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Neue Rheinische Zeitung.
Organ der Demokratie.
No 71. Köln, Donnerstag 10. August 1848.
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Uebersicht.
Deutschland. Berlin. (Der Abgeordnete Stein und die Konstabler. ‒ Die Bürgerwehr. ‒ Die Studenten. ‒ Das polnische Gymnasium in Posen. ‒ Der 6. August. ‒ Die Ostbahn. ‒ Erste politische Freisprechung. ‒ Untersuchungsarrest. ‒ Der dänische Krieg und die deutsche Einheit). Frankfurt. (Nationalversammlung). Mainz. (Eine Stelle aus dem Urtheil gegen Schöppler und Genossen). Augsburg. (Huldigungsfeier). Dessau. (Abschaffung des Adels). Braunschweig. (Die Huldigung). Prag. (Windisch-Grätz's Proklamation über die große Slavenverschwörung). Wien. (Der Kaiser und Brandis. ‒ Reichstagssitzung vom 4. August. ‒ Fischhof im Ministerium des Innern angestellt. ‒ Stadion's Nachfolger. ‒ Aufhebung der Convicte). Schweidnitz. (Offizielle Erklärung der Stadtbehörden). Apenrade. (Dänische Rekognoscirung. ‒ Keine Feier des 6. August). Luxemburg. (Der Journalstempel abgeschafft).
Italien. Frankfurt. (Peschiera überrumpelt; der Po von den Oestreichern überschritten; Alessandria eingenommen. ‒ Radetzky's Antwort an Karl Albert; Herzog von Genua gefangen). Mailand. (Amtliches Bülletin). Verona. (Welden's Manifest. ‒ Neues Bülletin Radetzky's.) Rom. (Ende der Ministerkrise. ‒ Nachgeben des Pabstes.)
Schweiz. Zürich. (Die neue Bundesverfassung.)
Französische Republik. Paris. (Attentat auf Thiers. ‒ Der Bericht Bouchard. ‒ Nationalversammlung. ‒ Vermischtes.)
Großbritannien. London. (Selbstanklage eines Polizisten.) Edinburg. (Vergleich zwischen dem Consum starker Getränke und dem des Brodes.) Dublin. (Smith O'Brien in Thursles arretirt und nach Dublin gebracht. ‒ Eine Post angefallen. ‒ Staatsprozeß gegen Duffy und Genossen.)
Rußland. Petersburg. (Cholera.)
Donaufürstenthümer. Hermannstadt. (Odobesko und Salamon abgedankt.) Jassy. (Die Russen.)
Amerika. Monte-Video. ‒ (Erneuerung der Blokade aller argentinischen Hafen.) New-York. (Arbeiten des Kongresses. ‒ Berichte aus Mexiko und Westindien.)
Deutschland.
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[ 15 ] Berlin, 7. August.
Ein eigenthümliches Schicksal scheint unsere Deputirten, besonders die linke Seite derselben mit der Bürgerwehr und den Konstablern (Krummschnabler oder auch Rumstapler nennt sie das Volk) in beständige Reibungen zu bringen. Nachdem in der vorigen Woche Rodbertus, Berg und mehrere andere Abgeordnete ohne Rücksicht auf ihre Unverletzlichkeit verhaftet worden, ist ein gleiches Loos gestern Abend dem Dr. Stein widerfahren. Dieser stand ganz gemüthlich unter den Linden und rauchte seine Cigarre; plötzlich wird er von einem Trupp Konstablern umringt, die ihn ohne Weiteres arretiren, und als er, sich ohne Einwendungen fügend, seine Cigarre weiter rauchte, ihm dieselbe aus dem Munde schlugen, mit der Bemerkung: Sie sind verhaftet und dürfen nicht rauchen. Stein folgte ihnen ganz ruhig nach der Wache. Dort angekommen, wird er erkannt; unter tausend Entschuldigungen will man ihn entlassen. Er aber bleibt, und meint, er würde nicht früher weichen, als bis man ihm eine Gesetzesstelle nachweise, wonach das ruhige Stehen eines Einzelnen unter den Linden verboten sei. ‒ So ziehen sich denn gefährliche Wolken über dem Konstablerthum zusammen, gegen welches sich die Linke und das Centrum verschworen haben; zugleich aber auch über Kühlwetter, der mit diesem Institut stehen und fallen will, so wie über Hansemann, der den öffentlichen Kredit und das allgemeine Vertrauen in so nahe Beziehung zu den Konstablern gebracht hat. Auch der Unwille des Volkes gegen die Schutzmänner hat sich noch nicht gelegt; die Handwerker sind entrüstet darüber, daß man ihnen unverheirathete, ja auch fremde Gesellen vorgezogen hat, und diesen eine Besoldung giebt, welche manche Prolelatierfamilie ernähren könnte.
Die Bürgerwehr fängt an, gegen die Lindenklubs energisch einzuschreiten. Jeden Abend sind dort mehrere Kompagnien aufgestellt, welche gegen jeden Volkshaufen mit gefälltem Bajonet eindringen, um ihn auseinander zu treiben. Besonders tapfer benimmt sich hierbei das vierte Bataillon, dasselbe, dem Rodbertus seine Verhaftung verdankt, und dem Hr. Rimpler, unser neuer Bürgergeneral, unter dem Versprechen, es zukünftig immer zur Aufrechthaltung der Ruhe zu verwenden, eine besondere Belobigung hat zu Theil werden lassen.
Die Studenten erklären öffentlich, daß sie an der morgenden Bürgerwehrparade keinen Antheil nehmen werden. Ergötzlich ist es, das vor der Universität aufgestellte schwarze Brett der Studirenden und die Anschläge darauf zu betrachten. Auch ist dasselbe fortwährend von solchen Massen Neu- und Lesebegieriger umdrängt, daß es oft schwer hält heranzutreten um ein günstiges Plätzchen zum Lesen zu erobern. Seit mehreren Tagen wird zwischen dem reaktionären und demokratischen Theil der Studentenschaft ein hitziger Krieg geführt. Die Hengstenbergianer und die Söhne der Beamten und Adeligen haben einen Bund, den „Wingolf“ gestiftet, der aus ungefähr 40 Mitgliedern besteht. Dieser Wingolf hat vor einigen Tagen ein anonymes Plakat veröffentlicht, worin gegen die Beschlüsse der „sogenannten, allgemeinen Studentenschaft“ Protest eingelegt und dieselbe nur als ein kleiner, kaum der zehnte Theil der wirklichen Studentenschaft dargestellt wird. Es sei nur eine Partei, welche, das Treiben der Wiener Studenten nachahmend, den Königen und ihren Rathgebern nicht nur grobe „Wahrheiten, sondern auch wahre Grobheiten“ sage. Mehre Studenten forderten nun den oder die Verfasser des erwähnten Plakates öffentlich auf, ihren Namen zu nennen, wenn sie noch einen Funken von Ehre besäßen. Ja, da hapert's! Zwar traten die Herrn v. Arnim, v. Diest, v. Winterfeld, de Bourdot (wie man sieht, lauter Aristokraten) auf, welche sich offen mit jenem Plakat einverstanden erklärten; ja ein Hr. v. Puttkammer verkündet, daß er jenes Plakat „nicht direkt verfaßt“ habe, aber trotz wiederholter Aufforderungen hat noch Niemand klar und entschieden sich als Verfasser nennen wollen.
Mit der Reorganisation im Großherzogthum Posen geht es lustig weiter. In Trzemeszno hat der Landrath den Bürgermeister Perzynski ohne Weiteres von seinem Amt entfernt, und dafür einen guten Deutschen, Namens Priebe, der das Verdienst hat, Unterschriften zu einer Einverleibungsadresse nach Frankfurt gesammelt zu haben, an seine Stelle gesetzt, und außerdem mehre ihm mißliebige Polen, die früher Mitglieder des Nationalcomités gewesen waren, aus dem Magistrat verjagt. ‒ Zur Wieder-Eröffnung des Marien-Gymnasiums in Posen hat der Schulrath Brettner eine sehr schöne Rede gehalten, welche gewiß nur Wenigen der anwesenden Schüler mißfallen hat, aus dem Grunde, weil diese deutsch war, und von den Meisten deshalb nicht verstanden wurde. Der Herr Schulrath ermahnte die Jugend väterlich, den preußischen Behörden hübsch folgsam zu sein, wo nicht, so könnten sie darauf rechnen, daß die väterliche preußische Regierung das Gymnasium sofort schließen würde. (Wo bleiben die Shrapnells?) Ein kaiserlicher Ukas verordnet, daß in Petersburg alljährlich auf 2 Monate ein aus 4 Mitgliedern und einem Präses bestehendes Rabbiner-Comité zusammentreten solle. Zu dem Zwecke sollen die Rabbiner, Kaufleute und angesehenern Juden der 6 Gouvernements, in denen Juden wohnen dürfen, die betreffenden Wahlen halten, die General-Gouverneurs 18 Kandidaten vorschlagen und das Ministerium des Innern 5 Mitglieder daraus ernennen. Aufgabe des Comités ist Berichterstattung über jüdische Ritual-Gesetze und Ceremonien.
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[ 103 ] Berlin, 7. August.
Auf der Tagesordnung zu der morgen stattfindenden Sitzung der Vereinbarer-Versammlung stehet zunächst nach geendigter Berathung und Abstimmung des Gesetzes über die Abschaffung der Todesstrafe, der Antrag des Abgeordneten Waldeck, die sofortige Erlassung der Habeas-Corpus-Akte. Dieser Antrag ist bereits in Folge des in der Sitzung vom 1. August gefaßten Beschlusses in den Abtheilungen und der von derselben gewählten Central-Abtheilung vorberathen worden. Auf den Wunsch des Minister-Präsidenten zur Herstellung eines Einverständnisses, wurden die Minister zu der am vergangenen Sonnabend stattgefundenen Sitzung der Central-Abtheilung eingeladen. Die Minister haben sich auch mit der Abtheilung über alle Punkte des ursprünglichen Antrages geeinigt. Nur über die, von der Abtheilung neu hinzugefügte Bestimmung, die Regreßpflichtigkeit der Beamten betreffend, konnte das Einverständniß mit dem Ministerium nicht erlangt werden. Die Abtheilung verharrt aber bei ihrer Ansicht und wird in ihrer heutigen Sitzung die Radaktion dieses höchstwichtigen Gesetzes mit den Motiven beendigen.
Auf den Antrag des Abgeordneten Pokrzywinicki ist in der Sitzung der Vereinbarer-Versammlung vom 28. Juli eine Kommission niedergesetzt worden um zu untersuchen: „ob Veranlassung vorhanden ist, die an der Ostbahn in der streitigen Richtung von Driesen nach Bromberg begonnenen Arbeiten so lange einzustellen bis die Versammlung über die dieser Bahn zu gebende Richtung Beschluß gefaßt hat.“ Die Kommission hat sich trotzdem, daß die direkte Linie von Küstrin über Woldenberg und Conitz nach Dirschau 8 Meilen kürzer ist als die in Angriff genommene Linie über Driesen und Bromberg, für die letzten entschieden. Man sagt daß die an der bevorzugten längern Linie über Bromberg ansässigen Gutsbesitzer großen Einfluß auf diesen Beschluß ausgeübt hätten. Dadurch hat sich Herr Semrau Abgeordneter des Schlochauer Kreises, welcher Kreis von der direckten Linie über Conitz würde durchschnitten werden, veranlaßt gesehen sämmtlichen Vereinbarern eine Denkschrift über die Richtung der Ostbahn vertheilen zu lassen. Er empfiehlt die direkte Linie über Conitz, da diese Richtung: an Kosten circa 7 Millionen Thaler erspart, die Vollendung der Bahn früher in Aussicht stellt, den Bau der Strecke von Frankfurt bis Woldenberg einstweilen weniger nöthig macht, in staatswirthschaftlicher und strategischer Beziehung jede andere Linie weit hinter sich zurückläßt, und endlich West-Preußen und Hinter-Pommern befriedigt.
Der Handlungsdiener Müller stand vor der ersten Abtheilung des Criminalgerichts, angeklagt der versuchten Verleitung zur Befreiung des gefangenen Schlöffel. Ein hochgestelltes Mitglied des Denuncianten-Vereins hatte ihn beim Staatsanwalt denuncirt, die Arbeiter am Plötzensee zur Befreiung Schlöffels überredet zu haben.
Alle Arbeiter, welche heute vorgeladen waren, stellten diese Thatsache, wie sie dies schon in der Voruntersuchung gethan, bestimmt in Abrede, und der Angeklagte wurde freigesprochen.
Wie ist es aber zu verantworten, daß dieser unschuldig Denuncirte und Angeklagte, gegen den sich schon in der Voruntersuchung nicht das Geringste herausstellte, dennoch über drei Monat in Untersuchungshaft gehalten wurde. Und im Angesicht solcher Thatsachen opponirt man gegen den Erlaß einer Habeas-Corpus-Akte!
Im gleichen Falle befand sich der jetzige Inhaber Nante's, der Schriftsteller A. Hopf von Charlottenburg, welcher in Folge eines Flugblattes dem Staasanwalt wegen Majestätsbeleidigung denuncirt war. Er befand sich drei Wochen in Untersuchungshaft und wurde heute entlassen. ‒ Also der Herr Staatsanwalt braucht volle drei Wochen um zu entdecken, daß keine Majestätsbeleidigung in dem Flugblatte enthalten ist!
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@facs0357
[ 14 ] Berlin, 7. Aug.
Der Huldigungstag ist vorüber. Die Soldaten haben nicht gehuldigt; die Bürgerwehr hat die Huldigung verschoben; das Volk hat gehuldigt ‒ aber nicht dem Unverantwortlichen, sondern speziell der deutschen Einheit Was aber die Bürgerwehr angeht, so verhält sich die Sache so 92 Kompagnien hatten sich vor zwei Tagen zu einer Huldigungs
@typejFeuilleton
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@facs0357
Leben und Thaten des berühmten Ritters Schnapphahnski.
(Fortsetzung.)
Nach dem Abentheuer in Troppau treffen wir Hrn. v. Schnapphahnski zunächst in Berlin. Eine interessante Blässe lagert auf seinem Gesichte und es versteht sich von selbst, daß der schöne schwarze Bart des Ritters dadurch nur um so vortheilhafter an's Licht tritt. In Schlesien war unser Ritter ein verliebter Husar, in Troppau erscheint er als renommirender Duellant ‒ in Berlin ist er Flaneur.
„Salamanca's Damen glühen
Wenn er durch die Straßen schreitet:
Sporenklirrend, schnurrbartkräuselnd
Und von Hunden stets begleitet.“
Giebt es etwas schöneres, als flaniren? Der Hauptreiz des süßen Nichtsthuns besteht übrigens nicht darin, daß man überhaupt sporenklingend und schnurrbartkräuselnd durch die Straßen schreitet, sondern daß man gerade dann flanirt, wenn alle andern Leute wie die lieben Zugstiere arbeiten müssen.
Ich bin fest davon überzeugt, ein westindischer Pflanzer fühlt sich nicht nur deswegen so wohl in seiner Haut, weil er jedes Jahr an seinen Plantagen diese oder jene Summe profitirt, nein, sondern nur aus dem Grunde scheint ihm das Leben um so wonniger, weil er eben dann recht wohlgefällig seine Havanna-Cigarren rauchen kann, wenn um ihn her die schwarzen Afrikaner in der Gluth der Sonne und unter der Wucht der Arbeit zu vergehen meinen.
Hole der Teufel die Flaneure und die westindischen Pflanzer. Die Proletarier werden einst die erstern und die Sklaven die letzteren todt schlagen. Ja, thut es! es ist mir ganz recht ‒ aber nur einen verschont mir: den Ritter Schnapphahnski!
Unser Ritter gefiel sich in Berlin ausnehmend. Nichts konnte natürlicher sein. Berlin, die Stadt, wo sich der Thee und das Weißbier den Rang streitig machen, wo die schönsten Garde-Offiziere und die schönsten Frauen in schlanken Taillen wetteifern, und wo jeder Eckensteher wenigstens etwas Bildung besitzt, wenn auch nur für einen Silbergroschen ‒ Berlin war der Ort, wo unser Ritter am ersten hoffen durfte, eine vermehrte und verbesserte Auflage seiner Blamagen erscheinen zu sehen.
Schnapphahnski war allmählig in der Liebe Gourmand geworden. Die süße, sanfte Unschuld hatte er satt. Er sehnte sich nach weiblichem Caviar ‒ ‒ ein Blaustrumpf, eine Emanzipirte, eine Giftmischerin! ‒ es war unserm Ritter einerlei. Nur starker Tabak, nur Furore!
Man begreift solche Gelüste, wenn man bedenkt, daß der edle Ritter nach der letzten Affaire in Troppau wenigstens für ein ganzes Jahr so blasirt war, wie eine kranke Ente.
Der Zufall wollte es, daß die Augen Schnapphahnski's auf die göttliche Carlotta fielen . . . . Er hatte gefunden, was er suchte. Nichts konnte erwünschter sein, als ein Roman mit einer geistreicher Schauspielerin, und nun vor allen Dingen die Bekanntschaft mit einer Carlotta, die gerade damals in das Nachtgebet jedes Gardelieutenants eingeschlossen wurde, deren Besitz nicht mit einer Million aufzuwiegen war! Schnapphahnski hatte nicht so unrecht.
Der Besitz einer Schauspielerin hat darin sein pikantes, daß man in ihr eben das besitzt, was allen Menschen gehört. In einer Schauspielerin umarme ich gewissermaßen die Lust und die Freude einer ganzen Stadt, eines ganzen Landes, eines ganzen Welttheils. Nichts ist begreiflicher, als daß Herr Thiers eine Rachel liebt ‒ ‒
Dieselbe schneeweiße Hand, die nach dem Fallen des Vorhangs noch vor allen Blicken flimmert: ich darf sie zu süßem Kuß an meine Lippen drücken; derselbe kleine Fuß, der noch durch das Gedächtniß von tausend Rivalen schreitet: ich darf ihn ruhig und siegesgewiß betrachten, wenn er gleich einem seligen Räthsel unter dem Saum des Kleides hervorschaut oder vor der Gluth eines Kamines zu einsamen Scherzen seine lieblichen Formen zeigt. Eine Carlotta, eine Rachel, eine Donna Anna, oder eine Donna Maria unter vier Augen, ist ein Triumph über die Jeunesse dorée von halb Europa.
Konnte es anders sein, als daß unser Lion Schnapphahnski sofort den Entschluß faßte, das Herz Carlottens zu erobern, koste es was wolle? Er machte sich auf der Stelle an die Arbeit. Zur Belagerung eines Herzens gehört der gewohnte Kriegsapparat. Ein paar Tausend Seufzer und einige Hundert Weh's und Ach's dringen gleich zitternden Truppen zuvörderst auf den Gegenstand der Blokade ein. Als Faschinen, zum Ausfüllen hinderlicher Sümpfe und Gräben, bedient man sich einiger Dutzend Veilchen- und Rosensträuße. Das Trompetensignal des Angriffs besteht aus einem Ständchen von Flöten und Fiddeln, dem man indeß noch eine Aufforderung zur Uebergabe in möglichst gelungenen Stanzen und Sonnetten vorhergehen läßt. Sieht man, daß mit Güte nichts auszurichten ist, so wirft man einige Brandraketen in Gestalt der glühendsten, verzweifeltsten Blicke und läßt, je nachdem es ist, auch das schwere Geschütz der herzinnigsten Flüche und Verwünschungen mitspielen. Hat man den Angriff eine Zeit lang unerbittlich fortgesetzt, so macht man einmal eine Pause und läßt durch einige Boten, die gleich krummen Fragezeichen um die Mauern der Geliebten schleichen, bei irgend einer alten Thür- oder Thorwächterin die Erkundigung einziehen, ob die hartnäckige Schöne nicht bald Miene mache, das Gewehr zu strecken. Wird dies verneint, so beginnt man das Feuer wüthender als je zuvor. Man schwört bei allen Göttern, daß man sich eher selbstmorden, ja, daß man lieber wahnsinnig werden wolle, als von seinem Verlangen abstehen, und man geberdet sich auch sofort wie ein betrunkener Täuberich und ruht nicht eher, als bis man Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt und sich ruinirt hat an Witz, Leib und Beutel.
„Es ist eine alte Geschichte
Doch bleibt sie ewig neu ‒“
Schnapphahnski belagerte seine Corlotta mit einer wahrhaft horntollen Beständigkeit.
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Aber Ach, es war alles umsonst. Der edle Ritter seufzte seine besten Seufzer, er warf seine glühendsten Blicke, er erschöpfte „seine ganze Kriegeskasse“ und doch sah Carlotta noch immer von der Bühne hinab in das Parquet, wo stets an derselben Stelle, rein aus Zufall, ein wahrer Adonis von einem Gardeoffizier stand und mit der lebendigen Künstlerin das Kreuzfeuer der verliebtesten Blicke führte.
Da sammelte der edle Ritter seine Gedanken um sich, wie einen Kriegsrath und beschloß, die Belagerung aufzuheben. Man glaube indeß ja nicht, daß Herr von Schnapphahnski ein solcher Narr gewesen wäre, um rein als Geprellter von dannen zu ziehen. Gott bewahre! Der Mann, der die Gräfin S. auf der Landstraße aussetzte und die Hiebe seines Gegners mit nassen Sacktüchern parirte, er wußte auch jetzt seine Ehre zu retten.
Tiefsinnig schritt er unter den Linden auf und ab und nachdem er einen Morgen und einen Nachmittag mit sich zu Rathe gegangen war, ließ er plötzlich am Abend anspannen und seinen leeren Wagen vor das Hotel Carlotten's fahren.
Der Wagen stand dort den Abend, er stand die Nacht hindurch und er stand bis zum Morgen. Ruhige Bürger, die eben nicht ganz auf den Kopf gefallen waren, stießen einander an, wenn sie die Karosse sahen und blickten dann schmunzelnd hinauf zu dem Fenster der Künstlerin.
Naseweise Literaten und spitzfindige Justizräthe schauten sogar auf das Wappen und die Livrée des Kutschers, indem sie bedenklich die Köpfe schüttelten und dann mit allerlei kuriosen Gesprächen nach Hause schritten. Einige Offiziere stuzten aber erst vollends. ‒ Zufällig war unter ihnen auch jener Adonis aus dem Parquet des Schauspielhauses! Es weiß nicht, was er sieht, er reibt sich die Augen, er fühlt an seinen Kopf, um sich davon zu überzeugen, ob ihn das Schicksal wirklich mit einem jugendlichen Hornschmuck geziert hat und den Säbel in der Faust, dringt er dann in Carlotten's Wohnung. ‒ ‒
Er findet die Künstlerin mutterselen allein in ihrem Zimmer ‒ sie empfängt ihren Adonis, wie es einer Venus zukommt.
Erst mit dem Morgenroth ist die Karosse Schnapphahnski's verschwunden. Berlin erwacht zu geschäftigem Treiben. Trödler und Eckensteher murren über das Pflaster, Karren und Droschken rasseln vorüber, Handwerker und Kaufleute eilen an ihre Arbeit und fast der einzige Mensch, der erst sehr spät und äußerst langsam in die Stadt hinunterflanirt, das ist wieder niemand anders, als unser berühmter Ritter Schnapphahnski. ‒ ‒
Er sieht etwas leidend und angegriffen aus; seine Augen glänzen feucht-melancholisch und der schöne Kopf mit dem feinen Hute hängt sinnend hinab auf die seufzerschwere Brust. Da schleicht der Ritter nachlässig scharwenzelnd in den nächsten Salon und wirft sich gähnend auf den Divan. „Theurer Ritter, auf Ehre, was fehlt Ihnen?“ fragen einige Bekannte, als sie ihren Freund in so weicher, schmerzlicher Stimmung sehen. Keine Antwort. Die Lippen Schnapphahnski's umspielt ein mildes Lächeln. „Auf Seele, Ritter,“ fährt man fort, „es scheint Ihnen etwas Ungewöhnliches passirt zu sein!“ Schnapphahnski reckt einmal alle Glieder. Eine halbe Stunde verstreicht so, da hat der Ritter die Aufmerksamkeit seiner liebenswürdigen Umgebung bis auf's Höchste gesteigert; auf's Neue bestürmt man ihn mit Fragen, er kann nicht mehr widerstehen und gleichgültig wirft er die Worte: „die vorige Nacht“ ‒ „bei Carlotta“ hin ‒ und rings entsteht das freudigste, interessanteste Erstaunen!
Man sieht, die Aventüren unseres Ritters werden immer delikater. Zuerst eine wirkliche Liebschaft, die zwar mit der erbärmlichsten Pointe schließt, deren eine Liebschaft fähig ist, die aber wenigstens bis zum Augenblick der Pointe alle süßen, schauerlichen Phasen durchmacht und den Eindruck bei uns zurückläßt, daß es dem edlen Ritter wenigstens ein Mal in seinem Leben gelang, eine Frau zu erobern, und ein Herz zu besitzen. Schade, daß die Stöcke der Lakaien des Grafen S. sich an dieses erste Abentheuer reihen!
Dann die zweite Aventüre. Sie drehte sich ebenfalls um das schöne Geschlecht. Der Ritter besitzt aber schon nicht mehr, nein, er intriguirt nur. Die Sache läßt sich aber trotz dem noch hören, weil ein Duell daraus entsteht, ein Duell mit einem Grafen G., einem wahren Eisenfresser, ein Duell mit krummen Säbeln, und wir sind schon auf dem Punkte uns mit der Geschichte zu versöhnen, als plötzlich jene erbauliche Wendung mit einem halben Dutzend nasser Sacktücher eintritt und wir nur zu sehr fühlen, daß der Ritter eine bedeutende Stufe gesunken ist.
Doch ach, jetzt die dritte Affaire mit Carlotta! Zu dem Ekel, den uns das galante Malheur Sr. Hochgeboren verursacht, gesellt sich der bedauerliche Eindruck der gewöhnlichsten Lügen, der blaßesten Renommage. Wir sehen den Ritter auf dem Divan liegen, umringt von jungen Offizieren, den physischen Katzenjammer der Liebe heucheln ‒ und es wird uns traurig zu Muthe!
Aber so war es. Wer weiß, in wie weit es Herrn von Schnapphahnski gelungen wäre, seine Umgebung zu täuschen, und jenes selige Ermatten einer glücklichen Nacht täuschend nachzuahmen, wenn sich nicht plötzlich der süße Adonis Carlottens an der andern Seite des Salons emporgerichtet und den renommirenden Ritter, seiner erbärmlichen Lüge wegen, ohne weiteres auf Pistolen gefordert hätte. Was sollte Ritter thun? Er fühlte, daß er wieder einmal eine Stufe sinken müsse; er wußte aus eigener Erfahrung, daß er im Duell eben kein Heros war, und die Lust des Lebens und die Hoffnung einer besseren Zukunft in Erwägung ziehend, entschloß er sich daher, eine gute Miene zu dem bösen Spiel zu machen und in Gegenwart sämmtlicher Offiziere die schriftliche Erklärung abzugeben, daß er der gröbste Lügner sei und aufrichtig bedauere, die Reize der schönen Carlotta durch das Maneuvre mit dem leeren Wagen auf so unnöthige Weise verdächtigt zu haben.
Diese Erklärung des berühmten Ritters Schnapphahnski befindet sich noch heutigen Tages in dem Archiv eines des Berliner Gardeoffizier-Corps.
(Fortsetzung folgt.)
[Deutschland]
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@facs0358
[Fortsetzung] Parade erklärt, allein der Oberbefehlshaber Rimpler fand es für gut, persönlich in Potsdam Instruktionen zu holen, in Folge deren die Parade auf morgen (Dienstag) verschoben werden soll. Der angebliche Grund war, weil es an einer vollkommenen Uebereinstimmung aller Kompagnien bis jetzt gefehlt habt. Indignirt über das Benehmen des höfischen Herrn Rimpler zog indeß gestern Morgen ein großer Theil der Bürgerwehr auf eigen Faust mit klingendem Spiel vor s Halle'sche Thor und brachte dort der deutschen Einheit ein dreimaliges Hurrah. Ein anderer Theil schloß sich dem Festzuge nach dem Kreuzberge an. Diese Alle wollen der Farce post festum am Dienstag nicht beiwohnen, so daß vielleicht der höfische Hr. Rimpler mit seinen konservatioservilen Hrn. Majors morgen allein sein durfte Bei dieser Gelegenheit muß ich bemerken, daß schon seit längerer Zeit eine bedeutende Spaltung in der Bürgerwehr herrscht; die demokratisch Gesinnten ziehen sich allmählig zurück, weil sie den schnöden Dienst zum Schutz der Gewalthaber satt sind. Schloßgitter, festlicher Empfang der Soldaten etc. haben schon früher bei vielen Widerwillen erregt; jetzt kommt noch die Konstablergeschichte hinzu und vollendet die Scheidung
Der gestrige Zug war sehr lang; es währte eine volle Stunde ihn vorbei passiren zu lassen. Man versammelte sich gegen 2 Uhr auf dem Opernplatze wo der Student Voswinkel eine Rede h elt. Gegen halb 3 Uhr setzte sich der Zug in Bewegung und langte um 5 Uhr auf dem Kreuzberge an. (Die Teltower Bauern waren bald abgezogen, nachdem sie dreimal das Monument unter Absingung von „Heil unserm Könige“ und „Ich bin ein Preuße“ umwandelt hatten.) Hier sprach Held wenige Worte und seiner Aufforderung, der deutschen Einheit, nichts weiter, ein dreimaliges Lebehoch zu bringen, wurde einstimmig entsprochen. Ein kühner Kletterer befestigte dann an der Spitze des Monuments die dreifarbige Fahne, worauf der Zug sich gruppenweise in die Stadt zurückbegab, was um so schneller geschah, als es heftig regnete. Dem Zuge hatten sich angeschlossen von den Deputirten der Linken Graf Reichenbach, d'Ester u. A.
Gegen 9 Uhr waren alle Theilnehmer des Zuges wieder in Berlin. Die heiterste Stimmung herrschte überall und das Volk war nichts weniger als bereit Unruhe zu machen. Dafür sorgten nun aber die Rimpler'schen Bürgerwehrmänner und unsere lieben Freunde, die Konstabler. Es wäre auch Schade gewesen, so viel Mühe umsonst gehabt zu haben: Militär consignirt, Landwehr mit Patronen versehen etc., Skandal mußte den 6. August beschließen. Wie natürlich war das Volk unter den Linden sehr zahlreich und lebhaft, aber ganz harmlos, so daß es sich nicht einmal den Witz erlaubte, wie am Samstag Abend, einen Gänsemarsch zu arrangiren. Plötzlich wird gegen halb 10 Uhr von der tapfern Bürgerwehr Generalmarsch geschlagen, und die Säuberung der Linden beginnt. Bei dieser Gelegenheit sollen nun die Schutzmänner kostbare Fänge gemacht und sich selbst übertroffen haben, unter Andern den Abgeordneten Stein von Breslau. Die Erbitterung gegen die Konstabler ist jetzt auf eine solche Höhe gestiegen, daß heute Abend wahrscheinlich Unruhen ausbrechen würden, wenn man nicht wüßte, daß die Sache in der morgenden Vereinbarungs-Versammlung zur Sprache kommen wird. Die Herren Rodbertus, v. Berg, Stein u. A. haben viel Material gesammelt; gelingt es aber trotzdem nicht auf friedlichem Wege die Konstabler (event. den Hrn. Kühlwetter, da sich derselbe mit ihnen identifizirt) zu Fall zu bringen, so wird eine gewaltsame Aufhebung dieser Schutzengel sehr wahrscheinlich.
‒ Der „W.-Z.“ wird aus Berlin vom 2. August Folgendes geschrieben: Die Unthätigkeit in Schleswig-Holstein bekundet genugsam die Absichten Preußens, die Waffenruhe so bald als möglich wiederherzustellen, da der Ostseehandel bei einer längeren Störung des Friedens seinem völligen Ruin nicht mehr entgehen kann. Preußen hat bis jetzt über vier Millionen Kriegskosten gezahlt, und darf den Verlust seines Handels, wiewohl sich derselbe immer nur annähernd wird schätzen lassen, auf wenigstens 6 Mill. Thaler anschlagen. So großen Opfern gegenüber muß die Rücksichtnahme auf die formellen Bedenken und Schwierigkeiten, wie sie von Frankfurt aus erhoben worden sind, weichen, und, wir können diese Nachricht als aus guter Quelle kommend bezeichnen, die preußische Regierung hat daher den bestimmten Entschluß gefaßt, mit Dänemark sich wegen Abschluß eines Separatfriedens in Unterhandlungen einzulassen, falls es ihm noch länger verwehrt werden sollte, selbstständig diese Unterhandlungen Namens Deutschlands zum Abschluß zu bringen. Der General v. Below hat auch dieserhalb die entsprechenden Schritte in Wien beim Reichsverweser g than, und die nothwendigen Anweisungen nach Frankfurt hin mitgenommen; nur mit einer Stimme ist ferner eine Erklärung des preußischen Staatsministeriums bei der Berathung im Schooße desselben in der Minderheit geblieben, die vom Kriegsminister v. Schreckenstein entworfen war, und offen mit Zurückziehen der preußischen Bundestruppen aus Schleswig-Holstein bei einer längeren Weigerung der Frankfurter Versammlung zu drohen beabsichtigte. England hat hier durch seinen Gesandten von Neuem die energischsten Vorstellungen wegen Herstellung des Friedens machen lassen, Dänemark hat seine Bereitwilligkeit erklärt, falls es mit Preußen allein unterhandeln kann, und Schweden hat es geradezu in einer Note ausgesprochen, daß der Reichsverweser gar keine diplomatisch anerkannte Macht sei, mit demselben also auch gar nicht in Unterhandlung getreten werden könne, und es daher so lange die Sache Dänemarks als die seinige betrachtet werde, bis nicht ungerechtfertigte formelle Schwierigkeiten mehr dem einmüthigen Verlangen nach Herstellung des Friedens entgegengestellt würden.
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@facs0358
[ !!! ] Frankfurt, [#]. August.
56. Sitzung der Nationalversammlung.
In Folge der Tagesordnung, auf der [#] 1 die Debatte über die Amnestiefrage Heckers und seiner Genossen steht, ist die Kirche außergewöhnlich voll. Man scheint den großen Scandal, der sich später wirklich zutrug, erwartet zu haben. Die linken Gallerien sind stark vertreten, die [#] im unten Kreise vorhanden. Der Präsident hat eine neue Glocke, die aber wie sich später erweist, eben so wenig ausreicht, wie die am Sonnabend zerschlagene v. Soiron präsidirt. Der edle Gazern hat nach seinem alten Kniff, weil ein Eclat zu erwarten, sich zurückgezogen. Ich gehe zur Sache. Verlesung der Beiträge zur deutschen Flotte, deren Gesammtsumme bis zum 5. August über 36,000 Gulden. Fernere Mittheilung, daß von den Deutschen aus Siebenburgen eine Gesandtschaft, und zwar Friedrich Müller und der Professor Friedrich Gentsch, an die Nationalversammlung gekommen sei, um derselben im Namen ihrer deutschen Brüder in Siebenbürgen Schriften zu überreichen: 1) eine Adresse an das Muttervolk, 2) eine Denkschrift der sächsischen Bewohner in Siebenbürgen, worin eine Beleuchtung der siebenbürgischen staatsrechtlichen Verhältnisse und ihrer Verhältnisse zu Ungarn; dieselbe wird gedruckt werden. Man geht zur Tagesordnung über.
Nachdem ein Amendement von Simon aus Trier, worin Amnestie für alle politischen Verbrecher beantragt wird, verlesen ist, spricht:
Wiedemann, Berichterstatter des Petitionsausschusses; er bringt erst eine Legion von Petitionen, unter andern von vielen badischen Gemeinden, von den Frauen und Jungfrauen aus Konstanz, von den Frauen und Jungfrauen aus Hanau, von Willich (Köln) und vielen Flüchtlingen aus Besançon, in welcher letztere u. A. gesagt wird: daß sie von den Almosen Frankreichs leben. Sie hätten diese Petition an die Versammlung geschickt, weil der Ausschuß, als Grund auf die Amnestirung nicht einzugehen, gesagt habe: von den Betheiligten selbst hätte keiner petitionirt.
Der Ausschuß beantragt über alle diese Petitionen Tagesordnung, da nur Baden das Recht habe zu untersuchen und zu bestrafen in dieser Sache, so habe auch nur Baden das Recht der Abolition. Es ist bei diesem Fall keine Veranlassung, in das Recht der einzelnen Staaten einzugreifen. Nur wenn die Einheit und Freiheit Deutschlands gefährdet, ist dies statthaft. Hier ist das Gegentheil. ‒ Baden war die Haupttriebfeder der Freiheit, der erste Grundstein zur Nationalversammlung. Die Aufständischen nennt Herr von Wiedemann einige Unzufriedene!? Wer auf jeden Fall die Republik in ein Land, welches dieselbe nicht wollte, (von der Gallerie: „das ist nicht wahr“ ‒ Gelächter) bringen wollte, ist ein Vaterlandsverräther; auf den Zeitpunkt komme nichts an. Amnestie pflegt nach allen großen Bewegungen ertheilt zu werden, auch in der letzten Bewegung ist sie ertheilt worden. Jetzt sollen wir auf's Neue amnestiren? Die Ordnung ist noch nicht wieder hergestellt. Vor allen Dingen muß das Gesetz wieder zur Anwendung gebracht werden. Später können wir vielleicht amnestiren. Die Amnestie würde zu neuen Erschütterungen reizen. (Bravo rechts. Gallerie und Linke zischen.) Hr. Wiedemann hat, um die Versammlung recht zu erboßen, den Hecker'schen Volksfreund zur Hand, und liest Paragraphen vor, aus einem Plane Struve's, zur Revolutionirung und Republikanisirung per Gewalt. Hierdurch will er beweisen, daß die Gefangenen alle noch verbrecherische Absichten haben. Bei dem einen Paragraphen, in dem es heißt, alle Mittel zu einer gerechten Sache sind gerecht, giebt die Versammlung Zeichen des Schreckens zu erkennen. v. Soiron beruhigt sie. Weiter heißt es: die Konfiskation des Vermögens der Fürsten u. s. w. ist eine Nothwendigkeit. (Halloh in der Versammlung; Gallerien Bravo. Geschrei links: „das gehört nicht hieher“.) Wiedemann liest ruhig weiter: „das gehöre hieher, man könne ja in der Debatte darauf antworten“. (Bravo und Zischen.) Der edle Redner schließt mit dem bekannten Bellinischen Rührungsschluß: „Meine Herren, wir theilen gewiß alle das Mitleid für die unglücklichen Verirrten, selbst für die Anführer, aber des Vaterlandes Wohl über Alles. (Langes Bravo, längeres Zischen.) (Auch Herr Jucho, der selbst noch vor kurzem politischer Gefangener war, klatscht lebhaften Beifall.)
Soiron unterbricht die Debatte durch Verlesung eines Antrags von Wiesner: alle politisch Angeschuldigten zu amnestiren. (Donnerndes Bravo der Gallerien, welches durch Soiron's Befehl zu schweigen nicht abgekürzt wird.) Ferner Antrag von Eisenmann und Zimmermann, man solle Amnestie erzeigen, wenn Reue gezeigt würde. In der Reihe der Redner v. Itzstein, den man mit Bravo empfängt. Man möchte, was Struve in seiner Uebertreibung geschrieben, nicht den Gefangenen zum Nachtheil gereichen lassen, wie es Herr Wiedemann zu wollen scheine; man solle beherzigen, was diese Leute leiden mußten, man solle berücksichtigen die Masse von Petitionen, worunter u. A. die rührenden Bitten von 772 Mannheimer Frauen und Jungfrauen, denen Ihre Gatten und Beschützer geraubt sind.
Uebrigens theile er im Namen Heckers mit, daß derselbe für sich kein Amnestie wünsche. (Lautes Bravo auf den Gallerien.) Man möge die Gefangenen begnadigen und die armen Flüchtlinge. Das der Wunsch Heckers. Ein Wort der Begnadigung, meint Itzstein, wird Ruhe und Vertrauen zu den Regierungen ins Volk bringen, übrigens hat das ganze Volk, nicht bloß die Badener, sich empört. (Bravo der Gallerien; rechts wünscht Einer Räumung der Gallerien.)
v. Soiron gebährdet sich wüthend, was auf den Gallerien einen komischen Eindruck macht.
Hagen von Heidelberg. Indem er für die Amnestie der Badener spricht, weiß er sehr wohl, daß er dieser Versammlung gegenüber keine leichte Sache versicht; auch er beklagt, wie Alle, den Aufstand denn dieser konnte weder zur Freiheit noch zur Einheit führen. Man muß hier nicht auf dem Standpunkt des positiven Rechts, sonder auf dem [#] stehen, sonst wären wir Alle Hochverräther (Rechts Zeichen des Entsetzens.) Dies schützt die Macht der Revolutionen vor dem System der alten Regierungen und wir sollten die, die nur eine Linie [#] gingen wie wir, nicht amnestiren wollen? Man hat gesagt, es wäre damals schon Alles zur Freiheit angebahnt gewesen, als Hecker den Aufstand erregt; aber man möge bedenken daß die Bewegung in den Geistern derer, die den Aufstand erregt, eine ganz außerordentliche war. Man glaubte, Deutschland die beste Verfassung bringen zu müssen, dies entschuldige ich! Aber ist denn die Republik die beste Verfassung wird man fragen. Viele sind hier, die sie für das Idel einer Verfassung halten. (Rechts, Gott bewahre.) Unser Volk muß damit enden, daß es die Republik erlangt. Unsere Zeit strebt zur Einfachheit und zur Natur zurück. Mag an Deutschlands Spitze stehen, was da wolle, das deutsche Volk wird nicht eher ruhen bis die Dynastien verschwunden, bis die Demokratie siegt. Auch wir würden eine leichtere Aufgabe haben, hätten wir nicht die dynastischen Interessen zu berücksichtigen. (Bravo.) Aber etwas Anderes ist der Gedanke ‒ etwas Anderes die Ausführung. Wenn der Versuch gerechtfertigt erscheint, Deutschland zu einer Republik zu machen, so muß man sich nicht wundern, daß in Baden, dem vorgebildetsten Lande, dieser Versuch zum éclat gekommen. Dieser Versuch ist mißglückt. Wäre er geglückt, dann wäre er gerechtfertigt. Hecker hat verlangt, man solle abstimmen lassen, ob Baden eine Republik wolle; dies hat der Staatsrath abgelehnt. Warum? Damals war Badens Stimmung für die Republik; man glaubte, der Rhein und Würtenberg würde sich anschließen; das war eine Täuschung, aber man bedenke, daß jene Männer von diesem Glauben überzeugt waren.
Die 33 jährige Niederträchtigkeit in der Politik, womit hat man die bestraft? Und wir sollten die bestrafen, die im ersten Freiheitsrausche einmal geirrt. (Lautes Bravo links und der Gallerien.) Man bedenke die armen Gefangenen und die Masse der Petitionen. Ich selbst habe 6 Stück hier; der Redner will eine vorlesen. (Widerspruch rechts.) Er verliest eine Petition von 6000 Heidelbergern, worin es u. A. heißt: „Man glaube nicht, daß die Majorität der Nationalversammlung eine unversöhnliche politische Partei sein werde.
Schoder aus Stuttgart durchaus gegen die Amnestirung, beklagt, daß der Redner vor ihm sich zu Gunsten der republikanischen Schilderhebung ausgesprochen; wirft einigen Koth auf Hecker. Wenn wir sie amnestiren, werden sie wieder rebelliren, das hieße, den Hochverrath sanktioniren. (Zischen.) Der große Theil des deutschen Volks würde damit unzufrieden sein. Nach der Untersuchung will Herr Schoder die Minderschuldigen begnadigen, und später vielleicht auch die Andern, wenn sie sich reuig gezeigt haben, daß sie den Willen des souveränen Volkes achten. (Bravo und Zischen.)
v. Soiron macht beschwichtigende Handbewegungen.
Simon aus Trier. Soll die politische Einigung Deutschlands immer nur zur Unterdrückung der Freiheit, zur Beförderung der Reaktion dienen? (Schallendes Bravo.) Wir sind der vollziehende Ausschuß des deutschen Volks, und trotz des Reichsverwesers muß die Competenz der Versammlung stehen bleiben in dieser Sache, da sich der Badensche Aufstand mittelbar auf ganz Deutschland bezieht. Der Bericht verwechselt vollständig Amnestie und Begnadigung. Wo hat man je eine juristische Instruktion angestellt, ehe man amnestirte.
Wir in Trier haben auch unsere Barrikaden gehabt. (Rechts Gelächter.) Sie waren ein Akt politischer Verkennung, aber trotz des Hohngelächters des Hrn. v. Vincke war es doch einmal eine militärische Volksübung im Gegensatz zu den alten Parademärschen.
Der Bericht sagt, die Herren Verbrecher wollen die Amnestie selbst nicht. Sollen sie etwa durch ihre Demüthigung dies ausdrücken? Die Metterniche und andere fürstliche politische Verbrecher sitzen in wollüstiger Ruhe auf ihren Landgütern. Die politischen Volksverbrecher modern im Kerker. (Furchtbares Bravo der Gallerien; da v. Soiron mit Räumung derselben droht, ruft die Linke, „dann wollen wir wenigstens noch einmal Bravo rufen.“ v. Soiron: „Sie geben ein schönes Beispirl.“)
In aller Welt amnestirt man und das Gesammt-Deutschland hätte kein Erbarmen? Ist denn das Verbrechen so groß? Hecker ist ein Republikaner und deren sind mehrere hier. (Tiefe Stille.) Hecker hat nur einen Rechnungsfehler gemacht.
Simon demonstrirt den Begriff von Hochverräthern, nennt sie Märtyrer der Zukunft. Daß Hecker die Versammlung habe untergraben wollen, wie Hr. Schoder fürchtet, sei nicht wahr. Hecker sei übrigens viel zu stolz, einen Sitz in der Nationalversammlung haben zu wollen, die er desavouire. Daß Baden die Republik nicht gewollt, sei nicht wahr; Fickler und Struve haben bei dem Hrn. Bundestagsgesandten Welcker auf Abstimmung hierüber angetragen. Der Hr. Bundestagsgesandte Welcker habe dies versprochen aber diesem unbefangenen Verlangen folgte die Fickler'sche Verhaftung und so blieb es allerdings etwas dunkel, was Baden gewollt. Von den 20 badischen Deputirten, die hier sitzen, sind kaum sieben vom reinsten konstitutionellen Wasser. Einer von den sieben (Hr. v. Soiron fühlt sich bestürzt) hat sogar schon einmal auf das Wohl der Repuvlik getrunken. Mathy und Bassermann sind nicht in Baden gewählt. (rechts: Persönlichkeiten, links: Bravo.) Daß diese Herren in ihrem Vaterlande nicht gewählt, ist für Hellsehende ein schlimmes Zeichen. Baden ist allerdings jetzt ruhig, aber wie? Wenn der Großherzog von Baden trotz dem Wunsche seines Volks am Ruder bliebe, so geschähe dies vielleicht von Gottes Gnaden oder aus historicher Ureigenthümlichkeit. Wenn Sie die Amnestie nicht bewilligen, werden [0359] Sie Deutschland glauben machen, daß jene 200 Demokraten Ihrem Heere von 900,000den gefährlich sein könnten. Amnestiren Sie, dann wird man glauben, daß Sie Vertrauen zur Ruhe Deutschlands haben.
Biedermann (Große Unruhe und Theilnahmslosigkeit, alle Bänke links und des linken Centrums sind fast leer: Es ist schwer, gegen die Amnestie zu sprechen. In Verlauf seiner Rede entwickelt Hr. Biedermann das Gegentheil von dem, was Simon auseinandergesetzt hat. Er meint mit sanfter Stimme, das Loos der Gefangenen wäre sehr traurig, aber man könne jetzt nicht amnestiren.
Wiesner: Es freut mich daß endlich der Augenblick gekommen ist, wo ich in dieser Sache sprechen kann, um die Ehre des Hauses zu retten, welches nicht sichten will, was jene Tausende von Petenten da draußen langst gefühlt haben. Wie war es zu den Zeiten der Freiheitskriege wo die hochgestellten Verräther die die Festungen des deutschen Volkes dem Feinde übergeben hatten, pensionirt und mit Aemtern versehen wurden war das nicht mehr als Amnestie für Vaterlandsverräther. In Dahlmann's Geschichte von England können Sie sogar sehen, wie zur Zeit politischer Schwankungen das Ober- und Unterhaus nicht blos für politische Verbrecher der Vergangenheit, sondern auch für zukünftige politische Verbrecher Amnestie dekretirte. Ich statte Hr. Dahlmann meinen Dank für dieses kostbare Datum ab. (Man sieht unter großem Hohngelächter auf Hrn. Dahlmann.) Nach geschichtlichen Beweisen für die Amnestie kommt er auf den Standpunkt der Gerechtigkeit, welche Amnestie erheischt.
In der badischen Kammer hat Hr. Andlaw beantragt, gewisse Herren in der Nähe des Großherzogs zu verhaften, weil sie mit Hecker unter einer Decke stächen; dies hat man nicht gethan. Mit dem badischen Volk ist man anders verfahren. Das badische Freiheitsparadies, worein ich geflohen, als ich es in meinem Vaterland nicht mehr aushalten konnte, ist zu einem großen Kerker geworden. Und was den Einwurf der Unzeitigkeit jener Revolution anbelangt, so haben wir in Wien auch nachdem sie bereits tagten, Revolutionen gemacht. Werden Sie deshalb die Wiener verhaften wollen? (Langes Bravo.)
Warum wollen Sie die Badener bestrafen, weil dieselben revolutionirt, als sie schon hier tagten. In Berlin hat man dem Prinzen, den man erst steinigen wollte, nach einigen Tagen die Hand geküßt. So vergießt das Volk seine Beleidiger. Und Sie wollen sich auf die alten Hofrathsgesetze berufen? (Langes lautes Bravo). Nächstens kommt auch von uns aus Wien eine Riesenpetition, um Einberufung Heckers und Amnestirung der badischen Republikaner. Versöhnen Sie sich durch diese Amnestie mit der deutschen Nation. Wenn Sie der Untersuchung freien Lauf lassen, werden zum Nachtheil der Regierungen Dinge ans Licht kommen, die besser mit sieben Siegeln bedeckt werden. (Bravo).
Edel aus Würzburg bemüht sich vom höhern politischen Gesichtspunkt aus (d. h. vom Edelschen) zu beweisen, daß jetzt noch keine Amnestie möglich. Er schreit: was treiben wir Spiel mit dem Bürgerblut.
Baden würde schon amnestiren, wenn es Zeit. Er ist für den Antrag des Ausschusses.
Brentano Ich bin stolz darauf hier auszusprechen, daß ich ein Freund Heckers bin. (Hohngelächter und Bravo).
In dem Schreiben der badischen Regierung wagt es ein Minister den Hecker, der in dem Herzen des größten Theils des deutschen Volkes lebt, einen Landesverräther zu ernennen! (Da Hr. Brentano im Eifer der Rede die Stimme überschnappt, äfft man ihm rechts den Ton seiner Stimme nach und begleitet diese Kinderstreiche mit höhnischen Bravos, dagegen links und Gallerien ein wahres Beifallsgedonner. Soiron sucht die Bewegung mit seinen Händen niederzuhalten, wobei er sich gebärdet, wie eine Hebamme bei einem schweren Accouchement). Man hat auch Baiern, Hessen, Würtemberger in das Gefängniß zu Bruchsal abgeliefert, also falsch sagt der Berichterstatter, daß nur die badische Regierung Amnestie ertheilen könne. Von Gründen des Rechts könne man bei Amnestie nicht sprechen. Dieselbe bezieht sich ja auf Rechtsverletzungen. Hecker war unter den ersten, die die badensche Regierung auf den Weg der Freiheit führten. (Rechts ruft man unverschämt nach Schluß, Links: Ruhe). Baden hat noch gar keine freien Institutionen; es kommen dort noch schreckliche Dinge vor. So hat erst am 8. April ein Privatmann (Mathy, Minister in spe) gewagt, einen badischen Staatsbürger zu verhaften. (Von vielen Seiten Pfui, Pfui!! von der Gallerie: Pfui Teufel!! Man sieht nach Mathys Platz, der diese Pille hinunterschluckt). Deshalb und wegen vielen andern Dinge hat sich das badensche Volk empört. Man hat die deutschen Republikaner, die aus Frankreich kamen, sogar auch in unserm Ausschuß fremde Zuzügler genannt. (Rechts Hohngelächter, man schaart sich um den Hrn. v. Vincke. Gallerien Bravo). Ich würde den Hecker und den andern Männern meine Verachtung ins Gesicht werfen, wenn sie ihrer Gesinnung untreu, die Zahl der politischen Renegaten vergrößern wollten.
Früher amnestirte man das arme Volk bei Accouschements von Prinzessinnen, Sterbefällen von Königen, und andern großen Ereignissen, so amnestiren Sie denn heute meine Herren, wegen des für das deutsche Volk wichtigen Ereignisses einer Centralgewalt und wegen der Ankunft des Reichsverwesers. Im Badenschen Oberland ist kein Haus, wo man nicht jammert, kein Haus, dessen Wohlstand nicht ruinirt ist, durch die Verhaftung der männlichen Stützen desselben. In Galizien und in Posen zum zweiten Male wird man nächstens Amnestie aussprechen, stehen Sie nicht zurück. Hat man den Prinzen von Preußen amnestirt, warum soll man das arme badische Volk nicht amnestiren?
Bei diesen Worten erhebt sich rechts leises Getrommel, welches sich, unterstützt durch schnaubendes Wuthgeschrei der preußischen Aristokraten und Militärs, bald zu donnerähnlichem Getöse erhebt. Man stampft und tobt wie in einem Pferdestall. Als Ergänzung erhebt sich links und auf den Gallerien ein erschütterndes Klatschen und Bravogeschrei. Rechts will man Herrn Brentano hinausschmeißen, links schreit man „weiter sprechen,“ von Soiron sucht vergeblich nach Würde, um den Sturm zu beschwören. Der Gott der Stürme ist nicht anwesend. von Soiron schreit man solle den Redner den Passus noch einmal wiederholen lassen, er hätte ihn nicht genau verstanden und wüßte nicht was er thun solle. Dies erneut den Sturm, der zu einem vollständigen Orkan heranwächst. Alle Patrioten rechts springen von ihren Plätzen und stürzen nach der Tribüne, um den Redner zu prügeln, (?) links stürzt man zu seinem Schutz herbei, unter der Tribüne (auf der Brentano ruhig stehen bleibt) stoßen unter furchtbarem Accompagnement der Gallerien als Orchester die beiden Parteien zusammen, von Vinke mit seinen Patrioten einerseits, Simon aus Trier, Schaffrath, Rösler und die Linke andrerseits demonstriren mit geballten Fäusten einander in's Gesicht. Man glaubt jeden Augenblick die Keilerei der deutschen Volksvertreter beginnt. von Soiron setzt seinen berühmten Strohhut (Winzerhut) auf, und stürzt in völliger Kopflosigkeit unter unverständlichem Gebrüll, woraus ich entnehme, daß er nicht weiß was er thun soll, von dem Präsidentenstuhl herunter, und sammt dem Büreau zum Tempel des deutschen Volks hinaus. Die Rechte und Linke, unter starrem Entsetzen der Centren und fortwährend erneutem Gebrüll der Gallerien, fahren fort sich einander anzubrüllen und um die Tribüne eine köstliche Komödie aufzuführen. ‒ Nach und nach leert sich die Kirche. Die Sitzung ist zwar nicht aufgehoben, aber sie hat ein Ende. Kein Präsident läßt sich sehen. Vor der Kirche erneuern sich einzelne erbauliche Szenen derselben Art. Durch alle Straßen, die ich bis zu meinem Hause passirte große Aufregung.
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@facs0359
Frankfurt, 8. Aug.
In der heutigen 57. Sitzung der verfassunggebenden Reichsversammlung wurden mehrere auf den gestrigen Vorfall bezügliche Anträge verlesen. Einer derselben bezweckte, daß der Abgeordnete Brentano wegen seiner gestrigen Aeußerung zur Ordnung gerufen werde. Vicepräsident v. Soiron als Vorsitzender sprach den Ordnungsruf aus. Die Linke protestirte dagegen, weil die Anträge vorher diskutirt und Brentano's Vertheidigung gehört werden müsse. In Folge des hierüber entstandenen Tumults wurde die Sitzung auf eine Stunde suspendirt. Nach Wiedereröffnung derselben wiederholte v. Soiron den Ordnungsruf unter erneuertem Protest der Linken und gab dann Brentano das Wort zur Fortsetzung seines gestrigen Vortrags. Als Brentano die Rednerbühne betrat, erhob sich stürmischer Beifallsruf. Der Präsident ließ nunmehr die Gallerie und sämmtliche Zuhörerräume leeren. Auch die Journalisten mußten abtreten. Mehrere Mitglieder der Linken protestirten gegen die Fortsetzung der Sitzung in Abwesenheit des Publikums, da eine geheime Sitzung nur auf Antrag von 50 Mitgliedern stattfinden könne. Andererseits wurde behauptet, daß durch die Entfernung des Publikums, die dem Präsidenten nach der Geschäftsordnung zustehe, die Sitzung keineswegs eine geheime sei. Auf Antrag Zimmermann's von Spandau wurden die Journalisten wieder zugelassen, die Zulassung des Publikums aber mit 380 gegen 91 Stimmen verworfen. ‒ Nachschrift. 3. Uhr. Die Nationalversammlung hat über die Petitionen um Amnestie mit 317 gegen 90 Stimmen die motivirte Tagesordnung beschlossen.
[(Fr. J.)]
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@facs0359
[ * ] Mainz, 8. August.
In dem Urtheil, welches in Betreff Schöpplers und der andern Angeklagten gefällt worden, befindet sich auch folgende Stelle:
„Dem Polizeistrafrichter aber steht es nicht zu, aus seiner blos „richterlichen Sphäre heraus und das Gebiet des Gesetzgebers zu „betreten, und etwa aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und „Ruhe oder, indem er sich auf einen politischen Stand„punkt stellt, willkührlich das Strafgesetz zu er„gänzen, wenn sich eine Lücke darin darbietet.“
Das könnten sich gar viele Leute, nämlich Beamten, auch außerhalb Mainz zu Herzen nehmen.
Uebrigens soll gegen oben erwähntes Urtheil Appell eingelegt worden sein. Es frägt sich also, ob der hier ausgesprochene Grundsatz auch in zweiter Instanz anerkannt werden wird.
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@facs0359
Augsburg, 6. August.
Heute Morgen um 81/2 Uhr etwa stellten sich die Truppen auf dem Frohnhof auf, um dem Reichsverweser ihre Huldigung darzubringen: Chevauxlegers, ein Regiment Infanterie, zwei Kompagnien Artillerie; sie bildeten ein Viereck von dem die eine Seite nicht geschlossen war. Im Viereck standen die Offiziere, die von dem Militär eingeladenen Civilbeamten, Deputationen der Landwehr und des Freikorps. Nachdem zu den Soldaten einige Worte gesprochen waren, wurden drei Hoch ausgebracht: dem König, dem Reichsverweser, dem deutschen Vaterlande, alle drei so schwach, daß etwas entfernter Stehende sie kaum vernommen haben.
[(A. Z.)]
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@facs0359
Dessau, 4. Aug.
Nachdem am 2. August die Nationalversammlung in Frankfurt a. M. die Abschaffung des Adels abgelehnt hat, welche Nachricht heute hier bekannt wurde und in so manchem bang schlagenden Herzen freudigen Trost hervorgerufen haben mag, kam in der heutigen Sitzung unseres konstituirenden Landtags der Antrag des Abgeordneten v. Prüschenck auf Abschaffung des Adels zur Berathung. Nachdem die Abgeordneten v. Braunbehrens und Imme dagegen, die Abgeordneten v. Behr, Fiedler, Habicht, Hölemann, Janasch, Patzig, Sander, Schilling, dafür gesprochen hatten, wurde der Antrag in drei Theile getheilt und namentlich abgestimmt, nämlich: 1. Der Adel wird hiermit abgeschafft. Einstimmig angenommen. 2. Alle zur Bezeichnung des Adels dienenden Ausdrücke verlieren ihre Bedeutung. Einstimmig angenommen. 3. Und dürfen nicht mehr gebraucht werden. Mit 18 gegen 13 Stimmen, also mit einer Mehrheit von 5 Stimmen angenommen.
[(D. A. Z.)]
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@facs0359
[ * ] Braunschweig, 4. August.
Der Herzog ist vom Volke gezwungen worden, den Befehl, dem Reichsverweser nicht, zu duldigen, zurückzunehmen, sich selbst zu widerrufen und zu desavouiren. Hätte er das nicht gethan, so wäre er aller Wahrscheinlichkeit nach aus dem Lande gejagt worden und hätte sich ein Quartier in London miethen können.
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@facs0359
[ 16 ] Prag, 4. Aug.
So eben wird eine „Kundmachung“ des Fürsten Windischgrätz an allen Ecken angeschlagen. Sie enthält die Erklärung, daß laut Ministerialbefehl die Militär-Kommission aufgelöst und Akten und Gefangene dem zuständigen Kriminalgericht übergeben sind. Dann enthält sie einige Notizen über die angebliche große Slavenverschwörung. Zuerst haben Gefangene ausgesagt, daß man Windischgrätz nach dem Leben getrachtet; daß man sich bewaffnet, Pläne der Stadt, des Schlosses etc. entworfen, daß man sogar Kanonen verlangt; daß man die Arbeiter aufgefordert, sich an einem etwaigen Kampf zu betheiligen: daß man am 13 Juni in Krakau (!) Zettel vertheilt mit den Worten: 15. Juni, Achtsamkeit, Vorsicht, zu Hause sitzen! ‒ daß man das Landvolk aufgefordert, die Roboten zu verweigern und sich zu bewaffnen; und andre längst bekannte Geschichten.
Dann folgt die Aussage eines „geständigen Verschworenen, die wir vollständig geben, damit unsere Leser zugleich eine Probe von dem Deutsch des tapfern Czechenfressers erhalten.
Inquisit sagt aus: „Zu Ostern 1847 wurde er zu Eperies in Ungarn mit mehreren polnischen Emigranten bekannt, welche ihn in ihre Gesellschaft aufnahmen, deren Hauptplan gewesen, ein großes slavisches Reich, aus Kroatien, Slavonien, Serbien, den Slowacken in Ungarn, Böhmen, Mähren, Schlesien und östereichisch Polen zu bilden, das eigentliche Ungarn verschwinden zu machen, sich von Oestreich loszureißen, und im ungünstigsten Falle aber den Russen zu unterwerfen. Ueber die Form des neuen Reiches, ob nämlich Königreich oder Republik, war man noch mit einem fremden Staate in Korrespondenz. Der Plan sollte im Jahre 1850 verwirklicht werden und die Revolution zugleich in Agram, Prag, Krakau und der Umgebung von Preßburg, bei den Slowacken ausbrechen.
Nachdem jedoch im Februar l. J. in Paris die Republik proklamirt war, wurde beschlossen, die Revolution an den genannten vier Orten noch im Jahre 1848 ausbrechen zu machen. Zu diesem Behufe wurden in den verschiedenen Ländern Centralisationen errichtet, denen eigne Chef's vorstanden, und die ihre Korrespondenz, theils mit Chiffern, theils mit chemischer Tinte führten. Die Namen der meisten dieser Chefs sind bekannt. Flugschriften sollten das Landvolk aufreizen, was auch in Ausführung gebracht worden ist. ‒ Inquisit gibt an, mehrere Male als Emissär an verschiedenen Orten Galiziens verwendet worden zu sein. In Lemberg beauftragte man ihn, im Frühjahr nach Prag zu gehen und Waffen mitzunehmen, nachdem bereits Alles vorbereitet, und es bald losgehen werde.
In Prag angekommen erhielt er eine Eintrittskarte in die slavische Beseda, wo gegen die Regierung und gegen das Militär aufreizende Reden gehalten wurden.“
Dann heißt es weiter:
Außer den Sitzungen im Kongresse waren noch an verschiedenen anderen Orten geheime Sitzungen gehalten. Alle Verhandlungen deuteten jedoch dahin, daß der Ausbruch gleich nach Pfingsten erfolgen werde, und man hörte Reden, in denen es hieß: Daß die Prager den Wienern nicht nachstehen dürften, daß die Studenten um dem Militär mehr zu imponiren, Waffen, selbst Kanonen bekommen müßten, und daß man zu deren Bedienung schon die erforderliche Anzahl Leute bereit und im Solde habe; daß die Errichtung der Barikaden bereits eingeleitet, daß man mit Munition hinlänglich versehen ist, aber noch nicht losschlagen könne, weil es noch nicht an der Zeit sei, die Swornoster noch auf dem Lande sind, um den Bauer gehörig zu bearbeiten, ihn aufzuwiegeln, und zum Landsturme gegen Prag zu bewegen etc.
Was sagen Sie zu diesem Produkte einer zweimonatlichen Untersuchung, was zu der schönen Logik, mit welcher man aus diesen Aussagen eine Verschwörung heraus zu klauben sucht? Wenn die Untersuchungskommission ihre Aufgabe damit gelöst glaubt, daß sie heraus zu bekommen suchte, ob die Sache vorbereitet oder nicht war, so hatte sie wahrlich nicht so viel Zeit dazu gebraucht, beim daß es binnen kurzem zu einem Zusammenstoß mit der bewaffneten Macht kommen mußte, war leicht voraus zu sehen, indem der Fürst Windischgrätz der Bürgerschaft reine Garantieen für die errungenen Freiheiten durch eine vollständige Bewaffnung geben wollte während seine militärischen Anstalten eben so gut an einen Angriff von seiner Seite als auf Vertheidigungsmaßregeln hätten schließen lassen, und die Hartnäckigkeit, mit welcher dem Kaiser und der Regierung in Wien jede Freiheit abgetrotzt werden mußte, die anerkannte aristokratischen Denkungsakt des Hrn. Windischgrätz, gaben vollends keine Bürgschaft für seine Absichten. Ein jeder sagte es sich, daß über kurz oder lang ein Zusammenstoß statt finden müsse und daß es bei keiner Gelegenheit an Schmeicheleien für Windischgrätz fehlte, ist eben kein Wunder. Ueber die Art und Weise, wie der Kampf entstand, habe ich Ihnen schon früher berichtet und überlasse es den Ansichten der Leser, ob sie aus dieser Kundmachung eine Verschwörung heraus finden können.
Graf Buquoi, das Haupt der „Verschwörer und Bartholomäusnächtler“ ist vor einigen Tagen als völlig unschuldig in Freiheit gesetzt worden und befindet sich auf seinem Gute Rothenhaus, um seine im Kerker angegriffene Gesundheit wieder herzustellen, und so eben vernehmen wir, daß ein Ministeralerlaß die Freilassung des Dr. Brauner decretirt.
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@facs0359
Wien, 2. August.
Sie haben gewiß in dem Abendblatt der „Wiener Zeitung“ vom 1. August gelesen, daß Se. Majestät dem Grafen Brandis, Exgouverneur von Tyrol, das Großkreuz des Leopoldordens „als Beweis Allerhöchstihrer Gnade“ persönlich überreicht hat. Man ist hier über diesen offenbaren Trotz der öffentlichen Meinung gegenüber, welche denselben Grafen Brandis in höchster Ungnade von seinem Posten gestürzt und unschädlich gemacht hat, nicht wenig erstaunt. Man beklagt aufs tiefste den Wahnsinn der Camarilla, welche die Anhänglichkeit an die Person des Monarchen im Volke mit aller Gewalt durch ihre rasenden Rathschläge zu vernichten sich bemüht. Das ist eine offenbare Beleidigung unseres Ministeriums und dieses hat den unklugen Schritt in Innsbruck damit desavouirt, daß es die Nachricht nicht in den amtlichen Theil, sondern hinten als Auszug aus dem „Tyroler Boten“ brachte. O beklagenswerthe und unheilvolle Spaltung!
[(C. B. a. B)]
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@facs0359
Wien.
Sitzung des konstituirenden Reichstags am 4. August.
Vorsitz: Vicepräsident Strobach.
Violand: Ich erlaube mir, an den Minister des Innern eine Frage zu stellen von höchster Bedeutung. Ich muß zuvor auf einen Vorgang, der viel frühere Zeit stattfand, aufmerksam machen und erinnere an den 26. Mai, nach welchem Montecuccoli sich in Pläne eingelassen, die mit denen der Reaktion in genauer Verbindung zu stehen schienen, und nach der allgemeinen Ansicht des Volkes zum Anlaß haben sollten, die Errungenschaften des 15. Mai aufzuheben. Montecuccoli entfloh von Wien, und würde sich als Bannerträger der Reaktion bei einer Rückkehr der größten Gefahr aussetzen. Zum Erstaunen meiner ganzen Partei erfahren wir in einer Proklamation, daß Montecuccoli Staatsminister, und beauftragt sei, die Administration der Lombardei zu leiten. Ich frage, ist Montecuccoli Minister, und ist er Minister, ist er verantwortlich oder unverantwortlich? Wenn er Minister ist, hat die Ernennung durch Contrasignirung des Ministeriums stattgefunden? Ist er durch dasselbe nicht anerkannt, so ist er absoluter Minister; durch einen absoluten Minister und eine absolute Verfahrungsweise muß nothwendig eine Trennung der Lombardei von uns stattfinden. Wurde er unter dem alten Ministerium ernannt, wie konnte er nach dem 26. Mai belassen werden? Wenn die Trennung bestünde, und nach der Wiedereroberung zum Schein oder gar nicht konstitutionelle Formen eintreten würden, wüßte man, wie es kommt, daß wir Eingriffe in die Freiheit eines Volkes machen wollten!
Dobblhof antwortet, daß Montecuccoli im Februar ernannt wurde, und die Mission hatte nach Italien zu reisen, da der Vicekönig in seinem damaligen erweiterten Wirkungskreise Jemanden benöthigte, der mit den Verhältnissen des Landes vertraut sei, um Klagen und Beschwerden beizulegen. Montecuccoli sei in einer Kategorie welche er nicht anerkenne, und sein Titel sei eben nur ein Titel, welchen er aber zu seinem Erstaunen gelesen. Der Erlaß sei ihm auch nur auf dem Privatwege zugekommen und er könne ihn nicht billigen, da es jedenfalls zu unangenehmen Auslegungen Anlaß gebe. Es kann von einer solchen Stellung, wie bemerkt, für sich ein Ministerium in Italien zu gründen, was jedenfalls eine Trennung der Lombardei zufolge hätte, keine Rede sein. Er vermuthe, daß Montecuccoli sich diesen Titel nur beigelegt habe, um sich mehr Gewicht zu verleihen, denn er sei blos als Kommissär nach Italien geschickt worden. Er schließt damit, daß es sich hier jedenfalls um eine provisorische Verfügung handelt für die Zeit des Krieges. Eine weitere Dauer kann dies nicht haben, er erinnert an den Inhalt der Thronrede, in welchem Sinne auch eine Zusicherung an die Höfe gegangen sei, und er sei überzeugt, man werde die Zusicherung gewissenhaft erfüllen.
Pillersdorff erhebt sich und meldet, daß die Ernennung auch nicht in die Zeit seines gewesenen Ministeriums falle, sondern ihr vorangegangen sei. Hierauf wiederholt er ganz die Aussagen des Ministers Dobblhof sehr weitschweifig.
Der Minister des Innern erklärt ferner, daß er noch Aufklärung über Montecuccoli sich verschaffen werde und nur mit dem Vorbehalte, daß alle Bedenken gegen Montecuccoli in Betreff des 26. Mai vor das Haus kommen, ist er zu dessen vorläufiger Belassung entschlossen.
Hierauf Berathung der Geschäftsordnung.
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@facs0359
[ * ] Wien, 4. August.
Dr. Adolf Fischhof ist zum Ministerialrath im Ministerium des Innern ernannt worden. Damit ist die Emancipation der Juden in Oestreich, die noch hier und da in Zweifel gestellt ward, faktisch entschieden. An Stadiòn's Stelle ist Wenzeslaw v. Zaleski zum Gouverneur von Gallizien mit Einschluß des krakauer Kreises und Bder ukowima ernannt. Das Ministerium hat den Grundsatz öffentlich ausgesprochen, daß die Aufhebung der Convikte eine für die Reform des Unterrichts unerläßliche Maßregel ist. Es hat diesen Grundsatz nicht nur bereits anerkannt und ausgesprochen, sondern befolgt und Schritte gethan, ihn ins Leben einzuführen.
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@facs0359
[ * ] Schweidnitz, 6. August.
Der Magistrat hat eine amtliche Wiederlegung der von der reaktionären Partei und vom Militär verbreiteten Lügen über den Schweidnitzer Massacre veröffentlicht. Wir entnehmen ihr die hauptsächlichsten Stellen. Als die Katzenmusik in Fenstereinwerfen am Hause des Kommandanten überging, beschloß der auf dem Schauplatz des Excesses anwesende Bürgermeister die Signalisirung des Zusammentritts der Bürgerwehr, „was durch Loslösung des Schlagwerks der Thurm-Uhr am Rathhause verabredet, und wovon die Kommandantur schon unterm 8. Mai c. in Kenntniß gesetzt worden ist.
Während dieses Signals zog sich das Volk vom Kommandanturhause zurück, da eine Kompagnie Militär dasselbe besetzte, so [0360] daß gegen 3/4 auf 10 Uhr der Exceß als behoben zu betrachten war.
Die Bürgerwehr war auf ihren Allarmplätzen angetreten. Jetzt ließ, warum, leuchtet nicht ein, der Kommandant noch Generalmarsch schlagen und nach kurzer Zeit, als der Straßen-Exceß vollständig beruhigt war und das Volk nur noch in Gruppen auf dem Markte zusammenstand, erschien unter Sturmschrittschlag die 11. Kompagnie des 22. Infanterie-Regiments. Nachdem dieselbe auf der Peterstraße scharf geladen, darauf die nordöstliche Seite des Rathhauses passirt, und durch einen Aufmarsch eine schräge Front nach dem Paradeplatz zu genommen hatte, gab dieselbe, ohne irgend eine Aufforderung zum Auseinandergehen, Feuer. Mannschaften von der auf dieser Marktseite aufgestellten Bürger-Kompagnie und neugierige Zuschauern wurden von den Kugeln niedergeworfen und die Häuser der nordwestlichgelegenen Marktseite betroffen, so daß die Kugeln in Fenster und Thüren eindrangen.
32 Personen, unter welchen eine schwangere Frau, die tödtlich in den Leib getroffen, sind verwundet, 8 davon bereits gestorben.
Hierdurch widerlegt sich die Anführung in dem Eingangs bezeichneten Correspondenz-Artikel: daß die Aufforderung der Kommandantur an die Polizeibehörde und an den Bürgermeister ohne Erfolg geblieben, und dieser den Kommandanten aufgefordert Truppen zur Wiederherstellung der Ruhe ausrücken zu lassen. Eben so geht daraus hervor, daß das Signal zum Zusammentritt der Bürgerwehr nicht durch das Läuten der Glocken, sondern durch das fortwährende Schlagen der Uhr am Rathsthurm gegeben, und daß dieses Zeichen dem Kommandanten bereits am 8. Mai c. bekannt gemacht worden ist. Wenn also die Truppen von diesem Signal wirklich keine Kenntniß gehabt haben, so liegt die Schuld nur allein an dem Kommandanten.
Ob Insulten oder Steinwürfe auf das anrückende Militär, ob die Verwundung eines Offiziers durch einen Bajonettstich, so wie ob das Fallen von Schüssen aus einem Hause stattgefunden, muß die eingeleitete Untersuchung näher ergeben. Viele Augenzeugen versichern, daß sie von Alledem nichts gesehen und gehört haben.
Schweidnitz, den 4. August 1848.
Der Magistrat und die Stadtverordneten.
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[ * ] Apenrade, 6. Aug.
Eine dänische Fregatte kam gestern auf unsere Rhede mit Parlamentairflagge. Ein Parlamentair wurde abgeschickt; man fuhr ihm jedoch entgegen und nahm die Depesche ab, ohne ihn landen zu lassen. Die Depesche, nach Einigen an einen hiesigen Kaufmann, nach Andern an die Stadtobrigkeit adressirt, wurde von Wrangel unerbrochen zurückgeschickt. Der Zweck der Anwesenheit der Fregatte war offenbar, unsere Batterien zu rekognosciren. ‒ Einige Bataillone Preußen sind wieder nach Norden abmarschirt. ‒ Feierlichkeiten zu Ehren des Reichsverwesers haben bis jetzt, 4 Uhr Nachmittags im hiesigen Hauptquartier nicht stattgefunden.
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@facs0360
Luxemburg, 3. August.
Vom 1. d. ab erscheinen die Luxemburger Zeitungen ohne Stempel; ein Duodezstaat gibt also ein Beispiel, welches hoffentlich in dem großen Deutschland baldige und allgemeine Nachahmung finden wird.
Italien.
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Edition: [Friedrich Engels: Italien. 10. August 1848. In: MEGA2 I/7. S. 566.]
Frankfurt, 7. Aug., 5 Uhr Abends.
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@facs0360
Edition: [Friedrich Engels: Italien. 10. August 1848. In: MEGA2 I/7. S. 566.]
[ * ]
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@facs0360
Edition: [Friedrich Engels: Italien. 10. August 1848. In: MEGA2 I/7. S. 566.]
[ * ] Verona, 2. Aug.
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Edition: [Friedrich Engels: Italien. 10. August 1848. In: MEGA2 I/7. S. 566.]
[ * ] Verona, 4. Aug.
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Edition: [Friedrich Engels: Italien. 10. August 1848. In: MEGA2 I/7. S. 566.]
[ * ] Rom, 29. Juli.
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Schweiz.
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@facs0360
[ 4 ] Zürich, 6. August.
Alle Kantone, welche sich bis jetzt durch ihre Großen Räthe für die Annahme der neuen Bundesverfassung ausgesprochen haben, haben dieses nie gethan, ohne ihre Großmuth erklecklich zu rühmen, ihre Uneigennützigkeit, mit welcher sie dem gemeinsamen Wohl der Eidgenossenschaft so erhebliche Opfer brächten, sowohl materielle, als auch in Bezug auf die Kantonalsouverainität. Letzteres hätte allenfalls einige Bedeutung für die Herren, die an der Regierung sitzen und deren Schimmer natürlich etwas erbleicht, wenn die Selbstherrlichkeit der Kantone auch nur ein weniges beschränkt wird. Materielle Opfer aber wollen alle Kantone ohne Ausnahme gebracht haben, wenn sie die neue Bundesverfassung annehmen, alle ohne Ausnahme; und gerade in materieller Beziehung hat man es der neuen Verfassung so vielfach nachgerühmt, wie Handel, Gewerbe und Industrie durch das freie Niederlassungsrecht, Centralisation der Posten und Zölle, erleichterten Verkehr u. s. w. gewinnen würden. Daß dieses im Allgemeinen für die Schweiz der Fall sein werde, gibt man zwar auch jetzt noch unbedingt zu, denn es liegt zu sehr auf der flachen Hand; für sich selber aber will jeder Kanton durchaus dabei im Nachtheil sein. Man muß die Schweizer kennen. Für's erste glauben es sehr Viele wirklich selber, daß sie Einbußen erleiden, denn, wie ihr Blick überhaupt immer nur auf das Nächste
(Siehe den Verfolg in der Beilage).
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@facs0360
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Zuruf des demokratisch-sozialen Vereins zu Kassel an die Demokraten Badens und Würtembergs.
Die konstitutionelle Monarchie beginnt ihre Lorbeeren zu sammeln. Minister, welche das Volk geboren, auf seinen Schultern emporgetragen hat, heben die Hand auf gegen die Volkssouverainität und stempeln sich zu Vatermördern. Die Zeiten der Ausnahmegesetze, der Demagogenriecherei, der Hochverrathsprozesse nehmen bereits wieder ihren Anfang. Unter nichtigen Vorwänden, unter Vorwänden, welche an die Brutalität des deutschen Bundes erinnern, hat man Eure Vereine aufgelöset.
Eure Minister sind vorschneller selbst als der alte Bund, vorschneller als die alte Polizei. Drei Monate sind erst verflossen, seit die Revolution über Deutschland zieht, und nach drei Monaten wird schon wieder die Grundlage aller Freiheit, die freie Vereinigung, mit Füßen getreten. Die Reaktion geht mit Riesenschritten.
Mitbürger! Freunde! Keinen Schritt zurück! Der Gewalt gegenüber Fuß an Fuß! Das Band ist zerschnitten, die Form gebrochen, aber der Geist wird mächtig bleiben. Der Geist der Wahrheit und des offenen Männerwortes wird den Sieg davon tragen. Das deutsche Volk wird nicht elend genug sein, seine Revolution und seine Ehre zu verrathen.
Brüder, unsern Handschlag! unsern Brudergruß!
Der demokratisch-soziale Verein.
In dessen Namen: Das Comite.
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@facs0360
Zur Warnung für Alle welche Lust haben sollten mit der Eisenbahn von Mülheim nach Köln zu fahren.
Vorgestern (Sonntag) Abend begab sich eine Gesellschaft von vier Herren, zwei Damen und zwei Kindern nach der Mülheimer Station, um mit dem letzten Bahnzuge der um 7 Uhr 57 Minuten dort vorbeikommen soll, nach Köln zu fahren. Das Bureau war noch nicht einmal geöffnet als sie eintrafen. Die blieben im Wartesaal und nahmen rechtzeitig ihre Billets zur zweiten Klasse. Der Zug kommt, etwa 10 Minuten zu spät an. Die ganze im Wartesaal befindliche Menschenmenge ‒ stürzt durch die jetzt erst geöffnete Thür in den Bahnhof. Unsre Gesellschaft fragt nach der zweiten Klasse und wird ans Ende des ziemlich langen Zuges gewiesen. Sie eilt an einer Reihe Güter- und Gepäckwagen vorbei, findet aber nur einen Wagen dritter Klasse und wird vom Schaffner nach der Spitze des Zuges zurückverwiesen, ohne daß dieser irgend eine Bemerkung dabei macht. Die Gesellschaft eilt also zurück; aber kaum an den Güterwagen vorbei, sieht sie zu ihrem Erstaunen den Zug sich in Bewegung setzen. Ein Schaffner spedirt drei Herren und ein Kind eiligst in einen schon dahinrollenden Wagen, die übrigen bleiben zurück. Sie beschweren sich, man antwortet das sei schlimm, aber der Zug halte in Mülheim nur Eine Minute! Man erbietet sich das Fahrgeld zurückzuzahlen; da aber die Billets der beiden Damen in Händen des einen, auf dem Zuge befindlichen Herrn ist, so wird nur das Billet des einen Herrn ausgezahlt. Dieser verlangt das Beschwerdebuch; das Beschwerdebuch ist nirgends zu finden. Sie gehen nach Mülheim zurück und müssen einen Wagen nehmen um nur noch denselben Abend nach Köln zurückzukommen.
Es ist im Interesse des Publikums zu erfahren, daß der Zug nur Eine Minute in Mülheim hält ‒ und gestern hielt er nicht einmal eine Minute! daß er weiter fährt ohne Rücksicht darauf ob Alles aus- und eingestiegen ist; daß bei dieser unerhörten Eile auf einer sonst so schläfrigen Bahn die Passagiere und namentlich ältere Personen und Kinder ihr Leben oder ihre Glieder riskiren wenn sie mit dem Zuge noch fortkommen wollen; daß die Schaffner genöthigt werden, die Reisenden mit Verletzung alles Anstandes und ohne Rücksicht darauf wohin sie fallen, in die Wagen zu stoßen.
Schreiber dieses ist in den verschiedensten Ländern Europas auf Eisenbahnen gefahren, die theilweise doppelt so rasch gehen wie die löbliche Köln-Mindener; aber ein ähnliches Verfahren ist ihm nirgends vorgekommen. Wenn die löbliche Direktion den Zug nicht so lange in Mülheim halten lassen kann als die Reisenden zum Ein- und Aussteigen nöthig haben, so lasse sie ihn lieber ganz vorbeifahren. Da weiß das Publikum wenigstens woran es ist.
Die Redaktion nimmt diese Reklamation um so lieber auf, als sie alle ihre Kräfte aufbieten wird, daß nicht an die Stelle der gestürzten Büreaukratie des Staats, eine Büreaukratie des Geldsacks trete, die das Publikum noch viel ärger plackt und chikanirt, weil sie nirgends zu vermeiden ist, und sich aller Kommunikationsmittel, Eisenbahnen, Dampfschiffe, Omnibus, Droschken etc. bemächtigt.
Die Redaktion hat noch andere Nachrichten über die löbliche Köln-Mindener Eisenbahn erhalten. Sie ist bereit dies rühmliche Institut einmal in seiner ganzen Glorie aufzudecken, und ersucht daher Jedermann der ihr darüber Mittheilungen und Reklamationen machen oder Dokumente übergeben kann, dies baldigst zu thun.
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@facs0360
Der Central-Ausschuß der Demokraten Deutschlands an das polnische Volk.
Polnische Brüder!
Die befreiende Bewegung, nach der Ihr Euch mehr als irgend ein anderes Volk gesehnt, die Ihr mit aller Kraft vorbereitet habt, ist über das alte Europa hereingebrochen und hat in ihren Anfängen für Euch keine Gabe, als die Wiederholung der alten Täuschung. Weder die Throne, noch den Druck der verhaßten Fremdherrschaft hat der erste Sturm von Euch gerissen.
Als das Wiener Volk der Regierung seine Souverainetät mit der Waffe bewies, als man zu Berlin in Euren aus dem Kerker befreiten Landsleuten das wiedererstandene Polen begrüßte, ‒ damals glaubtet Ihr wohl, die Knechtschaft sei für immer gebrochen. Sie würde es auch sein, wenn das Volk mächtig wie in den ersten Tagen geblieben wäre. Aber es hat sich mitten im Siege vor der eigenen Kraft gefürchtet und ein großes Stück des alten Joches wieder auf sich genommen; es hat die Beamten, die Werkzeuge des alten Bedrückungssystems, in voller Wirksamkeit gelassen und sich zum gläubigen Schüler ihrer Lehren gemacht.
Wir haben den Gang der Regierung verfolgt, von den weitesten Zusagen bis zu den Brandmarkungen in Posen; wir kennen das ganze falsche Spiel, das man mit Euch getrieben, in Preußen so gut wie in Oesterreich. Vom schwankenden Throne aus hat man Euch zugerufen: „Wir sind nicht mehr Eure Herren; Euer Recht, das Recht der freien Organisation, soll fortan gelten.“ Und weiter? Mit jedem neuen Tage, mit jedem Zuwachs an Macht, hat man das verheißene Recht stückweis geschmälert. Statt Euch zu schützen gegen das drohende Rußland, verbot man Euch die Waffen, und als man Euch, nachdem Ihr den langgehegten Glauben an ein freies Polen fast verwirklicht gesehen, durch die Verweigerung jeder Freiheit zur Verzweiflung getrieben, da schickte man Euch, zu den Beamten, die ihrer Stellung bereitwillig jede Menschlichkeit opfern, auch noch ein Heer brutalisirter Soldaten. So löste sich auch für Euch das Räthsel der Fürstenworte: aus der Reorganisation ward eine neue Theilung, aus dem Recht der Selbstregierung der Besitz eines verwüsteten Bodens. Nicht aus Angst vor dem Verlust eines Stücken Landes, nicht aus Liebe zu den Unterthanen hat man die Geschütze gegen Euch gebraucht, sondern aus Furcht vor der Demokratie. Ein Volk von geknechteten Russen war den Fürsten ein erwünschterer Nachbar, als freie Männer.
Die östreichische Regierung, anfänglich mehr als die preußische unter dem Einflusse des Volkes, und in ihrer Macht mehr gebunden, vermochte nicht aggressiv gegen Euch zu verfahren. Aber die Worte, welche Euch durch östreichische Vermittelung auf ein vereinigtes polnisches Reich Hoffnung machten, verhallten bald; in Krakau und Lemberg lehrte man Euch die wahre Meinung des Kabinets kennen. Rußland allein vermochte weder Euch zu täuschen, noch Eure Lage zu verschlimmern; die Thätigkeit der früheren Jahre hatte die Bedrückung bis auf das äußerste Maß vollendet. Ihm blieb nur übrig, den Druck im Innern zu erhalten, und die Erhebung des Großherzogthums, die es wohl voraussah, für seinen Theil unschädlich zu machen.
In diesem Kampfe standet Ihr verlassen, verlassen trotz der angelobten Sympathie der Völker. Fürchtet nicht, daß wir diese Phrase nachsprechen diese leere Sympathie, von der zu hören Ihr müde seid. Frankreich hat Euch damit betrogen und Deutschland nicht minder. Unsere Beamten haben es verstanden, die Theilnahme zu tödten, sie in Haß umzuwandeln; und die deutsch-nationale Partei ruft das Volk gegen Euch zum Schutz seiner Gränzen.
Was diese Partei vor wenigen Tagen nur hoffte, wofür sie im Bunde mit der servilen Presse Propaganda machte, heut sieht sie es verwirklicht, legalisirt durch den Beschluß der Frankfurter National-Versammlung. Also Polen ist zum vierten Male getheilt; Polen für immer vernichtet: so dekretirt die Macht und Weisheit jener Volksvertreter. Die Fürsten mögen sich freuen, ihre Politik, um deren Untergang sie trauerten, ist gerettet; Hunderte von Volksvertretern haben sie adoptirt. Was kümmert jene Männer das Versprechen des Vorparlaments, was die Gerechtigkeit? Haben sie es doch zur Genüge bewiesen, wie fern sie der Demokratie stehen; statt eine Versammlung der aufgehenden Freiheit zu sein, wie sie es sollten, sind sie nur eine Versammlung des Verfalls. Sie mögen ihre neue Herrschaft mit dem Glauben antreten, daß die vierzig Millionen sie stützen, aber wir versprechen Euch, gegen Polen wird Deutschland kein einiges sein. Wir hoffen, das deutsche Volk wird noch beweisen, daß die Abstimmung der Herren in Frankfurt nicht sein Ausdruck ist; aber träte es dennoch jenen Beschlüssen bei, nun so erklären wir feierlich, daß wir nicht zu jener Majorität gehören. Hört unsern erneuten Protest, und wenn Polen trotz der „Unmöglichkeit zu bestehen“ als Volk aufersteht, dann mag es nicht vergessen, daß nur das alte Deutschland sein Tyrann sein wollte.
Wir protestiren gegen das Frankfurter Parlament, für uns, für Euch; wir wollen Euer Recht geltend machen, das uns so viel gilt, wie das unsrige. Wir erkennen keinen Völkerhandel an, der die Einzelnen nach älterem oder jüngerem historischen Recht vertheilt, wir fordern für Feststellung der Gränzen den Entscheid der Bevölkerung. So kann die Territorialfrage zwischen uns keine Frage des Streites werden, wenn Ihr den gleichen Grundsatz aufrecht erhaltet.
Ihr habt bis jetzt in diesem Sinne gehandelt und habt dem Gedanken der Eroberung selbst da widerstanden, als man Euch fast zwang, die Hülfe Eures gewaltigsten Feindes anzurufen. Ihr unterließt diesen verzweifelten Schritt, der einen Krieg der Racen unmittelbar im Gefolge gehabt hätte, nur weil Ihr nicht unter dem Schild eines Despoten Euer Recht verfolgen wollt.
Wie Ihr der Damm waret gegen ein solches Ueberfluthen des slavischen Stammes, so vertrauen wir Euch, werdet Ihr auch ferner einem russischen Panslavismus gegenübertreten, in dem wir kein Streben sehen, als den rohen Drang zu erobern und zu herrschen. Glauben aber die Slaven, daß die Zukunft der Geschichte nur in ihnen liege, daß sie das wahre, weil frischere und unverbrauchte, Element für die That sind, so mögen sie immerhin die Rolle übernehmen, wenn das müde Europa an Uebercivilisation abstirbt. Für jetzt fühlen wir noch die Kraft, neben jedem freien Volke frei zu leben; jetzt könnte ein siegreiches Slaventhum unser Land nur verwüsten, nicht verjüngen.
An Euch, die Ihr die Slaven unter das Banner der Freiheit ruft, gehen unsere Worte; Ihr mögt sie mit der Idee der Freiheit zu allen verwandten Stämmen tragen.
Deutschland steht, wie Ihr, im Beginn eines großen Kampfes. Der Feind ist für uns Beide der gleiche: die Diplomatie. Ein Feind und Ein Interesse, das ist die Grundlage des Bundes, den wir Euch bieten. Nicht die Deutschen, nicht die Franzosen sind Eure Genossen, wohl aber die Demokraten, als welche wir Euch auch begrüßen.
Wir nehmen den Gedanken eines Völkerkongresses freudig auf, denn auch wir wollen eine Solidarität der freien Völker und erwarten mit Sehnsucht den Tag, an welchem ihre Abgesandten die große Förderation beschließen werden. In dem Sinne möget auch Ihr Euch mit den übrigen Slaven zu einem allgemeinen Bunde vereinigen.
Erhebt Euch, wie Ihr nicht anders könnt, als Nation, aber erhebt Euch im Namen der Humanität, im Namen der Demokratie, und wir werden mit Euch sein. ‒
Berlin, 1. August 1848.
Fröbel. Rau. Kriege. Meyen. Hexamer.
(Hierzu eine Beilage.)
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Der Gerant, Korff.
Druck von W. Clouth, St. Agatha Nro. 12.