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Kriminal-Prozedur gegen Ferdinand Lassalle wegen Verleitung zum
Diebstahl.
(Fortsetzung.)
St.-Pr. Aus Ihrer Vernehmung geht hervor, daß nicht Oppenheim sich erbot
sondern daß Lassalle Anweisung gegeben hat.
A. Ich habe den Vorsatz das Oppenheim sich nach dem Akt zu erkundigen nur
gebilligt.
Pr. Sie sagen, in dem Briefe an Heine, Sie hätten den Akt nöthig, er müsse
zum Zweck der Prodigalitätsklage beschafft werden.
A. Ich habe nicht gesagt, daß der Akt für diese Klage nöthig, sondern nur,
daß er wichtig sei.
Pr. Nahm man auf Ihren Rath am meisten Rücksicht?
A. Gewiß, da ich die Versöhnung versuchen wollte. Den Auftrag habe ich aber
nicht gegeben und ich habe dies in einer dem Untersuchungsrichter
überreichten Denkschrift auch weiter ausgeführt. Der Angeklagte verliest
eine Stelle aus dieser Denkschrift.
Pr. Sie haben gesagt „Meiner Ordre gemäß folgten Mendelssohn und
Oppenheim.“
A. Wenn man Ordre im Sinne von Auftrag nimmt, so kann ich es nicht gesagt
haben, denn ich war nicht berechtigt, eine solche zu geben. ‒
Hiermit schloß die Vernehmung des Angeklagten. Der Präsident ließ nun den
Sekretär des Gewerbegerichts W. Bremmer vortreten und vereidete ihn als
Sachverständigen um die von Lassalle anerkannte Handschriften mit zwei
Briefen, die derselbe verläugnet hatte, zu vergleichen. Der Sachverständige
zieht sich zurück.
Es folgt das Verhör der Zeugen. Als erste Zeugen sind geladen die Baronin
Meyendorf, ihr Kammerdiener B. Robie und ihre Kammerjungfer A. Ciczewsky. Da
dieselben nicht erschienen sind, so wird deren Aussage vor dem
Instruktionsrichter vom 22. August 1846 vorgelesen. Wir theilen diese
Aussagen, die sich lediglich auf das Faktum des Kassettendiebstahls
beziehen, nicht mit, da sie aus den beiden früheren Prozeduren bekannt sind
Wir bemerken nur, daß die Meyendorf ausdrücklich erklärt hat, sie habe auf
Lassalle keinen Verdacht, und kenne ihn nur von Ansehen.
Nun erscheinen die Zeugen A. Welter, Gastwirth des Mainzer Hofes, Paul
Friedrich, Johann Irxendorf und Jakob Esser. Sie bekunden über den Diebstahl
in derselben Weise wie in den früheren Prozeduren. Welter und Friedrich
setzen noch hinzu, die Meyendorf habe nur einmal im Mainzer Hofe logirt, und
der Angeklagte habe, als er am Tage nach dem Diebstahl angekommen, nur über
gleichgültige Dinge gesprochen. Esser bemerkt, Lassalle sei mit Hoppe
angekommen; beide hätten sich nach einem Reisesack, den sie vermißten,
erkundigt. Auf die Frage, ob für die Meyendorf Quartier bestellt gewesen,
antworten die Zeugen verneinend. Die Aussagen des inzwischen nach Amerika
ausgewanderten Zeugen Förster und der nicht erschienenen Lennartz, jetzt
Ehefrau Begemann, werden aus dem Protokoll vom 21. August 1846 verlesen.
Der Sachverständige Bremmer tritt vor und bekundet, daß sämmtliche ihm
übergebene Schriftstücke von derselben Hand herrührten, wie sich dies
namentlich aus der Vergleichung der Buchstaben M und K ergebe, und daß nur
die Adresse auf dem Couvert des Briefes vom 2. Juli 1846 den Schreiber
zweifelhaft lasse.
Zeuge Kutscher Köllen. Auch er bezeugt Bekanntes über die Vorfälle nach dem
Diebstahl, und erklärt dann auf Befragen des Vertheidigers, daß er
vorgestern drei Personen für zwei Thaler nach Dormagen gefahren, die von
dort mit Extrapost weiter gereist seien. Er habe dieselben wegen ihrer
Kleidung für schleswigholsteinische Freiwillige gehalten, sei zuerst auf die
Breitstraße neben das Haus zum Knüppel (wo Goedsche wohnt), dann auf den
Thurnmarkt gefahren, um Gepäck abzunehmen.
Zeuge Polizeikommissar Schlömbach aus Bonn. Seine Aussage ist von den beiden
früheren in nichts verschieden.
Zeuge Friedrich Wilhelm Hoppe, 32 Jahre alt, wohnhaft in Berlin.
Pr. Ihr Gewerbe?
Zeuge. Alles was so vorkommt, Kommissionär, Stubenbohner, früher
Viktualienhändler; davor Kammerdiener.
Zeuge deponirt wie folgt: Ich bin den 25. Januar in Dienst des Angeklagten
getreten, der sich Doktor nennen ließ, und im Brittisch Hotel wohnte. Er
hatte mit Oppenheim, Mendelssohn und Graf Keiserling Bekanntschaft. Durch
letzteren wurde er mit der Gräfin Hatzfeldt bekannt, die zuerst unter den
Linden, dann in der Schadowstraße wohnte. Als Lassalle und Graf Keiserling
sich zuerst bei der Gräfin melden ließen, nahm sie dieselben nicht an. Am
andern Tage jedoch wurden sie empfangen. Von da an ging Lassalle oft und zu
jeder Tageszeit zur Gräfin. Vierzehn Tage nach der ersten Bekanntschaft ließ
er sich einen Hausschlüssel zu ihrer Wohnung machen, kaufte eine
Blendlaterne und ging mehrere Male gegen 12 Uhr Nachts, nachdem er vorher
Toilette gemacht hatte, zur Gräfin. Einmal kam er erst gegen 7 Uhr Morgens
nach Hause. Durch den Kommissionär des Britisch Hotel, Krüger, sollte eine
Korrespondenz des Grafen Nostiz aufgefangen werden. Wenigstens hat Krüger
mir das gesagt. Auch habe ich gehört, wie er zu Mendelssohn und Oppenheim
sagte, er müsse sie haben. Ich bezog das auf Briefe. Lassalle beauftragte
mich, ihm einen Schlosser zu besorgen, und versprach mir zwei Thaler
hierfür. Ich besorgte ihm den Schlosser Reichard, Werkführer bei Wittwe
Glück. Dieser hat mir gesagt, er habe Lassalle zwei Schlüssel angefertigt
und 2 Friedrichsd'or dafür erhalten. Zeugen waren nicht dabei, als der
Schlosser mir dies sagte. Ich habe selbst zwei Dietriche gesehen, welche
Lassalle gemeinsam mit dem Schlosser an einem Sekretäre im Zimmer Nr. 2
probirte. Ich habe dies zwar nicht alles gesehen, ich habe aber beide in das
Zimmer gehen sehen und Reichard hat es mir gesagt. Die Wwe. Glück kam oft zu
Lassalle und bat ihn, ihr die Schlüssel zurückzugeben. Krüger wurde später
einmal von der Polizei geholt, aber sofort wieder freigelassen. Er erzählte
mir, Lassalle habe ihn einen Brief an Nostiz gegeben mit dem Auftrage, ihn
so fallen zu lassen, daß der Hausdiener des Nostiz ihn finde. Deshalb habe
ich die Polizei geholt. Im Sommer 1846 verabredeten Mendelsohn, Oppenheim
und Lassalle eine gemeinsame Reise an den Rhein, die lange dauern sollte. Im
Mai war die Gräfin nach Moabit gezogen, wo die Besuche Lassalle's
fortdauerten. Mendelssohn reiste einige Tage vor uns ab, damit man keinen
Verdacht schöpfe. Jedoch war die Zeit nicht verabredet und auch nicht, daß
Oppenheim mit der Gräfin nachkommen solle. Lassalle und ich reisten am 9.
Juli ab, ich weiß dies gewiß.
Pr. Früher am 8. Juni haben sie den Namen des Werkführers nicht angeben zu
können behauptet.
Z. Ich habe denselben seitdem wieder getroffen, er hat das Geschäft der Glück
übernommen.
Pr. Sind die Dietriche nicht gebraucht worden?
Z. Nein, nur probirt.
Pr. Früher haben Sie von den 2 Thlrn. und den 2 Friedrichsdor nichts
gesagt.
Z. Ich habe es aber jetzt gesagt.
Pr. Wie ging die Reise?
Z. Ueber Frankfurt den Rhein hinunter.
Pr. Welche Stelle führte Lassalle bei den früheren Verabredungen?
Z. Er hatte immer das erste Wort. Damals erhielt Lassalle einen Brief von
Mendelsohn, worin dieser schrieb, er habe bereits einige Entdeckungen über
den Grafen gemacht. In Frankfurt trafen wir den Grafen Keiserling und in
Düsseldorf den Mendelsohn. Wir logirten dort im Breidenbacher Hofe,
Mendelsohn irgendwo anders. Derselbe hat uns am Dampfschiffe empfangen.
Lassalle sagte uns, wir sollten den Namen Hatzfelds nicht in den
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Mund nehmen. Wenn Lassalle zu Mendelsohn ging, so verkleidete
und schminkte er sich. Er blieb in der Regel lange bei ihm.
Pr. Warum schminkte sich Lassalle, da ihn Mendelsohn doch am Dampfschiff
empfangen hatte?
Z. Das weiß ich nicht. ‒ Von Düsseldorf gingen wir nach Köln, wo eine
Schachtel mit Perücken angekommen war und wo ich alte Kleider kaufen mußte.
Alle drei kehrten wir nach Düsseldorf zurück, wo Mendelsohn bei Tapezierer
Fuchs ein Absteigequartier hatte. Indessen kam die Gräfin. Lassalle fuhr
geschminkt und in einem alten Sammetrocke, den er bei Mendelsohn angezogen,
auf der dritten Klasse der Eisenbahn nach Köln. Auf der Reise mußte ich
Lassalle mit Du und falschem Namen anreden. In Deutz empfing uns Oppenheim
und die Kammerjungfer der Gräfin, die uns erzählte, sie seien zusammen
gereist.
St.-Pr. Hat Lassalle den Zweck der Reise früher genannt?
Z. Nein.
St.-Pr. Ist vom Auffangen von Briefen zwischen der Meyendorf und dem Grafen
die Rede gewesen.
Z. Nein.
Pr. Hat sich Lassalle nach dem Aufenthalt des Grafen erkundigt?
Z. Ja, schon in Deutz bei Oppenheim. ‒ Wir blieben im Königlichen Hof zu Köln
zwei Tage, kehrten nach Düsseldorf zurück und fuhren direkt von dort nach
Rheinstein, wo Lassalle einen Brief der Gräfin an den Prinzen Friedrich
abgab. Der Prinz gab ihm einen Brief an den Grafen Hatzfeldt. Wir kehrten
nach Düsseldorf über Deutz zurück oder von Düsseldorf wieder nach Deutz.
Hier hörten wir, der Graf solle über Bonn und Köln nach Aachen reisen. Ich
erhielt den Auftrag so oft ein Zug aus Bonn ankam, auf dem Bahnhofe
zuzusehen ob der Graf angekommen. Ich kannte denselben nicht, Lassalle hat
ihn mir aber beschrieben. Als der Graf angekommen, der wie mir L. sagte, im
Kaiserlichen Hofe logiren sollte, beauftragt mich L. einen Koffer mit dem
des Grafen, wenn letztrer nach Aachen reise, zu vertauschen. Ich ging in den
Kaiserlichen Hof und erfuhr hier vom Kutscher, daß der Graf nach Calkum
fahre.
Pr. Haben Sie im Kaiserlichen Hofe Mendelssohn getroffen?
Z. Nein.
Pr. Sie haben das in der Voruntersuchung gesagt?
Z. Ich weiß nichts davon. Als ich am andern Morgen wach wurde, waren der Graf
und Mendelssohn abgereist. Ich fuhr deshalb auf den Bahnhof der Rhein.
Eisenbahn.
(Forts. folgt.)