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Leben und Thaten des berühmten Ritters Schnapphahnski.
(Fortsetzung.)
„Madrid, Du Licht von Spaniens Thalen,
In Deinen tausend Feldern
strahlen
Viel tausend Augen, schwarz und blau.
Du weiße Stadt
der Serenaden
Viel tausend kleine Füße baden
Sich Nachts in
Deines Prado's Thau!“
So sang es einst „der lose Spötter“ Alfred de Musset und so hat es unser
Freiligrath in's Deutsche hinübergedichtet. Seit ich dies zum ersten Male
las, kann ich Madrid nicht nennen hören, ohne an ein paar tausend kleine,
weiße Füße zu denken, die durch das grüne, thauige Gras hüpfen, bald sittsam
verschwindend, bald lüstern wieder emportauchend und immer reizend
verführerisch.
Es versteht sich von selbst, daß ich mir einbilde, alle schönen Frauen gingen
barfuß in Spanien.
In das Land der tausend kleinen Füße, in das Land der spitzen Filzhüte, in
das Land der spanischen Fliegen und der spanischen Erdbeeren, kurz, in das
Land Spanien muß ich jetzt meine Leser führen, denn schon hat unser Ritter
Schnapphahnski Berlin im Rücken, schon hat er Belgien und Frankreich passirt
und schon steht er auf den Pyrenäen, um hinunterzuscharwenzeln in das Reich,
wo jetzt der unschuldige König Paquo herrscht, der Niemanden etwas zu Leide
thut, am wenigsten seiner ‒ Frau.
Man reist nicht billiger und nicht schneller als in Gedanken. Ohne
Kostenaufwand und ohne Zeitverlust habe ich meine Leser nach Spanien
gebracht. Meine Leser sind mir für diese rasche Beförderung aufrichtigen
Dank schuldig. Wie würden sie sich gelangweilt haben, wenn sie von deutschen
Eisenbahnen auf die französischen Postwägen und dann von den französischen
Postwägen auf die spanischen Maulesel gekommen wären ‒ ja, meine Leser
würden auf den Hund gekommen sein, wenn ich sie nicht vermöge meiner
unendlichen Geschicklichkeit auf den Flügeln des Gedankens hinübergewiegt
hätte in das Reich, wo außer Paquo auch jetzt die unschuldige Königin
Isabella herrscht, die sich über Niemanden zu beklagen hat, ausgenommen über
ihren Mann.
Paquo und Isabella, Isabella und Paquo, sie waren noch kein seliges Paar, als
unser Schnapphahnski seine Reise antrat. Die unschuldige Isabella hatte
damals den Hrn. Paquo noch nicht von seiner schwachen Seite her kennen
gelernt; sie meinte nicht anders, als daß sie eben so glücklich sein würde
wie ihre Mutter, die Frau Munoz, die wirklich mit allen Ehren zu ihren neun
Kindern gekommen ist ‒ arme Isabella! armer Paquo! Sie saßen noch nicht auf
dem Throne, denn noch ras'te der grause Don Carlos, der bleiche Aristokrat
mit dem grimmigen Schnurrbart, durch Wälder und Auen, ein unerbittlicher
Jäger auf der großen altspanischen Kronjagd. Don Carlos führte Krieg; er
brauchte daher Soldaten. Konnte ihm etwas erwünschter sein, als daß sich
eines Morgens schön wie ein Engel und keck wie der Teufel, im schwarzen
Frack und in weißer Weste, und duftend nach allen Wohlgerüchen der Levante:
Se. Hochgeboren der Ritter Schnapphahnski bei ihm präsentirte, um seine
Dienste anzubieten? Don Carlos strich seinen grimmigen Schnurrbart und besah
den deutschen Lanzknecht von oben bis unten. Der Ritter sah zwar aus, als ob
er eben vom Friseur käme, aber: Kanonenfutter! Kanonenfutter! dachte der
Spanier und es versteht sich von selbst, daß er Sr. Hochgeboren auch nicht
das geringste Hinderniß in den Weg legte, sich bei der nächsten Bataille vor
den Kopf schießen zu lassen.
Deutsche Lanzknechte waren tapfer zu allen Zeiten. Dieselben großen Lümmel,
die zu Hause in Filzschuhen, in gestrickten Kamisölern und in baumwollenen
Nachtmützen faul wie altgewordene Hunde und feige wie weibliche Hasen hinter
den Oefen oder auf den Wirthshausbänken herumlungerten, sie haben sich im
Auslande, für fremde Fürsten stets mit einer Gewissenhaftigkeit und mit
einer Ausdauer geprügelt, die wirklich alle Gränzen übersteigt. Wer daheim
ein Kaninchen war, er wurde draußen ein Tiger; die Träumer verwandelten sich
in Raufbolde; die blonden, sentimentalen Schlingel: in Todtschläger; die
sanften blassen Heinriche und Gottfriede in donnerwetternde Generäle und
Feldwebel, die ihre Feinde so gemüthlich um's Leben brachten, wie sie seiner
Zeit Korn mähten oder Spargel stachen.
Auf allen Schlachtfeldern aller Jahrhunderte haben sich Deutsche für ihren
pünktlich ausbezahlten Sold auch pünktlich todtschlagen lassen. Mit ihren
frommen, blauen Augen schauten sie so gutmüthig in die kohlschwarzen
Schlünde der Kanonen, als sollten ihnen gebratene Tauben statt kopfdicker
Kugeln daraus entgegenfliegen und wenn sie die Gewehre umdrehten und mit den
Kolben dreinfegten, da schnitten sie keine schlimmern Grimassen als unsere
Dorfschulmeister in Hessen oder in Nassau, wenn sie den Bauernjungens das
Ein-mal-eins, oder das Christenthum einbläuen.
Gott weiß, wie Schnapphahnski sich in Spanien benahm! Da wir aber im Laufe
unserer Erzählung in jedem Punkte streng bei der Wahrheit geblieben sind, so
wollen wir auch hier gestehen, daß derselbe Mund, der die Abenteuer in
Schlesien, Troppau und in Berlin erzählte, uns in Betreff der spanischen
Fahrten die Versicherung gab, daß der edle Ritter, wider alles Erwarten, als
sehr ritterlicher Lanzrecht dabei erschienen sei und den Ruhm unserer
Tapferkeit im Auslande nicht im Geringsten in Frage gestellt habe. Mit
dieser einfachen Erklärung mußten wir aber auch zufrieden sein, denn alle
Details über die spanischen Erlebnisse unseres Ritters fehlen; zwischen
Troppau und Spanien liegen die Pyrenäen und wohlmeinende Freunde unseres
Helden waren nicht mehr im Stande, dem braunen Freiwilligen aus O. in
Schlesien auf Schritt und Tritt zu folgen. Deutlicher wird erst die Historie
des Ritters:
„Als Don Carlos fliehen mußte
Mit der ganzen Tafelrunde,
Und
die meisten Paladine
Nach honettem Handwerk griffen ‒“
mit einem Worte, als der Krieg wieder zu Ende war und unser Odüsseus sich
nach seiner Ballettänzerin zurücksehnte, die nach der
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Abreise ihres schönen Wasserpolaken zu einer wahren Tragödie hinabgetrauert war.
Man kann sich leicht denken, wie sehr der edle Ritter nach der Heimath
verlangte, nach Berlin, wo man seiner so liebend gedachte, wo er so gut
angeschrieben stand bei Zeus Kronion, bei den Offizieren der Garde, bei
seinem Juwelier und bei seiner Tänzerin. Doch nicht unangefochten sollte er
zu der letztern zurückkehren, denn sieh, die Enkelin Heinrich Heine's, die
liebliche Tochter Atta Troll's, des Bären, verliebte sich in den
göttergleichen Schnapphahnski, wie uns der Dichter selbst erzählt in seinem
Werke, das bei Hoffmann und Campe erschienen, in Hamburg, im Jahre des Herrn
47.
In der Höhle, bei seinen Jungen, liegt nämlich Atta Troll, der Bär, und er
schläft:
„Mit dem Schnarchen des Gerechten;
Endlich wacht er gähnend
auf;
Neben ihm hockt Junker Einohr,
Und er kratzt sich an dem
Kopfe
Wie ein Dichter, der den Reim sucht;
Auch scandirt er an
den Tatzen.
Gleichfalls an des Vaters Seite,
Liegen träumend auf dem
Rücken,
Unschuldrein, vierfüß'ge Liljen,
Atta Troll's geliebte
Töchter. ‒
Ganz besonders scheint die Jüngste
Tiefbewegt. In ihrem Herzen
Fühlt sie schon ein sel'ges Jucken,
Ahndet sie die Macht
Cupido's.
Ja, der Pfeil des kleinen Gottes
Ist ihr durch den Pelz
gedrungen,
Als sie ihn erblickt ‒ o Himmel,
Den sie liebt, der
ist ein Mensch!
Ist ein Mensch und heißt Schnapphahnski.“ ‒
Da haben wir's! Es geht nun einmal nicht anders; wir treffen den edlen Ritter
immer bei der Liebe. Er verfolgt sie und sie verfolgt ihn. Von der Gräfin S.
und der Gräfin O. gerieth er auf Carlotta; von Carlotta auf die Tänzerin;
von der Tänzerin auf die Bärin! O, es ist kein Wunder, daß alle Berliner und
Frankfurter Damen heut zu Tage in Herrn von Schnapphahnski vernarrt sind, da
sogar einst eine Bärin vor dem prächtigen Barte des Ritters anbetend
zusammensank.
O, diese Bärin hatte einen scharfen Blick, eine gute Schnauze! Sie
schnüffelte es schon vor Jahren, sie roch es schon zu Don Carlos Zeiten, daß
unser Ritter einst ein gewaltiger Redner, ein großer Staatsmann werden würde
und schwärmerische Blicke richtete sie nach dem herrlichen Manne ‒ die zarte
B[#]r[#]nl[#]ie. ‒ ‒
„Ist ein Mensch und heißt Schnapphahnski.
Auf der großen
Retirade
Kam er ihr vorbeigelaufen
Eines Morgens im
Gebirge.
Heldenunglück rührt die Weiber,
Und im Antlitz unsres Helden
Lag, wie immer, der Finanznoth
Blasse Wehmuth, düstre Sorge
Kann man sich wichtigere Aufschlüsse über die Rückkehr unseres Helden
denken?
Auf der Retirade sehen wir ihn laufend im Gebirge. Wunderbarer Anblick! Aecht
spanischer Landstraßendreck spritzte ihm hinauf in den unsterblichen Bart,
seine Augen funkeln verdächtig, seine Kniee schlottern. Der kühne Ritter
gle[#]ht durchaus dem Manne, der einst in O. in Schlesien vor dem Grafen S.
ausriß, nach verlorener Liebesschlacht.
„Heldenunglück rührt die Weiber. ‒ Die Bärin seufzt vor Liebe, daß ihr die
Schnauze zittert. Die Tochter Atta Troll's ist außer sich vor brennender
Zuneigung ‒ doch nicht der landstraßendreckbespritzte Bart, nicht das
funkelnde Auge, nicht das schlotternde Kniee ist es, was sie wimmern und
schmachten läßt, nein, die Blässe des um
bertroffenen Ritters rührt sie vor allen Dingen, ja, die Blässe, die
interessante [#] ‒ kann es etwas bezeichnenderes geben?
Unsere Verwunderung erreicht indeß erst ihren Gipfel, als wir sogar die Natur
dieser Blässe, den tiefern Grund dieser herzbethörenden Kouleure angegeben
finden.
Bisher glaubten wir, der Ritter sei nur blaß aus Liebe, aus Furcht, aus
Aerger, der Mode wegen ‒ aber wie irrten wir uns! es ist die Blässe der
Finanznoth ‒ ein neues Licht geht über dem Leben Schnapphahnski's auf; der
Ritter ist blaß vor Schulden ‒ armer Ritter!
„Seine ganze Kriegeskasse,
Zwei und zwanzig Silbergroschen,
Die
er mitgebracht nach Spanien,
Ward die Beute Espartero's.“
So etwas ist hart ‒ zwei und zwanzig Silbergroschen ‒ das ist bitter!
„Nicht einmal die Uhr gerettet!
Blieb zurück zu Pampeluna
In
dem Leihhaus. War ein Erbstück
Kostbar und von ächtem Silber.“
Das Schicksal unseres Helden wird immer lanzknechtartiger. Die Uhr der
Familie Schnapphahnski im Leihhause von Pampeluna! das ist tragisch, das ist
rührend. Das Nürenberger Ei, das vom Uhrgroßvater Schnapphahnski, von dem
alten ehrwürdigen Wasserpolacken auf den galanten Sohn vererbt wurde: der
galante, frivole Sohn hat dieses Erbstück versetzt im Leihhause von
Pampeluna, vielleicht ohne einmal zu erröthen, ohne Herzklopfen, ohne
schüchternes Hin- und Herschauen als er die Pforte des Lombard durchschritt
und ohne verlegen zu stottern, als er dem Pfand-Kommissär sein Anliegen
vortrug. „Wie viel Uhr haben Sie?“ fragte bisweilen ein Mauleseltreiber des
Gebirges und mit Pathos erwiederte dann Se. Hochgeboren: „Bemühe er sich in
das Leihhaus von Pampeluna, werther Freund, dort wird er ein Erbstück
finden, kostbar und von ächtem Silber, dort wird er das Nürenberger Ei der
Familie Schnapphahnski antreffen, das ihm Zeit und Stunde so genau verkünden
wird wie jene berühmte Uhr des morgenländischen Kalifen, die einst
Charlemagne zum Geschenk erhielt,