Deutschland.
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19
] Köln, 28. Aug.
(Die Debatten über Standesprivilegien.
(Fortsetzung.)
Auf Hrn. Mohl, den schwäbischen Bürgerfreund, folgt in natürlicher
Progression Hr. Schwetschke, der Lichtfreund aus Halle. Auf die liberalen
Deklamationen über die „Werthlosigkeit des Adels“
eine christliche Betrachtung über die „Heiligkeit der Familiennamen;“ auf
den klimpernden Hosentaschenbeweis für die praktische Aristokratie des
Bürgerthums der Klingelbeutel frommer Sympathie für die idealen-historischen
Erinnerungen des Adels.
Hr. Schwetschke erklärt sich zunächst mit dem „Prinzip“ einer „allgemeinen
Standesgleichheit“ einverstanden. Soweit dieselbe nämlich als bloß
platonisches „Rechtssprüchwort“ gelten soll, und nicht in die „rohe,
materialistische“ Gleichheit ausartet. Die platonische, „prinzipielle“
Standesgleichheit lebt in der lichtfreundlichen „höhern Idee,“ die „rohe,
materialistische“ Gleichheit sucht sich auf der platten bürgerlichen Erde
geltend zu machen. Herr Schwetschke vermittelt den Gegensatz der praktischen
Ungleichheit mit dem „höhern Gleichheitsprinzip,“ indem er als Amendement
ein neues Rechtssprüchwort empfiehlt: „Alle Deutschen sind ohne Rücksicht
auf die Führung bürgerlicher oder adeliger Familiennamen gleichen Standes.“ Alle Standesungleichheit ist zur Gleichheit
erklärt.
Der ideale Lichtfreund betrachtet die praktische Forderung, den Adel
aufzuheben, als ein sündhaftes Begehren nach fremdem Gut, welches zur
Verwirrung, zur Anarchie, zum Nivelliren aller „natürlichen Verschiedenheit“
führt. Die Forderung, den Adel aufzuheben, sagt Hr. Schwetschke, heißt
nichts Anderes, als „verlangen, daß auch zugleich die
Familiennamen aufhören sollen.“
Angenehmer Scharfblick des hallischen Propheten! Die Aufhebung des Adels
begründet das „Aufhören“ der Familiennamen. Ohne das
Dasein der Adelstitel würde die Welt nie den Familiennamen des Hrn.
Schwetschke bewundert haben, Hr. Schwetschke würde vielleicht eine Nummer
tragen. Halten wir also fest an dem Adel, dessen Verschwinden uns in den
Zustand der Barbarei zurückschleudert, wo die „Familiennamen aufhören,“ wo
nach Art der indianischen Häuptlinge nur „persönliche Bezeichnungen“ gelten,
und der edle Gagern nur „der kühne Griff“, Herr Ostendorf „das junge Huhn,“
Herr Jahn gar „die schmutzige Hand“ benamset würden!
Diese Forderung (das Aufhören der Familiennamen), erklärt Hr. Schwetschke,
würde ein Eingriff in die heiligsten Beziehungen des
Menschen, „in die Familienrechte“ sein. „Der Name und die daran geknüpften
Erinnerungen, sind aber so heilig, daß kein
Bürgerlicher und kein Adeliger von seinem angeborenen Namen auch nur das Geringste aufgeben sollte.“
Hr. Schwetschke macht, wie Friedrich Gentz, aus dem Adel eine
Eigenthumsfrage. Die Namen sind „erblich, angeboren,“ und gehören also den „heiligsten Beziehungen“ des
Erbrechts und Familienrechts an; ihr Aufheben ist ein Eingriff in ein
unveräußerliches Eigenthum! Wie rührend ist es, den hallischen Lichtfreund
von erb- und eigenthümlicher Heiligkeit träufeln zu sehen!
Diese Begriffe sind natürlich „platonisch,“ nicht „roh, materialistisch“ zu
verstehen. Hat nicht der große Kriminalist Hitzig, ehe er sich taufen ließ,
Itzig geheißen? Hat nicht König Friedrich Wilhelm IV. ein besonderes Gesetz
über Familiennamen erlassen, worin den Juden befohlen wurde, ihren „angebornen“ patriarchalischen Benennungen „Schmuhl,
Feist, Johl,“ neue christliche Familiennamen anzuhängen? Hr. Schwetschke
würde dies Alles als einen „Eingriff in die Heiligkeit des Familienrechts“
dem Staatsanwalt denunziren, wenn nicht dies Eigenthum wie seine Heiligkeit
ein bloßes „Rechtssprüchwort“ wäre.
„Die Beziehungen zu meiner Familie sind mir so theuer, daß ich es als eine
persönliche Beleidigung betrachten würde, wenn man mir den Adel anböte.
(Immer im platonischen Sinn, nicht etwa roh, materialistisch verstanden, als
ob man, um mit Hrn. Schwetschke Handel zu bekommen, denselben nur als Hrn.
v. Schwetschke anzureden brauchte.) Aber … wenn ich zu den Nachkommen eines
Ulrich von Hutten oder Götz von Berlichingen gehörte, ich würde mir es
ernstlich verbitten, wenn man mir diesen Namen schmälern wollte!“ Wo wären
die „großen historischen Erinnerungen“ hingerathen, wenn die Nachkommen
eines von seinen Zeitgenossen verachteten Verräthers aus den Bauernkriegen
simpler „Bürger Berlichingen“ hieße?
Nachdem Hr. Schwetschke, dessen angenehm bürgerlicher Biedersinn betreff des
Adelanerbietens mit dem billigen Beifall der Linken belohnt wird, noch eine
Zeitlang fortgeplaudert hat, tritt er ab unter dringender Empfehlung seines
Amendements, welches die wohlthätigen Folgen hat, daß nach einem solchen
„Rechtssprüchwort“ kein Adeliger mehr gehindert ist, ohne Aufgeben seines
Standesnamens an „stark gefärbten“ demokratischen Bestrebungen Theil zu
nehmen.
Auf die Tribüne tänzelt mit Schnallenschuhen, weißen Strümpfen und einem ewig
lächelnden Kindergesicht Herr Ernst Moritz Arndt aus Bonn.
„Meine Herren! Ich alter Plebejer, der ich den Streit gegen den Adel und zwar
den Streit gegen die Mißbräuche mit angefangen habe, die der Adel gegen die
Bauern in meiner Heimath geübt, ich sollte gleichsam nur
durch mein Gemüth — denn was Anderes bewegt mich wahrlich nicht —
für den Adel sprechen; aber, (wörtlich!) wie ich
glaube, ist es eine alte Lehre, daß wir Alle Adam's Kinder sind.“
Unter wunderbarem Gedankengang und noch viel wunderbareren
Satzkonstruktionen, unter kindlich schönen Anekdoten und Schnurren, aus
denen uns der Hauch verkommener mährchenhafter Jahrhunderte lieblich anweht,
erklärt der „alte Plebejer“ seine Meinung dahin, daß nur das Privilegium,
welches dem Adel „gleichsam die Erde an die Füße gebunden hat,“
abgeschnitten werden solle, nicht aber die „Gewalt seiner idealen Bilder.“
Die „Gefühle der Menschen, die Vorurtheile, Alles
was oben schwebt, das poetische Heiligthum der
Menschheit,“ Alles dies und noch einiges mehr, sagt Herr Arndt, muß von der
Versammlung „geschont“ werden.
„Ich bin von schlechtem Bauernstande, aber wenn ich
ein Gütchen hätte, wo Bäume ständen, die mein Urgroßvater schon gepflanzt
hätte, das wäre mir Adel.“ Welcher unerhörte Terrorismus gehörte dazu um
Hrn. Arndt die „Gewalt“ dieses „idealen Bildes“ zu rauben?
Dieses „obenschwebende“ Heiligthum der „idealen Bilder“ berührt aber nicht
nur den Adel, es ist das Eigenthum aller Stände. Hr. Schwetschke hat die
Adelsfrage für eine allgemeine Familienrechtsfrage erklärt, Hr. Arndt macht
sie zu einer allgemeinen Religionsfrage. Hr. Schwetschke folgerte aus ihr
das Aufhören der Familiennamen, Hr. Arndt sieht die „Aufhebung der idealen
Bilder“ darin, eine Gefahr, die nicht bloß den Adel, sondern alle Stände
gleich schwer treffen wird. Zum Beweis, daß die „idealen Bilder“ allen
Ständen gehören, erinnert Hr. Arndt daran, „wie hart, wie schwer es den
Schuhmachern und Schneidern und manchen Andern gewesen, als man ihnen ihre
Läden genommen und ihre Privilegien und Satzungen für abgeschafft erklärt
habe“ (das „Wegnehmen der Läden“ war die Abschaffung der „idealen Bilder“
der Zunftgenossen); er verweis't diejenigen, welche den Titel der Grafen und
Barone abschaffen wollen, „in die Hütte der norwegischen Bauern, wo man die
Geschlechtsregister auf Odin und Thor zurückführt“ (trotzdem, daß in
Norwegen durch Aufhebung des Adels alle „idealen Bilder und Erinnerungen“
abgeschafft sind); er erzählt als Anekdote aus
seinem eigenen Leben, wie er vor einem halben Jahre einen Amerikaner nach
seinem Namen gefragt, und diesen „als einen Abkömmling des großen Grafen von
Salisbury aus der Zeit Eduard I.“ kennen gelernt habe (was beweis't, daß
auch in Amerika trotz der Abschaffung des Adels noch „heilige Gefühle für
die idealen Erinnerungen“ fortleben). Angenehme Ausbreitung der „Religion
der idealen Bilder!“
„Diese Bilder, die jedes Haus, jeder Stand, jede Hütte in sich hat, wollen wir sie den Fürsten, den Grafen, den Freiherrn
wegschneiden, wollen wir jedes Gefühl, jedes Vorurtheil wegschneiden, das wäre Unbarmherzigkeit.“ Und nachdem
Hr. Arndt erklärt hat: „um der Ehre der deutschen Geschichte willen solle
man das nicht thun,“ fügt er in wunderbarem Gedankengang hinzu: „Wer
Geschichte gelehrt hat, in den letzten 20, 30 Jahren, weiß, was die neuen
Eintheilungen der Länder für ein Ding sind, in
den Schulen und Gymnasien, (wörtlich!) wie sie aus dem Mittelalter, aus
allem richtigen Verständniß herausgeschnitten sind. Das sage ich gleichsam
scherzweise, aber die Ehren der Namen sind seit
Jahrhunderten mit unserer Geschichte verbunden, sie sind ein Glanz der
Geschichte zugleich. Warum wollen wir diese Namen nicht durchgehen lassen? Dieses erinnerte mich
an eine Anekdote.“
Als in Frankreich bei Berufung der états généraux ein Deputirter als adelig
verlesen wurde, rief er aus: „Lassen Sie mir meinen ehrlichen Namen; meine
Vorfahren waren weder Straßenräuber noch Speichellecker!“ In Deutschland
besteht der „Glanz der Geschichte“ in den Adelsnamen: — ehrenvolle deutsche
Geschichte!
Zum Schluß erklärt der alte Geschichtslehrer, warum bei den Amerikanern,
Schweizern, Norwegern u. s. w. allerdings Abschaffung des Adels und
republikanische Staatsform durchgeführt werden konnte, was in Deutschland
nicht angeht. „Sie sind Sachsen, Angeln und Friesen, bedächtig und ruhig,
Alles was mit den Händen erfaßt werden kann,
erfassend. Wie anders ist es mit den Schwaben, Thüringern, Baiern, mit den
immer am Idealischen hin und herschwebenden
Menschen!“ Was bliebe den Deutschen, wenn man ihnen die „idealischen
Bilder,“ die „heiligen Vorurtheile“ „wegschnitte?“
Die andern Völker haben sich auf der „platten Erde“ entwickelt:
Franzosen und Russen gehört das Land,
Das Meer gehört
den Britten,
— was, außer dem „Luftreich des Traums“ besitzen die Deutschen?
„Loben werde ich ewig die
Mannigfaltigkeit, die Vielerleiheit, die
Vielfältigkeit des glücklichen Volkes, welches sich das deutsche nennt; denn
bei uns ist Alles, was wunderlich, idealisch,
träumerisch ist, auf eine Weise ausgedrückt wie bei keinem andern
europäischen Volk, so daß wir selbst zu Zeiten des Unglücks, wenn wir keinen
Frieden zu Hause hatten, sagten: Glücklich, daß wir in Germanien geboren
sind, wo man träumen kann für die ganze Welt, denn wir sind ein idealisches Volk, und das ist unser Glück.“
„Was ist des Deutschen Vaterland?“
Die „glückliche Vielerleiheit“, das Luftreich des „Wunderlichen und
Träumerischen“, und dies „ist unser Glück“ — im Unglück, sagt Hr. Arndt.
Beruhigende Wirkung der „idealischen Bilder“! Innige Nothwendigkeit des
idealischen Adels für die — Zeiten des Unglücks!
(Schluß folgt.)
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61
] Wien, Leopoldstadt, 23. Aug.
Ich eile Ihnen von hieraus zu melden, daß im Prater ein Arbeiteraufstand
ausgebrochen ist, und ein Gemetzel stattgefunden hat, in Folge dessen viele
geblieben sind. Die Nationalgarde, sagt man, hat Alles niedergehauen, was
sich entgegenstellte. 3000 Arbeiter machten den Angriff und trieben die
Sicherheitswache zurück. Die Weiber zeigten einen außerordentlichen Muth. So
eben werden Todte, Verwundete und Gefangene vorüber gebracht. Die Arbeiter
griffen mit Schaufeln u. s. w. an; man hat noch nicht geschossen. Die
Nationalgarde soll mit kleinbürgerlicher Barbarei verfahren haben.
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@facs | 0451 |
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61
] Wien, 23. Aug.
Die Bewegung hat sich gelegt, aber die Aufregung ist noch vorhanden. — Wenn
auch in der Hauptsache besiegt, — denn es gelang nicht, das Ministerium zu
stürzen, die Legion und den Sicherheitsausschuß aufzulösen, und dann dem
demokratischen Reichstag auf den Leib zu rücken, der die italienische
Kanonenwirthschaft nicht anerkennen wollte, — so ist es der Kamarilla
vorgestern doch gelungen, die Demokratie und ihre Institute bei den guten
Bürgern anzuschwärzen, indem sie den Schmeerbäuchen durch Geschrei von republikanischem Terrorismus und dem furchtbaren
Gespenst: Arbeiter-Republik! Leibschneiden
verursachte. Vor diesem Gespenst ist der gute Bürger sofort bereit zu hauen,
zu schießen, zu morden, trotz den Preußen in Posen, denn all sein
Patriotismus hört auf bei dem Gedanken, daß ihm Jemand seinen Raub entreißen
könnte.
Wie ich höre, soll die Garnison von Wien am 21. vom Kaiser eine dreitägige
Gratislöhnung erhalten haben. Wozu? Ich schäme mich, Ihren Lesern ein so
einfaches Rechenexempel aufzulösen.
Gegen die Abstimmung über Bewilligung der 20 Mill. fl. hat die Linke des
konstituirenden Reichstags einen Protest eingelegt.
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@facs | 0451 |
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109
] Wien am 23, 6 Uhr Abends.
Die Thore der Stadt sind gesperrt. Die Arbeiter haben sich in der Taborstraße
verschanzt und leisten Widerstand; das barbarische Benehmen einzelner
Nationalgarden und besonders der Sicherheitswache erregt allgemeine
Entrüstung. Alle Läden sind geschlossen, die innere Stadt und Leopoldstadt
wimmeln voll Menschen; die Arbeiter äußern überall laut ihren Unwillen. Der
Generalmarsch wird geschlagen, die Nationalgarde rückt heran. Geschütz wird
in der Taborstraße aufgepflanzt. Das Volk steht vor dem Spital der
barmherzigen Schwestern, worin 25 Verwundete und Todte liegen. Die
akademische Legion rückt aus; Alle jauchzen ihr entgegen. Auch die
Nationalgarde beginnt zum Theil einzusehen, daß sie nur das Werkzeug der
Kamarilla sein soll.
Die Vorstädte jenseits der Glacis sind abgesperrt. — Kreaturen der Kamarilla
haben es gewagt, das Einschreiten des Militärs zu beantragen. Ich hörte
Fürsten sich ins Ohr flüstern: Jetzt gilts.
Der Reichstag hat heute Morgen das alte Rekrutirungsgesetz aufgehoben und
bestimmt, daß augenblicklich ein neues entworfen und berathen werde.
9 Uhr Abends. Nach Berichten aus dem
Sicherheitsausschuß. — Um 6 Uhr waren 16 Todte, 64 Verwundete, worunter 10
Frauen, eingebracht, von denen eine mit einer Schußwunde von Fensterblei.
Als die Berichterstatter ins Hospital getreten kamen, riefen die Meisten,
weil sie sich anfangs in ihnen versahen: Da sind sie ja, die Mörder! — Die
Arbeiter stehen in der Brigittenau rund um von Nationalgarden umschlossen.
Sämmtliche Berichte stimmen überein, daß die Nationalgarde den
schändlichsten Mißbrauch von der Waffe gemacht hat und nur von der
Sicherheitswache darin übertroffen worden ist. Nach dem Berichte eines
Technikers entspann sich der Konflikt in der Taborau nächst dem Marienbade.
Dort stand ein Piquet Munizipalgarde und nicht weit davon schwarzgelbe
Bürgergrenadiere. Die Arbeiter besprachen sich über die gestrigen Vorfälle
und über die Herabsetzung des Lohnes um 5 Kr. — Mehrere wollten den Minister
Schwarzer in effigie an den Galgen hängen, worauf einer seine Schaufel mit
den Worten geschwungen haben soll: „Wir lassen unsere Brüder nicht morden!“
Die Munizipalgarde mochte hierin eine Gefahr erblickt haben und rückte mit
blanker Waffe in die Arbeiter hinein. Diese entflohen, indem sie zum Zeichen
des Friedens ihre Schaufeln, Hacken u. s. w. hinwegwarfen, sich dann aber
sammelten und zurückkehrten. Als die Bürgergrenadiere diese Bewegung sahen,
wollten auch sie auf die Arbeiter eindringen und wurden nur durch das
Abwehren des Technikers einstweilen noch abgehalten. Die Munizipalwache
hatte sich indessen schon grobe Excesse erlaubt, sie hatte blind in die
Leute eingehauen, viele verwundet, ja getödtet. Zu ihr hatten sich
Bombardiere und Militärgrenadiere gesellt und nun kam es zu einem Krawall,
an welchem sich auch die Bürgergrenadiere auf die plumpste Weise mit
gefälltem Bajonett betheiligten, indem sie wehrlose Männer und Frauen
durchstachen, niederhieben und selbst noch im Tode mit ordnungsfanatischem
Vandalismus mißhandelten. So wurde ein Mädchen mit dem Kolben den Wall
hinabgestoßen, ihm der Kopf zerschlagen und es dann von einer Munizipalwache
bei den Haaren wieder heraufgezogen.
[0452]
Alte Greise, die
bettelnd am Wege saßen, wurden von Bürger- und Polizeischergen erschossen. —
Mittlerweile waren die Arbeiter aus der Brigittenau denen in der Taborau zu
Hülfe geeilt; da rückte schwere Militärkavallerie heran und suchte mit den
Bürgergrenadieren gemeinschaftlich zu operiren. Die Arbeiter wurden in die
Taborstraße getrieben, viele wurden gefangen und eingebracht, die
Nationalgarde rückte immer mehr von allen Seiten heran. Der Oberkommandant
Streffleur berichtete, daß er das Militär sofort entfernt habe.
Diese Thatsachen werden in diesem Augenblicke immer bekannter, das Volk wird
immer aufgeregter, es kann zu einem ernstern Kampfe kommen, wenn die
Nationalgarde sich nicht besinnt und erkennt, daß sie ein Werkzeug des
Absolutismus und eines verrätherischen Ministeriums ist. Schon spricht man
von Barrikaden.
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@facs | 0452 |
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61
] Wien, 24. Aug.
Die Stadt ist dem Anscheine nach ruhig; die Reaktion hat momentan einen Sieg
errungen.
Die Erhebung des Sicherheitsausschusses in der Nacht des 21. auf den 22. war
blos ein Schein; er hatte sich überhoben, denn er hattte sich durch die
Berathung und Beschließung der Adresse an das Frankfurter Parlament über die
Majorität des Wiener Spießbürgerthums hinausgehoben. Es gelang der
Kamarilla, den Ausschuß mit der Legion zu republikanisiren und vor dem Bauch
des Staats, dem Bürgerthum, als verschlingende Drachen darzustellen; es
gelang, eine Arbeiterhetze herauf zu beschwören und den Minister Schwarzer
dazu als Werkzeug zu benutzen, durch den die übrigen Minister Latour, Bach,
dieser konstitutionell-demokratisch-monarchische Narr — Dobblhof u. s. w.
die Kastanien aus dem Feuer nehmen konnten. — Die Studenten meinen, es
müßten wieder Barrikaden gebaut werden; gut, aber wenn ihr sie nicht auch
wieder die politischen Ischariots und wieder das Bürgerthum baut, werdet ihr
auch nach Siegen immer wieder in die alten Zustände, mit denen sich nur noch
die Gemeinheit paart, zurückgetrieben werden.
Als ich gestern Abend den Sicherheitsausschuß verließ, war er im Begriff sich
freiwillig aufzulösen, denn er hatte bei der Ordnungswuth der Nationalgarde
nicht mehr die Macht in Händen; er that, was ihm allein übrig blieb, er
sendete Deputationen an's Ministerium und ließ den interimistischen
Oberkommandanten der Nationalgarde beschwören, die bürgerliche
Schachersoldateska zurückzuhalten. Doch überall folgte den Bemühungen des
Sicherheitsausschusses der Geruch des Republikanismus, d. h. die Vernichtung
an seiner Autorität vor der bewaffneten Macht von 40,000 Spießbürgern, die
aus Furcht vor der bewaffneten Legion und den Arbeitern schon Miene machte,
die Errungenschaften Oesterreichs wieder an die Henkersknechte des
Absolutismus, an das Militär, zu verhandeln. — Fischoff, ohnlängst noch
Präsident des Sicherheitsausschusses, jetzt Ministerialrath, zuckte die
Achseln, als der Ausschuß vor ihn hintrat, um humane Maßregeln zu erwirken
und meinte, das Gesetz müsse gehandhabt werden; Streffleur, der
Oberkommandant, fühlte, daß er mit 40,000 Bajonnetten nach keinem Ausschuß
mehr zu fragen habe, und das Ministerium ließ durch Bach erklären, es selbst
sei antirepublikanisch gesinnt und werde auch ohne Gesetze wider
republikanische Vereine und dergleichen antirepublikanisch zu handeln
verstehen. — So stürzte die Wiener Demokratie in einer Nacht zusammen und
wir werden sehen, ob sie sich wieder aufzurichten vermag. Das Wetter ändert
sich hier sehr rasch.
Zwei Maueranschläge verrathen wohin das Staatsschiff rudert, der eine
heißt:
1) Das Ministerium übernimmt die unmittelbare Leitung aller Maßregeln zur
Aufrechthaltung der öffentlichen Ruhe und Sicherheit in der Residenz. Alle
exekutiven Organe haben daher nur nach den Anordnungen der Ministeriums zu
handeln;
2) Auf allen Arbeitsplätzen, wo die gestrigen Unruhen stattfanden, ist die
Arbeit eingestellt, und alle jene Arbeiter, welche daselbst beschäftigt
waren und neuerdings zu einer öffentlichen Arbeit zugelassen werden wollen,
müssen sich über ihr bisheriges Verhalten auf den Bauplätzen (Sedinitzky's
Polizei rückt also schan so schnell wieder ein?), sowie über ihre
Zuständigkeit ausweisen, wonch ihnen ein Arbeitsschein von dem betreffenden
Bezirkskommissariate ausgefertigt wird.
In einem zweiten Maueranschlag befiehlt derselbe Ministerrath sub poena
langjährigen Kerker's Gehorsam gegen die Nationalgarde, die Bürgerwehr und
Legion einbegriffen.
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@facs | 0452 |
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15
] Wien, den 23. August.
Aus einem andern Berichte über die Arbeiteremeute geben wir folgendes: Dem
Sicherheitsausschusse waren die Hände gebunden, man beharrte bei der
Lohnherabsetzung und trieb mit Säbelhieben die Arbeitermassen auseinander.
Die Erbitterung kam nun gestern Abend zum ersten Ausbruch. Die Arbeiter im
Prater rotteten sich zu einer Demostration gegen Schwarzer, den Minister der Arbeiten, zusammen, den sie in essigie
begraben wollten; die Munizipalgarde sperrte der Prozession den Weg, die
Nationalgarde wurde allamirt und gegen die unbewaffnete Arbeitermasse sofort
mit Macht eingeschritten. Aber die Municipalgarde war zu oft verhönt, die
Nationalgarde zu oft von ihrem Arbeitsstuhl durch die Lärmtrommel
aufgeschreckt worden, um in ihrem blinden Drange nach unbedingter Ruhe und
Ordnung um jeden Preis die einfachsten Rücksichten der Menschlichkeit zu
beobachten, sie hieb auf die Fliehenden ohne Unterschied des Alters und
Geschlechtes ein und soll fürchterliche Grausamkeiten verübt haben, die,
wenn sie nur halbwegs wahr sind, sich den Gräuelscenen der Pariser Junitage
würdig anreihen dürfen. Nachdem kein Fliehender mehr zu erreichen und
niederzustoßen war, zogen die Garden im Triumphzuge in die Stadt zurück, die
in der fürchterlichsten Aufregung war. Die blutige Saat des gestrigen Tages
wird desto fürchterlicher aufgehen; je weniger dringend ein solch
barbarisches. Einschreiten erschien.
Die Schuld dieser traurigen Vorfälle trifft zunächst das Ministerium, das
diesen Zusammenstoß auf die plumpste Art herbeigeführt und damit der
Reaktion Thür und Thor geöffnet hat. Daß aber der erfolgte Zusammenstoß kein
unerwarteter, kein nothwendiger, viellmehr ein wohlberechneter, angelegter
war, dafür spricht die Bewilligung der Kammer zu einem Anlehen von 20
Millionen, dafür spricht die Haltung des Ministeriums in der Stunde der
Gefahr selbst. Man will entzweien, man will die Auflösung des
Sicherheitsausschusses als eines volksthümlichen und volksfreundlichen
Tribunals, man will die Auflösung der academischen Legion, um zum
militärischen Despotismus zu kommen und den Weg anzubahnen, der in die
schöne, alte Zeit zurückführt.
Den 24. August. Die Nacht verlief ruhig, die Zahl der Todten und Verwundeten
wird auf mehr als 100 veranschlagt. Die Arbeiter wüthen über das treulose
und kanibalische Benehmen der Garde und brüten furchtbare Rache. Es stellt
sich immer klarer heraus, daß die Treibjagd auf die wehrlosen und fliehenden
Arbeiter ebenso unmenschlich als nutzlos war. Mitglieder der academischen
Legion parlamentiren fortwährend mit den Arbeitern und suchen die mit Recht
erbitterten Gemüther zu beschwichtigen. Unser Ministerium Dobbhoff wird an
eben diesem seinem Siege über die Arbeiter zu Grunde gehen, und das Heft der
Regierung wird in die Hände Stadion-Neumanns fallen, in deren Gefolge wir
die ganze adliche und militärische Sippschaft, die vollständig organisirte
schwarzgelbe Reaktion zu gewärtigen haben.
Der Sicherheitsausschuß hat sich heute aufgelöst,
indem das Ministerium die Erklärung abgab, kein anderes Organ neben sich
dulden zu können, und die Verwaltung allein und ungetheilt in seinen Händen
besitzen will. Der Reichstag wird stets eine ministerielle Majorität haben
und seine Mission, wie es bisher zu ersehen, kaum erfüllen. Jedenfalls gehen
wir blutigen Ereignissen entgegen.
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@facs | 0452 |
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*
] Wien, 25. Aug.
Gestern begann der erste öffentliche Preßprozeß gegen die Redakteure des
„Studenten-Courier“ wegen eines Artikels: „die Republik in Wien“. Der
Staatsanwalt trug auf 6wöchentlichen Arrest an. Die Geschwornen erklärten:
„Nicht schuldig“, Mit unendlichem Jubel begleitete das Volk die
Freigesprochenen nach Hause.
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@facs | 0452 |
[
!!!
] Frankfurt, 26. August.
So eben (11 Uhr Abends) komme ich von dem mehr als glänzenden Empfang zurück,
welchen Frankfurts Demokraten der Wiener Deputation gebracht haben, die jene
vielbesprochene Adresse von 80,000 Wiener Bürgern, vom Demokratenverein,
liberalen Verein. Studentenlegion, Wohlfahrtsausschuß etc. unterzeichnet,
der äusersten Linken der Nationalversammlung überbringt. — Die Deputation,
nur aus dem Präsidenten des Wiener demokratischen Vereins, Dr. Deutsch,
bestehend, kam um 10 Uhr Abends in Frankfurt an und wurde von den Arbeitern,
einigen neugierigen Bürgern und Damen, einigen Mitgliedern der Linken etc.
bei Fackelschein und Gesang im hiesigen Fai'schen Garten freudig empfangen.
Friedrich Kapp hielt eine begrüßende Anrede, die Dr. Deutsch mit einem Hoch
auf die äußerste Linke erwiederte. Nachher sprach Wiesner (Abgeordneter aus
Wien) in einer kräftigen mit Jubelruf begrüßten Rede.) Hierauf begleitete
die Menge in dichtgedrängtem, unabsehbarem Zuge mit vielen hundert Fackeln
den Dr. Deutsch durch die Straßen Frankfurts nach dem Landsberg.
Ununterbrochen erschallten Lebehochs auf Hecker, auf
die Republik, besonders vor dem Hôtel de Russie, der früheren Wohnung des
Reichsverwesers. Der Geist Wiens war in die Freireichsstädter gefahren.
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@facs | 0452 |
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15
] Berlin, 25. Aug.
Das Ungewitter, welches sich über dem Haupte der guten Bürger von Posen
zusammengezogen, ist glücklich zertheilt. „Vater“ Steinäcker bleibt wieder
bei ihnen. Die Deputation, welche vor einigen Tagen hieher geschickt war,
bekam Audienz beim Premier Auerswald, der ihnen mittheilte, daß die
Regierung von einer beabsichtigten Entfernung des „allverehrten“ Generals
„mit den Silberhaaren“ gar nichts wüßte. In Betreff der preußischen Politik
im Großherzogthum Posen äußerte sich der Hr. Minister huldvoll, daß die
Reorganisation und Demarkation ganz im Sinne des preußisch-jüdischen Raçe
ausfallen würde.
Unterdessen haust die preußische Soldateska in der unglücklichen Provinz im
Verein mit den Landräthen ganz nach der alten Manier. Vor wenigen Tagen
stand im Städtchen Zerkow ein polnischer Bürger ganz ruhig in der Kirche,
als ein Unteroffizier vom 21. Regiment hereinstürzt. Jener fragt, was er
wolle? Statt aller Antwort fällt der Unteroffizier über ihn her und schlägt
ihn mit seinem Säbel über Kopf und Arm. Der Pole ruft Hülfe und sucht in den
obern Stock zum Schullehrer zu entfliehen. Allein nun bricht ein ganzer
Schwarm von Soldaten in das Haus und mißhandelt den Mann mit Kolben, Säbeln
und Ladestöcken bis er endlich halbtodt daliegt. Genugthuung ist natürlich
dem Manne nicht geworden; ist er ja ein Pole.
In Folge der Exzesse vom 21. Aug. sind hier bis jetzt 58 Personen verhaftet
und 46 davon dem Kriminalgericht übergeben worden. Trotzdem, daß die Sache
sehr eifrig betrieben wird, und die Minister Auerswald, Kühlwetter und
Märker bereits verhört worden sind, will sich bis jetzt nichts Erhebliches
herausstellen.
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@facs | 0452 |
[
103
] Berlin, 26. Aug.
Sitzung der Vereinbarer-Versammlung. Tagesordnung: Berathung des Gesetzes zum
Schutze der persönlichen Freiheit.
§. 5. „Die Wohnung ist unverletzlich. Während der Nacht hat Niemand das
Recht, in dieselbe einzudringen, als in Fällen einer Feuer- oder
Wassersnoth, einer Lebensgefahr oder eines aus dem Innern der Wohnung
hervorgegangenen Ansuchens. Bei Tage kann wider den Willen des Hausherrn
Niemand eindringen, außer in Folge einer in amtlicher Eigenschaft ihm
gesetzlich beigelegten Befugniß oder eines von ihm von einer gesetzlich dazu
ermächtigten Behörde ertheilten schriftlichen Auftrags.
„Haussuchungen dürften nur in den Fällen und nach den Formen des Gesetzes
unter Mitwirkung des Richters, der gerichtlichen Polizei, und wo diese noch
nicht eingeführt ist, der Polizeikommissarien oder der Kommunalbehörde, wo
eine solche aber nicht besteht, der Polizeibehörde des Orts geschehen.“
Der Berichterstatter Waldeck begründet den §.
Die Abg. Harrassowitz, Rintelen, Weichsel, Lisiecki,
Borchardt stellen Amendements oder Zusätze. Der Borchardtsche
Zusatz:
„und zwar unter Zuziehung des Angeschuldigten oder Falls dies
unmöglich der Hausgenossen,“ wird angenommen.
§. 6. „Das aus der Nachtzeit hergeleitete Verbot besteht für die Zeit vom 1.
Oktober bis 31. März während der Stunden von 6 Uhr Abends bis 6 Uhr Morgens,
und für die Zeit vom 1. April bis 30. September während der Stunden von 9
Uhr Abends bis 4 Uhr Morgens. Auf diejenigen Orte jedoch, welche als
Schlupfwinkel des Hazardspiels und der Ausschweifungen oder als gewöhnliche
Zufluchtsorte von Verbrechern glaubhaft bezeichnet werden, findet dies
Verbot keine Anwendung. In Betreff derjenigen Orte, in welchen während der
Nachtzeit das Publikum ohne Unterschied zugelassen wird, bleibt es außer
Anwendung, so lange sie dem Publikum geöffnet sind.“
Berichterstatter Waldeck motivirt.
Abg. Blöm stellt das Amendement: statt des Wortes
„glaubhaft“ die Worte: „durch den gemeinen Ruf,“ zu setzen.
Abg. von Daniels stellt den Zusatz: hinter den
Worten: „bezeichnet“ einzuschalten: „und auf Wohnungen der Personen, welche
durch ein Straferkenntniß unter besondere polizeiliche Aufsicht gestellt
sind, findet dies Verbot keine Anwendung.“ Beide Amendements werden
angenommen.
§. 7. „Im Falle eines Krieges oder Aufruhrs kann, wenn die Volksvertretung
nicht versammelt ist, durch Beschluß und unter Verantwortlichkeit des
Staatsministerii die zeit- und distriktsweise Suspendirung des §. 1
gegenwärtigen Gesetzes provisorisch ausgesprochen werden. Die
Volksvertretung ist jedoch in diesem Falle zusammenzuberufen.“
Dieser Paragraph, so einfach er ist, ruft wieder einmal eine der stürmischen
Scenen hervor, welche die rechte Seite, wenn sie bei
der Abstimmung unterliegt, durch ihr Lärmen und Geschrei eine neue
Abstimmung zu erlangen, hervorruft. — Der Abgeordnete Hartmann hat das, von der rechten Seite unterstützte Amendement
gestellt, nicht allein den §. 1 wie hier vorgeschlagen, sondern auch noch
die „§§. 2, 3, 5, 6.“ einzuschalten, damit dieselben bei einer desfallsigen
Suspendirung mit einbegriffen sind. Der Vice-Präsident Kosch beobachtet nun das Verfahren, zuerst die Frage zu stellen,
ob auch §. 2 hinzugefügt werde. Die rechte Seite erhebt sich dafür, und der
Vice-Präsident Kosch erklärte es für die Minorität. Das will die Rechte
nicht zugeben und verlangt nochmalige Abstimmung und Zählung. Der Lärm wird
immer größer, bis endlich der Antragsteller Hartmann die Tribüne besteigt
und der Rechten erklärt, daß er als Antragsteller sich mit der Abstimmung
einverstanden erkläre, da ja der §. 2. ohne allen Einfluß bei einer
desfallsigen Suspendirung des Gesetzes sei. Auch §§. 3 und 6 werden nicht
zur Suspendirung hinzugenommen; nur §. 5 wird mit 159 gegen 151 Stimmen
dazugezogen, so daß es nun im Text des §. 7 heißen muß: „die Suspendirung
der §§. 1. und 5. des gegenwärtigen Gesetzes.“
§. 8. „Es ist keine vorgängige Genehmigung der Behörden nöthig, um
öffentliche Civil- und Militär-Beamten wegen der durch Ueberschreitung ihrer
Amtsbefugnisse verübten Verletzungen vorstehender Bestimmungen gerichtlich
zu belangen.
Berichterstatter Waldeck motivirt.
Da sich der Minister des Innern im Namen der
Regierung für die Annahme des Paragraphen erklärte, so findet keine weitere
Debatte statt, und der §. 8 wird einstimmig
angenommen. —
Der Abgeordnete Arntz hat den Antrag gestellt:
Folgende Bestimmung möge als §. 9. dem Gesetze hinzugefügt werden:
„Wer beschuldigt ist, vermittelst der Presse oder auf eine
andere Weise ein politisches Vergehen verübt zu haben, welches als höchste
Strafe im Bezirke des Rheinischen Appellationsgerichts fünf Jahre Gefängniß,
in den übrigen Landestheilen vier Jahre Gefängniß, Zuchthaus oder
Festungs-Arrest nach sich ziehen kann, soll, wenn er in Preußen einen festen
Wohnsitz hat, vor der Verurtheilung nicht verhaftet werden, es sei denn, daß
er der Vorladung vor dem Richter zu erscheinen nicht Folge leiste.
Als politische Vergehen werden, außer den im §. 2. der Verordnung vom 15.
April 1848 bezeichneten, diejenigen Vergehen betrachtet, welche vorgesehen
sind:
1) im Allgemeinen Landrecht Theil II. Titel 20. Abschnitt 2,
3, 4 und 5;
2) im Rheinischen Strafgesetzbuche, Buch III. Titel I. Kap.
3, Abschnitt 3 §. 1.“
Minister des Innern Kühlwetter: Die Regierung muß
sich der Annahme dieses Antrags ganz entschieden widersetzen. Wir sind im
Begriff eine Verfassung zu begründen, an deren Spitze die Gleichheit Aller
vor dem Gesetze als Prinzip gestellt ist. Dieses Prinzip wird
beeinträchtigt, wenn Sie diesen Antrag annehmen, wenn Sie eine bestimmte
Untersuchungs-Kategorie vor andern bevorzugen.
Abg. Jung: Die Presse und die politischen Vergehen
befinden sich seit dem 18. März in der üblen Lage, stets nach den veralteten
Gesetzen beurtheilt zu werden, welche durch die Ereignisse jenrs Tages
faktisch aufgehoben sind, und von Gerichten, die dem Geiste der Zeit eben so
wenig entsprechen, daß wir den Vorschlag des Abg. Arntz mit Freuden annehmen
können. Die Einwendungen des Ministers des Innern beziehen sich fast nur auf
formelle Bedenken. Er sagt: es sei gegen die Rechtsgleichheit für politische
und Preßvergehen die Untersuchungshaft abzuschaffen. Diese Vergehen
unterscheiden sich aber sehr bestimmt vor allen andern. Es sind Verbrechen,
die aus sittlichen Antrieben entstehen. (Murren auf der Rechten.) Ja, der
politische Verbrecher steht auf dem Boden der Sittlichkeit.
(Beifallsbezeigung der Linken.)
Abg. Jungblut: Vor Allem muß ich Verwahrung dagegen
einlegen, daß das, welches hier als Grundsatz der Sittlichkeit ausgesprochen
worden, als Ausdruck der Gesinnung der ganzen Versammlung zu betrachten
wäre. (Gelächter und allgemeine Heiterkeit.)
Nachdem der Abg. Borchardt sich noch für den Antrag
ausgesprochen hat, bemerkt der Minister Kühlwetter:
es sei nicht zu übersehen, daß die Untersuchungshaft nur vom Richter
ausgehen kann, und der Richterstand stehe in Preußen unabhängig da, wie er
immer unabhängig da gestanden habe. (Bezweifelnde Ausrufungen zur
Linken.)
Abg. Stupp: Man möge nur Vertrauen haben zu dem
Richter und „wir als Vertreter der Nation dürfen keinen Zweifel äußern an
der Selbstständigkeit unserer Richter.“
Reichenbach: Der Minister des Innern hat behauptet,
der Antrag sei eine Verletzung der Gleichheit vor dem Gesetze. Man lasse
sich nicht blenden von diesem Satze, der Antrag bezweckt nur die gleiche
Befreiung aller Staatsbürger wegen eines und desselben Verbrechens.
Abg. Arntz erklärt als Antragsteller sich mit der
Verweisung in die Centralabtheilung begnügen zu wollen. — Nach einer
Unterredung mit dem Abgeordneten Waldeck zieht er seinen Antrag jedoch ganz
zurück, da ihm dieser als Vorsitzender der Verfassungs-Kommission
mitgetheilt habe, daß ein Preßgesetz von dieser Kommission in den nächsten
Tagen vorgelegt werden würde, wo er seinen Antrag wieder einreichen werde.
—
Abg, Waldell berichtigt diese Angabe noch dahin, daß
das Preßgesetz erst von einer engeren Kommission ausgearbeitet sei und noch
die Berathung der Verfassungskommission durchzumachen habe.
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@type | jArticle |
@facs | 0452 |
[
103
] Berlin, 27. Aug.
Das, vom Abgeordneten Waldeck, bei Gelegenheit der
Debatten des Arntz'schen Antrages auf Aufhebung der Untersuchungshaft bei
politischen und Preßvergehen, erwähnte Gesetz über die
Untersuchung und Bestrafung der politischen und Preßvergehen ist
von demselben ausgearbeitet, von der engern Kommission bereits genehmigt und
gestern der Verfassungs-Kommission vorgelegt worden, welche es sofort
berathen und alsdann den Abtheilungen zugehen lassen wird. — Der Entwurf
lautet:
§. 1. Vergehen, welche durch die Presse begangen werden, sind nach den
allgemeinen Landesgesetzen zu bestrafen.
§. 2. Alle Verbreitungen durch den Druck oder eine dem Druck gleichstehende
Vervielfältigungsart, auch durch Bildwerke, werden hier unter „Presse“
verstanden.
§. 3. Das Wort Vergehen wird in diesem Gesetze für „strafbare Handlung“
gebraucht.
§. 4. Folgende gesetzliche Bestimmungen:
Allgemeines Landrecht II. Titel
20 §§. 151-156, nebst der
Allgemeines Landrecht Theil II. Titel 20 §§.
196-209 daselbst §§. 620, 621
bleiben fortan außer Anwendung.
§. 5. In den Landestheilen, in welchen das gemeine Strafrecht gilt, fallen
diejenigen Strafbestimmungen, welche vorgedachten Gesetzen entsprechen,
ebenfalls weg.
§. 6. In den Landestheilen, in welchen das Allgemeine Landrecht Gültigkeit
hat, werden durch die Presse verübte Beleidigungen der Ehre fortan nach den
Gesetzen bestraft, welche bei Beleidigungen unter Personen höhern
Bürgerstandes gelten, ohne daß der Stand des Beleidigers oder Beleidigten
dabei weiter zur Berücksichtigung kommt. Bei einer Klage wegen Verleumdung
ist die Einrede der Wahrheit der als verleumderisch bezeichneten Thatsachen
zulässig.
§. 7. Auf jeder Druckschrift muß bei 5-20 Thlr. Strafe der Name und Wohnort
des Druckers am Schlusse angegeben werden. Der Drucker übernimmt dadurch die
Verantwortlichkeit. Sie geht auf den Verleger über, wenn dieser ebenfalls
mit Namen und Wohnort genannt und in Preußen bei Einleitung des
gerichtlichen Verfahrens wohnhaft und anwesend ist. Ist Letzteres mit dem
Verfasser der Schrift der Fall, so dürfen Drucker und Verleger, wenn deren
Mitschuld nicht durch andere Thatsachen begründet wird, nicht gerichtlich
verfolgt werden.
§. 8. Als politische Vergehen gelten diejenigen, worüber sich der zweite,
dritte und vierte Abschnitt des Titels 20, §§. 91-179, Allgemeinen
Landrechts Theil II., die demselben im gemeinen Strafrechte und im
Rheinischen Strafgesetzbuche gleichstehenden Vergehen verhält.
§. 9. Alle den Vorschriften dieses Gesetzes entgegenstehende Bestimmungen,
namentlich das Gesetz über die Presse vom 17. März 1848, treten außer
Kraft.
§. 10. In Ansehung der durch die Presse verübten Beleidigun-
[0453]
gen der Ehre verbleibt es bei dem bisher geltenden Verfahren. Dagegen soll
die Entscheidung in allen sonstigen Preßvergehen und in politischen Vergehen
künftig nur durch Geschwornen-Gerichte erfolgen.
§. 11. Im Bezirke des Appellations-Gerichtshofes zu Köln kommen Vergehen
dieser Art zur Aburtheilung vor den Assisen, und verbleiben diejenigen
Bestimmungen in Kraft, welche daselbst bei Verhandlungen und Entscheidungen
dieser Art Geltung haben.
§. 12. In den übrigen Landestheilen gehören dergleichen Vergehen vor Assisen,
welche zu diesem Zwecke in der nachstehend näher bestimmten Art eingerichtet
werden und nach Bedürfniß vierteljährlich oder auch öfter
zusammentreten.
§. 13. Der Gerichtshof muß aus wenigstens 5 Mitgliedern bestehen und
mindestens einen Bezirk von etwa 100,000 Seelen umfassen. Fehlt es in dem
Bezirke an einem Gerichtshofe der gedachten Art, so geschieht die Bildung
aus den Mitgliedern der minder besetzten Gerichte. Jedem Gerichtshofe wird
eine Deputation von drei Richtern als Anklage-Senat (§. 66 des Gesetzes vom
17. Juni 1846) zugetheilt.
§. 14. Die Thatsache wird durch Geschworene entschieden. Die jetzigen für
Frankfurt und Berlin in einem Schwurgerichts-Bezirke gewählten Wahlmänner
machen zugleich die Liste der Geschworenen aus.
(Folgen 46 Paragraphen über die Geschwornengerichte, Kassation etc., die fast
in allen Punkten mit dem Code Napoléon übereinstimmen.)
Unsere Vereinbarer-Versammlung wird sich genöthigt sehen, ihr bisheriges
Sitzungslokal in der Singakademie zu verlassen. Da der Vorstand der
Singakademie vom 1. Oktober an monatlich 1000 Thlr. Miethe beansprucht, so
hat die Kommission ein anderes Lokal aufgesucht und sich für den großen Saal
des Schauspielhauses entschieden, welcher den doppelten Vortheil hat, daß er
im Winter geheitzt werden kann und dem Staate keine Miethe kostet. —
Wahrscheinlich wird zu der am 15. Sept. festgesetzten Zeit des Umzuges eine
kleine Pause in den Vereinbarungsverhandlungen stattfinden. Diese Ferien
werden die Herren Vereinbarer dazu benutzen, sich von ihrer viermonatlichen
anstrengenden Thätigkeit, durch eine Reise in ihre resp. Wahlkreise zu
erholen.
Die Hetzjagd auf die Demokraten hat seit gestern von Neuem begonnen. Zuerst
wurde der Prediger Dowiat verhaftet, und so eben
verbreitet sich die Nachricht, daß man Edgar Bauer,
Ottensosser, Karbe, Mai und mehrere andere bekannte Volksredner
verhaftet habe. Es wird auch erzählt, daß ein Freund Bauer's sich dem
Polizei-Kommissar, der den Befehl zu Bauer's Verhaftung hatte, für denselben
sich vorstellte, und daß es demnach Edgar Bauer gelungen ist, zu entfliehen.
— Fragen Sie nach der Ursache dieser Verhaftungen, so weiß Niemand darauf zu
antworten; es ist eine reine Polizeimaßregel nach altem Systeme.
Den Verhaftungen ging eine nächtliche Haussuchung voran, wozu von der
vollziehenden Polizeibehörde nicht allein einige Hundert Mann Konstabler,
sondern auch einige Kompagnieen Bürgerwehr kommandirt wurden. Vergangene
Nacht bekam nämlich das im Schloß konsignirte fliegende Korps der jungen
Kaufmannschaft und andern Bürgerwehr den Befehl, auszurücken. Unterweges
schloß sich ihnen ein großer Zug Konstabler an, und man zog nach dem Lokale
des Handwerkervereines in der Johannisstraße. Da angelangt, begaben sich die
Konstabler in das Lokal und zwangen den daselbst wohnenden Oekonom zur
Herausgabe aller Munition, welche der Handwerkerverein hier aufbewahrt.
Dieser Verein ist aber ein der Bürgerwehr aggregirtes fliegendes Korps, zum
Tragen der Waffen, mithin auch zur Verwahrung von Munition berechtigt. — Das
Korps der jungen Kaufmannschaft, als es diese ungesetzliche Polizeiwillkür
vernahm, verließ entrüstet augenblicklich seinen Posten und begab sich zum
Kommandanten der Bürgerwehr, Hrn. Rimpler, welcher ihnen jedoch auf ihre
Beschwerde erwiederte, sie hätten seinen Befehlen unbedingten Gehorsam zu
leisten. Demzufolge hat sich das Korps der jungen Kaufmannschaft veranlaßt
gesehen, einen Protest an die Straßenecken schlagen zu lassen, worin es
schließlich heißt:
„Das fliegende Korps der jungen Kaufmannschaft protestirt feierlichst gegen
das Verlangen eines blinden Gehorsams. Es erkennt als den Zweck der
Volkswehr nicht nur die Aufrechthaltung des Gesetzes, sondern auch die Wahrung des Eigenthumes und der Rechte des Volkes. Diese halten wir dadurch für verletzt, daß
man einem Theile der Volkswehr die von ihnen vorräthig gehaltene Munition
konfiszirt.“
Man ist hier allgemein entrüstet über das Benehmen unserer Polizei, die wohl
in diesen Angelegenheiten nicht ohne Befehl des Ministeriums handelt. Was
soll man zu solchen Willkürmaßregeln sagen, da gestern mit Zustimmung des
Ministeriums ein Gesetz zum Schutze der persönlichen Freiheit angenommen
wurde, an dessen Spitze die Worte stehen:
„Die persönliche Freiheit ist gewährleistet.“
„Die Wohnung ist unverletzlich.“
Bleibt ein solches Ministerium noch länger an der Spitze der Regierung, fällt
es nicht schon in der morgenden Sitzung, so ist Alles vorüber, alle schönen
Hoffnungen vernichtet, und wir kehren ruhig in die Zeiten des Polizeistaates
zurück. —
Und das wird allerdings vor der Hand das Ende der ganzen Revolutionskomödie
sein. —
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@facs | 0453 |
[
40
] Berlin, 25. Aug.
Heute Abend erscheint der Bericht der
Central-Abtheilung über das „Martial-Gesetz.“ Die erste Abtheilung unter
Waldeck hat den Regierungsentwurf durchweg verworfen, — Ein Gerücht spricht von einer Differenz zwischen dem
König und dem Prinzen von Preußen, in Folge welcher der etztere wieder eine
Reise in das Ausland antreten dürfte.
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@facs | 0453 |
[
103
] Berlin, 25. August.
Gestern wurden einige der Charlottenburger Gefangenen freigelassen, und einer
der Gefangenen wurde von den Charlottenburgern im Triumph, bekränzt durch
die Straßen des Städtchens geführt. Die andern Gefangenen, die sich noch in
Arrest befinden, sucht die Charlottenburger Bourgeoisie durch Zusendung von
gutem Essen und Trinken, für ihre der Reaktion bewiesenen Dienste zu
entschädigen und ihren Gesinnungen und Handlungen Anerkennung zu geben. Die
Untersuchung scheint in Charlottenburg noch gar nichts ermittelt zu haben;
wie man sagt, in Folgen der Vorsicht des die Untersuchung leitenden
Polizei-Inspektor Gesellius, der in dem Ruf steht,
daß er den Ursprung der Charlottenburger Ereignisse gar nicht ermitteln
wolle.
Der Oberst Kaiser, Kommandant der Schutzmannschaften,
ist in Folge von Konflikten, die zwischen ihm und dem Ministerium in Folge
der Montagsereignisse stattfinden sollen, seiner Stelle enthoben worden. Man
will diese Entlassung auch als eine Folge der enthüllten Instruktionen der
Schutzmannschaften ansehen.
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@type | jArticle |
@facs | 0453 |
[
103
] Berlin, 25. August,
Wie bereits früher gemeldet, hatte das Land- und Stadtgericht in Trzemesno
bei der Vereinbarerversammlung die Erlaubniß nachgesucht, den Abgeordneten
Dr. Piègsa zur gerichtlichen Untersuchung, ohne Verhaftung, ziehen zu
dürfen.
— Die Kommission hat ihren Bericht an die Versammlung dahin abgestattet, daß
sie beantragt: Die Versammlung wolle beschließen: es sei dem Land- und
Stadtgericht zu Trzemesno zu eröffnen, daß keine Veranlassung vorliege, die
Genehmigung dazu zu ertheilen.
— Die Cenlral-Abtheilung bringt hiernach die Annahme des Gesetzentwurfes über
Klassenstruer-Exemtionen in der folgenden Redaktion in Vorschlag.
§. 1. Die nach dem Klassensteuer-Gesetze vom 30. Mai 1820 und den späteren
Verordnungen für Standesherren, Geistliche, Schullehrer, Hebammen und
Gensd'armen, für Offiziere, Feldwebel und Wachtmeister des stehenden Heeres
und der Landwehr, die nicht mobil gemacht sind, und für Militär-Beamte
bisher bestandenen Befreiungen von der Klassensteuer werden hiermit, vom 1.
Okt. d. J. ab, aufgehoben.
§. 2. Der Finanz-Minister ist mit der Ausführung dieses Gesetzes
beauftragt.
Das Central-Comité der pommerschen Guts- und Brennereibesitzer hat heute an
alle Vereinbarer eine Denkschrift gegen die vom Finanz-Minister projektirte
Erhöhung der Maischsteuer gesandt.
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@type | jArticle |
@facs | 0453 |
[
40
] Berlin, 27. August.
Das neue Tumult-Mandat, welches durchzusetzen die Minister sich
außerordentlich viel Mühe geben, kommt Montag noch nicht in die Kammer,
vielleicht die ganze Woche noch nicht. Die Central-Abtheilung debattirt
darüber äußerst lebhaft und gründlich. So rasch geht's nicht, wie sich Herr
Kühlwetter gedacht haben mag. Das Volk wartet mit Spannung auf das Schicksal
dieses Ausnahmegesetzes.
Der Abgeordnete für den Mansfelder Gebirgs-Kreis, Regierungs-Assessor v.
Meusebach, hat von seinen Committenten ein mit 1755 Unterschriften bedecktes
Unfähigkeits-Zeugniß erhalten, weil er die Revolution verleugnet hat, weil
er den Adel und seine Vorrechte erhalten wissen und weil er „vereinbaren“,
nichts als vereinbaren will, mithin dem Volke alle Souverainetät aber kennt;
item hat der Pastor Hepohe, Deputirter für Schweidnitz, 2 Nota seiner
Committenten erhalten, welche verlangen, daß er sein Mantat niederlegen
möge, weil er gegen den Beschluß vom 9. August protestirt. Solche Herrn sind
aber sehr dickhäutig.
Der König will dem Gesetz über Abschaffung, der Todesstrafe seine Zustimmung
versagen und zwar aus religiösen Bedenken. In
Anhalt-Dessau soll die von der Linken ausgearbeitete Gemeinde-Ordnung
eingeführt werden.
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@type | jArticle |
@facs | 0453 |
[
14
] Berlin, 27. August.
Den hiesigen Kaufleuten, welche mit Pulver handeln, soll der Verkauf
desselben untersagt sein. Täglich werden ihre Vorräthe von Polizeiwegen
abgewogen, um zu sehen, ob sie sich verringert haben. Eine Curiose Manier
das! warum kommt man dem Volke nicht zuvor und saisirt das Pulver? Die
Entwaffnung der Maschinenbauer (unserer kräftigsten Fäuste und muthigsten
Herzen) soll morgen, wie mit Bestimmtheit verlautet, erfolgen. Wir werden
sehen. Man spricht von argen Unruhen in Nauen und Spandau.
Die Reaktionäre dieser Städte hätten sich die Charlottenburger zum Muster
genommen, aber noch ärger gehaust als diese. Mehrere Demokraten sollen
erschlagen sein.
Die Clubs sind sehr thätig und sogar geheimnißvoll. Jedenfalls dürfen wir
heute und morgen Abend, wo republikanisches Concert im Hofjäger ist, einigen
Krawall erwarten. Vielleicht selbst eine Emeute.
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@type | jArticle |
@facs | 0453 |
[
40
] Erfurt, 27. Juli.
Neulich war hier das Stiftungsfest des Bürgerschützenkorps. Die Commandanten
von Voß und von Klaß, der Geheime-Rath von Brauchitsch und andere Beamte
waren anwesend bei dem großen Zweckessen. Sie erhoben sich hoch und beugten
sich tief, als das Hoch auf den König erscholl, sie blieben sitzen, als ein
Bürgerschütze ein Hoch auf Erfurt's Deputirte in Frankfurt und Berlin
ausbrachte, welche nicht in ihrem Sinne gewählt sind. Solche Kleinigkeiten
charakterisiren den Geist von dergleichen Subjekten und sind geeignet, die
Erbitterung gegen den Geist vieler Officiere und Beamten zu mehren.
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@type | jArticle |
@facs | 0453 |
[
115
] Breslau, 25. August.
Seit einiger Zeit grassiren bei uns wieder die Katzenmusiken; doch sind sie
ohne alle politische Farbe. Die Bürgerwehr ist deshalb fast jeden Abend auf
den Beinen; wo sich nur ein geringes bedenkliches Lärmen hören läßt, sperrt
sie gleich die Straßen; unserer Bürger-Kavallerie, die an Brutalität sich
nur mit der ehemaligen Pariser Munizipal-Garde vergleichen kann, (sie
besteht aus der Elite der Breslauer Bourgeois) bleibt die Räumung der
Straßen überlassen. Mit einer wahren Todesverachtung stürzen sich diese
berittenen Fleischer und Bierbrauer säbelschwingend in das dichteste
Gedränge und übertreffen unsere wirklichen „Zarucker“. — Der bekannte Witt, gen. von Dörring,
Agent der reaktionären Oberschles. Adligen, befand sich seit einigen Tagen
in unseren Mauern. Sein Aufenthalt war es namentlich, der jeden Abend eine
solenne Katzenmusik hervorrief, wodurch die Bürgerwehr jeden Abend nicht
wenig belästigt wurde. Dies rief eine solche Erbitterung unter ihr hervor,
daß das gestern wachhabende Bataillon Hrn. Witt in Flagranti ergriff, und
ihn noch um Mitternacht zur Stadt hinaus eskortirte. Unsere Bürgerwehr mit
Ausnahme der Bürgerwehr-Kavallerie und Scharfschützen hat, wie sie sehen,
doch noch Gesinnung!
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@type | jArticle |
@facs | 0453 |
München, 22. August.
Thon Dittmer rüstet sich zu einem entschiedenen Schlage; es sind die
Chevauxlegers von Augsburg, das Infanteriebataillon von Benediktbeuern und
die in der Umgegend kantonirende reitende Artillerie beordert; die Soldaten
haben gestern die Feldzulage erhalten, und es wird nach Möglichkeit daran
gearbeitet, sie bei ihrer „guten Gesinnung“ zu erhalten. Indessen zeigten
sich gestern Nachts schon bei einem großen Theile der Infanterie Spuren von
übler Stimmung. Die Bürger wollen diesen Abend noch eine Versammlung halten,
und die Entfernung Thon Dittmers und des Polizeidirektors Pechmann
beantragen.
[(M. Ab.-Z.)]
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@type | jArticle |
@facs | 0453 |
Reichenbach in Schl., vom 20. August.
Unser Wochenblatt spricht sich über den Empfang der Schweidnitzer Füsilire
folgendermaßen aus: „Heute Mittag 12 Uhr kam das berüchtigte
Füsilir-Bataillon des 22. Inf.-Regts. hier an; die Soldaten wurden jedoch,
wie zu erwarten stand, von sehr vielen Einwohnern gar nicht erst angenommen
und aus den Quartieren gewiesen.
— Aus Frankenstein in Schlesien wird gemeldet, daß der dortige Magistrat das
22. Inf.-Regt. auf seinem Marsche nicht in die Stadt eingelassen hat.
Dasselbe wurde in Dörfer der Umgegend einquartirt. — Tages zuvor sind auch
die Fouriere des Regiments schon ausgewiesen worden.
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@facs | 0453 |
[
34
] Aus Thüringen, 26. August.
Hier zu Lande thut sich die alte Polizei-Wirthschaft immer mehr und mehr
wieder auf. Bekanntlich hat die Regierung zu Erfurt Volksversammlungen
mittelbar gänzlich unterdrückt, nämlich dadurch, daß sie bei schwerer Strafe
verboten, daß Nicht-Preußen an solchen Versammlungen Theil nehmen. Die
schweren Strafen sollen für einen solchen Fall gegen die Ordner und Redner
vollstreckt werden, und da es nun schlechterdings unmöglich ist, in oder bei
Erfurt, welches zwischen Sieben-Herren-Deutschländern liegt,
Volksversammlungen, ohne Theilnahme von Nicht-Preußen, zu halten, so ist es
natürlich, daß überhaupt keine Volksversammlungen mehr stattfinden können.
Nun ist aber auch noch die Regierung zu Gotha vermocht worden, bei schwerer
Strafe zu verbieten, daß von Erfurtern in ihrem Gebiete, welches an das
Erfurter gränzt, Volksversammlungen gehalten werden. Weiter gehen noch dabei
die niederen Gothaischen Behörden, indem sie das Verbot des Redehaltens
durch Erfurter im Gothaischen Gebiete hinzusetzen. — In Thüringens
Hauptstadt wird übrigens im Beamtenpersonal durch Versetzungen und
Abdankungen purifizirt. — Am 24. d. M. sind zwei Batterieen ausmarschirt,
deren Bestimmungsort Berlin sein soll. Kein wirksameres Mittel für Ordnung,
Ruhe und Vertrauen, als Versetzungen von Beamten und Dislokationen von
Truppen!
Französische Republik.
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@type | jArticle |
@facs | 0453 |
[
12
] Paris, 27. Aug.
Die Revolution vom 24. Febr. ist in Anklagestand versetzt. Die
Demokraten-Republik sitzt zum Theil in Vincennes, zum Theil in Brest. Die
Burgeois-Republik ist in der Kammer. So wäre dann die Aufgabe der
Untersuchungs-Kommission zu Ende. Sie hatte angefangen mit der Untersuchung
der nach dem 24. Februar vorgefallenen Ereignisse: sie mußte schließen mit
der Berurtheilung der aus dem 24. Februar hervorgegangenen Männer.
In ihrer Vertheidigung gingen Louis Blanc und Caussidière beständig auf die
Ereignisse nach dem 24. Febr. ein: sie wollten sich rechtfertigen; sie
wollten zeigen, daß sie keinen Antheil an denselben genommen hatten: und das
war ihr Unglück. Ledru-Rollin dagegen ging beständig auf den 24. Febr.
zurück, und zeigte, daß die jetzige Kammer, die frühere Kammer, überhaupt
die ganze Partei Odilon's und Thiers's keinen Antheil an dem 24. Feb.
genommen hatten, das war seine Rettung. Ledru-Rollin trat trotzig diesen
Bourgeois entgegen, während die erstern sich zu rechtfertigen suchten.
Wer hat gesiegt? Etwa Odilon-Barrot, etwa Thiers, oder der intriguante
Marrast? Nein, keiner von ihnen: die Macht der Geldverhältnisse hat die
Oberhand behalten. Am 24. Febr. war das offizielle Frankreich gestürzt. Das
offizielle Frankreich aber war dasjenige, welches sich durch Korruption an
der Herrschaft erhalten. Die Kapitalisten erkauften sich die Ideologen,
welche die Interessen der Kapitalisten, in der Regierung, in der Kammer, in
der Presse, in einer idealen Sprache vertraten; jede Fraktion Kapitalisten
erkaufte sich ihre besondern Ideologen, welche ihre speziellen Interessen im
Gegensatz zu denen anderer Kapitalisten in ideeller Sprache zu vertreten
suchten: und so waren es am Ende die Kapitalisten, deren alleinige
Interessen in der Kammer vertreten und besprochen wurden.
Das korrumpirte Frankreich war am 24. Feb. politisch gestürzt: die politische
Spitze der französischen Gesellschaft war umgeworfen; die korrumpirte
Gesellschaft selbst, und das in den korrumpirten gesellschaftlichen
Verhältnissen Erworbene bestanden noch, aber ohne Bajonette, ohne Schutz.
Der Hauch des Volkes drohte auch diese Verhältnisse ebenfalls umzublasen.
Die Bourgeois zitterten. Odilon-Barrot und Thiers wagten es nicht, sich auch
im Geringsten verlauten zu lassen. Sie erkannten die Republik in aller
Demuth an. Rothschild und Fould sogar wurden eifrige Republikaner.
Einen Mann schlägt man todt, aber nicht eine Firma. Das sahen die
französischen Demokraten zu spät ein. Indem man die Unverletzlichkeit des
Eigenthumes proklamirte, verwechselte man das Eigenthum mit den
Eigenthumsverhältnissen. Das Volk glaubte das Recht errungen zu haben, durch
seine Arbeit leben zu können. Es glaubte, durch den Umsturz der politischen
Verhältnisse seine sozialen Verhältnisse umgeändert zu haben. Die
Aufrechthaltung der sozialen Bourgeois-Vechältnisse führte auch die alten
politischen Bourgeois-Verhältnisse wieder herbei, und in der Lage des Volkes
hatte sich nichts geändert. Alle Kämpfe nach dem 14. Februar waren ein
Ankämpfen gegen diese Verhältnisse. Das Volk schrie nach Arbeit; man gab ihm
zwar „Arbeit“ in den National-Werkstätten; Blanc organisirte sogar die
Arbeit zwischen Arbeitern und Arbeitgebern: aber man vergaß die
Arbeitsinstrumente; man vergaß ganz einfach den Dampf. Laßt den Dampf frei,
schrie das Volk; aber es war zu spät. Die Kapitalisten, indem sie einerseits
die Auflösung des mit dem frühern Staate, des mit Guizot eingegangenen
Anlehens zu erwirken wußten und andererseits die in dem frühern korrumpirten
Staate und durch Korruption errungenen Privilegien heilig sprechen ließen,
behielten den Dampf in der Tasche. Die Geldmänner, die Dampfmänner, die
Männer des Kapitals blieben an der Herrschaft und schoben den
Bourgeois-Republikaner Marrast als Strohmann vor. Caussidière und Louis
Blanc rechtfertigten sich, den späteren Kämpfen fremd geblieben zu sein;
hätten sie ihre Theilnahme eingestanden, hätten sie geradezu gesagt: Ja, wir
haben aus dem 24. Februar eine Wahrheit machen wollen, wir haben Euch
stürzen wollen, so hätte vielleicht der panische Schreck, die Furcht vor
einem abermaligen Ausbruche der Volkswuth das über sie verhängte Urtheil
augenblicklich wenigstens suspendirt.
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@facs | 0453 |
[
15
] Paris, 25. August.
Die „Demokratie pacifique“ verlangt die bewaffnete Intervention in Italien.
Und der „Spectateur republicain“ ruft: „Wir hofften, die Räumung des
päbstlichen Gebietes durch General Welden sei das Vorspiel einer ehrlichen
Friedensunterhandlung zwischen den Großmächten … Wir hofften auch, das
unregelmäßige Trachten des deutschen Parlaments nach allen deutschredenden Landstrichen würde allgemach sich
beruhigen. Geschieht dies nicht sehr bald, verweist uns jenes Parlament
immerfort auf die deutsche Zunge in Schleswig und
Limburg; nun, so wird sich vielleicht Frankreich noch zu rechter Zeit
erinnern, daß Belgien viel französisch spricht.“
Auffallend genug wird dabei Posen's nicht erwähnt. Nikolaus hat an Cavaignac
galante Handbillets gelangen lassen.
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@facs | 0453 |
[
15
] Paris, 27. August.
Schon gestern Abend wußten wir Demokraten, daß Louis Blanc nichts weniger als
gefangen, vielleicht schon auf dem Wege nach Belgien sei; ersteres bestätigt
heute ein von ihm in „La Reforme“ eingesandter kurzer Brief, worin er
erklärt, sich nicht vor Anfang seines Prozesses stellen zu wollen. Was sehr
vernünftig ist, denn Barbes, Blanquis, Raspail u. s. w. hat die
Krämerrepublik schon 3 1/2 Monat sitzen lassen, ohne daß auch nur eine
einzige Interpellation in der Kammer geschehen ist. Caussidière
soll beim Herausgehen aus der Nachtsitzung nach der
Polizeipräfektur, „wo er kürzlich noch Unheil säend schaltete“ (Victor
Hugo's Evenement) abgeführt worden sein. Daß die Königthümler das ganze
Spiel abgekartet hatten im Zirkel ihrer Straße Poitiers, ist sonnenklar; die
Hälfte dieser „jungen Politiker“ wollten so gar nicht nur wegen der Mai-,
sondern auch wegen der Juniaffaire die Beiden angeklagt, d. h. vor's
Kriegsgericht gestellt wissen, indessen fehlten zu letzterm an 100 Stimmen.
Als Herr Marrast hohnlächelnd auch noch wegen des Juni abstimmen ließ, rief
der junge demokratische Theaterdichter Felix Pyat: „Caussidière hat ja nur
einen Hals!“ Ein Bourgeoisdeputirter schrie erblassend dagegen: „Das ist
eine Drohung mit dem Schreckenssystem!“ und eine Stimme der Linken
antwortete: „Ja, und es wird bald über Euch kommen!“ (auf die Rechte
zeigend.) Die blumengeschmückten Bourgeoisdamen in rosafarbnen und
himmelblauen Ballkleidern, die seit Mai, noch mehr seit Juni
alle Galerieen besetzt halten (fast noch ärger also
wie unter Louis Philipp) hatten einen recht genußreichen Abend und konsu-
[0454]
mirten viel Kuchen, als der „Mordbrenner“ und der
„Pöbelaufhetzer“ zu ihren Füßen verdammt wurden. „Le Peuble souverain“ sagt
prophetisch: „Wer von Euch, Bourgeois, seit 18 Jahren noch nicht aus
Trägheit oder aus Zeitmangel sich
sozialisirt hat,
der thue es schleunig, lieber heute als morgen, denn die Stunde des Sichtens
naht.“ Die demokratische Departementalpresse wird seit Juni viel besser
geleitet, als je; es war aber auch höchste Zeit. Sie spricht sich bereits
öfter zu Gunsten der Demokratie Deutschlands aus, die „wie der Erzengel
Michael gegen das ganze Heer der überrheinischen Dämonenbrut ficht und seit
1840 in stiller, literarischer Wirksamkeit den gigantischen Kampf
vorbereitete, der Deutschlands Ehre verherrlicht.“ Während Victor Hugo ihr
zuruft: „Sie wolle offenbar, wie die französische, in krankhafter Haft
mit der Guillotine, dieser abscheulichen
Geburtszange, die Geburt einer neuen Welt beschleunigen, was einen
Abortus machen werde.“
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@type | jArticle |
@facs | 0454 |
Paris, 25. August.
In gewissen reaktionären Versammlungen spricht man lebhaft davon, den
Marschall Bugeaud als Kandidaten des Seinedepartements für die
Nationalversammlung zu unterstützen.
— Die Truppen sind heute streng konsignirt. Mehrere Bataillone stationiren am
Carousel und auf den Boulevards.
— Herr Thiers hat sich noch nicht von dem Schrecken über den „beabsichtigten
Pistolenschuß“ erholt, mit dem das „Gerücht“ ihn bedroht haben „soll“. Indeß
sagte schon Armand Carrel zu ihm: „Du bist ein Mann, der nicht von einem
coup de feu, wohl aber von einem coup de pied sterben wird.“
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@type | jArticle |
@facs | 0454 |
Paris, 27. August.
In den heutigen Journalen lesen wir folgenden offenen Brief:
„Nicht als Schuldiger — das war unmöglich, sondern als Feind von Männern
angefallen, (frappé) in denen die politischen Leidenschaften alles Gefühl
der Billigkeit (équité) erstickt haben, entferne ich mich (je m'éloigne), um
desto besser gegen die Folgen des Belagerungsstandes und der Herrschaft der
Gewalt protestiren zu können.“
„Ich kann nicht glauben, daß Frankreich Lust habe (soit d'humneur) zu dulden,
daß der Lauf der regelmäßigen Justiz noch lange unterbrochen bleibe.“ (gez.)
Louis Blanc.
— Wie uns so eben ein Polizeikommissarius versichert, hat sich auch
Caussidière bei Zeiten aus dem Sitzungssaale zu entfernen gewußt und ist geflüchtet.
National-Versammlung. Sitzung vom 25. August. Die Wichtigkeit der Debatte hat
einen enormen Zudrang hervorgerufen. Die äußeren Militairmaßregeln sind im
Verhältniß zu der herrschenden Gährung unbedeutend.
Um 12 1/2 Uhr eröffnet Marrast die Sitzung.
Die Versammlung schreitet nun zur Diskussion des berüchtigten Bouchartschen
Rapports.
Casy, Admiral, erhält demzufolge das Wort. Er bedauert das ganze Verfahren
aus vollem Herzen und würde in dieser unseligen Untersuchung gar nicht das
Wort ergriffen haben, wenn ihm die Aktenstücke nicht einige unwürdige
Angriffe gegen ihn enthüllt hätten. In einem Verhöre habe nämlich Lacrosse,
der Vizepräsident, zum Protokoll erklärt, daß er sich über die Unthätigkeit
und Lauigkeit des Kriegs- und Marineministers am 15. Mai gegen mich beklagt
habe. Ich erkläre heute, diesen Herrn Lacrosse vor dem 15. Mai nie
gesprochen zu haben. An diesem Tage, entsinne ich mich, näherte sich
Lacrosse mir allerdings in einem Seitengange des Saales und sprach von
Unthätigkeit, Mangel an Vorsicht u. dergl. Ich erwiderte ihm, daß mir als
Marineminister in Paris weder Schiffe noch Matrosen zu Gebote ständen. Damit
war die Unterhaltung aus.
Charras, gegen den ebenfalls Verdacht der Saumseligkeit von demselben
Lacrosse erhoben wurde, rechtfertigt sich nicht minder entschieden. Er wälzt
die Verantwortlichkeit auf General Courtais. (Lärm).
Ceyras, der Lamartine am 15. Mai auf das Stadthaus begleitete und dem man
dies als Verbrechen anrechnete, erzählt der Versammlung, wie er dazu
gekommen, Herrn Lamartine zu begleiten. Die Liktoren des Berichts, ruft er
sardonisch, geben sich entsetzlich Mühe, mich als Kommunisten und
Sozialisten darzustellen. Nicht zufrieden, mich hier in Paris anzuschwärzen,
haben sie ihre Arme sopar in die Departements gestreckt, wo ich als
Kommissarius gearbeitet und dort dasselbe Spiel getrieben. Mit Hülfe solcher
Niederträchtigkeit habe man den monströsen Bericht zusammen geschmiedet.
(Lärm. Zur Ordnung!)
Portalis, einer der Liktoren, erwidert, stützt sich aber vorzüglich auf die
falsche Angabe eines hohen Gelehrten, welcher behauptet habe, er (Portalis)
selbst habe am 3. Mai einem Klub beigewohnt, in welchem der Sturz der
National-Versammlung beschlossen. Dies sei unwahr. (Arago: ich verlange das
Wort.) Der Redner behauptet im Laufe seiner Rede, daß das Hotel Sobrier's
seine Waffenlieferung auf eigenen Spezialbefehl Arago's erhalten habe u. s.
w. (Tumult).
Landrin, der zweite Liktor, bestätigt, daß ein Zeuge ausgesagt, am 3. Mai
habe im Ministerium des Innern eine Zusammenkunft Statt gefunden, in der man
den 15. Mai angedeutet habe. Er selbst sei an jenem Abend im Ministerium des
Innern gewesen. Ledru-Rollin sei ja sein Intimus und für ihn zu jeder Stunde
zugänglich gewesen. Aber nimmermehr habe er geahndet, daß man einen 15. Mai
beschlossen, noch viel weniger, daß ein Arago solche Waffenlieferungsbefehle
ausschreiben wurde.
Duclerc bittet, ehe sich Arago rechtfertigt, nur bemerken zu dürfen, daß
Landrin ihm selbst gestanden habe, Mitglied jenes Klubs im Ministerium des
Innern am 3. Mai gewesen zu sein.
Arago, der große Gelehrte, stottert, daß er wirklich den in Rede stehenden
Befehl, dem Sobriec Waffen zu liefern, als interimistischer Kriegsminister
unterschrieben habe, es sei dies aber auf den Antrag Ledru-Rollins, Minister
des Innern, geschehen. Arago stottert weiter, daß er wisse, Portalis und
Landrin hatten wirklich jener Zusammenkunft am 3. Mai beigewohnt, und daß in
ihr die Sprengung der National-Versammlung beschlossen worden ist.
Ledru-Rollin (aus voller Brust): Versammlungen sind bei mir im Ministerium
des Innern gehalten worden. Wohlan, ja, es wurden dergleichen gehalten. Aber
konspirirte man etwa gegen das Wohl und das Gedeihen der Republik? Mag sich
Jeder, der ihnen beiwohnte, diese Frage selbst beantworten. Daß Uneinigkeit
im Schooße der provisorischen Regierung herrschte und später im Schooße
selbst noch der Exekutivkommission, weiß alle Welt. Daß man von ihrem Sturz
gesprochen, ja daß sich die üble Laune Einzelner sogar in der Nothwendigkeit
von einer Auflösung de National-Versammlung Luft gemacht haben könne, ist
wahrscheinlich. Aber Aber ich versichere im Widerspruch zu der Behauptung
Arago's, daß wohl die Auflösung der Exekutivkommission, aber nicht die der
National-Versammlung besprochen wurde. Beides blieb jedoch Geheimniß der
Exekutivkommission und ich bewundere, wie Arago für dieses Geheimniß nicht
mehr Achtung bewahren konnte.
Arago (gereizt): Ich wiederhole, daß Herr Ledru-Rollin mir in meiner Wohnung
die Mittheilung machte, die Herren Portalis und Landrin gingen mit dem Plane
um, die National-Versammlung zu sprengen. Als ich mein Erstaunen ausdrückte,
versicherte er es mir auf seine Ehre. (Agitation.) Er verlangte keine
Bewahrung jenes Geheimnisses, das ich ihm übrigens gar nicht gelobt haben
würde. (Große Aufregung).
Hierauf entspann sich ein Gewehrfeuer zwischen Baune, Quinet und dem
beruchtigten Patrioten Turck. Turck hatte ausgesagt, daß er zu seinem
Erstaunen den Obersten Quinet während des ganzen 15. Mai auf den Bänken der
National-Versammlung erblickt habe, statt an der Spitze seiner Legion die
Stürme zu bekämpfen.
Quinet widerlegt diese Lächerlichkeit mit einigen Worten.
Baune ließ ihn dagegen so leichten Kaufs nicht los. Mein Denunziant, sagt er,
hat mich als einen Marat oder Danton dargestellt, der 500 Re-Repräsentanten
kopfen lassen wolle. Woher zieht denn derselbe solche Schlusse?
Turck antwortet schüchtern, daß er diese Aeußerungen nur gegen einige Freunde
gemacht habe. Diese hätten sie der Untersuchungskommission berichtet und so
wäre er citirt worden.
Repellin protestirt gegen die Behauptung, daß er eine Arbeiterkompagnie in
Marseille bewaffnet habe.
Larabit, Th. Bac und Raynal protestiren ebenfalls gegen einige Stellen des
Aktenstücks.
Jules Favre: Bei Gelegenheit des Conciliabüls im Ministerium des Innern am 3.
Mai ist behauptet worden, auch ich hätte demselben beigewohnt. Dies ist
falsch: Ich brachte den ganzen dritten Mai in eirem Landhause bei Paris zu.
So viel ich hörte, wohnten jener Zusammenunft im Ministerium des Innern nur
drei Personen bei, Etienne, Arago der Postdirektor, Portalis und Landrin.
Dieselbe verdient also den Namen einer bloßen Unterhaltung.
(Schluß folgt).
@type | jAnnouncements |
@facs | 0454 |
Köln, 29. August 1848.
Angekommen: G. Verwayen von Amsterdam mit 2708 Ztr.
Abgefahren: G. C. Schmidt nach Heilbronn. J. B. Mundschenk nach Bingen.
In Ladung: A. Hartmann. H. Müßig. Nach Antwerpen H. Verschur.
Rheinhöhe am 29. Aug. 7′ 7″.
Civilstand der Stadt Köln.
Geburten.
26. August. Wilhelm, S. v. Franz Bolder, Schmied, Kupferg. — Joh. Peter, S.
v. Stephan Welling, Drechsler, gr. Griechenmarkt. — Margaretha, T. v. Heinr.
Adam, Schreinergeselle, Waisenstr. — Franz Hubert, S. v. Peter Jos. Nemmel,
Kaufm., Heum. — Agnes Maria Eva, T. v. Adolph Peters, Feldwebel der 7.
Art.-Brig., Dominikanerkaserne. — Margaretha, T. v. Mich. Lintz, Gärtner,
Weideng. — Josepha Franc, T. v. Franz Dorckum, Musiklehrer, Brüderstr. —
Anna Maria Hubertina Petronella Margaretha, T. v. Peter Scheideweiler,
Schneider, Schwernerg.
Sterbefälle.
26. August. Maria Fliegen, 40 Jahre alt, unverh., Severinstr. — Ein unehelich
Mädchen.
Heirathen.
26. August. Peter Jakob Mennekes, Kaufmann, Wittwer, von Krefeld und Maria
Marg. Kamphausen, von hier. — Math. Hamacher, Bäcker, und Petronella
Calenberg, Bach. — Rudolph Engels, Gärtnerkn., von Waldorf, und Maria
Balchem, von Heimerzheim. — Kasp. Kirchner, Zuckersiederm., Wittwer, von
Herbstadt, und Sus. Franz. Stein, von Bernkastel.
Mobilar-Verkauf.
Am Donnerstag, den 31. August 1848, Vormittags 11 Uhr, sollen auf dem
Marktplatze in der Apostelnstraße zu Köln einige Mobilargegenstände, als
Tische, Stühle, Spiegel, Schränke, Oefen, ein Pianino, ein Schreibpult, eine
Hausuhr, eine Fournaise, Waagen, ein Amboß, Schraubstöcke, Küchengeräthe
etc. gegen gleich baare Zahlung öffentlich an den Meistbietenden verkauft
werden.
Fr. Happel, Gerichtsvollzieher.
Mobilar-Verkauf.
Am Freitag, den 1. September 1848, Vormittags 11 Uhr, sollen auf dem
Waidmarkte zu Köln, einige Oefen und Fournaisen gegen gleich baare Zahlung
öffentlich an den Meistbietenden verkauft werden.
Fr. Happel, Gerichtsvollzieher.
Gerichtlicher Verkauf.
Am 30. August 1848, Vormittags 11 Uhr, wird der Unterzeichnete auf dem
Waidmarkte zu Köln, 1 Ofen, Tische, Stühle, Spiegel, Kommoden etc. gegen
baare Zahlung öffentlich meistbietend verkaufen.
Der Gerichtsvollzieher, Simons.
Neue Rheinische Zeitung.
Mit Bezugnahme auf § 6 des Statuts der „Neuen Rheinischen
Zeitungsgesellschaft“ fordern wir diejenigen unserer Aktionäre, welche die
bereits ausgeschriebenen Ratenzahlungen von 40 pCt. noch nicht vollständig
eingezahlt haben, hiermit auf, den Rest dieser 40 pCt. in der Expedition der
Zeitung, unter Hutmacher Nr. 17, unverzüglich abzutragen, und zwar die in
Köln wohnenden Aktionäre bis zum 1. September, die auswärtigen bis zum 5.
September, widrigenfalls wir die im bezogenen Paragraphen des Statuts
ausgesprochenen Strafbestimmungen in Kraft setzen und die Renitenten der
bereits geleisteten Zahlungen für verlustig erklären werden; Alles
unbeschadet der weiteren Maßregeln zur Wahrung der Rechte der
Gesellschaft.
Köln, 29. August 1848.
Die Geranten der Neuen Rheinischen Zeitungsgesellschaft:
H. Korff. St. Naut. L. Schulz.
Die Leipziger Feuer-Versicherungs-Anstalt versichert alle Mobilar- und
Immobilar-Güter, auch Fruchthaufen auf freiem Felde, so wie die Waaren auf
der Reise begriffen zu den der Gefahr angemessenen billigst gestellten
Prämien-Sätzen. Meine Herren Hülfsagenten, die dem verehrlichen Publikum
bereits bekannt, sind stets bereit, Anträge entgegen zu nehmen, um mir
solche zur Ausfertigung der Policen einzusenden und über die Bedingungen
genügende Auskunft zu ertheilen.
Alle Versicherungen bis zu sehr bedeutenden Summen werden durch mich in
Vollmacht und im Namen der Anstalt sofort gezeichnet und sind von dem
Augenblicke an, wo die Prämie gegen Aushändigung der Police bezahlt ist, in
Obligo für die Anstalt.
Köln, im August 1848.
Der General-Agent der Leipziger Feuer-Versicherungs-Anstalt für die
Regierungs-Bezirke Köln und Koblenz.
Mainoue.
Niederländische Handels-Gesellschaft.
Die Direktion macht bekannt, daß sie
Zu Amsterdam am Dienstag, den 26. September 1848, Mittags um 12 Uhr, in dem
Lokal, genannt „de Zwaan“ auf dem Nieuwendyk, verkaufen wird:
44868 Bündel Stuhlrohr (Bindrotting), lagernd zu Amsterdam.
39706 Bündel Stuhlrohr (Bindrotting), lagernd zu Rotterdam, durch
verschiedene Schiffe direkt von Java angebracht.
Dieser Verkauf geschieht in Partieen, wie sie durch die Notizen angewiesen
werden sollen, und mit Stillstand bis Mitte Februar 1849.
Die Notizen, wodurch die näheren Verkaufsbedingungen mitgetheilt werden
sollen, werden zeitig ausgegeben.
Amsterdam, 21. August 1848.
Van der Oudermeulen, Präsident.
Goudswaard, Direkt., z. Z. Sekretär.
Niederländische Handels-Gesellschaft.
Die Direktion macht bekannt, daß die Spezerei-Auktion der Gesellschaft für
1848, welche zu Rotterdam am Dienstag, den 3. Oktober dieses Jahres,
abgehalten werden soll, aus folgende Quantitäten bestehen wird:
501 | Fässer | Muscatnüsse | Nr. 1, lagernd in Rotterdam. |
674 | Fässer | Muscatnüsse | Nr. 1, lagernd in Amsterdam. |
42 | Fässer | Muscatnüsse | Nr. IX., lagernd in Rotterdam. |
33 | Fässer | Muscatnüsse | Nr. IX., lagernd in Amsterdam. |
120 | Fässer | Muscatnüsse | Nr. 2, lagernd in Rotterdam. |
204 | Fässer | Muscatnüsse | Nr. 2, lagernd in Amsterdam. |
28 | Fässer | Muscatnüsse | Nr. 3, lagernd in Rotterdam. |
35 | Fässer | Muscatnüsse | Nr. 3, lagernd in Amsterdam. |
62 | Fässer | Muscatnüsse | Nr. 4, lagernd in Rotterdam. |
79 | Fässer | Muscatnüsse | Nr. 4, lagernd in Amsterdam. |
5 | Fässer | Muscatblüthen | A, lagernd in Amsterdam. |
12 | Fässer | Muscatblüthen | B, lagernd in Rotterdam. |
10 | Fässer | Muscatblüthen | B, lagernd in Amsterdam. |
45 | Fässer | Muscatblüthen | C, lagernd in Rotterdam. |
76 | Fässer | Muscatblüthen | C, lagernd in Amsterdam. |
137 | Fässer | Muscatblüthen | D, lagernd in Rotterdam. |
286 | Fässer | Muscatblüthen | D, lagernd in Amsterdam. |
39 | Fässer | Muscatblüthen | E, lagernd in Rotterdam. |
12 | Fässer | Muscatblüthen | Geriß und Staub lag. in Rotterd. |
9 | Fässer | Muscatblüthen | Geriß und Staub, lag. in Amsterd. |
199 | Fässer | Amboina-Nelken | Nr. 2, lagernd in Rotterdam. |
276 | Fässer | Amboina-Nelken | Nr. 2, lagernd in Amsterdam. |
81 | Fässer | Amboina-Nelken | Nr. 3, lagernd in Rotterdam. |
130 | Fässer | Amboina-Nelken | Nr. 3, lagernd in Amsterdam. |
1098/1 | Bündel | Java-Zimmet, | lagernd in Rotterdam. |
1045/1 | Bündel | Java-Zimmet, | lagernd in Amsterdam. |
9/2 | Bündel | Java-Zimmet, | lagernd in Amsterdam. |
81 | Packen | Java-Zimmet, | lagernd in Amsterdam. |
1148 | Ballen | Pfeffer, | lagernd in Rotterdam. |
2929 | Ballen | Pfeffer, | lagernd in Amsterdam. |
Die Muscatnüsse, Muscatblüthe und Nelken werden in Partien von zwei Fässern
verkauft, der Java-Zimmet und Pfeffer aber in Partien, wie sie durch die
Notizen angewiesen werden sollen.
Unter den oben angegebenen Quantitäten ist auch der noch unverkaufte Theil
der in der Auktion vom 17. September zurückgehaltenen Partieen mit
inbegriffen und gibt die Gesellschaft hiermit die Versicherung, daß sie vor
dem ersten September 1849 keine anderen dergleichen Spezereien an den Markt
bringen wird,
Die Muster sind am Freitag, den 25. August d. J., zu bekommen; die Notizen
und Verkaufsbedingungen werden zeitig ausgegeben.
Amsterdam, 21. August 1848.
Von der Oudermeulen, Präsident.
Goudswaard, Direktor z. Z. Sekretair.
Große Schoppen und große Portionen bei Louis Kerten, zum Deutschen
Reichsverweser.
Weinverkauf.
Alle Sorten Wein billig und gut, das Quart von 3 bis 25 Sgr. Der Anker von 3,
4, 5, 6 bis zu 12 Thlr.
Louis Kerten, große Neugasse Nr. 36.
Zum Deutschen Reichsverweser.
Mittwoch den 30. August Die Jüdin.
Große Oper in 5 Akten von Halevig.