon besser, sie spricht nur mehr von einem „angeblich
volksthümlichen Ministerium“, und ruft aus: „der Minister hat den Brudermord
vertheitigt, die Vertreter des souveränen Volks haben ihn durch ihre
stürmische Zustimmung geheiligt. Wir sind wieder vor dem 13. März. Es ist
gleichgültig, ob der Tyrann Reichstag oder Metternich, sein Helfershelfer
verantwortliches Ministerium oder Seldnitzky heißt.“
Bei den wahrhaft demokratischen Gefühlen des östreichischen Volks ist indeß
gewiß nichts mehr zu bedauern, als daß der theils blöde, theils kalkulirende
Geist der Tagespresse, erst hinterdrein zur richtigen Einsicht kommt.
Die Oesterr. Zeitung hat gestern erklärt, daß sie trotz der bestimmten
Versicherung, des Ministers Schwarzer allen Einfluß auf die Redaktion zu
vermeiden, gleichwohl sich von demselben hat müssen terrorisiren lassen,
jetzt sich aber von diesem Terrorismus befreit habe. Der Radikale enthält
heute seit seinem Bestehen den ersten durchdachten demokratischen Aufsatz
von Dr. Stifft jr. Der Freimüthige (unter der Redaktion des Juden Mahler)
soll sich, wie allgemein versichert wird, dem Ministerium verkauft haben.
Seine heutigen Aufsätze sind auch ganz danach, dies glauben zu machen.
Das Aufhören des Sicherheitsausschusses ist ein gewaltiger Schlag wider Wiens
Freiheit, die Tage des 21. und 23. August haben es vor dem Thor dieser
Freiheit hinabgestürzt und der Reichstag hat durch den Beifall, den er
gestern und heute dem Ministerium gespendet, gezeigt, daß er blos eine
demokratische Naivetät begangen hat, als er die Rückkehr des Kaisers „gefordert“
In einem Maueranschlag erklärt der Sicherheitsausschuß „dem Volk von Wien,
daß die Ereignisse der verflossenen Tage ihn veranlaßt hätten, sich
freiwillig mit der feierlichen Versicherung aufzulösen, daß er an den
Ursachen und Wirkungen der Arbeiterunruhen keinen Antheil habe, weil 1)
angeblich aus Mißverständniß die Herabsetzung der Arbeiterpreise ihm nicht
bekannt gegeben worden; 2) der Gemeinde-Ausschuß mit dem Oberkommando der
National-Garde unerwartet allein alle Anordnungen getroffen und dadurch alle
Verpflichtungen übernommen, welche dem vereinten Ausschusse „unabhängig von
jeder andern Behörde“ durch Ministerialerlaß vom 27. Mai übertragen worden
seien u. s. w.“ Als pendant dazu erklärt nebenan das Ministerium Dobblhoff,“
dem löblichen Ausschusse auf dessen Ansuchen, daß die gegenwärtigen
außerordentlichen Umstände die Konzentrirung der öffentlichen Gewalt in die
Hände des Ministeriums nöthig mache. Da somit die Aufrechthaltung der Ruhe
und Sicherheit unmittelbar dem Ministerium obliege, so sei die von dem
Ausschusse mit so vieler Hingebung, so vielem Muthe und so ausgezeichnetem
Erfolge geübte Wirksamkeit zu Ende, das Ministerium halte es aber für seine
heiligste Pflicht, den geehrten Mitgliedern des Ausschusses, welcher für
Stadt und Staat in den drohendsten Momenten so erfolgreich gewirkt, seinen
wärmsten Dank, seine vollste Achtung
[0460]
auszusprechen u. s. w.
Sie sehen, wie weit es dies demokratisch genannte Weltgeist-Ministerium in
der politischen Heuchelei schon gebracht hat. Der Sicherheitsausschuß war
ihm unbequem geworden und es gab daher dem Drängen der Kamarilla nach oder
unterstützte heimlich gar deren Wühlerei. Es wird später wohl noch die
dringendsten Gründe haben, ein rührendes Bedauern auszusprechen, wenn die
akademische Legion an die Auflösungsreihe kommt, doch wird sein erkaufter
Verrath nur die Jämmerlichkeit seines eigenen Sturzes vergrößern. Dobblhof
unterzeichnet auch schon wieder mit M. P. (manu propria) wie der alte
Büreaukraten-Absolutismus.
Damit Sie die Verhältnisse genau erkennen, füge ich zu dem Bemerkten noch
eine von dem Gemeindeausschusse „An die Bevölkerung Wiens“ gerichtete
Ansprache, welche nicht nur der Abschiedserklärung des
Sicherheitsausschusses entgegentritt, sondern auch dem Ministerium, welches
diesem Gemeindeausschusse noch zu demokratisch erscheint, einen Seitenhieb
versetzt. Dieselbe lautet „Seit einigen Tagen werden die schändlichsten
Lügen über die Wirksamkeit des Gemeindeausschusses der Stadt Wien offenbar
in der Absicht, die Massen gegen denselben aufzuregen und seine Thäthigkeit
zu lähmen, im Publikum verbreitet.
Der Gemeindeausschuß fühlt sich der Bevölkerung Wiens gegenüber verpflichtet,
diesen verläumderischen Angriffen auf das Entschiedenste entgegenzutreten,
und glaubt dieselben durch eine einfache Darstellung der letzten Ereignisse
am bündigsten widerlegen zu können.
Ein Ministerialdekret vom 18. d. M. an das Arbeiter-Komite des vereinigten Ausschusses hatte
die Ausscheidung der bei den Nothstandsbauten bis dahin verwendeten,
untauglichen Personen und die Herabsetzung der Löhne, vom 21. August
angefangen, verfügt. Eine Abschrift dieses Dekretes wurde dem
Gemeindeausschusse, am 19. d. M. um die Mittagsstunde, ausdrücklich nur zur Kenntnißnahme mitgetheilt und über
angestellte Nachfrage erfuhr man vom Stadtunterkammeramte, daß die Verständigung der Arbeiter auf mehren Arbeitsstätten
durch die verschiedenen Bauinspizienten bereits einige Stunden früher von
Seite eines Mitglieds des Arbeiter-Komites eingeleitet
worden war (?). — (Dies ist, wie ich Ihnen sofort geschrieben. eine
Lüge.)
Diese Kundmachung erfolgte ohne Störung, und auch am 20. Sonntags fanden
keinerlei beunruhigende Konflikte statt.
Erst Montags den 21. erschien um 9 Uhr eine Schar aufgeregter Arbeiter vor
dem Bureau des Arbeiter-Komites des vereinigten Ausschusses im vormaligen
Liguorianerkloster mit Ungestüm gegen die angeordnete Herabsetzung ihres
Taglohns Einspruch erhebend. (Ungestüm und Aufregung waren ganz natürlich,
weil Ischariot Schwarzer seinen Befehl den Arbeitern erst am Montag gerade
da kund machen ließ, als sie eben zur Arbeit gekommen waren.)
Auf die hierüber bei dem Ministerium gestellte Anfrage erfolgte die Weisung,
daß von der Herabsetzung der Löhne nicht abgegangen werden könne und daß die
Tumultuanten (?) nöthigenfalls mit Nachdruck zerstreut werden müßten.
Inzwischen war der freundliche Zuspruch vieler Mitglieder des
Gemeindeausschusses (?) und des Arbeiter-Komites, es war das Einschreiten
(?) der Sicherheitswache fruchtlos geblieben und die endlich (?) in Anspruch
genommenen Abtheilungen der Nationalgarde wurden, da sie von ihrer Waffe
keinen Gebrauch machten (?), von der immer wachsenden Menge zurückgedrängt,
verhöhnt, ja mit Steinen geworfen. (?) Noch schlimmer erging es der vor den
Garden aufgestellten Sicherheitswache, bis eine kleine Anzahl berittener
Munizipalgarden bei steigendem Andrange die Haufen zerstreute, ohne daß
dabei irgend eine bedeutende Verletzung vorgekommen wäre.
Der 22. verlief in anscheinender Ruhe; am 23. aber, als das hohe Ministerium
sich nicht bewogen fand, von der angeordneten Herabsetzung der Löhne
abzugehen, nahm die Aufregung neuerdings einen bedenklichen Charakter an und
gegen Mittag wurde gemeldet, daß mehre Individuen der Sicherheitswache auf
ihren Posten im Prater von Arbeitern angefallen (?) und schwer mißhandelt
worden. Um nun allfälligen weiteren Exzessen Einhalt zu thun, wurde nach
erstatteter Anzeige an den Ministerrath die Nationalgarde aufgeboten, und in
Folge dessen von Seite des Oberkommandos eine Abtheilung derselben in den
Prater und in die Leopoldsstadt beordert, um die von dorther drohenden
Bewegungen niederzuhalten.
Der bedauerliche Zusammenstoß (!?), der daselbst Nachmittags stattfand, ist
bekannt, es muß aber auch hier den lügenhaften Ausstreuungen (?), welche man
namentlich über das Verhalten der Sicherheitswache bei dieser Gelegenheit
verbreitet hat, entgegen getreten werden u. s. w. Aus dieser sachgetreuen
Darstellung wird jeder unbefangene Beurtheiler zu der Ueberzeugung gelangen,
daß nur die böswilligste Entstellung (?) dem Gemeindeausschusse eine Schuld
an den traurigen Vorgängen des 21. und 23. August beimesse. Dessenungeachtet
ist eine Partei, (der Sicherheitsausschuß u. s. w. ?), welcher jeder
besonnene Bürger ein Dorn im Auge (!?), jeder Freund der gesetzlichen
Freiheit ein Gräuel ist, unablässig bemüht, die Masse der Arbeiter zu
blindem Hasse gegen den Gemeindeausschuß aufzureizen, und das Vertrauen,
welches dieser bei jedem Einsichtsvollen genießt, unter der leichtgläubigen
durch fortgesetzte Wühlereien aufgeregten Menge zu untergraben. Jenen
schmählichen Verläumdungen gegenüber finden es die Mitglieder des
Gemeindeausschusses mit ihrer Ehre unverträglich, länger, als es die
Zusammensetzung einer neuen Gemeindevertretung nach einer auf der breitesten
Grundlage ruhenden Wahlordnung erheischen wird, einen Posten zu behaupten,
auf welchem sie mit Erfolg zu wirken unter solchen Umständen nicht hoffen
können“ u. s. w. — Also doch noch immer mehr Ehrgefühl und Entschlossenheit
als Hr. Krausnik und magistratische Kompagnie in Berlin! —
Damit Sie sich aber einen Begriff von der eigentlichen Tendenz dieses
Gemeindeausschusses machen können, will ich nur erwähnen, daß derselbe in
einer Sitzung, welcher ich vor etwa 14 Tagen beigewohnt habe, während einer
Stunde darüber zu debattiren sich nicht entblödete, ob die Passirscheine,
ein bekanntes Polizei-Paß-Institut Sedlnitzky's, noch ferner beibehalten
werden sollen.
Der demokratische Verein hat heute eine Deputation zum Ministerium beordert,
die dessen sofortige Auflösung verlangt, ohne daß es ihm einmal erlaubt
bleibe, eine neue Wahlordnung, die doch nichts taugen würde, ins Leben zu
rufen.
Die Sitzung des Reichstags war heute gegen Ende sehr stürmisch; ich werde
nächstens darüber berichten. Morgen und am Montag findet keine Sitzung
statt.
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@type | jArticle |
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15
] Berlin, 29. Aug.
Die alte, schöne Zeit kehrt wieder; die Linden, die in der letzten Zeit so
plebejisch geworden, werden wieder ehrlich gemacht; von heute ab wird sie
nicht mehr ausschließlich von frechen Proletariern, sondern auch von
heldenkühnen Gardeoffizieren durchwandelt. Kranzler, der berühmte Konditor,
wird sein in den Märztagen abgenommenen Schild, worauf mit goldenen
Buchstaben der „Hoflieferant Sr. Königl. Hoheit des Prinzen von Preußen“
prangte, wieder aufstellen, und den heißblütigen Lieutenants seine kühlenden
Eisbaisers und Panachés präsentiren. O, es wird eine herrliche Zeit! Heute
Mittag 12 Uhr ist, von einem Theil der Bürgerwehr festlich eingeholt, das
Gardejäger-Bataillon von Potsdam hier eingerückt. Hat man denn mit 12,000
Mann Soldaten, 1600 Konstablern, 30,000 Mann Bürgerwehr noch nicht genug für
die „Aufrechthaltung der Ordnung und Ruhe“ gesorgt? Aber der tägliche
Anblick der bewaffneten Bürgerkanaille, wie sehr sie auch vom „guten“ Geiste
durchdrungen ist, will doch unserm Hofe noch nicht recht behagen; es
erinnert noch zu sehr an den fatalen Märzkravall. Als Veranlassung zu diesem
erfreulichen Besuch gab Herr Rimpler, Kommandeur der Bürgerwehr, an, daß die
hiesigen Kasernen und Lazarethe durch Krankheiten (die Cholera) zu sehr
gelichtet wären, und daß es deshalb nach einem Erlasse des Kriegsministers
eines Ersatzes dafür bedürfte!
Den guten Polen hat der Kaiser Nikolaus durch den Fürsten Paskiewitsch in
Warschau wieder ein schönes Schauspiel aufführen lassen. Vier Einwohner der
Stadt Warschau: Johann Marchand, Konstantin Ralinowski, Kasimir Bazylski und
Felix Fijalkowski (sämmtlich Schneider) hatten, als die russische
Grenzsperre im März d. J. nicht verhindern konnte, daß die Nachrichten von
den damaligen Ereignissen in Frankreich und Deutschland auch nach Polen
drangen, sich über diese Bewegungen unterhalten, und auf die Mittel
gesonnen, einen ähnlichen Aufstand auch in Warschau hervorzurufen. Sie
theilten diesen Entschluß mehreren Soldaten mit, und weihten dieselben in
den von ihnen gefaßten Plan ein. Die Soldaten verriethen jedoch das ganze
Unternehmen mit sammt den Urhebern dem Fürsten Paskiewitsch. Die armen
Schneider-Verschwörer wurden nun vor das Kriegsgericht gestellt, und am 7.
August Johann Marchand, der am meisten Betheiligte, zu zweimaligem, die
Uebrigen zu einmaligem Spießruthenlaufen vor 500 Mann verurtheilt. Natürlich
war damit die Strafe noch nicht abgemacht. Vielmehr sind alle Vier nach
Sibirien geschickt worden, wo Jeder in zehnjährigen schweren
Festungsarbeiten seine Unthat bereuen soll. Die Strafe des
Spießruthenlaufens ist an den Sündern am 22. August, Morgens 8 Uhr, auf dem
Waffenplatz in Warschau vollzogen worden.
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[
103
] Berlin, 29. Aug.
Die heutige Abstimmung über das Berends'sche
Amendement zum §. 44 des Bürgerwehrgesetzes hat in der Stadt großen Jubel
hervorgerufen. Die Linke ist von diesem unverhofften Resultat ganz verblüfft
und kann sich die Abstimmung des rechten Centrums nicht anders erklären, als
daß diese unschuldigen Leute nicht wußten, warum es sich eigentlich
handelt.
Der Abgeordnete Dr. Elsner aus Breslau hat eine
Petition von 400 schlesischen Bauerngutsbesitzern erhalten, welche im
Gegensatz zu den 200 Rittergutsbesitzern, die hier ein
Grundbesitzer-Parlament gebildet haben, zu einem Verein zusammengetreten
sind, welcher für die gleichmäßige Vertheilung der Grundsteuer und
Abschaffung aller Feudallasten wirken soll. In dieser, an die
Vereinbarungsversammlung gerichteten Petition, setzen sie ihre Verhältnisse
zu den Dominialbesitzern auseinander, und dringen auf sofortige Sistirung
der aufzuhebenden Leistungen.
Der Fall des Ministeriums ist vielleicht näher als man erwarten sollte. Es
wird eine förmliche Koalition der Linken mit der Fraktion, welche bisher im
Hotel Petersburg ihre Sitzung hielt, stattfinden. Man spricht davon, daß
sich die Parteien heute Abend vereinigen und ein gemeinschaftliches
Oppositionsprogramm annehmen werden. Dies Mal wird es Herrn Hansemann nicht
gelingen, sich durch einen „kühnen Griff“ das Finanzministerium zu erhalten,
denn die Aristokratie erwartet mit Sehnsucht den Augenblick seiner ersten
Niederlage, um alle ihre Batterien gegen ihn in Potsdam spielen zu lassen. —
Es wird sich auch diesmal kein Mitglied der Opposition dazu verstehen, mit
Hansemann zusammen in ein neues Ministerium zu treten.
Außer großen Attrouppements, die allabendlich unter den Linden sich
zusammenfinden, die gestern Abend sogar durch einige Schüsse — man weiß
nicht, ob aus den Reihen der Bürgerwehr, welche es öffentlich in Abrede
stellte, oder ob aus dem Volke selbst — in Aufregung gesetzt wurden, ist
nichts Erwähnenswerthes vorgefallen.
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[
35
] Berlin, 29. Aug.
Endlich ist uns eine wichtige Nachricht aus Schleswig-Holstein zugekommen.
Der Waffenstillstand ist in nächste Aussicht
gestellt. Gestern Abend langte General v. Below hier an und
überbrachte der Regierung die Bedingungen desselben. Die wichtigsten hiervon
sind folgende: Es bleiben 2000 Mann preußischer Truppen in
Schleswig-Holstein, die preußischen Schiffe werden herausgegeben, die
Blokade der Häfen wird aufgehoben, eine Anzahl Dampfschiffe liegt bereit, um
die Befehle dazu sofort an alle betreffenden Häfen zu bringen, sobald die
Ratifikation des Waffenstillstandes erfolgt ist. Dies muß bis spätestens
Sonnabend geschehen sein. Der Waffenstillstand aber soll 7 Monate dauern,
bis zum Monat April. Unsere Regierung ist bereit, auf diese Bedingungen
einzugehen. Auf der hiesigen Börse sind auf die Kunde von diesen
Nachrichten, die Course bedeutend gestiegen.
Der gestrige Abend verlief wiederum nicht ohne lebhafte Auftritte. Das
Verfahren der Polizei gegen den Handwerkerverein, die Verhaftung der
Demokraten, die Abstimmungen über das Bürgerwehrgesetz, alles dies hatte die
schon herrschende Erbitterung unserer Stadt genährt. Es versammelte sich
eine große Menschenmasse vor dem Opernhause; ein Unbekannter bestieg die
Rampe, forderte die Menge auf, die Verhafteten zu befreien. „Zu den Waffen!
zu den Waffen!“ schrie Alles. Da rückte die Bürgerwehr heran und plötzlich
fiel ein Schuß auf dieselbe. Alles stob auseinander; der Urheber des
Schusses, ein junger Maler, wie man erzählt, ward verhaftet, und die
verworrensten Gerüchte wurden erzählt. Doch legte sich allmählig die
Aufregung, so daß gegen 11 Uhr wieder das gewöhnliche Treiben herrschte.
Während dies in der Stadt vorging, befand sich ein großer
Theil (s. unten) unserer jungen Demokraten und Demokratinnen im
Hofjäger, wo Herr Märker wieder ein großes Volksconcert veranstaltet hatte.
Das Concert war aber weder ein großes noch ein Volksconcert. Es hatten sich
wenig Zuhörer (s. oben) eingefunden. Die Musiker
verliefen sich nach und nach, und die Jugend amüsirte sich auf Berliner Art,
mit unharmonischem Gesang etc.
Unsere Konstabler haben jetzt ein neues Oberhaupt bekommen. Der erste,
Keiser, ward abgesetzt, weil die Lokomotive die Instruktionen der
Schutzmannschaft veröffentlichte, welche nach der Erklärung der Regierung,
nicht offiziell waren. Der neue Befehlshaber, Herr
Heitz, trat sein Amt an mit einer salbungsvollen Ansprache an das Volk von
Berlin, in der er das Institut der Schutzmänner „die warnende Stimme des Gesetzes“ nannte und die Berliner Bürger
um Schutz und Unterstützung anflehte. Uebrigens kann diese warnende Stimme
nicht nur grob, sondern auch fein sein, wenn sie will. So begegnete ich
Sonntag Nachmittag einem Konstabler in
Bürgerkleidung, einem guten, bornirten Menschen. Als ich fragte, wo
er hin wollte, antwortete er treuherzig: „Ich soll nach den Zelten gehen und
sehen was dort passirt!“
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103
] Berlin, 29. August.
Sitzung der Vereinbarer-Versammlung.
Nach Verlesung des Protokolls hält der Präsident Grabow einen längern Vortrag
über die Nothwendigkeit, daß die Versammlung ihr jetziges Sitzungslokal in
der Singakademie verläßt und dafür den Konzertsaal des Königlichen
Schauspielhauses mit den daran stoßenden Räumen baldigst beziehe. Die
Versammlung beschließt ohne weitere Debatte, daß diese Aenderung ihres
Sitzungssaales sobald die nothwendigen Einrichtungen getroffen sein würden,
Statt finden sollte.
Abg. v. Brodowski stellt einen schleunigen Antrag vor der Tagesordnung. „Die
hohe Versammlung wolle beschließen, daß die Staats-Schuldenverwaltung durch
den Herrn Finanzminister aufgefordert werde, diejenigen Erinnerungen und
Zweifel, welche die bisherige ständtsche Staats-Schulden-Deputation bei
ihrer Wirksamkeit in den ersten Tagen des Monat März d. J. gegen die besagte
Verwaltung aufgestellt hat, zu beantworten, resp. zu beleuchten; um demgemäß
diese Beantwortung nebst Abschrift der protokollarischen Verhandlungen der
gedachten Staats-Schulden-Deputation, der gegenwärtigen Versammlung zur
Prüfung und weitern Veranlassung vorzulegen.“
Der Antrag wird von der Majorität als dringend anerkannt und von dem
Antragsteller ausführlich motivirt.
Finanzminister Hansemann erklärt, daß, da die Versammlung bereits eine
Kommission zur Untersuchung der Staatsschulden und des Staatsschatzes
ernannt habe, welche auch bereits damit umgehe, das zu thun, was der
Antragsteller beantragt, so soll man den Bericht der Kommission über diesen
Gegenstand abwarten.
Abg. v Brodowski: Wenn der Herr Finanzminister verspricht, vollkommen
ausreichende Antwort auf die Erinnerungen und Zweifel der Kommission zu
geben, so bin ich damit einverstanden.
Finanzminister Hansemann: Wenn die Kommission mit den Erläuterungen, die sie
vom Ministerium erhalten wird, nicht zufrieden ist, so kann sie sich bei der
Versammlung beschweren.
Auf Vorschlag des Präsidenten Grabow wird der Antrag an die Finanz-Kommission
uberwiesen.
Abg. Jonas (Geh. Reg.-Rath) hat eine schleunige Interpellation an das
Justizministerium eingebracht, dahin lautend:
„ob dasselbe bereit sei, eine den veränderten öffentlichen
Zuständen entsprechende Vorlage über die Bestrafung der politischen
Verbrechen und Vergehen in möglichst kurzer Frist einzubringen.“
Diese Interpellation wird sehr stark unterstützt und als dringend anerkannt,
worauf der Interpellant seinen Antrag begründet.
Justizminister Märker: Der Herr Redner wünscht eine Aenderung der materiellen
Gesetzgebung in Betreff politischer Verbrechen und Vergehen, es ist indessen
auch eine Aenderung der formellen Gesetzgebung nothwendig, nämlich die
Einführung von Geschwornengerichten. Ein Gesetzentwurf über
Geschwornengerichte ist auch bereits im Ministerium ausgearbeitet und wird
nächstens im gesammten Staatsministerium zur Berathung kommen und sodann der
Versammlung vorgelegt werden. Durch die Einführung von Geschwornen wird die
Auslegung der Strafgesetze bei politischen Vergehen eine andere werden, was
schon eine Beruhigung gewähren kann. Uebrigens seien die Strafgesetze für
politische Vergehen, namentlich die §§. 151 u. folg. Tit. II. des Allg.
Landrechts einer gänzlichen Umarbeitung bedürftig. Es bleibe jedoch höchst
bedenklich, einzelne Theile aus dem Strafgesetzbuche herauszureißen.
Trotzdem bin ich jedoch nicht abgeneigt, zur Beseitigung der §§. 151 u.
folg. und derjenigen über Schmähschriften einen Gesetzentwurf einzubringen.
Dies wäre sogar schon geschehen, wenn nicht der transitorische
Preßgesetzentwurf eine gleiche Beseitigung ausgesprochen hätte.
Der Präsident Grabow fordert hierauf den Vorsitzenden der
Verfassungs-Kommission, Abg. Waldeck auf, da eben des transitorischen
Preßgesetzes Erwähnung geschehen, über den Stand der Berathung Bericht zu
erstatten.
Abg. Waldeck: Die Verfassungs-Kommission hatte beschlossen, ein
provisorisches Preßgesetz zu entwerfen, war aber bald zu der Ueberzeugung
gelangt, daß die Einrichtung der Geschwornengerichte mit einem neuen
Preßgesetze Hand in Hand gehen müsse, da das Preßgesetz sonst seinem Zweck
nicht entsprechen könne. Der desfallsige Gesetzentwurf ist von der
niedergesetzten Kommission seit 8 Tagen beendet, seit einigen Tagen bereits
gedruckt und an die Mitglieder der Verfassungskommission vertheilt worden,
welche morgen eine Sitzung zu dessen Berathung hält.
Die Versammlung geht hierauf zur fernern Berathung des Bürgerwehrgesetzes
über.
Abschnitt I. Berechtigung und Verpflichtung zum Dienste.
§. 8. Jeder Preuße nach vollendetem 24. und vor zurückgelegtem 50.
Lebensjahre ist, vorbehaltlich der unverkürzten Erfüllung der
Militairpflicht, zum Dienste in der Bürgerwehr derjenigen Gemeinden
berechtigt und verpflichtet, in welcher er seit wenigstens einem Jahre sich
aufgehalten hat.
Auf Antrag des Abgeordneten Unruh wird noch folgender Zusatz zu §. 8
aufgenommen:
„Derjenige, welcher bereits in seinem frühern Wohnorte Mitglied der
Bürgerwehr war, ist bei seiner Uebersiedelung nach einem andern Ort, zum
sofortigen Eintritt in die dasige Bürgerwehr nicht nur berechtigt, sondern
auch verpflichtet.“
§. 9. Der Dienst in der Bürgerwehr ist unvereinbar mit dem Amte eines
Verwaltungschefs des Regierungsbezirks oder Kreises, Bürgermeisters, eines
exekutiven Sicherheitsbeamten, Beamten der Staatsanwaltschaft,
Gerichtspräsidenten oder Direktors, Untersuchungsrichters, Einzelrichters,
Ortsschulzen oder eines jeden andern Vorstehers einer Gemeinde, einer im
aktiven Dienste befindlichen Militairperson, eines Vorstehers und
Gefangenwärters in einer Gefangenen-Anstalt.
§. 10. Zum Dienste sind nicht verpflichtet: 1. Minister, 2. Geistliche, 3.
Gränz-, Zoll-, Steuer-, Forstschutz- und Postbeamte, 4. Eisenbahnbeamte, 5.
Lootsen.
Abg. Kosch hat das Amendement gestellt, auch die Aerzte von der Dienstpflicht
auszunehmen, was er in einer längern Rede zu motiviren sucht. Das Amendement
wird jedoch verworfen. Ein anderes Amendement, welches auch die Apotheker
von der Wehrpflicht entbinden will, wird vor der Abstimmung
zurückgenommen.
Zu §. 11 wird vom Abg. Behnsch folgendes Zusatz-Amendement gestellt:
„Die Weigerung das §. 7 vorgesehene feierliche Gelöbniß
abzulegen, entbindet weder von der Bürgerwehrpflicht noch ist sie ein Grund
zum Ausschluß.“
Die Amendement giebt zu einer lebhaften Debatte Veranlassung. Der
Justiz-Minister erklärt: die Regierung müsse sich gegen dasselbe erklären.
Durch die Annahme des Behnschen Amendement würde § 7. der nach langer
Debatte angenommen sei, wieder aufgehoben werden. Auch erhalte man durch
dessen Annahme zwei Arten von Bürgerwehr: solche, welche erklärten ihre
Pflicht erfüllen zu wollen und solche, welche dies nicht erklärten.
Das Amendement wird verworfen.
§. 11. Ausgeschlossen von der Bürgerwehr sind diejenigen, welche sich in
Folge rechtskräftiger richterlicher Erkenntnisse nicht im Vollgenusse der
bürgerlichen Rechte befinden.
Abschnitt II. Stammlisten der Bürgerwehrpflichtigen.
§. 12. In jeder Gemeinde wird eine Stammliste aller derjenigen angelegt,
welche in Gemäßheit der §. §. 8 bis 11. zur Bürgerwehr heranzuziehen
sind.
Ueber §. 13. erhebt sich eine längere Debatte. Abg. Ludwig stellt folgende Amendements:
a) statt der Worte: wird von dem Gemeinde-Vorsteher
gefertigt — wird von dem Gemeinde-Vorstande gefertigt; und
b) statt: bei der Gemeinde-Vertretung anbringen — bei
dem Gemeinde-Vorstande anbringen;
c) die Worte: „unter dem Vorsitze des
Gemeinde-Vorstehers“ zu streichen.
Ein Abgeordneter wollte noch einen Zusatz zwischen den zweiten und dritten
Satz des Paragraphen haben, welcher lautet: „bezweckt die angebrachte
Bemerkung gegen die Stammliste die Ausschließung eines Dritten, so muß
solche demselben binnen 48 Stunden mitgetheilt werden;“ wird aber nicht
angenommen.
Nach längerer Debatte und nachdem sich auch der Justizminister für das
Amendement Ludwig ausgesprochen, wird dasselbe mit großer Majorität
angenommen, und der Paragraph lautet:
§ 13. Die Stammliste wird von dem Gemeindevorstande gefertigt; sie wird jedes
Jahr erneuert und vom 1. bis 15. Dezember zu Jedermanns Einsicht auf dem
Sekretariate der Gemeinde offen gelegt. Jedes Mitglied kann bis zum 20.
Dezember einschließlich seine Bemerkungen gegen die Stammliste bei dem
Gemeindevorstande anbringen. In der Zeit vom 21. bis 31. Dezember wird die
Stammliste von der Gemeindevertretung revidirt und mit Rücksicht auf die
eingegangenen Bemerkungen oder von Amtswegen berichtigt und festgestellt.
Die festgestellte Liste wird vom 1. bis 15. Jan. auf dem Sekretariate der
Gemeinde offen gelegt. Gegen die Feststellung geht die Berufung an die
Kreisverwaltung, welche darüber endgültig entscheidet.
Hierauf werden der Abschnitt III. Dienstvergehen der Bürgerwehrpflichtigen §§
14-21; Abschnitt IV. Von der Pflicht, den Dienst der Bürgerwehr in Person zu
leisten, und Befreiungen von der Dienstleistung, §§ 22-26; und Abschnitt V.
Bildung der Bürgerwehr, §§ 27-43 ohne Abänderung, ganz nach dem Entwurf der
Centralabtheilung angenommen.
Der folgende Abschnitt über die Wahl und Ernennung der Vorgesetzten ruft
gleich beim § 44 eine lebhafte Debatte hervor, es handelt sich dabei um das
Prinzip der directen oder indirekten Wahl. Der Entwurf der Centralabtheilung
lautet:
§ 44. Die Anführer der Bürgerwehr bis zum Hauptmann hinauf einschließlich,
werden von allen Bürgerwehrmännern der Dienstwehrliste gewählt.
Abgeordneter Kehl stellt folgendes Amendement: „Die
Anführer bis zum Major hinauf einschließlich, werden von allen
Bürgerwehrmännern der Dienstwehrliste gewählt.“
Abg. Berends stellt folgendes Amendement: die Worte:
„bis zum Hauptmann hinauf einschließlich,“ auszulassen.
Beide Amendements finden starke Unterstützung.
Abg.
Kehl: Ich bin für direkte Wahlen in allen
Fällen, wo dieselben, wie in diesem Falle, durch die Zahl der Wähler und
durch die Lokalverhältnisse ausführbar sind. Das Vertrauen des Bataillons
muß der Major noth-
[0461]
wendig haben, und er kann es nur dadurch
erlangen, daß er von den Wehrmännern selbst gewählt wird.
Abg. Berends: Als uns in Folge der Märzereignisse die
Volksbewaffnung gewährt wurde, ist uns durch kön. Kabinetsordre
ausdrücklich: „Volksbewaffnung mit freier Wahl der Führer“ verheißen worden.
Die Führer der Bürgerwehr bedürfen vor Allem deren Vertrauen. Die Bürgerwehr
soll ein Institut der Gemeinden sein. Nach einer neuern Gesetzvorlage sollen
diese Ersatz zu leisten haben für allen Schaden, der bei einem Aufruhr
entstehen könnte. Sie müssen daher auch berechtigt sein, diejenigen zu
wählen, in deren Händen sie die Abwehr des Schadens gesichert halten.
Abg. Bergemann: Freie Wahl und indirekte Wahl scheine
man als Gegensätze zu betrachten. Eben so scheine man durch Annahme dieses
Paragraphen Mangel an Vertrauen zum Volke zu indentifiziren. Ich muß mich
gegen beide Voraussetzungen verwahren.
Abg. Dahmen erklärt sich für die unveränderte Annahme
des Paragraphen, weil der Major hauptsächlich das Vertrauen der Zug- und
Rottenführer bedürfe.
Abg. d'Ester: Die Einen sagen, der Major bedürfe das
Vertrauen der Offiziere, die Andern halten das Vertrauen der Wehrmänner für
erforderlich. Direkte Wahl wird beiden Meinungen genügen. Man spricht von
der Bürgerwehr als einer gehorchenden Macht; Gehorsam ohne Vertrauen ist
aber eine Unmöglichkeit.
Justizminister: Es ist in keiner Weise der
Befürchtung Raum zu geben, als habe die Regierung die Wahl der Majore
irgendwie beschränken wollen. Die Regierung hatte nur örtliche
Schwierigkeiten im Auge und in großen Städten sind diese allerdings nicht
vorhanden. Allein die Zerstreutheit der ländlichen Bevölkerung würde deren
viele bieten. An sich hat die Regierung gegen das direkte Wahlsystem nichts
zu erinnern, dennoch wünsche er die unveränderte Annahme des § 44.
Berichterstatter Euler erklärt sich für das
Berend'sche Amendement.
Abg. Siebert trägt auf namentliche Abstimmung an,
welche auch mehr als hinlänglich unterstützt wird. Das Berend'sche
Amendement als das Weiteste kommt zuerst zur Abstimmung und wird mit 204
gegen 84 Stimmen angenommen. Mit der Minorität stimmten: die anwesenden
Minister, der Exminister Auerswald und die ganze rechte Seite. Die beiden
Centren stimmten mit der Linken für das Prinzip der direkten Wahlen.
Nach Annahme des Amendements ist es noch nothwendig über den so amendirten
Paragraphen abzustimmen, es stellte sich aber heraus, daß die Versammlung
nicht mehr in beschlußfähiger Anzahl zusammen war und diese Abstimmung wird
in der nächsten Sitzung statt finden.
Schließlich bemerkt der Präsident, daß das Gesetz wegen Erhöhung der
Rübenzucker- und Maischsteuer nächsten Freitag werde berathen werden müssen,
da der Herr Finanzminister darum gebeten, indem er am 1. Sept. den
Zollvereinsstaaten seine Erklärung abzugeben habe.
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@facs | 0461 |
[
43
] Aus dem Kreise Wittgenstein, den
24. August.
Die Lasten, welche auf dem Grundbesitze des hiesigen Kreises ruhen, wurden
vor sieben Jahren in eine Geldrente verwandelt, welche bisher schon manchen
Landmann zur Subhastation geführt hat und erst 1881 aufhört. Die
Landbewohner haben sich deshalb in einer Adresse an die
Vereinbarungsversammlung gewandt, der wir einige Stellen entnehmen, um
unseren Lesern zu beweisen, wie tief Deutschland, trotz der „großartigen“
Reformen von 1807-15, trotz der 1815 glorreich wieder erkämpften Freiheit
und trotz der ironisch sogenannten Märzrevolution noch im Schlamm des
Mittelalters steckt. Die Adresse erzählt wie Napoleon den kleinen
mediatisirten Fürsten als Entschädigung für ihre Souverainetätsrechte eine
Masse Privatvortheile zukommen ließ, und fährt dann fort:
Freigebig rechnete die Bundesakte vom 12. Juli 1806 denselben zu: sämmtliche
Domainen, so wie alle Grundherrlichkeits- und Feudalrechte, nicht
berücksichtigend, daß alles dieses wahres Staatseigenthum war, aus welchem
die Regierungskosten von jeher bestritten worden waren und außer Acht
setzend, daß das ganze gothische Gebäude des alten Reichs und seiner
Partikularstaaten auf Lehnrecht und Gutsherrlichkeit geruhet hatte. War doch
die ganze deutsche Staatsverfassung von dem Fuße an bis zu dem Gipfel — dem
die Weltherrschaft ansprechenden Kaiser — nur eine Ausbildung des von
Tacitus schon erwähnten Komitats! Die Standesherrschaft hat großes Wehe über
Millionen Deutsche gebracht. Die Bewohner der standesherrlichen Bezirke,
sonst Reichsbürger, nun Hörige, waren und sind mit den doppelten Pflichten
dieser und der Staatsbürger beladen. Was sie als Hörige thun und leisten,
rechnet ihnen der Staat nicht an, es kommt nicht zur Computation! — Sie
müssen alle Staatssteuern und Abgaben prästiren und doch sollte bedacht
werden, daß das, was dem Standesherren gezahlt werden muß, die Steuern des
alten aufgelößten Territorialstaates ausmacht. — Eins muß aufhören; entweder
müssen die Einsassen der Standesherrschaften der übrigen Nation völlig
gleichgestellt, von dem Drucke der längst hingeschwundenen Feudalherrschaft
entbunden oder es müssen doch die modernen Staatslasten ihnen abgenommen
werden.
Das zwischen der Krone Preußens und den Fürsten zu Wittgenstein
abgeschlossene, in Form eines Ablösegesetzes gebrachte, Abkommen, dessen
wohlmeinende Intension wir nicht verkennen, hat seinen Zweck nicht erfüllt.
Unsere Lasten sind in der Wirklichkeit nicht erleichtert, vielmehr in eine
unerschwingliche jährliche Geldrente umgewandelt worden, welche den Landmann
ruinirt. Sie soll mit dem Jahre 1881 aufhören; allein bis dahin würde auch
der Bauernstand vernichtet sein!
Die ganze Ablöse, behaupten wir mit Recht, begreift nur steuerartige
Prästationen, sie kann, sie darf daher auch nicht mehr beansprucht werden
und geht unser gehorsamstes Bitten dahin:
eine hohe Nationalversammlung wolle die Aufhebung der
Ablösungsrenten im Kreise Wittgenstein dekretiren.
Der Druck der längst
hingeschwundenen Feudalherrschaften muß aufhören, ehe wir das Mittelalter
für beseitigt halten und eine neue Zeit beginnen können.
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@facs | 0461 |
[
133
] Düsseldorf, 30. Aug.
Ferdinand Freiligrath ist eingeerkert worden. Vorgestern erhielt er einen
Erscheinungsbefehl, wonach er sich gestern Morgen um 9 Uhr vor den
Instruktionsrichter zu stellen. Er erschien um die bestimmte Zeit. Der
Instruktionsrichter beschuldigte ihn, durch sein Gedicht: „die Todten an die
Lebenden“, den Artikel 102 des Code pénal übertreten, d. h. die Bürger unmittelbar zum Bürgerkriege, zur Verheerung,
Plünderung u. dgl. angereizt zu haben, und ließ ihn nach dem Verhöre in das
hiesige Arresthaus abführen. Die durch den Artikel 102 angedrohte Strafe
ist, je nach dem Erfolge, welcher der Aufreizung beigemessen wird, entweder
Tod oder Verbannung aus dem preußischen Staate, (welche letztere Strafe,
nebenbei gesagt, sich ertragen ließe) also entweder eine Leibes- oder
entehrende Strafe. Nach Artikel 91 des Code d'instr. crim. mußte ein
Vorführungsbefehl wider Freiligrath erlassen werden; ein Erscheinungsbefehl
kann nur erlassen werden, wenn die That eine zuchtpolizeiliche Strafe nach
sich zieht. Doch was geht das Düsseldorfer Parket die
Kriminal-Prozeß-Ordnung an? Es handelte sich darum, durch Erlaß eines
Erscheinungsbefehles den Angeklagten sicherer zu
machen, und hat Herr Oberprokurator Schnaase, Literat und Redakteur einer
unbekannten Niederrheinischen Zeitung, nicht ein zweiffelhaftes Vorbild in
Köln?
Was den zweiten politischen Gefangenen in Düsseldorf, den Bürger Julius
Wulff, anbelangt, so ist vorgestern von der Strafrathskammer seine Sache an
den Anklagesenat in Köln verwiesen worden, und zwar aus folgenden zwei
Gründen: 1) hat Wulff durch Vorlesung und Verbreitung des republikanischen
Katechismus ein Verbrechen begangen (Artikel 102);
2) hat er als Mitarbeiter an einer vom Volksklub an das Ministerium Camphausen beschlossenen Adresse sich einer
Beleidigung dieses Ministeriums, also eines Vergehens schuldig gemacht. Der
Oberprok. Schnaase hat gegen diesen Beschluß der Rathskammer Opposition
eingelegt, insofern als Nr. 2 nicht vor die Assisen, sondern vor das
Zuchtpolizeigericht gehöre. Sprechen die Geschwornen den Angeklagten frei,
dann finden ihn die königlich-preußischen Richter vielleicht schuldig.
Wäre es nicht zweckmäßig, ein Verzeichniß von sämmtlichen, unter dem
Ministerium der That eingekerkerten Demokraten nebst Gründen ihrer
Verhaftung zu entwerfen?
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@facs | 0461 |
Schleswig-Holstein.
Die noch in den letzten Tagen einander mehrfach widerstreitenden Berichte
über das Ergebniß der Waffenstillstandsunterhandlungen in Malmö haben jetzt
dahin ihre Erledigung gefunden, daß jene Unterhandlungen mit Erfolg zu Ende
geführt worden sind und die Ratifikation des abgeschlossenen
Waffenstillstandes in wenigen Tagen mit Zuversicht erwartet werden darf.
Mündliche, durch zuverlässige Vermittelung überlieferte Mittheilungen des
aus Malmö zurückgekehrten preußischen Unterhändlers, des Generals v. Below
und übereinstimmende Berichte aus Wismar und Lübeck verbürgen die
Nachricht.
Eine Cirkularnote des schwedischen Ministers des Auswärtigen aus Malmö vom
25. an sämmtliche schwedische Geschäftsträger im Auslande drückt seine
Freude darüber aus, mittheilen zu können, daß ein Waffenstillstand zwischen
Deutschland und Dänemark so gut wie abgeschlossen sei, und äußert die
Hoffnung, ehestens den definitiven Abschluß anzeigen zu können.
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@type | jArticle |
@facs | 0461 |
[
15
] Prag, 26. August.
Sie werden glauben, daß Ihr Prager Korrespondent verschollen oder eines
schönen Morgens auf den Hradschin gesetzt worden ist, um dort ein
Sommerlogis einzunehmen; dem ist jedoch glücklicherweise nicht so, sondern
die „Ruhe“ der Soldatenordnung, die Kirchhofruhe, in der wir hier leben,
trägt daran die Schuld. In Ermangelung politischer Ereignisse, ergehen sich
die Prager noch immerfort mit Protesten; gestern wurde der sehr kräftig
abgefaßte der Juristen zur Unterschrift in der Stadt ausgelegt, in welchem
alle Gründe des Fürsten widerlegt und demselben dargethan wurde, daß die
Gehässigkeit, der er sich als allbekannter Träger aristokratischer und
reaktionärer Tendenzen erfreue, die einzige Ursache der Juniereignisse
gewesen sei. Außerdem verlangte man noch, daß die Untersuchung der
Gefangenen auf freiem Fuße und von Schwurgerichten fortgesetzt, das Tragen
der Waffen wieder erlaubt werde und jede Art von Absolutismus des s.
Windisch-Grätz aufhöre. Der Protest wird nach Sammlung der Unterschriften
sogleich nach Wien befördert.
Der in der Damenversammlung zum Erzherzog Stephan gefaßte Beschluß der Damen,
ihren Dienstmädchen zu verbieten, mit Grenadieren Umgang zu haben, hätte
denselben beinahe eine Katzenmusik seitens der letztern eingebracht. Bei der
zweiten Versammlung hatten sich die Grenadiere in großen Haufen auf dem
Roßmarkte eingefunden und würden ohne Zweifel ihrem Heldenmuth Luft gemacht
haben, wenn sie nicht durch Offiziere davon zurückgehalten worden wären. Ein
Haufe von ihnen wurde von einem Trupp Gamins mit Steinwürfen bis an's
Moldauufer begleitet.
Wir sehen mit Erwartung auf den Wiener Reichstag, was er für Prag thun werde
und ob wir bald wieder in den Vollgenuß unserer verheißenen Rechte kommen,
denn faktisch besteht immer noch eine Art Belagerungszustand. Die Höhen sind
noch fortwährend mit Geschütz und Truppen besetzt; unter den letztern soll
sich ein vorzüglich widerspenstiger Geist zeigen, indem sie durch das fast
zwei Monate anhaltende Campiren unter freiem Himmel, äußerst ermüdet und von
Krankheiten bedroht sind. Unter den Grenadieren soll am 23. das Standrecht
mehrer Excesse halber publicirt worden sein.
Französische Republik.
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@facs | 0461 |
[
16
] Paris, 29. Aug.
Das Entweichen Louis Blanc's und Marc Caussidière's hat die Konservativen
außerordentlich verblüfft. Der „Corsaire“ hilft sich mit einer Impertinenz:
das Entweichen bekunde das böse Gewissen der Beiden u. s. w. Mit affektirter
Kälte drechselt der „Siecle“ eine kleine Phrase. Die pochende Herzensangst
steht aber dahinter, denn es sind, wie Ohrenzeugen versichern, gar „spitze
und brennende“ Worte privatim vor, während und nach der achtzehnstündigen
Sitzung gewechselt worden; Bac und Demosthenes Olivier erklärten im
Gespräch: „der Terrorismus sei hiemit de jure eröffnet, de facto werde er
bald losgehen, und mit Repressalien sonder Beispiel.“ Ein Deputirter des
Berges sagte: „Im Jahr 1794 ist das Eis gebrochen, wir werden es nicht
wieder gefrieren lassen;“ ein anderer: „Die Kröten und Frösche des Sumpfes
(Centrum) sind munter wie nach dem Sturz des Robespierre, aber noch ist er
nicht gekommen der moderne Maximilian, das wird ein hunderttausendköpfiger
Riese sein; die Dummköpfe (imbécilles) der Rechten quäcken nach einem Thron;
gut, wie Jupiter den Fröschen als König einen Holzblock herunterwarf, wollen
wir ihnen auch wieder einen Block geben.“ Der Haß
wüthet fürchterlich im Stillen, man schreibt schon in Gedanken die rothen
Listen, um mit „La Republik“ zu reden. Daß Caussidière, dieser kerngesunde,
naive Volksmensch (ehemals Handelskommis) nächstens Präsident der Republik
wird, scheint Vielen unausbleiblich. Die innerliche Spaltung der Bourgeoisie
wächst täglich; mancher ist demokratisch seit die verrückte Austheilung der
Juni-Ehrenkreuze stattgefunden. „Diese Thoren sind reif für's Irrenhaus,“
sagte mir noch kürzlich ein fanatischer Bourgeois, „sie nähen sich Orden auf
die Rippen um desto besser den Blitz anzuziehen; auch ist das unrecht nach
einem Bürgerkriege.“ Er hatte das Kreuz abgelehnt. Die Familie des
bourgeois-republikanischen Deputirten Dornes hat die Scherpe, mit der er an
der Spitze der Mobile vor den Barrikaden der Vorstadt St. Martin auf den Tod
verwundet stürzte, der Kompagnie geschenkt; sie ist jetzt an der Fahne
befestigt und man hat der Familie eine den Insurgenten abgenommene Muskete
zum Gegengeschenk gemacht. Also ganz wie im Beduinenfeldzuge. — Die
Munizipalität des Montmartre ist vom Präfekten der Seine aufgelöst worden;
sie war zu „sozialistisch.“ Sechsundsiebenzig schwere Geschütze stehen in
der Stadt vertheilt, z. B. im Hofe der Nationalversammlung allein 14, im
Temple 40, ferner 80 in der Militärschule am Marsfeld, und die Kanonen
vieler Forts sind auf die Stadt gerichtet. Cavaignac hat wieder eine
befremdende Thorheit begangen: als die Journalisten ihm die Protestation
wegen seiner Preßverletzungen überreichten, sagte er: „Bürger, hätten Sie
nicht protestirt, so könnte ich Sie nicht achten; ich freue mich, in Ihnen
Männer zu finden; übrigens kann ich nichts ändern.“ Der „Impartial du Nord“
ruft: „Wo soll das hinaus? Eugen, Du vergißt was Godefroy, Dein Bruder, so
oft gelehrt hat. Flocon, Freund des großen Todten, hat Dich aus Algier
kommen lassen, weil Du der einzige republikanische
General warest, (Schande genug für das Vaterland St. Just's!) aber wir
hoffen, Du wirst anders noch als mit Kanonen und Polizeimandaten die
Republik halten wollen.“
Die Polizei ist beireits sehr mißlaunig gegen die paar neu eröffneten Klubs,
die sich „Lehrkourse“ nennen und somit auch Damen zu lassen; gestern war ich
in dem der Fourieristen, wo Toussenel unter ungeheurem Beifall herbe
Angriffe gegen die Geldaristokratie machte und ganz einfach verlangte, der
Staat solle die Bank, die Eisenbahnen, den Gütertransport (Roulage), die
Courtage (aber mit gründlicher Statistik der Handelsverhältnisse) und die
Versicherungsanstalten übernehmen. Unfehlbar kommt bald ein neues
Antiklubgesetz, wenn das Ding so fortgeht; der protestantische Herr Pastor
Athanasius Coquerel hat ja auf diese Art ganz umsonst die Frauen
ausschließen lassen? Durch die Polizeiplackereien wird ein Theil der
Bourgeoisie auf's Neue erbittert, und die heiligen Heerschaaren der
Ordnungskämpfer werden dermal einst nicht so vollzählg sein als im Juni. Die
Mobile wird ganz zu einer Municipalgarde dressirt, man vertheilt an sie den
Abschaum der Tagespresse: „Assemblée Nationale“ und „Constitutionnel“
insonderheit. „Der Ouvrier ist meist ein Faulenzer“, dozirte ein 14jähriges
Bürschchen von der Mobile in einem Tanzlokale einer Gruppe
[0462]
ehrfurchtsvoll lauschender Philister, „und nur die Armee weiß, was arbeiten
heißt; Republik ist hier nicht möglich.“ Man nickte freudig und gab ihm
Bier. — Die „Verdächtigen“ unter der Mobile werden genau beaufsichtigt, man
spricht von ihrer Entlassung, und bei der Anwerbung der neuen Bataillone
wird auf die „politische Gesinnungstüchtigkeit“ Rücksicht genommen. — In der
Kammer wird die Constitution bald diskutirt werden, und man prophezeit dabei
sehr ernste Scenen. Die Thiersklike ist einig über das amerikanische
Zweikammersystem, sagt „Le Constituant“ von Toulouse; „diese feilen,
verschmitzten Dummköpfe wollen unser socialistisches Proletariat nach der
1787ger Constitution des guten und großen Washington zurückmodeln; wie würde
der alte Held die Sophisten der Straße Poitiers verachten! Wir haben heute
mit Nordamerika's Krämerwelt nichts mehr zu schaffen. Der Herr Baron
Toqueville hat Amerika bereist und schwärmt für Zweikammerwirthschaft und
pensilvanische Kerker, wie das einem Philantropen zukommt; aber er wird
noch vor Ablauf dieses Jahres merken, daß er und
sein Gebieter Senard selber mit ihrer Philantropie bei uns Galliern
straucheln. Uebrigens sind wir müde des melancholischen Säbelregiments,
und fordern Entscheidung, rechts oder links, statt
dieses dumpfigen, schwülen, stillen, dunkeln, tückischen Bleideckels, der
auf dem gallischen Volke zum Vergnügen einer kleinen Schaar von Messieurs
lastet.“
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@facs | 0462 |
[
12
] Paris, 29. Aug.
Wir machen wirklich wieder Halt am Ursprung der Republik; die Sprache des
„Journal des Debats“ läßt uns hierüber keinen Augenblick zweifelhaft. Wir
hatten uns also in der Beurtheilung der Quartbände nicht getäuscht. Was kein
Bourgeois-Blatt früher auszusprechen wagte, das tritt jetzt unverholen
hervor. Louis Blanc und Caussidiere, heißt es, waren juristisch Angeklagte;
sie waren Verschwörer; deßhalb spielten sie eine untergeordnete Rolle: sie
hatten sich zu rechtfertigen.
Ledru-Rollin aber war ein politisch Angeklagter; er hatte sich nicht
juristisch zu rechtfertigen: deßhalb war er in der Kammersitzung die
Hauptperson. Um eine politische Rolle zu spielen, sagt das Journal weiter,
darf man kein Verschwörer sein, noch sich durch einen Handstreich der Gewalt
zu bemächtigen suchen: „Wir nehmen jedoch den Ursprung der Republik aus, und
beiläufig gesagt, halten wir alle Diskussionen über den Ursprung der
Republik für überflüssig. Der 24. Februar ist ein Faktum, wie es Hr.
Ledru-Rollin früher gesagt hat. Der 24. Februar ist die Gründung Roms.“
Also vor der Gründung Roms durfte man Verschwörer sein; man durfte Rom
gründen helfen auf jede mögliche Weise; die Gründer Roms durften Räuber
sein, oder was sie nur immer wollten; die Gründung Roms war die
Rechtfertigung Roms. Ledru-Rollin sagt: die Republik ist ein Faktum, d. h.
sie ist durch ihr Dasein gerechtfertigt. Guizot hätte gesagt: die Republik
ist ein fait accompli; d. h. das Faktum läßt sich nicht rückgängig machen.
Das „Journal des Debats“ sagt: nehmen wir die Republik als ein einstweiliges
Faktum an; aber verurtheilen wir alle folgende Fakta, alle Fakta, welche der
Republik eine sozialistische Tendenz geben wollen. Nun ist gerade
Ledru-Rollin in diesem Augenblicke derjenige, welcher die rothe Republik
offen proklamirt. Ihr versteht die rothe Republik nicht, sagt er in der
Kammer. Sie ist lange nicht so gefährlich als sie aussieht. Sie geht eben so
wenig auf Vernichtung der Familie aus, als auf Abschaffung des Eigenthums.
Sie will im Gegentheil den Arbeitern Eigenthum und Familie anschaffen, und
weiter nichts abschaffen als Prostitution und Brodlosigkeit. Dies sieht aber
für das Journal des Debats sehr roth aus: kann man über das allgemeine
Stimmrecht hinausgehen, ohne in den Sozialismus zu verfallen? So frägt es
ängstlich.
Unmittelbar nach der Februar-Revolution erwartete man Alles vom allgemeinen
Stimmrecht, die Arbeiter ihre Erlösung, die Barrots und Thiers ihren
Untergang. Gerade das Gegentheil fand Statt. Die Bourgeois erkannten, daß
das allgemeine Stimmrecht keine so gefährliche Sache sei; die demokratische
Partei sah ihre Illusionen über politische Revolutionen ein. Louis Blane und
Ledru-Rollin waren die eigentlichen Vertreter der demokratischen Partei, und
jeder suchte auf seine eigene Weise zu wirken, der eine durch seine
Cirkuläre aus dem Ministerium, der andere durch seine Delegirten im
Luxemburg: ihre Wirksamkeit brach sich am Fortbestehen der bisherigen
sozialen Verhältnisse. Man wollte den Grundeigenthümer besteuern; die Steuer
von 45 Centimes traf nur den armen Bauer, der nur noch nomineller
Eigenthümer war; der eigentliche Eigenthümer war längst der Kapitalist durch
die Hypothek geworden. Man wollte das Verhältniß zwischen Arbeiter und
Arbeitgeber reguliren: die Arbeitgeber, die Industriellen schrieen: seht,
wie können wir fernerhin noch Arbeit geben, wenn der Kredit verschwunden
ist, wenn die Bank unsere Effekten nicht diskontiren will, wenn unsere
Waarenlager unverkäuflich sind? Alles hing an den großen Kapitalisten. Aber
das Kapital war deßhalb unangreifbar, weil es unsichtbar, weil es ein
gesellschaftliches Verhältniß war, und weil jedesmal, wo man den
Kapitalisten zu treffen glaubte, man nur den Lastträger traf. Caussidiere
war dermaßen im Unklaren über diese Verhältnisse, daß sein ganzer Zorn sich
in Worten über die kleinen Bourgeois ausließ, die weiter nichts als die
Illusionen des Eigenthums hatten, und denen er alle Schuld gab, daß das
sogenannte „Vertrauen“ nicht mehr zurückkehrrn wollte. Mit Rothschild und
Fould und den Aktionären der Bank aber lebte er im besten Einverständnisse.
Er ruft sogar in seiner Vertheidigung das Zeugniß des Herrn Rothschild an,
dessen größtes Vergnügen darin bestand, sich mit ihm, dem damaligen
Polizeipräfekten, zu unterhalten. „Aber der arme Mann! Er kann nicht, wie er
will.“ In solchen Ausdrücken spricht Caussidiere von Hrn. Rothschild.
Um zur Erkenntniß des bürgerlichen Eigenthums zu gelangen, haben die
Franzosen erst die Juniereignisse durchmachen müssen. Zur Zeit der ersten
Revolution waren die Eigenthumsverhältnisse lange nicht so entwickelt; es
handelte sich zunächst um die gänzliche Zerstörung des feudalen Eigenthums,
um die Herausbildung des bürgerlichen Eigenthums. Die damaligen
Revolutionäre verfuhren auf eine sehr radikale Weise, um das Feudalwesen
auszurotten.
Diejenigen, deren ganze Anschauungsweise mit dem Feudalismus verwachsen, die
mit dem ganzen Leibe in dem Boden angewachsen waren, wurden auf gewaltsame
Weise, durch Trennung des Kopfes vom Rumpfe, vom Boden getrennt.
So verfuhren die damaligen Revolutionäre, die zwar Proletarier waren, aber im
Interesse der Bourgeoisie kämpften und der späteren entschiedenen
Bourgeoisherrschaft den Weg bereiteten. Aber die Revolutionäre von 1848, die
Proletarier, die endlich einmal für ihre eigenen
Interessen kämpfen wollten, waren großmüthig; sie ließen nicht nur die
Personen, sondern sogar die Lebensverhältnisse ihrer Gegner unangetastet,
die damals so leicht untergraben werden konnten. Und nun, da sie endlich,
durch Noth und Verzweiflung getrieben, den ersten Kampf gegen diese
Verhältnisse beginnen, nun werden sie niedergemetzelt, deportirt oder den
Kriegsgerichten übergeben, und die Leute, die den unvermeidlichen Kampf
vorhersehen, werden von der Bourgeoisversammlung ausgestoßen und der Rache
ihrer erbittertsten Feinde preisgegeben.
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@facs | 0462 |
Paris, 29. Aug.
Laut amtlichen Bulletins vom 28. sitzen 3273 Personen wegen allerlei
Verbrechen, und 6444 Juniräuber in den hiesigen Forts und Gefängnissen.
Während der letzten sieben Tage ereigneten sich nur
10 Selbstmorde, 12 Eigenthumsangriffe und durchschnittlich 6 grobe
Diebstähle per Tag!!
— In den östlichen Departements sind mehrere Trümmmer der republikanischen
Legionen Oberitaliens angekommen. Die armen Teufel sind zerlumpt und
entkräftet.
— Es ist entschieden, daß die Insurgenten nicht nach einer unwirthbaren Insel
sondern nach Algerien übergeschifft werden, wo man für sie trappistische
Kolonisationspläne entwirft.
— Unsere sonstigen Nachrichten aus Algerien lauten sehr günstig. Die
Stammhäupter der Eingebornen zahlen ihren Tribut u. s. w. Die Ernte,
besonders um Oran herum, ist vortrefflich ausgefallen.
— Der Constitutionnel erscheint jetzt auch ohne leitenden Artikel.
— Proudhon's „Repräsentant des Volks“ wird in Lyon forterscheinen.
— Die Post von Bordeaux enthält weder Briefe noch Journale aus Madrid.
— Der mittlere Verbrauch des Tabaks in Frankreich ist 529 Grammen auf die
Person. In Sardinien ist er 1000 Grammen, in Dänemark 1030, in den
Zollvereinstaaten 1380, in Holland 1310 und in Belgien 2000.
Woher kommt dieses Mißverhältniß? Es kommt daher, weil, nach der Gesetzgebung
über das Tabakmonopol, in 70 Departements von Frankreich, kein Tabak unter 8
Fr. das Kilogramme verkauft wird; und dennoch befinden sich unter diesen 70
Departements die ärmsten Frankreichs.
— National-Versammlung vom 29. — Corbon präsidirt.
Lamennais' Antrag, wegen des incriminirten
Artikels seines Blattes nicht den Geranten sondern ihn zu verfolgen, wird
nach kurzer Debatte abgelehnt —
Woirhaye verliest, da Marrast abwesend, den
Verfassungsentwurf wie er vom Ausschuß angenommen
Die Einleitung ist gänzlich geändert. Art. XX. behält nur Eine gesetzgebende
Kammer bei. Art. XXVI. gibt allen 25jährigen Aktivbürgern das Recht, zu
wählen und gewählt zu werden. Art. XXIX. Die Kammer sitzt drei Jahre und ist
permanent, doch kann sie Pausen zwischen ihren Sitzungen eintreten lassen.
Art. 41. Das Gesammtvolk wählt den Präsidenten der Republik durch
allgemeines Stimmrecht. Art. 44. Erhält kein Kandidat das absolute
Stimmenmehr, so wählt ihn die Nationalversammlung aus denjenigen 5
Kandidaten, welche die meisten Stimmen erhielten. Art. 59 bewilligt dem
Präsidenten 600,000 Fr. Gehalt jährlich. (Agitation im Saale). Art. 60
verbietet dem Präsidenten, das Gebiet der Republik zu verlassen. Art. 106
schafft das Militärersatzwesen ab. (Aufregung). Art. 112 erhält die
Ehrenlegion. Art. 113 vereinigt Algerien mit Frankreich.
Pagnere legt den Bericht uber Verwendung der für die
ehemalige Exekutivkommission votirten 150,000 Fr. vor, wovon nur 45,000 Fr.
verwandt. Wird gedruckt.
Laussedat begründet seinen Antrag wegen der in den
Tuileri#en gefundenen Papiere.
Senard und Larochejacquelein
dagegen. Der Antrag geht an die Bureaux.