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Kriminal-Prozedur gegen Ferdinand Lassalle wegen Verleitung zum
Diebstahl.
(Fortsetzung.)
Von Koblenz reiste ich der Gräfin nach Deutz nach; hier brachte ich die
Exemplare der Prodigalitätsbroschüre zur Post, welche an Max Hatzfeldt in
Paris, Graf Nostiz in Berlin und Freiherr von Landsberg zu Steinfurt
adressirt waren. Um diese Zeit sagte mir Lassalle unter vier Augen: „wenn
man ihnen trauen könnte, wäre jetzt ein gutes Geschäft zu machen.“ Tags
darauf stellte er mir den Antrag, ich solle in Kalkum, wo der Graf erwartet
würde, versuchen, die Kassette desselben zu entwenden, zugleich versprach er
mir die Hälfte des Geldes, welches sich in der Kassette befinden werde.
Präsid. Wer sollte denn die andre Hälfte haben? — Zeuge. Das weiß ich nicht.
Scheinbar willigte ich in sein Vorhaben ein und begab mich nach Kalkum, wo
ich bis zu dem Tage, an welchem der Graf von dort abreiste, wartete, dann
der Gräfin schrieb, ihr obiger Plan mittheilte, zugleich aber die Bedingung
stellte, daß Lassalle selber komme und die Kassette abhole. Dann schrieb ich
einen zweiten Brief und berichtete: daß der Graf abgereist und so der Plan
unausführbar geworden sei. Inzwischen wurde mir mein Verhältniß, der Diener
zweier Herrn zu sein, immer peinlicher und ich drang wiederholt in die
Gräfin, mich in die Lage zu versetzen, daß ich dem Grafen den Dienst
kündigen könne. Ich erhielt endlich einen Brief von ihr mit 20 Thalern und
dem Versprechen, daß ich von ihr nicht verlassen würde. Ich bin so dumm
gewesen, diesen Brief nebst einem andern später dem Pastor Rochum zu
übergeben, der ihn im Namen der Gräfin abforderte. Hätte ich das nicht
gethan, so hätte ich die Gräfin wohl kriegen wollen.
Präsid. Aber die 20 Thaler behielten Sie? —
Zeuge. Ja. — Ich kündigte also dem Grafen und blieb in Kalkum bis Mai 1847,
reiste jedoch öfters nach Deutz, um über das Verhalten des Grafen Bericht zu
geben. Ende April beredete mich die Gräfin und Lassalle zu v. Stockum nach
Düsseldorf zu gehen, mir den Schein zu geben, als ob ich wieder zum Grafen
übertreten wolle und zu versuchen, ob v. Stockum nicht etwa darauf eingehen
werde, mich zu einem falschen Zeugnisse gegen die Gräfin zu verleiten.
Angekl. erklärt, er habe bei Ertheilung dieses Auftrags nicht zugegen sein
können, da er sich damals in Haft befunden.
Zeuge. Er habe sich geirrt und dieses schon bei seiner Vernehmung vor dem
Instruktionsrichter nachträglich erklärt, diese nachträgliche Erklärung
findet sich wirklich in dem Protokoll des Untersuchungsrichters.
Zeuge. Ich erhielt 7 oder 10 Thaler und begab mich zunächst zu Frau Kurz, um
Zutritt zu Stockum zu erhalten. Um die Kurz, welche zur Sache des Grafen
hielt, zu gewinnen, erzählte ich ihr theils Wahres, theils Erdichtetes über
Lassalle. Frau Kurz versprach mir Zutritt zu v. Stockum zu verschaffen und
bemerkte: daß ich wohl einige Hundert Thaler von Stockum erhalten würde,
wenn ich wiederholte, was ich ihr über Lassalle mitgetheilt. — Ich ging
nicht gleich zu Stockum, sondern erst, nachdem ich mich von Gladbach hatte
instruiren lassen.
Pr. Es ist der als Zeuge geladene ehemalige Lehrer, jetzt Abgeordneter zur
Nationalversammlung.
Z. Gladbach trug mir insbesondere auf, den Stockum zu veranlassen, daß er mir
dasjenige, was ich gegen die Gräfin und Lassalle fälschlich aussagen solle,
aufschreibe und einhändige. So habe er es auch Schaafhausen machen lassen.
Ich theilte dem v. Stockum die mißliche Lage mit, in der ich mich befände.
Stockum versprach meine Lage zu verbessern und bat mich ihm anzugeben, was
ich über L. wisse. Als ich ihm hierauf erwiederte, ich würde mich hierüber
nur vor Gericht aussprechen, gab er mir 20 Thlr. und bemerkte dabei, er gebe
mir das Geld nur meiner Lage wegen und verlange nur, daß ich die Wahrheit
sage. Gladbach suchte mich nachher zu bereden, weiter zu erzählen, daß
Stockum mich zu einem falschen Zeugnisse habe verleiten wollen; ich ging
hierauf nicht ein, ließ mir jedoch von ihm einen Brief an die Gräfin
diktiren, dessen Inhalt mir durchaus nicht mehr erinnerlich ist. Nur soviel
weiß ich, daß ich hinein schreiben mußte, ich habe Gelegenheit den Brief
nach Mülheim zu befördern. Dort wollte Gladbach den Brief auf die Post
geben. Vorher hatte ich aber schon einen andern Brief an die Gräfin
geschrieben und ihr den wahren Verlauf der Unterredung mit Stockum
brrichtet.
Präsid. Ist in dem Briefe von Gladbach eine falsche Nachricht über die
Unterredung gewesen? —
Zeuge. Das weiß ich nicht mehr.
Präsid. Hat Lassalle Sie sonst zu falschem Zeugniß verleiten wollen?
Zeuge. Ja, ich sollte sagen, eine gewisse Scharfenbach, welche auf Kalkum als
Magd diente und dort schwanger geworden war, habe mit dem Grafen vertrauten
Umgang gehabt. Ich verweigerte dies.
Präsid. Sie haben von der Gräfin Geld erhalten? —
Zeuge. Ja.
Pr. Hat Hoppe sie einmal zu einer falschen Angabe verleiten wollen?
Z. Das weiß ich nicht; ich lernte Hoppe in Deutz auf der Brücke kennen, wo er
mir von Joh. Kurz vorgestellt wurde.
Pr. Hat die Gräfin Ihnen gesagt, daß Hoppe in Aachen als Spion gebraucht
worden sei, um über das Verhältniß zur Meyendorf auszukundschaften?
Z. Weiß ich nicht.
Pr. Was wissen Sie von Schaafhausen?
Z. Sch. erzählte mir in der Trunkenheit er habe an die Gräfin einen Brief
geschrieben, worin er sich beschwert, daß er nicht so viel Geld bekomme als
die übrigen Zeugen. Diesen Brief habe ein gewisser Dolleschall zu Bilk
unterschlagen.
[0438]
Pr. Hat L. Ihnen nicht geschrieben, Sie sollten sich fortmachen?
Z. Ja, ich sollte angeben, ich ging nach Ungarn oder Amerika, weil ich hier
nichts zu leben hätte, und mir darauf in Kaiserswerth einen Paß geben
lassen.
Pr. verliest den Brief L.'s, der dahin lautet, F. solle sich auf die
Bürgermeisterei begeben, dort erklären, daß er vor April ins Ausland wolle,
um Dienst zu suchen, und um nachher nicht Störungen ausgesetzt zu sein, vor
der Abreise noch über sein Zeugniß in der Prozeßsache der Gräfin H.
vernommen zu werden wünsche. Diese Erklärung solle er vom Bürgermeister
bescheinigen lassen und in 2 bis 3 Tagen ihm schicken. Von einem Passe ist
darin keine Rede.
Pr. Haben Sie auch von Lassalle Geld bekommen?
Z. Ich erhielt monatlich 15 Thlr., bald von der Gräfin, bald von
Lassalle.
Angekl. Der Hr. Präsident hat Sie bereits darauf aufmerksam gemacht, daß
Fowinkel bei seiner Vernehmung vor dem Instruktionsrichter mich beschuldigt
hat, ihn Ende April 1847 zu einem falschen Zeugnisse gegen von Stockum
gemeinschaftlich mit der Gräfin haben verleiten zu wollen, daß aber F. schon
am Schlusse seiner schriftlichen Vernehmung meine Betheiligung an diesem
angeblichen Versuche widerrufen habe. Seine desfallsige Angabe in der
schriftlichen Vernehmung ist aber viel zu bestimmt, zu detaillirt, zu
ausdrücklich, als daß sich erklären ließe, wie der Zeuge dazu gekommen sein
sollte, sie irrthümlich zu machen. Erlauben Sie, daß ich die betreffende
Stelle aus dem Protokolle verlese. Es heißt: „Ende April beredeten mich die
Gräfin und Lassalle mich zu von Stockum in Düsseldorf unter dem Scheine, daß
ich gesonnen sei, mich wieder zur Sache des Grafen zu schlagen, zu begeben
und zu versuchen, ob der v. Stockum alsdann nicht etwa darauf eingehen
würde, mich zu einem falschen Zeugniß gegen die Gräfin zu verleiten.
Lassalle sagte mir noch unter vier Augen, ich möchte diesen Versuch als von
mir ersonnen brieflich der Gräfin angeben, er selbst müsse sich deshalb
sicher stellen; ich empfing zugleich von ihm 7 oder 10 Thaler und verfügte
mich zunächst zur Frau Kurz etc.“ — Nach dieser so bestimmten Auslassung muß
es unerklärlich sein, entweder wie Fowinkel dazu kam sie zu machen, oder sie
zu widerrufen. Doch in seinem Widerrufe selbst findet sich der Schlüssel. Es
heißt am Ende der Vernehmung: „Ich muß meine frühere Aussage dahin
berichtigen, daß ich, als ich von der Gräfin beredet wurde zu v. Stockum zu
gehen, mit L., der damals hier verhaftet war, über jenes Vorhaben gar nicht
gesprochen habe. Meine frühere Aussage beruhte in dieser Beziehung auf einem
Irrthum.“ — Also nur weil dem Zeugen einfällt, daß ich damals verhaftet war,
daß ich also das schlagendste Alibi beweisen könne — in war von März bis Mai
in Haft — widerruft er diese Beschuldigung gegen mich.
Pr. Es ist richtig, der Angekl. war vom 25. März 1847 bis gegen Ende Mai
verhaftet.
Angekl. Nunmehr schob der Zeuge diese Anschuldigung gänzlich auf die Gräfin,
indem er seine Aussage dahin modifizirte, sie habe ihn zwar nicht zu einem
falschen Zeugniß gegen Stockum, wohl aber dazu verleiten wollen, dem v.
Stockum eine Schlinge zu legen, damit dieser darauf einginge, ihn, Fowinkel,
zu einem falschen Zeugniß zu verleiten. Ich werde nun durch einen Brief
Fowinkels v. 9. April 1847 — das Original befindet sich bei den Akten —
darthun, daß die Gräfin nicht im geringsten an ein derartiges Beginnen
gedacht hat, daß vielmehr v. Stockum wirklich den Fowinkel zu einem falschen
Zeugniß gegen mich bestechen wollte, und Fowinkel diesen Bestechungsversuch
als vollkommen wahr und ganz von selbst der Gräfin brieflich berichtet hat.
Hören Sie den Brief, meine Herren:
„Erlauchte Frau Gräfin! — Die Kurzen war bei mir in Calkum mit der Nachricht,
daß von Stockum bereit sei, mir diese fordernde Summe von 100 Thlr. zu
geben, sobald ich dieses Zeugniß gegen Hrn. Lassalle ablegen werde und noch
dazu meine Aussage vom Grafen zurücknehmen werde, ich müsse in folgender Art
sprechen: Hr. Lassalle hat mir ein leeres Stück Papier hingelegt und mir
gesagt, ich solle da meinen Namen aufschreiben, und das was ich früher wohl
schon einmal zu Kurzen gesprochen habe vom Grafen, was Jener mir entlockt
hat, er (Kurz) dem Lassalle ad privatum erzählt habe und Lassalle seine
Aussage auf das von mir leer unterschriebene Papier gesetzt habe, als wie
wenn ich selbst es hätte protokolliren lassen und sodann unterschrieben. Das
sind die Kniffe der Kurzischen Brut und von Stockums Politik. Ferner sagte
die Kurze, daß sie von 1841 pro Monat 6 Thlr. rückständigen Gehalt zu
fordern habe, und sie bediente sich solche Ausdrücke gegen Ihre
Höchstgeborne in der Art, daß ich es mir für Sünde rechne sie hier zu
bezeichnen. — Nachdem ich nun noch keine Antwort von Ihrer Höchstgeb. auf
mein gestriges Schreiben erhalten habe, so hatte ich mich nicht
augenblicklich entschlossen, mit dem Weib zu gehen, ich machte einen Vorwand
und habe versprochen heute Abend zu kommen. Das Weib selbst will mich zu von
Stockum führen, ich will mich nun die Sache noch reiflich überlegen, damit
kein Bock geschossen wird. — Erlauchte Fr. Gräfin können auf meine Treue und
Zuversicht rechnen. — Ergebenster Knecht W. Fowinkel.“
Pr. (unwillig, nachdem er den Brief nochmals verlesen) Ja das ist wahr. Wie
kommen Sie dazu, F., der Gräfin so etwas zur Last zu legen, da dieser Brief
vielmehr beweist, daß Sie ihr unaufgefordert diesen Bestechungsversuch als
wirklich vorgefallen berichteten?
Z. Nein, die Gräfin wollte mich dazu verleiten.
Pr. Das ist nicht wahr, davon steht im Briefe nichts, der Brief ergiebt das
Gegentheil davon.
Angekl. Ich werde nun ferner durch eine andern Brief Fowinkels beweisen, daß
die Gräfin, welche dieser Mensch beschuldigt, dem v. Stockum und der Kurz
eine Schlinge haben legen zu wollen, ihm vielmehr ausdrücklich verboten hat,
sich mit jenen Personen in irgend eine Berührung einzulassen, auch nur mit
ihnen zu sprechen, und daß Fow., als er bei jener Gelegenheit zu Kurz und
Stockum ging, die Gräfin ausdrücklich um Verzeihung bat, ihrem Verbote
zuwidergehandelt zu haben. Hier ist ein andrer Brief von ihm der also
lautet: (Verliest den Brief, worin es heißt: „der Joh. Kurz schrieb mir
einen Brief, ich möchte zu ihm kommen, da er Wichtiges mit mir zu sprechen
habe. Verzeihen mir Ihro Höchstgeb. nun, wenn ich gegen den ausdrücklichen
Befehl Ew. Höchstgeb. mit allen diesen Menschen gar nicht zu sprechen,
dennoch zu der Kurzen ging. Aber es geschah, weil ich etwas zu erfahren
glaubte.“ (Bravo im Publikum.)
Pr. (der sich den Brief hat überreichen lassen, mit steigendem Unwillen:)
Auch das ist wahr. Fowinkel, die Gräfin hatte Ihnen ausdrücklich verboten,
Sie schreiben es selbst, sich mit jenen Personen in Berührung einzulassen.
Und statt dessen haben Sie heute gesagt, die Kurz zu jenem Versuche im
Auftrage der Gräfin aufgesucht zu haben.
Z. Hr. Präsident, diese Personen sind mir zu listig.
Präs. Sie sind ein ganz schlechtes Subjekt, gehen Sie.
Angekl. Ich bitte noch eins konstatiren zu dürfen. Am 20. November 1847
schreibt Fowinkel folgenden Brief an die Gräfin: (verliest den Brief, der
etwa so anfängt: „Gnädigste Frau, ich habe nicht von heute bis morgen zu
leben, meine Frau friert, meine Kinder hungern, meine Noth ist so groß, daß
ich nicht weiß, wovon ich mir Feuer im Ofen anstecken und einen Bissen
hernehmen soll“ etc.) Sie sehen also, m. H., am 20. November 1847 noch ist
Fowinkel in der bittersten Armuth. Als er aber in meiner Untersuchung
vernommen wird, im März oder April 1848, also 5 Monate darauf, gibt er
selbst an, er habe sich eben eine Restauration in Düsseldorf eingerichtet.
Er ist also plötzlich ein kleiner Kapitalist geworden. Kann uns der Zeuge
über diesen plötzlichen Umschwung in seinen Vermögensverhältnissen Aufschluß
geben. (Donnerndes Bravo im Publikum).
Präs. Hat den Brief in Empfang genommen. Fowinkel will auf ihn zu und
überreicht ihm Papiere, aus denen hervorgehen soll, daß er 200 Thlr. besitze
oder schulde. (Nicht genau verstanden wegen des Lärms in der
Versammlung).
Präs. Gehen Sie, Fowinkel, gehen Sie! (Zu den Geschwornen): Ich überlasse
Ihnen, m. H., sich zu sagen, was Sie unter diesen Umständen von der Aussage
dieses Menschen zu halten haben.
Angekl. Noch will ich Fowinkel fragen, ob ihm nicht die Frau Kurz
mitgetheilt, daß ihr Mann einen schriftlichen Kontrakt über eine Rente von
monatlich 40 Thlr. mit dem Grafen Hatzfeld geschlossen. Zeuge hat dies schon
in der Instruktion gestanden.
Zeuge. Ja, direkt hat sie es mir nicht gesagt, aber indirekt auf meine Frage
sagte sie: „Wir haben es, wir haben es.“
Zeugin Susanne Majunke, 32 Jahre alt, früher Kammerjungfer der Gräfin
Hatzfeld, von Anfang Juni 1846 bis zum Jan. 1848. Lassalle besuchte in
Berlin täglich die Gräfin und blieb bis in die Nacht bei ihr; auch
Mendelssohn und Oppenheim sah sie dort. Sie reiste mit der Gräfin an den
Rhein; als sie in Köln im „Königl. Hofe“ waren, kam Lassalle verkleidet, als
Baron v. Landsberg, dorthin. In Aachen stiegen sie bei Kosteletzki ab und
trafen daselbst Lassalle; auch Oppenheim und Mendelssohn waren dort,
letzterer aber in einem andern Gasthofe. Lassalle war in den Angelegenheiten
der Gräfin und namentlich bei den Vergleichsversuchen, welche in Aachen
gemacht wurden, der Hauptleiter und Rathgeber der Gräfin, mit welcher er in
vertraulichem Umgange stand; Oppenheim hatte keinen gleichen Einfluß; er war
ein reicher Mann. Mendelssohn dagegen hatte niemals Geld und es war zu
vermuthen, daß er von den Mitteln der Gräfin lebe.
Präs. Haben Sie von Anschlägen auf das Leben des Grafen gehört?
Z. Eines Tages rief mich Hoppe in die Stube Lassalle's und sagte: „Sehen Sie,
hier ist die Vorbereitung zum Empfang des Grafen; er ist nicht gekommen, wer
weiß, was sonst vorgefallen wäre. Gut, daß er nicht gekommen ist! Ich sah
jetzt in Lassall's Zimmer zwei Teller mit Cigarren und drei geladne Pistolen
auf einem kleinen Tische in der Ecke.
Pr. Woher wissen Sie, daß die Pistolen geladeen waren. — Z. „Ich habe
hineingesehen. — Als Hoppe im vorigen Jahre von Deutz wegreisen wollte,
zeigte er mir eine runde Holzschachtel, worin sich sechs Cigarren befanden,
und bemerkte dabei, es seien dies vergiftete Cigarren, dieselben, welche in
Aachen damals auf einem der beiden Teller gelegen. Später nahm ich wahr, daß
der Boden der Schachtel gelb und röthlich gefärbt war.
Pr. Haben sie etwas über die Anschläge auf der Kassete gehört? — Z. Nein, ich
war gewöhnlich auf der Hausflur, um zu verhindern, daß Jemand unangemeldet
zur Gräfin kam. An dem Tage, wo, wie ich erfuhr, der Kassettendiebstahl
stattfand, kam Oppenheim zur Gräfin und sagte: „Die Kassette haben wir!“ Die
Gräfin erwiderte: Die Kassette kann ich mit vollem Rechte behalten, denn ich
bin überzeugt, Alles, was darin ist, ist vom Grafen.
Angekl. In ihrer Vernehmung vor dem Instruktionsrichter hat die Zeugin
ausgesagt, sie habe gleich nach den Worten Oppenheim's die Stube verlassen
und den weiteren Verlauf des Gesprächs nicht gehört. Jetzt will sie wissen,
was die Gräfin erwidert hat.
St. Prok. So etwas kann man auch im Herrausgehen noch hören.
Z. Ueber die Entwendung des Briefes an die Meyendorf hat mir P. Kurz erzählt,
Lassalle habe ihn zur Post geschickt, um nach einem Briefe an die M. zu
fragen; er, Kurz, sei aber klüger gewesen, als alle; er habe sich als
Bedienter verkleidet für den Kammerdiener der M. ausgegeben und den Brief
sich gleich geben lassen. Als die Gräfin den Brief empfing, war sie ganz
außer sich und sagte: Das kommt ja Schlag auf Schlag!
Pr. Hat die Gräfin in Deutz, als sie dort wohnte, mit vielen Personen
verkehrt? — Z. Ja, ich meine darunter die Frau Gianella, Karl Gianella, den
Barbier Schaafhausen und seine Frau und den Referendar Meyer.
Pr. Haben sie gesehen, daß diese Leute von der Gräfin Geld erhielten? — Z.
Ja, ich habe mitunter wechseln lassen und auch wohl selbst gegeben.
Pr. Haben Sie Hoppe gekannt und war er treu? — Z. Ja, Hoppe war immer ein
treuer Diener.
Pr. Hat man Bestechungsversuche bei Ihnen gemacht?
Z. Ja, um die Zeit als der bekannte Kalumnieprozeß gegen die Gräfin schwebte,
ersuchte mich v. Stockum ihm einige Exemplare der bekannten Broschüre zu
verschaffen und versprach mir 200 Thaler, wenn ich aus dem Dienste der
Gräfin treten wollte. Ich habe aber nichts angenommen.
Pr. Konnten Sie denn etwas erwarten?
Z. Ich blieb der Gräfin treu, trotz schlechter Behandlung. Einmal hat mir v.
Stockum zwei Friedrichsdor gegeben; ich habe aber sogleich der Gräfin
Anzeige davon gemacht.
Pr. In welchem Verhältniß stand der alte Kurz zur Gräfin? War er treu?
Z. Ja, aber die Gräfin macht alle Leute schlecht.
Pr. Wer hat Ihnen gekündigt?
Z. Der Generalbevollmächtigste, Hr. Lassalle.
Pr. Auf welche Veranlassung?
Z. Er sagte, ich sei unhöflich gegen die Gräfin gewesen. Er war Abends spät
gekommen und in das Schlafzimmer der Gräfin gegangen; ich wartete bis 1 Uhr,
er kam nicht zurück. Am andern Morgen räumte ich im Zimmer der Gräfin den
vor dem Bette stehenden Tisch ab, worauf die Reste des Nachtessens und eine
leere Champagnerflasche standen. Bei dieser Arbeit war ich versteinert und
verwirrt, und soll der Gräfin die Frühstückstasse zu hart aufgesetzt haben.
Ich hatte früher selbst oft gekündigt und man wollte mich nicht gehen
lassen. Auch jetzt nicht, als ich die Wohnung der Gräfin in der Mohrenstraße
hier verlassen wollte, sperrte man mich in meine Stube, und ich wurde
hierdurch genöthigt heimlich über eine Mauer zu entfliehen. Ich ließ meine
Effekten zurück, welche die Gräfin mir noch vorenthält, und kehrte bei Rener
in Deutz ein, da ich Niemand sonst hier kannte.
Staatsprok. Ist Hoppe ein ehrlicher Mann? Lassalle hat ihn ja in Berlin
verfolgt.
Z. Ja, Lassalle sagte bei seiner Abreise nach Berlin: „ich werde den Kerl für
die Zukunft unschädlich machen.“
Ein Geschworner. Ob Lassalle über die Gräfin eine Gewalt ausgeübt habe?
Z. Ja, mitunter zankten sie sich sehr, und ich habe die Gräfin wohl zehnmal
sagen hören: „Sie sind allein an meinem Unglück Schuld!“
Angeklagter. Ob nicht im December 1846 Hr. v. Stockum mit Arnold Gödsche die
Z. in Deutz aufgesucht habe und ihr folgendes Anerbieten gemacht: er wolle
einen dreijährigen Contract mit ihr machen, wodurch er ihr das Doppelte des
Lohnes sichere, den sie bei der Gräfin genösse, und ihr außerdem 200 Thlr.
baar geben, wenn sie bezeugen wolle, daß die Gräfin in einem unerlaubten
Verhältniß zu mir stände; ob er nicht, obgleich sie ihm versichert, sie
könne das nicht mit gutem Gewissen sagen, mehrmals mit diesem Anerbieten in
sie gedrungen sei?
Z. Ja, das ist wahr, aber ich habe es ausgeschlagen.
Angekl. Ob nicht aber Herr von Stockum ihr dabei die zwei Louisdor in die
Hand gedrückt und sie dieselben behalten habe.
Z. dreht sich gegen den Angeklagten und ergießt sich in eine Fluth heftiger
Vorwürfe gegen ihn.
Angekl. (zum Präsidenten, der unterdeß, die Akten blätternd, der Scene keine
Aufmerksamkeit geschenkt hat). Es ist mir unangenehm, daß die Zeugin mich
direkt apostrophirt; ich bitte mich dagegen zu schützen.
St.-Prok. Nun ich glaube, daß die Zeugen wohl eher Schutz gegen sie bedürfen
als umgekehrt.
Pr. (zur Zeugin). Ruhe, Sie haben den Angeklagten nicht anzureden, sprechen
Sie zu mir.
Angekl. Ich habe noch keine Antwort auf die Frage über die zwei Louisd'or, ob
die Zeugin sie angenommen.
Pr. wiederholt die Frage.
Z. Ja, er drückte mir zwei Louisd'or in die Hand, ich wollte sie nicht
nehmen, aber er war zu schnell fort.
Angekl. Gut, weiter. Ob nicht, als die Gräfin im Oktober 1847 mit ihr nach
Paris gereist, Stockum ihr auch dort ähnliche Anerbietungen habe machen
lassen?
Z. Ja, er schickte einen Kommissionär, einen Landsmann zu mir.
Pr. Was, war denn der Stockum auch in Paris.
Z. Wenige Tage nach der Ankunft der Gräfin kam er auch nach Paris und wohnte
in demselben Hotel. Das war der Gräfin unangenehm und sie bezog deshalb ein
Privatlogis.
Angekl. Worin die Anerbieten bestanden, welche ihr dort Stockum machen
ließ.
Z. Er ließ mir 2000 Thlr. bieten, wenn ich ein unerlaubtes Verhältniß
zwischen der Gräfin und Lassalle bekunde; ich aber schlug es aus.
Angekl. Im Januar 1848 aber entsprang heimlich und bei Nacht die Z. aus dem
Dienste der Gräfin?
Pr. Die Zeugin hat bereits darüber bekundet.
Angekl. Die Zeugin hat mich vorhin, wenn mir recht ist, eines verbotenen
Verhältnisses zur Gräfin beschuldigt. Die Zeugin hat nun aber schon in der
Zuchtpolizeigerichtssitzung vom 6. April 1847 als sie jenen ersten
Bestechungsversuch Stockums auf sich bekundete, ausdrücklich hinzugefügt,
daß kein unerlaubtes Verhältniß zwischen mir und der Gräfin bestehe, daß
sie, obwohl sie es in ihrer Stellung wissen müsse, nie das geringste hierauf
Bezügliche wahrgenommen habe.
Z. Nun, Küssen und bis 1 Uhr im Schlafzimmer weilen kann man doch so nennen.
Es wird eine Zeit kommen, wo ich darüber noch mehr aussagen werde.
St.-Pr. Ich denke Hr. Lassalle, Sie werden besser thun, auf dies Verhältniß
nicht näher einzugehen.
Angekl. Bitte, Hr. Staats-Prokurator, Sie sehen, daß ich eben im Begriff bin,
sehr ernstlich darauf einzugehen.
Pr. (hat in den Akten nachgesehen.) Im Audienz-Protokoll v. 6. April 1847
findet sich nichts davon, daß die Zeugin gesagt habe, was Sie behaupten.
Warum halten Sie die Verhandlungen auf, da Sie doch die Akten so genau
kennen?
Angekl. Ich habe mich nicht im geringsten auf das Audienz-Protokoll für meine
Behauptung bezogen. Der Gerichtsschreiber hat, wie sehr natürlich, jene
Aeußerungen der Majunke, als nicht eigentlich zur Sache gehörig, nicht
mitverzeichnet. Daß sie dies aber damals gesagt hat, würde ich durch eine
Masse von Zeugen beweisen können, ja sie hat selbst in ihrer
instruktionsrichterlichen Vernehmung in der jetzigen Prozedur diesen Umstand
in Erwähnung gebracht und ihre heute widersprechende Aussage damit in
Uebereinstimmung zu bringen gesucht. Ich bitte nur die Zeugin selbst deßhalb
zu befragen.
Pr. zur Zeugin. Haben Sie in ihrer Gerichtssitzung unter dem Eide ausgesagt,
was der Angeklagte behauptet, daß er in keinem unerlaubten Verhältniß zur
Gräfin stände?
Z. Ja, Hr. Präsident, aber ich wußte es auch nicht anders. Erst später habe
ich Dinge bemerkt.
Angekl. Ich bitte Sie, meine Herren, dies festzuhalten. Im Juni 1846 ist die
Kammerjungfer zur Gräfin gekommen. Bis zum 6. April 1847, eilf volle Monate
hindurch, merkt sie nichts, behauptet sogar mit Bestimmtheit das Gegentheil.
Erst in der Zeit vom 6. April ab gehen ihr die Augen auf. — Ich bitte nun,
die Zeugin über folgendes zu fragen. Sie hat ausgesagt, Hoppe habe sie einst
in Aachen in mein Zimmer gerufen, ihr Pistolen und Cigarren gezeigt u. s. w.
Nach der Aussage der Zeugin muß das am nämlichen Tage stattgefunden haben,
an welchem mir der Graf einen Besuch abstatten wollte, ohne mich zu treffen.
Ist dem so?
Z. Ja, es war an demselben Tage, unmittelbar nachdem der Graf da gewesen.
Wenn ich nicht sehr irre, habe ich ihn noch fortreiten sehen.
Angekl. Gut, ich werde später darthun, daß die Zeugin erst 8 Tage oder länger
nach jenem Besuche des Grafen nach Aachen gekommen ist. Nun bitte ich die
Zeugin zu fragen, ob sie, nachdem sie heimlich aus dem Hause der Gräfin
entsprungen, in keiner Beziehung zum Grafen Hatzfeld gestanden hat?
Zeugin. Nein.
Angekl. In keiner?
Zeugin. Nun Sie hören doch in keiner!
Angekl. Ich habe meine Gründe zu fragen. Ich wiederhole, hat die Zeugin den
Grafen nicht gesprochen, ihm nicht geschrieben, kurz hat sie in keiner
Beziehung zu ihm gestanden?
Zeugin. Nein, in keiner.
Angekl. Nun denn, hier ist der amtliche Beweis. Als die Majunke der Gräfin
entsprungen war, nahm diese bei der Polizei den Antrag, ihre Kammerjungfer
polizeilich zu ihr zurückzuführen, da ihre Dienstzeit noch nicht abgelaufen
war. Der Polizei-Direktor antwortete, es könne diesem Verlangen aus dem
Grunde nicht deferirt werden, weil es dem Ehemanne freistehe, über die
Dienstboten der Ehefrau zu verfügen. (Lautes Bravo im Publikum).
Pr. Haben sie sich denn zum Grafen begeben, als Sie den Dienst der Gräfin
verließen oder der Polizei derartiges angezeigt.
Z. leugnet dies beharrlich.
Ein Geschw. Die Gräfin habe von der Polizei die die Rückführung der Majunke
beantragt. Vielleicht habe sie selbst dabei angegeben, daß die Majunke zum
Grafen gegangen, so daß sich der amtliche Bescheid des Polizei-Direktors nur
auf ihre eigene Angabe stütze.
Z. Ja, so ist es.
Pr. findet dies ebenfalls wahrscheinlich und verordnet für den folgenden Tag
die discretionäre Vernehmung des Polizeiraths Dolleschall und des
Polizeikommissars Dobler.
Zeuge Karl Diezmann, Gastwirth im Königl. Hof in Köln, 33 J. alt. Die Gräfin
ist am 21. Juli 1846 mit Oppenheim bei ihm eingekehrt; Mendelsohn
wahrscheinlich auch da gewesen; im Fremdenbuche steht unter demselben Datum
Dr. Benda aus Berlin. Ob L. die Gräfin besucht, weiß er nicht. Im Okt. v. J.
ist die Gräfin wieder bei ihm abgestiegen; L hat sie mehrmals dort besucht;
einmal hat er ihn selbst zur Thür hinausgehen sehn.
(Fortsetzung folgt.)