Uebersicht.
Deutschland. Köln. (Die Frankfurter Debatte über die
Polenfrage. Fortsetzung). Düren. (Professor Braun). Frankfurt.
(Nationalversammlung. Debatte über die Grundrechte). Berlin. (Censur der
Leihbibliotheken. ‒ Konzessionswesen. ‒ Die Rübenzucker- und Spiritussteuer. ‒
Tendenzprozesse am akademischen Senat. ‒ Preußische Polizei- und
Gerichtsthätigkeit. ‒ Hansemann. ‒ Arbeitseinstellung. ‒ Das Ministerium
Hansemann. ‒ Ein interessantes Aktenstück. ‒ Cholera). Breslau. (Ein Beschluß
des demokratischen Hauptvereins). Schweidnitz. (Böser Wille der
Militärbehörden). Liegnitz. (Dr. Kunerth. ‒ Feier des 6. August). Posen. (Die
Landwehr entlassen. ‒ Garnisonwechsel. ‒ Ein Theil des 8. Regiments nach
Kurnik). Wien. (Reichstagssitzungen vom 12. und 14. August. ‒ Ludolf und
Martini). Triest. (Meuterei auf der sardo-venetianischen Flotte). Apenrade.
(Vertagung der konstituirenden Versammlung vorgeschlagen. ‒ Landungsversuche und
Angriffe der Dänen).
Französische Republik. Paris. (Journalschau. ‒ Deutsche
und Polen bei dem ersten Insurgententransport. ‒ Die Befürchtungen eines
Aufstandes grundlos. ‒ Geistliche Nationalwerkstätten. ‒ Gioberti erwartet.
Nationalversammlung). Straßburg. (Blind's Ausweisung).
Spanien. Madrid. (Mon, Finanzminister. ‒ Die Kriegskosten
von 1823).
Portugal. (Donna Maria).
Italien. Florenz. (Die Oestreicher aus Bologna verjagt. ‒
Bombardement der Stadt. ‒ Protest des diplomatischen Korps gegen Welden. ‒
Angebliche Zurückberufung Welden's. ‒ Welden's Erklärung über sein Verhalten zu
Toskana. ‒ Parma von Toskanern besetzt. ‒ Oestreicher in Ravenna). Mailand. (Die
östreichisch-galizische Politik erneuert. ‒ Circular des Erzbischof's). Modena.
(Die Oestreicher eingezogen. ‒ Die Rückkehr des Herzogs verkündigt). Genua.
(Polizeiterrorismus). Turin. (Aufgeregter Zustand. ‒ Untersuchung gegen die
verrätherischen Generale von den Journalen verlangt. ‒ Verfahren mehrerer
Generale in der Lombardei. ‒ Oestreichische Agenten verhaftet, ebenso
sardinische Offiziere). Rom. (Stimmung in Rom. ‒ Proklamation und Erklärung der
Minister. ‒ Protest des Pabstes). Neapel. (Die englische Flotte nach
Castelamare, die französische nach Sardinien. ‒ Die Expedition nach Sizilien).
Palermo. (Aufhebung des Jesuitenordens und Einziehung seiner Güter).
Großbritannien. London. (Parlament. ‒ Schreckliches
Komplott von 14 Hochverräthern). Manchester. (Verhaftungen). Dublin.
(Verhaftungen. Die Ernte). Helgoland. (Das Blokadegeschwader angekommen).
Belgien. Antwerpen. (Flamenthum und Revolution).
Dänemark. Kopenhagen. (Volksversammlung. ‒ Wahlprogramm.
‒ Ordensabsprechung).
Donaufürstenthümer. Bukarest. (Einrücken der Türken
offiziell angekündigt).
Persien. (Rebellion in Farsistan und Arabien).
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@facs | 0407 |
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@facs | 0407 |
Das Domfest von 1848.
(Fortsetzung.)
„Willkomm! Willkommen rufen wir
Euch all' in dieser Stund';
So
tönt es, Friedrich Wilhelm, dir
Aus deiner Bürger Mund.“
So klang der erste Vers des bereits erwähnten ächt germanischen Ragout's von
Inckermann, der auch unter dem Namen Otto Sternau zugleich mit dem Dr.
Gustav Pfarrius, Ritter, seit einiger Zeit offizieller kölnischer
Stadtsänger geworden zu sein scheint.
„Willkomm! Willkommen! tönt es dir,
Johann von Oestreich, auch,
Den Ehrenbecher reichen wir
Dir heut nach altem Brauch.“
So hieß der zweite Vers und mein Nachbar, der östreichische Abgeordnete,
überzeugte sich immer mehr davon, daß das Festlied des Herrn
Inckermann-Sternau ein ächt germanisches Ragout, und zwar ein sehr
ungenießbares sei. Stadtsänger Pfarrius hätte es nicht besser machen
können.
„Willkomm! Ihr treuen Männer all'
Von Frankfurt an dem Main!
Willkommen bei Trompetenschall
Im alten Köln am Rhein!“
Das war der dritte und letzte Vers und der alte Gürzenich dröhnte von einem
Jubel, von einem solchen Applaus, daß meine nervöse Repetiruhr vor Schrecken
still stehen blieb. Stadtsänger Sternau-Inckermann wird behaupten, daß der
Applaus bloß seinem poetischen Ragout, bloß der Fülle seiner Gedanken und
der Zartheit seiner metrischen Wendungen gegolten habe. Stadtsänger Pfarrius
wird, natürlich aus rein künstlerischer Eifersucht, durchaus andrer Meinung
sein. Gott weiß, wie es darum steht. Ueberlassen wir die beiden Stadtsänger
ihren Ansichten und ihrem fernern edlen Wettstreit. Der Beifall aller
Gerechten wird ihren wackern Bestrebungen nicht mangeln.
Freundlich lächelten die hohen Herren auf die singende Menge hinab. Als aber
der Zauber der Sternau-Inckermann'schen Poesie in den Winkeln des
Riesen-Saales verklungen war, da erhob sich von der Bank der Fürsten, in
strahlender Uniform und mit geistreichem Antlitz Se. Majestät der König,
jetzt mit der Linken Ruhe gebietend und jetzt die Rechte mit gefülltem Römer
erhebend, zu begeisterndem Toaste:
„Ich trinke auf das Wohlsein eines deutschen Mannes, auf das Wohlsein eines
meiner treuesten Freunde. Wie er Ihr Vertrauen besitzt, so besitzt er auch
Mein Vertrauen und Meine Liebe. Möge er uns einige und freie Völker geben;
gebe er uns einige und freie Fürsten. Hoch lebe Erzherzog Johann, der
Reichsverweser!“
So ungefähr sprach Se. Majestät und leerte den Römer bis auf den Grund und
machte die Nagelprobe mit unendlicher Grazie! ‒ Das letztere schien vor
allen Dingen einen berauschenden Eindruck auf die Zuschauer hervorzubringen.
Mehrere meiner Nachbarn rasten vor Wollust. Sie fühlten sich in die Zeiten
des Kaisers Max zurückversetzt, der auch wohl mit den Leuten derlei harmlose
Späße trieb. So z. B. in Nüremberg. Der dumme Magistrat hatte nämlich damals
für die Dauer der Reichsfestlichkeiten alle schönen unverheiratheten
Frauenzimmer aus der Stadt verbannt, weil ihm die ungesetzliche Liebe als
ein Gräuel vor dem Herrn erschien. Vor den Thoren standen nun die armen,
lüsternen Dinger und ennuyrten sich à mort. Da kam der Kaiser und ehe er
sich's versah, umlagerten ihn ein Dutzend der hübschesten Bajaderen und
sagten ihm, er sei ein vernünftiger Mann, der Magistrat bestehe aber aus
Eseln und er, der Kaiser, möge doch seine bessere Einsicht bei diesen
Blödsinnigen geltend machen und dafür sorgen, daß sie, die Bajaderen,
dennoch Erlaubniß erhielten, das Fest durch ihre Locken, Lippen und wogenden
Busen verherrlichen zu dürfen.
Max hörte die liebenswürdigen Geschöpfe ruhig an und lächelte. Ehe er aber
weiter ritt befahl er, statt aller Versprechungen, dem zunächst stehenden
jungen Kinde, einmal hinter das kaiserliche Roß zu treten und des Pferdes
Schweif zu fassen und der zweiten gebot er, sich wieder hinter ihre Genossin
zu stellen und deren Rock zu ergreifen und als nun die Erste den Schwanz des
Gaules in der Hand hielt und die Zweite den Rock der Ersten faßte und die
Dritte den Rock der Zweiten und so fort, da gab Kaiser Max seinem Pferde die
Sporen und mit ein, zwei, drei, vier, acht, zwanzig, ja, wer weiß mit wie
viel braunen und blonden kichernden Weibern im Schlepptau ritt er fürbaß gen
Nüremberg, wo der Magistrat schon an den Thoren stand, um den Kaiser zu
empfangen und aus Schaam und Wuth schier verrückt zu werden meinte, als er
zugleich mit dem Einzug des Kaisers auch das süße Gefolge seines
Roßschwanzes passiren lassen mußte.
Die Nüremberger Chronik setzt hinzu, daß die damaligen Festlichkeiten zu den
verteufelt-fidelsten gehört hätten.
Wie es der ehrliche Max mit den Weibern machte, so machte es König Friedrich
Wilhelm mit dem Wein. Mit der Nagelprobe entzückte er den ganzen Gürzenich
und dieselbe Rolle, die der steife Magistrat in Nüremberg spielte, sie wurde
in Köln von den unbeholfenen Liberalen gespielt, die mit Schrecken sahen,
wie ein König sogar im Stande ist, nur durch eine Nagelprobe sich alle
Herzen wieder zu gewinnen und Alles vergessen zu machen, ja Alles, Alles,
vom 18. März an bis auf den heutigen Tag. O geht und laßt Euch hängen ihr
Demokraten, ihr dummen Republikaner! Was ist all' eure Berserkerwuth gegen
die Nagelprobe eines klugen Königs?
Dem Könige folgte der Erzherzog Reichsverweser. Das Glas erhebend sprach
er:
„Dem Fürsten, der eben meine Gesundheit ausbrachte, dem Könige von Preußen!
und dem was an unserm Dom geschrieben steht: Eintracht und Ausdauer!“
Die beiden Fürsten umarmten und küßten sich; laut schallte der Jubel der
Versammlung und ihre schwarz-weißen und schwarz-roth-goldnen Leidenschaften
flutheten ineinander. Was wollt ihr mehr? Preußen ging in Deutschland, und
Deutschland in Preußen auf in [Fortsetzung]
[Deutschland]
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@facs | 0408 |
[
112
] Düren, 18. August.
Gestern war der hiesige Abgeordnete für Frankfurt, Hr. Professor Braun
hier anwesend, um seinen Wählern über den Fortgang und Stand der
dortigen Verhandlungen mündlich zu berichten. Zur Entgegennahme dieses
Berichts hatte sich ein, wenn auch nicht sehr zahlreiches, doch
gewähltes Auditorium eingefunden, welches aus Männern aller
Meinungsschattirungen bestand und wobei auch der hiesige städtische Klub
durch mehre seiner tüchtigsten Mitglieder vertreten war. Hr. Braun
leitete seinen Vortrag mit einer Statistik der in der Reichsversammlung
wirksamen Kräfte ein und entwarf ein anschauliches Bild ihrer
Zusammensetzung so wie der Leidenschaften des Parteikampfes inner- und
außerhalb der Paulskirche.
Hierauf folgte eine Reihe von Interpellationen über die schwebenden
Tagesfragen, wobei der sehr orientirte Redner auf das freundlichste alle
gewünschten Aufschlüsse ertheilte. Seine eigene Stellung inmitten der
Debatten und der verschiedenen Parteien überging der Abgeordnete zwar
mit Stillschweigen, zollte aber dem Talente, der Rührigkeit und dem
einträchtigen Zusammenwirken der Frankfurter Linken das
schmeichelhafteste Lob. Für die deutsche Zukunft glaubte Hr. Braun nicht
eben die günstigsten Perspektive eröffnen zu können, vielmehr sprach er
sich dahin aus, daß, sollte die Aufgabe der Nationalvertreter gelöst und
ein einiges, freies und starkes Deutschland hergestellt werden, ihrem
Wirken entweder günstige Ereignisse von Außen zur Seite gehen oder
Deutschland sich in der revolutionären Bewegung erhalten müsse.
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@type | jArticle |
@facs | 0408 |
[
!!!
] Frankfurt, 17. August.
Sitzung der Nationalversammlung, Tagesordnung.
Fortsetzung der Berathung über die Grundrechte.
Obschon die Sitzung erst gegen 10 Uhr beginnt, sind doch kaum 150
Deputirte da, besonders auf der äußersten Rechten und äußersten Linken
ganz leer. Nach der Genehmigung des Protokolls werden Albrecht und
Schmidt aus Hannover und Schuselka aus Oestreich, als aus der
Nationalversammlung ausgetreten angezeigt.
v. Gagern (in höchst eigener Person) erstattet
höchst würdevoll Bericht über die Dombaufestfahrt. Den ganzen Rheinstrom
entlang, vorzüglich in Coblenz erschallten Sympathien der Bewohner für
die Deputirten der Nationalversammlung. In Köln sind sie sehr gastfrei
aufgenommen worden. Nur muß er leider bekennen, daß die Deputation an
dem religiösen Fest nicht so recht hat Theil nehmen können. Die
religiöse Gewalt der Kölner Bevölkerung war stärker als die
Polizeigewalt und so haben die Herren Abgeordneten keine ordentlichen
Plätze bekommen. Das Zusammentreffen des Königs von Preußen und des
Reichsverwesers war herzlich und hoffnungerweckend. Wenn der König von
Preußen geäußert hat: „die Nationalversammlung solle nicht vergessen,
daß es Fürsten in Deutschland gebe und er unter diese gehöre“, so haben
seine späteren Aeußerungen gezeigt, daß er tief von der politischen
Einigung Deutschlands durchdrungen ist. Besonders auf dem Gürzenich hat
er sich dahin ausgesprochen. (Bravo.)
Eisenstuck interpellirt die Kommission, welche
sich mit der Bearbeitung des Gesetzentwurfes über die Verantwortlichkeit
der Minister beschäftigt. Wie weit dieser Entwurf gediehen sei.
Mittermayer: Der Gesetzentwurf ist fertig und
kann auf die nächste Tagesordnung kommen.
Die Tagesordnung
bringt eine äußerst sterile, nur durch Schlöffel's Rede belebte
Diskussion über § 8 der Grundrechte. Nach dem Entwurf des
Verfassungsausschusses lautet der § 8:
Die Wohnung ist unverletzlich.
Eine Haussuchung darf nur auf Grund eines richterlichen Befehls
vorgenommen werden.
Dieser Befehl muß sofort oder spätestens innerhalb der nächsten 24
Stunden dem Betheiligten vorgewiesen werden.
Für die Verhaftungen in einer Wohnung finden keine besonderen
Beschränkungen statt.
Beseler, Berichterstatter, beginnt den
langweiligen Reigen, zeigt an, daß Adams, Leue und Mittermayer ihre
Einzelanträge zu § 8 zurückgezogen haben, um vereint einen Antrag zu
stellen, den er, als die Ausschußpunkte verbessernd, im Namen des
Verfassungsausschusses anempfiehlt. Er lautet: „Eine Haussuchung sowie
Verhaftung in einer Wohnung dürfen nur von dem dazu bestimmten Beamten,
in den Fällen, wo sie das Gesetz bestimmt, vorgenommen werden“ (Ich
komme auf diesen Antrag zurück, er wurde später verworfen.) Nach
Mittermayer folgt in der Reihe der Redner
Schlöffel. Die Erfahrung hat gelehrt, daß die
Haussuchungen im alten Polizeistaate den Charakter eines Einbruchs
trugen. Das alte deutsche und römische Recht kennt keine Haussuchung.
Dem modernen Polizeistaat war dieses schimpfliche Privileg vorbehalten.
Die Folgen desselben haben sich rasch entwickelt. Schon vier Jahre nach
jener Zeit, wo das deutsche Volk die wackelnden Throne seiner Fürsten
wieder befestigt hatte, begann man mit dieser saubern Maßregel. Bei
Arndt hielt man eine Haussuchung, und hat ihn nach einem vorgefundenen
Zettel zum Meuchelmöder gebrandmarkt und zum Hochverräther gestempelt.
Die Sprache ist zu arm, die Schändlichkeiten auszudrücken, die dies
System hervorgerufen hat. Auch ich habe schwer darunter gelitten. 1845
brachen ein Polizeiagent mit 18 Mann in meine Wohnung ein, maltraitirten
meine Frau und verführten einen bürgerlichen Schlosser dazu, die
Schlösser meiner Möbel zu erbrechen. 1830 fand man bei einer ähnlichen
Gelegenheit in Paris keinen Schlosser, der sich einer solchen
schmachvollen Arbeit unterziehen wollte. Man mußte einen von den
Galleeren dazu nehmen.
Noch heute habe ich meine Papiere nicht wieder. Man hat arme Leute durch
Geld zum Meineide gegen mich verleitet. (Rechts: zur Sache.) Ich bin
sehr bei der Sache. Ein politischer Schnupfen reicht hin, um jenes Heer
der geheimen Polizei zu allarmiren. Diese Herren riechen die politisch
Mißliebigen heraus, wie Douaniers unerlaubte Waaren. Wir sind noch in
den Flitterwochen der Revolution, und schon hat die geheime Polizei
wieder Feld gewonnen, schon werden überall wieder die verfolgt, die sich
soziale Verbesserungen angelegen sein lassen. Hier ist schon so oft von
deutscher Freiheit gesprochen worden. Haben wir etwas für dieselbe
gethan? (Tiefe Stille.) Eine parlamentarische Ministerverantwortlichkeit
schützt kein Volk vor Unbill. Eine strafrechtliche Verantwortlichkeit
brauchen wir. (Rechts: Murren) Ich beantrage: „den Befehl zu einer
Haussuchung den Betheiligten sogleich bei derselben zu Händen zu geben.“
Ferner Wegfall des Punktes: „für die Verhaftung in einer Wohnung finden
keine besondern Beschränkungen statt.“
Das deutsche Volk will aus dem Zustand der Gnade endlich in den des
Rechts übertreten Es ist müde, ewig einem Leithammel zu folgen. Der
Geist unserer Zeit ist so gewaltig, daß keiner ihn mehr wegläugnen und
mißachten darf. ‒ Sanktionairen Sie endlich den alten deutschen
Grundsatz, der die Basis der magaa charta von England bilder: „das Haus
des Bürgers ist ein Heiligthum.“ Geben Sie dem deutschen Bürger wieder,
was der Engländer nie verloren hat.
Auf Moritz Mohl und einen Unbekannten, der für
Reichensperger's Amendement in die Schranken tritt, folgt:
Wesendonk. Die Friststellung von 24 Stunden,
binnen welcher nach dem Vorschlag des Verfassungsausschusses der
Haussuchungsbefehl vorgewiesen werden soll, ist ganz überflüssig, denn
ohne richterlichen Befehl, (wie der Ausschuß vorschreibt) darf ja keine
Haussuchung vorgenommen werden. Wenn also ein solcher Befehl von vorne
herein da sein muß, so sehe ich nicht ein, warum er nicht den
Betheiligten bei der Haussuchung selbst sofort vorgewiesen werden
soll.
Hensel, Scheller aus Frankfurt a. d. Oder, Adams aus Koblenz, besprechen
ihre Anträge ohne alles Interesse. Es ist zum Einschlafen.
Kolb aus Speier stellt die Meinung auf, daß der
Antrag von Leue, Adams und Mittermayer gar nichts enthält.
Wiegard aus Dresden pflichtet dieser Meinung bei.
Der Antrag von Leue, Adams und Mittermayer läßt Alles beim Alten. Nach
demselben bleibt es beim alten Polizeistaat, und wenn die Polizei auch
eine wohlthätige Einrichtung sei, so müssen sich doch die Bürger vor
ihren Uebertretungen schützen.
Trotz mehrfachem Ruf nach Schluß betheiligen sich noch an der schlaffen
Debatte Spatz aus Frankenthal, Grävel aus Frankfurt a. d. Oder, Jordan
aus Gollnow, welcher beantragt, Hausgenossen bei der Haussuchung
zuzuziehen. Derselbe meint, es ist schon oft vorgekommen, daß bei
Haussuchungen zwar nichts gefunden, aber später etwas vermißt worden
ist.
Freudentheil aus Hannover. Haus und Familie sind
das Heiligste des Menschen. Eingriffe in diese müssen bestimmt
beschränkt sein. Ich beantrage dieselben vorzunehmen: „Nur auf Grund
richterlichen Befehls und unter Zuziehung richterlicher Beamten.“ Der
Richter wird sich dabei über das Formelle nicht hinwegsetzen, wie oft
der Polizeibeamte es thut. (Bravo.)
Heisterbergk aus Sachsen schlägt den Zusatz vor,
dem richterlichen Befehl noch die Beweggründe der Haussuchung
beizufügen. (Schluß.)
Gagern. Meine Herren, jetzt kommt bestimmt der
letzte. (Freude.)
Folgt ein Redner, welcher die Bemerkung macht, ja nicht von dem
augenblicklichen Gelüste eines Beamten, oder der Tendenz eines Ministers
die Haussuchung abhängig zu machen. Hierauf spricht der Berichterstatter
Beseler noch 3/4 Stunden. Man hört ohne Ungeduld zu. Gegen das Ende
seiner Rede fragt er, ob man ihm ein detaillirtes Eingehen in die
einzelnen Punkte erlassen wolle? (Von allen Seiten zuvorkommend: Ja
wohl.) Die Abstimmung haben wir unsern Lesern gestern mitgetheilt.
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@facs | 0408 |
[
103
] Berlin, 17. August.
In der Sitzung der Vereinbarer-Versammlung vom 7. Juni hatte der
Abgeordnete Schramm aus Langensalza den Antrag
gestellt, die noch vom alten Regierungssystem stehen gebliebene Censur der Leihbibliothekbücher aufzuheben,
welcher Antrag damals in die Abtheilungen, verwiesen wurde. Die
Central-Abtheilung, welche zur Berathung über diesen Antrag gewählt
wurde, hat sich überzeugt, daß die polizeiliche Bewachung der
Leihbibliotheken auf Ministerial-Verfügungen beruhe, welche sich an
frühere, durch Aufhebung der Censur aber in sich zerfallene Preßgesetze
anlehnen. Die Central-Abtheilung hat demnach eine Aufforderung an den
Minister des Innern beschlossen, die betreffenden Verwaltungs- und
Polizeibehörden über die Unbefugtheit einer Beaufsichtigung der
Leihbibliotheken aufzuklären.
Der Referent der achten Abtheilung stellte den ferneren Antrag, auch das
Erforderniß besonderer Konzessionen zu Leihbibliotheken,
Buchhändlergeschäften, Kunsthandlungen und Antiquargeschäften
aufzuheben. Er ging von der Ansicht aus, daß die Censuredikte die
eigentliche Wurzel seien, aus welcher erst das Erforderniß der
Konzession und dann aus dieser die polizeiliche Beaufsichtigung der
Buchhändler und Leihbibliothekare hervorging. Dieser innere Zusammenhang
geht hervor aus §. 128 des Gesetzes vom 7. September 1811, welcher den
Regierungen aufgiebt, die Anweisungen bei Konzessionirung von
Buchhändlern, Leihbibliothekaren etc. von der obersten Censurbehörde zu
erwarten; sowie aus §. 126, welcher zur Erlangung einer Konzession ein
von der Ortspolizeibehörde ausgestelltes Loyalitätszeugniß verlangt. ‒
Die Dringlichkeit des Antrags ist vorhanden, weil die fliegenden
Buchhändler der Straße, die Colporteurs, Ausrufer etc. bereits von der
Polizei, welche tagtäglich das ihr zustehende Konzessionsrecht wieder zu
handhaben beginnt, bedroht werden.
Die Central-Abtheilung, welcher der Gesetz-Entwurf des Finanz-Ministers
Hansemann, betreffend die Erhöhung der
Steuern auf Runkelrübenzucker und Spiritus zur Berathung vorliegt, hat
sich mit 5 gegen 3 Stimmen gegen die Erhöhung der Rübenzuckersteuer
ausgesprochen, obgleich Herr Hansemann der Abtheilung mehrere Stunden
lang seine ganze national-ökonomische Gelehrsamkeit vorpauckte. Man
glaubt sogar, daß der Spiritussteuer dasselbe Schicksal bevorsteht.
Dem Senat unserer Universität ist eine Liste mit den Namen vieler
demokratisch-gesinnten Studenten vorgelegt worden. Der Senat scheint es
sich nun vorgenommen zu haben, alle Denunzirte zu verurtheilen und wenn
er die Gründe dazu aus dem vermoderten Landrecht oder den vom Bundestage
sogar aufgehobenen Karlsbader Beschlüssen herholen sollte. So hat er den
Studenten Meyer verurtheilt auf Grund des §. 85.
Anhang 137. Theil II. Tit. 12 des A. L.-R., welcher lautet:
„Studenten, welche zur Zeit eines Tumults oder in größerer Anzahl nach
Mitternacht auf sich der Straße finden lassen, haben die Vermuthung
böser Absicht oder eines liederlichen Lebenswandels wider sich, auch muß
Niemand nach 10 Uhr Abends sich in einem Wirthshause antreffen lassen.“
‒
Gestern Nachmittag kam ein Polizei-Kommissarius zu dem Assessor Schramm, Präsidenten des demokratischen Klubs,
um ihn, in Folge eines Auftrags des Ober-Präsidenten Pinder in
Schlesien, zu fragen ob er das gesetzliche Alter von 30 Jahren habe, da
er in Striegau zum Abgeordneten der
Vereinbarer-Versammlung gewählt sei und ob er sich zur Annahme der Wahl
erkläre. Beide Fragen wurden von dem Gewählten bejahet. Diese Anzeige
auf polizeilichem Wege hat allgemeine Entrüstung hervorgerufen, da
bisher alle Wahlkommissarien die Sitte beobachteten sich in einem
höflichen Schreiben an den Gewählten zu wenden. Warum wohl gerade diese
Wahl dem Wahlkommissarius, Ober-Präsidenten Pinder, die gewöhnliche
Rücksicht nicht zu verdienen schien?
Derselbe Herr Schramm, der von jetzt an als
Abgeordneter den Gerichten gegenüber unverletzlich sein wird, hat jedoch
noch gestern eine Vorladung vom Kammergericht erhalten, sich auf die
Anklage: daß er für die Frau des Schneidermeisters Bornemann, deren Mann
in Folge der Zeughaus-Exzesse eingesteckt war, eine Eingabe an den
damaligen Staatsanwalt Temme, um sofortige Freilassung des unschuldig
Verhafteten (die auch erfolgte) angefertigt habe, zu verantworten, da er
dazu nicht befugt sei und event. mit der Strafe der Winkelschreiberei bestraft werden würde!
Der Finanzminister Hansemann hat vor einigen
Tagen eine Deputation, welche ihn um eine Unterstützung von 1 Million
Thaler für die Hypothekenschuldner hiesiger Stadt, denen ihre Kapitalien
gekündigt und die in Folge dessen in große Verlegenheit gerathen sind,
anging, mit ihrem Gesuch abgewiesen. Bei dieser Gelegenheit behandelte
Herr Hansemann sein bekanntes Thema, daß Ruhe und Ordnung Geld schaffe,
radikale Bestrebungen dagegen die Wiederherstellung des Vertrauens
verhinderten und schloß mit folgenden Worten: „Oestreichische
Metalliques stehen jetzt 60%, Preußische Staatsschuldscheine 75%, ich
werde sie bald auf 100% bringen, wenn die Stadt Berlin ihre radikalen
Demonstrationen unterläßt.“
Ein dänischer Agent soll durch die Untersuchungen wegen der
Zeughausexzesse stark kompromittirt worden sein.
Die Arbeitseinstellung der Druckergehülfen dauert nun schon über 17 Tage
und noch ist keine Einigung zu Stande gekommen. Sowohl von Seiten der
Prinzipale als von Seiten der Gehülfen will man nicht nachgeben und es
auf's Aeußerste ankommen lassen. Das Beispiel der Drucker beginnt bei
den Schneidergesellen Nachahmung zu finden, welche ebenfalls mit einer
Arbeitseinstellung drohen, wenn man gewissen Forderungen nicht nachgeben
will. Es ist möglich, daß die ungeheure Zahl der Schneidergesellen, die
sich auf mehrere Tausend belaufen, eine Demonstration gegen das s. g.
Arbeiter-Ministerium beabsichtigen, von dessen Existenz man weiter
nichts bemerkt, als daß Herr Milde 12.000 Thlr. Gehalt bezieht.
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@facs | 0408 |
[
119
] Berlin, 16. August.
Die Stellung des Ministeriums wird von Tage zu Tage unhaltbarer. Nachdem
der Kriegsminister schon so lange vielfachen und heftigen Angriffen,
besonders bei der Schweidnitzer Angelegenheit ausgesetzt war, nachdem
der Minister des Innern für die Einführung der Schutzmannschaft, durch
Hrn. Grabow's Hülfe, nur eine geringe Majorität gewonnen hatte (ein
Sieg, der dadurch noch weniger rühmlich wird, daß jetzt die Konstabler
bis auf 1600 vermindert werden sollen), häufen sich die Angriffe gegen
den Finanzminister in der Versammlung und außerhalb derselben auf
gleiche Weise. Die Gutsbesitzer sind auf's Höchste über die projektirte
Grundsteuer entrüstet und werden unter ihrem Führer Herrn Bülow-Tummerow
auf den Freitag eine Versammlung in Berlin abhalten, um über die Mittel
gegen diese Maßregel zu berathen. In der Nationalversammlung zerfällt
die Partei des thatendurstigen Finanzministers augenscheinlich und im
Lande finden seine „kühenen Griffe“ noch weniger Beifall. In einer
Sitzung der Centralabtheilung, welche im Hotel des Finanzministers statt
fand, wurde die projektirte Rübenzuckerbesteuerung mit 5 gegen 3 Stimmen
verworfen, und der Spiritussteuer steht ein gleiches Schicksal bevor.
(S. oben.)
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@facs | 0408 |
Berlin, 17. Aug.
Die Cholera macht verhältnißmäßig langsame Fortschritte. Bis gestern
waren 50 Personen daran erkrankt, von denen 4 genesen, 40 starben und 6
in Behandlung blieben.
‒ Folgendes interessante Aktenstück ist uns mitgetheilt worden:
„Abschrift: Ew. Hochwohlgeboren benachrichtige ich hierdurch gehorsamst,
daß Ihre Königl. Hoheiten, der Prinz und die Prinzessin von Preußen,
hier eintreffen und sich drei Tage hier aufhalten werden. Stettin, 29.
Juli 1848. (gez.) v. Salmuth, Regierungsrath. ‒ An den Königl.
Regierungs-Präsidenten Hrn. v. Fritsche, Hochwohlgeboren in Cöslin.
„Abschrift erhalten Ew. Hochwohlgeboren mit dem Anheimgeben, einige
Schulzen oder Bauern des Kreises zu vermögen, Namens des Bauernstandes
Ihre Königlichen Hoheiten zu begrüßen. [Fortsetzung]
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@facs | 0408 |
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@facs | 0408 |
[Fortsetzung] diesem Kuß vor allem Volke, in
dieser versöhnenden Umarmung. Was wollt ihr mehr, die ihr noch immer das
Gespenst des Bürgerkrieges zwischen den beiden Kokarden seht? Ist es
nicht offenbar, daß es mit aller Zwietracht aus ist? O, aber ihr seid
kalte, berechnende Menschen, ihr finstern Volkssouveräne. Ihr glaubt
weder an Küsse noch an Umarmungen. Heilig ist euch nichts mehr ‒ heilig
nur euer kalter Egoismus! O, wär't ihr doch in Köln gewesen, auf dem
Gürzenich, auf dem Dombaufestmahle, ihr würdet eure revolutionären Ideen
dran gegeben, ihr würdet gelernt haben, was Fürsten über Völker
vermögen, und wie man sich vor Fürsten beugen muß. Ja, herrlich hast du
dich bewährt mein altes Köln, als eine Stadt der Treue, der Loyalität
und Niemand wird hinfort mehr von dir sagen können, daß du der Heerd des
Aufruhrs, der Revolution und der Anarchie bist.
Wir übergehen den Toast eines loyalen Kölners, des Herrn v. Groote und
wenden uns zu dem Präsidenten der Frankfurter National-Versammlung von
Gagern. Auftrat dieser große Mann. Ich muß gestehen, ich war ich
höchsten Grade neugierig, den Zeus mit der Schelle, von dem ich schon so
viel lesen und hören mußte, einmal in der Nähe zu gestehen und mit
eignen Ohren zu belauschen. Hatten mir doch wenigstens schon hundert
Männer, alte und junge aufzubinden versucht, Gagern sei ein Halb-Gott,
er stamme direct aus dem Olymp her, Jupiter habe ihn auf einer
Ferienreise mit einer oberländischen Nymphe gezeugt? ‒ Ich wollte es
immer nicht glauben; auf das Geschwätz von Männern gebe ich nichts; sie
sind fast immer schief gewickelt; wenn Männer über Männer urtheilen, so
steht es noch immer so und so um das Resultat; auf Männer ist nicht zu
bauen. Erst seit mir neulich ein hübsches Weib mit schneeweißen Zähnen
und mit verliebten Augen die feste Versicherung gab, daß Gagern ein
ausgezeichneter Mann sei und daß sie für ihn schwärmen könne, ja
schwärmen trotz alledem und alledem, seit jenem Augenblick fing ich an,
die Wahrheit der verschiedenen Gerüchte weniger als bisher zu
bezweifeln, denn die Aussage einer schönen Frau ist maßgebend in allen
Dingen, einer Frau muß man mehr glauben als dem Evangelium; was eine
Nachtigall singt, und was auf Rosen und Lilien geschrieben steht und was
ein Engel in Menschengestalt spricht, das ist lautere Wahrheit, das soll
man glauben, dafür soll man leben und sterben und auferstehn. Ja, was
ist ein Sokrates und ein Hegel gegen eine kleine Person mit
kohlschwarzen Locken, die dir an den Hals springt und dich küßt und
darauf flucht mit dem liebenswürdigsten Fluche, daß sie Recht habe, und
daß sie Recht behalten wolle, ihr Leben lang?
„Wen Frauen loben, der wird bekannt,
Er hat den Ruhm an seiner
Hand,
Dazu seines Herzens Wonne.“
So sagt schon der alte Wolfram von Eschenbach und in der That, Gagern hat
alle Aussicht einer der glücklichsten Menschen seiner Zeit zu werden.
Gagern ist eine gesunde Erscheinung. Junge Mädchen werden sich
schwerlich für ihn begeistern; hübsche Frauen werden ihn stets zu
schätzen wissen.
Gagern brachte dann einen Toast auf ein einiges, freies und starkes
Deutschland aus. Wiederum bebte der Saal von Applaus. Alle Patrioten und
alle Gläser wackelten. Se. Maj. der König erhob sich hierauf zum zweiten
Male, und ich muß gestehen, daß ich ihn für einen weit größern Redner
als den Jupiter der Paulskirche halte. „Schon zwei Mal,“ sprach der
König, „hat man auf die Erfüllung meines schönsten Jugendtraumes, auf
ein einiges und starkes Deutschland angestoßen; ich lade Sie jetzt ein,
auch auf das Wohl der Werkleute am Baue dieses einigen Deutschlands zu
trinken ‒ es leben die anwesenden und abwesenden Mitglieder der
National-Versammlung in Frankfurt!“
Der Erzherzog Reichsverweser folgte wieder Sr. Majestät mit einem Toaste
auf das Wohlsein der Stadt Köln. Die Beredsamkeit des alten Mannes
hatte, wie seine ganze Erscheinung: etwas Rührendes. Der alte Fürst und
die alte Stadt ‒ sie grüßten einander wie zwei graue Kirchthürme. Es war
als ob der Domkrahnen und der Thurm der Stephanskirche sich umarmt
hätten.
Unter den übrigen Rednern fiel mir noch v. Soiron, der Vice-Präsident aus
Frankfurt, auf. Ich muß den Mann früher schon einmal gesehen haben. In
Brüssel, in Liverpool, in Hamburg ‒ ich weiß es nicht. Aber ich möchte
darauf wetten, daß ich ihn schon einmal auf einem Droschkenbock sah; ja,
wahrhaftig, ich will mich hängen lassen, Hr. v. Soiron war schon einmal
Droschkenkutscher! Ist das nicht derselbe Kutscherbart, dieselbe
Kutscherwürde, derselbe Kutscherpathos? Was für eine Nummer hatten Sie
Hr. Soiron?
„Hohe Versammlung!“ begann Sancho-Soiron: „Gönnen Sie einem einfachen
Manne ein einfaches Wort, ein Wort, das aus dem Herzen kommt. Reichen
wir uns die Hände durch alle Gaue des deutschen Vaterlandes, auf daß
Brüderlichkeit zwischen uns herrsche bis an die äußersten Gränzen. Hoch
lebe die Brüderlichkeit des deutschen Volkes!“
Kann ein patriotischer Kutscher besser sprechen? Hohe Versammlung ‒
einfacher Mann ‒ Händereichen ‒ Gaue des deutschen Vaterlandes ‒
äußerste Gränzen ‒ es lebe die Brüderlichkeit. Wunderschön! Es lebe
Sancho, der einfache Mann!
(Fortsetzung folgt.)
@xml:id | #ar081_007b |
@type | jArticle |
@facs | 0408 |
Das Dampfschiff Geiser hat 14 Kisten mit 30,000 Loth Silberzeug und
einigen Diamanten nach Kopenhagen gebracht, die dem Herzog von
Augustenburg gehörten und bei Sonderburg vergraben gefunden wurden. Die
Kisten sind an die Bank abgeliefert.
@xml:id | #ar081_008 |
@type | jArticle |
@facs | 0408 |
[
*
] Christiania, 11. August.
Der Storthing hat in seiner gestrigen Sitzung die Vorschläge, daß 1)
allen christlichen Sekten freie Religionsübung im Reich gestattet, mit
allen Stimmen gegen achte, und 2) daß das Verbot für Juden, das Reich zu
betreten, aufgehoben werde, mit 59 gegen 43 Stimmen verworfen. Wieder eine Probe
christlich-germanisch-skandinavischer Demokratie!
[Deutschland]
@xml:id | #ar081_009 |
@type | jArticle |
@facs | 0409 |
[Fortsetzung] Für die Herren Rittergutsbesitzer
wird es nur einer Mittheilung dieser Nachricht und keiner Aufforderung
bedürfen, um hoffen zu dürfen, daß sich einige derselben gleichfalls nach
Stettin begeben werden. Cöslin, den 30. Juli 1848. Der
Regierungs-Chefpräsident v. Fritsche. ‒ An den Königl. Landrath Hrn. v. ***,
Hochwohlgeb. in [
*
].
„Die Magisträte hier und in Colberg habe ich veranlaßt, die Stadtverordneten
zu vermögen, Deputationen abzusenden. In wiefern die Stadtverordneten zu
[
*
] gleichfalls einen Deputirten
absenden wollen, bleibt denselben anheimgestellt. v. Fr.“
[(B. Z. H.)]
@xml:id | #ar081_010 |
@type | jArticle |
@facs | 0409 |
[
*
] Breslau, 15. August.
In der öffentlichen Sitzung des demokratischen Hauptvereins vom 14. August
hat Herr Breinersdorf folgenden Antrag gestellt:
Einen Antrag durch die Deputirten Breslau's an die Frankfurter
Nationalversammlung: sie solle zu Gunsten der wegen der Pariser
Juni-Insurrektion vor die Ausnahmegerichte gestellten Deutschen interveniren
und auf deren Auslieferung dringen, namentlich derjenigen, welche deportirt
werden sollen; mit Rücksicht auf das gleiche Verfahren der Franzosen bei der
republikanischen Schilderhebung Heckers in Baden und dem Zuzuge der
Franzosen unter Herwegh und der erfolgreichen Reklamation England's in
demselben Falle. ‒ Einstimmig angenommen. ‒ Die mit der Abfassung
beauftragte Kommission wird den Protest zur Veröffentlichung übergeben.
Wir erwarten, daß auch die demokratischen Vereine von Köln diesen Antrag zu
dem ihrigen machen werden.
@xml:id | #ar081_011 |
@type | jArticle |
@facs | 0409 |
Schweidnitz, 15. August.
Die nach Breslau entsandte Deputation hat berichtet, „daß nach der
Entscheidung des Herrn Oberpräsidenten Pinder und des kommandirenden
Generals Herrn Grafen von Brandenburg, es in unserem eigenen Interesse
dringend nothwendig sei, zur Feststellung des Thatbestandes der
Untersuchung, um die Möglichkeit der Vernehmung der einzelnen Personen nicht
zu hindern, die Entfernung des Füsilier-Bataillons 22. Inf. Regts. bis nach
dieser Feststellung auszusetzen; ‒ dagegen bleibe es den Bestimmungen des
königl. Kommandanten überlassen, so weit möglich diesen Truppentheil vom
Wachtdienste zu dispensiren.“ Hierauf folgt in dieser Bekanntmachung noch
die Meldung, daß die Untersuchungen der stattgefundenen Ereignisse bereits
in vollem Gange seien, und eine durch den Kreis-Physikus und den
Garnisons-Stabsarzt mit dem vom 31. Juli verwundeten Soldaten veranstaltete
Untersuchung ergeben habe, daß dessen Streifschußwunde an der rechten Wange
nur aus beträchtlicher Nähe beigebracht, und wahrscheinlich durch die
Unbesonnenheit eines feuernden Kameraden verschuldet sei, und daß, da die
Richtung des Schusses von unten nach oben gehe, die Behauptung wegfalle, als
sei die Verwundung durch einen Schuß aus den gegenüberliegenden Häusern
erfolgt. Uebrigens werde das Resultat der Untersuchung seiner Zeit zur
öffentlichen Kenntniß gebracht werden. ‒ Seither hat sich die hiesige
Einwohnerschaft sehr ruhig verhalten, das Benehmen der Bürgerschaft war
wirklich musterhaft, da von dieser Seite her Alles geschehen ist, um die
Ruhe dauernd zu erhalten, und die beschwerlichen Wachtdienste mit großer
Bereitwilligkeit übernommen und mit Ausdauer versehen werden, in der sichern
Erwartung, daß nur dadurch ein Beziehen der Wachtposten durch die
Zweiundzwanziger mit Sicherheit zu verhindern sei, und die durch den Mund
der Nationalversammlung in Berlin ausgesprochene Versetzung derselben ja
überdies binnen Kurzem erfolgen müsse. In dieser Beziehung gab man schon den
Tag des Ausmarsches (den 15. oder 16. c.) und den Bestimmungsort (Magdeburg)
dieses Truppentheils an, ‒ wie es jetzt scheint, etwas zu voreilig. Denn
gestern verbreitete sich das Gerücht, die Zweiundzwanziger würden die Wachen
beziehen und zwar mit geladenem Gewehr, ‒ ein Gerücht, das an
Wahrscheinlichkeit zunahm, und von Seiten der Bürgerschaft Nachfragen bei
den städtischen Behörden erregte. Diese machten hierauf bekannt, daß der
Herr Kommandant erklärt habe, „bei dem angreifenden Dienst könne solcher dem
11. Infanterie-Regiment (von dem 2 Kompagnien hier stehen) nicht allein
zugemuthet werden, und er müsse die Besetzung der Hauptwache mit dem
Füsilier-Bataillon des 22. Inf. R. ts. in einigen Tagen eintreten lassen.
Für den Fall der Ruhestörungen oder Insulte gegen das Militär müßte er dann
die Wachen mit geladenem Gewehr aufziehen lassen, was bisher nicht geschehen
sei und außerdem auch nicht geschehen werde.“ Für jetzt ist durch die
Einwendungen unserer Behörden bei dem Kommandanten jenes Aufziehen der
Wachen noch suspendirt und von jenen am gestrigen Tage bei dem
General-Kommando und dem Ober-Präsidium gegen jeglichen Wachtdienst des
Füsilier-Bataillons in der Stadt protestirt worden. Ob dies von Erfolg sein
wird, ist nach den vielen, wie es scheint, absichtlichen Verzögerungen und
Beschwichtigungen wohl zu bezweifeln. Dies macht nun von Neuem die
Besorgnisse der Bürgerschaft rege. Zudem werden noch die
Bürgerwehrmannschaften aufgefordert, kein geladenes Gewehr zu führen, eine
Maßregel, die wir keinesweges tadeln, die aber zu der Befürchtung Anlaß
gegeben zu haben scheint, als würden jene so jedem Angriffe der rohen
Soldateska, der nach den bekannten Excessen von Seiten der letzteren, und
nach den Geständnissen ihrer Führer, die den Gehorsam nicht erzwingen
können, nicht gerade unmöglich ist von neuem wehrlos blosgestellt.
Hierzu kommt noch, daß vorgestern wieder ein Opfer des 31. Juli, der Arbeiter
Jenofé (nicht Genovei) gestorben ist, der morgen früh begraben wird, wodurch
die traurigsten Erinnerungen wiederum rege geworden sind, und daß man von
gewisser Seite her das alberne Gerücht zu verbreiten bemüht ist, als
beabsichtige ein Bürger, der oft genannte Speisewirth Schindelwick, das
Militär zu vergiften ‒ so wird man gern glauben, daß Stoff genug zu neuer
Aufregung vorhanden ist. Von Seite der Bürger ist jedoch gewiß keine
Ruhestörung, noch weniger ein Angriff gegen das Militär, selbst wenn die
Zweiundzwanziger die Wachen wieder beziehen sollten, zu befürchten. Das
sicherste Mittel, allen Eventualitäten vorzubeugen, wäre die Zurückziehung
des bewaffneten Truppentheils, die auch den vielen Versicherungen zufolge
jetzt eintreten sollte, da, wie wir hören, die gerichtliche Vernehmung des
Militärs beendet sein soll. Solche höhnende Zähigkeit Seitens der
Militärbehörden kann unmöglich geeignet sein, die Bürger zu versöhnen, und
das gute Einvernehmen zwischen diesen und dem Militär
wiederherzustellen.
Es hat sich in diesen Tagen hier ein Verein gebildet, der Geldbeiträge für
die durch die Ereignisse am 31. Juli c. zu Wittwen und Waisen gewordenen
Frauen und Kinder, so wie für die an ihrer Berufsthätigkeit gehinderten
Verwundeten aufsammelt, und zu diesem Zwecke einen Aufruf von Haus zu Haus
zirkuliren läßt. Das Comité (J. Schmidt, Irgahn, Bröcker, Berger) behält
sich vor, diesem Aufrufe größere Verbreitung zu geben, und erklärt, daß es,
um den Bedürfnissen der Hülfsbedürftigen gerecht zu werden, über die
Verwendung der Gaben mit einer aus Mitgliedern des Magistrats und der
Stadtverordneten zusammengesetzten Kommission sich berathen und über die
eingegangenen Beiträge öffentlich Bericht erstatten werde.
@xml:id | #ar081_012 |
@type | jArticle |
@facs | 0409 |
Liegnitz, 16. Aug.
Der Präsident des hiesigen demokratischen Vereins, Herr Lunerth, befindet sich noch immer im Militär-Lazareth zu Glogau,
wohin er unter militärischer Begleitung abgeführt wurde, weil man ihn trotz
seiner Kränklichkeit und seines durch ärztliche Untersuchung constatirten
Augenübels durchaus, wenn auch nur „versuchsweise“, wie es hieß, zur
Landwehr einreihen wollte, wogegen Lunerth in Rücksicht der oben angeführten
Gründe mit Recht, wenn auch umsonst protestirte. Da indessen unsere
sämmtliche Landwehr binnen wenigen Tagen aus Posen zurückkehrt, so ist auch
kein Grund zu seiner weitern Entfernthaltung mehr vorhanden und seine
Rückkehr wird in kürzester Zeit hier erwartet, freilich zum größten Aerger
einer reaktionären Cl que, der die Betreibung seiner plötzlichen Einziehung
allgemein zugeschrieben wird. Der demokratische Verein ist übrigens in
fortwährender gedeihlicher Zunahme begriffen und wird bald gegen 1000
Mitglieder zählen, wozu auch viele Landleute gehören, welche überhaupt
durchweg dieser Richtung mit Eifer anhängen. Der genannte Verein imponirte
durch sein Auftreten besonders bei der Feier zu Ehren des Reichsverwesers
und der deutschen Einheit, welche auch hier, und zwar in großem Styl, am
vorigen Sonntage stattfand, und repräsentirte in der That die einzige
politische Partei, welche hier Leben, Energie und Bewegung besitzt, weshalb
auch das „Demokratenzelt“ auf dem Festplatze den Mittelpunkt alles Lebens
und Treibens dabei bildete. Das hiesige Fest zeichnete sich auch vor andern
dieser Art dadurch aus, daß eine große Anzahl von Soldaten der hiesigen
Garnison mit Ausnahme der Offiziere an den Volksbelustigungen Theil nahmen.
Nachdem diese auch den Tag darauf noch fortgesetzt worden waren, bildeten
gegen Abend alle Theilnehmer in buntester Reihe, die Soldaten Arm in Arm mit
den Mitgliedern des demokratischen Vereins, vielen Bürgern, Gesellen und
Arbeitern einen langen Zug, der sich unter dem Klange der Musik und dem
Gesange patriotischer Lieder mit fliegenden Fahnen nach der Stadt bewegte,
und unter lautem Jubel des zusammenströmenden Volkes seinen Einzug hielt.
Auf dem Marktplatze wurde zuletzt ein für das Fest nach der Weise der
marseiller Hymne gedichtetes Lied von der ganzen Volksmasse unter
Musikbegleitung gesungen, und nach vielfachen Hochs auf die deutsche
Einheit, den demokratischen Verein u.s.w. trennte man sich mit dem
Bewußtsein, der politischen Gesinnung der großen Mehrzahl der hiesigen
Bevölkerung einen klaren Ausdruck durch diese Manifestation gegeben zu
haben. Auch in den meisten anderen Städten unserer Provinz ist die zu
hoffende deutsche Einheit in diesen Tagen gefeiert worden. Ueberhaupt findet
das Altpreußenthum nirgends in Schlesien einen Boden und auch die Reaction
wagt in der nationalen Frage nur einen leisen und versteckten Widerstand
gegen das „Aufgehen in Deutschland.“
@xml:id | #ar081_013 |
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@facs | 0409 |
Posen, 16. Aug.
Die Landwehr ist wegen der vollständig hergestellten Ruhe größtentheils
entlassen. Es hat ebenfalls ein theilweiser Garnisonwechsel stattgefunden.
Für das 7. ist das 5. Regiment hier eingerückt. Letzteres ist wegen seiner
Affairen in Schrimm etc. berühmt. Die Soldaten desselben keilten sich
sogleich mit den hiesigen Bummlern und mit ihren Kameraden anderer
Truppentheile, wahrscheinlich um von ihrem Ruhme nichts einzubüßen. Heute
Morgen ist eine Kompagnie des 8. Infanterie-Regiments mit 2 Geschützen von
hier nach Kurnik ausgerückt, angeblich um die dort versammelten 1000
Sensenmänner auseinander zu treiben.
@xml:id | #ar081_014 |
@type | jArticle |
@facs | 0409 |
[
61
] Wien.
Sitzung des Reichstags vom 12. Aug. Streit aus Mähren
will den Gemeinden das Recht des Holzklaubens konferviren. Gerne ist gegen alle Entschädigung, indem er sagt:
Es handle sich um das Fortbestehen eines Systems von Bedrükkung einer Kaste
von Menschen, die über das Volk genug Elend gebracht. Auch in den März- und
Maitagen handelte es sich um das Fortbestehen dieses Systems und dieser
Kaste. Büreaukratie und Absolutismus waren zwei Tyrannen, welche den Geist
niederdrückten und das Eigenthum anderer auszubeuten suchten; auch
Aristokratie und Feudalsystem sind solche zwei Tyrannen. Die Versammlung
stehe auf dem Gebiete der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit; durch den
Ausspruch einer Entschädigung handle man diesen Grundsätzen gerade entgegen.
Mokry will nur die Laudemialgebühren beim
Einkauf von Grundparzellen ohne Entschädigung aufheben. Ein Abgeordneter:
Das Recht, in den Waldungen Holz zu sammeln darf nicht geschmälert werden. ‒
Nun entspinnt sich ein langes Hin- und Her über die Frage, ob die Debatte
geschlossen werden soll, wobei Helfert bemerkt, die
ewig denkwürdige Nacht vom 4. Aug. 1789 müsse als Warnung dienen; die
Assemblée Constituante habe sich damals in einem Rausche befunden, aus dem
dann die Hälfte mit einem politischen Katzenjammer erwacht sei. ‒ Darauf
wird wieder in der Tagesordnung fortgefahren, und es werden noch mehre
Anträge über Aufhebung einzelner Rechte vorgebracht. Hönig: entschädigt müsse werden. Borrasch:
Die Volksfreiheit sei nicht blos zum irdischen Wohlsein wünschenswerth,
sondern weil sie das Göttliche in der Menschenbrust zur Wahrheit mache.
Darum dürften die Volksvertreter nicht die sittliche Grundlage fahren
lassen; man hätte sonst dem Kommunismus (?) Thor und Thüre geöffnet. Der
rechtliche Sinn und der gesunde Menschenverstand des Volks werde über Viele,
die sich vergangen, den Mantel der chrilichsten Liebe ausbreiten, aber die
Prasser und Dränger müßten verjagt werden. Jonok
hält eine sehr lange Rede, in welcher er die Entschädigung bejaht und nur
das Abstiftungsrecht, wonach die Herrschaft den Bauer von Grund und Boden
jagen und sein Eigenthum verkaufen könne, denn das Unterthanspatent, wonach
der Stock noch immer herrsche, abgeschafft wissen will. Ueber die
Entschändigung müßten die Landtage bestimmen. Die Patrimonialgerichtsbarkeit
müsse aufgehoben, eine geregelte Gemeindeverfassung eingeführt werden; bloße
Begeisterung schaffe noch nicht, darum zeige man mehr Ernst.
Sitzung vom 14. Aug. Trogan sucht in einer langen
Rede den Entschädigungsanspruch für alle Fälle zu begründen, wo ein
Privatkontrakt zum Grunde liege, indem er sagt:
Wir sind Vertreter aller Volksinteressen, aller Volksklassen, müssen also
über allen Parteien stehen; wir stehen nicht mehr auf dem Boden der
Revolution, wo Wahrheit und Gerechtigkeit entscheiden müssen. Alle Gesetze,
welche die Beschränkungen der persönlichen Freiheit durch das
Unterthansverhältniß betreffen, müssen sofort aufgehoben werden. Ueber dem
Drange nach Freiheit darf man die Stimme des Rechts nicht überhören. Darin
sind wir einig, daß die Robot sogleich aufgehoben werden müsse. Sie ist
faktisch schon aufgehoben. Wir gelangten auf Grundlage gesetzlicher Basis
auf den Unterschied der Lasten, die aus Mißbräuchen entstandene Ausflüsse
der Leibeigenschaft sind und daher ohne Entgeld aufgehoben müssen, aber auch
auf solche, die auf Verträgen beruhen, deren Rechtmäßigkeit außer Zweifel.
Die Entschädigung muß billig sein u.s.w.
@xml:id | #ar081_015 |
@type | jArticle |
@facs | 0409 |
Wien.
Der k. k. Generalmajor Ludolf, gegen welchen ähnliche Beschuldigungen
vorliegen wie gegen den Grafen Zichy, wurde jüngst nach Olmütz geführt, um
bei dem Prozeß gegen Zichy als Mitschuldiger zu figuriren. Auch der
Feldmarschalllieutenant und Viceadmiral Martini, der eben aus der
Kriegsgefangenschaft gekommen, wurde nach Olmütz berufen, um dort vor dem
Kriegsgericht über die Kapitulation Venedigs Aussagen zu deponiren.
[(Br. Z.)]
@xml:id | #ar081_016 |
@type | jArticle |
@facs | 0409 |
Triest, 8. Aug.
Auf der sardo-venetianischen Flotte, welche in der Bucht bei Pirano vor Anker
liegt, ist offene Meuterei ausgebrochen, und wir
haben gestern sogar das Aufblitzen des Kleingewehrfeuers von hier aus
bemerkt. Albini hat an Gyulai die Bitte um eine Zufluchtsstätte gerichtet,
da er seine persönliche Sicherheit unter den Meuterern für gefährdet hält,
wurde aber bis zur Entscheidung des Ministeriums abgewiesen.
@xml:id | #ar081_017 |
@type | jArticle |
@facs | 0409 |
Hauptquartier Apenrade, 15. August, Abends.
Heute Morgen versuchten die Dänen eine heimliche Landung in der Mitte
zwischen hier und Hadersleben. Eben so ging von den nordöstlich hinter
Hadersleben stehenden preußischen Vorposten die Nachricht ein, daß sich
fortwährend mehrere tausend Mann starke dänische Kolonnen zeigten, ohne daß
es jedoch bisher noch zu einem Angriff gekommen wäre. Auch auf Fehmarn sind
neuerdings wieder Landungsversuche vorgekommen und soll deshalb die dort
liegende Besatzung verstärkt werden. So eben kommt die Nachricht, daß die
aus preußischen Reichstruppen bestehende Brigade Bonin ein Vorpostengefecht
mit den Dänen gehabt und diese zurückgedrängt hat. [(B. H.)]
‒ Berichten aus Helgoland vom 15. d. M. zufolge, war am 13. in der Nähe der
Insel die dänische Fregatte „Bellona“ angekommen. Am Bord derselben befindet
sich der bekannte Commodore Steen Bille, der vermuthlich den Befehl über das
Blokadegeschwader übernehmen soll. Letzteres besteht aus nur drei Fregatten,
kann also in keiner Weise als genügend angesehen werden, um in
völkerrechtlich gültiger Weise die Mündungen dreier Flüsse (Elbe, Weser und
Jahde) zu blockiren und würde auch, wenn, wie dem Vernehmen nach der Fall
sein soll, noch eine Fregatte und ein Dampfschiff hinzukommen, zu jenem
Zwecke nicht hinreichen. [(B. H.)=]
‒ Berichten aus Kiel zufolge hat die provisorische Regierung, auf
Veranlassung des zur Leitung der Waffenstillstands-Unterhandlungen
abgeordneten Max v. Gagern, an die schleswig-holsteinische konstituirende
Versammlung den Antrag gestellt, sich auf vier Wochen zu vertagen. Die
Berathung über diesen Antrag sollte heute stattfinden. [(B. H.)]
Französische Republik
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@type | jArticle |
@facs | 0409 |
[
16
] Paris, 17. Aug.
„Nach der Quasilegitimität die Quasi-Republik, nach Mister Guizot der Citoyen
Thiers, nach Lord Duchatel der Marquis Marrast, nach der Epoche der Schmach
die Periode des tückischen Blödsinns, so weit wären wir. („La vraie
Republique.“) Wohin geht es? zu Blutüberschwemmungen, zu namenlosem Schmerz,
sagen die Einen, zu gerechter Justiz und Volksrache sagen die Andern. Wir
richten noch ein Gebet zu Gott, unser letztes: er möge gnädig die Prüfung
abkürzen; wir sind aufs Aergste gefaßt, auf Herstellung eines Throngerüstes,
eines Vehmtribunals, einer Allianz mit dem Moskauer Czaaren und britischen
Leoparden. Im Jahre 1816 spielten die Königthümler im Süden Kegel mit
abgehauenen Jakobinerköpfen, wie Augenzeugen besagen; auch 1848 sind sie
dazu fähig, wenn wir die Hälse still hinstrecken. Wußtet ihr sentimentalen
Philantropen des Provisoriums das nicht einmal? Ihr wollt euch jetzt
aufraffen, nachdem ihr der Welt den französischen Namen zum Spott gemacht,
euch blamirt habt. Mit eisernen Ruthen also mußte der Erzfeind euch
peitschen, ehe ihr euch ermanntet, ihr eiteln, hohlköpfigen Polterer mit dem
überbrodelnden Herzenskessel! Was habt ihr denn gethan? weniger als nichts
(ruft Impartial du Nord) und nur der Riesenprozeß wird euch wieder etwas
Relief geben, ihr großen Stümper der Revolutionskunst. Wahrlich, es ekelt
uns diese Zeit, wo nur gefaselt wird und wir wenden uns mit namenloser
Sehnsucht zurück nach der heiligen Welt-Epoche 1793 und 94; wir müssen nicht
eher schlafen gehen, als bis sie in erneutem Maße wiederholt ist. Laßt uns
heute die Fahne des Arbeitsrechts aufziehen mit der ewigen Inschrift: wer nicht arbeitet darf nicht essen! Ugolino's Thurm
möge unsre faulenzenden Prasser aufnehmen, sie alle, die den fleißigen
Darbenden ins Zellengefängniß mauerten. Wir wollen Vergeltung oder ‒ eine
Kugel in die Brust, schrieb ein Toulouser Blatt in seiner letzten Nummer.
Die Wahlen werden immer noch aufgeschoben; viele Arbeiter sind entschlossen
ihr aktives Bürgerrecht aufzugeben. Der Impartial du Nord sagt: „Kein
Wunder, denn sie erinnern sich, daß z. B. in Paris die 698 Stimmzettel der
Patienten im Hoteldieu und St. Louishospital ebensowenig wie die 383 des
Invalidenhauses zur Wahlurne abgeholt wurden, folglich sämmtlich verloren gingen; daß in unserm Departement die
Bestechungen und Beschwatzungen das Votum der Bauern bestimmten u. s. w.“
Ueber die dänisch-deutsche Sache sagt La Liberté: „Leider hat das deutsche
Parlament durch eine fast lächerliche Ländersucht verleitet, sich gegen
Italien und Polen versündigt, und nur die demokratische Partei in und außer
ihm rettet durch ebenso logische als begeisternde Protestationen die Ehre
des zukünftigen Deutschlands. Hätte das Parlament
Italien und Posen befreit, wahrlich kein Mensch würde sich jetzt um Das
kümmern, was es gegen Dänemarks Südgebiete vorhat; aber nun ist die
öffentliche Meinung schon aufgebracht und man will dem Parlamente dort
verbieten, was man ihm an seiner Ostgränze leider
erlaubt hat; es schmerzt uns dies auszusprechen, aber die deutschen
Demokraten, unsere Freunde, werden es uns hoffentlich nicht mißdeuten u. s.
w.“ Die Sympathie der Provinzbourgeois und Bauern für einen Thron wächst
natürlich, je miserabler die hohen Macchiavelisten in Paris die Affaire
leiten. Proudhon sagt nicht grundlos: „Wenn man nicht Acht gibt, so wird
eines Morgens die Munizipalität aller Städte aus Anhängern des
Henri-Orleanismus bestehen, und wie unter der Direktion solcher Stadträthe
die Deputirtenwahlen ausfallen dürften, ist leicht zu ahnen; auch singt Hr.
Genvade's „Gazette de France“ Viktoria, außer in Toulouse, wo die
Republikaner die entschiedenste Majorität in der Munizipalität erlangten.
Wir haben nun das vielbelobte allgemeine direkte Stimmen, und es wird
vielleicht bloß dazu dienen um die träge indifferente Waffe von der kleinen
gewandten Royalistenbande bei der Nase herumführen, und uns aus dem Felde
schlagen zu lassen. Indessen wir haben's ja so beliebt!“ Zudem kommt die
erbauliche Aussicht auf die Kammerdiskussion der Untersuchungsakten, „wo die
Deputirten in eigener Person Ankläger, Advokaten und Richter sein sollen,
(sagt der National), und die glühendsten Leidenschaften im Dienste des
Privat- und Parteihasses, systematisch und improvisirend auf die Redebühne
steigen werden: Ihr seid rasend wenn Ihr's dahin kommen laßt, und wer steht
Euch dafür, daß die Pariser draußen in den Straßen, Eurem Beispiel folgend,
nicht wieder die eben verbundenen Wunden aufreißen und Emeute machen? Tadelt
sie aber alsdann nicht, Ihr werdet allein Schuld sein.“ Es ist nahe daran,
daß dies scheußliche Ungethüm, diese Schein- und Spottrepublik zu Grabe
getragen wird, um einem historisch neuen, ehrlichern Zustande Platz zu
räumen.
@xml:id | #ar081_019 |
@type | jArticle |
@facs | 0409 |
Paris, 17. August.
Die Befürchtungen der Regierung wegen des Ausbruchs einer Emeute haben sich
keineswegs gerechtfertigt. Welche Befürchtungen unsere schreckhafte
Bourgeoisie hegte, das beweist folgender Artikel des „Constitutionnel“: „Wie
am 15. Mai Polen, so sollte dieses Mal Italien zum Deckmantel eines neuen
Staatsstreichs dienen. Der Ruf, „Es lebe Heinrich V.!“ oder, „Es lebe der
Prinz Louis Napoleon!“ sollte erschallen. Andere hatten vor zu Gunsten einer
allgemeinen Amnestie für die Juni-Insurgenten zu marschiren; wieder Andere
wollten für das System Proudhon's, der übrigens gar kein System habe,
auftreten. Die Vorsicht der Regierung hat diese Pläne vereitelt.“
‒ Der „Estaffette“ zufolge, beschränkte sich die Zahl der Verschworenen auf
eine kleine Ziffer. Eine Handvoll entschlossener Männer habe, bis an die
Zähne bewaffnet, in die Nationalversammlung dringen wollen um den General
Cavaignac zu entführen etc.
‒ Cavaignac's „Spektateur Republicain“ sagt, „… Wir haben wohl gehört, wie
sich gewisse Repräsentanten, deren Ver-
[0410]
aangenheit den
legitimistischen Ideen keineswegs feind ist, gestern sehr bitter beschwerten
über den Luxus von Militäraufwand und dergl. Aber wenn sich der General
Cavaignac ebenso überraschen ließe als die Exekutivkommission am 15. Mai,
wie würde man dann in Tadel ausbrechen! Wir antworten allen denen, die sich
über die militärischen Präventivmaßregeln wundern, Vorsicht ist die Mutter
der Weisheit.
‒ Paris ist vollkommen ruhig geblieben und wird so lange ruhig bleiben bis es
der Hunger wieder auf die Straßen peitscht.
(Lampion.)
‒ Die „Assemblce Nationale“ seufzt: „.... Es herrscht im ganzen Lande eine
allgemeine Unzufriedenheit. Die Regierung weiß dies und doch läßt sie die
Urheber der Anarchie, welche die Diskussion des Bauchart'schen Berichts zur
Ausübung neuer Pläne benützen wollen, ruhig gewähren. Wehe! wohin wir auch
unsern Blick wenden, überall ist es düster, drohend und unsicher. Nach Außen
Isolirtheit und Schwäche, nach Innen Agitation und Hunger; nach Außen Krieg
und Demüthigung, nach Innen Verfall und Untergang. Vor uns eine
provisorische Regierung und die Aussicht auf eine mehrmonatliche Diskussion
einer definitiven!“
‒ Wir protestiren, sagt Proudhon's „Repräsentant du Peuple,“ gegen jede
Volksmanifestation in diesem Augenblick, sei es zu Gunsten Italiens oder zu
anderem Zweck. In jeder derartigen Manifestation würden wir eine Schlinge
sehen, welche der Demokratie, den Arbeitern oder der Republik selbst gelegt
ist. Es gibt Leute, deren Angelegenheiten so schlecht stehen, daß sie nur
eine Emeute wieder flott zu machen im Stande ist. Es gibt Prätendenten, die
Alles von einem Staatsstreiche erwarten. Das Volk allein kann durch Geduld,
Friede und Ordnung gewinnen. Es weiß übrigens, daß die Republik die einzige
Regierungsform ist, von der es die Erfüllung seiner Rechte zu erwarten.
‒ Die Präsidentschaft der Nationalversammlung wird mit Ende dieser Woche
frei. Die Klubs des Palais Exroyal, des Instituts und der Rue Tai-Comt
(Hälfte des Berges) richten ihre Stimmen auf Lamartine. Die Rue de Poitiers
hat ihre Wahl noch nicht getroffen. Diese Präsidentenwahl hat wegen des
bevorstehenden parlamentarischen Sturmes der nächsten Woche ihre
Wichtigkeit. Es unterliegt gar keinem Zweifel, daß es einen Kampf auf Leben
und Tod gibt. Marrast möchte den Donnergott dadurch beschwichtigen, daß es
sich an Senard's Stelle setzt, sich nämlich zum Minister des Innern
macht.
‒ Der „Spektateur“ meldet heute in aller Eile:
1) Daß Bologna nicht bombardirt worden.
2) Daß das Wiener Kabinet den General Welden, der gegen Bologna marschirte
und eine impertinente Proklamation an die römischen Legationen gerichtet
hatte, abberufen habe.
‒ Das Gerücht geht, in Genua sei die Republik proklamirt worden.
‒ Was unsere Februar-Oekonomen verballhornt, wollen die Pfaffen wieder gut
machen. Von morgen an wird das Hotel Sobrier (ehemalige Civilliste) in der
Rue de Rivoli zu einer weiblichen Nationalwerkstätte eingerichtet, die unter
der Leitung von Klosterfrauen steht, welche ihrerseits wieder vom hiesigen
erzbischöflichen Vikariatamte abhängen. Die Morgenblätter bringen einen
Aufruf an alle arbeitslosen Proletarierinnen sich dort einzufinden; ebenso
an die Privatindustrie und Frauenwelt, recht viele Bestellungen zu machen.
Es lebe die geistliche Nationalwerkstätte!
‒ Kriegsminister De Lamoricière beschäftigt sich so eben mit Ausführung eines
Planes, der eine sogenannte fliegende Befestigung des ganzen linken
Seineufers zum Zweck hat und dessen Mittelpunkt das Luxemburgschloß ist. Der
ehemalige Sitzungssaal der Pairskammer wird in eine Kaserne verwandelt.
‒ Wenn man dem erfinderischen „Kourier Francais“ glauben darf, so wäre die
Regierung durch Depeschen benachrichtigt worden, daß die Pforte den General
Aupick in feierlicher Audienz empfangen, d. h. die französche Republik nach
langem Zögern endlich anerkannt habe.
‒ Unter dem Handelsstande zirkuliren zahlreiche Petitionen zur
Wiederherstellung des Personalarrests.
‒ Die Nationalversammlung wird heute Nachmittag das Lyoner
Bahn-Rückkaufsgesetz vollends votiren und dann zur Berathung der
berüchtigten Concordats Amiables schreiten.
‒ Der bekannte geistliche Agent Karl Alberts, Gioberti, wird morgen aus
Italien hier erwartet. Nach einer Privatkorrespondenz soll er dem hiesigen
Kabinet anzeigen, daß es sich bei dem Verein der Souveräne um „Gründung
eines Lombardisch-Venetianischen Königreichs“ handle, an dessen Spitze man
den Fürsten Leuchtenberg (einen Beaurharnais) oder einen Sprößling des
Hauses Koburg stellen wolle. Ersterer werde durch Rußland, letzterer durch
England empfohlen. Gioberti hat die Aufgabe, das französische Kabinet zu
beschwören in eine solche Combination nicht zu willigen. Kaum glaublich.
‒ Mit dem ersten Insurgententransport sind einige Polen und mehrere Deutsche
fortgeschafft worden. Unter den polnischen Namen finden sich: Johann
Wasselewsky, der bekannte Andreas Towiansky. Von Deutschen sind folgende
mitdeportirt worden: Pet. Nehlig, Alex. Binz, Stinger, Theod. Rippert, Joh.
Kilian, P F. Becker, Phil. Gauger, Ferd. Gutt, A. L. Siebert, Heinr. Leon
Brucker, Karl Lautz, Konstanz Leuher, Franz Stall, F. W. Wiebeck, Arn Weber,
Paul Kilch, Matth. Kind, Franz Krämer, Jak. Hoffmann, Matthias Hensel, Jul.
van den Stock, Joh. Schneider, Michael Scherr, Stephan Kahler, Franz Stöß,
Aug. König, Aug. Mähn, Gottfr. Schulz. Also blos bei diesem ersten Transport
28 Deutsche, die in den Junitagen für die rothe Republik gekämpft haben, und
jetzt mit ihren französischen Brüdern nach einer wüsten, übrigens noch
unbestimmten, Insel des fernen Ozeans gebracht werden sollen.
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] Straßburg, 15. August.
Der deutsche Flüchtling Karl Blind ist „kraft einer aus Paris gekommenen
Ordre“ und zwar als „verdächtig, die Ordnung und öffentliche Ruhe
Frankreichs zu stören“, aus Straßburg und Frankreich ausgewiesen worden, mit
dem Bescheid, daß er durch die öffentliche Gewalt an die Schweizergränze
transportirt werde, wenn er 24 Stunden nach dem Befehl noch in Straßburg
sich treffen ließe.
‒ Nationalversammlung. Sitzung vom 17. Aug. Anfang 1
1/2 Uhr. Präsident Marrast. Ausschußberichte werden vorgelegt über den
Gesetzentwurf rücksichtlich der Wahlen für Bildung der Handelsgerichte, über
das neue Jagdgesetz und über die Portoreform. Der Ausschuß bevorwortet die
gleiche Taxe von 20 Centimen für einen einfachen Brief im Umfang der
Republik.
Die Versammlung setzt die Diskussion des Rückkaufs der Lyoner Bahn fort.
Art. IV verspricht denjenigen Aktionären, welche sich 10 Tage nach
Veröffentlichung des Gesetzes zur Fortzahlung der noch restirenden
Aktienquoten von sechs zu sechs Monaten verstehen, die bereits eingezahlten
250 Fr. per Aktie mit 4 pCt. zu verzinsen und dies selbst künftigen
Cessionarien gegenüber zu thun.
Brunet legt ein Amendement vor, das den Trägern der
Aktien fast dieselben Vortheile einräumt, aber durch seine Weitschweifigkeit
den Unwillen der Versammlung erregt.
Goudchaur bekämpft dasselbe.
Guerin stellt einen andern Zusatz, der den Aktionären
ähnliche Vortheile bietet.
Goudchaur bekämpft auch diesen und dringt auf Annahme
des Artikels, da ohne ihn dem Staate die Mittel genommen würden, die Bahn zu
vollenden. Die Regulirung der alten Aktienforderungen auf diese Weise (die
Zahlung der zweiten 250 Fr. zu erheischen) bringt 100 Mill. Fr., welche zur
Vollendung der Bahn hinreichen.
Paulin Gillon, Brunet und Lefranc halten unbedeutende Gegen vorträge. Der Artikel wird
angenommen.
Art. V bewilligt dem Finanzminister die nöthigen Einschreibungen im großen
Schuldbuche. Ohne Diskussion angenommen.
Art. VI stellt den Amortisationsfond auf ein Fünftel des Nominalkapitals
fest. Angenommen.
Art. VII eröffnet dem Staatsbautenminister einen vorläufigen Kredit von 20
Mill. Fr. Angenommen.
Mouraud bringt einen Additionalparagraphen, der
darauf anträgt: „den nöthigen Kredit zur Zweigbahn von Chalons nach Lyon zu
bewilligen.“ Verworfen.
Das ganze Gesetz geht durch. Die Bahn nach Lyon gehört von heute an dem
Staate.
Nun folgt die Berathung über die berüchtigten Concordats amiables, von deren
Annahme oder Verwerfung das Journal des Debats das Schicksal von 30,000
Handlungshäusern, (Krämern u. Kleinfabrikanten, Kleinbürgern u.s.w.)
abhängig macht. Man weiß, daß die leidenden Papiere der hiesigen Bank allein
an 21 Mill. Fr. betragen; sie will ihr Geld haben, darum widersetzt sich die
haute finance dem neuen Projekte. Sie erklärt es für eine Verletzung des
Kapitals, einen Angriff auf's Eigenthum, daher kommunistisch.
Benard erhielt zuerst das Wort. Er unterstützt den
Vorschlag. Wollte man ihn freilich auf immerwährende Zeiten ausdehnen, d. h.
die betreffenden Paragraphen des Code streichen, dann würde er ihn
bekämpfen. Indessen sei er ja nur provisorisch. Das Einzige, was er
mangelhaft dabei finde, sei, daß der Vorschlag nicht genug helfen werde, daß
man etwas Besseres hätte finden können.
Brillier fährt fürchterlich gegen den Vorschlag los,
hält ihn ungemein gefährlich und warnt vor jeder Abweichung in den Gesetzen
über Bankerotte.
Favre, der große Redner und Anwalt, vertheidigt den
Vorschlag natürlich mit allen Kräften.
Freslon hält die Concordats amiables für ein bloßes
Expedient, das den Kredit vollends erschüttern und gar den Ruin der Republik
herbeiführen werde. Da er aber ein Feind aller Expedients und ein Freund der
Republik sei, so widersetze er sich dem Vorschlage. Die Februarmänner hätten
sich mit bloßen Expedients (Bocksprüngen?) zu helfen gesucht. Dieser Hieb
auf die Socialisten erregte großen Beifall zur Rechten.
Dupont (Bussac), einer der Väter des Vorschlags,
vertheidigt natürlich denselben. Nehmt Ihr ihn nicht an, so seht Ihr morgen
tausende von Bankerotten ausbrechen. (Oh! Oh!) Man erklärt die Rechte der
Gläubiger gefährdet. Wie aber ist dies möglich, da der Schuldner überwacht
wird und er ohne Zustimmung der Kommissarien weder über Einnahmen noch
Ausgaben verfügen kann. Wolle übrigens ein Schuldner keinen Gebrauch vom
Konkordat machen, so stehe es ihm ja frei. Aber dieser Fall sei nicht zu
gewärtigen. Die Verlegenheit sei fürchterlich und man habe sich nur zu
eilen, den Vorschlag anzunehmen, um den Arbeitern Brod zu verschaffen. Darum
sei die Frage eine politische und soziale.
Bravard setzt auseinander, welches die verschiedenen
Arten seien, die bisher im französischen Handel obwalteten. Sie heißen: 1.
freiwillige Verträge zwischen Gläubiger und Schuldner; 2. die Union. Er kann
der dritten, nämlich dem neuen Konkordate, keinen Vorzug zugestehen. Die
alten Institutionen und Gebräuche genügten. Die Konkordats würden die
kaufmännische Moral stürzen, indem sie die Furcht vor der Schande des
Bankerotts abschaffen, oder wenigstens sehr schwächen. Er bekämpfe darum den
Antrag. Bravard ist bekanntlich Berichterstatter des Ausschusses. (Die
Debatte wird abgebrochen).
Marrast, Präsident, mit einem dicken gelben
Quartbande in der Hand, zeigt der Versammlung an, daß der erste Band der
berüchtigten Aktenstücke morgen früh, der zweite übermorgen und der dritte
bald darauf vertheilt werden soll.
Die Sitzung wird um 6 1/4 Uhr geschlossen.