[0401]
Beilage zu Nr. 79 der Neuen Rh. Ztg.
Freitag 18. August 1848.
[Französische Republik]
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[Fortsetzung]
Abend eine Zusammenkunft im 8. Büreau-Saale, in welcher sie beschlossen, stets und in Masse gegen Hrn. Senard zu stimmen.
Diesen Sozialisten- und Kommunistenfressern ist durch das royalistische Resultat der Munizipalwahlen endlich ein Licht aufgegangen über die Bahn, die Hr. Senard und Marie verfolgen, und wie man hört, sollen Senard und Marie aus dem Ministerium herausgeworfen werden.
Eine Deputation von fünf Gliedern hat sich zu diesem Zweck noch gestern zu dem General Cavaignac begeben, um ihn von diesem Entschlusse in Kenntniß zu setzen.
Belgien.
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Brüssel, 12. August.
„Brüssel“, sagt die „Nation„, darf ruhig schlafen; der Hr. Hody wacht und die Hand des Polizisten van Beersel ist überall. Gestern ging auf dem Trottoir der rue de la Régence ein Mann im arabischen Kostüm. Ein Polizeiagent kommt hinzu. Da die Polizei den Auftrag hat, insbesondere die Fremden zu überwachen, so hält der Polizist unsern Araber an und nimmt ihn, da dieser kein Vlaemisch versteht, gefangen. Die Vorübergehenden bleiben stehen; der Araber wird nur um so fester gepackt. Der Wirth des Hotel „de la Régence“ erklärt, der Fremde logire bei ihm. Ganz einerlei. Er bringt den Paß des Fremdem, einen untadelhaften Paß. Nutzt nichts! Der Polizist ist stolz, einen Araber gefaßt zu haben; ist es doch sein erster. Wollen die Araber in der Welt herumreisen, so müssen sie durch die Permanenz passiren. Der Fremde wird eben dahin gebracht. Dorthin schafft man auch seine Papiere. Er wird reklamirt. Nach unendlichen Verhandlungen wird heraus gebracht, was der Fremde im freien Lande der Herren Delfosse, Hody und Cha a-zal zu thun hat.
Der König Leopold hatte 3 arabische Pferde gekauft und der Gefangene ist ihr Begleiter auf der Tour nach Brüssel gewesen. Er kam eben aus dem königl. Marstalle, wohin er die Pferde abgeliefert hatte, und kehrte in seiner arabischen Naivetät und völligen Unkenntniß der „breitesten demokratischen Grundlagen“ der Herren Leopold, Rogier und Verhaegen nach dem Hotel zurück, wo er logirt. Ehe er dahin gelangen konnte, hatte ihn aber der obengedachte Polizist gefaßt und ihm wenigstens einigen Begriff von der belgischen Gastfreundschaft beizubringen gewußt. ‒
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[ S ] Antwerpen, 14. Aug.
Der belgische Demokrat Jottrand erklärt in seinem gerichtlichen Verhör, daß am 20. und 27. März mehrere Personen zu ihm gekommen, die von dem bevorstehenden Einzug einer belgischen Legion sprachen. Dem Berichte dieser Personen nach sei französisches Geld im Spiele. Jottrand, welcher belgischer Patriot noch mehr als belgischer Demokrat ist, habe geglaubt von Caussidière darüber Auskunft verlangen zu müssen; und da habe er dann von Caussidière folgende Antwort erhalten: „Millionen von Arbeitern hätte ich an die Gränze geschickt, wenn ich die Mittel dazu gehabt hätte. Was verlangte man von mir eigentlich? Weiter nichts als unentgeldliche Eisenbahnzüge; und ich war herzlich erfreut sie geben zu können, um in meinem Paris so viele Wagen weniger zu haben. Zu welchem Gebrauche diese Wagons bestimmt waren, ging mich nichts an; ich hatte mich damals um andere Sachen zu kümmern.“
Wie man weiß, war Jottrand 1830 in der provisorischen belgischen Regierung. Die jetzige belgische Regierung glaubte ihn daher in die Geschichte von Risquons-Tout verwickelt. Nachdem er sich hierüber ausgesprochen und alle Verbindung mit dieser Expedition abgewiesen hatte, kommt er auf sein Verhältniß mit der belgischen Regierung zu sprechen, und läßt uns bei dieser Gelegenheit den König Leopold in einer Lage sehen, die sagen will, nehmt mir die Krone ab, ehe ihr sie mir abschlagt.
„Nach der Februar-Revolution, sagt Jottrand, hatten wir so ziemlich allgemein den Gedanken, daß in Belgien ebenfalls die Republik über kurz oder lang proklamirt würde. Der König selbst hatte ja in dem Ministerrath angekündigt, daß die Begebenheiten in Frankreich eine Aenderung in Belgien nach sich zögen. Herr Lebeau, ein altes Mitglied der Regierung, war besonders damit beauftragt worden, allen die mit der Presse in Verbindung standen, von Seiten des Königs wissen zu lassen, daß er, der König, ganz willig sei, sich in allen Stücken den Wünschen der Nation zu unterwerfen. An demselben Tage kam ein in Belgien hochgestellter Diplomat zu mir, derselbe, welcher die offizielle Nachricht von der Proklamation der Republik dem König überbracht hatte. Er fragte mich um meine Meinung über die belgischen Angelegenheiten. Ich gestand ihm offen, daß ich die baldige Einführung der Republik in Belgien für höchst wahrscheinlich halte. Er ging dann weiter und verlangte zu wissen, was wohl die Stellung des Königs sein würde, wenn er abdankte. Offenbar kam die Person im Auftrage des Königs, und ich stand keineswegs an, dem König meine Meinung wissen zu lassen. Ich erklärte daher, daß es ein Leichtes sei die Interessen seiner Majestät mit denen des Landes zu „vereinbaren;“ den andern Tag kam dieselbe Person wieder, und es war wieder die Rede über die Lage des Königs und die Pension die man ihm geben könnte. Sie wurde auf 800,000 Frs. angeschlagen.“
Herr Jottrand spricht sodann von einem Artikel, den er über diesen Gegenstand in seinem Journale „Le Debat Social“ geschrieben habe und hebt namentlich diese Stelle hervor: „Wenn der König uns die Hand bietet zur republikanischen Umgestaltung Belgiens, so ist dies allerdings anerkennungswerth. Wenige Prinzen wären einer solchen Selbstverläugnung fähig.“
Das weitere Verhör des Herrn Jottrand bezieht sich auf die Ereignisse des 26. März. Er stellt sich als einen friedlichen Demokraten dar, und macht bemerklich, daß es bei ihnen ebenfalls zwei Arten von Demokraten gäbe, die rothen und die blauen. Er habe allezeit zu den Blauen gehört, und er sei dermaßen blau, daß der General Mellinet ihn als einen Aristokraten behandelte. Das ganze Verhör des Herrn Jottrand ist eine Art Rechtfertigung seiner selbst. Lächerlich erscheinen die verfänglichen Fragen des Prokurators, verfänglich in flämmischer Manier. Der Herr Bavay möchte in seiner Bornirtheit aus Herrn Jottrand einen Mitschuldigen des Herrn Spilthorn machen. Nun gibt es erstens nichts Unschuldigeres als Herr Spilthorn selbst, den man zum Scherze den flandrischen Löwen nannte. Also ein Mitschuldiger des Herrn Spilthorn ist schon an und für sich ein schuldloses Wesen.
Das einzige revolutionäre in Herrn Spilthorn ist sein revolutionärer Bart. Der Staatsprokurator, indem er Herrn Jottrand frägt, warum er unmittelbar nach der Februarrevolution Herrn Spilthorn, der in Gent wohnt, nach Brüssel berufen hat, zeigt sich hier höchstens als ein unerfahrener, bornirter Polizeiagent. Erstens hatte diese demokratische Gesellschaft in Brüssel nicht das Geringste mit Risquons-Tout zu thun; zweitens zeigt er, daß er diese Gesellschaft so wenig als Herrn Jottrand, den blauen Patrioten, kennt. Hr. Jottrand nämlich ist, wie gesagt, noch mehr Patriot als Demokrat. In der Gesellschaft selbst ist Hr. Jottrand's Einfluß sehr neutralisirt worden durch den französischen und deutschen, da ja auch ein Franzose, Imbert, und ein Deutscher, Marx, Vizepräsidenten waren. Herr Jottrand wußte dies recht wohl, und er gesteht es dem Herrn Bavay ein, daß er Herrn Spilthorn berufen habe, um einen Anfang mehr zu haben.
„Es handelte sich, setzt Herr Jottrand hinzu, eine Adresse an die provisorische französische Regierung zu erlassen. Während die Kommission bei mir versammelt war, um diese Adresse zu redigiren, kam Herr Lehardy de Beaulieu und sagte, daß morgen die belgische Bank ihre Zahlung einstellen würde. Die Herrn Spilthorn und Marx, welche in der Kommission waren, und Bankbillette besaßen, beeilten sich, sie sofort wechseln zu lassen. Mein Haus war damals bewacht; man bemerkte das eilige Fortgehen dieser Herren, ihren Eintritt in ein Banquierhaus, und zog daraus ein Argument zu einer Anklage.“ (Bekanntlich ist Herr Marx dieses Umstandes wegen verhaftet worden.)
Von den andern Aussagen der Zeugen haben wir noch die der zwei großen belgischen Generäle hervorzuheben. Der eine belgische General ist der Eisenbahnbeamte Gobert, der andere ein gewisser Major Smeets.
Gobert ist ein größerer General als Smeets, obgleich ersterer nicht einmal Militär, sondern einfach Angestellter an der Eisenbahn ist. Aber er hat einen Sieg erfochten, sans coup ferir, d. h. ohne ein Schwert aus der Scheide zu ziehen, abgesehen davon, daß er kein Schwert trug. Hören wir seine eigene Aussage:
„Ich hatte Kunde erhalten von der bevorstehenden Ankunft einer Legion auf belgischem Boden. Sofort beeilte ich mich, als pflichtgetreuer Beamter, den Direktor davon in Kenntniß zu setzen. Der Direktor sprach alsdann folgendermaßen zu mir:
„Der Dienst an der Gränze ist für dieses Mal wahrlich sehr schwer, und erfordert viele Klugheit; aber ich halte mich an Ihnen; ich kenne Sie (wer die belgischen Beamten nicht kennt, würde sie an dieser Sprache schon erkennen; Herr Gobert wird Beförderung erhalten) ich lasse Ihnen freie Hand.“ Der Direktor sagte mir darauf, daß ungefähr 2000 Mann in 2 Zügen von Paris ankommen und in Blanc-messon anhalten würden; daß die belgische Militärbehörde Maßregeln getroffen habe, um den Angriff zurückzuweisen.
Ich kannte vollkommen die Lokalitäten; die Station von Valenciennes ist eine Art Sackstraße, aus der man nur auf einem und demselben Wege wieder herausgehen kann. Ich sagte daher dem Direktor, daß ich ein Mittel hätte, um die kommende Legion zu fangen; ich brauchte mich nur in der Station in einen Hinterhalt zu stellen, und im Augenblicke, wo die Leute ankämen, die Lokomotive von vorn nach hinten anzuspannen, und den Zug nach Mons oder Quievrän zu führen. Wir begaben uns darauf zum Minister, um ihm diesen Plan auseinanderzusetzen; und er hielt ihn für unausführbar. Der Kriegsminister erklärte, es sei dies eine Verletzung des französischen Gebietes, die uns in Schwierigkeiten verwickeln könnte. Er hätte übrigens Maßregeln getroffen, um die Leute gehörig zu empfangen. Jedoch wolle er mir die Sache anheim gestellt sein lassen. Mein Plan war folgender: Sie sollten in zwei Zügen ankommen, gelingt es also, einen von den Zügen zu „entführen“, so könnte es geschehen, daß sie sich verrathen glaubten und ihre Attaque aufgäben.
Der Zeuge erzählt nun, wie er sich nach Quievrain begeben und eine Unterredung mit Delescluze und der französischen Gensdarmerie gehabt habe. Delescluze habe ihm vorgehalten, daß man unnöthiger Weise in Belgien große militärische Demonstrationen mache, während es sich um belgische Familien, Weiber und Kinder handle, die friedlich in ihre Heimath zurückzukehren verlangten. Von diesen Leuten sei durchaus nichts zu fürchten. Er, Gobert, habe dem Hrn. Delescluze darauf das Anerbieten gemacht, er wolle selbst mit zwei Lokomotiven nach Valenciennes kommen, um den Zug selbst weiter nach Belgien zu führen. Nach einigem Sträuben und Einwendungen über Verletzung des belgischen Gebietes habe jedoch Delescluze dieses Anerbieten angenommen und ihm, Gobert, gestattet, nach Valenciennes zu kommen.
Um 12 Uhr in der Nacht, fährt Gobert fort, kam ich in Valenciennes an mit meinen beiden Lokomotiven. Ich hielt mich verborgen in der Station. Der Pariser Zug sollte um 1 Uhr da sein, er kam erst gegen 4. Die Lokomotive wurde schnell abgenommen und die, welche ich mitgebracht, vorn angespannt, und nun gings mit vollem Dampfe nach Belgien zu. Die Leute, welche während des Anspannens noch geschrien hatten: Es lebe die Republik! schrien nun Verrath und sprangen vom Wagen. Hätten wir nicht schnell Reißaus genommen, so hätte es uns schlecht ergehen können. Als der Zug in Belgien angekommen, wurden die Wagen untersucht und man fand Waffen, Fahnen, Proklamationen u. s. w. Wir berathschlugen uns, was man mit den mitgefangenen Franzosen zu thun habe. Da man in Frankreich sie holen gegangen ist, so konnte man sie füglicher Weise in Belgien nicht zurückbehalten. Man beschloß, sie nach Frankreich zurückzusenden. Ich beeilte mich, dem Herrn Delescluze von dem ganzen Hergange der Sache Nachricht abzustatten. Unterwegs fand ich die Leute, die vom Zuge heruntergesprungen waren; sie fragten mich, was ich mit ihren Brüdern angefangen hätte. Ich erklärte ihnen, was vorgegangen, und hatte alle mögliche Mühe, ihnen mit heiler Haut zu entkommen.“
So weit die Zeugenaussage des Hrn. Gobert. Nach ihm folgt Smeets.
Smeets ist Major in belgischen Diensten. Er erzählt, daß vom General mit 150 Mann gegen die belgische Legion beordert, er „vom Feinde“ plötzlich angefallen und mit 5 Soldaten verwundet worden sei. „Die Schlacht“ habe 4 Stunden gedauert, und als sie keine Patronen mehr gehabt, habe man die „vom Feinde zurückgelassenen“ vom Boden aufgehoben und wieder auf den „Feind“ geschossen. Auf die Frage des Präsidenten, wie stark der „Feind“ gewesen, antwortete der Major mit komischem Ernste: 2000 Mann.
Großbritannien.
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[ * ] London, 15. Aug.
Oberhaus vom 14. Aug. Hauptgegenstand der Verhandlung war: die Bill „wegen Ableistung ungesetzlicher Eide.“ Sie bezieht sich auf Irland und soll, wie der Herzog von Wellington erklärte, dazu dienen, die Klubs in Irland zu vernichten. Er setzt hinzu, nur wenn diese Bill angenommen werde, könnten die militärischen Operationen die gegenwärtige Rebellion in Irland bemeistern. So ging denn auch die Bill ohne Amendements durch die Comité des Hauses.
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Unterhaus, 14. Aug.
(Fortsetzung des gestrigen Berichts). Lord D. Stuart frägt ob die Nachricht vom Zurückweichen der Russen aus der Moldau wahr sei? Lord Palmerston: hält sie für wahr, und fügt hinzu, daß in die Wallachei überhaupt kein Russe eingerückt sei. Das Haus bildet sich hierauf zur Comité für Wege und Mittel (Budget). Dabei kamen wieder einmal die Ausgaben für die neuen Parlamentshäuser zur Sprache. Sir H. Willaughby fürchtet, daß die ganze Geschichte schließlich nicht weniger als 2 Mill. Pf. St. kosten werde. Hr. Osborne klagt, daß der Bau sich so lange verzögert habe und besorgt, daß er noch lange nicht zu Ende kommen werde. Auch die 30,000 Pf. für das Maynooth-Kollegium riefen wie gewöhnlich von den Hochkirchlichen wüthende Opposition hervor, wurden aber schließlich mit 100 gegen 38 Stimmen bewilligt.
Unterhaus, 15. Aug. Privatbills werden in Menge abgemacht. Dann beschäftigt man sich mit den weiteren Positionen im Budget.
[ * ] ‒ Die „Times“ ist so wüthend über den (gestern von uns mitgetheilten) Fall in Dublin, daß O'Doherty wegen Nichteinigung der Geschwornen der Verurtheilung entging, daß sie heute die Frage aufwirft: ob denn in einem Lande, das sich im Zustande der Empörung befindet, die Untersuchung vor Geschwornen statthaft sei? Wie zu erwarten, ist sie für eine Justiz, der man im voraus sich versichern kann, für Spezialgerichte und dergleichen förderliche Institute. „Wir dürfen jetzt wegen der Formen durchaus nicht bedenklich sein“, ruft das Krämerblatt aus. „Der Terrorismus muß eingeschüchtert werden. Es ist lächerliche Pedanterei, von Beobachtung konstitutioneller Formen Personen gegenüber zu sprechen, welche dieselben zu unserm Nachtheil benutzt haben.“ Mit einem Wort, die konstitutionellen Formen sind nur so lange heilig und unverletzlich, als dies im Interesse der Krämerwelt liegt und so lange sie nicht gegen deren Ansichten benutzt werden.
Das nämliche Blatt hat über die Erklärung der französischen Regierung, wegen der in Gemeinschaft mit England in den italiänischen Angelegenheiten übernommenen Vermittelung eine unbezähmbare Freude. Noch mehr Cavaignac's Manifest berührt auch den Punkt mit Schleswig-Holstein, giebt der Frankfurter Versammlung bedeutungsvolle Winke über die Nothwendigkeit eines baldigen Friedensschlusses. Das thut der Times im Herzen wohl. Sie hofft, daß sich Lord Palmerston ein Beispiel daran nehmen, und im Einverständniß mit Frankreich bald den Frieden ‒ den Status quo ante bellum, versteht sich ‒ vermitteln werde.
In Ashton kam es gestern zu einigen Chartisten-Unruhen, bei denen 1 Mann getödtet, 2 verwundet und 20 verhaftet wurden.
[ * ] ‒ Der Dämpfer „Hibernia“ mit der nordamerikanischen Post, ist, wie der Telegraph hieher meldet, in Liverpool angekommen; Briefe und Zeitungen werden erst spät Abends anlangen.
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[ * ] Dublin, 14. Aug.
Die katholische Geistlichkeit in der erzbischöflichen Diözese von Tuam haben die Königin für S. O'Brien um Begnadigung gebeten. In Abbeyfeale weigern sich die Einwohner, den Truppen oder der Polizei irgend etwas zu liefern oder zu verkaufen, und wenn ihnen noch so viel Geld geboten wird. In der Nähe von Rathkeale wurden gestern 3 Personen erschossen, worunter ein Beamter der Armenverwaltung. Die Verhaftungen hier und in den Grafschaften dauern fort.
Amerika.
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Das „Albany Journal“ bespricht die nun vollendete Hängebrücke, die über den Niagarafällen für Fußgänger errichtet ist und sagt darüber folgendes:
„Diese Hängebrücke ist das erhabenste Kunstwerk auf unserm Continent. Ihr Anblick erregt Schwindel, und doch geht man darüber so sicher, wie über eine andere Brücke der Art. Wir sahen es mit an, wie die Arbeiter die Planken über den furchtbaren Abgrund legten. Es sah gefährlich aus, aber von dem Augenblicke an, da der erste Drahtstrang am Schweif eines Drachens über den Fluß geschafft wurde, bis zur Vollendung des Baues ereignete sich kein einziger Unfall. Von der Großheit des Werks läßt sich dem Leser schwer eine Vorstellung geben. Man denke sich eine 800 Fuß lange Gehbrücke, 250 Fuß hoch in der Luft schwebend, über einer ungeheuern Wassermasse die mit einer Schnelle vom 30 englischen Meilen die Stunde durch eine Schlucht stürzt. Steht man unten, so sieht die Brücke wie ein, an einer Spinnewebe hängender Papierstreif aus. Weht starker Wind, so schwankt der dünne sommerfädenähnliche Bau hin und her als wollte er aus seinen Fugen fahren, und unter dem festen Tritte des Fußgängers schüttert er vom äußersten Ende bis zum Mittelpunkt. Aber da ist keine Gefahr. Die Menschen schreiten darüber mit vollkommener Sicherheit, während dem furchtsamen Zuschauer vor Angst der Kopf schwindelt. Hr. Ellet, der Baumeister, war der erste der darüber ging, und bald darauf folgte ihm sein muthiges Weib. Diese Brücke allein ist einen Ausflug an die Stromfälle werth, obgleich wohl unter zwanzig kaum einer nervenstark genug ist den Uebergang zu machen. Denn, wie unglaublich das auch klingt, mancher wagte es in einem Korb auf einem einzigen Drathseil über die furchtbare Kluft zu rutschen, der sich jetzt nicht dazu bewegen läßt über die Brücke zu gehen. Und doch liegt in dieser Luftfahrt über den Niagara, der 250 Fuß tief unten braust und kocht, eine schauerliche Aufregung die durchaus nicht unangenehm ist. Ein anderer neuer Anziehungspunkt ist das kleine Dampfboot „Maid of the Mift (Tochter des Nebels),“ in welchem man von der Kettenbrücke aus bis auf wenige Nuthen von den Hufeisen-Fällen fährt. Auf keine andere Weise kann man den Anblick des Katarakts in seiner ganzen Größe genießen. Jedermann macht diesen Ausflug, der ohne alle Gefahr ist.“
Amtliche Nachrichten.
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@facs0401
Berlin, 15. August.
Die gestern ausgegebene Nr. 33 der Gesetz-Sammlung enthält das Gesetz, betreffend die Aufhebung des eximirten Gerichtsstandes in Kriminal- und fiskalischen Untersuchungssachen und in Injurien-Prozessen:
„Wir Friedrich Wilhelm, von Gottes Gnaden, König von Preußen etc. etc. verordnen auf den Antrag Unseres Staatsministeriums und mit Zustimmung der zur Vereinbarung der preußischen Verfassung berufenen Versammlung, was folgt:
§. 1. Der eximirte Gerichtsstand in Kriminal- und fiskalischen Untersuchungssachen, so wie in Injurien-Prozessen, wird in allen Landestheilen, wo derselbe noch besteht, vom 1. September 1848 ab hiermit aufgehoben.
Rücksichtlich der Militair- und Universitätsgerichte, so wie des Gerichtsstandes der Richter und der gerichtlichen Polizeibeamten, bleiben die bestehenden Vorschriften in Kraft.
§. 2. Die Untersuchungen und Injuriensachen gegen Patrimonialgerichtsherren werden einem von dem betreffenden Obergerichte ein- für allemal zu bestimmenden benachbarten königlichen Gerichte übertragen.
§. 3. Auf die am angegebenen Tage (§. 1) anhängigen Prozesse und Untersuchungen findet das gegenwärtige Gesetz keine Anwendung.
§. 4. Alle diesen Bestimmungen entgegenstehenden Vorschriften werden hiermit aufgehoben.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem königlichen Insiegel.
Gegeben Sanssouci, den 11. August 1848.
(L. S.) Friedrich Wilhelm.
v. Auerswald. Hansemann. Frhr. v Schreckenstein. Milde. Märcker. Gierke. Kühlwetter.“
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@facs0401
Auf den Bericht des Staatsministeriums vom 14. Juli c. erkläre Ich Mich damit einverstanden, daß die seither Statt gefundenen geheimen Konduitenlisten in der Civil-Verwaltung abgeschafft werden. Das Staatsministerium hat diesen Meinen Erlaß, welcher in die Gesetzsammlung aufzunehmen ist, zur Ausführung zu bringen.
Sanssouci, den 31. Juli 1848.
(gez) Friedrich Wilhelm.
(contrasign.) v. Auerswa
An das Staatsministerium.
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@facs0401
Der König hat dem General-Major von Brandt, bisherigen Kommandeur der 10. Infanterie-Brigade, die Funktionen eines Unter-Staatssekretairs im Kriegsministerium übertragen; und
dem seitherigen Oberbürgermeister der Hauptstadt Berlin, Geheimen Ober-Regierungsrath Krausnick, die von ihm nachgesuchte Amts-Entlassung ertheilt.
[0402]
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@facs0402
Anzeige an diejenigen Parlamentsmitglieder, welche sich mit Republikanern duelliren wollen.
Wir haben erfahren, daß eine Anzahl Parlamentsmitglieder bei der Verhandlung der Amnestiefrage den republikanischen Volksrepräsentanten Brentano auf Pistolen gefordert hat. Nach unserer Ueberzeugung zwingen den Abgeordneten Brentano seine hohen Pflichten für das Volk, solche Forderungen kurz von der Hand zu weisen. Um jedoch dem Heldenmuth gewisser Parlamentsherren eine Bahn zu öffnen, hat sich in Straßburg sofort nach Ankunft der erwähnten Nachricht ein Verein republikanischer Flüchtlinge gebildet, welcher beabsichtigt, den ritterlichen Wünschen jedes konservativen Deputirten der Paulskirche bereitwillig entgegenzukommen. Wir sind zwar durchaus nicht mit den Ideen einverstanden, welchen das Duell seinen Ursprung verdankt. Da wir jedoch im Augenblick unbeschäftigt sind und es jedenfalls auf einen Vernichtungskrieg gegen die Reaktion und ihre Führer abgesehen haben, so erbieten wir uns, auch unter der Form des Zweikampfes der Revolution Vorschub zu leisten.
Adresse: An den Verein zur Vertilgung konservativer Parlamentsmitglieder; abzugeben im „rothen Männel.“
Straßburg, 10. August 1848.
Der Ausschuß:
Karl Blind. Albert. Roman Schweizer. Eduard Miller.
Popp. Chr. Bauner. Jansen.
Anzeige.
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@facs0402
Da in Frankfurt a. M. gegenwärtig ein Gesellen-Kongreß Statt findet, so ist die Zusammenberufung des auf den 20. d. M. hier angesetzten Arbeiter-Parlaments bis auf Weiteres verschoben worden.
Berlin, den 12. August 1848.
Das Central-Comite für Arbeiter.
Handelsnachrichten.
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Frucht- und Fourage-Preise vom 1. bis 15. Aug. 1848.
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@facs0402
Kriminal-Prozedur gegen Ferdinand Lassalle wegen Verleitung zum Diebstahl.
(Fortsetzung.)
Angekl. (mit erhobener Stimme). Ich bitte mir Akt über diese Erklärung aus. Ich werde nachweisen, daß die Gräfin erst 14 Tage später, nachdem Kurz jenen Brief von der Post geholt, in Aachen anlangte.
Präsid. läßt Akt ertheilen.
Angekl. Ob Hoppe davon wisse, daß Kurz am 20. August in Aachen die erste Nachricht, daß die v. Meyendorf abzureisen im Begriffe sei, zu uns in's Hotel der vier Jahreszeiten brachte?
Hoppe. Ja, dies hat er gethan, er kam und meldete, daß die von Meyendorf eben abreisen wolle.
Angekl. Das war Vormittags.
Hoppe. Vormittags.
Angekl. Ueber diese ganze Erklärung bitte ich mir gleichfalls Akt zu ertheilen. (Akt wird ertheilt.)
Angekl. Der Zeuge erinnert sich, daß Paul Kurz an jenem Tage noch von Köln zurück kam. Hat ihm Kurz damals mitgetheilt, daß er die Meyendorf bis Köln begleitet und dort selbst in Erfahrung gebracht, daß sie im Mainzer Hof wohnen würde? So heißt es wenigstens in der Vernehmung der Zeugen vom 5. Aug. Paul Kurz erzählte mir noch an demselben Tage, daß er mit demselben Zuge wie die von Meyendorf nach Köln gereist sei; dort (also in Köln selbst) habe er in Erfahrung gebracht, daß sie im Mainzer Hof logiren werde.
Pr. Angeklagter, es steht hier allerdings, daß Kurz nach Köln gereist sei und dort in Erfahrung gebracht habe, etc., aber dies braucht nicht gerade zu bedeuten, daß Kurz bis in Köln selbst gewesen. Es könnte auch blos bedeuten, er sei in der Richtung nach Köln gereist.
Hoppe. Ja das weiß ich auch nicht, ob Kurz die Meyendorf bis Köln selbst begleitete oder blos ein Stück Wegs mit.
Angekl. (nach einer kleinen Pause). Aber das geht doch jedenfalls aus den Worten hervor, daß Kurz, sei es in Köln, sei es auf dem Wege dahin, selbst in Erfahrung gebracht haben will, daß die Meyendorf im Mainzer Hof wohne, und nicht diese Mittheilung von mir in Aachen erhalten hat, wie er jetzt behauptet.
Pr. Ja, das geht daraus hervor. Zeuge, bleiben Sie dabei, daß Kurz Ihnen sagte, er habe es in Erfahrung gebracht?
Z. Ja.
Pr. Es bedurfte übrigens dieser Frage nicht. Zu behaupten, daß Sie, ehe die Meyendorf von Aachen abreiste, gewußt, sie würde im Mainzer Hof wohnen, wäre unsinnig. Denn dann hätten Sie nicht nöthig gehabt, den Kurz ihr nachzuschicken, um dies zu ermitteln.
Angekl. Und doch hat Paul Kurz diesen Unsinn behauptet.
Präsid. Das wird sich also bei der Vernehmung des Kurz finden.
(Schluß der Sitzung.)
Sitzung vom 5. August.
Angekl. Ich habe dem Zeugen Hoppe noch einige Fragen zu stellen.
St.-Pr. Ich muß bemerken, daß der Angeklagte gestern den Zeugen schon wahrhaft gemißhandelt hat. Er hat ihn wie einen bestochenen Zeugen behandelt. Ob das nachgewiesen werden wird ist noch fraglich. Aber er hat sich immerhin sehr wenig gestern widersprochen. Ich glaube der Herr Präsident selbst kann Ihnen dies sagen.
Angekl. Ich überlasse es Ihnen, meine Herren, zur Beurtheilung, ob sich der Zeuge viel oder wenig widersprochen. Aber ihn zu befragen, ist mein gesetzlichesRecht und ich begreife nicht, wie das öffentliche Ministerium in der Ausübung desselben eine Mißhandlung finden kann.
St.-Pr. Es ist dies so weit gegangen, daß der Zeuge Hoppe gestern beim Nachhausegehen sich in meinen Schutz flüchten mußte, weil das Publikum ihn mißhandeln wollte.
Präsid. Ja, dies ist wahr. Der Zeuge mußte mich um freies Geleit ersuchen. Das sind sehr ärgerliche Auftritte. Aber es darf wohl keinesfalls dem Angeklagten irgend ein Antheil daran zugeschrieben werden.
A. Diese Erklärung genügt mir. Ich fahre fort mein Recht wahrzunehmen und Hoppe über einige Punkte zu befragen.
Der Zeuge hat in seiner Aussage vom 5. August gesagt, ich hätte mich immer unter falschem Namen und Baronstitel in die Fremdenbücher eingetragen. Ich habe bereits in meinem Verhör darauf aufmerksam gemacht wie das öffentliche Ministerium in dieser 3. Procedur die Fremdenbücher fast aller Gasthöfe der Rheinprovinz vor sich gehabt, ich aber in sämmtlichen Gasthöfen wo ich gewohnt unter meinem richtigen Namen eingetragen stehe. Das öffentliche Ministerium hat dies zugeben müßen. Woher kommt diese unwahre Angabe.
(Nach einer Pause.)
Zeuge. Lassalle hat sich einmal unter fremdem Namen eingeschrieben.
Angekl. In welchem Gasthofe? Unter welchem Namen? Ich bitte das Fremdenbuch zu requiriren.
Zeuge. Wenn ich nicht irre war es ein Gasthof am Rhein neben dem Hof von Holland.
Präsid. Vielleicht der Kölnische Hof? Und unter welchem Namen schrieb sich Lassalle ein?
Hoppe. Ja es war der Köln. Hof. Unter welchem Namen er sich einschrieb weiß ich nicht.
Präsid. Dann kann uns auch die Requirirung des Fremdenbuchs nichts nutzen
Angekl. Aber der Zeuge sagte am 5. August ausdrücklich, ich hätte dies „immer“ gethan. Dies läßt mindestens auf eine Gewohnheit schließen. Hoppe muß also noch andere Gasthöfe nennen und Angaben machen können, die man verfolgen kann.
Präsid. Das ist richtig. Dies immer läßt auf eine Gewohnheit schließen. Können Sie, Zeuge, noch andere Angaben darüber machen?
Hoppe schweigt.
Angekl. Ich bitte jetzt Hoppe zu fragen, warum er in seiner Vernehmung v. 8. Juni, in welcher er mich sonst auf alle mögliche Weise zu belasten suchte, angebliche Vergiftungsattentate und eine Menge unausgeführter Aufträge zu Entwendungen gegen den Grafen v. Hatzfeldt und die Meyendorf deponirte, ‒ warum er in dieser Aussage nicht das Geringste von dem Auftrage aussagt, den ich seiner Deposition in der Mendelssohn'schen Prozedur gemäß, am 20. August 1846 dem Dr. Mendelssohn in Aachen zu dem wirklich ausgeführten Kassettendiebstahl gegeben haben soll? Es ist dies wichtig.
Präsid. sieht in den Akten, nach einer Sache.
In der That, Zeuge, von dem Auftrage vom 10. August zu dem wirklich ausgeführten Kassettendiebstahl findet sich in Ihrer Aussage vom 8. Juni 1847 kein Wort? Woher kommt das?
Hoppe. Ja, ich weiß es nicht.
Präsid. Vielleicht findet das darin eine Erklärung, daß die Vernehmung vom 8. Juni mit der Entwendung des Meyendorfschen Briefes schließt. Diese war früher als der Kassettendiebstahl und der angebliche Auftrag dazu. Der Zeuge hatte sich also über die späteren Vorgänge noch nicht verbreitet.
Angekl. Ich muß widersprechen. Der Zeuge hat schon in seiner Vernehmung über die angeblichen Vergiftungsversuche und einige angeblich beabsichtigen Kofferentwendungen deponirt, die alle seinen Angaben zufolge später als die Briefentwendung durch P. Kurz sich ereignet haben müssen.
Präs. Ja, dies ist allerdings richtig.
Angekl. Ich werde überhaupt beweisen, daß zwischen der Aussage Hoppe's vom 8. Juni 1847 und seiner Aussage vom 5. Aug. 1847, eine ganz neue Instruktion liegen muß. Seine Wissenschaft hat sich plötzlich auffällig erweitert.
Ich werde einige Beispiele geben.
Die Aussage des Zeugen vom 8. Juni enthält kein Wort von dem Versuch sich der angeblich bei einer fremden Gräfin stehenden Koffer der Meyendorf zu bemächtigen, wovon Hoppe am 8. August zu erzählen weiß. Woher kommt das?
Hoppe. Ja, ich weiß es nicht, es muß mir damals nicht gleich Alles eingefallen sein.
Angekl. Diese Ausflucht wird nicht möglich sein, denn die Aussage vom 5. Aug. enthält Angaben über Vorfälle von denen Hoppe am 8. Juni ganz bestimmt nichts zu wissen erklärte, oder die er damals ganz anders erzählte. Am 8. Juni wird Hoppe ausdrücklich befragt, ob ich nicht in Aachen mit Postbeamten in Verbindung gestanden. Er erklärt da ganz bestimmt: „Auch nicht entfernt habe ich wahrgenommen, daß Lassalle mit Postbeamten in Verkehr gestanden. Am 5. Aug. dagegen weiß er plötzlich eine ganze Geschichte zu erzählen, wie ich ihm den Auftrag gegeben, arme Postbeamte auszumitteln, wie er sich auch vielfach deshalb bemüht habe, wie ihm dies aber nicht gelungen sei. Warum hat er am 8. Juni auf jene ausdrückliche Frage nichts davon gesagt?
Hoppe schweigt.
Angekl. Ferner. Am 8. Juni sagt der Zeuge auf die Frage durch wen und wo der Abdruck des Briefes an die Meyendorf bewerkstelligt worden sei: „Durch Hörensagen habe ich gehört, daß der Abdruck in Düsseldorf geschehen sein soll.“ In seiner Aussage vom 5. Aug dagegen legt er plötzlich in der positivsten Weise dieses Faktum mir zur Last und läßt es in Paris vor sich gehen. Er sagt ich hätte ihm selbst nach meiner Rückreise von Paris erzählt, daß ich in Paris den Abdruck hätte machen lassen und die Exemplare vertheilt hätte, Ich bitte den Zeugen über diesen Widerspruch zu befragen.
Präs. Woher kommt dieser Widerspruch, daß Sie das einemal von Hörensagen den Brief in Düsseldorf abdrucken lassen und das anderemal behaupten, der Angeklagte habe Ihnen selbst erzählt, daß er ihn in Paris bewerkstelligt.
Hoppe. Die Entwendung des Briefes.
Präs. Es handelt sich hier nicht um die Entwendung, es handelt sich um den Abdruck. Woher kommen die widersprechenden Angaben darüber?
Hoppe schweigt.
Der Angekl. bemerkt, daß er vorläufig den Zeugen nichts zu fragen habe, im Laufe der Verhandlungen aber, mehre schlagende Gegenbeweise gegen seine Behauptungen durch Alibis etc. liefern werde.
Elisabeth Michlers, Ehefrau des Tapezierers J. Fuchs. Mendelsohn hat im Hause der Zeugin etwa sechs Wochen von Anfang Juli 1846 an gewohnt. Er hat häufig Besuch von Frauenzimmern erhalten; einmal wurde ein Mädchen durch die Polizei von ihm weggeholt. Die Frau Kurz ist öfter bei ihm gewesen, einmal auch ihr Sohn. Fr. K. erzählte der Zeugin, sie lasse sich von M. ärztlich behandeln. An einem Sonntage im August ist M. abgereist, nachdem er vorher drei Tage abwesend gewesen. Tags darauf kam ein anderer Herr, ein feiner hübscher Mann mit schwarzem Haar und schwarzem Bart, packte eiligst alle Sachen zusammen, bezahlte M.'s Rechnung und reiste dann fort. Wer dieser Fremde gewesen, weiß die Zeugin nicht; er trug Stiefel mit gelben Stulpen. Sonst hat die Zeugin nicht bemerkt, daß M. mit andern Herrn Umgang gehabt, auch weiß sie nichts von Verkleidungen.
Der Angeklagte erklärt, er sei es nicht gewesen, der die Sachen abgeholt.
St.-Prok.: Nach der Personalbeschreibung kann es auch Oppenheim nicht gewesen sein.
Präs. zu Hoppe: Hat Lassalle Stiefeln mit gelben Stulpen gehabt? ‒ H.: Nein!
Barbara Moslu, Ehefrau Joh. Kurz zu Düsseldorf. Ihr Mann war acht Jahre lang, von 1833 an, in Diensten des Grafen Hatzfeldt. Nachdem er seinen Dienst verloren, blieb er eine Zeit lang zu Hause und trat dann als Kammerdiener des Grafen Paul in Dienst bei der Gräfin. Hier blieb er bis März 1847, wo er in Folge eines Streites mit Lassalle über eine Lohnforderung entlassen wurde. ‒ Ihr Mann stehe in keiner Beziehung zum Grafen, sie wisse bestimmt, daß er vom Grafen keine monatliche Rente beziehe.
Ueber ihre Beziehung zu Lassalle, Mendelsohn und Oppenheim sagt Zeugin: Im J. 1846 ließ Mendelsohn mich zu sich in seine Wohnung rufen und frug mich, ob ich nichts vom Grafen, namentlich von dessen Umgang mit Frauenzimmern wisse. Ich sagte ihm, ich thue nichts mehr für die Gräfin, da sie mir noch Geld schuldig wäre. M. gab mir darauf fünf Thaler und ich bezeichnete ihm, da ich selbst nichts Genaueres wußte, die Personen, die näher Auskunft geben könnten. Bald nach diesem Gespräch erhielt ich einen schwarz gesiegelten Brief mit dem Postzeichen Köln. (Dieser Brief wird verlesen, er ist im Bibelton geschrieben und enthält den Auftrag, die Zeugin solle sich ein schwarzes Kleid kaufen, ein eisernes Kruzifix und dergl.) In diesem Briefe liegen zwanzig Thaler in Kassenanweisungen. Bald nach seiner Ankunft frug mich Mendelsohn, ob ich noch kein Geld bekommen und spielte auf das schwarze Kleid an, das ich damals zufällig trug. ‒ Etwa 14 Tage nachdem ich mit Mendelsohn bekannt geworden, kam Oppenheim nach Düsseldorf und blieb da ungefähr fünf Wochen. Während dieser Zeit kam O. fast täglich zu mir und schrieb in meinem aparten Zimmer, viele Leute kamen hier zu ihm, so daß es meinem Hausherrn lästig wurde; ich wußte nicht, was er mit den Leuten verhandelte. Als O. etwa acht Tage bei uns war, veranlaßte mich Mendelsohn eine Reise mit ihm zu machen. Wir fuhren über Köln und Bonn nach Uekerath, in dessen Nähe der Graf H. sich aufhielt. Hier sagte mir Mendelssohn, ich möchte auf die Post gehen und mir einen Brief an den Grafen übergeben lassen. Ich lehnte dies ab und verwies M. an einen gewissen Pollmann in Altenkirchen, der sich vielleicht zur Abholung von Briefen hergeben möchte. Pollmann erklärte sich bereit und suchte den Boten, der die Briefe des Grafen abholt, zu bewegen, ihm einen solchen Brief auszuhändigen. Er hatte dazu von M. zwei Louisd'or erhalten, der Bote aber wollte sich nicht darauf einlassen, nicht um 200 Thlr. Ich reiste darauf nach Düsseldorf zurück und erhielt hier einen Brief von Pollmann, denselben, den Mendelsohn später in seinem Paletot auf der Bonner Eisenbahn zurückließ. Pollmann schrieb dann, daß in Crottorf oder Schönstein etwas zu probiren sei. (Der vielbenannte Brief, woraus sich ergeben soll, daß man einen Mordanschlag auf den Grafen beabsichtigte, wird verlesen.) Mehre Wochen nach dem Kassettendiebstahl wurde ich wegen dieses Briefes zur Gräfin nach Deutz beschieden. Hier sah ich zum ersten Male Lassalle, der zur Gräfin, die im Bette lag, unangemeldet ins Schlafzimmer trat. Ich wurde nach Altenkirchen zu Pollmann geschickt, um ihm zu sagen, wenn er gerichtlich vernommen würde, solle er angeben, er wäre in Ueckerrath gewesen, um dort einen Brief für den Grafen abzuholen. Er hätte geglaubt, in Schönstein oder Crottorf lasse sich das am besten probiren, und hierauf bezöge sich die Stelle in seinem Briefe. Ferner solle er sagen, er wäre bei Advokat Pfeifer gewesen, um einen Prozeß der Gräfin gegen den Grafen durchzusetzen.
Präs. Haben Sie mit v. Stockum verkehrt?
Zeugin. Ja. Als mein Mann im vorigen Jahre auf Veranlassung der Gräfin des Diebstahls beschuldigt wurde, ging ich im Aerger zu Stockum und gab demselben den Brief im Bibelstyl; dabei bemerkte v. Stockum, mein Mann möge aufschreiben, was er von der Gräfin wisse und ihm überreichen. Das that mein Mann auch und erhielt dafür ein Douceur. Später trug ihm Stockum auf, den Grafen Paul zu bewegen, daß er zu seinem Vater zurückkehre.
Präs. Haben Sie mit Fowinkel gesprochen?
Z. Fowinkel ist allerdings einmal bei mir gewesen, hat sehr über Lassalle geklagt, und mich gefragt, ob ich ihm nicht eine Unterredung mit Stockum verschaffen könne; er wisse nämlich mehreres über Lassalle. Am andern Tage sah ich Stockum und theilte ihm Fowinkel's Wunsch mit, worauf er mich zu F. nach Kaiserswerth schickte, um diesen zu holen. Ich habe übrigens Fowinkel nie gesagt, er möge sein Zeugniß gegen den Grafen zurücknehmen.
Staatsprok. Nun, Sie haben in dieser Sache keine ehrenwerthe Rolle gespielt.
Angekl. Ich bitte die Zeugin zu fragen, ob nicht als im Juni 1847 ihr Mann wegen einer vom Gastwirth Renner erhobenen Diebstahlsbeschuldigung verhaftet war, Hoppe von Berlin aus ihr oder ihrem Sohne geschrieben habe, man möge ihn nur als Schutzzeugen für Joh. Kurz laden lassen; er werde dabei dem Lassalle schon den Deckel drauf thun.
Z. Nein, er hat mir keinen Brief geschrieben.
Angekl. Aber ihrem Sohne?
Pr. Das braucht die Zeugin vielleicht nicht zu wissen.
Z. Doch ich würde es wissen; gewiß würde ich es wissen. Nein er hat auch meinem Sohne kein Wort davon geschrieben.
Angekl. Ich bitte an Hoppe dieselbe Frage zu stellen.
Hoppe. Nein, ich habe keinen Brief darüber geschrieben.
Angekl. Keinen Brief, daß er als Schutzzeuge auftreten wollte, auch abgesehen von den Drohungen gegen mich?
Hoppe. Nein, keinen Brief.
Angekl. Nun denn, in seiner letzten Vernehmung zu Berlin hat Hoppe aber bereits es gestanden. (Liest die betreffende Stelle aus den Akten).
Pr. Sie haben also einen solchen Brief geschrieben?
Hoppe. (Sehr leise.) Ja, es ist wahr.
Angekl. Die Zeugin hat der Gräfin ein vorläufiges, an Eidesstatt abgegebenes Zeugniß über den verschwenderischen Lebenswandel des Grafen übergeben, welches im Prodigalitätsprozesse eingereicht wurde. Ob man nicht damals von ihr gefordert, daß sie nur die lautere Wahrheit sagen solle?
Zeuge. Ja ein rechtschaffenes Zeugniß hat man gefordert und das habe ich gegeben.
Angekl. Ob nicht v. Stockum sie zu sich gerufen und ihr große Summen angeboten, wenn sie dieses Zeugniß widerriefe?
Zeuge. Ja, Stockum hat mich rufen lassen und mir gesagt, wenn ich mein ganzes Zeugniß verwerfen wolle, sollte ich nie mehr Noth haben und für mein ganzes Leben genug bekommen. Durch die Koehne ließ er mich rufen und einen Mantel auslösen, den ich versetzt hatte. Aber ich habe es nicht gethan und ihm gesagt daß ich bei der Wahrheit bleibe. Nur eins habe ich in jener Bescheinigung widerrufen.
(Fortsetzung folgt.)