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Das Domfest von 1848.
(Schluß statt Fortsetzung.)
Ich erkannte die Medicäerin auf der Stelle, denn was man liebt, das erkennt
man sogleich und ich liebe alle Frauen und Mädchen, die Marie heißen. Es ist
mir unbegreiflich, wie ein schönes Mädchen anders heißen kann, als
Marie.
Gespenstisch rauschte Marien's Gewand, geisterhaft bewegten sich die
brüsseler Spitzen ihres seligen Nackens und traurig prächtig schaute die
königliche Frau auf mich herab, als ich ihr in jener Domtraumnacht zitternd
den Arm bot.
„Ich versichere Ihnen, gnädige Frau, ich war immer davon überzeugt, daß Sie
noch lebten und wenn ich Nachts an jenem Hause vorbei kam, in dem unser
Rubens geboren wurde und in dem Sie gestorben sein sollen, da blieb ich
nicht selten an der Thüre stehen und zog die Schelle und erkundigte mich
nach Ihnen und fragte, ob ich Sie nicht sprechen könne. — —
Herr Wagner, der jetzige Besitzer des Hauses, der in solchen Augenblicken,
mit der Nachtmütze auf dem Kopfe, etwas ärgerlich an's Fenster trat,
erklärte mir jedes Mal, daß Frau Maria von Medicis längst todt sei und im
Dome begraben liege, und als ich ihm einst sehr entschieden widersprach, da
nannte er mich sogar einen Esel und schüttete mir eine Karaffe Wasser auf
den Kopf — aber ich ließ mich durch nichts irre machen, ich blieb bei meinem
alten Glauben und sieh, ich habe mich auch nicht getäuscht! —“
Langsam waren wir die Halle hinab geschritten und hatten uns von den übrigen
Domgeistern entfernt. Von jeher zog ich es vor, mit schönen Frauen allein zu
sein.
„Sie sehen, Frau Maria, das Innere des Domes wird bald vollendet sein. Wenn
die hohen Gäste der Domfeier nur fortfahren, recht tüchtig beizusteuern, so
werden wir auch in zehn oder zwölf Jahren mit unsern Thürmen bis in die
Wolken reichen — gleicht nicht schon jetzt das ganze Gebäude einer
versteinerten bethovenschen Symphonie? —“
„Von welchen Gästen sprechen Sie?“ — fragte mich Maria.
„Nun, vom Könige von Preußen und vom Kaiser Barbarossa! —“
„Barbarossa?“ — versetzte meine Begleiterin verwundert.
„Allerdings! Er ist auferstanden aus dem Kyffhäuser; drei englische
Rasiermesser zerbrach man beim Scheren seines rothen, durch den Tisch
gewachsenen Bartes. —“
„Aber was will der alte Herr nochmals auf der Oberwelt anfangen? —“
„Er will ein einiges, freies Deutschland herstellen, einig im Innern und
stark nach Außen. Mit der deutschen Einigkeit selbst, soll dann auch das
Symbol derselben, der Kölner Dom, vollendet werden. —“
„Aber Sie glauben ja, daß der Dom erst in zehn oder zwölf Jahren fertig
werde?“
„Nun, so lange wird es auch mit der deutschen Einigkeit dauern, vielleicht
noch länger. Herr Barbarossa wird sich noch oft rasiren lassen müssen, ehe
er mit seiner Arbeit fertig ist.“
„Es ist unbegreiflich, wie ein alter Mann am Abende seines Lebens noch
dergleichen zu unternehmen wagt. —“
„Gewiß! denn mit den deutschen Fürsten ist nicht zu spassen. Als gestern die
Nationalversammelten vor den König traten, um ihn im Auftrage ihrer Kollegen
hier am Rheine zu begrüßen, da sagte er ihnen: „Die Bedeutsamkeit Ihrer
Versammlung verstehe ich sehr wohl, meine Herren. Ich sehe sehr wohl ein,
wie wichtig Ihre Versammlung ist! —“ Die Stimme Sr. Majestät nahm hier einen
sehr ernsten, schneidenden Ton an. — „Vergessen Sie aber auch nicht, daß es
noch Fürsten in Deutschland gibt“ — hier legte Se. Majestät die Hand auf's
Herz und sprach mit ungemeinem Nachdruck — „und vergessen Sie nicht, daß Ich
dazu gehöre!“ —
„Daran erkenne ich einen König! —“
„Allerdings, und Se. Majestät sprach mit so viel Wärme, daß sich der größte
Theil der Nationalversammelten durch die glänzende Rhetorik Sr. Majestät
hinreißen ließ und auf's lebhafteste und herzlichste applaudirte. Man sah
nie ein schöneres Schauspiel, es war ein eigentlicher Kunstgenuß. —“
„Aber wer sind denn diese Nationalversammelten?“ — fragte mich Maria
weiter.
„Gnädige Frau, es sind schwache, sterbliche Menschen. Menschen, die sich
gelegentlich von der Tribüne reißen und die sich einander ausschimpfen. Es
sind nur wenige Götter unter ihnen, und diese Götter sollen auch eigentlich
nur Halbgötter sein, oder sehr heruntergekommene Götter. Diese
Nationalversammelten waren es, die den alten Barbarossa in der Tiefe des
Kyffhäusers aufsuchten und ihn dazu veranlaßten, die Geschicke des
Vaterlandes auf's Neue in seine Hand zu nehmen. Barbarossa schüttelte den
langen, rothen Bart und fragte seinen Zwerg, ob die Raben noch um den Berg
flögen. Der Zwerg schaute aus einer Bergritze, wie aus einem Fenster, und
als er sich davon überzeugt hatte, daß die häßlichen schwarzen Thiere in
Folge der Wiener und Berliner Ereignisse wirklich etwas eingeschüchtert
seien, da meldete er dies seinem Herrn und der alte Barbarossa nahm die
Einladung der Deputirten an und stieg herauf in der alten Pracht und
Herrlichkeit zum großen Verdruß aller Fürsten und aller Poeten, namentlich
der letztern, die nun nicht mehr vom Kyffhäuser singen können und von dem
langen Barte, dem Zwerg und den Raben. Vielleicht haben sie später wieder
dazu Gelegenheit. —“
„Sagen Sie mir doch, was verstehen Sie unter den Wiener und Berliner
Ereignissen? —“
„Revolutionen, theuere Freundin! —“
„Drücken Sie sich gütigst deutlicher aus — ich bin zu lange — abwesend
gewesen, als daß ich gleich wüßte, was sie mit — Revolutionen meinen. —“
„Volksbelustigungen, verehrte Frau! Man rottet sich zusam-
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men, man stürmt einige Waffenläden, man baut Barrikaden, man schießt die
königlichen Truppen nieder, man zieht vor das Schloß und ehe man noch seine
Forderungen gestellt hat, da ist auch schon Alles bewilligt und friedlich
geht man wieder nach Hause. Nichts ist amüsanter! —“
„Seltsam!“ — bemerkte Frau Maria und sah mich mit ihren dunkelblauen Augen so
feierlich an, wie ein stiller Abendhimmel. „Gehören Sie auch zu den Leuten,
welche Revolutionen machen?“ Die Medicäerin faßte meinen Arm mit beiden
Händen; es wurde mir unheimlich zu Muthe. —
„Theuere Maria, ich liebe alle schönen Frauen und ich liebe Sie vor allen
Andern. —“
Da hatten wir die größere Hälfte des Domes durchschritten und näherten uns
den Festern Ludwigs des Baiern.
Unbemerkt von der übrigen Gesellschaft, konnte ich bisher mit meiner
göttlichen Begleiterin reden, da wollte der Zufall, daß uns der heilige
Christoph bemerkte und von seinem Postamente herabsteigend, unsern Schritten
folgte. Nichts ist mir unangenehmer, als eine so enorme Leibeslänge, wie sie
der heilige Christoph besitzt. Ich glaubte, der Republikaner Karl Heinzen
rückte mir auf den Pelz und ich bekam einen Todesschrecken. Maria bemerkte
meine Verlegenheit und lächelte. „Trösten Sie sich, der heilige Christoph
wird Ihnen nichts zu Leide thun; er ist ein ehrlicher, guter Mann, der stets
auf's zärtlichste um mich besorgt ist; thun Sie, als ob Sie ihn gar nicht
sähen!» — Ich gehorchte, aber der heilige Mann, mit seinem großen Stock,
ärgerte mich; ich kann diese ungeschlachten, charakterfesten Menschen nicht
leiden.
„Die schönen Fenster schenkten uns Herr Ludwig,“ fuhr ich zu Marie fort,
„volksfreundliche Demokraten haben behauptet, es sei eine wahre Schande, daß
er seine Bauern nur mit Steuern pfefferte, um alles Geld wieder für die
Kunst wegzuwerfen. Ich muß Ihnen gestehen, ich bin durchaus anderer Meinung;
es ist mir lieber, daß die geduldigen baierischen Bauern etwas weniger Speck
gegessen und Bier getrunken haben und daß wir die Fenster besitzen, als wenn
es umgekehrt wäre.“ Maria war ganz im Anblick der schönen Fenster versunken.
„Sehen Sie, theuere Freundin, links in der Ecke bemerken Sie die heilige
Cäcilia, Katharina und Klara; die Steinigung des h. Stephanus und Bruno den
Karthäuser, der nicht mit Bruno Bauer, dem Philosophen, zu verwechseln ist.
Der letztere hätte freilich auch ein Heiliger werden können; seit er sich
aber auf die Politik geworfen hat, da ist es aus mit ihm; er hat keine
Chance mehr. Im zweiten Fenster sehen Sie den heiligen Geist, die
Kirchenväter und das baierische Wappen und darunter Ludovicus I. Bavariae
rex Donator 1848. Das dritte schmücken die vier Evangelisten; aus dem Rahmen
des vierten schauen Abraham, Noah, David, Salomo u. s. w., lauter berühmte
Männer; das fünfte Fenster zeigt uns eine Menge Heiliger beiderlei
Geschlechts, deren Namen mir leider entfallen sind. Zur Buße für dies
sündige Vergessen werde ich sie nächstens noch einmal auswendig lernen. — O,
ich bin entsetzlich zurückgegangen; in früheren Jahren war ich nicht nur mit
allen Heiligen der Stadt Köln bekannt, nein, ich verstand mich auch auf alle
unsere Historien, Sagen und Legenden so gut wie der Dr. Ernst Weyden, ja,
ich wußte noch viel komischeres Zeug als er. Uebrigens sagen Sie mir
aufrichtig, wie gefallen Ihnen diese Glasmalereien?“
Maria schaute nach den alten Fenstern der gegenüber liegenden Seite und
schüttelte mit dem Kopfe: „Man sieht, daß Jahrhunderte zwischen diesen und
jenen liegen.“
„Sie haben recht, theuere Freundin, es will den Malern jetziger Zeit nicht
mehr gelingen jene frommen, verrenkten Schenkel verrauschter Jahrhunderte
hervorzubringen. Leute, die Cigarren rauchen und die in's Theater gehen um
Charlotte von Hagen zu hören, oder die Beine Fanny's zu bewundern, sie sind
für die heilige Malerei verdorben. Vergebens werden sich die armen
Düsseldorfer und Münchner anstrengen, einen erträglichen heiligen Geist,
einen schönen Engel oder dergleichen Ueberirdisches zu Tage zu fördern — sie
sind kalte nüchterne Menschen, sie werden die naiven Fehler der Alten nie
erreichen. Die Geister der Weisen sitzen in den Wolken und lachen über sie.
Lachen wir über beide!“
Während ich sprach, hatte ich mich fester an die schöne Medicäerin
geschmiegt, und ich weiß nicht was ich gewagt hätte, wenn nicht der heilige
Christoph mit einer wahrhaft beunruhigenden Gewissenhaftigkeit hinter uns
her gestolpert wäre. „Drücken Sie sich,“ raunte ich ihm daher von der Seite
zu, „Sie verstehen ja doch nichts von der Kunst; Sie sind gar nicht an ihrem
Orte; entfernen Sie sich, frommer Freund!“ Der heilige Christoph maß mich
von oben bis unten. Seine großen dummen Augen blinkten gläsern wie zwei
Fenster. Maria schaute ihn an und nickte herablassend; es war kein Zweifel
mehr, Christoph war eifersüchtig! „Soll ich ihn fordern auf krumme Säbel,
auf Pistolen?“ Ich zitterte vor Wuth; da wandte sich meine Freundin und zog
mich hinauf den hallenden Säulengang und es rauschte ihr Kleid wie ein
Mährchen der Scheherezade.
„Sie haben mir noch gar nicht gesagt wer Sie sind?“ fuhr Maria fort und
blickte mich fragend an. Es war mir unangenehm so ohne Weiteres ausgeforscht
zu werden. Der heilige Christoph spitzte die Ohren und kam wieder ganz in
unsere Nähe. „Ich treibe ein heiliges Handwerk, theuere Freundin, ich bin
ein Spötter!“ Der große Christoph stutzte; Maria sah mich verwundert an. Die
herrliche Frau wurde immer schöner. Das Mondlicht fiel durch die Fenster
König Ludwigs und streute Diamanten und Saphire auf sie herab — und immer
stürmischer kochte mir es in den Adern. „Ja, ich bin ein spottender
Schriftgelehrter, heiliger Christoph,“ fuhr ich dann zu dem Ungeschlachten
fort, „und nehme er sich in Acht, guter Freund, sonst werde ich ihn zausen
und lächerlich machen, daß er d'ran denken soll bis an den jüngsten Tag. Was
langweilt er uns durch seine überflüssige Gegenwart? Schere er sich zurück
auf sein Postament, sonst werde ich es aufnehmen mit meiner profanen Feder
gegen seinen
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gegen Schmidt, — in der That, die Herren von der Rechten sind seine
Kritiker!
Hr. Lychnowski schließt die Sitzung. Diesen Freund indeß behalten wir uns für
den nächsten Artikel vor; einen Redner vom Kaliber des Hrn. Lychnowski
bricht man nicht übers Knie!
(Fortsetzung folgt.)
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[
!!!
] Frankfurt, 28. August.
67. Sitzung der National-Versammlung. Präsident von Gagern. Beginn 1/2 10
Uhr. Tagesordnung: Fortsetzung der Berathung über den Artikel III. der
Grundrechte des deutschen Volkes.
Rieser (im Namen des Prioritätsausschusses) erstattet Bericht über ein Gesetz
für Unverletzlichkeit der Abgeordneten. Der Ausschuß beantragt: Ein
Abgeordneter darf vom Augenblick seiner Wahl an bis 8 Tage nach seinem
Austritt aus der Versammlung, außer bei Ergreifung auf frischer That, nicht
verhaftet werden. Kein Abgeordneter darf wegen irgend einer in seiner
Funktion als Abgeordneter gethanen Aeußerung gerichtlich verfolgt
werden.
Zachariä (für den völkerrechtlichen Ausschuß) bringt zwei Berichte:
1. betreffs der aus der Wahl zur National-Versammlung ausgeschlossenen
Besatzung von Luxemburg.
2. betreffs einer neuen Petition wegen der im Juni-Aufstand zu Paris
betheiligten und von der französischen Regierung eingesperrten
Deutschen.
Diese beiden Berichte werden sogleich vorgenommen.
Nro. 1. Die Eingabe der Luxemburger Offiziere wird dem Verfassungs-Ausschuß
als Material zum Entwurf des zukünftigen Wahlgesetzes über geben.
Nro. 2 wird durch die Erklärung des Minister Heckscher, betreffs der in Paris
beim letzten Aufstand betheiligten Deutschen als mit erledigt erachtet.
Kerst (im Namen des Marine-Ausschusses): Der Marine-Ausschuß hat beschlossen,
die sämmtlichen an die National-Versammlung eingegangenen Beiträge zur
deutschen Flotte dem Finanzministerium zu übergeben. 68,000 Gulden stehen
bis jetzt zur Verfügung. Der Ausschuß bemerkt, daß vorzugsweise die weniger bemittelten Klassen und Frauen und
Jungfrauen beigesteuert haben.
Tagesordnung: §. 13 der Grundrechte.
Kauzer, Pfarrer aus Würtemberg, begrüßt aus vielen Gründen den §. 13 mit
Freude. Den durch denselben abgeschafften Staatsreligionen weint er keine
Thräne nach. Der Geist der Demokratie, der über die Erde geht, klopft auch
an die Thüre der Kirche. Er hofft, die Kirche wird die Prüfung der Freiheit
bestehen. (Bravo).
Beckeraty (Finanzminister) empfiehlt den Paragraphen so zu lassen, wie der
Ausschuß ihn giebt.
Moritz Mohl: (Schluß!) Es giebt kein größeres Unglück als das der Israeliten,
die kein Vaterland haben und auf der ganzen Erde verstreut sind. (Im Centrum
Einer sehr laut: Nein!) Wir wollen deshalb human sein gegen die Juden aber
doch gehen uns die Rechte des deutschen Volkes jederzeit vor. Die armen
Landleute wurden bisher von den Juden ausgesaugt. Wenn ein Jude einmal einen
Fuß in die Hütte des Bauern gesetzt hat, so ist der Bauer verloren. Diese
Frage wird mich zwar unpopulair machen, aber dennoch will ich weiter
sprechen. Man wird mir die lange Unterdrückung der Juden entschuldigend
vorhalten, aber die Israeliten werden immer wie ein Tropfen Oel auf dem
Wasser der deutschen Bevölkerung schwimmen. (Verhöhnung, Zischen).
Dr. D. Riesser aus Hamburg (Jude) spricht im Namen einer seit Jahrtausenden
unterdrückten Volks- (?) Klasse gegen die ungerechten Angriffe des Herrn
Mohl. Die Nationalitäten können allerdings nur dann sich recht vermischen,
wenn sie volle Freiheit der gemischten Ehen, also auch zwischen Juden und
Christen aussprechen. Der Vorwurf des Schachers ist lächerlich So lange Sie
den Schacher selbst nicht aufheben, müssen die Juden eben so gut schachern
können, wie die Christen, wie es auch geschieht. Ich bin stolz darauf, in
dieser Sache Partei zu sein. (Bravo).
Osterrath will für dasselbe Prinzip wie der vorige Redner, für die
Duldsamkeit, sprechen. Das, was Mohl über die Juden gesagt, sei nicht wahr.
Der Polizeistaat hätte sich mit den Juden, Quäkern und Menoniten vertragen.
Der „freie Staat“ (des bürgerlichen Schacherthums) würde es wohl noch viel
eher können.
v. Linde aus Mainz (heftig: Schluß, Schluß!)
Gagern: Will die Versammlung die Debatte über § 13 schließen? Nein.
v. Linde spricht sehr lange und sehr langweilig.
Rheinwaldt (läuft schnell auf die Tribüne). M. H., ich habe den Antrag
gestellt, Ligourianer, Redemptoristen und Jesuiten aus dem deutschen Reiche
zu verbannen. (Gagern bemerkt, daß dieser Antrag zu §. 24 gehört.) Der
Redner scheint anderer Ansicht zu sein; spricht lang und breit über die
Jesuiten. Wenn in Deutschland ein politischer Verein bestände, die neue
Freiheit zu vernichten, Sie würden ihn gewiß verbieten. (Edles Vertrauen in
diese klassische Versammlung.) Ein solcher Verein ist, wenn auch unter
religiöser Form, der Jesuitenverein. Spricht sehr lange nach irgend einem
Buche von der Organisation des Ordens.
Reichensperger, der Trierer Jesuitenfreund, fordert von Hrn. Rheinwaldt
Beweise für das, was er von den Jesuiten gesagt hat.
Die Versammlung beschließt, daß diese Dinge zu §. 24 gehören. Hierauf
schließt man die Diskussion über §. 13, und es spricht wie gewöhnlich noch
eine Zeit lang Hr. Beseler.
Die Amendements werden zur Unterstützung verlesen. Grävell's sämmtliche
Amendements werden mit Gelächter begrüßt und finden keine Unterstützung.
Moritz Mohl's Amendement wegen der Juden fällt unter Bravo ganz durch. —
Abstimmung. 1) über §. 11.
Der Antrag des Ausschusses: „Jeder Deutsche hat volle Glaubens- und
Gewissensfreiheit.“ einstimmig angenommen.
Ein Zusatz von Plathner: „Niemand ist verpflichtet, seine religiöse
Ueberzeugung zu offenbaren oder sich irgend einer religiösen Genossenschaft
anzuschließen.“ angenommen. (Links und Centrum: Bravo! Rechts: Zischen.)
Ein zweiter Zusatz von Plathner: „Niemand darf seiner religiösen Ueberzeugung
wegen benachtheiligt oder zur Verantwortung gezogen werden.“ giebt ein
zweifelhaftes Resultat. Man zählt die Stimmen.
Gagern: Der Antrag ist mit 217 gegen 199 Stimmen angenommen. (Links:
Bravo!)
Gagern (nach einer kleinen Pause): Es war ein Irrthum. Der Antrag ist mit 217
gegen 199 Stimmen verworfen. (Großes Gelächter.
Rechts: Bravo! Links: Namentlich abstimmen!)
Abstimmung über §. 12. Wird nach dem Verfassungsausschuß angenommen.
Gagern: Hiermit sind alle Anträge zu diesem Paragraphen beseitigt.
Vogt (vom Platze): Nein! Der zweite Satz meines Amendements nicht. (Dieser
heißt nämlich: „Zum Zwecke dieser Religionsübung darf jede von den Gesetzen
nicht verbotene Handlung vorgenommen werden.“)
Gagern: Ich glaube bei meinem Beschluß beharren zu müssen. (Rechts: Ja! Links
heftig: Nein!)
Eisenmann erklärt sich für Vogt's Ansicht. (Vogt macht ihm vom Platze aus
höhnische Komplimente.)
Gagern: Es bleibt dabei (basta!). — Man geht zur Abstimmung von §. 13. Mit
Verwerfung der Backhausischen u. m. A. Anträge und mit Verwerfung eines
Antrages von Martens wird auch §. 13 in der Fassung des Ausschusses
angenommen.
§. 11 lautet demnach: „Jeder Deutsche hat volle Glaubens- und
Gewissensfreiheit. Niemand ist verpflichtet, seine religiöse Ueberzeugung zu
offenbaren oder sich irgend einer religiösen Genossenschaft anzuschließen.“
§§. 12 und 13 bleiben nach dem Vorschlage des Verfassungsausschusses
unverändert.
Einige Abgeordnete von Tyrol erklären nach der Abstimmung zu Protokoll, daß
sie zwar für diese Paragraphen gestimmt haben, aber die Hoffnung
aussprächen, bei Anwendung dieser Maßregeln werde man in Tyrol mit Rücksicht
auf die eigenthümlichen Verhältnisse dieses Landes (nach Prof. Gasser: mit
Schonung) verfahren. Diese Erklärung verursacht Erstaunen, Widerspruch und
Mißbilligung. Man verlangt die Namen zu hören.
Gagern fragt die Versammlung, ob sie die auf der heutigen Tagesordnung
stehende Wahl eines Finanzausschusses heute noch vornehmen wolle? Man ist zu
sehr angestrengt und beschließt dies für morgen.
Schluß der Sitzung 2 1/2 Uhr. Morgen: Fortsetzung der Berathung über die
Grundrechte.
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[
103
] Berlin, 28. August.
Sitzung der Vereinbarer-Versammlung. — Tagesordnung: Berathung des Gesetzes
über die Errichtung der Bügerwehr. — Nachdem mehrere
Geschäftsangelegenheiten beseitigt sind, wird zuerst, das in den letzten
Sitzungen berathene und amendirte Gesetz zum Schutze der persönlichen
Freiheit Habeas-Corpus-Akte — einstimmig angenommen. —
Hierauf folgen die dringenden Anträge und Interpellationen.
Abg. Berends. Interpellation an den Minister des
Innern wegen der in der Nacht von Sonnabend zu Sonntag stattgehabten
ungesetzlichen Haussuchungen und Beschlagnahme von Munition in den Lokalen
des Handwerkervereins, welche Gründe dazu vorlagen und ob man nicht den
ausführenden Polizeibeamten deshalb in Anklagestand versetzen werde? — Wird
mit starker Majorität als dringend anerkannt. —
Der Minister des Innern antwortet: von dieser Angelegenheit außer dem was er
aus allgemeinen Gesprächen gehört habe, nichts erfahren zu haben. Er wird
bis zur Freitagssitzung die amtlichen Berichte darüber einfordern und die
nöthige Auskunft ertheilen. —
Abg. Fretzdorff. (Kaufmann aus Stettin, Freihändler.)
dringende Inpellation: „ob es gegründet, daß mit den Zollvereinsstaaten ohne
Vorbehalt der Zustimmung der Versammlung eine sofortige Erhöhung der
bestehenden Eingangs-Abgaben auf seidene, halbseidene und wollene Waaren
vereinbart worden ist, und wodurch diese, dem Geiste der Zeit und dem wahren
Interesse des Landes durchaus widerstrebende Maaßnahme ihre Rechtfertigung
finden soll.“ — (Die Majorität erkennt diese Interpellation als dringend
an.)
Der Handelsminister Milde. Was die Frage anbetrifft,
so beantworte ich sie allerdings mit: ja, der größte Theil der Staaten des
Zollvereins haben zu der beabsichtigten Steuererhöhung bereits ihre
Zustimmung ertheilt. Es handelt sich nicht darum den Steuer-Tarif zu
erhöhen, sondern da eine fremde Macht die Ausfuhr-Prämie für verschiedene
Fabrikate erhöhet hat, um den Zollverein mit ihren Fabrikaten zu
überschwemmen, so ist eine Gegenmaßregel unsererseits durchaus nothwendig
und dies kann nur vermittelst einer Steuererhöhung geschehen. (Schöne
„Vereinbarung“ zweier Staaten zur wechselseitigen Steuererhöhung.
Abg. Fretzdorff erwidert, daß auch er dem Jammer im
ganzen Lande vorbeugen wolle, aber woher kommt dieser Jammer? durch ein
falsches und schlechtes Steuersystem. Man richte ein, mit den neuesten
nationalökonomischen Grundsätzen übereinstimmendes Steuersystem ein, dann
wird der Noth besser vorgebeugt als durch Schutzzölle.
Minister Hansemann verspricht, daß die angeordnete
Maßregel wieder aufgehoben werden solle, wenn Frankreich seine
Ausfuhr-Prämien wieder wie früher ermäßigt. Die Regierung kann aber
augenblicklich nicht anders handeln. Belgien und andere Staaten haben in
gleichen Fallen ebenso gehandelt —
Der Abg. Euler verliest den Bericht der
Central-Abtheilung über die Gesetzes-Vorlage betreffend die Errichtung der
Bürgerwehr und fügt demselben noch ungefähr folgendes hinzu:
Nach dem vorgelegten Entwurfe scheine der Zweck der Bürgerwehr ein
vorherrschend polizeilicher zu sein, eine Verschmelzung derselben mit der
Landwehr sei nicht angebahnt von einer Stellung zur Linie aber gar keine
Rede. — Die neue Zeit gestatte den früheren Gegensatz zwischen Volk und
Militär nicht mehr, sondern verlange, daß beide in einander aufgehen. — Eine
allgemeine Volksbewaffnung nach gleichen Grundsätzen biete dazu die
vermittelnde Hand. Sie zerfalle in Linie (stehendes Heer) und Bürgerwehr,
welche die Landwehr als Unterabtheilung in sich schließe. — Die Bürgerwehr
müsse den Anfangs- und Endpunkt der ganzen Wehr-Verfassung bilden. u. s.
w.
Minister des Innern: giebt eine langweilige Geschichte der „Volkbewaffnung“
nach der Marzrevolution. Versichert daß die Regierung mit Befriedigung
wahrgennommen, daß ihre Grundsätze in den Abtheilungen Billigung gefunden,
und erklärt sich mit den am Entwurf vorgenommenen Aenderungen einverstanden.
—
Abg Dr. Jakoby: Ich erkläre mich gegen den
Gesetz-Entwurf. Derselbe ist offenbar dazu bestimmt diejenigen Forderungen
zu erfüllen, die in den Tagen der Märzrevolution von allen deutschen Stämmen
gestellt wurden. Damals lautete der allgemeine Ruf: Verminderung der
stehenden Heere und allgemeine Volksbewaffnung. Stehende Heere sind als
Hauptstütze des Absolutismus erkannt. Die Aufrechterhaltung der Ruhe und
Ordnung wollte man nicht länger der Polizei und dem Militär sondern der
selbstständigen Bürgerwehr überlassen. Der Unterschied zwischen Bewaffneten
und Unbewaffneten sollte gänzlich aufhören. Prüfen wir hiernach den
Gesetz-Entwurf. Die Bürgerwehr erhält zwar Waffen, bleibt aber ein völlig
isorlirtes Institut das nie eine allgemeine Volkswehr werden kann. Das
Institut der Landwehr macht nur den Bürger zu einem unbewaffneten Soldaten.
— Die politische Ruhe des Staates muß künftig allein der Bürgerwehr
überlassen sein. Ordnung muß zwar bestehen, aber eine Ordnung ohne Freiheit,
die wir 33 Jahre gehabt, ist gar nichts werth. Das vorgelegte Gesetz, weit
entfernt die Königlichen Verheissungen zu erfüllen, kann ich nur als
Nothgesetz ansehen. —
Nachdem noch mehrere Redner für und gegen das Gesetz im Allgemeinen
gesprochen gehet man zur Berathung der einzelnen Paragraphen über.
Es ereignete sich hierbei ein interessanter Zwischenvorfall. Der Minister des
Innern hatte bisher den Gebrauch geltend gemacht jedesmal nach dem Schluß
der Debatte nochmals das Wort für die Regierungsgrundsätze zu ergreifen, um
die Zweifelhaften zu kaptiviren. Als heute der Minister dieses
Kunststückchen bei Berathung des § 1. wieder angebracht hatte, trat endlich
der ministerielle Abg. Zacharia dagegen auf, was die Linke nie gewagt. Es
stehe ja in diesem Fall keinem Andern mehr das Recht zu den Minister zu
widerlegen; will er noch sprechen so muß er es vor dem Schluß der Debatte
thun, damit man ihm etwas erwidern könne. —
Der Präsident Grabow erklärt, daß dieser Uebelstand
nicht ihm zur Last fallen könne, indem die Geschäftsordnung hierüber
undeutlich sei, indem sie die Bestimmung enthalte: „Die Minister können zu
jeder Zeit das Wort verlangen.“ (Ruf: während der Debatte, aber nicht nach
dem Schluß!) Er stelle nun anheim der Kommission zur Verbesserung der
Geschäftsordnung diesen Gegenstand zu überweisen.
Obgleich zu den einzelnen Paragraphen verschiedene Amendements gestellt
wurden, so werden doch die §§. 1-6, die allgemeinen Bestimmungen enthaltend,
unverändert angenommen. Sie lauten:
§. 1. Die Bürgerwehr hat die Bestimmung, die verfassungsmänige Freiheit und
die gesetzliche Ordnung zu schützen und bei Vertheidigung des Vaterlandes
gegen äußere Feinde mitzuwirken. — In ihren dienstlichen Versammlungen darf
sie über öffentliche Angelegenheiten nicht berathen.
§. 2. Die Bürgerwehr soll in allen Gemeinden des Königreiches bestehen.
§. 3. Durch königliche Verordnung kann aus wichtigen, in der Auflösungs-Ordre
anzugebenden Gründen die Bürgerwehr einzelner Gemeinden oder Kreise ihres
Dienstes enthoben oder aufgelös't werden. — Die Dienstenthebung darf nicht
länger als 6 Monate dauern. Im Falle einer Auflösung muß die Verordnung
wegen der neuen Organisation der Bürgerwehr binnen 3 Monate erfolgen.
§. 4. Wenn die Bürgerwehr einer Gemeinde oder eines Kreises den Requisitionen
der Behörden Folge zu leisten sich weigert oder sich in die Verrichtungen
der Gemeinden, der Verwaltungs- oder gerichtlichen Behörden einmischt, so
kann der Verwaltungs-Chef des Regierungsbezirkes unter Angabe der Gründe sie
vorläufig ihres Dienstes entheben. — Diese Dienstenthebung hört nach Ablauf
von 4 Wochen von selbst auf, wenn nicht innerhalb dieser Zeit die
Bestätigung derselben oder die Auflösung der Bürgerwehr nach §. 3.
erfolgt.
§. 5. Die Bürgerwehr gehört zum Ressort des Ministers des Innern.
§. 6. Die Mitglieder der Bürgerwehr dürfen sich ohne Befehl ihrer Anführer
weder zu dienstlichen Zwecken versammeln noch unter die Waffen treten, — Die
Anführer dürfen diesen Befehl nicht ohne Requisition der zuständigen
Civilbehörden ertheilen, ausgenommen, soweit es sich um die Vollziehung des
Dienstreglements handelt. (§. 65.)
§. 7. Jedes Mitglied der Bürgerwehr leistet vor dem Gemeinde-Vorsteher, in
Gegenwart des Befehlshabers der Bürgerwehr, folgende feierliche
Versicherung:
„Ich gelobe Treue dem Könige und Gehorsam der Verfassung und
den Gesetzen des Königreiches.“
Nur der letzte Paragraph ruft eine äußerst lebhafte Debatte hervor.
Folgende Amendements werden gestellt:
Die Worte: „Treue dem Könige“ zu streichen, vom Abg. Reichenbach. Statt:
„Königreiches“ zu sagen: „Staates“, vom Abg. Temme.
„Jedes Mitglied wird vom Gemeindevorsteher in Gegenwart des Befehlshabers
durch Handschlag auf die Verfassung verpflichtet,“ vom Abg. Weichsel.
Abg. Reichenbach: Mein Amendement verlangt die
Auslassung der Worte: „Treue dem Könige“. Als wir bei'm Beginne unserer
Sitzungen die Volkssouverainetät proklamiren wollten, wurde dieses Prinzip
nicht anerkannt, sondern das Volk habe mit dem Könige eine Verfassung zu
vereinbaren. Beide Theile sind daher gleichberechtigt, und beide müssen der
vereinbarten Verfassung Treue geloben, nicht aber, daß die eine
kontrahirende Partei der andern noch eine besondere Treue gelobte. Wie wäre
dieser Eid zu erfüllen, wenn der König die Verfassung verletzt.
Abg. Jung spricht für den gänzlichen Wegfall des
Eides sowohl bei der Bürgerwehr als bei allen Staatsämtern. Es sind Männer
in dieser Versammlung, welche einen Eid geschworen, der mit ihrem Berufe,
eine Verfassung mit dem Könige zu vereinbaren, nicht in Einklang zu bringen
sei.
Abg. D'Ester: Der Diensteid ist eine Lüge. — Man hat
von dieser Stelle von der Treue und Wahrhaftigkeit des deutschen Wortes
gesprochen, es hat auch deutsche Worte gegeben, die keine Wahrheit waren. —
Die Gemeindeverfassung, welche vor zwei Jahren dem Rheinlande gegeben wurde,
schreibt keinen Diensteid vor.
Nachdem noch viele Redner für und gegen den §. 7 gesprochen haben, wird
derselbe unverändert mit kleiner Majorität angenommen.
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[
61
] Wien, 25. August.
Immer mehr Thatsachen werden über das meuchelmörderische Verfahren der
National- und Munizipalgarde bekannt, welche die Bestialität des gebildeten
Besitzes bekunden; aber auch Rachethaten des Volks treten ihnen zur Seite.
Hören Sie einige davon.
Am 23. um halb 9 Uhr hatten sich vor dem Stierböck'schen Kaffeehause auf der
Donauseite mehre Menschen versammelt, welche ihre Meinung über die
vorgefallenen Unruhen austauschten. Einer der Sprecher behauptete: „Den
Arbeitern geschehe Recht, man solle diese Hunde alle erschießen und
aufhängen.“ Kaum hatte er diese Worte gesprochen, so erscholl der Ruf:
„Nieder mit ihm!“ Der Betroffene zog sich bis zur Mauer zurück, wo er von
der Menge umringt wurde. Plötzlich stieß er einen fürchterlichen Schrei aus
und fiel durch einen Messerstich in's Genick zu Boden. Der Thäter ist noch
nicht ermittelt. In der Herrngasse (Vorstadt Leopold) fielen auf die erste
Decharge gegen 15 Personen, Weiber und Kinder. Die Arbeiter fielen in die
Knie und baten mit aufgehobenen Händen um ihr Leben. Es nützte nichts. Man
stürzte über sie her und hieb sie zusammen. — Im Gemeindehause in der
Leopoldstadt äußerte ein Garde sein Bedauern darüber, blos zwei
niedergeschossen zu haben. — Die neusten Hieb- und Schießwunden der Todten,
deren es den meisten Berichten zufolge 51 gibt, und Verwundeten (an 200)
zeigen sich am Rücken; Beweis der Tapferkeit dieser deutschen
Spießbürger-Niederträchtigkeit! Gestern kamen Männer, Weiber und Kinder in's
Hospital der barmherzigen Brüder und suchten ihre Angehörigen; Mütter
suchten ihre Kinder, Weiber ihre Männer; es war ein Bild des schrecklichsten
Jammers,
Die Schlächterei hatte damit ihren Anfang genommen, daß die Arbeiter im
Prater mit der Munizipalgarde in Konflikt geriethen, weil erstere eine
ausgestopfte Figur, den Minister Schwarzer
vorstellend, hängen und beerdigen wollten. Munizipal- und Nationalgarde
stürzten auf sie ein und mordeten, was ihnen vorkam
[Deutschland]
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@facs | 0457 |
— Als dieselben am Abend mit den erbeuteten Siegeszeichen, zwei deutschen Fahnen,
durch die Jägerzeile stolz marschirten und den Parademarsch bliesen, rief
ein dort stehender Akademiker: Schmach, dreimal Schmach über diejenigen
Garden, die dies dulden, während viele Mütter und Waisen weinen und
unschuldiges Blut fließt! Kaum hatte er dies geäußert, so fielen mehre
Garden über ihn her und insultirten ihn gröblich. Auch riefen sie: „Wenn wir
mit den Arbeitern fertig sind, kommen wir über euch.“ — Ein 70jähriger Greis
wurde von einem Nationalgarden ohne Grund niedergeschlagen, daß er sogleich
seinen Geist aufgab. Artilleristen und Grenadiere, die sich zufällig beim
Augarten befanden, wurden von Nationalgarden aufgefordert, mitzuwirken. Das
thaten denn auch die Soldaten und hieben unbarmherzig in die wehrlosen
Menschen ein. — Gleich im Anfang wurden die Arbeiter zersprengt, indem die
Sicherheitswache mit gezücktem Säbel und die Garde mit gefälltem Bajonnett
im Sturmschritt gegen sie anrückten. Viele wurden dabei jämmerlich zusammen
gehauen und gestochen; die übrigen ergriffen die Flucht und zerstreuten sich
im Prater. Hierauf zog eine Abtheilung Munizipalgarde mit einer von den
Arbeitern eroberten rothen Fahne und mehren
erbeuteten Schaufeln gegen den Tabor. Als sie im Jubel vor dem Bahnhofe
vorbeizogen, wagten einige Arbeiter sie auszuzischen.
Schnell wurde in den Bahnhof und in die Werkstätte gedrungen, um dieselben zu
verhaften, und dabei wurden natürlich wieder viele verwundet und gemordet.
Da rückte ein großer Schwarm Arbeiter durch die Stadtgutgasse herauf und
drang in den Garten dem Bahnhof gegenüber ein. Es wurde auf dieselben
gefeuert, worauf die Arbeiter sich gegen das Universum (Lustort)
zurückzogen, ohne daß das Feuern auf sie eingestellt worden wäre. Ja die
Bürgerkavallerie rückte überdieß noch gegen sie an und trieb sie in die
Brigittenau. Gestern Morgen war die Nationalgarde auf den Arbeiterplätzen
konsignirt. — Für Morgen befürchtet man bei der Lohnaustheilung neue
Unruhen.
Das Preßgericht hat auf den Ausspruch der Geschworenen die Studenten Falke und Buchheim und noch
einen Dritten — freigesprochen. Sie waren der Aufreizung wider die
Konstitution beschuldigt, weil sie im Studentenkourier dem Volke die
Republik als die beste Staatsform angepriesen hatten.
Die heutige Sitzung des Reichstags war mit Ausnahme des Endes sehr
unerquicklich; man sprach immer noch über den Antrag Kudlichs. Die Leute
kommen mit ihrem Verstande gar nicht aus dem Mittelalter heraus, obwohl sie
mit dem Herzen der Kleinzeit angehören mögen und reden darum von der
Aufhebung der Feudalrechte wie Pandektenreuter. Ein österreichischer
Reichstag müßte die meisten Fragen mit dem Säbel zerhauen; er macht sich ja
lächerlich, wenn er vor dem gesammten Europa vier Wochen debattirt, ob es
künftig noch Leibeigne geben soll oder nicht, und ob die bisherigen Quäler
dafür zu entschädigen sind, daß sie hinführo nicht mehr quälen dürfen. Unter
allen oratorischen Wanzen, die ich heute anhören mußte, erschien mir
indessen keiner widerlicher, als der neue Unterstaatssekretär Cajetan Mayer (Jude). Nachdem er einen wahren Unsinn
von agrarischem Sozialismus in der unverständlich-chaotischsten Weise mit
jüdisch-belletristischer Selbstgefälligkeit daherdebitirt hatte, brachte er
schließlich nach langem Zögern heraus: daß er für Entschädigung stimmen
müsse. Wenn ich mir unsere jetzigen großen Männer und namentlich unsere
emporgekommenen jüdischen Banquiers und Literaten ansehe, so muß ich
gestehen: Wie nach 1830 in Frankreich, so wachsen unter der
konstitutionellen Glückseligkeit jetzt auch bei uns die politischen Schurken
wie Schwämme aus dem Boden.
Die Langweile einer solchen Debatte wurde nur durch einige Interpellationen
unterbrochen.
Auf die erste Lizitationen betreffende Interpellation wußte Dobblhoff wie
gewöhnlich keinen Bescheid. Eine kühnere ward von dem unermüdlichen
Interpellanten Löhner darüber vorgebracht, auf wie
hoch sich die seit dem März ausgeschriebenen Rekrutirungen belaufen und
wieviel davon zu den Truppen nach Italien gekommen, wohin ferner die andern
beordert seien; er behauptet mit Belegen, daß in einigen Provinzen statt 6
Mann 19 auf eine bestimmte Menschenzahl ausgehoben worden seien.
Dobblhoff, der für alle andere sprechen muß, erklärt
sich bereit, die Papiere, welche die Rekrutirung betreffen, auf den Tisch
des Hauses legen zu lassen, meint jedoch, es habe Schwierigkeit zu sagen,
wohin die Rekruten gerückt seien. Löhner fragt auch, warum die Thätigkeit
der Provinziallandtage noch immer nicht aufhöre? Dobblhoff verkündet
wiederholt, sie bildeten nur ein Provisorium zur einstweiligen
Aufrechterhaltung der Ruhe und Sicherheit. So redet auch Windischgrätz, wenn
er über die Fortdauer des Belagerungszustandes von Prag befragt wird.
Endlich interpellirt Umlauft mit leidenschaftlicher
Beredtsamkeit noch einmal über die Vorfälle vom 21. und 23., namentlich aber
über die Auflösung des Sicherheitsausschusses, den er als das Bollwerk der
Freiheit Wiens darstellt. Er rügt das meuchelmörderische Benehmen der
Nationalgarde und macht auf die Intriguen aufmerksam, die gesponnen werden,
auch die akademische Legion aufzulösen. Unter ungeheurem Beifall hebt er
hervor, daß der Kaiser im März kein Blut habe vergießen lassen, daß aber nur
die aus den Eroberungen des März hervorgegangene Bürgerwehr sich wie
mörderische Kannibalen benommen habe. Der Präsident ermahnt Gallerie und
Journalisten, die applaudiren, sich des Beifalls zu enthalten. Umlauft: An Ruhe sei nach Bürgermord nicht zu denken
und er frage das Ministerium, wer den Befehl zum Schießen und Einhauen
gegeben und was das Ministerium bis heute gethan habe, an die Stelle des
Sicherheitsausschusses eine andere volksthümliche Behörde zu stellen? — Der
Gemeindeausschuß, mit dem sich das Ministerium verbrüdert, könne unmöglich
als solcher gelten, da er in einer Censuswahl entstanden sei, also unter dem
Reichstag, der ohne Census gebildet worden, stehe. Er frage, ob das
Ministerium die Aufrechterhaltung der akademischen Legion als seine
Existenzfrage betrachte? (Von allen Seiten ungeheurer Beifall.)
Dobblhoff: Die Untersuchung sei noch nicht geführt,
er könne daher nur seine persönliche Ueberzeugung aussprechen. Es sei nicht
seiner Art, ganze Körperschaften anzuklagen; (Beifall im Centrum und rechts)
der Gemeindeausschuß enthalte ehrenwerthe Männer; er habe die Vorfälle nicht
provozirt; die Arbeiter hätten zuerst auf die Nationalgarde geschossen, sie
seien irre geführt worden. Er werde die Nationalgarde selbst mit seinem
Blute vertheidigen; ein Befehl zum Schießen oder Einhauen sei nicht gegeben
worden, das habe sich von selber gemacht; er habe an die bestehenden
Exekutivbehörden immer alle Mittheilungen gemacht, es treffe ihn keine
Schuld. Der Gemeindeausschuß wolle den Wahlmodus sofort berathen und sich
dann umgestalten. Was die akademische Legion betreffe, so solle man diese
fragen, wie er mit ihr stehe. (Großer, anhaltender Beifall.) Umlauft will eine Entgegnung versuchen, wird vom
Präsidenten aber nicht weiter zu Wort gelassen. —
Obwohl nun der Verrath oder die gränzenlose Beschränktheit des Ministeriums
durch die ganz unerklärliche Herabsetzung des Arbeitslohns um 5 kr. ganz
offen am Tage liegt, spricht die Tagespresse (Constitution und Freimüthiger)
doch heute noch von der Redlichkeit und Ehrlichkeit Doblhoffs! Mir wäre eine solche hirnlose
Versicherung ein Räthsel, wenn ich mich nicht täglich mehr überzeugte, daß
mit der Demokratie hier von den jüdischen und judengenossischen Literaten
ein heilloser Schacher getrieben wird. Ihre demokratische Stimmung gegenüber
Italien, Ungarn, dem Ministerium, den Arbeitern stimmt immer mit dem Stand
der Börse auffallend überein.
So eben höre ich, daß gestern, obschon Ruhe in Wien herrschte, die ganze
Gegend um Schönbrunn in Aufruhr gehalten wurde. Ein Kourier nach dem andern
rannte mit der Botschaft durch die Ortschaften, es gehe in Wien von Neuem
los, die Taborbrücke sei zerstört u. s. w. Man ließ keinen Wagen mehr nach
Wien abfahren, und die Nationalgarde aus Nähe und Ferne mußte vereint mit
dem Militär um das Schloß von Schönbrunn gelagert bleiben. — Während dessen
kricht aus der reaktionären Presse der ganze Polizei-Abschaum Oestreichs
hervor und zeichnet sich zumal in dem Blatt „die Geißel“ aus, dessen Ent-
und Bestehen doch selbst unter dem Stockpreußenkhum fast eine Unmöglichkeit
wäre. — Ja, Oesterreichs Absolutismus ist zäh, das beweisen seine
Lanzknechte in Italien, Böhmen, Kroatien, Galizien und wenn dieser
Absolutismus von Gottes Gnaden in Europa wirklich untergehen soll, so muß
vor Allem Oesterreich als solches zu Grunde gehen, weil er hier am
hartnäckigsten sich halten wird. Solange daher die Tagespresse ihren
demokratischen Standpunkt nicht außerhalb Oesterreichs nimmt, — und sie ist
noch fern davon — solange sie den Wahnsinn begeht, zu glauben, es lasse sich
mit dem Schacherkalkul ein neues Oestreich konstruiren und zusammenhalten,
so lange weiß sie nicht was sie will.
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@type | jArticle |
@facs | 0457 |
[
110
] Düsseldorf, 28. August.
So eben erhalte ich die Nachricht, daß Freiligrath
verhaftet ist. Er war vor den Instruktionsrichter Hrn. Merrem
geladen, „um wegen der gegen ihn erhobenen Beschuldigungen vernommen zu
werden“ (der bequeme Gebrauch, in den Erscheinungs-Befehlen nie den
Gegenstand der Anklage anzuführen, greift immer mehr um sich). Man weiß
daher noch jetzt nicht, welche Beschuldigungen gegen ihn erhoben sind. Es
kann nicht wegen Vertheilung des republikanischen Katechismus oder
Betheiligung an der Frankfurter Adresse sein (weßwegen Wulff verhaftet und
Andre angeklagt); es ist notorisch, daß er mit beiden Angelegenheiten Nichts
zu thun hatte. Es bleibt also nichts übrig, als sein Gedicht: die Todten an
die Lebenden, und wahrscheinlich hat man hieraus einen Vorwand genommen, ihn
für einige Zeit unschädlich zu machen. Wir haben Exempel genug davon, wie in
der letzten Zeit die Untersuchungshaft gerade am Rhein dazu gedient hat, die
Rachelust der Contrerevolution zu befriedigen. Während in Berlin, unter dem
Landrecht gesegneten Andenkens, die politischen Prozesse rasch entschieden
werden, ziehen sich bei uns, unter dem gepriesenen, raschen rheinischen
Verfahren, und gerade seitdem das Landrecht von uns Abschied genommen, die
Voruntersuchungen unendlich in die Länge. Beispiele wären in Menge zu
nennen, aber — Artikel 367 des Code pénal!
Werden wir an Freiligrath's Vorhaft ein neues Beispiel davon erleben?
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[
14
] Düsseldorf, 30. Aug.
Nachstehendes Plakat ist heute hier veröffentlicht worden:
Heute Mitwoch den 30. August 1848, Abends 7 Uhr im Lokale der Bockhalle
Allgemeine öffentliche Volksversammlung.
Tagesordnung: Berathung über die gesetzlichen Mittel zur Erleichterung des
Geschickes unseres verhafteten Mitbürgers Freiligrath.
Um recht zahlreiches Erscheinen und Betheiligung bei dieser Lebensfrage für
alle Bürger wird dringend gebeten.
Das Comité des Volksklubs.
Der Vorstand des Vereins für demokratische Monarchie.
Französische Republik.
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[
18
] Paris, 28. August.
Die Frauen haben, 1892 an der Zahl, wieder eine Adresse an General Cavaignac
erlassen, worin ste sagen: «Bürger-General, die Frauen, als Gattinnen,
Mütter, Schwestern und Töchter, wissen es ist endlich Pflicht in diesen
traurigen Kämpfen dazwischen zu treten. Hunger hat die Insurgenten auf die
Barrikaden getrieben. Für Rebellen würden wir kein großes Bedauern hegen,
hätte die Gesellschaft sich stets anständig, weise, menschlich gegen sie
betragen, ihnen eine richtige Bildung gegeben, kurz sich ihnen lieb und
werth gemacht. Aber dem ist nicht so, und deshalb ersuchen wir Frauen Sie,
General, die Amnestie nicht fürder aufzuschieben. Gestatten Sie, Bürger, uns
hier unsre Gedanken auszusprechen: die Gesellschaft geht scheitern,
unaufhaltsam, sobald nicht Unwissenheit und Hunger ausgerottet werden. Die
scheußlichen Erschütterungen des Staats können nur durch Moralisirung,
Bildung und Arbeitsorganisation künftig abgewandt bleiben. Ein Volk
rebellirt bekanntlich nur solange es unglücklich ist. General! das Alterthum
ging an der Sklaverei unter; soll unser Weltalter etwa am Proletariat zu
Grunde gehen? Geben Sie Amnestie, das Beispiel Frankreichs wird immer von
den europäischen Staaten befolgt, denn Gott wollte daß es an deren Spitze
wandle um zu siegen oder zu sterben. Mithin verlangen wir: Amnestie und
Socialreform Namens Frankreichs, seiner Ehre und seines Heils; Amnestie und
Socialreform im Namen des Menschengeschlechts, damit das Wort Brüderlichkeit
sich verwirkliche; Amnestie und Socialreform im Namen der Frauen, die es
müde sind die Männer stets in den Reihen der Insurrektion und in denen der
Ordnung fallen zu sehen.“ Gez. Stephanie de Lougueville, Jeanne Marie
Mazoyer, Josephine Deland (Wittwe), J. d'Hericourt, A. Arnaud; sie erklären
Cavaignac habe sie artig empfangen doch abschläglich. Der Constitutionel droht ihm gradewegs, wenn er Amnestie gäbe; die
Gazette du Midi: „Wehe den hirnlosen Sympathieschwärmern, die nicht das
flammende Schwert des Engels über das Haupt der Gesellschaftszerstörer
aufhängen. Wir erheischen Justiz, wir halten es für unmöglich daß die
Amnestie anders als von Gaunern, Räubern und Wahnwitzigen verlangt werden
könne. Wir wollen ein Exempel statuiren für ganz Europa und beweisen daß,
obschon eine gesittete, milde, zarte Nation, wir dennoch unerbittlich die
Frevler zu treffen verstehen die den Boden der Familie des Besitzes und der
Religion unterhöhlen.“ Mit Jubel berichtet der Siecle: „Herr Thiers, dieser
tiefe Staatsmann und Gelehrte, hat noch Zeit gefunden, ein herrliches Werk
über das Eigenthum auf Gesuch der Akademie der moralischen und politischen
Wissenschaften zu schreiben, wir sehen täglich dieser Publication entgegen
wodurch die kriminellen, pseudophilosophischen Phrasen der Eigenthumsfeinde
definitiv zermalmt werden dürfte. „Girardin's „La Presse“ ergeht sich
wohlgefällig über die Reaktionsbestrebungen in Berlin;“ der Pöbelauflauf
gegen das Ministerhotel wird ernstes Einschreiten der Gesetze zufolge haben,
und über Wien man schlägt sich auf's blutigste, die Nationalgarde wird die
Klubs bändigen, Ordnung herstellen und Wessenberg-Colloredo an Dobblhofs
Platz bringen. Aehnliche jubeln die übrigen volksfeindlichen Blätter
hierselbst. Cavaignac's Polizei hat bereits einen neu erwachten Club den
Club de L'Homme armé geschlossen und verfolgt den Präsidenten. Die
Erbitterung des Arbeitervolks gegen Cavaignac steigttäglich.
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@facs | 0457 |
Paris, den 27. August.
Man liest in der Gazette des Tribunaux: Kraft eines Requisitoriums von Herrn
Pinard, Prokurator der Republik, hat der Instruktionsrichter Bertrand einen
Verhaftungsbefehl gegen die Herren Caussidière und Louis Blanc ergehen
lassen.
In Folge dessen begaben sich unmittelbar darauf 2 Polizei-Kommissäre in die
Wohnung des Herrn Caussidière, cité Beaujon, rue Constantine Nro. 26, und
des Herrn Louis Blanc, rue Neuve Vivienne 57.
Keiner dieser Herren befand sich zu Hause; sie waren seit Freitag Abends
nicht mehr in ihre Wohnung zurückgekehrt.
Der Instruktionsrichter Bertrand schritt darauf in Gegenwart des Prokurators
der Republik zu einer Haussuchung. Die bei Herrn Caussidière ergriffenen
Papiere wurden auf die Gerichtsstube gebracht; im Arbeitszimmer des Herrn
Louis Blanc hat man die Siegel angelegt. Heute Abend um 8 Uhr haben die
Verhaftungsbefehle noch nicht vollstreckt werden können.
Als Candidaten zur Wahl in die Kammer werden genannt der Marschall Bugeaud,
Emile de Giardin, Achille Fould, Edmond Adam, General-Sekretär auf der
Präfektur, Thorè, Redakteur der Vraie Republik und Raspail, Gefangener in
Vincennes.
[0458]
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@facs | 0458 |
Paris, 28. August.
Cavaignac ist mit der Aufnahme seiner Vermittlung in Oestreich sehr
unzufrieden; sein Spectateur Républicain enthält einen drohenden Artikel,
und fordert den Krieg mit Oestreich.
Die Nationalversammlung nahm heute das Gesetz über die Handelsgerichte
an.
National-Versammlung. Sitzung vom 25. August. (Schluß.)
Ledru-Rollin: Er widerlegt zunächst das Hauptverbrechen, das ihm die
konservative Politik zur Last lege, nicht nur aus Frankrich, sondern aus
ganz Europa eine rothe Republik zu machen, wozu er im letzteren Falle die
Fremdenlegion und den Zug nach Risquons-tout organisirt habe. Mit besonderem
Glück greift er die alte Kammer-Opposition an, die, zu schwach die Monarchie
zu stürzen, jetzt ihre Hörner an der Republik versuchen wolle. Sein Vortrag
verrieth den entschiedensten Sozialismus. Nicht die alten vermoderten Ideen
können die Welt retten, sondern nur sozialistische Reformen — ruft er
begeistert. Als Uebergangsperiode empfahl er den Wechsel der direkten
Besteuerung gegen die indirekte und schloß mit dem Rathe, die Vergangenheit
zu vergessen: de passer un éponge sur ce qui s'est passé!
Ihm folgt Louis Blanc auf der Bühne; aber die Versammlung erstickt und
schreit nach Erholung. Die Sitzung wird bis 7 1/2 Uhr vertagt.
Paris gleicht einem Kriegslager. Ueberall bivouakiren Truppen, um einer
Erhebung gleich die Spitze zu bieten.
Um 7 1/2 Uhr Abends wird die Sitzung wieder aufgenommen. Cavaignac und
sämmtliche Minister sind anwesend.
Louis Blanc beginnt nun seine Vertheidigung. In freier klarer Rede setzte er
der Versammlung die Bedeutung der sozialistischen Institutionen der
Februar-Revolution auseinander, um sie mit seiner Stellung und dem Einfluß
bekannt zu machen, den er auf die Arbeiter übte, die bei jenen Institutionen
eine so große Rolle spielten. Die bekannte Bärenmützen-Demonstration vom 16.
März entspann sich hinter seinem Rücken und als er sie erfahren, war es zu
spat, sie zu unterdrücken. Als Beweis für seine Unschuld beruft er sich auf
das Zeugniß dreier Beamter jener Epoche, Bourdet, Guinard und Duclerc, in
deren Gegenwart er sein Amt niedergelegt habe, weil er von keiner
Demonstration hören wollte, welche die provisorische Regierung irgendwie
kompromittiren könnte. Die Erzählung der Entstehung des 16. April war nicht
minder erbaulich. Der Redner negirt die Anwesenheit Blanqui's auf dem
Marsfelde, wo er die Luxemburgdelegirten zu einem Aufruhr gestachelt haben
sollte und giebt wiederholt den Wunsch zu erkennen, man solle ihm nicht
länger die Vaterschaft der berüchtigten Nationalwerkstätten andichten.
Zwischen den Gewerksdelegirten des Luxemburg und den Delegirten der
Nationalwerkstätten habe im Gegentheile die ärgste Fehde geherrscht. Der
Bericht klage ihn ferner an, am 14. Mai eine Vorversammlung zwischen
Repräsentanten und Klubchefs in seiner Wohnung am Boulevard Italien
veranstaltet zu haben. Reine Lüge! Mehrere Repräsentanten seien bei ihm
zusammengekommen, um sich über die Wahl der Ausschußglieder für die Prüfung
des neuen Verfassungsentwurfs zu verständigen. Am 15, fuhr der Redner
sarkastisch fort, läßt mich der Bericht, bei guter Stunde dem Bastillenplatz
zuschreiten. Erfindung! Mehrere meiner Bekannten hatten mich in der Passage
Panorama zum Frühstück geladen und dort erfuhr ich, daß sich die Arbeiter
Behufs Ueberreichung einer Petition zu Gunsten Polens sammelten.
Besonders schlagend sprach der Redner in Entkräftung der gegen ihn
aufgetretenen Zeugen. Er überführte einen nach dem Andern der grobsten
Entstellungen. Namentlich schilderte er das Zeugniß des Obersten Watrin als
falsch, der ihn im Stadthaus gesehen haben will und das des Dr. Trelat, der
ihn mit Emil Thomas, dem Direkor der Nationalwerkstätten zusammengeworfen
hatte. Der Schluß seiner zweistündigen, mit seltener Andacht angehörten
Vertheidigung bildete eine feurige Apotheose auf Barbes. Barbes sei ein
edler Charakter, er könne sich nicht vertheidigen, er sitze im Gefängniß,
darum übernehme er (Louis Blanc) mit Freuden seine Vertheidigung. Barbes sei
einer der bravsten Patrioten und Republikaner. Ja wohl, rief Louis Blanc mit
Begeisterung, wenn mich irgend etwas am 15. Mai in das Stadthaus zog, so
waren es die Sehnsucht, Blutvergießen zu hindern und zwei Freunde, zwei
Gegnerfreunde, Albert und Barbes zu retten. Wenn man ein Volk zu einer
Revolution treibt, muß man mit ihm aushalten und es nicht im kritischen
Augenblick verlassen. Hätte ich es zur Revolution gestoßen, dann hätte mich
keine Macht der Erde abgehalten, in das Stadthaus zu eilen.
An die Juni-Ereignisse langend, war Louis Blanc ungemein kurz. Um zu
beweisen, wie wenig er am 23. Juni an den Sturz der Nationalversammlung
dachte, führte er an, daß er eben mit Ausarbeitung einer speziellen
Widerlegung der Montalembert'schen Rede gegen die Eisenbahn-Expropriationen
beschäftigt gewesen sei. Uebrigens walzt der Bericht im Ganzen ihm keine
direkte Verantwortlichkeit zu.
Blanc's Rede machte großen Eindruck.
Dr. Trelat eilt nach ihm auf die Bühne. Louis Blanc
habe erklärt, daß ihm die Nationalwerkstätten nicht zur Last gelegt werden
können und daß er deren Direktor, Emil Thomas, nicht einmal persönlich
kenne, daß also Alles Lüge sei, was ich von einer Verbindung mit ihm zum
Protokoll erklärt hätte. Als ich Staatsbautenminister war und den Befehl
erhielt, die Nationalwerkstätten aufzuheben, ließ ich bekanntlich den
Direktor E. Thomas zu mir rufen. In Gegenwart meines Kabinets-Chefs und
Boulay's sagte ich zu Thomas: Sie werden Ihre Demission sofort geben. — Wie
so? — Keine Erklärung. Sie haben Ihr Amt sofort niederzulegen. — Ah, dieser
Sprache hätte ich mich auszusetzen sicher nicht nöthig gehabt, wenn ich den
Rathschlägen Louis Blanc's gefolgt wäre; 100,000 Mann auf der einen und
100,000 Mann auf der andern Schaale können manchmal das Zünglein der
ministeriellen Waage gar sonderbar zum Stehen bringen.
Louis Blanc entgegnete, daß dergleichen Aeußerungen
dem E. Thomas offenbar nur durch Drittpersonen hinterbracht worden sein
könnten, welche hinzugelogen hätten.
Caussidière bittet zunächst die Versammlung, glauben
zu wollen, daß nicht der ehemalige Ministerialsekretär Linguay, sondern er
selbst seine Vertheidigung abgefaßt habe. Der „Constitutionnel“ habe also
gelogen. Er lies't nun während dreier Stunden eine detaillirte
Vertheidigung, worin er die Zündholz- und Bomben-Geschichten u. s. w. als
elende Verleumdungen abgesetzter Polizei-Beamten nachweis't. Die
Lahodde'sche Angelegenheit, die Waffenlieferungen betreffend, klang nicht
weniger dramatisch. Trotzdem schlummerten viele Repräsentanten sanft im
Herrn.
Um Mitternacht weckt Justizminister Maric seinen Nachbar, den General
Cavaignac, aus tiefem Schlummer. — Marrast lies't das Requisitorium des
Staatsanwaltes Corne gegen Caussidière und Louis Blanc vor. (Sensation.)
Lagrange erklärt den Bericht für unvollständig.
Ledru-Rollin desgleichen. Die legitimistischen
Versendungen und Agitationen in den Departements seien vergessen worden. Die
Ehre der Untersuchungs-Kommission erfordere Vervollständigung.
Bac nennt das Verfahren einen Theaterstreich, der
alle Freiheit eskamotire ‥‥
Cavaignac verbittet sich sehr höflich, die Handlungen
seiner Regierung mit Theaterstreichen zu vergleichen. Er dringt auf ein
promptes Votum.
Flocon warnt vor Eile. Es könnte die Zeit kommen, wo
man die Angeklagten von anderen Bänken hole. Er schlägt vor, einfach zur
Tagesordnung zu schreiten.
Marie, Justizminister, wehrt sich zwar dagegen, aber
die Tagesordnung wird rücksichtlich des Berichtes doch angenommen.
Die Versammlung schreitet dann zur Diskussion des Anklageantrages gegen die
beiden Glieder. Bac vertheidigt Louis Blanc und Flocon seinen alten Freund
Caussidiere. Vergebens! Die Versammlung überliefert mit 504 gegen 252
Stimmen Louis Blanc wegen des 15. Mai und mit 477 gegen 268 Stimmen
Caussidiere wegen des 15. Mai und 24. Juni, den Gerichten. Ein Antrag,
Caussidiere vor die Kriegsgerichte zu stellen, fiel mit 458 gegen 281 durch.
Die Versammlung ging erst um 6 Uhr Morgens nach einer achtzehnstündigen
Sitzung auseinander.
@type | jAnnouncements |
@facs | 0458 |
Köln, 30. August 1848.
Angekommen: Capt. Demmer von Rotterdam mit 4581 Ztr. Capt. Berns von
Amsterdam mit 3956 Ztr. Capt. Linkewitz von Amsterdam mit 4377 Ztr.
Abgefahren: Pet. Schoen nach dem Obermain. A. Meyer nach Duisburg.
In Ladung: Nach Antwerpen P. Verschur Nach Ruhrort bis Emmerich W. Pesch.
Nach Düsseldorf bis Mülheim an der Ruhr L. Ducoffre. Nach Andernach u.
Neuwied A. Boecking und M. Wiebel Nach Koblenz, der Mosel und der Saar D.
Schlaegel. Nach der Mosel, und Trier und der Saar N. Pisbach. Nach Bingen A
Hartmann. Nach Mainz Ph. Kimpel. Nach dem Niedermain Seb. Schulz. Nach dem
Mittel- und Obermain Seb. Schön. Nach Worms und Mannheim J. Wiemer. Nach
Heilbronn H. Müßig. Nach Kannstadt und Stuttgardt L. Klee.
Ferner nach Rotterdam Capt. Kamps Köln Nr. 32.
nach Amsterdam Capt. Kalfs Köln Nr. 1.
Rheinhöhe am 30. Aug. 7′ 7″.
Civilstand der Stadt Köln.
Geburten.
Den 27. Joh. S. v. Jos. Alfter, Tischlerges. Thurnm. — Maria Sib. Cunig, T.
v. Joh. #. Bösenhagen, Faßb. Butterm. — Joh. Pet. Hub., S. v. Aloys
Koppmann, Schuhmacher, Römerg. — Joh. Michael, S. v. Michael Seb. Schneider,
Steinhauer, Johannstr. — Jos. S. v. Joh. Schaefer, Kassadiener, Tranka. —
Henr. Antoin. Hub., T. v. Friedrich Weiler, Schuhmacher, Maximinstr. —
Heinr. Wilh., S. v. Joh. Sartory, Büchsenmacher, Apernstr.
Sterbefälle.
Sophie Kramp 16 W. alt Follerstr. — Gertr. Harkamps, Wwe. Rehm 82 J. alt,
Severinskl. — Josepha Schön, 3 Tage alt, Entenpfuhl. — Peter Stollenwerk,
Karrenbinder, 36 J. alt, verh. Mathiasstr. — Ein unehel. Mädchen.
Neue Rheinische Zeitung.
Mit Bezugnahme auf § 6 des Statuts der „Neuen Rheinischen
Zeitungsgesellschaft“ fordern wir diejenigen unserer Aktionäre, welche die
bereits ausgeschriebenen Ratenzahlungen von 40 pCt. noch nicht vollständig
eingezahlt haben, hiermit auf, den Rest dieser 40 pCt. in der Expedition der
Zeitung, unter Hutmacher Nr. 17, unverzüglich abzutragen, und zwar die in
Köln wohnenden Aktionäre bis zum 1. September, die auswärtigen bis zum 5.
September, widrigenfalls wir die im bezogenen Paragraphen des Statuts
ausgesprochenen Strafbestimmungen in Kraft setzen und die Renitenten der
bereits geleisteten Zahlungen für verlustig erklären werden; Alles
unbeschadet der weiteren Maßregeln zur Wahrung der Rechte der
Gesellschaft.
Köln, 29. August 1848.
Die Geranten der Neuen Rheinischen Zeitungsgesellschaft:
H. Korff. St. Naut. L. Schulz.
Städtische Leih-Anstalt.
Mit Allerhöchster Genehmigung ist der bisherige Zinsfuß von 12 1/2 auf 10
pCt. ermäßigt worden.
Es wird diese Maßnahme mit dem Bemerken zur allgemeinen Kenntniß gebracht,
daß der Zinssatz von 10 pCt. mit dem 1. September d. J. für die von da ab
zum Versatz kommenden Pfänder in Anwendung kommen soll.
Köln, den 17. August 1848.
Die Armen-Verwaltung 2. Abth.
Es wünscht ein gut empfohlener gewandter junger Mann, der in einem
bedeutenden Speditionshause gearbeitet und zuletzt die kommerzielle Leitung
eines Mühlenfabrikanten-Geschäfts besorgt hat, baldigst ein neues
Engagement. Die Expedition sagt wer.
Eine einzelne Person sucht ein reinliches Frauenzimmer zur Verrichtung von
Kommissionen und für die Reinlichkeit der Zimmer. Die Expedition gibt
Auskunft.
Peter D…, nimm doch von nun an Deinen Regenschirm mit, damit das Regnen
aufhöre. Dieses rathen Dir Deine Bekannten.
Die Eröffnung meiner neuen Restauration zum Weichser-Hofe zeige ich hiermit
ergebenst an und werde mich mit vorzüglichem ächten bayerischen Lagerbier,
gutem Moselwein, die große Flasche à 2 1/2 Sgr. und prompter freundlicher
Bedienung zu empfehlen suchen.
Wilhelm Kindeler an dem ehemaligen Weichser-Hofe Weberstraße Nr. 1.
Weinverkauf.
Alle Sorten Wein billig und gut, das Quart von 3 bis 25 Sgr. Der Anker von 3,
4, 5, 6 bis zu 12 Thlr.
Louis Kertell, große Neugasse Nr. 36.
Zum Deutschen Reichsverweser.
Ein ganz erfahrner Tischlergeselle wird gesucht, Thieboldsgasse Nr. 94.
Bekanntmachung.
Die Lieferung von circa 11,000 Scheffeln Gerits für die Armen der Stadt Köln
soll während der Wintermonate Dezember 1848. Januar, Februar und März 1849
in unbestimmten Quantitäten an möglichst viele hiesige Gerißhandlungen in
der Art vergeben werden, daß die Armen gegen Abgabe der ihnen eingehändigten
Gerißbriefchen das darin bestimmte Quantum Geriß in einer ihnen beliebigen
Gerißhütte in Empfang nehmen und die Lieferanten am Schlusse eines jeden
Lieferungs-Monates die eingelösten Briefchen zu dem darin ausgedrückten
Geldbetrage bei der Armen-Verwaltung zur Liquidation bringen können.
Demgemäß werden die sämmtlichen hiesigen Gerißhüttenbesitzer eingeladen am
Montag, den 4. September etc., Nachmittags 3 Uhr, persönlich in der Sitzung
der Armen-Verwaltung, Abth. II. und III, Cäcilienstraße hierselbst zu
erscheinen, um von den desfallsigen Bedingungen Kenntniß zu nehmen, und sich
in Betreff der Uebernahme dieser Lieferung der Armen-Verwaltung gegenüber
protokollarisch zu verpflichten.
Köln, den 23. August 1848.
Die Armen-Verwaltung II. und III. Abth.
Vertillgungsfutter gegen Mäuse, Ratten Schwaben und Wanzen ist zu haben
Thurnmarkt Nr. 30 bei Wilh. Harffen.
Donnerstag den 31. August:
Der Barbier von Sevilla.
Komische Oper in 2 Akten von Rossini.
- Almaviva, Hr. Büßer aus Stettin
- Figaro, Hr Becker aus Wien
als Gäste.