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Leben und Thaten des berühmten Ritters Schnapphahnski.
(Fortsetzung.)
Zu den Eigenschaften eines Ritters ohne Furcht und Tadel gehört nicht nur ein
kleiner Fuß, eine weiße Hand, ein kohlschwarzer Schnurrbart, ein
herausforderndes Profil, eine halbe Million, ein Dutzend Liebschaften ‒
nein, auch ein Duell.
Ein glücklich überstandenes Duell verleiht dem Menschen einen eigenthümlichen
Reiz. Ich rathe einem Jeden, sich wenigstens ein Mal
in seinem Leben auf 14 Schritt mit Pistolen zu schießen. Das ist eine
herrliche Sache. Die Frauen werden ihm artiger, und die Männer werden ihm
höflicher entgegenkommen. Man weiß, er hat seine Sporen verdient, er hat den
Kugeln getrotzt, er hat sich als Mann gezeigt ‒ kann man den Frauen ein
größeres Vergnügen machen, als wenn man ihnen beweist, daß man ein Mann
ist?
So auch dachte der Ritter Schnapphahnski, als er nach seinem unsterblich
schönen Abentheuer mit der Gräfin S. wohlweißlich den Weg zwischen die Beine
nahm und sich auf eine unglaublich schnelle Weise aus dem Staube machte.
Halte Gott vor Augen und im Herzen! heißt es in der Bibel. Halte die Lakaien
des Grafen S. vor Augen und im Herzen! summte es in die Ohren
Schnapphahnski's. Er sah ein, daß ihm in Schlesien weder Rosen noch
Lorbeeren, sondern nur Hasel- und Heinebüchenstöcke sprießen würden, daß er
in der Gegend von O. nie auf einen grünen Zweig kommen, sondern daß die
grünen Zweige, oder vielmehr die grünen Prügel nur auf ihn herunter kommen
würden, und er zweifelte aus diesem Grunde daran, daß er es länger als
Freiwilliger des 4. (braunen) Husarenregimentes in O. aushalten könne, und
mit einem Worte, der edle Ritter entfernte sich, Schnapphahnski nahm
Reißaus.
Ach! noch so jung und doch schon so unglücklich! Der edle Ritter hätte über
sich selbst weinen mögen. Aber was war gegen das häßlich-unerbittliche
Schicksal zu machen? Der allmächtige Schöpfer Himmels und der Erden kann das
Geschehene nicht ungeschehen machen; selbst der Kaiser Nicolaus ist
ohnmächtig in diesem Punkte … Schnapphahnski begriff, daß er die schöne
Gräfin S. keck entführt und daß er sie feige verlassen hatte. Die Schande
stand über seinem Leben so offenbar, wie die Sonne leuchtend über der Welt
steht, und es handelte sich nur noch darum, wie man diese Sonne der Schmach
am besten in den undurchdringlichsten blauen Dunst der Lüge verstecken
könnte.
Ein Mann wie Schnapphahnski, wenn er eine Flasche Champagner getrunken, drei
Cigarren geraucht, und sich sechs Mal verliebt im Spiegel angesehen hat, ist
nie um eine erbauliche, glaubhafte Lüge verlegen.
Der edle Ritter war keineswegs ein solcher Narr, daß er schon von vorn herein
an seinem erfinderischen Haupte verzweifelte. Bin ich nicht Schnapphahnski,
ein Mann wie ein Engel? rief er, den jugendlichen Schnurrbart streichend,
und das ganze Firmament messend, mit den flammenden Blicken. Unser Ritter
hatte recht. Gewandt und hübsch machte er aus dem Abentheuer mit der Gräfin
S. die schönste Duellgeschichte, eine Geschichte, so verwickelt, so
verteufelt verzwickt, daß zuletzt Niemand mehr daraus klug wurde ‒ die
Lakaien des Grafen S. ausgenommen. ‒ Die überstandene Gefahr eines
erlogenen, aber nichtsdestoweniger frech ausposaunten Duells, sollte die
nackte Schmach eines feigen Entrinnens in etwa verhüllen. Die Welt sollte
glauben, daß der edle Ritter unglücklich geliebt und daß er sich furchtbar
geschossen habe ‒ mit einem Worte, Schnapphahnski that Alles, was ein
ehrlicher Mann thun kann, um aus einer schlechten Sache eine brilliante
Historie zu machen, und keck stürzte er sich wieder in den Strudel der
vornehmen Welt ‒ natürlich eben nicht in der Nähe der Lakaien des Grafen
S.
Mit ihrem Erfinder reiste auch die Fabel in die Welt hinein, und wie sie von
Mund zu Munde ging, da nahm sie natürlich auch an Abentheuerlichkeit zu, so
daß unser Schnapphahnski nach kaum einem Vierteljahre schon weit und breit
als einer der wüthendsten Raufbolde, als einer der schrecklichsten
Duellanten seiner Zeit bekannt war.
Unser Ritter war glücklich; aber ach, er hatte vergessen, daß es nichts
gefährlicheres auf Erden giebt, als Ruhm. Unberühmte Leute können die besten
Gedichte machen, die schlechtesten Prozesse gewinnen, und die
ausgezeichnetsten Reden halten: man verzeiht ihnen das Alles; aber wehe dir,
wenn du ein bekanntes Haupt bist, da paßt man dir auf die Finger, und du
magst dich drehen und wenden wie du willst, es sitzt dir irgend ein
Teufelskind im Nacken, und erinnert dich daran, daß du ein sehr sterblicher
und vergänglicher Mann bist.
Der edle Ritter Schnapphahnski fand sein Teufelskind, den Kobold seines
Lebens in einem gewissen Grafen, in einem Manne, der Zeit seines Lebens die
Menschen lieber lebendig als todt fraß, lieber mit Haut und Haar, als
gestooft oder abgekocht, lieber roh und ohne alle Zuthat, als mit Essig,
Oel, Pfeffer, Salz und Mostert. Graf G. ist wo möglich noch einer der
kühnsten und ehrlichsten Degen die der preußische Adel aufzuweisen hat; ein
Mann, der auf seinem Roß die steilste Treppe hinangaloppirt, der seine
Pistole so sicher schießt, wie der alte Lederstrumpf seine lange Flinte, und
der den Säbel mit einer solchen Gewissenhaftigkeit zu führen weiß, daß ich
ihn, nämlich den Herrn Grafen G., hierdurch aufs Höflichste gebeten haben
will, mir doch stets drei Schritte vom Leibe zu bleiben, sintemalen ich
nicht die geringste Lust verspüre, ihm zu fernerer Erprobung seines
schauerlichen Handwerks an meinem Leibe Gelegenheit zu geben.
Graf G. hörte von den Thaten Schnapphahnski's und es versteht sich von
selbst, daß ihn sofort die Eifersucht stachelte, um aus der Haut zu fahren,
um verrückt zu werden. Ueberall wo er ging und stand, immer Schnapphahnski
und ewig Schnapphahnski! Graf G. gerieth zuletzt in ein wahres Delirium, in
einen St. Veitstanz, wenn man ihn nur im entferntesten an unsern Ritter
erinnerte;
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seine Hengste spornte er blutig, er prügelte Hunde
und Bedienten und Alles nur wegen des verfluchten Schnapphahnski.
Am aller Begreiflichsten ist es indeß, daß Graf G. zuletzt keinen andern
Wunsch mehr auf Erden kannte, als unserm Ritter einmal auf den Zahn zu
fühlen.
Leider wollte sich hierzu aber nie eine Gelegenheit finden. Schnapphahnski
war der liebenswürdigste Mensch von der Welt, bethörend bei den Weibern und
schlau bei den Männern. Er war allmählig zu der Ueberzeugung gekommen, daß
das Leben kostspielig ist, sehr kostenspielig. Trotz aller äußern Bravour
glaubte er in der Tiefe seiner Seele an den 10. Vers des neunzigsten Psalms,
wo da geschrieben steht, daß unser Leben siebenzig Jahre währt und wenn's
hoch kommt, achtzig und daß es köstlich gewesen ist, wenn es Mühe und Arbeit
gewesen und daß es schnell dahin fährt, als flögen wir davon.
Dachte er aber gar an den Grafen G., so ging es ihm nicht anders wie mir: er
hätte sich lieber mit dem Pferdefuß des Satans herumgeschlagen, als mit der
Klinge jenes fürchterlichsten aller modernen Menschenfresser.
Aber was hilft es, wenn die Unsterblichen nun einmal beschlossen haben, daß
einem das Schicksal ein Bein stellen soll?
Schnapphahnski hatte eines Abends die Unvorsichtigkeit begangen, seinem
treuesten Freunde unter dem Siegel der tiefsten Verschwiegenheit
mitzutheilen, daß die Schwester des Grafen G. ‒ ‒ meine Leser müssen
entschuldigen, wenn ich ihnen eine der galantesten Lügen neuerer Zeit nicht
zu wiederholen wage ‒ genug unser Ritter ließ sich durch seine Phantasie zu
einer Mittheilung verleiten, die, eben weil sie unter dem Siegel der
tiefsten Verschwiegenheit geschah, auch schon am nächsten Morgen von dem
treuesten aller Freunde dem Grafen in ihrer ganzen Frische wieder überbracht
wurde.
Graf G. fluchte wie ein Christ und wie ein Preuße. Er nahm seinen Säbel von
der Wand und er nahm seine Pistolen ‒ O, armer Schnapphahnski! Doch was soll
ich weiter erzählen? Es versteht sich von selbst, daß Graf G. in der Wohnung
unseres Ritters eher den Vater Abraham hätte antreffen können als den Hrn.
von Schnapphahnski.
Ja wahrhaftig, wie der edle Ritter einst dem ehrenwerthen schlesischen
Menelaos die Landstraße geräumt und die liebenswürdigste Frau überlassen
hatte, so ließ er diesmal dem kriegerischen Grafen G. die Ueberzeugung
zurück, daß ein Mann wie Schnapphahnski eine viel zu feine Nase hat, um
nicht das Pulver auf wenigstens tausend Schritt zu riechen ‒ mit einem
Worte: Mensen Ernst hätte nicht schneller davon laufen können, als der
berühmte Ritter Schnapphahnski.
Die böse Welt erzählt von einer großen, unerbittlichen Hetzjagd, die jetzt
ihren Anfang nahm. Fabelhaft war die Wuth des Grafen G., aber noch
unglaublicher war die Eile des Ritters Schnapphahnski. Wie die brennende
Sonne den bleichen Mond verfolgt, so folgte der zornglühende Graf dem
angstblassen Ritter. Da war kein Hotel, kein Salon zwischen Dresden, Berlin
und Wien, da war kein Ort in dem ganzen östlichen Deutschland, der nicht
untersucht wurde, in dem man sich nicht aufs Angelegentlichste nach Sr.
Hochgeboren dem Ritter Schnapphahnski erkundigte. Doch die Distanz wurde
immer kleiner; immer näher rückte der Graf auf des Ritters Pelz ‒ in Troppau
in Oestreich stehen unsere Helden endlich mit den krummen Säbeln in den
Fäusten einander gegenüber.
Der edle Ritter kann seinem Schicksal nicht mehr entrinnen. Graf G. versteht
keinen Spaß. Der Kampf beginnt. Seit Sir John Falstaff auf der Ebene von
Shrewsbury mit dem Schotten Douglas aneinander war, gab es kein so famoses
Treffen mehr auf der Welt als das unserer Helden in Troppau.
„So fiel ich aus und so führt ich meine Klinge!“ hatte der edle Ritter
manchmal renommirt, wenn er den Damen seine Abenteuer schilderte. Jetzt war
die Stunde gekommen, wo er das in der That und in der Wahrheit durchmachen
sollte, was er früher so oft im Geist und in der Lüge erlebte.
Schnapphahnski empfahl sich dem allmächtigen Schöpfer Himmels und der Erden,
er setzte den einen Fuß vor, er erhob den Säbel und die Paukerei ging los.
Graf G. schlug drein wir der leibhaftige Teufel. So ein Eisenfresser hat
kein Mitleid ‒ armer Schnapphahnski! Der edle Ritter fühlt, daß er es mit
dem Bruder einer schönen Schwester zu thun hat, aber er wehrt sich so gut er
kann. Da fehlt er zum ersten Male und die Klinge seines Gegners fährt ihm
über den Leib, so nachdrücklich, so impertinent unhöflich, daß Graf G. nicht
anders meint, als daß der Ritter ins Gras beißen und das Zeitliche segnen
müßte. Schnapphahnski denkt aber nicht daran; ein leises Frösteln rieselt
ihm über den Nacken, er schüttelt sich und wiederum steht er da, in der
alten Parade: „So fiel ich aus und so führt' ich meine Klinge!“
Graf G. macht da den zweiten Ausfall; abermals klirren die Säbel und zum
zweiten Male besieht unser Schnapphahnski einen Schmiß, der dem besten
Chorburschen Heulen und Zähnklappen verursacht haben würde, vor dem unser
Ritter aber nur leise stutzt und momentan zurückweicht, um sich sofort
wieder zu sammeln und seine frühere Stellung einzunehmen. Graf G. ist über
das zähe Leben seines Feindes nicht wenig erstaunt; er kennt doch die Force
seines Säbels, er weiß, was in frühern Jahren seinen Hieben zu folgen
pflegte und schäumend vor Wuth, daß seine besten Schläge ohne Erfolg
bleiben, stürzt er zum dritten Male in den Kampf und wiederum rasseln die
Klingen, daß die Lüfte schwirren, daß allen beiden Kämpfern Hören und Sehen
vergeht.
Da trifft der Säbel des Grafen zum letzten Male und Schnapphahnski taumelt
todtenbleich zu Boden ‒ o armer Mann! Die Klinge hat den Kopf nicht berührt,
sie machte eine Reise über Schulter und Brust ‒ die Kleider hängen in Fetzen
herunter ‒ o unglückseliger Ritter! Fallen in der Blüthe der Jugend, ein
Mann so schön und so glücklich ‒ es ist hart! Da kniet der Graf an seinem
Opfer nieder ‒ Sekundanten sind nicht zugegen, die Tollkühnen haben sich
ohne weiteres geschlagen. ‒ Graf G. reißt die Kleider seines Gegners auf; er
erwartet nichts anders, als eine klaffende Wunde von ein bis zwei Zoll, es
wundert ihn, daß nicht das Blut schon hervorspritzt. Da ist er mit dem
Losknöpfen des Rockes fertig, zu seinem Entsetzen zieht er ‒ ein nasses
seidnes